Der Einfluss ausgesuchter Speichelproteine auf die

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Aus der Klinik für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde/ Abteilung für Zahnerhaltungskunde
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Breisgau
Abteilung Poliklinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie
(Prof. Dr. E. Hellwig)
Der Einfluss ausgesuchter Speichelproteine auf die Demineralisation
von bovinem Zahnschmelz – eine In-vitro-Studie
INAUGURAL – DISSERTATION
zur
Erlangung des Zahnmedizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i. Br.
Vorgelegt
2005
von
Ulrike Oeschger
geboren in
Bad Säckingen
Dekan: Prof. Dr. med. C. Peters
1. Gutachter: Prof. Dr. A. M. Kielbassa
2. Gutachter: PD. Dr. Dr. R. Gutwald
Jahr der Promotion: 2006
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
2. Literaturübersicht
3
2.1 Schmelz
3
2.1.1 Struktur von gesundem Schmelz
3
2.1.2 Mineralisationsgleichgewicht an der Zahnoberfläche
5
2.1.3 Initialläsionen
7
2.2 Speichel
8
2.3 Kariesätiologie
9
2.3.1 Wirtsfaktoren
10
2.3.2 Nahrungsfaktoren
12
2.3.3 Mikroorganismen
13
2.3.3.1 Pellikelbildung
14
2.3.3.2 Plaque
14
2.3.4 Zeitfaktor
2.4 Proteine
16
16
2.4.1 Albumin
17
2.4.2 IgG
17
2.4.3 L-Prolin
18
2.4.4 Muzin
19
2.4.5 Casein
20
3. Ziel der Untersuchung
21
4. Material und Methode
22
4.1 Herstellung der Schmelzproben
22
4.2 Demineralisation mit Zusatz unterschiedlicher Proteinkonzentrationen
23
4.3 Herstellung planparalleler Dünnschliffe
25
4.4 Untersuchung der Schmelzläsionen im Polarisationsmikroskop
26
4.5 Untersuchung mit der transversalen Mikroradiographie (TMR)
27
4.6 Statistische Auswertung
29
5. Ergebnisse
30
5.1. Quantitative Auswertung mittels Varianzkomponentenanalyse
30
5.2. Quantitative Auswertung mittels Varianzanalyse
32
5.2.1 Vergleich der Kontrollgruppen
32
5.2.2 Vergleich der gesamten Proben
34
5.2.2.1 Mineralverlust
35
5.2.2.2 Läsionstiefe
36
5.2.3 Vergleich innerhalb der Proteingruppen
37
5.2.3.1. Vergleich der Mineralverluste (MV)
und Läsionstiefen (LD) von Albumin (Protein 1)
37
5.2.3.2 Vergleich der Mineralverluste (MV)
und Läsionstiefen (LD) von IgG (Protein 2)
39
5.2.3.3 Vergleich der Mineralverluste (MV)
und Läsionstiefen (LD) von L-Prolin (Protein 3)
41
5.2.3.4 Vergleich der Mineralverluste (MV)
und Läsionstiefen (LD) von Muzin (Protein 4)
43
5.2.3.5 Vergleich der Mineralverluste (MV)
und Läsionstiefen (LD) von Casein (Protein 5)
5.3 Qualitative Auswertung
46
49
5.3.1 Darstellung der Schmelzläsionen mit dem Polarisationsmikroskop 49
5.3.2 Darstellung der einzelnen Proteingruppen
49
5.3.2.1 Albumin
50
5.3.2.2 IgG
50
5.3.2.3 L-Prolin
51
5.3.2.4 Muzin
52
5.3.2.5 Casein
52
6. Diskussion
54
6.1 Planung und Verlauf
54
6.2 Die Wirkung der Proteine in den verschiedenen
56
Konzentrationen auf den Mineralverlust und die Läsionstiefe der Schmelzproben
6.2.1 Albumin
57
6.2.2 IgG
58
6.2.3 L-Prolin
59
6.2.4 Muzin
59
6.2.5 Casein
61
6.3 Schlussfolgerung
62
7. Zusammenfassung
64
8.Literaturverzeichnis
65
Materialliste
73
Danksagung
74
Lebenslauf
75
EINLEITUNG
1
1. Einleitung
Karies ist eine in der gesamten Bevölkerung weitverbreitete Erkrankung der Zahnhartsubstanz. Der Kariesbefall in Deutschland, insbesondere bei Erwachsenen, ist nach wie vor sehr
hoch. So waren 1989 nach einer repräsentativen epidemiologischen Studie in den alten Bundesländern 99,4 % der Erwachsenen an Karies erkrankt (DÜNNINGER und PIEPER, 1991).
Bei Kindern zeigt sich ein mehr oder weniger starker Rückgang des Kariesbefalls. Die Anzahl der Kinder mit naturgesundem Gebiss stieg in Hamburg innerhalb von zehn Jahren von
9,7 % auf 25,7 % (SCHIFFNER, und GÜLZOW, 1987). Im gleichen Zeitraum sank die
durchschnittliche Anzahl kariöser, gefüllter oder fehlender Zahnflächen von 12,0 auf 9,3
(GÜLZOW, 1990). Dieser Rückgang der kariösen Anfälligkeit ist unter anderem durch ein
erhöhtes Wissen im Bereich der Kariesentstehung und der daraus ermöglichten Kariesprophylaxe zu erklären.
Trotz dieses Rückganges der Kariesanfälligkeit durch nötige Aufklärung und Prophylaxemaßnahmen in der Bevölkerung verbleibt eine Gruppe von Personen mit unverändert hohem
Kariesbefall (DÜNNINGER und PIEPER, 1991). Da diese Gruppe durch die bisher angewandten Prophylaxemaßnahmen nicht erreichbar scheint, muss die Entwicklung ergänzender
Maßnahmen weiter fortschreiten. Das heißt, es bedarf weiterer Klärung von Grundlagen, Zusammenhängen und Kofaktoren in der Kariesätiologie, um gezielte neue Prophylaxemaßnahmen einsetzen zu können.
Neben den klassischen Prophylaxemaßnahmen, nämlich Mundhygiene, Fluoridierungsmaßnahmen und Ernährungslenkung, erhält der Speichel wieder zunehmende Aufmerksamkeit (SCHIFFNER, 1997). Speichel hat eine Vielzahl an Funktionen, die teilweise gut erforscht wurden. Vor allem die Selbstreinigung der Zahnflächen durch Speichelfluss und das
speichelgebundene Abwehrsystem wirken bekanntermaßen positiv auf die Kariesreduktion
(HELLWIG, 1999, CHALLANCOMBE, 1976) und wurden bereits mehrfach untersucht Es
zeigte sich, dass der Speichel und seine Bestandteile durchaus eine Wirkung auf die Kariesentstehung haben. Jedoch hat sich die Zahnmedizin überwiegend mit dem Einfluss von Enzymen und Antikörpern auf die orale Mikroflora beschäftigt (AALTONEN, 1987; STELZNER et al., 1982). Die Wirkung anderer Speichelbestandteile, vor allem der Proteine, wurde
bisher nicht in genügendem Maße untersucht. Obwohl bereits früh eine Wirkung der Spei-
EINLEITUNG
2
chelproteine auf die Kariesentstehung diskutiert wurde (HAY et al. 1971, GIBBONS und
VAN HOUTE, 1975), fanden experimentelle Studien, die die kariesfördernde bzw. karieshemmende Wirkung von Speichelproteinen untersuchen, vor allem in neuerer Zeit, kaum statt
(SCHIFFNER, 1999).
Ziel dieser Studie war es daher, experimentell zu untersuchen, ob ausgesuchte Speichelproteine in unterschiedlichen Konzentrationen eine Wirkung auf die Demineralisation von gesundem Zahnschmelz zeigen.
LITERATURÜBERSICHT
3
2. Literaturübersicht
2.1 Schmelz
2.1.1 Struktur von gesundem Schmelz
Der Schmelz liegt als Kappe auf dem Dentinkern des Zahnes. Er hat die größte Dicke im
Bereich der Kaufläche (ca. 2-2,5 mm) und läuft im Bereich des Zahnhalses dünn aus
(KRÜGER et al., 1986).
Der Zahnschmelz ist das härteste, abrasionsfesteste und auch sprödeste Gewebe des Körpers
und nimmt ca. 25 % der gesamten Zahnmasse ein. Die Härte liegt mit 300-350 HB über der
von harten Edelmetallegierungen (ca. 250 HB) (LEHMANN et al., 1998; KRÜGER et al.,
1986). Aufgrund der unterschiedlichen Mineraldichten des ausgereiften Schmelzes nimmt die
Härte von der Schmelzoberfläche in die tieferen Schichten ab (SCHROEDER, 1992).
Schmelz (lat.: Substantia adamantina) wird von Ameloblasten (Adamantoblasten) gebildet.
Die Ameloblasten scheiden eine Schmelzmatrix aus, die vor dem Zahndurchbruch mineralisiert wird. Die Kristallisation von Kalzium-Phosphat-Verbindungen wird als präeruptive
Schmelzreifung bezeichnet. Während der posteruptiven Schmelzreifung, also nach dem
Zahndurchbruch, werden verbliebene Mikroporositäten und Ionendefekte ausgeglichen. Der
Schmelz kann, anders als Dentin, nach abgeschlossener Bildung nicht mehr zellulär repariert
werden, da weder Zellen, noch Zellfortsätze eingeschlossen sind (LEHMANN et al., 1998).
Die Zusammensetzung des Schmelzes besteht aus drei Hauptgruppen: Wasser mit 4 Gew.%,
organische Matrix mit 1 Gew.% und anorganische Substanzen mit 95 Gew.% (SCHROEDER,
1992). Darüber hinaus wurden 40 weitere Spurenelemente im Zahnschmelz nachgewiesen.
Der Wassergehalt nimmt während der Schmelzreifung proportional mit der organischen Matrix kontinuierlich von 50 % auf 4 % ab. Der größte Teil, ca. 75 %, ist im ausgereiften
Schmelz als Hydrationsschale an Apatitkristalle gebunden, während der geringere Teil relativ
frei durch die organische Substanz strömen kann (Fließgeschwindigkeit etwa 4 mm³/cm²
Schmelzfläche pro 24 h). Das Wasser kann bei Erwärmung verdampfen. Schmelz kann aber
auch Wassermoleküle aufnehmen, was dazu führt, dass mit dem Flüssigkeitsstrom auch Ionen
transportiert werden. Schmelz funktioniert also als eine Art Molekularsieb bzw. Ionenaustauscher, was sowohl bei der Kariesentstehung, als auch bei der Therapie eine Rolle spielen kann
(SCHROEDER, 1992).
LITERATURÜBERSICHT
4
Der kleinste Teil, die organische Matrix, besteht zu geringen Anteilen aus Lipiden und Kohlenhydraten. Hauptsächlich besteht die Matrix jedoch aus löslichen und unlöslichen Proteinen.
Die Aminosäuresequenzen der Schmelzproteine unterscheiden sich innerhalb der Entwicklungszustände des Schmelzes. Im reifen Schmelz kommen vorwiegend Glutaminsäure, LProlin und Glycin vor. Die Zusammensetzung der Matrixproteine ist im ausgereiften Schmelz
von der Tiefe der Schicht abhängig. Im Bereich des inneren Drittels des Schmelzes liegt der
größte Teil der Matrix als Schmelzbüschel und Lamellen vor (SCHROEDER, 1992).
Der Hauptanteil des Schmelzes, der 95 Gew.% ausmacht, besteht aus anorganischer Substanz. Dabei handelt es sich vorwiegend um Kalzium und Phosphat und zu geringeren Anteilen aus Natrium, Magnesium, Chlor und Kalium. Die Ionen im Schmelz liegen im allgemeinen als Apatit vor, und zwar in einer Mischform aus Hydroxylapatit [Ca5(PO4)3OH2], Fluorapatit und Carbonatapatit. Je größer der Anteil des Fluorapatits an der Kristallgitterstruktur des
Schmelzes ist, umso größer ist die Widerstandsfähigkeit gegen Entkalkung durch Säuren.
Dies spielt eine bedeutende Rolle bei der Kariesprävention durch exogene Fluoridzufuhr
(SCHROEDER, 1992; HELLWIG et al., 1999).
Die Fluoridkonzentrationen schwanken innerhalb der Schmelzschichten. Dies lässt sich
durch die ständige Fluoridaufnahme aus der Umwelt während der gesamten Bildungsperiode
des Zahnes erklären. In der Oberfläche der Schmelzschicht findet sich eine etwa 20fach höhere Fluoridkonzentration als in den tieferen Schichten. Dies ist für die Kariesentstehung bzw.
Kariesresistenz von hoher Bedeutung (KRÜGER, 1986; SCHROEDER, 1992).
Auf Grund des hohen Gehaltes an anorganischer Substanz ist die histologische Untersuchung des Zahnschmelzes bis heute nicht unproblematisch (SCHUMACHER et al., 1990).
Allerdings ist es für die Ausbreitungsrichtung und den Verlauf der kariösen Läsion von hoher
Bedeutung, wie die Schmelzprismenstruktur aufgebaut ist. Die mikroskopische Untersuchung
wird nur durch Dünnschliffpräparate möglich (SCHWENZER et al., 1985; HELLWIG et al.,
1999). In diesen Präparaten ist mit dem Rasterelektronenmikroskop zu erkennen, dass die
Prismen einen meist sechseckigen Querschnitt und einen Durchmesser von 4 bis 5 mm aufweisen. Der Durchmesser der Prismen, die ohne Unterbrechung von der Schmelz-DentinGrenze bis zur Schmelzoberfläche laufen, nimmt jedoch nach außen zu (HELLWIG et al.,
1999).
Die oberste Schmelzschicht ist bei allen Milchzähnen und bei 70 % der permanenten Zähne
mit einer mittleren Dicke von 30 mm (6 bis 200 mm) prismenfrei und lässt sich vom darunterliegenden Schmelz deutlich abgrenzen. Die prismenlose Schicht zeigt sich als kontinuierliches, unstrukturiertes und parallel zur Oberfläche verlaufendes Band, in dem die Apatitkristal-
LITERATURÜBERSICHT
5
le in einem Winkel von etwa 90 Grad zur Schmelzoberfläche angeordnet sind. Durch mikroradiographische Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Schicht normal mineralisiert ist.
Die inneren Schmelzprismen, die sich normalerweise mit einem Winkel von etwa 45 Grad
der Oberfläche nähern, brechen an der Oberfläche abrupt ab. Die Formen dieser Prismen werden unterschiedlich beschrieben. So fand SCOTT (1955) unter 2000 Proben im reifen
Schmelz 57 % arkadenförmige, 31 % polygonale oder ovale und 2 % hexagonale oder runde
Prismen, während sich 10 % nicht einordnen ließen (SCHUMACHER et al., 1990).
Diese Formen lassen sich in drei Typen einteilen. Eingeteilt wird in den zylindrischen Typ,
den Pferdehuftyp, dessen Prismen einen arkadenförmigen Querschnitt aufzeigen, und in den
Schlüsselloch- bzw. Vogelschwingentyp mit einem nach oben abgerundeten Prismenkörper,
der sich in einen spitz auslaufenden Fortsatz verjüngt (SCHWENZER et al., 1985).
Aufgrund dieser unterschiedlichen räumlichen Anordnungen der Schmelzprismen finden
sich bei Betrachtung im Licht- oder Polarisationsmikroskop eine Reihe histologischer Charakteristika. Durch stärkere, teilweise sogar rechtwinklige Abbiegungen des Verlaufs der Prismen, zeigen sich in Zahnlängsschliffen sowohl längs-, als auch quergetroffene Prismen. Erstere werden als Parazonien bezeichnet, letztere als Diazonien.
Der Wechsel im Prismenverlauf unterliegt einer gewissen Rhythmik, die zur Erscheinung
der Hunter-Schreger-Streifen führt. Die Hunter-Schreger-Streifen sind in Dünnschliffen als
alternierende helle und dunkle Streifen zu erkennen. Längs geschnittene Prismen zeigen eine
deutliche Querstreifung. Aufgrund der stärkeren Lichtbrechung dieser Querstreifen, die senkrecht zur Längsachse der Prismen und in gleicher Höhe zu benachbarten Prismen angeordnet
sind, entsteht der Eindruck von Linien. Diese sogenannten Retzius-Linien verlaufen wesentlich steiler, als die Hunter-Schreger-Streifen. Jede der Retzius-Linien endet an der Schmelzoberfläche in einer Schmelzfurche, also immer zwischen zwei Schmelzwülsten. Durch den
Wechsel von Wülsten und Furchen entstehen an der Oberfläche des Schmelzes Wellen oder
Perikymatien (SCHUMACHER et al., 1990).
2.1.2 Mineralisationsgleichgewicht an der Zahnoberfläche
Da das Schmelzmineral im wesentlichen aus Kalzium- und Phosphationen besteht, und die
gleichen Ionen einen Großteil der im Speichel gelösten Elektrolyte ausmachen, besteht bei
einem physiologischen pH-Wert des Speichels zwischen den Ionen im Schmelz und denen im
Speichel ein dynamisches Gleichgewicht (KNAPPWOST, 1952). Sinkt jedoch der pH-Wert
durch Säureeinfluss in einen kritischen Bereich, der bei ca. pH 5,2-5,7 (HELLWIG et al.,
LITERATURÜBERSICHT
6
1999) liegt, ab, ist die normale Übersättigung des Speichels mit diesen Ionen nicht mehr möglich. Es kommt zur Störung des dynamischen Gleichgewichts, das heißt zu einer Verschiebung in Richtung des Zahnschmelzes. Um dies auszugleichen, ergibt sich ein Ionenstrom aus
den Hydroxylapatitkristallen in den Speichel. Es kommt zur Demineralisation des Schmelzes
(SCHIFFNER, 1997).
In jeder Mundhöhle sind stets Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukte vorhanden. Bakterien müssen, um ihr inneres pH-Optimum aufrecht zu erhalten, ständig Laktat und
Protonen austreiben. Hierdurch kommt es zu einer Ansäuerung der Zellumgebung. Diese steigende Azidität (ansteigende Protonen-(H+)-Konzentration) drückt sich messbar in einem fallenden pH-Wert aus (KETTERL et al., 1992). Hierdurch wird wie oben beschrieben das dynamische Gleichgewicht zugunsten der Demineralisation verschoben.
