Welt der Wissenschaft: Kosmologie Carl Wirtz und die Hubble-Beziehung Zu den Grundlagen der heutigen Kosmologie gehört, dass die Spektren ferner Galaxien eine Rotverschiebung zeigen und dass diese mit der Entfernung anwächst. Nach einer Arbeit, die der US-Astronom Edwin Hubble vor genau 80 Jahren publizierte, wird dieser Zusammenhang Hubble-Beziehung genannt. Weniger bekannt ist, dass bereits vor Hubble die Rotverschiebung und ihre Zunahme mit der Entfernung beschrieben worden war. Soweit wir heute wissen, wies Carl Wirtz als Erster eine solche Beziehung nach. Von Immo Appenzeller In Kürze ó Lange Zeit blieb unklar, ob sich die »Spiralnebel« genannten Objekte innerhalb unseres Milchstraßen- S pekulationen und Überlegungen achtungen und Messungen erklären, son­ über den großräumigen Aufbau dern sie stand (im Gegensatz zu Newtons unserer Welt sind so alt wie die Formeln) auch mit den inzwischen entwi­ Geschichte der Menschheit. Aber ckelten Theorien der elektromagnetischen erst seit etwa einem Jahrhundert lässt sich die Frage nach der Struktur und der zeit­ Felder im Einklang. systems befinden oder eigenstän- lichen Entwicklung des Kosmos physika­ Gekrümmt in vier Dimensionen dige Sternsysteme darstellen. lisch konsistent untersuchen. Die wich­ Wie bei der bereits früher gefundenen Spe­ ó Carl Wirtz war einer der Ersten, tigste Voraussetzung hierfür war eine ziellen Relativitätstheorie beschreibt Ein­ die herausfanden, dass sich die genaue Theorie der Schwerkraft oder Gra­ stein in der ART unsere Welt als einen Spiralnebel – heute Spiralgalaxien vitation. Mit der Allgemeinen Relativitäts­ Raum mit vier Dimensionen. Drei dieser genannt – weit außerhalb unseres theorie – kurz ART genannt – lieferte Al­ Dimensionen sind die uns vertrauten drei Milchstraßensystems befinden. bert Einstein (1879 – 1955) im Jahre 1916 Raumrichtungen. Die vierte Dimension ist ó Wirtz erkannte zudem, dass die diese Grundlage. Für die Kosmologie ist die Zeit. Neu an der ART war, dass der Raum Rotverschiebung in den Spektren die Schwerkraft so wichtig, weil sie über in allen vier Dimensionen gekrümmt sein von weit entfernten Spiralgalaxien große Entfernungen stets stärker ist als mit der Entfernung anwächst. alle anderen bekannten Kraftfelder. Die kann. Ein anschaulicher und uns allen ver­ Diese Entdeckung wird heute Schwerkraft bestimmt deshalb den groß­ trauter gekrümmter Raum ist die Oberflä­ oft – und fälschlicherweise – dem räumigen Aufbau unserer Welt. che einer Kugel. Die Kugeloberfläche ist Astronomen Edwin Hubble zugeschrieben. 44 November 2009 Bereits mehr als zweihundert Jahre vor ein zweidimensionaler gekrümmter Raum, Einstein hatte Isaac Newton (1643 – 1727) da sich jeder Punkt mit genau zwei Koordi­ ein Gravitationsgesetz formuliert, das zu­ natenwerten charakterisieren lässt. Bei­ nächst alle bekannten Phänomene der spiele für ein solches Paar von Koordinaten Schwerkraft ausreichend gut erklärte. Mit auf einer Kugel sind geografische Länge zunehmender zeigte und Breite auf der Erdoberfläche. Während sich aber, dass Newtons Gesetz nur eine wir mit der Topologie einer Kugeloberflä­ Näherung sein konnte. Einsteins neue che keine Probleme haben, können sich Theorie, die Newtons Gravitationsgesetz die meisten Menschen einen vierdimensio­ als Grenzfall enthält, konnte nicht nur nalen gekrümmten Raum nicht bildlich auch die bis dahin unverstandenen Beob­ vorstellen. Die Eigenschaften eines solchen Messgenauigkeit Sterne und Weltraum Carl Wirtz (1876 – 1939), der »Hubble ohne Teleskop«, wie ihn ein Kollege einmal nannte, erkannte als Erster einen Zusammenhang zwischen der Rotverschiebung und der Entfernung von Spiralgalaxien. Nur wenige Monate später veröffent­ lichte der holländische Astronom Willem de Sitter (1872 – 1934) ein zweites sta­ tisches Weltmodell, das auf Einsteins Glei­ chungen basierte (siehe Bild auf S. 46). Der wichtigste Unterschied zur Einstein-Welt bestand darin, dass de Sitter den Kosmos als leeren Raum approximierte. Zwar ist Mit freundlicher Genehmigung von Bettina Freier-Wirtz unsere Welt offenkundig nicht leer, aber die gegenwärtige Materiedichte ist in der Tat gering, so dass de Sitters Näherung nicht so unrealistisch ist, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Annah­ me eines von Materie freien Kosmos führt im einfachsten Fall zu einer nicht sta­ tischen Welt. Wie de Sitter aber zeigte, gibt es in Abwesenheit von Materie eine ge­ wisse Freiheit bei der Definition der Zeit­ koordinate, und die Zeit lässt sich so defi­ nieren, dass sich Aufbau und Geometrie des Kosmos zeitlich nicht ändern. Raums lassen sich aber mathematisch dar­ Weltmodell vorstellte. Für dieses Modell Vorhersage der Rotverschiebung stellen und berechnen. nahm Einstein an, dass der Kosmos im De Sitters Modell hatte eine interessante, In seiner Theorie erklärt Einstein die Mittel überall die gleichen