M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Wolfgang W. Bolten uskuloskelettale Erkrankungen und entzündliche Darmerkrankungen werden gehäuft bei ein und demselben Patienten angetroffen. Dann liegt meist keine einfache Assoziation oder eine Koexistenz zweier verschiedener Krankheiten, sondern eine „enteropathische Arthritis“ oder „Spondylarthropathie“ vor. Bei entzündlichen gastrointestinalen Erkrankungen (Tabelle 1) spielt der Darm in der Pathogenese eine primäre Rolle. Entzündlich rheumatische Krankheiten wie zum Beispiel der Morbus Bechterew, die reaktive Arthritis oder andere Spondylarthropathien werden oft von abdominellen Symptomen und Magen-Darm-Läsionen begleitet (Grafik). Das rheumatische Symptomenmuster mit Achsenskelettbefall oder peripherer Arthritis ist bei Spondylarthropathien relativ ähnlich, wenn auch individuell unterschiedlich schwer ausgeprägt (Tabelle 2). Eine dritte Verbindung zwischen verschiedenen Erkrankungen des Bewegungssystems und dem Gastrointestinaltrakt knüpfen die Antirheumatika (NSAR) mit ihren unerwünschten gastrointestinalen Wirkungen. In den meisten Fällen werden mögliche Zusammenhänge schon durch die sorgfältige Anamneseerhebung und Untersuchung offenkundig. M Achsenskelettbefall und periphere Arthritis Schleichend beginnende und Monate anhaltende tiefe Rückenschmerzen im lumbosakralen, thorakalen oder zervikalen Wirbelsäulenbereich werden meist vor dem 45. Lebensjahr erstmals manifest. Charakteristisch für die entzündliche Schmerzgenese sind Morgensteifigkeit und morgendlicher Rückenschmerz, der durch Bewegung gebessert wird. Wechselnde Schmerzen im Bereich der Glutäen und des Brustkorbs, Bewegungseinschränkung im lumbalen oder zervikalen Wirbelsäulenbereich und aufgehoA-380 Rheuma und Magen-Darm-Trakt Rheumatische Entzündungen werden außer an den Gelenken an praktisch allen inneren Organen manifest. Ebenso können auch entzündliche Darmerkrankungen mit Veränderungen am Bewegungssystem bis hin zur Gelenkdestruktion einhergehen. Manchmal lassen sich Krankheiten eben nicht einfach in die starren Grenzen einer fachgebietsbezogenen Symptomatologie einordnen. bene Thoraxexpansion kommen später hinzu. Sakroiliitis und Syndesmophyten sind röntgenologisch verifizierbare Manifestationen der Achsenskelettbeteiligung rheumatischer Erkrankungen. Radiomorphologisch ist der Achsenskelettbefall bei verschiedenen Spondylarthritiden bis auf die regelmäßig symmetrische Manifestation bei der ankylosierenden Spondylitis nicht unterschiedlich. Während die Sakroiliitis isoliert auftreten kann, ist die Spondylitis praktisch immer mit einer Sakroiliitis assoziiert. Spondylarthropathien treten familiär gehäuft auf. Die Spondylitis ist besonders beim Morbus Bechterew HLA-B-27Antigen-assoziiert. Die HLA B 27Prävalenz ist niedriger, wenn eine Sakroiliitis ohne Spondylitis vorliegt. Enthesopathien an knöchernen Sehnen-, Band- oder Kapselinsertionen, Schuppenflechte, entzündliche Schleimhautveränderungen, vor allem Darmschleimhautentzündungen sind häufig assoziierte Phänomene. Eine Arthritis peripherer Gelenke, vornehmlich der unteren Extremitäten, kann zeitlich unabhängig von der Achsenskelettmanifestation auftreten. Die Arthritis ist meist asymmetrisch, oligoartikulär und ohne erosive radiologische Veränderungen. Bei rheumatischen Erkrankungen mit polyartikulärem Befall sind abdominelle Symptome meist ohne Rheumaklinik II (Chefarzt: Dr. med. Wolfgang W. Bolten), Wiesbaden (38) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 Bedeutung. Sie treten gelegentlich