Der resultierende Mineralverlust kann jedoch durch verschiedene Mechanismen wieder ausgeglichen werden. Neben der exogenen Zufuhr von Fluoriden sind dabei die im Speichel vorhandenen Elektrolyte von Bedeutung (SCHIFFNER, 1997). Wenn der pH-Wert wieder ansteigt, kommt es durch eine erneute Verschiebung des Gleichgewichtes zu einem Ausgleich
des Mineralverlustes. Es überwiegt der Ioneneinstrom vom Speichel in den Zahnschmelz
(SCHIFFNER, 1997). Dies wird als Remineralisation bezeichnet (Abb.1).
Abbildung 1: Ablauf kariöser Demineralisation bis zur Remineralisation aus
elektronenmikroskopischer Sicht rekonstruiert nach Silverstone et al. 1981 und König 1987
a
Schmelz mit intakten Kristalliten
b
Mineralisationslücken im Grenzbereich zweier Prismen und im Innern der Lücken (Diffusionswege)
c
Unter zunehmendem Säureeinfluss werden die Lücken größer und Kristallite zerfallen
d
Kristallwachstum durch Übersättigung, Neutralisation und Verfügbarkeit von Fluorid: Remineralisation
Solange der pH-Wert nur kurzfristig sinkt, bleibt durch den ständigen Wechsel der De- und
Remineralisationsphasen die Zahnoberfläche klinisch unverändert. Hierzu ist jedoch zu sagen,
LITERATURÜBERSICHT
7
dass die Remineralisationsphase deutlich länger sein muss, als die Demineralisationsphase,
um den Mineralverlust auszugleichen. So können zwei Stunden Entkalkung durch 22 Stunden
Remineralisation ausgeglichen werden. Diese zwei Stunden Mineralverlust entsprechen einer
Gesamtsäurebildungszeit von zwei Stunden bei etwa vier zuckerhaltigen Mahlzeiten pro Tag
(KETTERL et al., 1992). Wenn der pH-Wert jedoch häufiger abfällt, kommt, es zu einer Störung des Gleichgewichtes zwischen De- und Remineralisation, so dass Initialläsionen an der
Zahnoberfläche resultieren.
2.1.3 Initialläsionen
Kariöse Initialläsionen werden auch als „white spots“ bezeichnet, da sie nach Entfernen der
Plaque oft als weißlich, opake Oberfläche erscheinen. Tastet man diese Oberfläche mit der
Sonde ab, so fühlt diese sich meist leicht aufgeraut an. Die Oberflächenkontinuität ist in der
Regel jedoch nicht unterbrochen. Bei polarisationsmikroskopischen Untersuchungen an
Dünnschliffpräparaten von Zahnschmelz, die eine kariöse Läsion aufweisen, werden je nach
Imbibitionsmedium bis zu vier verschiedene histologische Zonen gefunden. Die unterschiedlichen Demineralisationszonen in der Zahnhartsubstanz lassen sich durch die Lichtbrechung
und die jeweiligen Imbibitionsmedien erklären. Betrachtet man die Läsion nach Lagerung in
Wasser, erkennt man eine scheinbar intakte Oberflächenschicht und darunter den eigentlichen
Läsionskörper. Mit einem öligen Imbibitionsmedium (z. B. Chinolin) lassen sich eine transluzente Zone („translucent zone“) im Inneren des Schmelzes, und darüber in Richtung Läsionskörper eine dunkle Zone („dark zone“) erkennen (HELLWIG et al., 1999).
Der Läsionskörper stellt das Zentrum der gesamten Läsion dar, und ist die Zone des größten
Mineralverlustes. Das Porenvolumen beträgt zwischen 5 und 25 %. Gesunder Schmelz besitzt
ein Porenvolumen von 0,1 %. In den Läsionskörper können Speichelbestandteile, wie Wasser
und Proteine eindringen, was auf eine Vergrößerung der interkristallinen Räume hindeutet.
Die Querstreifung der Prismen, ebenso wie die Retzius-Streifen, sind innerhalb des Läsionskörpers deutlicher zu erkennen, als im gesunden Schmelz. Die Kristallite des Läsionskörpers sind mit 10-30 nm kleiner als die des gesunden Schmelzes.
Die dunkle Zone, die sich dem Läsionskörper in Richtung Dentin anschließt, hat ein Porenvolumen von 2 bis 4 %. Aufgrund von Remineralisations- und Repräzipationsvorgängen sind
hier häufig größere Kristallite als im gesunden Schmelz zu finden. Dies gilt ebenfalls für die
pseudointakte Oberflächenschicht.
LITERATURÜBERSICHT
8
Die transluzente Zone, der sich der gesunde Schmelz anschließt, ist die der fortschreitenden
Demineralisation. Sie besitzt ein Porenvolumen von ca. 1 %. Die Poren entstehen wahrscheinlich durch Herauslösen von Karbonat aus dem Kristallgitter. Die Kristallite der transluzenten
Zone sind mit 25-30 nm kleiner als die des gesunden Schmelzes.
Die scheinbar intakte Oberflächenschicht weist einen Mineralverlust von 1 bis 10 % auf.
Das Porenvolumen beträgt weniger als 5 %. Wenn die kariogenen Bedingungen an der
Schmelzoberfläche anhalten, führt dies zu irregulären Oberflächendestruktionen mit vergrößerten zwischenprismatischen Räumen, die dann ideale Diffusionswege für die von Bakterien
gebildeten organischen Säuren darstellen.
Die initiale Läsion ist also ein Produkt aus De- und Remineralisationsvorgängen an der
Zahnoberfläche, wobei die Demineralisationsphase überwiegt (HELLWIG et al., 1999).
2.2 Speichel
Speichel ist ein Gemisch aus verschiedenen Sekreten der Speicheldrüsen. Die täglich produzierte Speichelmenge liegt zwischen 1 l und 1,5 l. Speichel kann aufgrund seiner Zusammensetzung verschiedene Funktionen übernehmen.
Als Spülspeichel dient er der Selbstreinigung der Mundhöhle. Durch seinen Wasseranteil
von 99 % schützt er die Mundschleimhäute vor Austrocknung und wirkt als Gleitspeichel,
damit trockene Speisen ohne zusätzliche Flüssigkeitszugabe geschluckt werden können.
Wichtig ist auch die Funktion als erster Teil des Verdauungstraktes. Speichelenzyme, wie
z. B. Amylase, sind in der Lage die Kohlenhydratspaltung einzuleiten (LEHMANN et al.,
1998). Ebenfalls Bestandteil des Speichels sind Enzyme, wie zum Beispiel Lysozym, das
Bakterienzellwände zerstören kann, sowie Laktoferrin und das Lactoperoxidasesystem, die
ebenfalls antibakteriell wirken.
Speichel gehört darüber hinaus auch zur körpereigenen Abwehr und wirkt beschleunigend
auf die Blutgerinnung. Er besitzt zwei wichtige Puffersysteme, den Phosphat- und den Bikarbonatpuffer. Der Bikarbonatpuffer spielt eine wichtige Rolle während einer kariogenen Attacke. Bikarbonat diffundiert durch die Plaque und neutralisiert organische Säuren (LEHMANN
et al., 1999). Der Phosphatpuffer hingegen hat keine entscheidende Funktion bei der Säurebildungsphase.
Durch Speichel werden nicht nur körpereigene, sondern auch körperfremde Stoffe (z. B.
Medikamente) ausgeschieden. Er ist also nicht nur Sekret, sondern auch Exkret.
LITERATURÜBERSICHT
9
Speichel hat eine differenzierte Zusammensetzung. Er enthält zelluläre Bestandteile, wie
desquamierte Epithelzellen der Mundschleimhaut, Leukozyten und vereinzelte Erythrozyten.
Darüber hinaus ist Speichel wegen seines Ionengehaltes ein Elektrolyt. Er enthält Kationen,
wie Kalzium, Magnesium, Natrium, Eisen und Kupfer, sowie Phosphat-, Chlor-, Rhodan- und
Fluorionen (Anionen). Der Speichel-pH liegt zwischen 6,7 und 6,8, liegt also im leicht sauren
Bereich.
Die im Schmelz bzw. in den Apatitkristallen des Schmelzes vorkommenden Ionen stehen
im Gleichgewicht mit den Ionen im Speichel. Dies spielt eine Rolle bei der Demineralisation
und der Remineralisation, und somit auch bei der Entstehung von kariösen Läsionen.
Weitere Bestandteile sind Vitamine, Hormone, Immunglobuline, Aminosäuren und Proteine, wie z. B. Muzine (Glykoproteine), die dem Speichel seine fadenziehende Eigenschaft geben. Diese organischen Bestandteile machen den größten Teil der sezernierten Stoffe (5 g pro
1 Liter Speichel) im Speichel aus (SCHIFFNER, 1997).
Obwohl Speichel steril sezerniert wird (SCHIFFNER, 1997), bietet er für eine große Anzahl
von Mikroorganismen gute Lebensbedingungen. So enthält ein Tropfen Speichel 10 Millionen
Keime, vorwiegend Streptokokken. Bestimmte Streptokokkenstämme spielen bei der Kariesentstehung eine große Rolle. Sie sind in der Lage, die organische Substanz der Plaque aufzubauen oder aber Kohlenhydrate über Milchsäure abzubauen (streptococcus mutans).
2.3 Kariesätiologie
Der Begriff Karies bezeichnet einen Substanzverlust an Hartgeweben. Ursprünglich bedeutete es etwa "morsch sein" oder Fäulnis und wurde im Zusammenhang mit Knochentuberkulose verwendet. Später jedoch wurde es auf die Zähne übertragen, und als Caries dentium bezeichnet (KRÜGER et al., 1986). Karies ist schon seit dem Altertum bekannt. Demzufolge
haben Theorien über die Kariesentstehung eine lange Geschichte. Die dem heutigen Entstehungskonzept zugrunde liegende Theorie wurde von MILLER (1853-1907) als "chemoparasitäre Kariestheorie" entwickelt. Die Kernpunkte seiner Theorie sind bis heute gültig.
Die prinzipielle Entstehung von Karies ist heute weitestgehend erforscht. So entsteht
Schmelzkaries, wenn in der Mundhöhle spezielle Mikroorganismen vorhanden sind, die auf
der Schmelzoberfläche im Rahmen ihres Stoffwechsels bei genügendem Substratangebot organische Säuren bilden. Diese Säuren bewirken die Demineralisation des Schmelzes. Die
LITERATURÜBERSICHT
10
Mikroorganismen auf der Zahnoberfläche, ihre organische Matrix, sowie die darin enthaltenen Strukturen und Substanzen werden als Plaque bezeichnet (SCHIFFNER, 1997).
Die Entstehung eines Defektes beruht also auf dem gleichzeitigen Zusammenwirken von
Wirtsfaktoren, kariogener Nahrung, Mikroorganismen und Zeit (Abb.2).
Mikroorganismen
Wirt
Karies
Zeit
Substrat
Abbildung 2: Die vier obligaten Voraussetzungen für die Entstehung kariöser Läsionen
2.3.1 Wirtsfaktoren
Einen bedeutsamen Wirtsfaktor stellt der Zahn selbst dar. Von besonderer Bedeutung sind
hier Morphologie und Zahnstellung, die oft Plaqueretentionsnischen beinhalten und somit die
Reinigung erschweren.
Bisher konnte keine eindeutige Beziehung zwischen der Zusammensetzung des Zahnschmelzes und dem individuellen Kariesrisiko hergestellt werden, so dass man davon ausgehen kann, das die anderen Faktoren einen weitaus stärkeren Einfluss auf den Kariesverlauf
ausüben, als die Schmelzzusammensetzung (KRÜGER et al., 1986). Der Fluoridgehalt der
oberflächlichen Schmelzstruktur allerdings wirkt sich auf die Karieswiderstandsfähigkeit erwiesenermaßen positiv aus.
Ein weiterer Wirtsfaktor ist der Speichel. Es besteht weitgehend Übereinstimmung darüber,
dass eine hohe Speichelfließrate mit einem niedrigen Kariesbefall einhergeht (ERICSSON,
1961; AHRENS, 1969; CHALLANCOMBE, 1976). Außerdem spielt Speichel eine entscheidende Rolle bei der Selbstreinigung der Zahnoberflächen (HELLWIG et al., 1999).
Hinsichtlich der Zusammensetzung des Speichels sind die Ergebnisse über die Auswirkung
auf die Kariesanfälligkeit nicht so zufriedenstellend, wie man es bei der Wertigkeit dieses
Faktors wünschen sollte. Häufig untersuchte Parameter von potentieller Bedeutung sind Puf-
LITERATURÜBERSICHT
11
ferkapazität, pH-Wert, Viskosität, Kalzium- und Phosphatgehalt und in neuerer Zeit Immunglobuline (KRÜGER et al., 1986).
Insgesamt wurden fast 50 Proteine und Glykoproteine im Gesamtspeichel beschrieben
(JENKINS, 1978; KÖNIG, 1987). Bisher konnte jedoch nur einem geringen Teil von ihnen
eine Bedeutung zugeordnet werden (SCHIFFNER, 1997).
Die hochmolekularen Glykoproteine, die den größten Teil der Proteine im Speichel ausmachen (SCHIFFNER, 1997; CIBA GEIGY, 1977), werden auch als Muzine bezeichnet. Sie
werden in den mukösen und seromukösen Speicheldrüsen sezerniert. Muzine sind für die Viskosität des Speichels verantwortlich. Außerdem sollen sie einen großen Teil des Pellikels bilden und die feste Anbindung der adsorbierten Proteine an die Zahnoberfläche sichern (HAY
et al. 1971). Kationische Glykoproteine sollen mit den Phosphatgruppen des Schmelzes reagieren (GIBBONS und VAN HOUTE, 1975). Nach GIBBONS und VAN HOUTE spielen
jedoch eher kleinere Moleküle eine Rolle bei der Pellikelbildung.
Neben Proteinen werden auch Enzyme, wie Amylase, Lysozym, Laktoferrin, Peroxidase,
saure Phosphatase und einige Esterasen sezerniert. Lysozym, Laktoferrin und das PeroxidaseSystem wurden genauer untersucht. Dabei konnte ihre antibakterielle Wirkung festgestellt
werden. Lysozyme stellen eine Gruppe von Enzymen dar, die unter anderem die Fähigkeit
besitzen, glykosidische Verbindungen in Bakterienzellwänden zu hydrolysieren (STELZNER
et al., 1982). Eisenfreies Laktoferrin, apo-Laktoferrin, soll bakterizid gegen S. mutans wirken
(ARNOLD et al., 1980). Das Peroxidase-System wirkt bakteriostatisch und hemmt den
Stoffwechsel von S. mutans (CARLSSON et al., 1983).
Weitere Bestandteile des Speichels sind Serumproteine wie Albumin, Immunglobuline und
Lipoproteine. Im Gesamtspeichel finden sich verschiedene Antikörperklassen. Neben dem
sekretorischen IgA, das über 90 % ausmacht, gelangen über die Sulkusflüssigkeit auch geringere Mengen von IgG und IgM in den Speichel. In verschiedenen Studien konnte eine Korrelation von hohen IgA-Werten und niedrigem Kariesbefall festgestellt werden (SCHIFFNER,
1997). IgA kann das Wachstum sowie verschiedene Enzymaktivitäten von S. mutans hemmen
(EVANS und GENCO, 1973).
IgG wird als Immunantwort im Rahmen von Gingivitiden gebildet, so dass lange eine Auswirkung auf die kariogene Flora bezweifelt wurde (SCHIFFNER, 1997). Jedoch wurde in den
vergangenen Jahren nachgewiesen, dass gegen S. mutans gerichtetes IgG bereits von den
Müttern auf ihre Neugeborenen übertragen wird. Bei Kindern wurde festgestellt, dass bei hohem IgG-Spiegel weniger kariöse Läsionen auftreten (AALTONEN, 1987).
LITERATURÜBERSICHT
12
Ferner enthält Speichel freie Aminosäuren und Harnstoff. Im Gesamtspeichel konnten bis
zu 18 Aminosäuren nachgewiesen werden. Einige sind basisch, andere können zu Aminen
und Ammoniak abgebaut werden. Daher ist davon auszugehen, dass solche Aminosäuren in
begrenztem Umfang Plaquesäuren neutralisieren können (NEWBRUN, 1989).
Der gleiche Effekt kann beim Abbau von Harnstoff zu Ammoniak auftreten. Zusätzlich kommen im Speichel kleinere Proteine vor, die überwiegend mit einer Aminosäuren angereichert
sind. Unter ihnen ist die Gruppe der prolinreichen Aminosäuren gut erforscht (SCHIFFNER,
1997). Ihnen wird eine Beeinflussung auf die bakterielle Anheftung zugesprochen. Außerdem
können sie Kalzium binden.
2.3.2 Nahrungsfaktoren
Es steht fest, dass sowohl Qualität, als auch die Häufigkeit der Nahrungsaufnahme eine große Rolle in der Kariesentstehung spielen. Ohne kariogene Substratzufuhr entwickelt sich bei
normaler oraler Mikroflora keine Karies, wie KITE bereits 1950 durch Tierversuche nachweisen konnte. Hierbei wurde Ratten über eine Magensonde kariogenes Futter verabreicht und
festgestellt, dass die Ratten nachweislich keine Karies bekamen.
Jedoch sind nicht alle Nahrungsmittel kariogen. So wurde aus den Untersuchungen von
ORLAND (1955) deutlich, dass die Mikroflora fermentierbare Kohlenhydrate braucht, damit
Karies überhaupt entstehen kann. Es steht fest, dass überwiegend dem häufigen Konsum niedermolekularer Kohlenhydrate, und hier insbesondere der Saccharose, eine große Bedeutung
beigemessen werden kann. Hierbei kommt, wie erstmals in der Vipeholm-Studie
(GUSTAFSON et al., 1954) nachgewiesen wurde, nicht der Gesamtmenge der Saccharoseaufnahme die größte Bedeutung zu, sondern vielmehr der Häufigkeit des Konsums.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass nicht die absolute Menge des zugeführten Zuckers für die Kariogenität entscheidend ist, sondern die Häufigkeit der Zuckeraufnahme (KETTERL et al., 1992). Allerdings spielen auch die Verweildauer im Mund und damit verbunden die Konsistenz der Nahrung, zum Beispiel die Klebrigkeit, eine Rolle.