Eigenschaften beobachtbare Eigenschaft: Uhren an ver­ Schwerkraft als eine Auswirkung der hat (also homogen ist), dass es keine aus­ schiedenen Orten in de Sitters Welt laufen Raumkrümmung auf unsere Bewegung in gezeichnete Richtung(en) gibt, und dass unterschiedlich schnell. Die Gangdifferenz Raum und Zeit. Dabei müssen wir berück­ die Welt im Mittel keine zeitliche Verände­ zwischen zwei Punkten hängt dabei von sichtigen, dass wir uns in der vier­dimen­ rungen zeigt, also »statisch« ist. Diese An­ der Entfernung ab. Diese Gangverzögerung sio­nalen Raumzeit auch dann bewegen, nahmen entsprachen dem damaligen gilt auch für die Schwingungen von wenn wir im dreidimensionalen Raum ru­ Stand der physikalischen und astrono­ Atomen, welche die Wellenlänge von Spek­ hen, da die Zeit immer fortschreitet. Die mischen Beobachtungen. Einstein konnte trallinien bestimmen. De Sitter sagte des­ Raumkrümmung selbst hängt Einstein zeigen, dass mit den genannten Annah­ halb vorher, dass die Spektren entfernter zufolge von der Verteilung der Masse und men die Eigenschaften des Kosmos ein­ Objekte der Energie im Kosmos ab. Sie kann lokal deutig festgelegt werden. Das heute als sollten und dass die Rotverschiebung mit positiv sein (wie bei einer Kugeloberflä­ »Einstein-Welt« bezeichnete Modell zeich­ der Entfernung zunehmen sollte. Der Rot­ che), negativ (wie bei einem Hyperboloid) net sich durch eine räumlich und zeitlich verschiebungseffekt in de Sitters Welt wird oder auch null sein (wie bei einer ebenen konstante positive Krümmung aus, die noch dadurch verstärkt, dass in diesem Fläche). Einstein nahm als Ansatz für sei­ vom Wert der – ebenfalls konstanten – Modell Probekörper voneinander weg be­ ne Theorie die einfachste Formel, die die­ mittleren Materiedichte abhängt. schleunigt werden. Die Beobachtungen eine Rotverschiebung zeigen sen Sachverhalt mathematisch konsistent beschreiben konnte. Diese Formel sollte sich als äußerst erfolgreich erweisen. Trotz Damit Schüler aktiv intensiver Suche konnten bis heute keine mit den Inhalten dieses Abweichungen von Einsteins Gravitations­ Beitrags arbeiten können, gesetz nachgewiesen werden. Schon kurz nach der Veröffentlichung stehen auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung. der ART beschäftigte sich Einstein auch Darin wird gezeigt, wie das Thema im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasi- mit der Frage des Aufbaus des Kosmos im alen Oberstufe behandelt werden kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« Lichte seiner neuen Theorie. Dies führte führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad zu einer Veröffentlichung im Jahre 1917, Wildbad durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert. in der Einstein ein erstes relativistisches www.astronomie-heute.de November 2009 45 nen – einheitlichere Eigenschaften haben zuweisen war. Er schloss daraus, dass die als die übrigen »Nebelflecke«. Aber ihre Spiralnebel wesentlich weiter von der Erde Natur war lange Zeit unklar und umstrit­ entfernt waren als die Sterne der Milch­ ten. Handelte es sich um Objekte innerhalb straße. Offenbar waren ihre Entfernungen unseres Milchstraßensystems? Immerhin zu groß, um sie mit geometrischen Me­ war bereits für viele andere Nebel gezeigt thoden bestimmen zu können. Die ersten quantitativen Hinweise auf der Galaxis, gehören. Oder waren die Spi­ die Entfernungen der Spiralnebel ergaben ralnebel weit entfernte, mit unserer Milch­ sich durch Vergleich der scheinbaren Hel­ straße vergleichbare eigenständige Stern­ ligkeit und der Winkelausdehnung von systeme? Um diese Fragen beantworten zu Objekten, deren Eigenschaften aus Beob­ können, musste offensichtlich eine Mög­ achtungen im Milchstraßensystem be­ lichkeit gefunden werden, die Entfernung kannt waren. Einen ersten Versuch dieser der Spiralnebel zu bestimmen. Zu den ers­ Art unternahm Max Wolf (1863 – 1932) in ten, die hierzu überzeugende Daten bei­ Heidelberg, indem er im Jahre 1911 die trugen, gehörte der deutsche Astronom Winkelausdehnung von Dunkelwolken (er Carl Wirtz (1876 – 1939, siehe Bild auf S. 45). In Krefeld geboren, studierte Wirtz in nannte sie damals noch »Höhlen«) in Spi­ Bonn Astronomie und promovierte dort Dunkelwolken der Milchstraße verglich. Willem de Sitter (1872 – 1934) sagte eine 1898. Danach arbeitete er zunächst an der Wolf erhielt auf diese Weise zwar recht Rotverschiebung ferner Objekte voraus. Kuffner-Sternwarte in Wien, wo er die von konsistente relative Entfernungen, aber Karl Schwarzschild (1873 – 1916) begon­ die von ihm publizierten absoluten Ent­ nene fotografische Cepheiden-Fotometrie fernungen waren viel zu klein. Der Grund schienen de Sitters Modell zu stützen, da fortsetzte. Nach einem Jahr Lehrertätig­ lag darin, dass er die einzelnen Wolken in die meisten der bis 1917 aufgenommenen keit an der Seefahrtschule in Hamburg er­ den fernen