Die Erste im Orbit

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Donnerstag, 29. September 2016
Die Erste im Orbit
Elfmal schickte Deutschland Männer ins All, nie eine Frau – eine Privatinitiative will dies aber ändern
Von Alexei Makartsev
●
RAVENSBURG - Es ist ein Ort nicht
von dieser Welt: Die mit Elektronik
vollgepackte Kuppel, rund drei Meter im Durchmesser, mit sieben Fenstern, durch die der Beobachter in die
atemberaubende Grenzenlosigkeit
des schwarzen Weltalls und auf den
Blauen Planeten blicken kann. Ebru
Kanat will in ihren ersten freien Minuten auf der Raumstation ISS in die
„Cupola“ schweben und sich dort an
der Erde aus 400 Kilometer Höhe
sattsehen. Polarlichter bewundern.
Unbedingt Fotos machen. Der Herzenswunsch der 34-jährigen Stuttgarterin könnte im Jahr 2020 in Erfüllung gehen, wenn sie – etwas Glück
und 30 Millionen Dollar an Sponsorengeldern vorausgesetzt – als erste
Astronautin Deutschlands in den Orbit starten würde.
Ebru Kanat hat Maschinenbau mit
dem Schwerpunkt Thermodynamik
studiert. Sie arbeitet heute im technischen Vertrieb bei einem schwäbischen Automobilzulieferer. Die in
Deutschland geborene Tochter zweier türkischer Einwanderer brennt
schon seit dem Kindesalter darauf,
als Wissenschaftlerin die weite Welt
zu erforschen.
Eine einmalige Chance
Als Schülerin hatte Kanat einmal ein
Planetarium besucht. „Ich war fasziniert über diese endlosen Weiten des
Kosmos, die darauf warteten, von jemandem entdeckt zu werden“, erinnert sich die junge Frau mit einer
sanften Stimme und den langen,
schwarzen Haaren. Viele Jahre später sah sie in Stuttgart ein Plakat, das
um Kandidatinnen für einen Flug zur
ISS warb. „Da dachte ich mir: Diese
Chance kommt nicht wieder.“
Ortswechsel: Ein Büro in der Nähe des Bremer Flughafens, die deutsche Zentrale des internationalen
Personaldienstleiters HE Space. Geschäftsführerin Claudia Kessler hat
blonde Locken, Brille und ein breites
Lächeln. Die 51-jährige Raumfahrtmanagerin wollte als Studentin der
TU München Ende der 1980er-Jahre
in das deutsche Astronautenteam
aufgenommen werden. Es hat nicht
geklappt, weil ihr die nötige Berufserfahrung fehlte. Nun arbeitet Kessler an der Spitze der privaten Initiative „Die Astronautin“ seit acht Monaten hart daran, ihren einstigen Traum
für eine andere Frau zur Wirklichkeit
werden zu lassen.
Es kann nur eine geben: Angehende deutsche Astronautinnen posieren im September vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Lediglich zwei Jahre lang, von 1961
bis 1963, war die Raumfahrt formell
eine reine Männerdomäne. Die 49
Erdumrundungen der Sowjetrussin
Walentina Tereschkowa im Raumschiff „Wostok 6“ ebneten den Frauen den Weg in den Orbit. Seitdem
flogen weitere Russinnen, Amerikanerinnen, Kanadierinnen, je eine
Engländerin, Japanerin, Französin
und Italienerin – aber keine Deutsche. „Nach der 2014er-Mission von
Alexander Gerst, die sehr publi-
kumswirksam war, wäre ein Flug der
ersten deutschen Astronautin eigentlich der nächste logische Schritt
gewesen“, sagt Kessler. „Aber es tat
sich nichts, und darum habe ich beschlossen, zu handeln.“
Es begann mit einem Aufruf auf
Facebook am 1. März 2016: „Stellen
Sie sich vor, Sie blicken von der Internationalen Raumstation auf unsere Erde. Was sehen Sie? Was beeindruckt Sie?“ Etwa 400 Frauen fragten
sich das ernsthaft und schickten ihre
Bewerbungen nach Bremen. „Die Ingenieurinnen, Chemikerinnen, Geologinnen, Pilotinnen, Medizinerinnen – sie kamen aus ganz Deutschland. Viele tolle Frauen waren dabei,
sogar eine 73-Jährige wollte mitmachen“, erinnert sich Kessler: „Sie ist
dann ausgeschieden, aber ich hätte
ihr gerne eine Chance gegeben.“
Die Auswahl beim Projekt „Astronautin“ ist ähnlich streng wie bei der
europäischen
Raumfahrtbehörde
Esa und der NASA. Zu den wichtigs-
FOTO: JULIANA SOCHER
ten Kriterien zählen die perfekte Gesundheit, eine gute Fitness, keinerlei
Störungen, exzellente Teamfähigkeit
und eine starke Motivation. Nach einer ersten Bewerbungsrunde im
Frühjahr sind noch 120 Frauen im
Rennen geblieben. 90 von ihnen werden bis zum Jahresende eine Reihe
von psychologischen Tests im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) absolvieren.
