Diplomarbeit in Erziehungswissenschaft Sozialpädagogik Ruben Kaster Kultur als Differenzkategorie in der Pädagogik Kontakt: rkaster [ätt] palita.net Version: 1.2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...............................................................................4 1.1 Zum Kulturbegriff in dieser Arbeit.....................................8 2. Differenz und Pädagogik.....................................................16 2.1 Zum Begriff „Kultur“ in der „Interkulturellen Pädagogik“ ..................................................................................................18 2.2 Die historische Entwicklung „Interkultureller Pädagogik“ ..................................................................................................19 2.3 Zum Kulturdiskurs in den Erziehungswissenschaften......24 2.4 Zentrale Kritikpunkte am Kulturkonzept der „Interkulturellen Pädagogik“...................................................29 3. Exkurs: „Nation“, „Ethnizität“, „Rasse“ und „Kultur“........34 3.1 Ethnizität...........................................................................36 3.2 Rasse.................................................................................40 3.3 (Critical) Whiteness..........................................................48 3.4 Verwobenheit von „Nation“ mit „Ethnizität“, „Rasse“ und „Kultur“....................................................................................50 3.5 Die Nation-Form...............................................................51 3.6 Zur Entstehung der deutschen Nation...............................57 4. Theoretische Ansätze...........................................................65 4.1 Reflexive Interkulturalität nach Hamburger.....................67 4.1.1 Kulturbegriff.........................................................68 4.1.2 Ethnizität...............................................................71 4.1.3 Kritik der Interkulturellen Pädagogik...................73 4.1.3.1 Solitaristische Deutungen.............................74 4.1.3.2 Reduktive Betrachtungen..............................75 4.1.3.3 Normale Fremdheit.......................................78 4.1.4 Folgerungen aus der Kritik...................................79 4.2 Migrationspädagogik nach Mecheril................................82 4.2.1 Die Migrationsgesellschaft...................................84 2 4.2.2 Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen 86 4.2.3 Migrationsandere..................................................89 4.2.4 (Mehrfach-)Zugehörigkeiten................................96 4.2.5 Zum Kulturbegriff................................................97 4.2.6 „Interkulturelle Kompetenz“................................98 4.2.7 Dilemma der Anerkennung.................................102 4.2.8 Reflexive Anerkennung......................................107 4.3 Diversity..........................................................................108 4.3.1 Zum Konzept einer Diversity-Pädagogik...........110 4.3.2 Mögliche Fallstricke von Diversity Konzepten..113 4.3.3 Diversity hegemoniale Praxis oder herrschaftskritisches Instrument...................................118 4.4 Intersektionalität.............................................................121 5. Fazit....................................................................................127 5.1 Folgerungen für pädagogische Praxis.............................127 5.2 Folgerungen für die pädagogische Theorie.....................139 5.3 Resümee..........................................................................144 6. Literatur..............................................................................147 3 1 Einleitung Migration stellt ein für moderne Gesellschaften bedeutendes Phänomen dar. Aufgrund der nationalstaatlichen Ordnung der modernen Welt, fällt insbesondere der Migration zwischen Nationalstaaten eine große Bedeutung zu. Diese Form der Migration geht mit spezifischen Unterscheidungen einher und stellt die pädagogische Theorie und Praxis vor zu bearbeitende Fragen. Seit den 1980er Jahren beschäftigen sich Pädagog_innen in einer „interkulturellen“ migrationsgesellschaftlichen Bedeutung werden Perspektive Fragen. hierbei mit Eine entscheidende „kulturellen Differenzen“ zugeschrieben. In dieser Arbeit werde ich der Frage nachgehen, wie in der Pädagogik beziehungsweise den Erziehungswissenschaften seit Beginn der Debatten um „Interkulturalität“, „Kultur“1 als 1 Im Folgenden werde ich die Begriffe „Kultur“, „interkulturell“, „kulturelle Differenzen“, etc. in Anführungszeichen setzten, um auf den Konstruktionscharakter von „Kultur“ hinzuweisen und mich gleichzeitig vom hegemonialen, essentialisierenden und homogenisierenden Gebrauch von „Kultur“ zu distanzieren. 