als Komplikation im Rahmen einer Vaskulitis auf, korrelieren dann aber nicht mit der Gelenksymptomatik. Enteritis Zeichen der Enteritis können Diarrhö, abdomineller Schmerz, perianale und intraabdominelle Fistelung und Abszesse, makroskopisch oder auch nur histologisch nachweisbare Dünn- und Dickdarmentzündung wie beim M. Crohn, der Colitis ulcerosa oder unspezifischen chronischen oder akuten Enteritiden sein. Die Inzidenz histologischer entzündlicher Darmveränderungen bei Patienten mit enterogener reaktiver Arthritis, undifferenzierter Spondylarthritis oder ankylosierender Spondylitis (AS) mit peripherer Gelenkbeteiligung ist etwa 65 Prozent. Immerhin ein Drittel der AS-Patienten mit ausschließlich axialer Beteiligung hat eine Enteritis. Die Palette der möglichen Mukosadefekte bei antirheumatischer Therapie reicht bis zur Blutung und zum perforierenden Ulkus, das typischerweise im Magen, aber durchaus auch im gesamten übrigen Intestinaltrakt auftreten kann. Dyspeptische Symptome müssen keineswegs mit den anatomischen Defekten korrelieren. Enteropathische Arthropathien Den Morbus Crohn kennzeichnen Diarrhö, abdomineller Schmerz und Gewichtsverlust. Krankheitsgefühl und Fieber sind Allgemeinsymptome. Perianale und intraabdominelle Fistelung und Abszesse komplizieren den späteren Verlauf. Extraintestinalmanifestationen sind unterschiedlich häufig (Tabelle 3). Die akute unilaterale anteriore Uveitis tritt transient, rezidivierend und HLA-B27-assoziiert oft zusammen mit rheumatischen Wirbelsäulensymptomen auf. ! M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Eine symptomatische Stammske- oder der plantaren Fasziitis kann litis-Patienten mit einer Spondylitis, lettbeteiligung muß bei 2 bis 7 Prozent ebenfalls einzige Manifestation eines weniger häufig bei isoliertem Iliosader Crohn-Patienten erwartet werden. subklinisch verlaufenden Morbus kralgelenksbefall nachzuweisen. Eine Häufiger können radiologisch eine Crohn sein. Die Diagnose kann in sol- periphere Arthritis (weniger als 10 Spondylitis (7 bis 12 Prozent) oder ei- chen Fällen nur durch die Beurteilung Prozent) ist bei der Colitis ebenso wie ne meist asymmetrische Sakroiliitis des Krankheitsverlaufes und manch- beim Crohn nicht HLA-B-27-assozi(10 bis 16 Prozent) diagnostiziert wer- mal durch die Ileo-Kolonoskopie und iert. Ihr zeitgleiches Auftreten mit Coden. Während die Spondylitis prak- die histologische Untersuchung gesi- litisschüben ist eindeutiger als beim tisch immer mit eichert werden. La- Crohn. Ihr Schweregrad korreliert mit Tabelle 1 ner Sakroiliitis asborchemisch fin- der Ausdehnung der Colitis. DementEnteropathische Arthropathie soziiert ist, kann den sich patholo- sprechend sistieren Gelenksymptome die Sakroiliitis gische Entzün- nach therapeutischer Kolonresektion Spondylarthropathie (SpA) auch isoliert aufdungsparameter. oder erfolgreicher medikamentöser ! bei Colitis ulcerosa, treten. Die Hälfte Rheumafaktoren Behandlung der Colitis. Labor- und ! bei Morbus Crohn, der Crohn-Patienfehlen ebenso wie Röntgenbefunde sind denen beim ten mit einer subkutane Rheu- Morbus Crohn vergleichbar. Eine re! bei Darmbakterien-assoziierter Enteritis (Reaktive Arthritis), Spondylitis trägt maknoten. Rönt- aktive Arthritis kann nach einer In(Salmonellen, Shigellen, Yersinien) genologisch kön- fektion mit enterogenen Bakterien das HLA-B-27Merkmal. Die nen gelenknahe (zum Beispiel Shigella flexneri, Sal! undifferenzierte SpA HLA-B-27-Prävaknöcherne Proli- monella typhimurium, Yersinia ent! ankylosierende Spondylitis