Es folgen im Januar die medizinischen Untersuchungen. Kessler
Alles begann mit der „Möwe“
Die 26-jährige Russin mit dem
Rufnamen „Möwe“ (russisch:
Tschaika) startete im Juni 1963 als
weltweit erste Frau ins All. Während ihres dreitägigen Fluges hatte
die frühere Textilarbeiterin Walentina Tereschkowa Probleme mit der
Steuerung ihres Raumschiffs und
fühlte sich unwohl. Natürlich machte die Propaganda aus der Kosmonautin eine Heldin, schließlich waren die USA im kosmischen Wettrennen wieder geschlagen. Angeblich war die Staatsführung in
Moskau aber so enttäuscht von der
weiblichen Pionierleistung im Orbit,
Ebru Kanat
dass es ganze 19 Jahre dauerte, ehe
die 34-jährige Testpilotin Swetlana
Sawizkaja 1982 als Nummer. Zwei
zur Raumstation „Saljut-7“ starten
durfte. Ein Jahr später zogen die
USA nach und ließen die 32 Jahre
alte Physikerin Sally Ride in der
Raumfähre „Challenger“ um die
Erde kreisen. 1991 flog die britische
Chemikerin Helen Sharman als erste
Europäerin ins All und verbrachte
einige Tage auf der Station „Mir“.
Bis heute sind gerade einmal
60 Frauen im Weltraum gewesen,
verglichen mit den mehr als 550
Männern ist das ein Anteil von nur
knapp elf Prozent. Ein Grund dafür
ist der hohe Anteil von Militärs an
den Weltraummissionen in den
ersten Jahrzehnten – unter den
Testpiloten in den USA, der Sowjetunion und anderen Staaten machten Frauen zunächst nur einen
geringen Anteil aus. Der zweite
Grund ist der Mangel an Bewerberinnen. Bei der letzten Bewerbungsrunde der ESA 2008 zählte die
Weltraumbehörde von den insgesamt 8413 Kandidaten nur 1430
Frauen, rund 17 Prozent. Von den
1798 deutschen Freiwilligen war
damals jede fünfte weiblich. (alm)
FOTO: JULIANA SOCHER
hofft, im März ihre zwei Top-Kandidatinnen präsentieren zu können, die
Mitte 2017 mit dem Training als „Pilot
Specialist“ beginnen. Eine der beiden
wird am Ende möglicherweise die
erste deutsche Astronautin sein.
Die Reaktionen der Öffentlichkeit
und in den Fachkreisen auf ihre Initiative seien durchweg positiv, sagt
die Raumfahrtmanagerin. „Im Ausland höre ich aber oft die Frage: ,Wieso hat Deutschland bis heute keine
Astronautinnen?‘“ Doch ungeachtet
des großen Interesses bleibt es eine
Riesenherausforderung, die benötigten finanziellen Mittel aufzutreiben.
Mindestens 30 Millionen Dollar
kostet heute für Weltraumtouristen
eine Tour in den Orbit mit den russischen „Sojus“-Raumschiffen. Die
deutsche Initiative will 2017 eine
Million Dollar durch Crowd-Funding sammeln, den Rest sollen Firmen beisteuern. „Wir haben in diesem Sommer mit Boeing und SpaceX
geredet, die spätestens 2019 kommerzielle Flüge zur ISS starten wollen“, sagt Kessler hoffnungsvoll. „Je
größer das Angebot, desto billiger
müsste dann der Transport werden.“
Kosmetiktests im Kosmos
Die zukünftige Mission der ersten
deutschen Astronautin ist noch nicht
klar definiert. Kessler ist jedoch für
Zusammenarbeit mit öffentlichen
wie privaten Auftraggebern offen.
„Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass wir für Pharmafirmen forschen oder Medizintechnik, Kosmetik und Bekleidung im All testen.“
Für die angehende Raumfahrerin
Ebru Kanat wäre dies ohnehin zweitrangig. „Ich freue mich über jedes
Experiment, an dem ich mitarbeiten
könnte. Hauptsache, es nützt den
Wissenschaftlern auf der Erde“, sagt
die junge Ingenieurin aus Stuttgart.
Sie möchte hoch hinaus, um als
Vorbild die Mädchen in Deutschland
für Naturwissenschaften und technische Berufe zu begeistern. „Ich
möchte aber auch zeigen, wie wichtig es ist, an seinen Träumen festzuhalten.“ Kanat ist bereit, für die wenigen Tage als Astronautin im All ihr
Leben komplett auf den Kopf zu stellen – ein zweijähriges hartes Training zu absolvieren, zahllose Tests
über sich ergehen zu lassen, zu reisen, Russisch zu lernen und nach
dem Flug auf eine lange Werbetour
zu gehen. „Ich sehe das alles als ein
Abenteuer – das größte Abenteuer
meines Lebens“, sagt sie.
Der Sternenhimmel im Oktober
Merkur ist Anfang des Monats gut zu sehen – Andromedagalaxie lässt sich mit bloßem Auge entdecken
Erläutert, wie immer an dieser Stelle,
von der Volkssternwarte Laupheim
mondnacht des 30. erneut vom Firmament.
Die Sonne
Vergessen Sie nicht, in der Nacht auf
Sonntag, den 30. Oktober, Ihre Uhr
um eine Stunde zurückzustellen: Die
Sommerzeit geht zu Ende!
Die Tabelle mit den Auf- und Untergangszeiten, angegeben – wie alle anderen Zeiten in diesem Artikel – in
mitteleuropäischer
Sommerzeit
(MESZ):
1. Oktober 7.20 Uhr, 18.58 Uhr;
10. Oktober 7.34 Uhr, 18.39 Uhr;
20. Oktober 7.50 Uhr, 18.18 Uhr;
31. Oktober 8.09 Uhr, 17.58 Uhr.
● Die Planeten
Der Merkur, der sonnennächste Planet unseres Sonnensystems, ist der
am schwierigsten mit bloßem Auge
zu beobachtende Planet, da er selten aus dem Glanz der Sonne heraustritt. In diesem Monat ergibt sich jedoch am Morgen
der ersten sechs Oktobertage
eine gute Gelegenheit ihn zu
erspähen. Am Monatsersten ist der Merkur ab 5.55
Uhr über den horizontnahen Dunstschichten im
Osten aufzuspüren, allerdings verblasst er schon
eine Stunde später in der
einsetzenden Morgendämmerung. Bis zum 6. ist
er ab 6.15 Uhr zu sehen.
Danach können ihn erfahrene Beobachter morgens
bis zum 11. mit bloßem Auge
erkennen. Der Merkur zeigt
sich an diesem Tag ab 6.42
Uhr.
●
Der Mond
Auch im Oktober lässt sich das Verstreichen des Monats leicht am
Mond ablesen: Am 1. Oktober
herrscht Neumond, unser Erdbegleiter ist am Himmel nicht zu sehen. In
den folgenden Tagen kehrt er als eine
dünne Mondsichel wieder an den
westlichen Abendhimmel zurück.
Die Sichelkrümmung zeigt nach
Westen, der untergehenden Sonne
entgegen. Bis zum 9. hat sie sich wieder zum zunehmenden Halbmond
(Phase des ersten Viertels) gerundet
und durchstreift inzwischen das
Sternbild „Schütze“.
Eine Woche später ist der Mond in
die „Fische“ weitergewandert, wo er
in der Vollmondnacht des 16. mit
größter Helligkeit strahlt. Nun lässt
die Leuchtkraft unseres Erdtrabanten wieder nach. Er ist am 22. als abnehmender Halbmond (Phase des
letzten Viertels) im Sternbild „Zwillinge“ eingetroffen. Die danach immer schmaler werdende Mondsichel
verschwindet schließlich in der Neu-
●
nur abends und geht am Monatsersten gegen 22.33 Uhr unter, am Monatsletzten schon gegen 22.24 Uhr.