4 Differenzkategorie genutzt wird beziehungsweise wurde, wie sie problematisiert wurde und welche kritischen Umgangsweisen mit der Kategorie entwickelt wurden. Um dies herauszuarbeiten, beschäftige ich mich in Abschnitt 2 „Differenz und Pädagogik“ zunächst damit, wie in „interkulturellen“ Konzepten „Kultur“ als Differenzkategorie genutzt wird. Dazu soll die geschichtliche Entwicklung der „Interkulturellen Pädagogik“ skizziert werden, um eine historische Einordnung zu ermöglichen und vorhandene Einflüsse auf das Kulturkonzept zu identifizieren. Im darauf folgenden Teil soll die Verwobenheit der „Interkulturellen Pädagogik“ in herrschende Diskurse über „Kultur“ betrachtet werden. Dabei wird auch auf einer allgemeinen Ebene auf die Funktionen eingegangen, welche mit den herrschenden Kulturdiskursen verbunden sind. In einem ersten Zwischenfazit werden anschließend die zentralen Kritikpunkte zusammengefasst und damit eine erste Problematisierung des Kulturbegriffs der „Interkulturellen Pädagogik“ vorgenommen. 5 Anschließend folgt im dritten Teil ein Exkurs, welcher sich mit den Verschränkungen von „Kultur“, „Ethnizität“, „Nationalität“ und „Rasse“ auseinandersetzt. Diese stellen zentrale Begriffe dar, welche mit dem Kulturverständnis der „Interkulturellen Pädagogik“ implizit verbunden sind. Neben der Einordnung der Begriffe sollen an dieser Stelle deren Verwendungsweisen in hegemonialen Diskursen und damit mögliche diskursive Verstrickungen „Interkultureller Pädagogik“ geklärt werden. Abschnitt 4 beschäftigt sich mit theoretischen Ansätzen, welche kritisch an die „Interkulturelle Pädagogik“ anschließen und dabei den Kulturbegriff selbst nicht verwerfen, aber problematisieren. Diese Ansätze werden zunächst daraufhin befragt, wie sie „kulturelle Differenz“ thematisieren und fassen, aber auch problematisieren. Dabei wird deutlich wie beziehungsweise ob sich die Ansätze bei ihrer Thematisierung von „Kultur“ als Differenzkategorie von Ansätzen der „Interkulturellen Pädagogik“ unterscheiden. So wird an dieser Stelle unter Anderem auf die Verknüpfungen von „Kultur“ mit Macht-, Herrschafts6 und Dominanzverhältnissen eingegangen. Die weitgehende Dethematisierung dieser Verhältnisse ist, wie später noch erläutert wird, einer der zentralen Vorwürfe gegen den Kulturbegriff der „Interkulturellen Pädagogik“. Anschließend wird zu prüfen sein, welche Perspektiven die einzelnen vorgestellten Ansätze für die Erziehungswissenschaften und auch die pädagogische Praxis in der Migrationsgesellschaft aufzeigen. Im abschließenden Fazit werde ich prüfen, inwiefern die Ergebnisse aus der Beschäftigung mit dem einzelnen Ansätzen sich zu einer zusammenhängenden Perspektive verknüpfen lassen und verschiedene daraus resultierende Schlussfolgerungen ziehen. Den Ausgangspunkt der Betrachtungen in dieser Arbeit stellt Deutschland und die deutschsprachige erziehungswissenschaftliche Debatte dar, sie beschränkt sich jedoch nicht nur auf diese. 7 1.1 Zum Kulturbegriff in dieser Arbeit Im Zentrum dieser Arbeit steht der Begriff "Kultur". Dieser ist in hegemoniale Diskurse über "die Anderen" eingebunden (vgl. Anschnitt 2.3), welche sowohl auf das Alltagsverständnis von Menschen, als auch auf das Verständnis von „Kultur“ innerhalb der pädagogischen Theorie und Praxis Auswirkungen haben. Gerade im Bezug auf Migrant_innen ist der Begriff zu einem "bevorzugten 'Fremdmacher'" (Messerschmidt 2008, S. 7) geworden. Dies macht deutlich, dass es sich bei „Kultur“ um eine problematische soziale Kategorie handelt. So werden anhand von „kultureller Differenz“ Unterschiede festgeschrieben, welche mit der Reproduktion von sozialen Ungleichheitsverhältnissen verschränkt sind. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit „Kultur“ als Arbeitsbegriff verstanden, auf welchen zur Analyse vorhandener Verwendungsformen nicht verzichtet werden kann. Diese Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit dem 8 Kulturbegriff innerhalb der pädagogischen Theorie und Praxis. Nun stellt sich zunächst die Frage, ob es für die Erziehungswissenschaften beziehungsweise für die „Interkulturelle Pädagogik“ denn überhaupt sinnvoll ist, weiterhin mit dem Begriff „Kultur“ zu arbeiten oder ob auf diesen aufgrund der damit verbundenen Problematiken am besten ganz verzichtet werden sollte. Gegen einen Verzicht auf den Begriff beziehungsweise die Kategorie „Kultur“ sprechen die schon oben angesprochenen realen Folgen des wirkmächtigen, machtvollen Konstrukts „Kultur“ als Differenzkategorie (vgl. Mecheril / Plößner 2009, S. 9). Das Ignorieren „kultureller Kategorien“ führt nicht zu deren Verschwinden. So wird beispielsweise die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer „kulturellen Herkunft“ nicht aufhören, wenn Pädagog_innen2 nicht mehr 2 Ich nutze in dieser Arbeit mit der „Gender Gap“ eine Schreibweise, welche nicht nur die zwei Geschlechter Frau und Mann berücksichtigt, sondern durch den „_“ (Unterstrich) auch Platz für weitere Geschlechter schafft, die sich nicht in der binären Geschlechterordnung verorten lassen oder lassen wollen. Diese müssen bei anderen verbreiteten Schreibweisen unberücksichtigt bleiben, was indirekt die herrschende Logik der Zweigeschlechtlichkeit und damit verbundene Macht- und Dominanzverhältnisse stützt. 