Galaxien nicht auflösen konn­ Spektren der Spiralnebel eine Rotverschie­ hielt er 1902 eine Anstellung als Observa­ te. Er verglich daher in Wirklichkeit einzel­ bung aufwiesen, für die es zunächst keine tor an der Sternwarte Straßburg. Dort ne Wolken in der Milchstraße mit Anhäu­ andere physikalische Erklärung gab. Wir wissen heute, dass weder Einsteins habilitierte er sich 1903; sechs Jahre später fungen von Wolken in den Spiralnebeln. wurde er zum Titularprofessor ernannt. In Dennoch gelang Wolf eine wichtige Er­ Weltmodell noch das Modell von de Sitter Straßburg beschäftigte er sich ausführlich kenntnis: Die Spiralnebel befinden sich unseren Kosmos richtig beschreibt. Wir mit den Eigenschaften der Spiralnebel. weit außerhalb des Milchstraßensystems. wissen auch, dass die bei den Galaxien Insbesondere benutzte er die Teleskope Zwischen 1917 und 1919 benutzten ver­ beob­achtete Rotverschiebung eine andere der Sternwarte und die damit gewonnenen schiedene, damals in den USA arbeitende Ursache hat als die von de Sitter abgeleitete Daten, um die Positionen und die schein­ Wissenschaftler – darunter Heber Curtis ortsabhängige Zeit. Trotzdem erwies sich bare Bewegung der Spiralnebel am Him­ (1872 – 1942), Harlow Shapley (1885 – 1972) de Sitters Arbeit für die moderne Kosmolo­ mel zu vermessen. und Knut Lundmark (1889 – 1958) – die Yerkes Observatory, University of Chicago worden, dass sie zum Milchstraßensystem, ralnebeln mit der Ausdehnung typischer gie als sehr wertvoll, denn sie führte dazu, Damals war bereits gut bekannt, dass hellsten in den Nebeln beobachteten Ein­ dass die Frage der Rotverschiebung und sich das Sonnensystem in der Galaxis be­ zelsterne sowie Novae zur Entfernungsbe­ ihre Abhängigkeit von der Entfernung sys­ tematisch untersucht wurde. Das war 1917 keineswegs einfach: Die Natur der Spiral­ Carl Wirtz und Max Wolf erkannten, dass Spiralnebel weiter von uns entfernt sind als die Sterne der Milchstraße. nebel und ihre Entfernung waren noch un­ bekannt, und Spektren dieser Objekte wegt und die Sterne infolgedessen am Fir­ stimmung. Auch sie fanden »extragalak­ konnten nur mit hohem Aufwand und ei­ mament im Mittel eine scheinbare Bewe­ tische« Entfernungen, die aber ebenfalls niger Kunstfertigkeit gewonnen werden. gung in der umgekehrten Richtung nicht sehr genau und zum Teil wider­ vollführen. Wie stark sich die Position der sprüchlich waren. Das lag daran, dass die Die Entfernung der Spiralnebel Sterne am Himmel in Winkeleinheiten Obergrenze der Sternhelligkeiten und die »Nebelflecke« zwischen den Sternen wa­ verschiebt, hängt von ihrer jeweiligen Ent­ Leuchtkraft der Novae eine beachtliche ren seit der Erfindung des Teleskops in fernung zur Erde ab. Bereits 1906 hatte der Streuung zeigen und die scheinbaren Hel­ immer größerer Anzahl entdeckt worden. holländische Astronom Jacobus Kapteyn ligkeiten durch die (damals noch unver­ Aber erst die Lichtstärke des 1,8-Meter- (1851 – 1922) versucht, auch die scheinbare standene) interstellare Staubabsorption Spiegelteleskops, das sich der englisch- Bewegung der Spiralnebel zu messen. irische Adelige und Amateurastronom Kapteyns Beobachtungen waren aber beeinflusst werden. Einen weiteren Versuch unternahm William Parsons (1800 – 1867), Third Earl noch zu ungenau. Wirtz fand mit seinen 1922 Ernst Öpik (1893 – 1985). Damals war of Rosse, auf seinem Besitz Birr Castle ge­ wesentlich präziseren Messungen, die er bereits die Rotation der Spiralgalaxien be­ baut hatte, erlaubte es, bei einem Teil der zwischen 1912 und 1918 veröffentlichte, kannt. Aus den Rotationskurven lassen Nebel eine Spiralstruktur zu erkennen. Bald zeigte sich, dass die »Spiralnebel« dass sich die Spiralnebel gänzlich anders sich bei bekannter Entfernung Massen ab­ verhielten als die Sterne und bei ihnen leiten. Unter der Annahme, dass bei Spiral­ – die wir heute als Spiralgalaxien bezeich­ eine systematische Bewegung nicht nach­ galaxien (einschließlich des Milchstraßen­ 46 November 2009 Sterne und Weltraum Since 1975 Ihr preiswerter Hersteller für astrofotografisches Zubehör A S T R O F O T O G R A F I S C H E T E L E S KO P ASTROFOTOGRAFISCHE K AMERAS Orion 8" f/8 Ritchey-Chrétien Astrograph Orion StarShoot Pro V2.0 Deep Space Color CCD #8958 #52085 ® ® ™ Neu! ASTROFOTOGRAFISCHES ZUBEHÖR ASTROFOTOGRAFISCHE K AMERAS Orion Deluxe Off-Axis Guider ® Neu! #5521 Orion StarShoot Planetary Imager & AutoGuider ® ™ #52079 ASTROFOTOGRAFISCHE K AMERAS Orion StarShoot Deep Space Monochrome Imager III ® #52076 A S T R O F O T O G R A F I S C H E T E L E S KO P Orion Premium 190mm f/5.3 Mak-Newt Astrograph ™ ® #9978 Neu! Neu! 