Nahrung versus Treibstoff? Globale Effekte erhöhter Bioenergieproduktion Energiegespräche 21.9.2010 Johannes Schmidt Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Universität für Bodenkultur 3 Argumente für Bioenergie • Nachwachsende Rohstoffe sind erneuerbar • Landwirtschaftlicher Sektor und ländliche Regionen werden gestärkt • Klimaneutral Handelsbilanz Agrarprodukte Import als Anteil an Inlandsverbrauch (%) 80% Importe 2008 CO2 Steuer (100 € / tCO2) 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% -10% Ölsaaten Hülsenfrüchte Quelle: Grüner Bericht 2009, Statistik Austria, Schmidt et al. 2010. Getreide Weltmarktanteil 2000 1800 Mais 1600 13% der globalen Maisproduktion bzw. 6% der globalen Getreideproduktion: 8% des US Benzinverbrauchs Getreide MTonnen 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Produktion Welt 2008 Produktion US 2008 Quelle: FAO, USDA, Schmidt et al. 2010. Ethanol 2008 US Österreich Bioenergieszenario Folgen • Erhöhte Bioenergieproduktion ersetzt existierende Kulturen (Nahrungsmittel, Futter) • Höhere Agrarpreise sind zu erwarten, weil Mengen am Weltmarkt zurückgehen Die Ausgangslage Wälder (31%) Weideflächen und Grasland (26%) Agrarflächen (12%) Quelle: FAO (2010). Andere Flächen (31%) Erhöhte Bioenergieproduktion Fall 1: Produktionsintensivierung Effekt 1: Produktionsintensivierung • Höhere Produktion pro Flächeneinheit durch – Einsatz von Maschinen – Düngemitteln – Pestiziden – Neuen Pflanzensorten • In Industrieländern Potential begrenzt, in Entwicklungsländern höhere Potentiale Effekt 1: Folgen • Ökologische Folgen – Erosion – Düngung (Treibhausgase, endliche Rohstoffe) – Wasser • Soziale Folgen – Kapitalintensive Monokulturen verdrängen traditionelle Landwirtschaft Effekt 1: Historische Produktivitätssteigerungen Hektarerträge (Index, 1961=100) 250 200 Österreich Brasilien Tansania 150 100 50 0 1961 Quelle: World Bank. 1970 1980 1990 2000 Effekt 2: Neue Produktionsflächen Effekt 2: Neue Produktionsflächen • Nutzung derzeit ungenutzer Flächen – Wälder – Savannen • Flächen mit hoher Biodiversität und hoher Kohlenstoffspeicherkapazität betroffen • Abholzung für 12% der globalen THG verantwortlich Effekt 2: „Carbon Repay Time“ Quellen: Fargione J, Hill J, Tilman D, Polasky S, Hawthorne P (2008) Land clearing and the biofuel carbon debt. Science 319:1235–1238. Effekt 3: Rückgang Lebensmittelkonsum Effekt 3: Rückgang Lebensmittelkonsum • Höhere Lebensmittelpreise -> Hunger, Unterernährung – Einkommensschwache in urbanen Zentren in EL am stärksten betroffen • Globales Bevölkerungswachstum erhöht Nachfrage • UNO Millenium Development Goals: bis 2015 Halbierung der Menschen, die unter Hunger leiden Effekt 3: Globale Bevölkerungsentwicklung Quelle: UN Population Department. 2004. Effekt 3: Unterernährung Globale Effekte der Bioenergieproduktion • Intensivierung, Flächenausweitung und Minderkonsumation passieren gleichzeitig – Historisch: 80% Intensivierung, 20% Ausweitung der Agrarflächen (1960-2010) • Bioenergieproduktion ein zusätzlicher Faktor in der Nachfrageausweitung • Weitere Treiber für globale Landnutzungseffekte: – Bevölkerungswachstum & Ernährungsgewohnheiten – Wirtschaftsentwicklung – Klimawandel 3 Argumente für Bioenergie • Nachwachsende Rohstoffe sind erneuerbar – Aber global begrenzt und im Wettbewerb mit Nahrungsmitteln! • Landwirtschaftlicher Sektor und ländliche Regionen werden gestärkt – mit möglichen hohen sozialen Kosten in anderen Weltregionen! • Klimaneutral – Produktionsintensivierung und Landnutzungsänderungen können zu sehr hohen zusätzlichen Emissionen führen! Kein Platz für Bioenergie? • • • • Nachhaltige Forstwirtschaft Reststoffe „vorsichtige“ Intensivierung Unkonventionelle Intensivierung (Algen) Zusammenfassung • Bioenergie erhöht global (Weltmärkte) den Druck, die agrarische Produktion zu – intensivieren und – auf derzeit extensiv oder gar nicht genutzte Flächen auszuweiten • Gleichzeitig: zusätzliche Produktion für Lebensmittel unbedingt notwendig • Berücksichtigung bei Gestaltung regionaler Bioenergiepolitiken Danke! Ethanolfabrik, Pernambucco, Brasilien. Preisentwicklung Mais und Weizen am Weltmarkt Preispeak 2008 US$ / Tonne (inflationsbereinigt) 400 Mais 350 Weizen 300 250 200 150 100 50 0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: FAOSTAT. Effekt 3.1: Rückgang Fleischproduktion Globale Verteilung Energiekonsum Quelle: Spreng, D. 2005. Bioenergiepotentiale Österreich 16% Keine Intervention (0 € tCO2) 14% CO2 Steuer (100 € tCO2) 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% Bioenergie (% Endenergieverbrauch) Quelle: Schmidt et al. 2010 Anteil an Emissionsreduktion (%) Biomasse aus Forst (% Endenergieverbrauch) Biomasse vom Acker (% Endenergieverbrauch) Globale Verteilung Energiekonsum Quelle: Spreng, D. 2005. Bioenergiepotentiale Österreich 16% Keine Intervention (0 € tCO2) 14% CO2 Steuer (100 € tCO2) 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% Bioenergie (% Endenergieverbrauch) Quelle: Schmidt et al. 2010 Anteil an Emissionsreduktion (%) Biomasse aus Forst (% Endenergieverbrauch) Biomasse vom Acker (% Endenergieverbrauch)