9 von kulturellen Zugehörigkeiten sprechen. Zudem dürfen gerade in der Pädagogik die mit „Kultur“ verbundenen identitären Selbstverständnisse nicht einfach übergangen werden. Vielmehr kann „kulturelle“ „Differenz [welche R.K.] als Ausdruck der Individualität beansprucht wird, […] insbesondere in pädagogischen Interaktionen mit Anerkennung rechnen“ (Hamburger 2009, S. 126). Die Wahl „kultureller“ Zugehörigkeiten sollte demnach in der Hand des einzelnen Menschen selbst liegen. Noch einen weiteren Aspekt spricht Franz Hamburger in seinem Buch „Abschied von der Interkulturellen Pädagogik“ (2009) an. Die „Selbstethnisierung“ (Hamburger 2009, S.115) verstanden als „Identifikation mit einem kulturell definierten Kollektiv“ (ebd., S.116), also der aktive Bezug auf „kulturelle“ Differenzen, kann gerade für Minderheitsangehörige auch eine Schutzfunktion haben, beispielsweise bei der Verarbeitung von Diskriminierungserfahrungen oder aber bei Kämpfen um soziale Rechte oder kollektive Güter. Ein sehr konkretes aktuelles Beispiel bietet die „Roma Garde“, welche von ungarischen Roma in der Stadt Pecs als Reaktion 10 auf die auch nach ihrem Verbot weiterhin aktiven nationalistische und rassistische „Ungarische Garde“ gegründet wurde (vgl. APA 2012). Diese dient offensichtlich als Gegenmacht und soll Minderheiten den Schutz bieten, welchen die staatlichen Behörden anscheinend nicht bieten können. Ein weiteres Beispiel stellt auch die aktuelle Debatte um „Asylmissbrauch“ dar, welche vom deutschen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) angestoßen wurde. Gerade aufgrund ihrer Selbstethnisierung beziehungsweise ihrer Organisation als „Roma“ im Zentralrat der Roma können sich „Roma“ an dieser Debatte aktiv beteiligen. Erst durch diese Form der Organisation bekommt die Stimme „der Roma“ ein Gewicht. So ist der Vorsitzende des „Zentralrates der Sinti und Roma“ Romani Rose mit seiner Position in den Massenmedien vertreten (vgl. o.A. 2012). Ohne eine in Deutschland anerkannte Organisationsform wie der „Zentralrat der Sinti und Roma“ würde diese Position wahrscheinlich keine größere Beachtung in der Öffentlichkeit finden. Beide Beispiele weisen jedoch auch darauf hin, dass die 11 Betroffenen wenig beziehungsweise keine Wahl bei der Entscheidung für die entsprechende „kulturelle“ Zugehörigkeit haben. Grundlage für die Beschränkung der Wahlmöglichkeiten ist ein verbreitetes statisches und essentialisierendes Kulturverständnis, welches „Kulturen“ als homogene Blöcke konzeptionalisiert (vgl. Kalpaka 2005, S. 391f). Anhand dieser Blöcke beziehungsweise Kollektive, in der Regel werden diese als „Ethnien“ oder „Nationen“ imaginiert, können Menschen entsprechend der „eigenen“ oder eben der „fremden Kultur“ zugeordnet werden. Karin Reindlmeier folgend werde ich deshalb einen offenen und dynamischen Kulturbegriff verwenden, welcher „Kulturen“ als widersprüchlich und veränderbar begreift und die aktive Rolle der Subjekte bei der Aneignung und Veränderung von „Kulturen“ betont (vgl. Reindelmeier 2006, S.258f). Außerdem, so Karin Reindlmeier, muss „Kultur“ immer als soziale Praxis verstanden werden (vgl. ebd., S.259), was hilft, einer Verdinglichung3 von „Kulturen“ vorzubeugen 3 „Verdinglichung bedeutet, menschliche Phänomene aufzufassen, als ob 12 (vgl. Hamburger 1994, S.37). Aufgrund der weit verbreiteten Annahme „Kultur“ sei gleich zu setzten mit „Nationalkultur“ beziehungsweise der „Kultur“ einer „Ethnie“4, wird an dieser Stelle zudem darauf verwiesen, dass ein Individuum immer an mehreren „Kulturen“ partizipiert (Hamburger 2009, S. 110). Gabriele Khan-Svik verdeutlicht in ihrem Buch „Kultur und Ethnizität als Forschungsdimensionen“ (2008) mit einer bildlichen Darstellung die kulturellen Einflüsse auf ein Individuum. Diese (Abbildung 1) macht die Verwobenheit des Individuums in verschiedenste soziale Felder und die damit verbundenen „Kulturen“ deutlich. Sowohl die Felder selbst als auch ihre Positionen sind fiktiv, andere Felder und Positionen derselben sind denkbar. Dabei sollte nicht vergessen werden, 4 sie Dinge wären, das heißt als außer- oder gar übermenschlich. […] Verdinglichung ist die Auffassung von menschlichen Produkten, als wären sie etwas anderes als menschliche Produkte: Naturgegebenheiten, Folgen kosmischer Gesetze[...]