Der Grund für die besondere Bedeutung der Saccharose in der Kariesätiologie liegt in der
Zusammensetzung. Saccharose besteht aus je einem Molekül Glucose und Fructose. Die enzymatische Spaltung durch die Mikroorganismen erfolgt exotherm. Dieser Energieüberschuss
wird unter anderem zur Synthese extrazellulärer Polysaccharide verbraucht, was sich klinisch
LITERATURÜBERSICHT
13
in einer hohen Plaquebildungsrate wiederspiegelt. Auf die Rolle der Plaque wird im folgenden
Kapitel Bezug genommen.
Die Aufnahme des Disaccharides Saccharose in das Zellinnere der Mikroorganismen erfolgt
mit Hilfe der Phosphoenolpyruvat-abhängigen Transferase, die nach SCHACHTELE und
MAYO (1973) in der Zellmembran lokalisiert ist. In der Zelle werden die Zucker im Rahmen
der Glykolyse zu organischen Säuren abgebaut. Dies geschieht unter Energiegewinn.
Bei einem hohen Zuckerangebot wird mit Hilfe der Lactatdehydrogenase vorwiegend
Milchsäure, bei einem niedrigen Substratangebot überwiegend Essigsäure, Ameisensäure und
Alkohol produziert (SCHIFFNER, 1997). Die Bedeutung wird durch die unterschiedlichen
pK-Werte deutlich. Milchsäure hat einen pK-Wert von 3,1. Die höheren pK-Werte von Essigsäure (4,8) und Propionsäure (4,9) bedeuten eine geringere Produktionsmenge von Lactat und
damit eine weniger schnelle Demineralisation.
Neben dem Kohlenhydrat-Stoffwechsel gewinnt der Stickstoff-Stoffwechsel immer mehr an
Interesse, zumal er bislang wenig erforscht wurde (SCHIFFNER, 1997). Die im StickstoffStoffwechsel gebildeten Amine und Ammoniak erhöhen den pH-Wert in der Plaque
(SISSONS und CUTRESS, 1987, 1988). Da nach JENKINS (1979) diese Tatsache jedoch
keine Auswirkung auf die Demineralisation zeigt, könnte die Bedeutung des StickstoffStoffwechsels in der Förderung der Plaque-Homöostase liegen (SCHIFFNER, 1997).
2.3.3 Mikroorganismen
In der Mundhöhle Neugeborener befinden sich keine kariogenen Mikroorganismen. Die
Keime werden dem Baby also durch die Mutter beziehungsweise durch andere nahestehende
Personen übertragen. Auch über die Nahrung kann es zu einer Übertragung kommen. Durch
die Vielzahl der übertragenen Keime etabliert sich im Mund eine Mischflora, wobei jede dieser Spezies eine ökologische Nische besetzt (SCHIFFNER, 1997). Gekennzeichnet sind diese
Nischen durch die Mundhöhlenmorphologie, durch die Substratzufuhr, den pH-Wert, die Sauerstoffverfügbarkeit und durch die unterschiedlichen Gewebebeschaffenheiten. Wichtig für
das Überleben der etwa 300 unterschiedlichen Mikroorganismen im Mund ist die Möglichkeit
der Anheftung an die Schleimhäute und die Zähne. Dies zeigt, dass die Entstehung von Plaque ein weiteres Kriterium für die Kariesentstehung darstellt.
LITERATURÜBERSICHT
14
2.3.3.1 Pellikelbildung
In der Mundhöhle kommt physiologischerweise keine freie Zahnoberfläche vor, da alle
Oberflächen von einem dünnen Film überzogen sind. Dieser Film, der Pellikel, wird von den
im Speichel enthaltenen Proteinen und Glykoproteinen gebildet. Die chemische Analyse
zeigt, dass es zu einem etwa gleichgroßen Anteil aus Aminosäuren und Proteinen besteht.
Kleine Anteile sind Kohlenhydrate und Lipide (ARMSTRONG, 1967). Glycin, Serin und
Glutaminsäure, mit je ca. 13 bis 15 %, sowie Asparaginsäure, Alanin, Prolin und Leucin, mit
etwa 6-9%, gehören zur Fraktion der Aminosäuren (MAYALL, 1970). Bisher konnten zehn
verschiedene Proteine, unter ihnen Lysozym, Albumin, IgA, IgG und IgM, durch verschiedene Autoren nachgewiesen werden (SCHIFFNER, 1997).
Über die Funktion des Pellikels als Schutz vor Säureangriffen wird immer noch diskutiert.
Unstrittig jedoch ist die Tatsache, dass erst durch das Pellikel die Anheftung der Mikroorganismen an die Zahnoberfläche möglich wird. Die Adhäsion von Bakterien ist die Voraussetzung für die Besiedlung von Mikroorganismen, und damit auch für die Adhäsion der kariogenen Flora. Diejenigen Strukturen, die auf der Seite der Bakterien für die Adhäsion verantwortlich sind, heißen Adhäsine, die auf Seiten des Pellikels Liganden. Diese Strukturen sind bakterienspezifisch (SCHIFFNER, 1997).
2.3.3.2 Plaque
Plaque entsteht auf sauberen Zahnoberflächen, zum Beispiel nach dem Durchbruch, wie folgt:
-
Ausbildung des Pellikels (innerhalb einiger Sekunden)
-
Haftung einzelner Bakterien, vorwiegend Kokken (2 h)
-
Vermehrung in Kolonieform
-
Aneinanderreihung der Kolonien
-
Dickenwachstum und Differenzierung
Die letzten drei Schritte dauern mindestens drei Tage (KETTERL et al., 1992).
Unter den erstbesiedelnden Mikroorganismen sind Strep. salivarius, Strep. sanguis, Strep.
mitis, Strep. oralis und Aktinomyzeten. Wird dem Milieu Saccharose zugegeben, erhöhen
sich die Werte von Strep. mutans und Lactobazillus (SCHIFFNER, 1997; KETTERL et al.,
1992).
LITERATURÜBERSICHT
15
Je dicker die Plaqueschicht ist, umso differenzierter sind die Mikroorganismen. Dafür sind
unter anderem die unterschiedlichen Konzentrationen von Nahrungsstoffen und von Sauerstoff verantwortlich. In den tieferen Schichten der Plaque nimmt die Konzentration von Sauerstoff und Substrat ab. Auch der pH-Wert schwankt innerhalb der Plaqueschichten. Direkt
auf dem Zahnschmelz ist der pH-Wert am stärksten im aziden Bereich (DAWES und DIBDIN, 1986).
Wie schon erwähnt, differenziert sich in den verschiedenen Abschnitten der Mundhöhle die
Plaque mehr oder weniger stark. Glattflächenplaque und Approximalraumplaque können also
aufgrund der Zusammensetzung unterschieden werden. Entscheidend ist vor allem auch die
Tatsache, ob das umgebende Milieu anaerob oder aerob ist.
Die unterschiedlichen Mikroorganismen in der Plaque hemmen beziehungsweise fördern
sich gegenseitig, so dass ein relativ stabiles Gleichgewicht anzutreffen ist, die sogenannte
Plaque-Hämöostase (SCHIFFNER, 1997).
Nicht alle Mikroorganismen sind kariogen. Kariogene Mikroorganismen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Zahnoberflächen bewachsen können, aus Zuckern Säuren produzieren,
gegenüber starken Säurekonzentrationen tolerant sind, und dass sie aus Zuckern Polysaccharide synthetisieren (KETTERL et al., 1992).
Die Fähigkeit einiger oraler Bakterienarten, Zucker zu hochmolekularen Polysacchariden aufzubauen, beruht auf intra- und extrazellulären Synthesemöglichkeiten, wobei die intrazelluläre
Synthese weit weniger artspezifisch ist. Diese Fähigkeit ermöglicht den Bakterien, Zeiten mit
geringem Energieangebot zu überbrücken.
Weitaus interessanter ist die Fähigkeit von Streptokokken und Actinomyzeten, extrazelluläre Polysaccharide zu synthetisieren. Diese Stoffwechselleistung ist nämlich sowohl plaque-,
als auch kariesfördernd (KETTERL et al., 1992). Diese Tatsache erklärt unter anderem auch
die hohe Kariogenität von Saccharose. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnt,
wird bei der Spaltung von Saccharose in Glucose und Fructose Energie frei. Diese Energie
wird wiederum zur Synthese extrazellulärer Polysaccharide (Glucane und Fructane) verwendet.
Die Mundflora enthält also Bakterien, die aus Saccharose eine voluminöse Masse von Polysacchariden bilden. Diese Masse besitzt ein großes Wasserbindungsvermögen und dient als
Plaquematrix für den Zusammenhalt und ein geschütztes Wachstum der Plaquebakterien. Die
Haftung wird jedoch nicht direkt begünstigt (KETTERL et al., 1992).
Mikroorganismen in der Mundhöhle liegen primär in einem physiologischen Gleichgewicht
untereinander und mit dem Wirt. Jedoch sind die Übergänge von harmlosen Symbionten zu
LITERATURÜBERSICHT
16
Pathogenen fließend. Normale Nährstoffquellen der Mikroorganismen sind vor allem Glykoproteine im Speichel und die Sulkusflüssigkeit. Erst zugeführte niedermolekulare Kohlenhydrate führen zu einer "Überfütterung" und somit zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes auf die Seite der kariogenen Flora (KETTERL et al., 1992).
2.3.4 Zeitfaktor
Die Zeit als letzter Faktor spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Kariesentstehung. So
wurde bereits erwähnt, dass die Plaquebildung für Dickenwachstum und Differenzierung bis
zu drei Tage braucht. Dies verdeutlicht die Bedeutung der Mundhygiene, die eine mechanische Entfernung dieser Plaque darstellt.
Außerdem herrscht normalerweise, wie bereits erwähnt, ein im Endeffekt stabiles Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisation, wenn bei einer Gesamtsäurebildungszeit von
etwa zwei Stunden eine Remineralisationszeit von 22 Stunden übrig bleibt (KETTERL et al.,
1992). Erhöht sich die Demineralisationszeit, zum Beispiel aufgrund eines erhöhten Zuckerkonsums, hat dies ein labiles Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisation zur Folge.
Die chronischen Mineralverluste zeigen nach Wochen und Monaten das Bild einer kariösen
Läsion, die sich zunächst als Kreidefleck mit intakter Oberfläche manifestiert („white spot“).
In diesem Stadium besteht noch die Chance zur Remineralisation, wenn die Häufigkeit und
Dauer der Säuretraumata verringert und die Remineralisationszeit verlängert werden
(KETTERL et al., 1992). Ist dies nicht der Fall, entsteht eine kariöse Kavität, die einen irreversiblen Defekt darstellt.
2.4 Proteine
Verknüpft man Aminosäuren miteinander, entstehen (lineare) Moleküle, die man als Proteine bezeichnet. Jeder Organismus enthält Tausende verschiedener Proteine mit unterschiedlichen Aufgaben. Proteine können eine Primär- ,eine Sekundär-, eine Tertiär – oder sogar eine
Quartärstruktur aufweisen, die Einfluss auf ihre Eigenschaften nimmt.
Die fünf unterschiedlichen Proteine, die in diesem Versuchsaufbau verwendet wurden, stellen einen Querschnitt durch die unterschiedlichen Proteinklassen dar, die im Speichel, bzw. in
LITERATURÜBERSICHT
17
der Mundhöhle des Menschen vorkommen. Sie werden entweder im Körper hergestellt oder
mit der Nahrung aufgenommen.
2.4.1 Albumin
Albumin gehört zu der Gruppe der Serumproteine. Blut wird in Blutzellen und Blutplasma
eingeteilt. Plasma besteht zu 90 % aus Wasser und zu 10 % aus gelösten Substanzen. Davon
sind 70% Proteine. Plasma lässt sich aus Serum und Fibrinogen zusammensetzen. Blutserum
weist einen Proteingehalt von 6 bis 8 g/100 ml auf. Serumproteine kann man mit Hilfe einer
Gelelektrophorese grob in zwei Gruppen unterteilen, in ca. 60 % Albumine und 40 % Globuline (KOOLMAN und RÖHM, 1998).
Albumin wird in der Leber aus Proalbumin synthetisiert, das durch Abspaltung eines Nterminalen Peptides in Albumin umgewandelt wird. Es besitzt ein Molekulargewicht von
69.000. Seine Teilchen besitzen eine sehr große Gesamtoberfläche, was sie befähigt, Stoffe,
wie zum Beispiel Bilirubin, Fettsäuren und Pharmaka zu binden und zu transportieren
(SCHMIDT und THEWS, 1997). Außerdem bindet Albumin Mg2+- und Ca2+-Ionen
(KOOLMAN und RÖHM, 1998). Außerdem trägt es wesentlich zur Aufrechterhaltung des
kolloidosmotischen Drucks des Blutes bei. Die mittlere Konzentration des Albumin im Speichel beträgt 7 mg/l (CIBA-GEIGY, 1977).
2.4.2 Immunglobulin G
Ein weiteres Serumprotein ist Immunglobulin G. Es gehört zu den Plasmaglobulinen und in
dieser Gruppe zu den γ-Globulinen. IgG überwiegen mit 80 % aller Immunglobuline im
Plasma. Es stellt eine Vielzahl polyklonaler Antikörper ähnlichen Aufbaus dar. Immunglobulin G kann das Komplementsystem aktivieren und Oberflächenantigene binden, wodurch die
betroffenen Zellen schneller phagozytiert werden (Opsonisierung) (SCHMIDT und THEWS,
1997). IgG hat ein Molekulargewicht von 150.000 und ist als einziges Immunglobulin plazentargängig. Somit hat das Neugeborene bereits gegen S.mutans gerichtete Antikörper der IgGKlasse.
Über das Sulkusfluid gelangen stets geringe Mengen IgA, IgM und IgG in den Speichel. Sie
werden hauptsächlich als Immunantwort auf gingivale Plaquereize gebildet. In einer Longitu-
LITERATURÜBERSICHT
18
dinalstudie (AALTONEN, 1989) wurde der Karieszuwachs bei Kleinkindern ermittelt. Hier
zeigte sich, dass Kinder mit hohem IgG-Titer wenige kariöse Läsionen entwickelten.
Die Konzentration von IgG im Speichel beträgt 46 mg/l (CIBA-GEIGY, 1977). Dies ist
jedoch ein Wert, der bei aktiver Immunantwort gemessen wird.
2.4.3 L-Prolin
L-Prolin ist eine Aminosäure (Abb.3), die im Speichel als freie Aminosäure und als Bestandteil von prolinreichen Proteinen (PRP) vorkommt. Im Gesamtspeichel konnten nach
JENKINS (1978) 18 Aminosäuren nachgewiesen werden. Ihre Konzentrationen sind starken
Schwankungen unterworfen sind, so dass eine mögliche Wirkung auf die Demineralisation
von Schmelz schwer zu beurteilen ist. Gut erforscht ist hingegen die Gruppe der prolinreichen
Proteine. Sie wird unterteilt in saure prolinreiche Proteine, mit einem Molekulargewicht von
35 KD, und in basische prolinreiche Proteinen mit einem Molekulargewicht von 5 bis 12 KD.
Die basischen prolinreichen Proteine gehören eigentlich zu den Glykoproteinen. Ihr Proteinanteil überwiegt jedoch mit 60 % gegenüber dem Anteil der Kohlenhydrate mit 40 %. Die
sauren prolinreichen Proteine, sind im Parotis- und Submandibularspeichel enthalten und tragen keine oder sehr wenige Kohlenhydratseitenketten. Die hauptsächlich vorkommenden Aminosäuren sind, außer Prolin, Glutaminsäure, Phosphoserin und Glykokoll. Die PRP können
Kalzium binden und lagern sich wie Muzine an den Zahnschmelz an (SCHIFFNER, 1997).
CH2⎯CH2
CH2
CH2⎯COOH
NH2
Abbildung 3: Strukturformel von L-Prolin
Die mittlere Konzentration von L-Prolin im Speichel beträgt 88 μmol/l. Dies entspricht
ca.7,3 mg/l (CIBA-GEIGY, 1977).
LITERATURÜBERSICHT
19
2.4.4 Muzin
Hochmolekulare Glykoproteine des Speichels werden als Muzine bezeichnet (JENKINS
1978). Sie werden sowohl aus mukösen, als auch aus seromukösen Speicheldrüsen sezerniert,
jedoch überwiegend aus den Glae. submandibularis und sublingualis. Ein Glykoprotein besteht aus einem Protein, dass durch kovalente Bindungen mit kurzen Kohlenhydratgruppen
verbunden ist. Die angehängten Kohlenhydratgruppen können das Protein stabilisieren, beeinflussen die physikalischen Eigenschaften, wie Löslichkeit und Viskosität, und machen das
Glykoprotein für andere Verbindungen erkennbar. Die Kohlenhydratgruppe umfasst nie mehr
als 8-10 Monosaccharide. Die Oligosaccharidketten bestehen aus Glucosamin, Galactosamin,
Fucose, Galactose und Neuraminsäure. Muzine können nur schwer durch Proteolyse abgebaut
werden. Sie adsorbieren nicht nur an Epithelien, sondern umhüllen Bakterien und den Zahnschmelz, und wirken hier entkalkungshemmend (JENKINS, 1978).
Zwei Gruppen von Muzinen konnten im Speichel isoliert werden. Die erste Fraktion wird
als MG-1 bezeichnet. Ihr Molekulargewicht weist mehr als 106 auf. Die zweite Fraktion,
MG-2, besitzt ein Molekulargewicht, das etwa 20.0000-25.0000 beträgt.
Die Funktionen der Muzine werden unterschiedlich diskutiert. So behaupten HAY et al.