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Drei der im Text erwähnten Astronomen nahmen an dieser Versammlung teil: Carl Wirtz (zweiter von rechts in der obersten Reihe, mit dem Blick zur Seite), Max Wolf (zweiter von links in der gleichen Reihe, aber etwas tiefer, direkt vor der Säule) und Karl Schwarzschild (vierter von links in der obersten Reihe, mit Astronomische Gesellschaft schwarzem Schnurrbart). systems) das Verhältnis von Masse und der Andromedagalaxie war allerdings (wie Mehrheit der Spiralnebel-Spektren wies Leuchtkraft konstant ist, lassen sich umge­ wir heute wissen) nicht genauer als Lund­ eine Rotverschiebung auf. Vesto Slipher kehrt aus den Beobachtungen die Entfer­ marks frühere Ableitung der Entfernung übernahm bald die Führung in der Nebel­ nungen ermitteln. Öpik fand auf die­se mit Hilfe von Novae, und sie war weniger spektroskopie, da er sich gänzlich diesem Weise für die Andromedagalaxie eine Ent­ genau als Öpiks Wert von 1922. Hubbles neuen Forschungsgebiet widmete. Bereits fernung, die bereits relativ genau war. In den folgenden Jahren entwickelte Methode erschien aber überzeugender, 1917 veröffentlichte er eine Liste mit Radi­ und sein Ergebnis galt deshalb zunächst algeschwindigkeiten von 25 Galaxien, von sich die Beob­achtung von Cepheiden als als zuverlässiger. denen 21 Rotverschiebungen zeigten. Teleskop zur Verfügung. Auch Fath und Cepheiden sind oszillierende Sterne, de­ Erste Messungen der Rotverschiebung ren Durchmesser um einen Mittelwert Die Spektroskopie der Spiralnebel begann mit Öffnungen zwischen 70 und 90 Zenti­ schwingt. Wie bei Orgelpfeifen (und im in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. metern. An größere Instrumente konnten Wesentlichen aus den gleichen Gründen) Julius Scheiner in Potsdam publizierte die damals verfügbaren astronomischen hängt die Schwingungsperiode von der 1899 eine erste Beschreibung des Spek­ Prismenspektrografen nicht angepasst Größe der Sterne ab. Große Cepheiden trums der Andromedagalaxie. Bereits vor­ werden. Erst nachdem größere Spek­ schwingen langsamer. Große Cepheiden her hatten William und Margaret Huggins trografen zur Verfügung standen, wurde haben aber auch eine größere Oberfläche an ihrer Privatsternwarte bei London ein das 2,5-Meter-Spiegelteleskop des Mount und somit eine höhere Leuchtkraft. Infol­ Spektrum dieser Galaxie aufgenommen, Wilson Observatory auch das führende gedessen gibt es bei pulsierenden Sternen die Ergebnisse aber zunächst nicht veröf­ Instrument für die Galaxienspektrosko­ einen gut definierten Zusammenhang fentlicht. In den Folgejahren gewannen pie. Rund drei Jahrzehnte (bis zur Inbe­ zwischen Pulsperiode und Leuchtkraft. Diesen Zusammenhang bemerkte die Edward Fath am Lick Observatory in Kali­ triebnahme des Fünf-Meter-Spiegels auf fornien, Max Wolf an der Landessternwar­ dem Mount Palomar 1948) bestimmte US-amerikanische Astronomin Henrietta te Heidelberg und Vesto M. Slipher am Lo­ dieses Teleskop dann praktisch konkur­ die wichtigste Methode zur Bestimmung der Entfernungen der nahen Spiralnebel. Slipher stand nur ein 60-ZentimeterWolf benutzten relativ kleine Teleskope Leavitt (1868 – 1921) bereits im Jahre 1908 well Observatory in Flagstaff, Arizona, renzlos den Fortschritt in der extragalak­ bei einer umfangreichen Untersuchung weitere tischen Forschung. der veränderlichen Sterne in der Kleinen rechts oben). Galaxienspektren (siehe Bild Wirtz erkennt Zusammenhänge Magellanschen Wolke. Mit Hilfe von Auf­ Die erste Radialgeschwindigkeit maß nahmen, die er ab Oktober 1923 mit dem Slipher im Dezember 1912 für den Andro­ Wie oben beschrieben, hatten die astrono­ 2,5-Meter-Spiegelteleskop des Mount Wil­ medanebel: Die messbaren Spektrallinien mischen Beobachtungen in den ersten son Observatory in Kalifornien aufnahm, waren zum blauen Ende des Spektrums beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gelang es nun Edwin Hubble (1889 – 1953), verschoben, und zwar um einen Betrag, überzeugende Hinweise auf die extraga­ Cepheiden in der Andromedagalaxie nach­ der etwa 300 Kilometer pro Sekunde ent­ laktische Natur der Spiralnebel geliefert zuweisen und damit ihre Entfernungen sprach. Wolf bestätigte die Blauverschie­ und die Rotverschiebung der Spektren abzuleiten. Seine Ergebnisse wurden bei bung kurze Zeit später anhand eines Spek­ dieser Objekte aufgezeigt. De Sitter hatte einer Tagung der Amerikanischen Astro­ trums, das er bereits 1911 erhalten hatte. auch bereits 1917 eine Erklärung für die­ nomischen Gesellschaft am Jahresende In den folgenden Jahren wurden am Lick sen Effekt geliefert. Ein Vergleich zwischen 1924 vorgetragen und 1925 veröffentlicht. Die Cepheidenmethode gehört auch Observatory, in Heidelberg und in Flag­ Beobachtung und Theorie war indes nicht staff weitere »Nebel-Spektren« aufgenom­ einfach, da zunächst nur für wenige Spi­ heute noch zu den wichtigsten Werkzeu­ men. Dabei stellte sich schnell heraus, ralnebel Entfernungen gemessen waren. gen der extragalaktischen Astronomie. dass die Blauverschiebung des Androme­ Wichtige Versuche, trotzdem weiterzu­ Hubbles erste Entfernungsbestimmung