“ (Berger / Luckmann 2007, S. 94F, Hervorhebung im Original) Auch der Begriff „Ethnie“ wird, um auf dessen Konstruktionscharakter hinzuweisen und zur Distanzierung von einem verbreiteten essentialisierenden Gebrauch dieser Kategorie in Anführungszeichen gesetzt (vgl. Abschnitt 3.1 und 3.5). 13 dass das Individuum nicht nur kulturellen Einflüssen aus diesen Feldern ausgesetzt ist, sondern die jeweiligen „Kulturen“ aktiv mitgestaltet und kulturelle Einflüsse auch wählen und ignorieren kann. Dieses Bild verdeutlicht die Komplexität der Eingebundenheit von Individuen in verschiedene gesellschaftliche Felder, welche immer auch „kulturelle Kontexte“ darstellen, aber eben auch Auswahlmöglichkeiten des Individuums. Abbildung 1: kulturelle Einflüsse (Khan-Svik 2008, S.54) 14 die Hiermit soll die Darstellung des „Kulturbegriffs“ beendet werden, welcher als Hintergrundfolie für die folgende Beschäftigung mit dem Kulturkonzept „Interkulturellen Pädagogik“ dienen soll. 15 2 Differenz und Pädagogik Die Debatten über Ungleichheit und damit über Differenz innerhalb des Bildungsystems sind nicht neu. Marianne Krüger-Potratz und Helma Lutz datieren deren Beginn auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts (vgl. Krüger-Potratz / Lutz 2002, S. 82). Damals kam es zur Einführung der Massenschule. Entsprechend der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse rückten seitdem unterschiedliche Differenzen in das Zentrum der Debatten. Die für das Thema dieser Arbeit interessanten Entwicklungen innerhalb der deutschsprachigen Erziehungswissenschaften begannen mit dem Ende der Diskussionen um die Bildungsreform zu Beginn der 1970er Jahre. Damals kam es zur Herausbildung erziehungswissenschaftlicher Fachrichtungen, welche sich auf spezielle benachteiligte Zielgruppen („Frauen“, „Behinderte“, „Ausländer“) bezogen. Innerhalb dieser Fachrichtungen, der „Frauenforschung“, der „Sonderpädagogik“ und der „Ausländerpädagogik“ rückten entsprechend der jeweiligen Zielgruppe die Differenzen Geschlecht, Gesundheit und Fremdheit beziehungsweise 16 „kulturelle“ und / oder „ethnische“ Zugehörigkeit in den Blick (vgl. Krüger-Potratz 1999, S. 150). Alle drei Fachrichtungen änderten im Verlauf ihrer Entwicklung ihre Bezeichnung, aus der Frauenforschung wurde die „Geschlechterforschung“, aus der Sonderpädagogik entwickelte sich die „Integrationspädagogik“ und die Ausländerpädagogik wurde zur „Interkulturellen Pädagogik“. Damit wurde einem Wechsel der Perspektive weg von Defizit hin zu Differenz Rechnung getragen, der von einer differenzierten Auseinandersetzung mit sozialen Kategorien zeugt, welcher jedoch bei allen drei Fachrichtungen bis heute nie vollständig vollzogen wurde. Vielmehr existieren beide Perspektiven bis heute parallel nebeneinander (vgl. Lutz / Wenning 2001, S. 15 und Mecheril 2011, S. 60f). Die Folge dieser Entwicklungen war eine Ausdifferenzierung der Diskussionen um Differenz und Ungleichheit innerhalb der Erziehungswissenschaften, welche in den 1960er und 1970er Jahren noch vor allem an „Klasse“ als Leitdifferenz orientiert waren (vgl. Krüger-Potratz / Lutz 2002, S. 82f). Im Folgenden soll nun näher 17 auf die erziehungswissenschaftliche Fachrichtung der „Interkulturellen Pädagogik“ und die ihr zugrunde liegenden sozialen Kategorie „Kultur“ eingegangen werden. 2.1 Zum Begriff „Kultur“ „Interkulturellen Pädagogik“ in der Der Kulturbegriff stellt die zentrale Bezugsgröße in den Debatten rund um die „Interkulturelle Pädagogik“ dar. Jedoch muss zunächst festgestellt werden, dass innerhalb des pädagogischen Diskurses um „Interkulturalität“ implizit und explizit auf verschiedene Kulturbegriffe zurückgegriffen wird (vgl. Khan-Svik 2008, S.60ff). Es gibt also nicht den einen Kulturbegriff der „Interkulturellen Pädagogik“. Es lassen sich jedoch grundlegende, problematische Prämissen beim Umgang mit „Kultur“ herausarbeiten, welche innerhalb der Debatten um „Interkulturelle Pädagogik“ von Bedeutung sind. Die Annahme, dass zwei (oder auch mehrere) „Kulturen“ sich als Einheiten gegenüber stehen und zwischen diesen Beziehungen aufgebaut werden, drängt sich schon aufgrund der Bezeichnung „interkulturell“ auf. Konkreter 18 werden grundlegende Annahmen „Interkultureller Pädagogik“ jedoch durch einen Blick auf deren Entstehungsgeschichte und diskursive Verwobenheit in dominante Kulturdiskurse. 