(1971) ebenso wie TABAK et al. (1985), dass die makromolekularen Glykoproteine einen
großen Teil des Pellikels bilden. GIBBONS und VAN HOUTE (1975) dagegen vertreten die
Meinung, dass eher den kleineren Molekülen eine besondere Rolle bei der Pellikelbildung
zukommt. So sollen kationische Glykoproteine mit Phosphatgruppen des Zahnschmelzes reagieren.
Als gesichert gilt jedoch, dass Glykoproteine ein Substrat für die Mikroorganismen darstellen, da ihre Kohlenhydratketten bei gelungener hydrolytischer Spaltung frei werden. Ebenso
ist erwiesen, dass Muzine die Aggregation und Adhäsion von Bakterien beeinflussen. Sie
spielen auch eine Rolle beim Schutz der oralen Oberflächen gegen mechanische, chemische
und bakterielle Angriffe. NIEUW AMERONGEN et al. beschreiben 1987 die Wirkung von
menschlichem Muzin des Speichels auf die Demineralisation des Schmelzes durch Zitronensäure. Es wurden Anzeichen gefunden, die dafür sprechen, dass Muzine die Schmelzoberfläche vor Säureattacken schützen können. Bekannt ist auch, dass die makromolekularen Glykoproteine für die Viskosität des Speichels verantwortlich sind. Die mittlere Konzentration im
Speichel beträgt 2700 mg/l (CIBA-GEIGY, 1977).
LITERATURÜBERSICHT
20
2.4.5 Casein
Casein wird nicht vom Körper produziert, sondern mit der Nahrung aufgenommen. Es ist
ein wichtiger Eiweißbestandteil der Milch, welches bei der Milchsäuregärung oder durch
Labenzym (im Labmagen des Kalbes und beim Säugling nachgewiesenes Enzym zur Milchgerinnung) ausgefällt wird. Es ist in reiner Form ein weiß-gelbliches Pulver, welches in Wasser nicht gut löslich ist. Bei den Milchproteinen lässt sich zwischen Molkeproteinen (20 %)
und Caseinen (80 %) unterscheiden. Milch enthält zu 40 % α-Casein, zu 24 % β-Casein, zu
12 % κ-Casein und zu 4 % γ-Casein (HASENAUER, 2000).
Casein kann durch Hinzufügen von Säure oder durch Milchsäuerungsprozesse aus der Milch
abgeschieden werden. Wegen seines Phosphorsäuregehalts ist Casein ein wichtiger Nahrungsbestandteil (KATALYSE UMWELTLEXIKON 2001).
Die Caseinproteine bilden Micellen in der Milch. Ihr Micellendurchmesser beträgt 50 – 300
nm, so dass man von einer Suspension sprechen kann. Die Caseinmicellen setzen sich aus
mehreren Submicellen zusammen, die über Calciumphosphatbrücken miteinander verbunden
sind (HASENAUER 2000).
Die positive Wirkung von Milch und Milchprodukten auf die Remineralisation von Zahnschmelz ist seit längerem bekannt, da Milch einen hohen Anteil an Calcium- und Phosphorionen besitzt. GRANBY et al. untersuchten 2001 in einer In-vitro-Studie die Bestandteile der
Milch auf ihre Wirkung bei der Demineralisation von Schmelz. Es zeigte sich, dass Casein
und andere Bestandteile Einfluss auf die schützende Wirkung der Milch vor Karies nehmen.
Casein zeigt aber auch eine Wirkung auf die Mikroflora der Plaque, wie GUGGENHEIM et
al. (1999) zeigten. Bei einem Versuch mit Ratten zeigte sich, dass der Anteil von S. sobrinus
in der Mundhöhle bis zu 80 % verringert wurde, wenn den Ratten Casein mit der Nahrung
verabreicht wurde.
Casein hat laut Angaben der Hersteller einen Anteil von ca. 2 g/l in der Milch (Fa. FLUKA,
Deutschland).
ZIELSETZUNG
21
3. Zielsetzung der Studie
Karies ist die häufigste Erkrankung der Zahnhartsubstanz. Die Entstehung ist durch eine
hohe Komplexität gekennzeichnet, bei der alle den Mundraum betreffenden Faktoren eine
Rolle spielen. In welchem Maße die einzelnen Faktoren jedoch beteiligt sind, ist bis heute
zum größten Teil noch nicht nachgewiesen.
Die unterschiedliche Kariesanfälligkeit verschiedener Personen lässt sich nicht ausschließlich
mit den bekannten Prophylaxemaßnahmen, wie Mundhygiene, Ernährung und Fluoridierung,
erklären. Es müssen also Faktoren eine Rolle spielen, die weit mehr individuell sind, als die
oben genannten Einflüsse.
Die Bestandteile des Speichels sind in ihrem Anteil am Gesamtspeichel von Person zu Person stark schwankend. Aus diesem Grund kann man auf eine eventuell größere Wirkung des
Speichels auf die Kariesätiologie schließen, als bisher bekannt ist. Die Vermutung liegt nahe,
dass einzelne Proteine oder ihre unterschiedlichen Konzentrationen im Speichel eine positive,
bzw. negative Wirkung auf die De-, bzw. Remineralisation des Schmelzes auf die Kariesentstehung besitzen.
Diese neuen Erkenntnisse könnten zukünftig die herkömmlichen Prophylaxemaßnahmen
durch Neue ergänzen. So könnte, durch das Wissen über mögliche Wirkungen einzelner Speichelproteine auf die Entstehung der Karies, Kariesprävalenz und Inzidenz innerhalb der Bevölkerung weiter gesenkt werden.
Das Ziel der Studie war, die Auswirkung verschiedener Speichelproteine in verschiedenen
Konzentrationen auf die Demineralisation von gesundem Schmelz zu untersuchen.
MATERIAL UND METHODE
22
4. Material und Methode
4.1 Herstellung der Schmelzproben
Für diese Untersuchung wurden 120 Rinderfrontzähne extrahiert, unmittelbar danach gereinigt und die Wurzeln mit der Pulpa entfernt. Danach wurden die Zahnkronen für drei Tage in
Ringerlösung eingelegt. Von den 120 Kronen wurden 100 ohne kariöse Läsionen oder anderen sichtbaren Defekten ausgewählt.
Bei diesen 100 Zahnkronen wurde die palatinale Seite mit Hilfe einer Bandsäge (Trennschleifsystem, Fa. Exakt Apparatebau, Norderstedt, Deutschland) abgetrennt. Aus den Labialflächen wurden jeweils 200 Schmelzproben unter ständiger Wasserkühlung präpariert.
Die so entstandenen 200 Proben wurden in Kunstharz (Technovit 4071, Heraeus Kulzer
GmbH, Wehrheim, Deutschland) eingebettet, auf der Vorder- und Rückseite mit Hilfe des
Exakt-Mikroschleifsystems (Fa. Exakt Apparatebau, Norderstedt, Deutschland) parallelgeschliffen und die Schmelzseite poliert (Schleifpapier: Körnung Rückseite: # 500, Körnung
Schmelzfläche: # 1200, Polierpapier: Körnung: # 2400 und # 4000, Stuers-GmbH, Erkrath,
Deutschland).
Auf allen 200 Schmelzproben wurden zum Schutz 50 % der Schmelzoberfläche mit Nagellack (Fa. Jade, Deutschland) abgedeckt, um nach der Demineralisation einen Kontrollbereich
mit intaktem Schmelz zu erhalten (Abb. 4).
Dentin
Schmelz
Nagellack
Schmelzoberfläche
der Demineralisierungslösung
ausgesetzte Schmelzoberfläche
Abgedeckte
Schmelzoberfläche
Abbildung 4: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus. Durch das Abdecken mit Nagellack lassen sich der gesunde
Kontrollbereich und der der Demineralisation ausgesetzte Bereich der Schmelzprobe beurteilen.
Die Proben wurden in fünf Gruppen à 40 Proben aufgeteilt. Während der gesamten Zeit
wurden die Schmelzproben in Ringerlösung gelagert.
MATERIAL UND METHODE
23
4.2 Demineralisation mit Zusatz unterschiedlicher Proteinkonzentrationen
Die 200 Proben wurden unter Zugabe verschiedener Proteine bzw. Proteinbestandteile mit
unterschiedlichen Konzentrationen über 10 Tage in einer Standardlösung demineralisiert (Tabelle 1).
Zunächst wurden jeweils 40 Schmelzproben den fünf Proteinen „humanes Albumin“, „LProlin“ (als Aminosäure) „Muzin“, „Immunglobulin G“ und „Casein“ (als Vertreter der
Milcheiweiße) zugeteilt. Muzin wurde von den Difico Laboratories (Detroit, USA), die restlichen Proteine von der Fa. Fluka (Deutschland) bezogen. Jede dieser Gruppen wurde noch
einmal nach Proteinkonzentrationen unterteilt. Alle Proteingruppen hatten also vier Untergruppen mit jeweils 10 Proben. Die erste Gruppe wurde später in reiner Demineralisationslösung (Kontrolle) belassen, die weiteren drei Untergruppen mit der Demineralisationslösung
und niedriger Proteinkonzentration, eine dritte Gruppe mit Demineralisationslösung und mittlerer Proteinkonzentration, und die letzte Gruppe mit einer hohen Proteinkonzentration in der
Demineralisationslösung. Von den 200 Proben wurden jeweils 10 Proben pro Gruppe eingeteilt (Abb. 5).
Schmelzproben mit intaktem (gesundem) Zahnschmelz
(n= 10 pro Gruppe)
Reine Demineralisation
(Ohne Proteinzusatz)
Demineralisation
Demineralisation
Demineralisation
(Zusammensetzung nach
Buskes et al.)
+
(Zusammensetzung nach
Buskes et al.)
+
(Zusammensetzung nach
Buskes et al.)
+
niedrige
Proteinkonzentration
mittlere
Proteinkonzentration
hohe
Proteinkonzentration
Abbildung 5: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Gruppen
Die mittleren Konzentrationen orientieren sich jeweils nach den Bedingungen in der Mundhöhle. Für die niedrige und die hohe Konzentration wurden jeweils die Hälfte des Normwertes von der mittleren Konzentration subtrahiert bzw. addiert. Die jeweiligen Konzentrationen
pro Liter Demineralisationslösung werden aus Tabelle 2 ersichtlich. Danach wurden 20 Liter
Demineralisationslösung (Konzentration nach BUSKES et al.) mit einem pH-Wert von 5 an-
MATERIAL UND METHODE
24
gesetzt. Die genaue Zusammensetzung ist aus Tabelle 1 ersichtlich. Davon wurde jeweils 1
Liter entnommen und die entsprechende Proteinkonzentration (Tabelle 2) hinzugefügt. Die so
entstandenen 20 unterschiedlichen Lösungen wurden im Kühlschrank aufbewahrt. Täglich
wurden nun jeweils 100 ml von der jeweiligen Lösung entnommen. Die 200 mit Nagellack
bedeckten Proben wurden auf 20 Gruppen à 10 Proben verteilt und in die 100 ml der zugehörigen Proteinlösung eingelegt. Die eingelegten Proben wurden über 10 Tage in einem Wärmeschrank (Memmert GmbH, Schwalbach, Deutschland) bei 37 °C und konstantem pH 5 belassen. Täglich, nach jeweils 24 h, wurden die 100 ml der entsprechenden Lösung ausgetauscht.
Tabelle 1: Zusammensetzung der Lösung nach BUSKES et al. (1985)
Konzentration
(1)
3 mM
(2)
3 mM
(3) 50 mM
(4) 10 mM
(5)
6 μM
(6)
(7)
Inhaltsstoffe
Calciumchlorid-2-hydrat (CaCl2×H2O)
Kaliumhydrogenphosphat (KH2PO4)
Milchsäure (C2H5COOH)
Kalilauge ad ph 5 (KOH)
Methylendiphosphonsäure (MHDP)
Thymol (C10H14O)
aqua dest. (H2O)
Mengen
2205,00 mg
2040,00 mg
51,65 mg
240,00 mg
5,40 mg
in Spuren
ad 20 Liter
Tabelle 2: Konzentrationen der einzelnen Proteine
*Konzentrationsbestimmung : ± ½ des Speichelanteils
[1]: Wissenschaftliche Tabellen Geigy/ Ciba Geigy AG, Basel 1977
[2]: nach Angaben des Herstellers
[3]: nach Angaben des Dr. Farny-Institutes, Wangen, Allgäu
Speichel-
*niedrige
mittlere
Konz.
Konz.
7 mg/l
3,5 mg/l
7 mg/l
10,5 mg/l
[1]
lin G
46 mg/l
23 mg/l
46 mg/l
69 mg/l
[1]
Prolin
7 mg/l
3,5 mg/l
7 mg/l
10,5 mg/l
[1]
Muzin
577,5 mg/l
288,75 mg/l
577,5 mg/l
866,25 mg/l
[2]
Casein
1,2 g/l
0,6 g/l
1,2 g/l
1,8 g/l
[3], [2]
Protein
anteil (bei Casein:
*hohe Konz. Literatur
Anteil in Kuhmilch)
Albumin
Immunglobu-
MATERIAL UND METHODE
25
4.3 Herstellung planparalleler Dünnschliffe
Nach 10 Tagen Lagerung in der Demineralisationslösung wurden die 200 Proben der Lösung
entnommen und mit Ringerlösung abgespült. Mit Hilfe des Handschleifsystems wurde das
Technovit längs der Schmelzproben plan und parallel zu diesen geschliffen (Schleifpapier:
Körnung: # 500, Stuers-GmbH, Erkrath, Deutschland) und mit Präzisionskleber (Technovit
7210, Heraeus Kulzer GmbH, Wehrheim, Deutschland) auf Plexiglasträgerplatten (Fa. Psi,
Laudenbach, Deutschland) geklebt. So konnte die Probenoberfläche im rechten Winkel zum
Schleifpapier des Mikroschleifsystems gebracht werden. Mit dem oben bereits erwähnten Exakt-Mikroschleifsystem wurde das Technovit bis zur eigentlichen Schmelzprobe entfernt und
diese poliert (Schleifpapier: Körnung: # 1200, Polierpapier: Körnung: # 2400 und # 4000,
Stuers-GmbH, Erkrath, Deutschland).
Nun wurde diese Oberfläche mit Heliobond (Ivoclar Vivadent GmbH, Ellwangen, Deutschland) auf einer Plexiglasträgerplatte (Fa. Psi, Laudenbach, Deutschland) fixiert, so dass die
beiden Trägerplatten parallel zueinander befestigt waren.
Durch diese „Sandwich-Technik“ konnten mit Hilfe einer Säge (Trennschleifsystem, Fa.
Exakt Apparatebau, Norderstedt, Deutschland) Längsschliffe der Schmelzproben hergestellt
werden.
Die Probe wurde mit der mit Präzisionskleber befestigten Trägerplatte durch einen Vakuumsog so an der Säge fixiert, dass das Sägeband im rechten Winkel zur Probenoberfläche schneiden konnte. Durch eine am Trennschleifsystem befindliche Mikrometerschraube konnte das
Sägeband bis auf 300 bis 500 μm an die mit Heliobond befestigte Trägerplatte herangefahren
werden. Der so gewonnene Schnitt wurde mit einer Mikrometerschraube (Mitutoyo Corporation, Tokyo, Japan) vermessen und die Dicke der Trägerplatte abgezogen.
Zur Herstellung der Mikroradiogramme waren jedoch ca. 110 μm dicke Zahnschliffe erforderlich. Deshalb wurden die 300 bis 500 μm dicken Schliffe mit Hilfe des ExaktMikroschleifsystems (Fa. Exakt Apparatebau, Norderstedt, Deutschland) mit gewässertem
Schleifpapier auf ca. 140 μm reduziert (Schleifpapier: Körnung: # 1200, Stuers-GmbH, Erkrath, Deutschland).
Zum Erreichen einer möglichst exakten Schliffdicke wurde die Digitalanzeige des Mikroschleifsystems bei eingespannter Probe auf Null gestellt und die Anzahl der wegzuschleifenden
μm (tatsächliche Dicke minus erwünschte Dicke) eingestellt. Das Mikroschleifsystem wurde
angestellt und schaltete automatisch ab, wenn die an der Digitalanzeige eingestellten μm von
der Probe weggeschliffen worden waren. Dies wird durch zwei auf diese Entfernung automa-
MATERIAL UND METHODE
26
tisch eingestellten Goldelektroden ermöglicht, die aufeinandertreffen und das Gerät dann abstellen, wenn die erwünschte Stärke des Schliffes erreicht wurde.
Um die für die Mikroradiographie erwünschten 110 μm zu erreichen, wurden die Schliffe erneut vermessen. Berücksichtigt wurde hierbei auch die Dicke der Heliobondschicht. Diese betrug durchschnittlich 5 μm. Dann wurde die Probe mit dem Mikroschleifsystem bis auf eine
Endstärke von 110 μm poliert (Polierpapier: Körnung: # 2400 und # 4000, Stuers-GmbH, Erkrath, Deutschland).
Jede der Trägerplatten wurde dem Schliff entsprechend beschriftet und bis zur weiteren Bearbeitung in Ringerlösung aufbewahrt.
Abbildung 6: Trennschleifsystem und Mikroschleifsystem
4.4 Untersuchung der Schmelzläsionen im Polarisationsmikroskop
Mit dem Polarisationsmikroskop (Durchlichtmikroskop mit Polarisationsfilter, Carl Zeiss
Jena GmbH, Jena, Deutschland) konnte durch die Imbibition von Wasser bzw. Chinolin (Fa.
Merck-Schuchardt, Hohenbrunn, Deutschland) das Ausmaß der erzeugten Läsionen verdeutlicht werden. Die beiden Medien wurden nacheinander auf die Proben getröpfelt und diffundierten in die Leerräume, die durch die Entkalkung entstanden waren. Da Wasser und Chinolin einen unterschiedlichen Brechungsindex besitzen (Wasser: 1,3; Chinolin: 1,6), konnte die
Ausdehnung der Entkalkung eindrucksvoll dargestellt werden. Ausgesuchte Schmelzschliffe
jeder Gruppe wurden bei einer 20-fachen Vergrößerung fotografiert (Kamera: Contax RTS,
MATERIAL UND METHODE
27
Yashica Co. Ltd. Tokyo, Japan; Film: Kodak, Ektachrom 160, Fa. Heirlinger, Stuttgart,
Deutschland).