danebels eine Ausnahme war: Die große kommen, stellen zwei fundamentale Ar­ 48 November 2009 Sterne und Weltraum Im Februar 1913 nahm Max Wolf mit dem M 81 Heidelberger 70-Zentimeter-Reflektor dieses Spektrum der Spiralgalaxie M 81 auf. Die Belichtungszeit – verteilt über zehn Nächte – betrug insgesamt 44 Stunden. Vg Oberhalb und unterhalb des Galaxienspekeichung ein Eisenspektrum (Vg). Deutlich sichtbar im Spektrum von M 81 sind die Absorptionslinien H und K des einfach Vg G ionisierten Kalziums und das G-Band. Gerade noch erkennbar sind die Wasserstofflinien H-delta und H-gamma. Wegen H, K der Rotation von M 81 sind die Absorptions­ linien gegen das Eisenspektrum geneigt. beiten von Carl Wirtz dar, die 1922 und der scheinbaren Helligkeit der Spiralnebel von ihrer scheinbaren Ausdehnung am 1924 in den »Astronomischen Nachrich­ nachweisen konnte. Himmel. Die Ergebnisse präsentierte Wirtz ten« erschienen. Wirtz arbeitete damals Wirtz präsentierte dieses Ergebnis in ei­ wieder in Form von zwei kleinen Tabellen. an der Sternwarte in Kiel. Als Wissen­ ner kleinen Tabelle, in der die Mittelwerte Die wichtigere von beiden und ihre gra­ schaftler hatte er sich auch in Frankreich der Radialgeschwindigkeiten für sechs In­ fische Umsetzung sind auf der folgenden hohes Ansehen erworben. So wurde ihm tervalle der scheinbaren Helligkeit ange­ Doppelseite wiedergegeben. dort im Jahre 1912 für seine Arbeiten über geben sind. Diese Intervalle wählte er so, Die Grafik enthält auch die statistischen die Positionen der Nebel der Lalande-Preis dass sich in jeder Gruppe etwa fünf (genau: mittleren Fehler der Mittelwerte (siehe der Academie des sciences verliehen. zwischen vier und sechs) Objekte befan­ Bild S. 51). Diese hat Wirtz zwar nicht an­ Trotzdem musste Wirtz Anfang 1919, als den. Eine grafische Präsentation seiner als gegeben, sie lassen sich aber anhand der Straßburg wieder französisch wurde, die Tabelle veröffentlichen Daten zeigt, dass in seiner Publikation zitierten Quellen ab­ Universität und die Stadt verlassen. die positiven Radialgeschwindigkeiten be­ schätzen. Obwohl die Fehler beachtlich Nach einigen Monaten in Tübingen er­ ziehungsweise Rotverschiebungen mit ab­ sind, zeigen die Tabelle und die Grafik eine hielt Wirtz im April 1919 eine Anstellung nehmender Helligkeit systematisch zu­ gesicherte Korrelation der untersuchten als Observator und außerplanmäßiger nehmen (siehe Grafik rechts). Größen. Auch für diese Korrelation konn­ Professor in Kiel. Im Gegensatz zu Straß­ Unter der Annahme, dass die Spiralne­ te man zunächst eine Abhängigkeit von burg verfügte die Kieler Sternwarte aber bel Anhäufungen von Sternen sind, konn­ der absoluten Größe der Nebel als Ursache nicht über größere Teleskope. Wirtz wer­ te die be­ob­ach­te­te Korrelation allerdings tete daher in Kiel einerseits seine Straß­ zunächst zwei Ursachen haben. Erstens: burger Daten aus, andererseits analysierte Die Radialgeschwindigkeit hing von der er von anderen Forschern veröffentlichte Gesamtzahl der Sterne beziehungsweise Beobachtungen. Sein US-amerikanischer der Masse der einzelnen Nebel ab. Zwei­ Kollege Allan Sandage hat ihn deshalb, tens: Die Nebel hatten im Mittel ähnliche nicht zu unrecht, einmal als den »Hubble Massen und absolute Leuchtkräfte, und ohne Teleskop« charakterisiert. die beobachteten Helligkeitsunterschiede 1100 Radialgeschwindigkeit [km/s] 1000 SuW-Grafik/Quelle: Carl Wirtz Max Wolf / Landessternwarte Heidelberg trums befindet sich zur Wellenlängen­ 900 800 700 600 500 Die 1922 erschienene Arbeit enthielt waren nur eine Folge ihrer unterschied­ eine statistische Untersuchung aller da­ lichen Entfernungen. In diesem zweiten mals bekannten Radialgeschwindigkeiten Fall bedeutete die gefundene Korrelation von Spiralnebeln und Kugelsternhaufen einen Zusammenhang zwischen Rotver­ [1]. Für die Radialgeschwindigkeiten be­ schiebung und Entfernung. Da 1922 weder Der von Carl Wirtz 1922 beschriebene nutzte Wirtz in fast allen Fällen die Mes­ die Physik der Galaxien noch der Aufbau Zusammenhang zwischen den beobachte- sungen von Slipher. Die anderen Daten des Kosmos verstanden war, konnte Wirtz ten Radialgeschwindigkeiten und den stammten aus verschiedenen Quellen. Zu zunächst nicht zuverlässig unterscheiden, scheinbaren Helligkeiten von Spiralnebeln den Ergebnissen der Studie gehörte, dass welche Erklärung stimmte. ist hier grafisch dargestellt. Die eingetra- 400 7 8 9 10 11 scheinbare Helligkeit in mag die untersuchten 29 Spiralnebel im Mittel In der Arbeit, die 1924 erschien, konnte genen Punkte sind Mittelwerte für jeweils eine deutliche Rotverschiebung zeigten, Wirtz dann aber überzeugend darlegen, etwa fünf Objekte. Die Geschwindigkeiten während für die Kugelsternhaufen eine dass die Radialgeschwindigkeiten durch sind reine Messwerte und nicht bezüglich (geringe) mittlere Blauverschiebung ge­ die Entfernung und