lenz ist niedriferationen und pe- erocolitica [Serotyp 3], Yersinia pseu(Varianten) ger, wenn bei riostitisch auf- dotuberculosis, Campylobacter jejuCrohn - Patienten gelockerte Struk- ni) auftreten. Es kommt sehr schnell Non-SpA-enteropathische Arthritis lediglich die Ilioturen am Calcane- zur abdominellen Symptomatik mit ! nach intestinaler sakralgelenke beus richtunggeben- profusen Diarrhöen, Fieberschüben, Bypass-Operation troffen sind. Da de Befunde sein. Krankheitsgefühl, abdominellen ! bei Zöliakie sich die StammDie Colitis ulceKrämpfen, Erbrechen und gegebe! bei Morbus Behcet skelett - Symptorosa wird endo- nenfalls Dehydratation. Bei der Yersi! bei Morbus Whipple matik unabhängig skopisch und hi- nienarthritis kann die Diarrhö vollvon der Enteritis stologisch durch ständig fehlen. Histologisch werden entwickelt und meist wesentlich ihren kontinuierlichen Dickdarmbe- im Darm Zellinfiltrationen, Mukofrüher beginnt, kann die HLA-B-27- fall und die Aussparung tieferer Ko- saulzerationen und Kryptenabszesse negative Spondylarthritis einzige Ma- lonwandschichten vom M. Crohn ab- gefunden. Ulzera der Mundschleimnifestation eines Morbus Crohn sein. gegrenzt. Blutig-schleimige Durchfäl- haut, Erythema nodosum und eine Bei männlichen Crohn-Patienten ist le sind klinische Kennzeichen der Co- vorübergehende akute anteriore die Stammskelettbeteiligung häufiger Uveitis (5 bis Grafik (3 : 1). Dagegen trifft die periphere Ar30 Prozent) thritis beide Geschlechter gleich häusind auch weiSpondylarthritis Entzündliche fig. An peripheren asymmetrischen tere extrainteRheumatoide Arthritis Darmerkrankungen Yersinien-Arthritis Arthritiden leiden bis zu 20 Prozent stinale Manifesu.a. der Crohn-Patienten. Die Arthritis ist tationen. Die selten länger als sechs Wochen an asymmetrische Gelenken der unteren Extremitäten Gestörte sterile peripheDarmwand (Kniegelenke, Sprunggelenke, Zere Oligoarthrihengrundgelenke) aktiv, manchmal tis oder Monbefällt sie Fingergrund- oder andere arthritis der unBakterienantigene Gelenke. Sie wandert von Gelenk zu teren ExtremiNahrungsmittelantigene Extraintestinale Prozesse Gelenk und rezidiviert sehr häufig täten, manchNSAR (molekulares Mimicry) und begleitet einen intestinalen entmal aber auch zündlichen Schub. Bei schwerem eine Daktylitis Crohn-Verlauf und bei Kolonbeteili- Vorstellungen über Pathogenese der Arthritis bei entzündlichen Darmerkrankungen mit wurstargung sind Arthritiden häufiger. Die sind hypothetisch. Ursache und Wirkung sind nicht immer leicht zu identifizieren. tiger Schwelperiphere Arthritis kann Jahre vor lung der Zehen Manifestation der Darmerkrankung litis. Dagegen sind krampfartige Un- oder Finger, entsteht bei 10 Prozent. auftreten. Chronische und destru- terbauchschmerzen, Fieber oder an- Sie folgt der Gastrointestinalsymptoierende Verläufe sind trotzdem unge- dere Allgemeinsymptome selten. matik unabhängig von deren Schwerewöhnlich. Eine HLA-B-27-AssoziatiStammskelettmanifestationen grad nach ein bis zwei Wochen und on besteht nicht. sind bei annähernd 25 Prozent der Co- spätestens nach drei Monaten. MänDer Fersenschmerz als Symptom litis-Patienten zu finden. Das HLA-B- ner sind häufiger betroffen (1,5 : 1). Die einer Enthesitis der Achillessehne 27-Antigen ist bei zwei Drittel der Co- Gelenksymptome korrelieren nicht Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 (41) A-381 M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG mit dem Schweregrad der Darmsymptome. Sie überdauern die Darmsymptomatik und halten bei drei Viertel