4.5 Untersuchung mit der transversalen Mikroradiographie (TMR)
Die 200 hergestellten Dünnschliffe wurden mit einem Skalpell von den Plexiglasträgerplatten und aus dem restlichen Technovit gelöst. Danach wurden die Schliffe einzeln mit einem
dünnen Klebestreifen auf den speziell für die Mikroradiographie entwickelten Probenhalter
(TMR Probenhalter, Inspector Research System BV, Amsterdam, Niederlande) fixiert. Dabei
wurde darauf geachtet, dass sowohl der zu untersuchende Bereich, das heißt die Läsion, als
auch der gesunde Teil der Schmelzprobe in der dafür vorgesehenen Öffnung lagen. Jeder Objektträger wurde mit der entsprechenden Probennummer versehen und die Reihenfolge der
Proben pro Film in einem Protokoll festgehalten. So konnte eine Verwechslung der Proben
ausgeschlossen werden.
Um die erzeugten Läsionen mikroradiographisch darstellen zukönnen, wurden die Träger
mit der jeweiligen Probe in die dafür vorgesehene Halterung gespannt. Diese Halterung war
in ein Kameragehäuse integriert, das vor einem Röntgentubus montiert war. Kamera und
Röntgenröhre, sowie die Aluminiumeichtreppe für transversale Mikroradiographie, die neben
der Halterung eingeschraubt war, waren Bestandteile des Röntgenstrahlengenerators (PW
1830/40, Phillips, Deutschland).
Durch die Lage der Halterung lag die Probe in Kontakt zu dem dahinter befindlichen hochauflösenden holographischen Film (High speed holographic film, Kodak SO-253, Kodak,
Stuttgart, Deutschland). Die Belichtungszeit wurde nach einem Probedurchgang auf 12 s festgelegt. Die mikroradiographische Untersuchung wurde bei einer Röntgenspannung von 20 kV
und einer Röhrenspannung von 20 mA durchgeführt.
Anschließend wurden die entwickelten Mikroradiogramme unter einem Universalmikroskop
(Axioplan, Zeiss, Oberkochen, Deutschland) ausgewertet. An dem Mikroskop war eine Videokamera (CCD Videokamera Modul XC77E, Sony, Japan) angeschlossen, mit der die Aufnahme der Probe abgefahren werden konnte. Der Film wurde unter das Mikroskop gelegt und
die Darstellung des gesunden Schmelzbereichs der jeweiligen Probe eingestellt. An diesem
Bereich erfolgte, bei 40-facher Vergrößerung, die Adjustierung der Lichtintensität. Danach
wurde die auf dem Film dargestellte Aluminiumtreppe abgetastet und die unterschiedlichen
Transmissionswerte in einer Graphik dargestellt. Sie sollte die unterschiedliche Dicke der
MATERIAL UND METHODE
28
Aluminiumtreppe gegen die Filmtransmission aufzeigen. Die verbundenen Punkte stellten
eine Kurve dar, deren Krümmung die Qualität ausdrückte. Ein möglichst gerader Verlauf bedeutete eine gute Qualität. Durch das Multiplizieren der jeweiligen Dicke mit der Dichte und
dem Röntgenabsorptionskoeffizienten von Aluminium für CuKα-Strahlung errechnete der
Computer den Röntgenabsorptionswert der Stufen.
Nun wurde der Anfangspunkt des zu gewinnenden Scans auf dem Film eingestellt. Der
Schmelzbereich musste scharf dargestellt sein. Durch die vorher erstellte Eichkurve wurden
die ermittelten Transmissionswerte des Zahnscans über die Röntgenabsorption in die Konzentration des untersuchten Materials umgerechnet. Bei gesundem Schmelz wurde eine maximale Mineralkonzentration von 87 % angenommen.
Die Berechnung des Mineralgehalts und der Läsionstiefe erfolgte mit dem Programm
„Transversal Micro Radiography“ (TMR für Windows, Version 1.24, Inspector Research System BV). Die Werte für die Auswertung der Mikroradiogramme, der Mineralverlust in der
initialen Läsion und die Läsionstiefe, wurden von dem Programm dargestellt und gespeichert.
Es wurden pro Probe jeweils Mineralverlust und Läsionstiefe im gesunden Bereich und in
dem Bereich, der der Demineralisationslösung (mit und ohne Protein) ausgesetzt war, ermittelt.
Die Werte für den gesunden Bereich wurden dann von den Werten der Läsion abgezogen.
Abbildung 7:
Beispiel einer Kurve für reine Demineralisation
Einzelne Punkte, die zur Berechnung Werte Voraussetzung waren, wurden manuell markiert
(z.B. tiefster Punkt der Läsion)
MATERIAL UND METHODE
29
4.6 Statistische Auswertung
In der statistischen Auswertung der Ergebnisse wurden die fünf Gruppen untereinander
verglichen, jeweils bezogen auf den Mineralverlust (Vol. %) und auf die Läsionstiefe (μm).
Durch die Varianzkomponentenanalyse wurde untersucht, inwiefern die 200 Gesamtproben
von den 100 Zähnen abhängig waren, und ob die Kontrollgruppen als Kontrollen verwendet
werden konnten. Mittels Varianzanalyse wurden dann zum einen die gesunden, der reinen
Demineralisationslösung ausgesetzten Schmelzproben (Kontrollgruppen) und zum anderen
die gesunden, der Demineralisationslösung mit Proteinen ausgesetzten Schmelzproben analysiert. Dies wurde durch eine zweifaktorielle Varianzanalyse, abhängig von Konzentration und
Proteinen durchgeführt.
Ebenfalls erfolgte innerhalb jeder Proteingruppe eine einfaktorielle Varianzanalyse mit anschließender Teststatistik nach TUKEY (Post-Hoc-Test), wo die unterschiedlichen Konzentrationen innerhalb einer Gruppe verglichen wurden.
Vor der statistischen Auswertung wurden die in der Mikroradiographie ermittelten Werte
für die gesunden Schmelzbereiche der jeweiligen Probe, von den Werten der demineralisierten Schmelzbereiche abgezogen. So wurde für eine Probe ein Wert für den Mineralverlust und
ein Wert für die Läsionstiefe ermittelt.
Das Signifikanzniveau wurde bei 5 % festgelegt. Die statistische Auswertung erfolgte mit
dem Programmpaket SAS (Release 6.12), die graphischen Darstellungen mit dem Statistikprogramm SPSS 11.0 for Windows.
ERGEBNISSE
30
5. Ergebnisse
5.1. Quantitative Auswertung mittels Varianzkomponentenanalyse
In diesem Versuchsaufbau wurden 200 Proben von insgesamt 100 Rinderzähnen verwendet.
Aus einem Zahn wurden jeweils zwei Proben hergestellt.
Durch die Varianzkomponentenanalyse sollte ermittelt werden, ob für den weiteren Verlauf
der statistischen Auswertung ein Unterschied der Proben in Abhängigkeit zum jeweiligen
Zahn berücksichtigt werden musste.
In Tabelle 3 werden der Mittelwert, das Minimum und das Maximum, sowie die Standardabweichung aller 200 Proben dargestellt. Aufgrund der technisch besseren Verwertbarkeit und
der Varianzhomogenisierung wurden die Werte zusätzlich logarithmiert.
Tabelle 3: Mittelwerte, Standardabweichung (SD), Maximum und Minimum von allen 200 Proben (N=200). Werte für Mineralverlust werden in Vol. % (MV) und logarithmiert (LMV) angegeben. Werte für Läsionstiefe werden in μm (LD) und
logarithmiert (LLD) dargestellt
Variable
N
Mittelwerte
SD
Minimum
Maximum
MV
200
2403,22
1243,28
153,50
7208,00
LD
200
92,5745
35,53
10,10
225,30
LMV
200
0,5679927
0,1790901
0,0762307
1,0004341
LLD
200
0,4411893
0,1120378
0,0799045
0,7408362
In Tabelle 4 sind die Varianzkomponenten für Mineralverlust (MV), Läsionstiefe (LD) und
ihre logarithmierten Werte (LMV, LDV), sowie für die jeweiligen Fehler aufgelistet. Die Varianzkomponente bei Mineralverlust (MV) und Läsionstiefe (LD) wurde zur besseren Darstellung auf zwei Nachkommastellen verkürzt.
ERGEBNISSE
31
Tabelle 4: Geschätzte Varianzkomponente der 200 Proben (N=200) für den Mineralverlust (MV) und die Läsionstiefe (LD),
die logarithmierten Werte LMV und LLD, in Abhängigkeit von der Anzahl der Proteine (1,2,3,4,5), von der Konzentration (0,1,2,3) und der Anzahl der Zähne (001-100), sowie der geschätzte Fehler Var (Error).
Estimate
Estimate
Estimate
Estimate
MV
LD
LMV
LLD
Var (ZAHN(PROT*KONZ))
462957,61
328,53
0,00900545
0,00297484
Var (Error)
673250,15
639,40
0,01131424
0,00598706
Variance Component
In Tabelle 5 werden Mittelwert, Maximum, Minimum und Standardabweichung von den
100 Rinderzähnen aufgelistet. Aus einem Rinderzahn wurden zwei Proben hergestellt. Deshalb ergaben sich für jeden Zahn jeweils zwei Werte für den Mineralverlust und für die Läsionstiefe. Aus diesen beiden Werten wurden die Mittelwerte errechnet, um für jeden Zahn einen Wert für den Mineralverlust und einen Wert für die Läsionstiefe zu erhalten. Somit ergab
sich N=100.
Tabelle 5: Mittelwerte, Standartabweichung (SD), Minimum und Maximum von 100 Zähnen. Die Werte werden wie in
Tabelle 3 dargestellt.
Variable
N
Mittelwerte
SD
Minimum
Maximum
MV
100
2403,22
1101,60
410,20
6056,25
LD
100
92,5745
30,7629274
22,10
190,45
LMV
100
0,5679927
0,1628526
0,1796752
0,9267808
LLD
100
0,4411893
0,0979393
0,1528652
0,6774447
Vergleicht man die jeweiligen Minima bzw. Maxima des Mineralverlustes (MV), zeigt sich
in Tabelle 3 eine Differenz von 7054,5 Vol.%, in Tabelle 5 eine Differenz von 5646,05
Vol.%. Die Differenz in der Tabelle, die die Abhängigkeit der Proben von ihrem jeweiligen
Zahn berücksichtigt, also Tabelle 5, ist kleiner als in Tabelle 3, in der alle Proben gleich behandelt wurden. Das Minimum ist in Tabelle 5 (N=100, in Abhängigkeit vom Zahn) mit
410,20 Vol.% höher als das Minimum in Tabelle 3 (N=200, alle Proben werden gleich gewer-
ERGEBNISSE
32
tet) mit 153,5 Vol.%. Das Maximum in Tabelle 5 ist mit 6056,25 ±1101,60 Vol.% niedriger
als in Tabelle 3 (7208,0 ±1243,28 Vol.%). Dies lässt sich ebenfalls für die Läsionstiefe (LD)
feststellen. Hier betragt die Differenz in Tabelle 3 215,2 μm und in Tabelle 3 168,35 μm.
Auch die Standardabweichung (SD) in Tabelle 5 ist sowohl für den Mineralverlust, als auch
für die Läsionstiefe geringer, als in Tabelle 3.
Durch die Varianzkomponentenanalyse konnte ermittelt werden, dass es von statistischer
Relevanz war, dass die Proben aus unterschiedlichen Zähnen hergestellt wurden. Durch die
geschätzte Varianzkomponente (Tabelle 4) wurde eine Abhängigkeit der Proben von dem jeweiligen Zahn festgestellt. Aus diesem Grund wurde im weiteren Verlauf der statistischen
Auswertung diese Abhängigkeit berücksichtigt. Es ergab sich also N=100 für die Gesamtprobenzahl.
5.2 Quantitative Auswertung mittels Varianzanalyse
5.2.1 Vergleich der Kontrollgruppen
Durch einfaktorielle Varianzanalyse wurden Mineralverlust (MV) und Läsionstiefen (LD)
innerhalb der Kontrollgruppen auf signifikante Unterschiede getestet (Proteinkonzentration=0).
In Abbildung 8 und Abbildung 9 sind die unterschiedlichen Mineralverluste (MV) und Läsionstiefen der einzelnen Kontrollgruppen für das jeweilige Protein als Box-Plot-Diagramm
dargestellt. Der errechnete Medianwert wird in den Box-Plot-Diagrammen als schwarzer Balken dargestellt. Die Kontrollgruppen waren einer reinen Demineralisationslösung ohne Proteinzugabe ausgesetzt. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Mineralverlusten der einzelnen Kontrollgruppen errechnet (p=0,9472). Auch für die Läsionstiefen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede (p=0,66652).
ERGEBNISSE
33
Abbildung 8: Vergleich der Mineralverluste (MV) innerhalb der Kontrollgruppen. Signifikante Unterschiede
zwischen den Mineralverlusten sind mit Sternen gekennzeichnet (*,p<0,05; **, p<0,01; ***, p<0,001)
LD
Abbildung 9: Vergleich der Läsionstiefen (LD) innerhalb der Kontrollgruppen. Signifikante Unterschiede
zwischen den Mineralverlusten sind mit Sternen gekennzeichnet (*,p<0,05; **, p<0,01; ***, p<0,001)
ERGEBNISSE
34
Für die fünf Kontrollgruppen, das heißt reine Demineralisationsproben, wurde ebenfalls die
Varianzkomponente ermittelt. Da in jeder Gruppe 10 Proben enthalten sind, ergibt sich N=50.
Die geschätzte Varianzkomponenten für den Mineralverlust (MV), die Läsionstiefe (LD) und
die logarithmierten Werte (LMV, LLD), sowie die Fehler wurden in Tabelle 6 dargestellt.
Tabelle 6: geschätzte Varianzkomponente der 50 Kontrollproben (N=50) für Mineralverlust(MV) und Läsionstiefe (LD),
sowie die logarithmierten Werte (LMV, LLD) und die jeweiligen Fehler (Var (error)).
Estimate
Estimate
Estimate
Estimate
MV
LD
LMV
LLD
Var (ZAHN(PROT*KONZ))
82844,08
12,36
0,00150624
0,00006522
Var (Error)
987444,42
505,765
0,01346593
0,00447083
Variance Component
Es konnten keine signifikanten Unterschiede innerhalb der Kontrollgruppen festgestellt
werden. Die geringen Varianzkomponenten und die nicht signifikant getesteten Werte für Mineralverlust (MV) und Läsionstiefe (LD) verdeutlichen, dass die 50 Kontrollproben im Versuchsaufbau gleich behandelt wurden und die Demineralisation unter gleichen Bedingungen
stattfinden konnte. Die Kontrollgruppen konnten also für die weitere statistische Auswertung
gleich bewertet und als Kontrolle für die einzelnen Proteingruppen verwendet werden.
5.2.2 Vergleich der gesamten Proben
Der Vergleich der gesamten Proben erfolgte als erstes wiederum durch einfaktorielle Varianzanalyse. Die Proben der fünf Proteingruppen wurden unabhängig von ihren Konzentrationen untereinander verglichen. Die Kontrollgruppen wurden vernachlässigt. Weiterhin erfolgte
der Vergleich der Proteingruppen mit der Teststatistik nach TUKEY (Post-Hoc-Test). Auch
hier wurden die Werte für Mineralverlust und Läsionstiefe in Form von Box-PlotDiagrammen dargestellt.
ERGEBNISSE
35
5.2.2.1 Mineralverlust
Abbildung 10 verdeutlicht die signifikanten Unterschiede zwischen allen fünf Proteingruppen (1,2,3,4,5) hinsichtlich ihres Mineralverlustes. Es ergibt sich, wie mit Hilfe der Varianzkomponentenanalyse bereits erklärt, eine Probenzahl von N=75, da von den Werten der
zwei Proben aus einem Zahn jeweils der Mittelwert errechnet wurde, und die Kontrollgruppen
zum besseren Vergleich der fünf Proteine vernachlässigt wurden.
MV
A
A,B
B
B
C
Abbildung 10: Vergleich des Mineralverlustes der fünf Proteingruppen unabhängig von der Konzentration. Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
Die Proben aus der Gruppe von Albumin (Protein 1) und IgG (Protein 2) unterscheiden sich
hinsichtlich des Mineralverlustes nicht (p>0,05). Der mittlere Mineralverlust beträgt hier
2998,6 (±815,23) Vol.% bzw. 2635,73 (±501,623) Vol.%.
IgG (Protein 2), Casein (Protein 5) und L-Prolin (Protein 3) unterscheiden sich ebenfalls
nicht im Hinblick auf ihren Mineralverlust (p>0,05). Die Werte für den mittleren Mineralver-
ERGEBNISSE
36
lust lagen bei 2294,58 (±596,30) Vol.% für Casein und 2194,05 (±593,77) Vol.% für LProlin.
Als signifikant geringer zeigten sich die Werte für die Proben der Gruppe Casein (Protein 5)
und L-Prolin (Protein 3) gegenüber Albumin (Protein 1) (p<0,05).
Bei Protein 4, also Muzin, wird im Vergleich zu allen übrigen Proteinen ein signifikant
niedrigerer Mineralverlust beobachtet (p< 0,0001). Der mittlere Mineralverlust beträgt hier
843,09 (± 440,57) Vol. %. Der Mineralverlust der Proben, die der Demineralisationslösung
mit Muzin ausgesetzt waren, sind also deutlich niedriger, als der Mineralverlust der vier übrigen Proteingruppen.
5.2.2.2 Läsionstiefe
Abbildung 11 zeigt, wie Abbildung 10, die signifikanten Unterschiede der fünf Proteingruppen (1,2,3,4,5). Es werden jedoch die Läsionstiefen untereinander verglichen. Auch hier
ergibt sich eine Probenzahl von N=75.