nicht durch eine in­ der Bewegung des Sonnensystems im funden wurde. Wichtiger aber war, dass trinsische Eigenschaft der Galaxien be­ Milchstraßensystem korrigiert. Die Grafik Wirtz neben anderen (schwachen) Korre­ stimmt wurden [2]. Das Thema dieser zeigt die Zunahme der Rotverschiebung der lationen einen deutlichen Zusammen­ zweiten Untersuchung war die Abhängig­ Spektren mit abnehmender scheinbarer hang zwischen der Rotverschiebung und keit der Radialgeschwindigkeit der Nebel Helligkeit (zunehmender Entfernung). www.astronomie-heute.de November 2009 49 Carl Wirtz/Astronomische Nachrichten 222, S. 21 (1924) In seiner Untersuchung aus dem Jahre 1924 sen, fälschlicherweise) als eine Bestätigung listete Carl Wirtz die gemittelte beobachtete Radialgeschwindigkeit y (in km/s) von des de Sitterschen Weltmodells. Unabhängig von Wirtz kam 1924 der Spiralnebeln als Funktion der gemittelten schwedische Astronom Knut Lundmark Winkeldurchmesser Dm (in Bogensekun- zum gleichen Ergebnis [4]. Auch Lund­ den) auf. Die Mittelwerte sind für sechs mark Dm-Intervalle angegeben, n ist die Zahl der schwindigkeiten mit scheinbaren Hellig­ Objekte im jeweiligen Intervall. Wie Wirtz keiten und Winkelgrößen. Wie Wirtz zeigte, kann 1/Dm als Maß für die relativen konnte auch Lundmark nur relative Ent­ mittleren Entfernungen benutzt werden. fernungen ableiten. Lundmark benutzte kombinierte Sliphers Radialge­ allerdings eine wesentlich anschaulichere relative Maßeinheit, indem er alle Entfer­ nungen in Einheiten des Abstands zur An­ nicht ausschließen. Wirtz untersuchte da­ Da die Entfernungsabhängigkeit von der rum auch die Verteilung der (inzwischen Rotverschiebung unterschätzt wird, wenn 49) Radialgeschwindigkeiten der Einzelob­ man (wie in der Grafik rechts) Mittelwerte jekte. Dabei fand er, dass Galaxien mit benutzt (da in die Mittelwerte bei kleinen Die Bestimmung der Hubble-Konstanten großer Winkelausdehnung stets keine Winkeldurchmessern intrinsisch Sowohl Wirtz als auch Lundmark hatten oder nur eine geringe Rotverschiebung kleine nahe Galaxien eingehen), berech­ also eine Relation zwischen der Rotver­ aufweisen, während Nebel, die am Him­ nete er die Steigung aus den maximalen schiebung und der Entfernung nachge­ mel klein erscheinen, eine Streuung der Rotverschiebungen, die bei den jeweiligen wiesen. In beiden Arbeiten fehlte aber eine Rotverschiebungen zwischen Null und absolute Kalibrierung der Entfernungen. einem Maximalwert zeigen, der vom Win­ Winkeldurchmessern beobachtet wurden. Dieses Verfahren ist in der Tat geeig­ keldurchmesser abhängt. neter. Trotzdem unterschätzte Wirtz die drei Jahre später, 1927, in einer Arbeit des Steigung Rotverschiebungs-Entfer­ belgischen Astronomen und Priesters dann (und nur dann) zu erwarten war, nungs-Relation, da Slipher Nebel mit klei­ Georges Lemaître (1894 – 1966). Lemaîtres wenn die linearen Größen der Nebel eine nen Winkeldurchmessern und großen Rot­ Beiträge zur Kosmologie hat bereits Harry Größenverteilung mit einer oberen Gren­ verschiebungen nur schwer beobachten Nussbaumer 2007 in dieser Zeitschrift ze haben und wenn zugleich die Rotver­ konnte. Sliphers Rotverschiebungen bil­ ausführlich beschrieben [5]. Wie man dort schiebung eine Funktion der Entfernung deten daher keine repräsentative Stichpro­ nachlesen kann, beschäftigte sich Lemaî­ ist. Eine detaillierte Diskussion der Ergeb­ be. Aber trotz dieser Auswahleffekte in den tre zunächst mit der Theorie der Weltmo­ nisse der Veröffentlichung von 1924 findet Ausgangsdaten besteht kein Zweifel daran, delle. Er zeigte, dass im Rahmen der ART man in einem sehr lesenswerten Artikel dass Wirtz mit seinen beiden Arbeiten die die beobachtete Rotverschiebung der Ga­ über Carl Wirtz, den Hilmar Duerbeck und systematische Zunahme der Rotverschie­ laxienspektren plausibler mit einer nicht- Waltraut Seitter 1990 in der Zeitschrift bung mit der Entfernung überzeugend statischen Lösung der einsteinschen Glei­ »Die Sterne« veröffentlichten [3]. Wirtz stellte fest, dass dieses Verhalten der auch dromedagalaxie angab. Dieser wichtige nächste Schritt erfolgte chungen erklärt werden konnte, in der die innerhalb der Messgenauigkeit mit de Sit­ Geometrie des Kosmos expandiert. Solche auch die Steigung für die Relation zwi­ ters Vorhersagen vereinbar waren, betrach­ Lösungen der einsteinschen Gleichungen schen Entfernung und Rotverschiebung. tete Wirtz sein Resultat (wie wir heute wis­ hatte schon zwischen 1922 und 1924 der Es gewinnt, wer alle 16 Felder besucht hat und dann mindestens 5 Produkte auswendig nennen kann. Angebote gelten bis 30. 11. 2009, bzw. solange der Vorrat reicht START nachweisen konnte. Da seine Ergebnisse Aus seinen Daten berechnete Wirtz STM4 STEREO MIKROSKOPE AB 219 € • 3 Paar Objektive (1×,3×,4×) • LED Beleuchtung (oben/unten) • Akkubetrieb ohne Kabel NATURBEOBACHTUNG MICRO-Q DELUX 179 € NEU AB 2 MPIXEL KAMERA MIT SOFTWARE FÜR LIVE ANALYSE VIXEN-LOSMANDY KLEMME 119 € • Abstand • Winkel • Fläche • Zählfunktion • Schärfentiefe-Autokomposit NATURBEOBACHTUNG ASTROFOTOGRAFIE WWW.TELESKOP– WWW.TELESKOP– SCHARFSTELLEN BAHTINOV MASKE NZ LI 1. 