2.2 Die historische Entwicklung „Interkultureller Pädagogik“ Die historische Entwicklung „Interkultureller Pädagogik“ ist ein Anhaltspunkt für die später kritisierte, essentialisierende und kulturalisierende Verwendung von Kultur innerhalb „interkultureller“ Theorien und Praxen, welche „Kulturen“ als geschlossene und sich einander gegenüberstehende Einheiten fassen. Die „interkulturelle“ Theoriebildung in der Pädagogik beziehungsweise Erziehungswissenschaft folgte in den 1980er Jahren als kritische Reaktion auf die im Nachhinein als „Ausländerpädagogik“ zusammengefassten Ansätze. Mit „ausländerpädagogischen“ Konzepten, Arnd-Michael Nohl spricht in diesem Zusammenhang von „Assimilationspädagogik“ (Nohl 2010, S.11), wurde in den 1970er Jahren5 auf die „nicht mehr zu vernachlässigende“ 5 1964 hat die Kultusministerkonferenz beschlossen, dass auch 19 Anzahl an „ausländischen“ Kindern und den mit damit verbundenen Entwicklungen in deutschen Schulen reagiert (vgl. Mecheril 2010, S.56f). Es handelt sich also um den Versuch den nicht ganz neuen migrationsgesellschaftlichen Differenzverhältnissen gerecht zu werden. Hierbei wurden in erster Linie die „Defizite“ der „Ausländerkinder“ zum Anlass genommen besondere Fördermaßnahmen zu entwickeln. Die assimilationspädagogischen Konzepte richteten sich auch an erwachsene Migrant_innen, so wurden zu dieser Zeit beispielsweise sozialpädagogische (Sonder-) Institutionen eingerichtet, welche sich ausschließlich an „ausländische“ Adressat_innen richteten. Die in den 1980er Jahren im Hinblick auf diese „Defizitorientierung“ laut werdende Kritik ist grundlegende Bedingung für den Perspektivwechsel hin zur „Interkulturellen Pädagogik“6. Nicht mehr die zu kompensierenden „Defizite“ 6 „ausländische“ Kinder der Schulpflicht unterliegen, und zwar in Reaktion auf das 1960 verabschiedete UNESCO „Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen“ (vgl. Nohl 2010, S.23) Arnd-Michael Nohl spricht in diesem Zusammenhang von „klassischer interkultureller Pädagogik“. Ich verzichte auf das „klassisch“, weil die weiterführenden Konzepte (Migrationspädagogik, Reflexive interkulturelle Pädagogik, etc.), auf die ich in dieser Arbeit eingehen 20 von Migrant_innen sondern „(kulturelle) Differenz“ und damit einhergehende Forderungen nach Toleranz und Anerkennung rücken ins Zentrum der Debatten, während - „ausländerpädagogische“ Paradigmen nie ganz verschwanden (vgl. Mecheril 2010, S.61 und Leiprecht 2001, S.25). Die „Ausländer_innen“ wurden in dieser Perspektive nicht mehr als defizitär, sondern im Sinne des Differenzansatzes als „anders“ betrachtet, eben mit anderen Kompetenzen als die „Deutschen“. Wie die Bezeichnung „Interkulturelle Pädagogik“ nahelegt, wurde bei der Betrachtung der migrationsgesellschaftlichen Differenz in erster Linie der Kategorie „Kultur“ Bedeutung beigemessen. Zentrale Aufgabe einer daraus folgenden Pädagogik ist es, Menschen dazu zu befähigen, vernünftig mit „kulturellen Differenzen“ umzugehen. Hierbei werden beziehungsweise wurden Nicht-Migrant_innen im Gegensatz zu „ausländerpädagogischen“ Ansätzen explizit mit werde und welche meist unter „Interkultureller Pädagogik“ gefasst werden (vgl. Nohl 2010, S. 11) spezifischere Eigennamen haben. Spreche ich im Folgenden über „Interkulturelle Pädagogik“, verstehe ich darunter das Konzept, welches Arnd-Michael Nohl als „klassische interkulturelle Pädagogik“ bezeichnet. 21 eingeschlossen (vgl. Krüger-Portratz 1999, S.155ff). Dass gerade, wenn es um Nationalstaatsgrenzen überschreitende Migration und damit zusammenhängende Phänomene geht, auf die Kategorie „Kultur“ zurückgegriffen wird, zeigt, dass zumindest implizit von einer Verbindung zwischen „Nation beziehungsweise Ethnie und Kultur ausgegangen wurde“ (Khan-Svik 2008, S.88f). Die Grenzen von „Nationen“ beziehungsweise „Ethnien“ scheinen in diesem Verständnis auch die der „Kulturen“ zu sein. Franz Hamburger stellt in der „Pädagogik der Einwanderungsgesellschaft“ (1994) fest, dass die Annahme laut welcher „Migrantenkinder [...] sich in einer interkulturellen Situation“ (Essinger / Hellmich 1981, S.98, zitiert nach Hamburger 1994, S.37) befinden und „ihre Sozialisation […] zwischen zwei Kulturen“ (ebd.) verläuft von der „Interkulturellen Pädagogik“ unbefragt aus dem Alltagsverständnis übernommen wird. Das den Ansätzen „Interkultureller Pädagogik“ zugrunde liegende Gesellschaftsmodell stellt die „multikulturelle Gesellschaft“ dar. Die verschiedenen „Kulturen“, welche in 22 diesem Modell innerhalb einer Gesellschaft (die in diesem Zusammenhang als Synonym für Nationalstaat gefasst werden kann) zusammen existieren, werden hier verstanden als die „Kulturen“ verschiedener „Ethnien“. Dass es innerhalb eines Nationalstaats mehr als eine „Kultur“ gibt, wird also in erster Linie auf die Einwanderung zurückgeführt (vgl. Nohl 2010, S.75ff). Mit diesem Verständnis von „Kultur“ knüpft die „Interkulturelle Pädagogik“ an hegemoniale Diskurse über (nationale) Zugehörigkeit an, welche mit Macht-, Herrschaftsund Dominanzverhältnissen verknüpft sind. Auf diesen Zusammenhang werde ich im folgenden Abschnitt näher eingehen. 