Jupiter, der größte Planet des Sonnensystems mit elffachem Erddurchmesser, kehrt wieder hinter der Sonne hervor und steht als dritthellstes Nachtobjekt in der „Jungfrau“. Ab dem 10. Oktober
taucht er gegen 6.33 Uhr in
der Morgendämmerung
über dem östlichen Horizont auf, am 31. bereits
gegen 5.35 Uhr.
Der Saturn, der am
weitesten
entfernte
mit bloßem Auge
sichtbare
Planet,
streicht abends durch
den „Schlangenträger“. Im Lauf des Oktobers verabschiedet
er sich fast vollständig
vom Firmament. Am
Monatsersten
verschwindet der Planet
mit dem berühmten
Ringsystem um 21.34 Uhr
unter den Horizont, am
Monatsletzten bereits gegen
19.45 Uhr.
Die Venus, unser Nachbarplanet
im inneren Sonnensystem, strahlt
als „Abendstern“. Sie steht nach Sonnenuntergang tief im Südwesten und
wechselt am 17. Oktober von der
„Waage“ in den „Skorpion“. Als
hellstes Nachtobjekt nach dem
Mond geht die Venus am 1. gegen
19.55 Uhr, am 31. bereits gegen 19.31
Uhr unter.
Der Mars, unser Nachbarplanet im
äußeren Sonnensystem, streift im
Oktober durch den „Schützen“. Der
rötlich strahlende Planet zeigt sich
Der Sternhimmel am 1. gegen 0 Uhr, am 15. gegen 23 Uhr und am 31.
gegen 22 Uhr (MESZ). Die Kartenmitte zeigt den Himmel im Zenit. Der
Kartenrand entspricht dem Horizont. Norden ist oben, Westen rechts,
Süden unten und Osten links. Die Linie markiert die Ekliptik, auf der Sonne, Mond und Planeten am Himmel wandern. FOTO: VOLKSTERNWARTE LAUPHEIM
● Die Fixsterne
Ein ausgedehntes Sternenquadrat
beherrscht den Südhimmel: das
Herbstviereck. Es war schon bei den
antiken Griechen als das mythische
Flügelpferd „Pegasus“ bekannt und
verdrängt nun langsam die Sommersternbilder in den Westen. Steil
oben im Zenit leuchtet das einprägsame Himmels-W, die „Kassiopeia“.
Weiter im Osten liegt „Perseus“. Der
hellste Stern in seinem westlichen
Sternbildarm blinkt ungefähr in ei-
nem Drei-Tage-Rhythmus. Unter
dem Namen Algol oder „Teufelsauge“ ist er schon seit dem Altertum
bekannt. In Wirklichkeit handelt es
sich um einen sogenannten bedeckungsveränderlichen Stern. Dabei
kreisen zwei verschieden helle Sterne umeinander, die sich von Zeit zu
Zeit verdecken. Stehen sie von der
Erde aus gesehen nebeneinander,
leuchtet das Sternensystem am
stärksten, steht der dunklere der beiden Sterne vor dem helleren, leuchtet das Sternensystem am schwächsten. Mit einem scharfen Auge und solange keine künstlichen Lichtquellen
stören, ist im Sternbild „Andromeda“ das entfernteste mit bloßem Auge sichtbare Objekt zu erkennen: die
Andromedagalaxie (M31), eine unserer Nachbarmilchstraßen, von der
uns etwa 2,5 Millionen Lichtjahre
trennen. Es handelt sich dabei um eine gigantische Spirale aus einer Billion Sterne, die in einer Diskusform
angeordnet sind. Sie ist in der Sternkarte als graues Oval markiert.
Durch einen großen Sprung nach Süden ist der „Südliche Fisch“ zu finden. Dessen hellsten Stern Fomalhaut benützen die amerikanischen
Apollo-Astronauten zur Navigation
auf ihrem Weg zum Mond und zurück.
Der aktuelle Sternhimmel und
weitere besondere Ereignisse
werden auch in öffentlichen Vorführungen des Planetariums in
Laupheim erläutert. Nähere Informationen unter Telefon
07392/ 91059 und im Internet
unter www.planetarium-laupheim.de.
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Schwäbische Zeitung
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