LD
A
A
A
A
B
Abbildung 11: Vergleich der Läsionstiefen (LD) der fünf Proteingruppen unabhängig von der Konzentration. Werte mit
unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
ERGEBNISSE
37
Die Proben, die der Lösung mit Muzin (Protein 4) ausgesetzt waren, zeigen eine signifikant
niedrigere Läsionstiefe, als die restlichen Proben (p<0,0001). Die mittlere Läsionstiefe betrug
bei Muzin (Protein 4) 49,91 (±15,97) μm. Die Werte der anderen vier Proteingruppen bewetgen sich zwischen 89,44 (±10) μm für Casein und 111,34 (±31,74) μm für Albumin. Auch
hier ist also der Wert für Albumin am höchsten. Die Werte für die Läsionstiefen der vier Proteine waren jedoch untereinander nicht signifikant zu unterscheiden (p>0,05).
5.2.3 Vergleich innerhalb der Proteingruppen
Aufgrund der signifikanten Unterschiede zwischen den fünf Proteingruppen (Abbildungen
10 und 11), wurden die Werte der einzelnen Proteine nun genauer untersucht. Durch die Varianzanalyse wurden signifikante Unterschiede ermittelt.
In den Abbildungen 12 bis 21 wird wiederum mithilfe von Box-Plot-Diagrammen dargestellt, ob sich innerhalb jeder einzelnen Proteingruppe weitere signifikante Unterschiede abzeichnen. Hierzu wurden die Proben N=20 des jeweiligen Proteins in Abhängigkeit der Konzentration (0,1,2,3) miteinander verglichen. Verglichen wurden sowohl Mineralverlust (MV),
als auch Läsionstiefe (LD). Der Vergleich der einzelnen Konzentrationen untereinander erfolgte mit der Teststatistik nach TUKEY (Post-Hoc-Test).
5.2.3.1 Vergleich der Mineralverluste (MV) und Läsionstiefen (LD)
von Albumin (Protein 1)
In Abbildung 12 werden die Werte der Mineralverluste (MV) der Gruppe Albumin untereinander verglichen. Es ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Konzentrationen
(Konz=0,1,2,3) vier Untergruppen. Konz=0 ist die Kontrollgruppe mit der reinen Demineralisationslösung , Konz=1 die Gruppe mit der niedrigen Proteinkonzentration in der Demineralisationslösung und Konz=2 bzw. 3 sind die Gruppen mit mittlerer bzw. hoher Proteinkonzentration. Diese Einteilung gilt ebenso für die folgenden Abbildungen.
Durch die Varianzanalyse ergaben ich signifikante Unterschiede (p=0,0068) zwischen den
vier Konzentrationen dieser Gruppe.
Für die Proben des Proteins Albumin zeigte sich, dass die Kontrollgruppe (0) und die hohe
Konzentration (3) keine signifikanten Unterschiede aufweisen. Die mittleren Mineralverluste
ERGEBNISSE
38
der Kontrollgruppe (0) betragen 3085,05 (± 557,62) Vol.%, die der Gruppe mit hoher Proteinkonzentration (3) 4242,29 (± 1150,53) Vol.%.
Ebenfalls keine signifikanten Unterschiede (p>0,05) zeigen sich zwischen der Kontrollgruppe (Konz=0), der mittleren (Konz=2) und der niedrigen Konzentration (Konz=1). Der
Mineralverlust für die mittlere Konzentration beträgt 2623,78 (± 824,37) Vol.%, der für die
niedrige Konzentration 2129,84 (± 522,72) Vol.%. Die Mineralverluste dieser Konzentrationen (1,2) sind jedoch signifikant niedriger als der Mineralverlust der hohen Konzentration (3)
(p<0,05).
MV
A
A,B
B
B
Abbildung 12: Vergleich der Mineralverluste (MV) der Proben des Proteins 1 (Albumin) abhängig von ihren unterschiedlichen Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
In Abbildung 13 werden die Läsionstiefen (LV) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) des Proteins Albumin untereinander verglichen.
Durch die Signifikanzberechnung konnten keine Unterschiede zwischen den Gruppen der
unterschiedlichen Proteinkonzentrationen ermittelt werden (p=0,2154).
ERGEBNISSE
39
Die Werte der Läsionstiefen bewegen sich zwischen 91,23 (± 15,0432) μm für die niedrige
Konzentration (1) und 138,28 (± 50,7419) μm für die hohe Konzentration (3).
Aus Abbildung 13 ist jedoch ersichtlich, dass die Gruppe mit der hohen Albuminkonzentration die höchsten Mineralverluste aufweist.
LD
A
A
A
A
Abbildung 13: Vergleich der Läsionstiefen (LD) der Proben des Proteins 1 (Albumin) abhängig von ihren unterschiedlichen
Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
5.2.3.2 Vergleich der Mineralverluste (MV) und Läsionstiefen (LD)
von IgG (Protein 2)
In Abbildung 14 werden die Mineralverluste (MV) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) des Proteins IgG untereinander verglichen.
Für das Protein IgG konnten zwischen den Gruppen mit unterschiedlichen Konzentrationen
keine signifikanten Unterschiede beobachtet werden (p=0,8139). Die Mineralverluste
ERGEBNISSE
40
schwanken zwischen 2983,54 (± 857,71) Vol. % für die Kontrollgruppe (0) und 2616,77 (±
709,51) Vol. % für die niedrige Konzentration (1).
A
MV
A
A
A
Abbildung 14: Vergleich der Mineralverluste (MV) der Proben des Proteins 2 (IgG) in Abhängigkeit ihrer unterschiedlichen
Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
In Abbildung 15 werden die Läsionstiefen (LV) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) des Proteins IgG untereinander verglichen.
Die Signifikanzberechnung ergab für die Läsionstiefen des Protein IgG ebenfalls keine signifikanten Unterschiede (p=0,9179) zwischen den vier Konzentrationen. Die mittleren Läsionstiefen liegen zwischen 107,00 (± 22,59) μm für die Kontrollgruppe (0) und 98,15
(± 11,71) μm für die mittlere Konzentration (2).
ERGEBNISSE
41
LD
A
A
A
A
Abbildung 15: Vergleich der Läsionstiefen (LD) der Proben des Proteins 2 (IgG) abhängig von ihren unterschiedlichen
Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
5.2.3.3 Vergleich der Mineralverluste (MV) und Läsionstiefen (LD)
von L-Prolin (Protein 3)
In Abbildung 16 werden die Mineralverluste (MV) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) der Aminosäure L-Prolin untereinander verglichen.
Die Signifikanzberechnung ergab schwach signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen mit unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (p=0,0105).
Die Mineralverluste der Kontrollgruppe (0) und der Gruppe mit hoher Proteinkonzentration
(3) unterscheiden sich signifikant (p<0,05). Die Kontrollgruppe zeigt einen mittleren Mineralverlust von 3238,93 (± 805,05) Vol.%. Die Werte für den Mineralverlust von Konzentration 3, also der hohen Proteinkonzentration, sind mit 1743,17 (± 211,87) Vol.% signifikant
niedriger. Die Gruppen der anderen Konzentrationen zeigen keine signifikanten Unterschiede
und liegen mit ihren Werten dazwischen.
ERGEBNISSE
42
MV
A
A,B
A,B
B
Abbildung 16: Vergleich der Mineralverluste (MV) der Proben des Proteins 3 (L-Prolin) in Abhängigkeit ihrer unterschiedlichen Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
In Abbildung 17 werden die Werte für die Läsionstiefen (LD) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) der Aminosäure L-Prolin untereinander verglichen.
Die Signifikanzberechnung ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen
mit unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (p=0,1084).
Zwischen den Werten für die Läsionstiefe konnten also keine signifikanten Unterschiede
errechnet werden. Aus der Box-Plot-Darstellung in Abbildung 17 ist jedoch ersichtlich, dass
hier ebenfalls die Läsionstiefen der hohen Konzentration (3) mit 78,00 (± 13,83) μm die geringsten Werte aufweisen, während die Werte für die Kontrollgruppe (0) mit 105,74 (± 16,10)
μm am höchsten sind.
ERGEBNISSE
43
LD
A
A
A
A
Abbildung 17: Vergleich der Läsionstiefen (LD) der Proben des Proteins 3 (L-Prolin) abhängig von ihren unterschiedlichen
Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
5.2.3.4 Vergleich der Mineralverluste (MV) und Läsionstiefen (LD)
von Muzin (Protein 4)
In Abbildung 18 werden die Mineralverluste (MV) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) des Proteins Muzin miteinander verglichen.
Für das Protein 4, also Muzin, konnte innerhalb der Proben ein höchstsignifikanter Unterschied errechnet werden (p=0,0001).
Es zeigt sich, dass sich alle drei Proteinkonzentrationen (1,2,3) von der Kontrollgruppe (0)
signifikant unterschieden. Der mittlere Mineralverlust der Kontrollgruppe (0) beträgt 2780,67
(± 750,53) Vol. %. Die Mineralverluste für die mittlere Konzentration (2) mit 1019,29 (±
464,85) Vol. %, für die niedrige Konzentration (1) mit 808,76 (± 527,01) Vol. % und für die
hohe Konzentration (3) mit 701,23 (± 329,85) Vol. % sind niedriger.
ERGEBNISSE
44
Es zeigt sich also, dass die Mineralverluste aller drei Gruppen, die dem Protein Muzin ausgesetzt waren, höchstsignifikant geringer sind, als die Mineralverluste ihrer Kontrollgruppe. Für
die einzelnen Gruppen mit Proteinzusatz konnten keine signifikanten Unterschiede errechnet
werden.
MV
A
B
B
B
Abbildung 18: Vergleich der Mineralverluste (MV) der Proben des Proteins 4 (Muzin) in Abhängigkeit ihrer unterschiedlichen Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey
In Abbildung 19 werden die Werte für die Läsionstiefen (LV) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) des Proteins Muzin untereinander verglichen.
Aus der Signifikanzberechnung ergaben sich signifikante Unterschiede
zwischen den
Gruppen mit unterschiedlichen Konzentrationen (p=0,002).
Für die Läsionstiefen der Proben des Proteins Muzin zeigt sich, dass die Kontrollgruppe (0)
und die mittlere Konzentration (2) keine signifikanten Unterschiede aufweisen. Die mittleren
Läsionstiefen der Kontrollgruppe (0) betragen 93,76 (± 17,3305) μm, die der Gruppe mit mittlerer Proteinkonzentration (2) 60,85 (± 23,0895) μm.
ERGEBNISSE
45
Die Läsionstiefen der niedrigen (1) und der hohen Konzentration (3) zeigen keine signifikanten Unterschiede zur mittleren Konzentration (2) auf. Ihre Werte sind jedoch signifikant
niedriger, als die Werte der Kontrollgruppe (0). Für die hohe Konzentration (3) liegt die mittlere Läsionstiefe bei 46,06 (± 4,3144) μm und für die niedrige Konzentration (1) bei 42,83 (±
20,5235) μm.
Damit sind die Läsionstiefen der niedrigen (1) und hohen Konzentration (3) signifikant niedriger, als die der Kontrollgruppe (0). Wie aus Abbildung 19 ersichtlich wird, sind die Werte
der mittleren Konzentration (2) zwar auch niedriger, als die Werte der Kontrolle (0), unterscheiden sich jedoch nicht signifikant.
LD
A
A,B
B
B
Abbildung 19: Vergleich der Läsionstiefen (LD) der Proben des Proteins 4 (Muzin) abhängig von ihren unterschiedlichen
Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
ERGEBNISSE
46
5.2.3.5 Vergleich der Mineralverluste (MV) und Läsionstiefen (LD)
von Casein (Protein 5)
In Abbildung 20 werden die Mineralverluste (MV) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) des Proteins Casein untereinander verglichen.
Die Signifikanzberechnung ergab für die Gruppen mit unterschiedlichen Konzentrationen
von Casein hochsignifikante Unterschiede (p=0,0005).
Die Kontrollgruppe (0) und die niedrige Konzentration (1) zeigen keine signifikanten Unterschiede (p> 0,05). Der mittlere Mineralverlust der Kontrollgruppe beträgt 3077,85 (±
1029,49) Vol.%. Der Mineralverlust der niedrigen Konzentration liegt bei 3636,77 (± 948,53)
Vol.%.
Die Kontrollgruppe (0) und die mittlere Konzentration weisen ebenfalls keine signifikanten
Unterschiede auf (p> 0,05). Der Mineralverlust für die mittlere Konzentration (2) beträgt
1839,30 (± 583,76) Vol.%.
Der Mineralverlust der mittleren Konzentration (2) zeigte keine signifikanten Unterschiede
zur hohen Konzentration auf (p> 0,05). Der mittlere Wert für die hohe Konzentration beträgt
1407,68 (± 257,16) Vol.%.
Signifikante Unterschiede zeigen sich jedoch zwischen der niedrigen Konzentration (1) und
den beiden anderen Konzentrationen (2,3). Die Gruppen mit mittlerer und hoher Konzentration von Casein haben signifikant geringere Mineralverluste, als die Gruppe mit der niedrigsten
Caseinkonzentration (p< 0,05). Die Werte der hohen Konzentration des Proteins Casein sind
außerdem signifikant niedriger, als die der Kontrollgruppe (0) (p< 0,05).
ERGEBNISSE
47
MV
A
A,B
B,C
C
Abbildung 20: Vergleich der Mineralverluste (MV) der Proben des Proteins 5 (Casein) abhängig von ihren unterschiedlichen
Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey
In Abbildung 21 werden die Werte für die Läsionstiefen (LD) der unterschiedlichen Proteinkonzentrationen (0,1,2,3) des Proteins Casein untereinander verglichen.
Für die unterschiedlichen Läsionstiefen der einzelnen Gruppen ergaben sich ebenfalls signifikante Unterschiede (p=0,0001).
Die Gruppe mit der niedrigen Konzentration (1) und die Kontrollgruppe (0) unterscheiden
sich nicht signifikant (p>0,05). Der mittlere Wert für die niedrige Konzentration (1) beträgt
127,15 (± 13,52) μm, der Wert für die Kontrollgruppe (0) 106,99 (± 14,09) μm.
Die Werte der mittleren und der hohen Konzentration weisen ebenfalls keine signifikanten
Unterschiede auf (p>0,05). Die mittlere Läsionstiefe für die mittlere Konzentration (2) beträgt
77,55 (± 11,83) μm. Die mittlere Läsionstiefe für die hohe Konzentration liegt bei 63,63 (±
18,16) μm.
ERGEBNISSE
48
Damit sind die Läsionstiefen der Gruppe mit mittlerer Caseinkonzentration und der Gruppe
mit hoher Caseinkonzentration signifikant geringer, als die Läsionstiefen der Kontrollgruppe
und der niedrigen Konzentration.
A
A
LD
B
B
Abbildung 21: Vergleich der Läsionstiefen (LD) der Proben des Proteins 5 (Casein) abhängig von ihren unterschiedlichen
Konzentrationen (0,1,2,3). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (Test nach Tukey).
ERGEBNISSE
49
5.3 Qualitative Auswertung
5.3.1 Darstellung der Schmelzläsionen mit dem Polarisationsmikroskop
In den meisten Fällen der Proben war nach Imbibition mit Wasser an der Schmelzoberfläche
eine intakte Schicht zu erkennen. Darunter konnte ein Läsionskörper beobachtet werden. Danach wurden die Proben mit dem öligen Medium Chinolin imbibiert. Dadurch wurden zusätzlich die dunkle Zone und die darunter liegende transluzente Zone erkennbar (Abb. 22).
Durch die folgenden Abbildungen der Läsionen konnten die statistischen Ergebnisse des Vergleiches der einzelnen Gruppen und damit die Wirkungen der Proteine bildlich dargestellt
werden.
5.2.2 Darstellung der einzelnen Proteingruppen
Im weiteren Verlauf wurden repräsentative Schmelzproben (Imbibition mit Chinolin) der
einzelnen Proteingruppen ausgewählt und einer Probe der reinen Demineralisation (Kontrollgruppe) gegenübergestellt (Abbildung 22) und die Grösse der Demineralisation verglichen.
Läsionskörper
„dunkle Zone“
„transluzente Zone“
Abbildung 22:
Polarisationsmikroskopische Darstellung einer Probe reine Demineralisation (Kontrollgruppe)
nach Imbibition mit Chinolin
ERGEBNISSE
50
5.2.2.1 Albumin
Abbildung 23:
Polarisationsmikroskopische Darstellung einer Probe hohe Konzentration Muzin(3)
nach Imbibition mit Chinolin
In Abbildung 23 erkennt man im Vergleich zum Bild der Kontrollgruppe mit reiner Demineralisation (Abb. 22) einen grösseren Läsionskörper. Dies bestätigt die Tendenz der Werte von
Mineralverlust (Abb. 12) und Läsionstiefe (Abb. 13) und spricht somit ebenfalls für die Förderung der Demineralisation durch hohe Konzentrationen von Albumin.
5.2.2.2 IgG
Abbildung 24:
Polarisationsmikroskopische Darstellung einer Probe mittlerer Konzentration IgG (2)
nach Imbibition mit Chinolin
ERGEBNISSE
51
Im Vergleich der Proben mit IgG (Abb. 24) und der Kontrolle (Abb. 22) unter dem Mikroskop zeigen sich keine offensichtlichen Unterschiede. Dies bestätigt die Ergebnisse der statistischen Auswertung. Es konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Werten für
Mineralverlust (Abb. 14) und Läsionstiefe (Abb. 15) der Proben mit IgG und der reinen Demineralisation errechnet werden.
5.2.2.3 L-Prolin
Abbildung 25:
Polarisationsmikroskopische Darstellung einer Probe hoher Konzentration Prolin (3)
nach Imbibition mit Chinolin
Vergleicht man die Darstellung der Probe mit hoher Konzentration Prolin (Abb. 25) mit der
Kontrollprobe (Abb. 22), kann man keinen eindeutigen Unterschied erkennen. Der Läsionskörper der Probe mit Prolin erscheint jedoch geringer, als der der Kontrolle. Auch die statistische Auswertung zeigt einen schwach signifikanten Unterschied zwischen den Mineralverlusten (Abb. 16), jedoch nicht zwischen den Läsionstiefen (Abb. 17).