2.3 Zum Kulturdiskurs Erziehungswissenschaften in den Nun haben die Pädagog_innen ein solches Kulturverständnis nicht erst erfunden, sondern knüpfen damit an einen hegemonialen Kulturdiskurs an, welchen Thomas Höhne im Hinblick auf die „Interkulturelle Pädagogik“ nachgezeichnet 23 und analysiert hat. Aus einer diskursanalytischen Perspektive macht Thomas Höhne den Konstruktcharakter von „Kultur“ deutlich und eröffnet damit auch Perspektiven für eine Kritik. Zunächst stellt er fest, dass der Kulturbegriff aufgrund der Vielzahl von Verwendungsweisen „als Gegenstand unklar und als analytischer Begriff unscharf ist“ (Höhne 2001, S.197), was erklärt, warum es unterschiedlichste Definitionen von „Kultur“ gibt. Moderne „Kulturen“ sind, so Thomas Höhne, als Ergebnis von Vergleichen unvergleichbarer Lebensweisen zu betrachten. Damit der Vergleich gelingt, muss die Identität der „eigenen Kultur“ und der „fremden Kulturen“ vorausgesetzt werden, welche paradoxer weise „in der Praxis des Vergleichens selbst“ (ebd., S. 198) produziert wird. Die Kontingenz der menschlichen Lebensformen gerät dementsprechend aus dem Blick (vgl. ebd., S. 198 – 200). Eine spezifische Bedeutung erhält „Kultur“ erst durch die Verbindung mit anderen Merkmalen wie beispielsweise „Rasse“, „Geschlecht“ oder „Klasse“. Durch diese Verbindung werden voneinander unterschiedene „Kollektivsubjekte“ (ebd., 24 S. 199) konstruiert. Als zentral für diese Verbindung ist laut Thomas Höhne der „Bezug auf die 'Nation-Form' (Balibar 1990a, S. 107ff.)“ (ebd.) (vgl. Balibar 1992a; Abschnitt 4.5). Innerhalb der Nation-Form kommt es, laut Thomas Höhne, durch die Konstruktion verschiedener Kollektivsubjekte zur „Festschreibung des 'Eigenen' und des 'Fremden'“ (ebd.), womit laut Thomas beziehungsweise der „Fremddefinition“ Höhne die Grunddifferenz Kulturdiskurs(e) (ebd., S.200) benannt des ist. Die beziehungsweise die Definition des „Anderen“ stellt also, so Höhne, das zentrale Merkmal von Kulturdiskursen dar. In Johann Gottfried Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ wird laut Thomas Höhne erstmals die Vorstellung von „Kulturen“ als voneinander unabhängigen, einheitlichen Gebilden entwickelt (vgl. auch Terkessidis 2002, S.31 und Osterloh / Westerholt 2011, S. 412). Diese „Kulturen“ mit ihrer je eigenen „unverwechselbaren Identität und Individualität“ (ebd., S.199) sind hier mittels eines allgemeinen, auf Humanität ausgerichteten Kulturbegriffs vergleichbar. Die Grundzüge Herders Kulturbegriffs sind bis 25 heute in dominanten Kulturdiskursen vorhanden. Mit der weiter oben „ausländerpädagogischer“ angesprochenen Konzepte von Seiten Kritik der „Interkulturellen Pädagogik“ und dem damit einhergehenden thematischen Wechsel, welcher die Migrationsanderen (vgl. Abschnitt 4.2.3) in erster Linie eben als „Andere“ fasste, wuchs die Bedeutung (Differenz-)Kategorie. von „Kultur“ Andere als analytischer Differenzkategorien, wie beispielsweise die „Klasse“ rückten in den Hintergrund. In diesem Zusammenhang wurde, wie Thomas Höhne schreibt, in den 1980er Jahren von den Erziehungswissenschaften „ein unreflektierter ethnologischer Kulturbegriff“ (ebd., S.201) übernommen, welcher zur Grundlage des Diskurses über die „Multikulturelle Gesellschaft“ wurde. Als unreflektiert gilt der Begriff, weil er in der Ethnologie zu dieser Zeit schon kritisiert und entsprechend anders gefasst wurde. So hatte sich in der Ethnologie der 1980er Jahre die Einsicht durchgesetzt, dass es sich bei der Beschreibung von beobachteten Kulturen nicht nur um ein analytisches Dekodieren handelt, sondern auch immer um ein Enkodieren 26 von Seiten der Beobachtenden (vgl. ebd., S.201), was erziehungswissenschaftliche Theoretiker_innen laut Thomas Höhne nicht berücksichtigten. Dieser Kulturbegriff führte unter Anderem dazu, dass Vorstellungen wie „Natürlichkeit“, „Homogenität“, „Eindeutigkeit“ usw. aus dem nach 1945 problematisierten Rassediskurs im erziehungswissenschaftlichen Diskurs um „Kultur“ Aufnahme fanden (vgl. S. 202). Dieser Kulturbegriff trug unter Anderem zum „Verschwinden des Sozialen“ (ebd., S.204) bei und ermöglichte auch weitere Differenzen neben der „kulturellen“ Differenz auszublenden. So konnten gesellschaftlich anerkannte Erklärungsmuster, welche sich beispielsweise zur Erklärung von Konflikten auf „kulturelle“ Differenzen stützten, ökonomische, rechtliche oder auch politische Gründe, sowie andere Differenzlinien ausblenden (vgl. ebd., S. 204). Die Vielzahl der Verwendungsmöglichkeiten