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Auch er benutzte für die Rotverschiebungen hauptsächlich Sli­ Trägt man die von Wirtz tabellierten 900 Werte grafisch auf, 800 lässt sich erkennen, 700 dass die Rotver- 600 zunehmender schiebung mit SuW-Grafik/Quelle: Carl Wirtz, Immo Appenzeller mann (1888 – 1925) abgeleitet und in zwei Radialgeschwindigkeit in Kilometer pro Sekunde russische Mathematiker Alexander Fried­ 500 400 300 200 100 0 -100 phers Daten. Die Entfernungen entnahm 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Entfernung anwächst. Die Fehlerbalken geben die statistischen mittleren Fehler an, soweit sie aus den von Wirtz zitierten Ausgangsdaten rekonstruiert werden konnten. 0,6 relative Entfernung [1/Dm] er Listen, die inzwischen Edwin Hubble am Mount Wilson Observatory veröffent­ licht hatte. Mit diesen (indirekt) an Ce­ tung allerdings recht mutig. Lemaître be­ Hubble die Helligkeit der hellsten aufge­ pheiden kalibrierten Daten konnte Lemaî­ nutzte Entfernungsbestim­ lös­ten Einzelsterne als Entfernungskriteri­ tre zum ersten Mal die absolute Steigung mungen sehr unterschiedlicher Qualität um. Dabei nahm er an, dass die hellsten der Helligkeits-Radialgeschwindigkeits- mit dem gleichen Gewicht. Dies führte zu Sterne dieser Galaxien die gleiche absolute Beziehung ableiten. Den Zahlenwert die­ Helligkeit haben wie die hellsten Sterne ser Steigung nennen wir heute »Hubble- hohen statistischen Fehlern. Interessanterweise unterschied sich Le­ Konstante«. Interessanterweise erscheint maîtres Ergebnis trotzdem nicht sehr von worden waren. Die restlichen vier Objekte diese Bezeichnung zuerst 1951 in einer dem Wert, den Edwin Hubble zwei Jahre waren Mitglieder des Virgo-Galaxienhau­ deutschen Publikation von Alfred Behr in später fand. Hubble benutzte in seiner weit fens. Für diese schätzte Hubble die Entfer­ den »Astronomischen Nachrichten« [9]. sorgfältigeren Arbeit von 1929 neben Radi­ nung aus der Helligkeit der hellsten Hau­ Von da wurde sie dann offenbar in die algeschwindigkeiten von Slipher auch fengalaxie englische Fachliteratur übernommen. neue Daten seines Kollegen Milton Huma­ signifikanten und innerhalb der Fehler­ nämlich der Nebel, in denen Cepheiden gemessen ab. Hubble fand einen Lemaître hat also nicht nur als Erster son [10]. Obwohl ihm 46 gute Radialge­ grenzen linearen Zusammenhang der Ra­ die Rotverschiebung der Galaxien richtig schwindigkeiten zur Verfügung standen, dialgeschwindigkeit mit der Entfernung. erklärt, sondern er bestimmte auch als beschränkte sich Hubble für seine Ablei­ Als Steigung gab er »etwa 500 (km/s)/Mpc« Ers­ter die Hubble-Konstante, und zwar zu tung hauptsächlich auf nur 23 Objekte mit mit einer statis­tischen Unsicherheit von 575 Kilometer pro Sekunde und pro Me­ gut bestimmten Entfernungen. Für sieben gaparsec. Wegen der großen Streuung der dieser Objekte lagen Cepheiden-Entfer­ etwa 60 (km/s)/Mpc an. Wie wir heute wissen, beträgt die Hub­ verwendeten Daten war Lemaîtres Ablei­ nungen vor. Für 13 weitere Nebel benutzte ble-Konstante in Wirklichkeit nur etwa Anzeige GRATIS 200 Punkte entsprechen 2 persönlichen Einkäufen in Wien oder Linz (jeweils über 100 €). 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Wirtz wurde daher zu groß und – trotz der kleineren statis­ nachgewiesen werden, dass die von Wirtz, 1937 die Lehrbefugnis entzogen, und er tischen Fehler – absolut nur wenig besser Lundmark, Lemaître, Hubble und anderen verlor zum zweiten Mal in seinem Leben als Lemaîtres Ergebnis. Das lag daran, dass gefundene Beziehung zwischen der Rot­ aus politischen Gründen seine Stelle. Er beide Ableitungen die gleichen, sehr gro­ verschiebung und der Entfernung der Ga­ starb zwei Jahre später in Hamburg. ßen systematischen Fehler enthielten. In laxien definitiv die Folge einer kosmischen In Deutschland geriet Wirtz in den fol­ der Gesamtbilanz fielen die statistischen Expansion ist. Und erst im 21. Jahrhundert genden Jahren relativ schnell in Verges­ Fehler daher vergleichsweise wenig ins konnte das Expansionsgesetz einigerma­ senheit. Zum Teil lag dies daran, dass hier, Gewicht. Die systematischen Fehler wur­ ßen genau bestimmt werden. Auch nach seinen fundamentalen aus mehreren Gründen, die Kosmologie den erst im Laufe der folgenden Jahr­ zehnte erkannt und korrigiert. Es dauerte Veröf­fentlichungen von 1922 und 1924 bergehend keine attraktiven Arbeitsge­ etwa drei Jahrzehnte, bis die Hubble-Kon­ beschäftigte sich Carl Wirtz weiter mit biete mehr waren. Deshalb finden wir stante wenigstens auf einen Faktor zwei Fragen der inzwischen etablierten ex­tra­ mehr Referenzen zu seinen Arbeiten in