der Patienten bis zu einem halben Jahr an. Rezidive sind häufig. Je nach Art des Erregers verlaufen bis zu 30 Prozent der Arthritiden chronisch. Radiologische Gelenkerosionen können nur Tabelle 2 Gemeinsame Kriterien der Spondylarthropathien (SpA) ! Entzündlicher Wirbelsäulenschmerz ! Periphere Arthritis paukiartikulär, asymmetrisch, begleitende Tendinitis, Sakroiliitis, Spondylitis ! HLA-B-27-Assoziation ! Kein Rheumafaktor oder Rheumaknoten ! Klinisch ähnliche Krankheitsbilder (overlap) ! Familiäre Häufung verschiedenartiger SpA-Erkrankungen selten nachgewiesen werden. Gegebenenfalls treten sie zusammen mit proliferativen gelenknahen Knochenprozessen auf. Die sterile Uveitis ist oft mit Schüben einer Arthritis assoziiert. Klinisch manifeste Sakroiliitiden oder renden peripheren Arthritiden gefunden. In 60 bis 80 Prozent ist bei Patienten mit einer enterogenen reaktiven Arthritis das HLA-B-27-Antigen nachzuweisen. Bei diesen Patienten sind die symptomatische Stammskelettbeteiligung häufiger, der Schweregrad der Arthritis größer und die Arthritisdauer länger. Neben den bakteriellen gibt es andere gastrointestinale Erkrankungen mit rheumatologischer Symptomatik. Den Morbus Whipple (Tabelle 4) kennzeichnen Gewichtsverlust, Fieber, Lymphknotenschwellung, abdominelle Schmerzen, Diarrhö und Steatorrhö. Bis zu fünf Jahre vor Beginn der intestinalen Beschwerden tritt bei 80 Prozent der Patienten transient oder chronisch eine polyartikuläre symmetrische periphere Arthritis der größeren Gelenke auf. Über eine axiale Beteiligung wird in 8 bis 20 Prozent berichtet. Die radiologischen Gelenkbefunde sind unauffällig. Die Erkrankung tritt meist bei Männern auf (9 : 1). Im Dünndarm und den mesenterialen Lymphknoten wurden bazilliforme Partikel, die durch Tetrazykline eradiziert werden, als ätiologische Faktoren identifiziert. Wenige Monate bis zweieinhalb Jahre nach intestinaler Bypass-Operation kann durch bakterielle Überwucherung und Alteration der Mukosa in der blinden Schlinge ein immunver- Tabelle 3 Häufigkeit von Extraintestinalmanifestationen*) Extraintestinale Manifestationen Morbus Crohn Colitis ulcerosa Periphere Arthritis Septische Arthritis Sakroiliitis/ankylos. Spondylitis Erythema nodosum Erythema multiforme Pyoderma gangraenosum Aphtoese Ulzeration Nierensteine Amyloidose Lebererkrankung Uveitis Trommelschlegelfinger Vaskulitis 20% + 16% und 5% 0,5 bis 9% 0,5 bis 9% 0,5% + 15% + 3–5% 13% 4 bis 13% Takayasu 9 bis 11% ? 14% und 6% 0,5 bis 9% 0,5 bis 9% 0,3 bis 4% 8% ? selten 7% 4% 1 bis 5% 1 bis 5% *) nach Wollheim F 1993 Spondylitiden sind eher selten. Sie werden röntgenologisch aber doch in 6 bis 9 Prozent insbesondere bei Patienten mit chronischen oder rezidivieA-382 mitteltes Syndrom mit arthritischer und dermatitischer Symptomatik entstehen. Mit der Sanierung der Mukosa der blinden Schlinge, die medika- (42) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 mentös oder mittels chirurgischer Rekonstruktion des Darmes erreicht wird, verschwinden alle Symptome. Auch bei der glutensensitiven Enteropathie (Zöliakie) stehen die veränderte intestinale Permeabilität und die immunologische Störung im Vordergrund der Pathogenese einer symmetrischen Arthritis. Sie verläuft uncharakteristisch und betrifft meist große Gelenke ohne radiologische Veränderungen. Unter glutenfreier Kost sistiert die Gelenkerkrankung. Die Reexposition mit Gluten führt nicht zwangsläufig erneut zur Arthritis. Rheuma mit GI-Symptomatik Morbus Bechterew ist eine chronisch-systemisch-entzündlich-rheumatische