Licht an, Gen ein

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SPERRFRIST: DONNERSTAG, 23. JUNI 2011, BIS 20.00 UHR MEZ
Gen-Netzwerk in menschliche Zellen eingebaut
Licht an, Gen ein
Zürich, 23. Juni 2011. Forscher der ETH Zürich haben ein genetisches
Netzwerk gebaut, das in menschlichen Zellen wie ein Lichtschalter funktioniert. Damit gelang es ihnen, Gene mit blauem Licht "anzuknipsen" und
zu regulieren. Dieser "Gen-Lichtschalter" ermöglicht neue Therapien, die
unter anderem bei Diabetes Typ 2 zum Einsatz kommen könnten. Die Forscher stellen ihre Ergebnisse in der neusten Ausgabe der Fachzeitschrift
Science vor.
Der neuste Coup aus dem Labor von Martin Fussenegger klingt nach Science
Fiction. Der Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften hat
mit seiner Gruppe ein genetisches Netzwerk in lebenden Zellen konstruiert, mit
dem sich spezifische Gene mit blauem Licht anschalten bzw. regulieren lassen.
Die Forscher haben indes nicht das gesamte Netzwerk entwickelt, sondern lediglich natürliche Signalwege – einen aus dem Auge und einen aus dem Immunsystem – miteinander gekoppelt. Die Zellen werden samt funktionierendem
Gen-Netzwerk unter der Haut eingesetzt und das Implantat von aussen mit
blauem Licht beleuchtet. Damit können die Forscher das Ziel-Gen sehr präzise
steuern.
Der "Gen-Lichtschalter", mit dem die Wissenschaftler das Netzwerk anknipsen,
besteht aus Melanopsin, einem Protein, das in der Netzhaut des menschlichen
Auges vorkommt und mit Vitamin A einen Komplex bildet. Trifft blaues Licht auf
diesen Komplex, setzt sich die erste Signalkaskade in Gang. Diese sorgt dafür,
dass sich Calcium im Inneren der Zelle ansammelt. Dieser Vorgang läuft natürlicherweise auch im Auge ab und sorgt im Gehirn für das tägliche Einstellen der
inneren Uhr. Die Forscher haben ihn aber neu an einen Signalweg gekoppelt,
der in der Immunregulation eine wichtige Rolle spielt.
Calcium aktiviert Enzym
Das Calcium im Zellinneren aktiviert ein Enzym, welches die Phosphatgruppe
(P) vom Protein NFAT-P abspaltet. Dadurch gelangt NFAT in den Zellkern, wo
es an eine künstliche Kontrollsequenz bindet und das Ziel-Gen einschaltet, welches die Forscher eingebracht haben. Das Gen wird aktiv und die Zelle produziert zahlreiche Kopien eines anderen Proteins. Über die Lichtmenge und –
stärke können die Forscher fein regulieren, welche Mengen dieses Proteins
hergestellt werden sollen. Das Gen auszuschalten ist einfach: Licht aus, Gen
aus. Denn ohne Licht wird Melanopsin nicht mehr angeregt, kein Calcium mehr
in der Zelle angesammelt, und die Signalkaskade ist unterbrochen.
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Aufgebaut haben die Wissenschaftler diese künstliche Signalkaskade in
menschlichen Zellen, die sie – geeignet verpackt – in Mäuse implantiert haben.
Das blaue Licht erreicht die Zellimplantate entweder über ein hauchdünnes
Glasfaserkabel, oder, wenn das Implantat direkt unter der Haut platziert wird,
indem die Tiere unter eine blaue Lampe gesetzt werden. Als Lichtquelle dienten
den Forschern unter anderem kommerziell erhältliche LEDs oder eine Blaulichtlampe, die gegen Winterdepressionen eingesetzt wird. Dieses Licht schadet der
Haut nicht, da es keinen UV-Anteil enthält.
Diabetes-Therapie denkbar
Bei ihren Versuchen mit Zellkulturen und Mäusen testeten die Forscher die
lichtgesteuerte Produktion eines bestimmten Hormons: GLP-1 kontrolliert die
Bildung von Insulin und reguliert den Blutzuckerspiegel. Die Tests bestätigten
den Ansatz der Forschenden. Das durch Licht hoch regulierte GLP-1 half Mäusen, die an Diabetes erkrankt waren, die Insulinproduktion des Organismus zu
verbessern, zugeführte Glukose rasch aus dem Blut zu entfernen und das Blutzucker-Gleichgewicht im Organismus wieder herzustellen.
Die von Martin Fussenegger und seiner Gruppe entwickelte GLP-1-Gentherapie
könnte somit in Zukunft die klassische Injektion von Insulin bei Diabetikern ersetzen. Fussenegger kann sich vorstellen, dass man beispielsweise Patienten
mit Diabetes Typ 2 ambulant ein Implantat unter die Haut setzt und die entsprechende Hautstelle mit einem schwarzen Pflaster, das LED-Leuchten enthält,
gegen das Tageslicht abschirmt. Bei Bedarf, etwa nach einer Mahlzeit, schaltet
der Patient mittels Knopfdruck die LED-Lämpchen an und bestrahlt das Implantat ein paar Minuten lang, um die Bildung von GLP-1 anzuregen. Sobald genug
davon im Körper zirkuliert, schaltet der Patient die Lämpchen wieder aus. «Das
ist noch Science Fiction», betont der ETH-Professor. Es dauere sicherlich noch
längere Zeit, bis ein Produkt dieser Art auf dem Markt erhältlich sein werde.
Original: Ye H, Daoud-El Baba M, Peng RW & Fussenegger M. A Synthetic Optogenetic Transcription Device
Enhances Blood-Glucose Homeostasis in Mice. Science online Publication 24th june 2011, DOI:
10.1126/science.1203535
Weitere Informationen
ETH Zürich
Prof. Dr. Martin Fussenegger
Departement für Biosysteme
Telefon: +41 79 597 34 02
[email protected]
ETH Zürich
Claudia Naegeli
Medienstelle
Telefon: +41 44 632 89 61
[email protected]
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