ERGEBNISSE
52
5.2.2.4 Muzin
Abbildung 26:
Polarisationsmikroskopische Darstellung einer Probe hohe Konzentration Muzin (3)
nach Imbibition mit Chinolin
Der Vergleich der polarisationsmikroskopischen Darstellungen der Probe der Muzingruppe
(3) (Abb.26) mit der Kontrolle (Abb. 22) verdeutlicht noch einmal die Hemmung der Demineralisation durch das Protein Muzin in diesem Versuch. Die Demineralisationsläsion der Probe
mit Muzin ist deutlich kleiner, als die der Kontrolle. Dies unterstützt die statistische Auswertung mit signifikanten Unterschieden zwischen den Mineralverlusten (Abb. 18) und Läsionstiefen (Abb. 19) der Muzingruppe und der Kontrollen.
5.2.2.5 Casein
Abbildung 27:
Polarisationsmikroskopische Darstellung einer Probe mittlerer Konzentration Casein (2)
nach Imbibition mit Chinolin
ERGEBNISSE
53
Im Vergleich der Proben mit Casein (Abb. 27) und der Kontrolle (Abb. 22) unter dem Mikroskop zeigt sich eine kleinere Läsionsgrösse bei der Caseinprobe, als bei der Kontrollgruppe.
Dies bestätigt die Ergebnisse der statistischen Auswertung. Es konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den Werten für Mineralverlust (Abb. 20) und Läsionstiefe (Abb. 21) der Proben mit mittlerer und hoher Konzentration Casein und der reinen Demineralisation errechnet
werden.
DISKUSSION
54
6. Diskussion
6.1 Planung und Verlauf
In der vorliegenden Untersuchung wurden ausnahmslos Zähne von schlachtfrischen Rindern
verwendet. Rinderfrontzähne sind sehr gut verfügbar und aufgrund ihrer Größe sehr gut zur
Herstellung von Schmelzproben geeignet. Außerdem kann man davon ausgehen, dass Rinderzähne nicht durch verschiedene äußere Einflüsse (z.B. Ernährung) vorgeschädigt sind. Aus
diesem Grund kann von einer uniformen Reaktionsfähigkeit ausgegangen werden. Die Unterschiede der einzelnen Zähne in ihrem Verhalten bei der Demineralisation wurden in der statistischen Auswertung berücksichtigt (Tabelle 3). Da die chemische Zusammensetzung von bovinem Schmelz der von humanem Schmelz weitgehend entspricht, eignen sich Rinderzähne
ausgezeichnet als Ersatz von menschlichen Schmelzproben (OESTERLE et al., 1998)
Aus den in der Studie verwendeten 100 Rinderzähnen wurden 200 Schmelzproben hergestellt. Um für alle Untersuchungsgruppen gleiche Voraussetzungen zu gewährleisten, wurden
die Schmelzproben gleichermaßen abradiert und poliert. Nach SCHIFFNER (1992) ist kein
Einfluss auf die Tiefe der Läsion bei in vitro erzeugten Initialläsionen zu erwarten. Die Proben wurden zur Hälfte mit Nagellack abgedeckt, um für jede Probe einen nicht demineralisierten Bereich zu erhalten. Später wurde der gemessene Wert dieses Bereiches als Kontrollwert von dem gemessenen Wert für den Bereich mit erfolgter Demineralisation abgezogen.
Die so präparierten Schmelzproben wurden gleichmäßig auf die einzelnen Proteingruppen
und ihre einzelnen Konzentrationen verteilt. Über 10 Tage wurden die Proben in gleichförmigen Behältern der Demineralisationslösung ausgesetzt. Die Stammlösung für alle Gruppen
wurde nach der Rezeptur von BUSKES et al. (1985) angesetzt und die Proteine in der jeweiligen Konzentration zugefügt.
Der durchschnittliche Anteil der Proteine im Speichel wurde von verschiedenen Autoren
unterschiedlich hoch angegeben. Nach CIBA GEIGY (1977) beträgt der Gesamtproteinanteil
bei unstimuliertem Speichel 2,28 g/l im Parotisspeichel und 1,14 g/l im Submandibularspeichel. ZENGO et al. (1971) konnten im Parotisspeichel zwischen 2,6 g/l und 3,16 g/l messen.
RANKE und RANKE (1961) ermittelten Werte zwischen 6,5 g/l und 16 g/l im Gesamtspeichel. Die Bestimmung der Konzentrationen hängt von den starken Schwankungen nicht nur
innerhalb der Individuen, sondern auch von der Abhängigkeit von Sekretionsrate, Stimulierung und circadianen Einflüssen ab (BUDDECKE, 1981). Des weiteren konnte festgestellt
DISKUSSION
55
werden, dass die Proteinkonzentration im stimulierten Speichel und in höherem Lebensalter
zunimmt. Außerdem ist die Proteinkonzentration im Speichel von Frauen größer als im Speichel von Männern (CIBA GEIGY, 1977). Vereinzelt werden sogar Unterschiede zwischen
kariesresistenten und kariesanfälligen Personen festgestellt (SCHIFFNER 1997).
Nach JENKINS (1978) sind 10 mg IgG in 1 l Ruhespeichel enthalten. Nach Messungen von
CIBA GEIGY (1977) sind jedoch 46 mg/l IgG im stimulierten Gesamtspeichel vorhanden,
wobei daraufhingewiesen wurde, dass bei der Beurteilung der Konzentrationen die unterschiedlichen Bestimmungsmethoden ebenfalls zu berücksichtigen sind.
NIEUW AMERONGEN et al. (1987) gingen in einer Ihrer Studien von 7 bis 26 % Muzin
des gesamten Proteingehaltes im Speichel aus. Dies wären bei einem durchschnittlichen Proteinanteil von 2,5 g/l zwischen 175 mg und 650 mg pro Liter Gesamtspeichel. Diese Werte
liegen in dem selben Rahmen, wie die Angaben des Herstellers von Muzin mit 577,5mg/l. Für
Albumin und L-Prolin konnte sogar nur ein Literaturhinweis über die Menge im Speichel recherchiert werden (CIBA GEIGY, 1977).
Es ergaben sich also keine eindeutigen Werte für die Festlegung der Mengenangaben der
Proteine bei dieser Studie. Aufgrund dessen wurden die Werte für Albumin, IgG und L-Prolin
aus den Wissenschaftlichen Tabellen Geigy (1977) gewählt, da hier von gleichen Testmethoden und Voraussetzungen ausgegangen werden konnte. Als Wert für Muzin im Gesamtspeichel wurden die Angaben des Herstellers berücksichtigt (Fa. FLUKA, Deutschland). Für Casein wurden durchschnittlich 2 g in 1 l Milch vom Hersteller angegeben (BREISGAUMILCH,
DR. FARNY-INSTITUT). Da laut Hersteller des Proteins die Löslichkeit von Casein in 1 l
Wasser nur 1,8 g beträgt, wurde dies als Arbeitswert genommen.
Natürlich müssen für die Betrachtung der Ergebnisse die festgelegten Durchschnittswerte
berücksichtigt werden. Gerade für Casein, das nur durch die Nahrung aufgenommen wird, ist
der gewählte Wert vermutlich problematisch zu werten. Lediglich direkt nach Verzehr von
Milchprodukten können eventuell Werte in diesem Bereich im Mund auftreten. Diese Studie
soll jedoch darstellen, ob und wie prinzipiell die gewählten Proteine stark auf die Demineralisation wirken. Im Hinblick auf mögliche Prophylaxemaßnahmen mit Proteinen könnte ihre
Konzentration individuell ihrer Wirkung angepasst werden.
Die Lösungen für jede Gruppe wurden immer nach 24 h gewechselt, so dass ein konstanter
pH= 5 erhalten blieb. Die Proben wurden in einem Wärmeschrank bei konstant 37 °C, also
bei Körpertemperatur gelagert. Es wurden standardisierte Verhältnisse (standardisierte Demineralisationslösung, konstanter pH-Wert und konstante Temperatur) geschaffen, um die Demineralisationsvorgänge an den einzelnen Proben gleichförmig ablaufen zulassen. In der sta-
DISKUSSION
56
tistischen Auswertung wurde dementsprechend die gleiche Behandlung der einzelnen Proben
anhand der Kontrollgruppen nachgewiesen (Tabelle 6). Aus diesem Grund können signifikante Unterschiede in der Tiefe der Läsion und im Mineralverlust der einzelnen Proben auf die
unterschiedlichen Zusätze, also die Proteine in verschiedenen Konzentrationen, zurückgeführt
werden.
Aus den eingelegten Proben wurden Dünnschliffpräparate angefertigt, die alle die gleiche
Stärke (± 5μm) aufwiesen. Die Bewertung der Schmelzdemineralisation erfolgte zuerst durch
das Polarisationsmikroskop, dessen Aussagekraft auf der unterschiedlichen Lichtbrechung
von intaktem und demineralisiertem Schmelz basiert (SILVERSTONE 1983). Nach
MANNING und EDGAR 1992 ermöglicht diese Methode quantitative Aussagen über die Tiefe einer Demineralisation.
Danach erfolgte die Bewertung von Läsionstiefe und Mineralverlust mit Hilfe der Transversalen Mikroradiographie (TMR). Der Mineralgehalt wird als Funktion der Tiefe dargestellt, so
daß De- und Remineralisationsvorgänge in Initialläsionen (Läsionstiefe, Mineralverlust, Minima und Maxima) beurteilt werden können. Nach HALL et al. 1997 ist die transversale Mikroradiographie eine nützliche und aussagekräftige Methode zur Auswertung von Initialläsionen in vitro.
6.2 Die Wirkung der Proteine in den verschiedenen Konzentrationen auf den Mineralverlust und die Läsionstiefe der Schmelzproben
Trotz der Erkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge bei der Kariesentstehung und
eines Rückganges der Kariesanfälligkeit in der Bevölkerung durch Aufklärung und Prophylaxe verbleibt eine Gruppe von Personen mit unverändert hohem Kariesbefall (DÜNNINGER
und PIEPER, 1991). Da diese Gruppe durch die bisher angewandten Prophylaxemaßnahmen
nicht erreichbar scheint, muss die Entwicklung ergänzender Maßnahmen weiter fortschreiten.
Das heißt, es bedarf weiterer Klärung, vor allem von Grundlagen, die die Basis für weitere
Prophylaxe- und Therapiemaßnahmen darstellen.
Die Kenntnisse über Abläufe, die zur Kariesentstehung führen, sind heute allgemein bekannt. Sie wurden überwiegend durch Laboruntersuchungen gewonnen, in denen vor allem
Erkenntnisse über die Störung des dynamischen Gleichgewichtes an der Zahnoberfläche gewonnen wurden. De- und Remineralisationsvorgänge wurden, überwiegend an Schmelz,
künstlich simuliert. Nach KÖNIG 1987 lässt sich aber vor allem die Remineralisation in vitro
DISKUSSION
57
nur unbefriedigend nachvollziehen, da die diversen Faktoren, wie Speichelbestandteile, Konsistenz, Pellikel, Plaque usw. nur unbefriedigend simuliert werden können. Aus diesem Grund
wurde die In-vitro-Untersuchungen verfeinert, z.B. durch künstliche Mundhöhlen, und bei
vielen Fragestellungen zu In-situ-Modellen übergegangen (MANNING, EDGAR, 1992).
Doch gerade bei der Grundlagenforschung gibt es Nachteile bei Versuchen in natürlichen
Mundhöhlen, die die Durchführung und Auswertung deutlich erschweren (SCHIFFNER,
1998). So sind Anzahl und Einfluss der einzelnen Faktoren noch nicht ausreichend bekannt
(SISSONS et al., 1991). Außerdem kann der Einfluss der einzelnen Faktoren aus technischen
und ethischen Gründen nicht beliebig getestet werden (SCHIFFNER, 1998) und der Versuch
ist stark von der Compliance und Anzahl der Probanden abhängig.
Es zeigt sich, dass gerade bei Untersuchungen wie der vorliegenden, die sich auf die Grundlagen der Kariesentstehung konzentrieren, der Versuchsaufbau so schlicht wie möglich zu
gestalten ist. Dadurch können die unterschiedlichen Ergebnisse eindeutig auf den zu untersuchenden Faktor der Studie, in diesem Fall einzelne Proteine, eingeschränkt werden.
6.2.1 Albumin
Albumin gehört zu der Gruppe der Serumproteine und kommt auch im menschlichen Speichel vor. Durch seine große Gesamtoberfläche ist es in der Lage, eine Reihe von Stoffen zu
binden und zu transportieren, darunter Kalzium- und Magnesiumionen (SCHMIDT; THEWS,
1997; KOOLMAN, RÖHM, 1998).
In der vorliegenden Studie zeigte sich eine signifikante Zunahme (p=0,0068) des Mineralisationsverlustes in der hohen Konzentration. Hier betrug der Mineralverlust 4242,29 (± 1150,53)
Vol.%, während die niedrige Konzentration lediglich einen Verlust von 2129,84 (± 522,72)
Vol.% zeigte. Allerdings konnte kein signifikanter Unterschied zu der Kontrollgruppe festgestellt werden. Niedrige und mittlere Konzentration unterscheiden sich nicht signifikant von
der reinen Demineralisationsgruppe. Für die Läsionstiefe ergaben sich bei hoher Albuminkonzentration zwar keine signifikanten Unterschiede zu den anderen Konzentrationen und der
Kontrollgruppe, jedoch konnten tendenziell tiefere Läsionen bei hoher Konzentration beobachtet werden. Diese Tendenz konnte auch durch die Dünnschliffaufnahme unter dem Polarisationsmikroskop bestätigt werden (Abbildung 17).
In einer Studie von VAN DER LINDEN et al. (1989) wurden Interaktionen zwischen Albumin und Läsionen bei bovinem Schmelz beschrieben. Hier wurde gezeigt, dass Albumin in
DISKUSSION
58
den porösen Schmelz diffundieren und sich dort über seine Carboxylgruppen mit dem Kalzium des Schmelzes verbinden konnte (VAN DER LINDEN et al., 1989).
ROBINSON et al. konnten das Vorhandensein von Albumin in white spots und Fissurenkaries nachweisen. Diese Tatsache und die Fähigkeit von Albumin Kalziumphosphatkristalle zu
binden und deren Wachstum zu verhindern, führten zu der Annahme, dass Albumin ein möglicher Inhibitor der Remineralisation sein könnte (ROBINSON et al., 1998)
Nach den in dieser Arbeit gewonnenen Daten kann man vermuten, dass Albumin Kalziumund Phosphationen sowohl binden, als auch aus dem Kristallverband lösen kann. Damit besteht die Möglichkeit einer Diffusion der Ionen aus den Poren des demineralisierten Schmelzes, was zu einer möglichen Erhöhung Demineralisation führt. Aus diesem Grund erscheint es
als möglich, dass Albumin, wie von ROBINSON et al. angenommen, nicht nur ein Inhibitor
der Remineralisation ist, sondern ebenfalls in hohen Konzentrationen die Demineralisation
fördert. Da ein Anstieg der Demineralisation nur bei hoher Konzentration zu beobachten war,
kann man vermuten, dass das Herauslösen des Kalziumphosphats aus dem Kristallgitter sich
nur bei einem erhöhten Vorhandensein des Albumins auswirkt.
6.2.2 IgG
IgG ist ein Immunglobulin, dass im Speichel vorkommt. Es wird bei gingivalen Reizen als
Immunantwort gebildet.
Die vorliegende Arbeit zeigte, dass IgG in keiner Konzentration Einfluss auf den Mineralverlust und die Läsionstiefe nahm. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede innerhalb
der unterschiedlichen Konzentrationen und der Kontrollgruppe.
Bereits andere Studien zeigten, dass der Hauptteil der Immunglobuline nur als Immunantwort im Gesamtspeichel vorkommen und demnach nur eine Auswirkung auf die kariogene
Flora haben (AALTONEN, 1989; CHALLANCOMBE, 1980). Aus diesem Grund ist ein direkter Einfluss auf den Mineralverlust bei Demineralisation nicht wahrscheinlich. Diese Annahme kann durch die vorliegenden Ergebnisse bekräftigt werden. Die für eine Herauslösung
der Ionen aus dem Kristallgitter notwendige Wechselwirkung zwischen dem Protein und anorganischen Stoffen ist auch nicht zu erwarten, da für eine Bindung des IgG ein hochmolekulares Trägermolekül (Polysaccharide, Proteine, komplexe Lipide, MG >10.000) organischen
Ursprungs notwendig ist (SCHMIDT, THEWS, 1997)
DISKUSSION
59
6.2.3 L-Prolin
L-Prolin ist eine Aminosäure, die sowohl frei, als auch als Bestandteil von Proteinen im
Speichel vorkommt.
Es wurde bei den hier durchgeführten Experimenten beobachtet, dass L-Prolin in hoher
Konzentration dem Mineralverlust im Vergleich zur Kontrollgruppe entgegenwirkt. Der Unterschied war jedoch nur schwach signifikant (p<0,05). Bei den Läsionstiefen zeigte sich ein
ähnliches Bild, doch war hier nur eine tendenziell geringere Läsionstiefe bei hoher Konzentration und kein signifikanter Unterschied gegenüber der Kontrollgruppe festzustellen.
L-Prolin als Aminosäure wurde in bisherigen Studien über die Demineralisation von
Schmelz nicht berücksichtigt. Lediglich über die Wirkung prolinreicher Proteine wird in verschiedenen Arbeiten berichtet. So geht aus einer früheren Arbeit hervor, dass prolinreiche
Proteine die Fähigkeit besitzen, Kalzium zu binden (JURIAANSE et al., 1981). Außerdem
stellen sie nach JENKINS (1978) unter den kleineren Proteinen die Fraktion dar, welche die
höchste Affinität zu Hydroxylapatit aufweist. MORENO et al. zeigten in einer Studie, dass
prolinreiche Proteine der Ausfällung von Kalziumphosphaten entgegenwirken können
(MORENO et al., 1979). Aufgrund dieser Erkenntnisse und der Ergebnisse dieser Studie kann
man schlussfolgern, dass L-Prolin, als ein Hauptbestandteil der prolinreichen Proteine, ebenfalls an das Hydroxylapatit und somit an Kalzium des Schmelzes binden kann. So kann LProlin möglicherweise ein Herauslösen der Ionen aus dem Kristallverband verhindern und
dementsprechend in geringem Maße die Demineralisation hemmen.