Erkrankung vornehmlich des Achsenskeletts mit Enthesitis und fibröser oder knöcherner Ankylose. Die periphere Gelenkbeteiligung ist uncharakteristisch und mild. Sie tritt manchmal erst auf, nachdem die Achsenskelettentzündung inaktiv wurde. Entzündliche gastrointestinale Prozesse und Mukosaläsionen werden ileokolonoskopisch bei 30 bis 60 Prozent der Patienten, vor allem bei HLA-B-27-negativen Spondylarthritis-Patienten gefunden. Die Bedeutung der oft klinisch asymptomatischen entzündlichen Prozesse im terminalen Ileum und Kolon für die Pathogenese des Morbus Bechterew wird immer wieder diskutiert. Iritis oder Iridozyklitis, kardiovaskuläre Beteiligung, neurologische Probleme und Amyloidose sind andere beachtenswerte extraskelettale Manifestationen des Morbus Bechterew. Erkrankungen mit unspezifischen spondylarthritischen Symptomenkomplexen können mit peripherer Arthritis, Enthesiopathie und Daktylitis einhergehen. Vor allem bei chronischem Verlauf sind die Serum-Entzündungsparameter positiv. Röntgenologisch werden im Bereich der kleinen Gelenke der Hände und Füße ähnliche erosive knöcherne Prozesse nachgewiesen, wie sie – anders verteilt – auch bei der chronischen Polyarthritis auftreten. In den Hüftgelenken sind entzündliche Läsionen und exzentrische Gelenkspaltverschmälerungen ebenfalls nicht von denen der chronischen M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Polyarthritis zu unterscheiden. 20 bis 30 Prozent der Patienten berichten über Episoden mit Diarrhöen und erhöhter Stuhlfrequenz. Als extraartikuläre Manifestationen treten außerdem urogenitale Symptome, Erythema nodosum und anteriore Uveitis auf. Die Darmentzündung verläuft meist subklinisch. Sie ist aber durch die Ileokolonoskopie zu erkennen. Bioptisch kann bei zwei Drittel der Patienten eine akute oder chronische Darmentzündung nachgewiesen werden. Darmentzündung und periphere Gelenkentzündung korrelieren eng sowohl im Spontanverlauf als auch bezüglich des Erfolges therapeutischer Interventionen. Die Darmveränderungen triggern möglicherweise die Gelenkerkrankung. Die genetische Disposition zur Entwicklung der subklinischen Darmentzündung bei SPA-Patienten wird durch den häufig positiven Nachweis des HLA-BW 62 deutlich. Rheumatische Autoimmunerkrankungen können mit mesenterialen Vaskulitiden einhergehen und die Funktion des Darms beeinträchtigen. Bei der chronischen Polyarthritis führen Infarzierungen der intestinalen Arterien zu Schmerzen, Blutung und Perforation. Hohe Rheumafaktortiter und Rheumaknoten sind prognostisch ungünstig. Auch beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) ist die mesenteriale Ileitis Ursache für die Darmsymptomatik. Die Vaskulitis ist meist nicht auf die Darmgefäße beschränkt, so daß pathologische Veränderungen gleichzeitig an mehreren Organsystemen symptomatisch werden. Bei der Sklerodermie sind verminderte Mundöffnung, Ösophagusdysfunktion mit muskulärer Hypotonie und Speiseröhrendilatation Manifestationen des sklerosierenden Prozesses. Ähnliche Veränderungen können auch im Dünn- und im Dickdarm zu krampfartigen Schmerzen, Malabsorption, Obstipation oder Diarrhö und Ileussymptomatik führen. Beim Morbus Paget ähneln Haut- und Schleimhautulzerationen im oralen Bereich und im Kolon den Veränderungen beim Morbus Crohn mit Dickdarmmanifestation. Eine Amyloidose kann die Funktion des Darms beeinträchtigen. Die Symptome reichen von der Malabsorption bis zur gastrointestinalen Blutung. A-384 Antirheumatika (NSAR) und Gastrointestinaltrakt Die heterogene Gruppe der Antirheumatika