genau bekannt war. Und man benötigte galaktischen Forschung. Zu seinen be­ amerikanischen und englischen Artikeln weitere fünfzig Jahre, um die Unsicherheit kannteren Beiträgen gehörte ein erster und Lehrbüchern. Ohne Zweifel hat Carl auf einige Prozent zu reduzieren. Versuch, aus Beobachtungen des Virgo- Wirtz aber im ersten Viertel des letzten Haufens die Leuchtkraftfunktion der Ga­ Jahrhunderts, in einer für die Entwicklung laxien abzuleiten. Allerdings wurden die der modernen Kosmologie wesentlichen ohnehin nicht guten Arbeitsbedingungen Phase, eine wichtige Rolle gespielt, die bis Wie Carl Wirtz interpretierte auch Edwin in Kiel für ihn zusehends schwieriger. in die heutige Zeit nachwirkt. Hubble sein Ergebnis von 1929 als eine Be­ Nach der nationalsozialistischen Macht­ stätigung des statischen Weltmodells, das über­nahme musste 1934 Hans Rosenberg, Immo Appenzeller war de Sitter 1917 vorgeschlagen hatte. Alexan­ der Leiter der Kieler Sternwarte und von 1975 bis zu seiner der Friedmanns theoretische Arbeiten und Schwager von Wirtz, die Universität und Emeritierung 2005 Direk- Georges Lemaîtres Interpretation der Ga­ Deutschland verlassen [12]. Aber auch tor der Landessternwarte laxienrotverschiebung als Hinweis auf ein Wirtz geriet schnell in das Visier der neu­ Heidelberg. Zu seinen expandierendes Universum waren Hubble en Machthaber. Er war nämlich ab 1920 jüngsten Publikationen damals wohl noch unbekannt. In den folgenden Jahren erweiterten Mitglied der später verbotenen Sozialde­ gehört das 2009 im Sprin- mokratischen Partei gewesen, und seine ger-Verlag erschienene Hubble und Humason jedoch die Hubble- Frau war Jüdin. Ein »nichtarischer« Ehe­ Buch »High-Redshift Galaxies. Light from the Beziehung zu wesentlich größeren Rotver­ partner war im damaligen Deutschland Early Universe«. Der weitere Weg zur Kosmologie des 21. Jahrhunderts und die extragalaktische Forschung vorü­ schiebungen. Dabei stellte sich schnell he­ raus, dass die beobachtete Beziehung nicht mit dem von de Sitter vorausge­ sagten Verlauf vereinbar war, während sie mit den expandierenden Weltmodellen von Friedmann und Lemaître erklärt wer­ den konnte. Trotzdem fand die Hypothese eines expandierenden Kosmos zunächst wenig Akzeptanz. Auch Hubble war skep­ tisch. Er betrachtete den Vorschlag der »Lichtermüdung«, den sein Schweizer Kol­ lege Fritz Zwicky (der damals ebenfalls in Pasadena arbeitete) 1929 zur Erklärung der Rotverschiebung veröffentlicht hatte, als mindestens ebenso plausibel. Noch 1935 kommt Hubble in einem ge­ meinsamen Artikel mit Richard Tolman zum Ergebnis, dass die astronomischen Beobachtungen es nicht erlaubten, ein­ deutig zwischen einem expandierenden und einem statischen Kosmos zu unter­ scheiden [11]. In der Mitte des 20. Jahrhun­ derts wurde es populär, die Rotverschie­ bung im Rahmen des zwar nicht statischen, aber stationären »Steady-State-Modells« von Hoyle, Bondy und Gold zu erklären Literatur [1] Wirtz, C.: Einiges zur Statistik der Radialbewegungen von Spiralnebeln und Kugelsternhaufen. In: Astronomische Nachrichten 215, S. 349–354, 1922. [2] Wirtz, C.: De Sitters Kosmologie und die Radialbewegungen der Spiralnebel. In: Astronomische Nachrichten 222, S. 21–26, 1924. [3] Duerbeck, H.W., Seitter, W.C.: Carl Wirtz, die extragalaktischen Nebel und die frühe relativistische Kosmologie, Teil I–III. In: Die Sterne 66, S. 3–15, 81–94, 131–139, 1990. [4] Lundmark, K.: The determination of the curvature of space-time in de Sitter's world. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 84, S. 747–770, 1924. [5] Nussbaumer, H.: Achtzig Jahre expandierendes Universum: Wer entdeckte die kosmische Expansion? In: Sterne und Weltraum 6/2007, S. 36–44. [6] Friedman, A.: Über die Krümmung des Raumes. In: Zeitschrift für Physik 10, S. 336–386, 1922. [7] Friedmann, A.: Über die Möglichkeit einer Welt mit konstanter negativer Krümmung des Raumes. In: Zeitschrift für Physik 21, S. 377–386, 1924. [8] Lemaître, G.: Un univers homogène de masse constante et de rayon croissant, rendant compte de la vitesse radiale des nébuleuses extra-galactiques. In: Annales de la Société scientifique de Bruxelles, Série A, 47, S. 49–59, 1927. [9] Behr A.: Zur Entfernungsskala der extragalaktischen Nebel. In: Astronomische Nachrichten 279, S. 97–104, 1951. [10] Hubble, E.: A relation between distance and radial velocity among extra-galactic nebulae. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 15, S. 168–173, 1929. [11] Hubble, E., Tolman, R.C.: Two methods of investigating the nature of the nebular redshift. In: The Astrophysical Journal 82, S. 302–337, 1935. [12] Theis, Ch., et al.: Hans Rosenberg und Carl Wirtz – Zwei Kieler Astronomen in der NS-Zeit. In: Sterne und Weltraum 2/1999, S. 126–130. (siehe Sterne und Weltraum 2/2003, S. 34). 52 November 2009 Sterne und Weltraum www.astronomie-heute.de November 2009 53