6.2.4 Muzin
Muzine gehören zu der Gruppe der hochmolekularen Glykoproteine des Speichels. Ein Glykoprotein besteht aus einem Protein, dass durch kovalente Bindungen mit kurzen Kohlenhydratgruppen verbunden ist.
In der vorliegenden Studie zeigte sich, dass Muzin die Demineralisation von Schmelz verringert. Der Mineralverlust aller drei Konzentrationen, der sich zwischen 701,23 (± 329,85)
Vol.% für die hohe Konzentration und für die niedrige Konzentration 1019,29 (± 464,85)
Vol.% bewegte, war nach der Varianzanalyse höchst signifikant (p=0,0001) niedriger, als der
Mineralverlust der Kontrollgruppe (2780,67 (± 750,53) Vol.%). Die gleiche Wirkung von
Muzin konnte bei der Messung Läsionstiefen festgestellt werden. Jedoch waren hier die Werte
DISKUSSION
60
für die mittlere Konzentration nur tendenziell geringer als die der Kontrollgruppe, während
niedrige und hohe Konzentration sich wiederum signifikant (p=0,002) von der Kontrolle unterschieden.
Die eindeutig hemmende Wirkung von Muzin auf die Demineralisation von Zahnschmelz
ist in allen Konzentrationen deutlich erkennbar. Auch die mittlere Konzentration, die bei den
Werten für die Mineralverluste signifikant erniedrigt war, bei der Messung der Läsionstiefen
jedoch nicht, zeigt mit einer durchschnittlichen Läsionstiefe von 60,85 (± 23,0895) μm) eine
deutliche Verringerung gegenüber der Kontrollgruppe mit 93,76 (± 17,3305) μm. Zu berücksichtigen ist hier auch der Vergleich der Kontrollen aller fünf Gruppen aus der hervorgeht,
dass die Werte der Kontrollgruppe für Muzin im Durchschnitt am niedrigsten waren (vgl.
Abb.8). Dies und der Vergleich der Proteine untereinander unabhängig von der Konzentration
(Abb. 10, 11), verdeutlicht noch einmal die Hemmung der Demineralisation durch das Protein
Muzin in diesem Versuch.
In einer Studie von SLOMIANY et al. (1996) wurde festgestellt, dass Muzine eine Hauptrolle als Bestandteil des aquired pellicle bei der Schutzwirkung dieses Belages auf den
Schmelz spielen. ALHAIQUE et al. (1990) stellten fest, dass verschiedene oberflächenaktive
Proteine und auch Fluoridionen einen positiven Effekt bei der Diffusion von Kalzium durch
eine Muzinschicht aufweisen. Sie konnten so die Fähigkeit dieser Kombination, Protein und
aktive Stoffe, die Remineralisation zu erhöhen darstellen. Auch JENKINS beschreibt die entkalkungshemmende Wirkung der Muzine auf den Zahnschmelz (JENKINS, 1978).
Die positive Wirkung der Muzine auf die Hemmung der Demineralisation wurde von NIEUW
AMERONGEN et al. (1987) ebenfalls bestätigt. Sie fanden heraus, dass Muzin die Zahnoberfläche bei einem Säureangriff von 1%iger Zitronensäure, vollständig schützen konnte. Das
volle Schutzpotential vor der Demineralisation war in diesem Versuch nach drei Tagen erreicht. In einer weiteren Studie untersuchten NIEUW AMERONGEN et al. (1989) die Wechselbeziehung von Muzinen und Hydroxylapatit. Hier konnte gezeigt werden, dass bei sinkendem pH-Wert die Affinität und die maximale Bindungskapazität von Muzin zu Hydroxylapatit ansteigt.
Aufgrund des deutlichen Ergebnisses für die Wirkung von Muzin in der vorliegenden Studie
kann davon ausgegangen werden, dass Muzin in allen Konzentrationen die Fähigkeit besitzt,
die Demineralisation deutlich zu hemmen.
DISKUSSION
61
6.2.5 Casein
Casein ist ein wichtiger Eiweißbestandteil der Kuhmilch. Casein wird nur durch den Verzehr von Milchprodukten in die Mundhöhle aufgenommen.
In der vorliegenden Studie zeigte sich, dass Casein in mittlerer und hoher Konzentration die
Demineralisation von Schmelz hemmt. Bei dem Vergleich der Läsionstiefen waren die mittlere und die hohe Konzentration signifikant (p=0,0001) niedriger, als die Kontrollgruppe und
die niedrige Konzentration. Zwischen den Werten der Kontrollgruppe für Läsionstiefe und
Mineralverlust und den Werten für die niedrige Konzentration ergaben sich keine signifikanten Unterschiede (p>0,05). Für die Mineralverluste zeigte sich auch, dass Casein in hoher und
mittlerer Konzentration signifikant niedrigere Werte, als Casein in niedriger Konzentration,
für die Demineralisation aufweist.
REYNOLDS beschrieb in einer Studie die antikariogene Wirkung von CaseinPhosphopeptiden. Casein-Phopsphopeptide sind ein Produkt des Milchproteins Casein durch
Aggregation mit Kalziumphosphat. Es besitzt laut REYNOLDS die Fähigkeit, Kalziumphosphat in Lösung zu stabilisieren, und die Menge von Kalziumphosphat in der Plaque zu erhöhen. REYNOLDS stellte in einer In-situ-Studie fest, dass Casein-Phosphopeptide eine Reduktion des Mineralverlustes um 51 ± 19% erreichen konnten (REYNOLDS, 1987). In einer weiteren Arbeit konnte REYNOLDS die positive Wirkung von Casein-Phosphopeptiden auf die
Remineralisation darstellen. Dies konnte er durch die beschriebene Wirkung der Casein
Phosphopeptide auf Kalziumphosphat in Lösung erklären, was zu einem erhöhten Angebot
dieser Ionen in der Läsion führt (REYNOLDS, 1997).
Aber auch die Hemmung der Demineralisation konnte bereits von verschiedenen Autoren
bestätigt werden. So beschrieb ROBERTS (1995), das Casein-Phosphopeptiden die Demineralisation durch Säuren vermindern konnte. Er erklärte dies durch die Bindung zu Kalziumionen. Die von REYNOLDS (1995) beschriebene Wirkung von Casein könnte in der vorliegenden Studie durch die fehlende Möglichkeit der Remineralisation, da der pH-Wert konstant bei
5 gehalten wurde, gemindert worden sein.
Die erwähnten Studien gingen von Casein-Phosphopeptiden aus. Man kann also vermuten,
dass sich Casein in seiner Wirkung auf Kalziumphophat ähnlich verhält, oder aber dass sich
Casein-Phosphopeptide bilden können. Es scheint auch, dass Casein eine karies-protektive
Wirkung besitzt. Bei einer Untersuchung von GRENBY et al. wurden die einzelnen Bestandteile der Milch auf ihre Wirkung hin bei der Demineralisation von Schmelz beobachtet. Es
zeigte sich, dass nicht nur die Mineralien der Milch, also Kalzium und Phosphat, eine Wir-
DISKUSSION
62
kung zeigten; auch Casein konnte Einfluss auf den schützenden Effekt der Milch nehmen
(GRENBY et al., 2001).
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit bestätigen vorherige Studien. Da Casein in dieser
Studie schon in einer relativ hohen Konzentration verwendet wurde, und die Ergebnisse einen
positiven Wert für die mittlere und hohe Konzentration aufweisen, kann man davon ausgehen,
dass Casein in höheren Konzentrationen die Demineralisation hemmt.
6.3 Schlussfolgerung
Die vorliegende Studie bestätigt, dass einzelne Speichelproteine die Demineralisation von
Schmelz hemmen können. Vor allem die starke demineralisationshemmende Wirkung von
Muzin muss herausgestellt werden. Diese Wirkung konnte schon von anderen Autoren festgestellt werden (NIEUW AMERONGEN, 1987, 1989; JENKINS, 1978). Die positiven Eigenschaften von Muzin werden bereits im Bereich der Xerostomiebehandlung genutzt. In einigen
Studien wurden Muzine als Basis von Speichelersatzmittel, aufgrund der Viskosität und der
remineralisierenden Wirkung empfohlen (ESCALONA et al., 1989; SHOHADAI, 1999).
Durch die vorliegende Studie werden diese Empfehlungen bestätigt, da als Wirkung noch die
Hemmung der Demineralisation hinzukommt. Muzine könnten aber auch in anderen Bereichen der Prophylaxe eingesetzt werden.
Casein hat in mittlerer und hoher Konzentration ebenfalls eine demineralisationshemmende
Wirkung. Bisher wurde von Autoren überwiegend auf die remineralisierende Wirkung hingewiesen (REYNOLDS, 1997; 1987). Jedoch scheint Casein nicht nur auf De- und Remineralisation Einfluss zu üben, sondern hat wohl auch eine hemmende Wirkung auf die Kolonisation
durch Strept. sobrinus in der Plaque. Diese mehrfachen antikariogenen Eigenschaften könnten
in der Zukunft eine Rolle bei der Kariesprävention spielen.
Das Immunglobulin IgG hat nach den Ergebnissen dieser Studie keinen Effekt auf die Demineralisation. Die Aminosäure L-Prolin zeigt lediglich in hoher Konzentration eine leichte
Verringerung der Demineralisation. Durch weitere Studien könnte die Wirkung bestätigt und
ein möglicher Zusammenhang zwischen der Menge an L-Prolin und dem Ausmaß des Schutzes festgestellt werden.
Albumin hat in dieser Studie keinen hemmenden Effekt auf die Demineralisation. Bei hoher
Konzentration zeigt sich sogar die Tendenz der Demineralisationssteigerung. Um diese Ten-
DISKUSSION
63
denz zu bestätigen, müsste durch weitere Studien die eventuelle Kariogenität von Albumin
untersucht werden.
ZUSAMMENFASSUNG
64
7. Zusammenfassung
Ziel dieser Studie war, die Auswirkung verschiedener Proteine, die im Speichel des Menschen vorkommen, auf die Demineralisation von gesundem Schmelz zu untersuchen.
Aus den Labialflächen von 100 frisch extrahierten Rinderfrontzähnen wurden 200 Schmelzproben präpariert. Die Proben wurden in Kunstharz eingebetet und unter ständiger Wasserkühlung poliert. Die Hälfte der Schmelzoberfläche wurde mit Nagellack abgedeckt (Kontrolle). Anschließend wurden die Proben fünf Proteingruppen zugeordnet. Jede Proteingruppe
hatte vier Untergruppen mit jeweils 10 Proben. Die Untergruppen waren in eine Kontrollgruppe, die der reinen Demineralisationslösung ausgesetzt war, und in drei Proteingruppen,
mit unterschiedlichen Proteinkonzentrationen, eingeteilt. Der Gruppe 1 wurde Albumin beigesetzt, der Gruppe 2 IgG. Gruppe 3 hatte die Aminosäure L-Prolin, Gruppe 4 Muzin als Bestandteil der Lösung. Der letzten Gruppe, Gruppe 5, wurde das Milchprotein Casein beigesetzt. Die Konzentrationen der fünf Proteine waren Durchschnittswerte ihres Speichelanteils,
Die niedrige und hohe Konzentration des Proteins (±½ des mittleren Wertes) wurden festgelegt. Als Demineralisationslösung wurde eine Standardlösung nach BUSKES et al.(1985)
verwendet. Die 200 Proben wurden in der jeweilig veränderten Demineralisations-lösung bei
37 °C gelagert (10 Tage, pH 5). Nach Abschluss der Lagerung wurden senkrecht zur
Schmelzoberfläche verlaufende, 110 μm dicke Schliffe angefertigt, die mikroradiographisch
(TMR 1.24) hinsichtlich der Läsionstiefe und des Mineralverlustes untersucht wurden. Bei
Albumin konnte ein signifikant erhöhter Mineralverlust für die hohe Konzentration beobachtet werden (p=0,0068). Dies konnte bei der Messung der Läsionstiefen nur tendenziell festgestellt werden. Für die Proteingruppe IgG ergaben sich keine signifikanten Unterschiede
(p=0,9179). L-Prolin in hoher Konzentration zeigte einen schwach signifikant erniedrigten
Mineralverlust gegenüber der Kontrollgruppe (p=0,0105). Für die Läsionstiefe konnten keine
signifikanten Unterschiede gemessen werden (p=0,1084). Tendenziell hatte jedoch auch hier
die hohe Konzentration von L-Prolin geringere Werte, als die Kontrolle. Muzin zeigte in allen
Konzentrationen höchst signifikant verringerte Mineralverluste und Läsionstiefen gegenüber
der Kontrolle (p=0,0001). Casein bewirkt in mittlerer und hoher Konzentration signifikant
verringerte Werte für Mineralverlust (p=0,0005) und Läsionstiefe (p=0,0001). Die ausgesuchten Proteine haben also unterschiedlichen Einfluss auf die Demineralisation von Schmelz. Die
deutlich hemmende Wirkung von Muzin in allen Konzentrationen und Casein in hoher Konzentration könnte also in Zukunft als Prophylaxemaßnahme, z. B. als Zusatz in Speichelersatzlösungen bei Xerostomie genutzt werden.
LITERATURVERZEICHNIS
65
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MATERIALLISTE
73
Materialliste
Mat. 1
Chinolin, Fa. Merck-Schuchardt, Hohenbrunn, Deutschland
Mat. 2
CCD Videocamera Modul XC77E, Japan
Mat. 3
Durchlichtmikroskop mit Polarisationsfilter, Carl Zeiss Jena GmbH, Jena
Mat. 4
Epoform (Einbettformen, Polyethylen), Stuers-GmbH, Erkrath, Deutschland
Mat. 5
Espe Lichthärtegerät für Kunststoff, Fa. Espe, Seefeld, Deutschland
Mat. 6
Film, Kodak, Ektachrome160, Fa. Heirlinger, Stuttgart, Deutschland
Mat. 7
Handschleif- und Poliermaschiene, Stuers-GmbH, Erkrath, Deutschland
Mat. 8
Heliobond, Ivoclar Vivadent GmbH, Ellwangen, Deutschland
Mat.9:
High speed holographic Film, Kodak SO-253, Kodak, Stuttgart, Deutschland
Mat. 10:
Kamera: Contax RTS, Yashica Co. LTD, Tokyo, Japan
Mat. 11:
Kunstharz Technovit 4071, Heraeus Kulzer GmbH, Wehrheim, Deutschland
Mat. 12:
Schleifpapier: Körnung # 500, # 1200, Polierpapier: Körnung: # 2400 und #
4000, Stuers-GmbH, Erkrath, Deutschland
Mat. 13:
Mikrometerschraube, Mitutoyo Corporation, Tokyo, Japan
Mat. 14:
Nagellack Fa. Jade, Frankfurt/Main, Deutschland
Mat. 15:
Wärmeschrank, Memmert GmbH, Schwalbach, Deutschland
Mat. 16:
Präzisionskleber Technovit 7210, Heraeus Kulzer GmbH,
Wehrheim, Deutschland
Mat. 17:
Probenhalter, TMR Probenhalter, Inspector Research System BV, Amsterdam,
Niederlande
Mat. 18:
Programm, TMR für Windows, Version 1.24, Inspector Research System BV
Mat. 19:
Proteine: humanes Albumin, Casein, L-Prolin, IgG (Fa. Fluka, Deutschland);
Muzin (Difico Laboratories, Detroit, USA
Mat. 20:
Plexiglasträgerplatten Fa. Psi, Laudenbach, Deutschland
Mat. 21:
Röntgenstrahlengenerator, W 1830/40, Phillips, Deutschland
Mat. 22:
Säge ,Trennschleifsystem, Fa. Exakt Apparatebau, Norderstedt, Deutschland
Mat. 23:
Universalmikroskop Axioplan, Zeiss, Oberkochen, Deutschland
LEBENSLAUF
74
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. A. M. Kielbassa (Abteilung Poliklinik
für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie der freien Universität Berlin) für die freundliche
Überlassung des Themas, die wissenschaftliche Betreuung, seine hilfreiche Unterstützung und
die Erstellung des Erstgutachtens herzlich bedanken.
Herrn PD. Dr. Dr. R. Gutwald (Abteilung für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie der Albert Ludwigs – Universität Freiburg) danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens.
Ferner danke ich Herrn Prof. rer. nat. J. Schulte-Mönting (Abteilung für Medizinische Biometrie und Statistik, Institut für medizinische Biometrie und Informatik der Albert-LudwigsUniversität Freiburg) für die Durchführung der statistischen Auswertung.
Besonders möchte ich meinen Eltern Elke und Klaus-Dieter Oeschger, sowie meiner
Schwester Sabine Oeschger für die Ermöglichung und die Unterstützung in jeder Hinsicht
danken.
Lebenslauf
Persönliche Daten:
Name:
Ulrike Oeschger
Geburtstag:
06.03.1977
Geburtsort:
Bad Säckingen
Eltern:
Elke Oeschger, Klaus- Dieter Oeschger
Schwester:
Sabine Oeschger
Schulausbildung:
Hans-Thoma-Grundschule in Laufenburg/Baden:
1983-1997
Scheffelgymnasium in Bad Säckingen:
1987-1996
Studium:
Beginn des Studiums der Zahnmedizin in Freiburg zum SS
1997
Naturwissenschaftliche Vorprüfung:
1998
Zahnärztliche Vorprüfung:
1999
Staatsexamen Zahnmedizin
2002
Berufstätigkeit:
Assistenzzahnärztin in Weiterbildung (100%)
Januar 2003
am Zahnärztlichen Institut der Universitätsklinik Zürich (CH),
bis Juli 2005
Abteilung Geriatric and Special Care Dentistry
Assistenzzahnärztin in Weiterbildung (40%)
am Zahnärztlichen Institut der Universitätsklinik Zürich (CH),
ab Juli 2005
Abteilung Geriatric and Special Care Dentistry
bis Januar 2006
Zahnärztin (Servizio Medico Dentario Regionale, Mendrisio (CH) )
ab Juli 2005
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