hat verschiedene Wirkmechanismen, von denen die Hemmung der Prostaglandinsynthese am besten untersucht ist. Prostaglandine Tabelle 4 Morbus Whipple Prävalenz ! Männer im mittleren Lebensalter, seltene Erkrankung ! HLA-B-27-Assoziation ~ 30 Prozent Systemische Manifestation ! Diarrhö, Gewichtsverlust, Fettstuhl ! Herzbeteiligung (sudden death, 20 Prozent der Fälle) ! Endokarditis, Aorteninsuffizienz ! Pleuritis, Thyreoiditis, Lymphadenopathie, interstitielle Nephritis, Leberbeteiligung, Uveitis, Hyperpigmentation, Subkutanknoten, Trommelschlegelfinger, Fieber, PAS-positive Makrophageneinschlüsse ! ZNS-Beteiligung Arthritis (Frühsymptom) ! Periphere Arthritis (60 bis 90 Prozent) akut, episodisch, migratorisch, polyartikulär, seronegativ, unabhängig von GI-Aktivität, Stunden bis Tage, auch Jahre vor Darmmanifestation, selten erosiv ! Sakroiliitis (7 Prozent), Spondylitis (4 Prozent) wie bei M. Bechterew ! Muskuloskelettale Veränderungen subkutane Knoten bei Gelenksymptomen, Myalgie, Reflexdystrophie wirken als Schmerz- und Entzündungsmediatoren. Ihre Syntheseinhibition ist deshalb ein erwünschter Effekt der NSAR. Prostaglandine werden aber ubiquitär im Organismus gebildet, und sie haben an den verschiedenen Orten unterschiedliche Aufgaben. An der Magen-Darm-Schleimhaut wirken sie protektiv. Wenn der prostaglandinvermittelte Schleimhautschutz wegen der NSAR-Thera- (44) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 7, 16. Februar 1996 pie wegfällt, entwickeln 70 Prozent der Patienten Mukosaläsionen mit oder ohne dyspeptische Beschwerden. In 20 bis 25 Prozent entstehen vor allem im Bereich des Magens Ulzera, weniger häufig im duodenalen und übrigen Dünndarmbereich, wahrscheinlich auch im Kolon. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können die ulzerative Kolitis wieder aufleben lassen. Über dyspeptische Beschwerden berichten 30 Prozent der NSAR-Behandelten. Selbst Ulzera sind aber häufig symptomlos. Dann kann die Blutung oder Perforation das erste Symptom eines NSAR-Ulkus sein. Das Risiko der Ulkusentwicklung steigt mit zunehmendem Patientenalter, mit der Schwere der rheumatischen oder jeder anderen allgemeinen Erkrankung, mit gastrointestinalen Vorerkrankungen und mit einer höher dosierten Kortikosteroid-Komedikation (größer als 10 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag). Mit adäquaten Prophylaxemaßnahmen mittels oraler Substitution synthetischer Prostaglandine kann das Risiko des komplizierten NSAR-Ulkus um 50 Prozent reduziert werden. Die Therapie dyspeptischer NSARSymptome oder eines manifesten NSAR-Ulkus ist mit den üblichen Ulkustherapeutika bei fortgesetzter NSAR-Therapie möglich. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1996; 93: A-380–384 [Heft 7] Literatur 1. Bolten W: Die klinische Bedeutung der unerwünschten gastrointestinalen Wirkungen nichtsteroidaler Antirheumatika. Akt Rheumatol 1991; 16: 26–31. 2. Bolten, W, Häntzschel H, Hengels KJ, Stockbrügger R: Management der NSARassoziierten Gastropathie. Akt Rheumatol 1991; 16: 171–174 3. Mielants H, Veys EM: Arthritis and Abdominal Symptoms. In: Klippel JH, Dieppe PA ed: Rheumatology. St. Louis, Baltimore, Boston, Chicago, London, Philadelphia, Sydney, Toronto: Mosby, 1994; 6.6.1–8 4. Veys EM, Mielants H: Enteropathic Arthropathies. In: Klippel JH, Dieppe PA ed: Rheumatology. St Louis, Baltimore, Boston, Chicago, London, Philadelphia, Sydney, Toronto: Mosby, 1994; 3.35.1–8 Anschrift des Verfassers: Dr. med. Wolfgang W. Bolten Rheumaklinik II Leibnizstraße 23 65191 Wiesbaden