des Begriffs „Kultur“ (beispielsweise „Diskussionskultur“, „Esskultur“, „politische Kultur“ aber auch „deutsche, türkische, griechische Kultur“ etc.) ist bedingt durch dessen Unklarheit und 27 Abstraktheit. Diese Eigenschaften des Kulturbegriffs bilden die Grundlage zur Identitätsbildung durch Homogenisierung von Differentem nach Heterogenisierung innen von und Differenzsetzung Ähnlichkeiten nach durch außen. Dichotomien wie „Wir / die Anderen“ stellen dementsprechend ein Ergebnis des hegemonialen Kulturdiskurses dar (vgl. ebd., S. 208f). Durch das Fassen des Kulturbegriffs als Produkt eines beziehungsweise mehrerer Diskurse wird er als gesellschaftliche Konstruktion begreifbar und bietet damit einen Anhaltspunkt für dekonstruktive Strategien, jedoch darf nicht die soziale Wirkmächtigkeit außer acht gelassen werden. Konstruierte „kulturelle Differenzen“ haben durchaus ganz reale Folgen, wie zum Beispiel in Form von sozialer Ungleichheit und Diskriminierung, aber auch in Form selbstgewählter „identitäre[r] Selbstverständnisse“ (Mecheril / Plößer 2009, S.9). 28 2.4 Zentrale Kritikpunkte am Kulturkonzept der „Interkulturellen Pädagogik“ Die in den vorherigen Abschnitten schon thematisierten Kritikpunkte am Kulturkonzept „interkultureller“ Ansätze sollen an dieser Stelle systematisiert und miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Eine grundlegende problematische Prämisse des in der „Interkulturellen Pädagogik“ verbreiteten Kulturverständnisses ist der meist implizite Bezug auf Migrant_innen. Dieser Bezug wird unter Anderem an der Vorstellung deutlich, dass sich die „multikulturelle Gesellschaft“ und die mit ihr verbundenen Herausforderungen aufgrund von - die Grenzen von Nationalstaaten überschreitenden - Migrationsprozessen entwickelt haben soll (vgl. Iben 1991, S. 32). Wie Paul Mecheril bemerkt, stellt die von der „Interkulturellen Pädagogik“ in den Fokus genommene „kulturelle Differenz“ eigentlich eine „migrationsgesellschaftliche Differenz“ (Mecheril 2010, S. 63) dar. Nun ist jedoch für die „Interkulturelle Pädagogik“ gerade nicht die umfassende Thematisierung von 29 Differenzen kennzeichnend, welche für Migrat_innen von Bedeutung sind, vielmehr wird durch Begriffe wie „Interkulturelle Pädagogik“ und „Interkulturelles Lernen“ nahegelegt, dass gerade „Kultur“ die zentrale Differenz darstellt, wenn es um den Zusammenhang von Bildung und Migration geht. Genau diese Fixierung auf „Kultur“ und „kulturelle Differenz“ in Verbindung mit Migrationsphänomenen stellt einen der zentralen Kritikpunkte an der „Interkulturellen Pädagogik“ dar. Die problematischen Folgen dieser Fixierung sind Kulturalisierungen7, welche Karin Reindlmeier definiert als „die Tendenz, dass sowohl die Verhaltensweisen von Individuen als auch gesellschaftliche Verhältnisse kulturell interpretiert und auf diesen Aspekt reduziert werden“ (Reindelmeier 2006, S.236f). Andere Differenzen sowie soziale und ökonomische Ursachen, aber auch gesellschaftliche Macht- und Dominanzverhältnisse zwischen Mehr- und Minderheiten rücken aus dem Blick und vorhandene Ungleichheiten werden stabilisiert (ebd., S. 236f). 7 Siehe auch Kalpaka 2005 S. 387Ff, Mecheril 2010, S. 62ff und S. 84ff, Hamburger 2009, S. 122ff,, Kahn-Svik 2008, S .57, Messerschmidt 2008, S. 11ff 30 Die vermeintlichen Vorteile von Kulturalisierungen in Pädagogik und Erziehungswissenschaft liegen auf der Hand. Sie bieten die Möglichkeit, die Komplexität von Situationen in gesellschaftlich anerkannter Weise zu reduzieren (vgl. Kalpaka 2005, S. 396) und so Handlungssicherheit zu schaffen. Eine Folge solcher reduktiver Betrachtungen kann die Essentialisierung (Wesenszuschreibung) von Gruppen und Individuen durch „Kultur“ sein. Eine Anerkennung „kultureller Differenz“ von Migrant_innen läuft immer Gefahr, diese als („kulturell“) „Andere“ zu (re-)produzieren. Diese „Anderen“ stehen in gesellschaftlich hegemonialen Diskursen einem angeblich homogenen (nationalen) „Wir“ entgegen. Migrant_innen werden so in eine gesellschaftlich marginalisierte Position gedrängt, Möglichkeiten selbst über Zugehörigkeiten zu bestimmen werden verschlossen. Auch im „kulturellen“ Rassismus sind Kulturalisierungen von Bedeutung. Nach Etienne Balibar handelt es sich hierbei um einen „Rassismus ohne Rassen“ (Balibar 1992b, S.28). Vermeintliche biologische Merkmale einzelner 31 Gruppen werden bei dieser Form des Rassismus durch die „Unaufhebbarkeit […, ihrer R.K.] kulturellen Differenzen“ (ebd.) ersetzt. Somit werden gesellschaftliche (Ungleichheits-)Verhältnisse durch eine als statisch imaginierte „Kultur“ naturalisiert, welche die Menschen innerhalb der einzelnen „kulturell homogenen“ Gruppen determinieren soll. Die „Kulturen“ gelten dabei als unvereinbar, was die Forderungen nach „kulturell“ homogenen Gruppen stützt und damit auch die „'Rückführung' von Eingewanderten zum Schutz 'beider Seiten'“ (Kalpaka 2005, S. 393) begründet. Als Gruppen werden hierbei meist Nationen bezeichnet. Diese Zusammenhänge werden schon seit längerem problematisiert, weshalb „interkulturelle“ Konzepte sich oft explizit auf einen dynamischen Begriff von „Kultur“ beziehen. Implizit wird jedoch häufig ein statischer Kulturbegriff beibehalten, indem die Grenzen von „Kulturen“ entlang von „Nationalitäten“ oder „Ethnizitäten“ gezogen werden (vgl. Höhne 2001, S. 210f). Ein impliziter, statischer Kulturbegriff kommt meist dann wieder zum tragen, wenn konkrete Methoden und Übungen ins Spiel kommen (vgl. Reindlmeiner 32 2006, S. 237f). Wie in den vorangegangenen Abschnitten schon deutlich wurde, wird der Begriff „Kultur“ oft in Verknüpfung mit „Nationalität“, „Rasse“ und auch „Ethnizität“ beziehungsweise „Ethnien“ gebraucht. Diese Verknüpfungen sollen im nächsten Abschnitt eingehend herausgearbeitet werden. 3 Exkurs: „Nation“, „Ethnizität“, „Rasse“ und „Kultur“ Die weit verbreitete Annahme, dass „kulturelle Differenzen“ 33 gerade zwischen Menschen aus unterschiedlichen Ländern beziehungsweise dann, wenn nationale Grenzen überquert werden, ein zentrales Thema sind, ist erklärungsbedürftig. Im folgenden Abschnitt werde ich auf diese Thematik eingehen und sie unter Anderem aus staatstheoretischer Sicht beleuchten, da die zentrale Rolle moderner Nationalstaaten bei der Konstruktion dieser Differenzen als evident erscheint. So schreibt Paul Mecheril, „die formelle und informelle Erzeugung des Migranten, so wie wir ihn gegenwärtig kennen, ist […] an die nationalstaatliche Ordnung gebunden“ (Mecheril 2010, S.42). Einwanderung stellt das „ethnische Projekt gesellschaftlicher Zugehörigkeit“ (Messerschmidt 2008, S.5f) und damit die nationalstaatliche Zugehörigkeitsordnung in Frage (vgl. auch Mecheril 2010, S.12). Um die dominante Zugehörigkeitsordnung zu schützen, werden die Grenzen zwischen dem „Wir“ und den „Anderen“ immer wieder neu gezogen. Einwanderung wird in diesem Zusammenhang immer als Einwanderung in einen Nationalstaat gedacht, und die („kulturell“) „Anderen“ oder auch die „Fremden“ sind in 34 diesem Zusammenhang folglich die „Ausländer_innen“, das heißt Einwanderer beziehungsweise die- _ derjenige, die _ der dafür gehalten wird. Diese Vorstellungen vom „Anderen“ beziehungsweise „Fremden“ gehören auch wie weiter oben schon beschrieben zu den vorherrschenden Prämissen der „Interkulturellen Pädagogik“. Doch wie kommt es zu dieser meist nicht weiter beziehungsweise den hinterfragten damit Zugehörigkeitsordnung verbundenen hegemonialen Diskursen? Um das zu erläutern, soll hier auf die in diesem Zusammenhang zentralen Begriffe „Nation“, „Ethnizität“, „Rasse“ und deren Verbindung mit „Kultur“ eingegangen werden. Bevor auf die Verbindung der Begriffe zu Nationalstaaten eingegangen wird, soll deren Verwobenheit untereinander herausgearbeitet werden. Zu diesem Zweck wird zunächst im einzelnen auf die Begriffe „Ethnizität“ und „Rasse“ und deren Verwobenheit mit „Kultur“ eingegangen. Ziel der Auseinandersetzung mit den Begriffen ist es, die Herstellungsprozesse der „(kulturellen) Differenzen zwischen 35 'Einheimischen' und 'Ausländern'“ (Krüger-Potratz 1999, S. 159) zu beleuchten, um feststellen zu können, inwiefern pädagogische Theorie und Praxis in diese verwoben sind. 3.1 Ethnizität Der Begriff „Ethnie“ dient wie der Begriff der „Rasse“ auch der Einteilung von Menschen in Gruppen. In einem ethnologischen Lehrbuch aus dem Jahr 2003 wird „Ethnie“ definiert „als eine überwiegend endogame familienübergreifende Gemeinschaft […] deren Mitglieder in Abgrenzung entwickelt von haben, anderen eine Menschen gemeinsame, ein sie 'Wir-Gefühl' von anderen unterscheidende (angenommene) Abstammung, gemeinsame Geschichte und meist einen gemeinsamen Kanon an Werten und Normen teilen“ (Beer 2003, S. 54). Noch bis in das 20. Jahrhundert wurde in der Ethnologie von „Volk“ beziehungsweise „Völkern“ gesprochen. Der Begriff „Ethnie“ wird in unterschiedlicher Weise gebraucht. Gabriele Kahn-Svik bescheinigt ihm „Unschärfe“ (Kahn-Svik 2008, S. 106, siehe auch Mecheril 2002, S. 109) 36 und macht diese an einem Beispiel fest. So können „die Chinesen“ als „Ethnie“ betrachtet werden oder wiederum in 50 „ethnische Gruppen“ unterteilt werden, welche sich am Kriterium Sprache wiederum aufteilen ließen (vgl. Kahn-Svik 2008, S. 106). In den Erziehungswissenschaften wird meist nicht auf „Ethnie“ sondern auf „Ethnizität“ Bezug genommen. Der Begriff „Ethnizität“ wurde in den 1920ern von Theoretiker_innen der „Chicago School“ eingeführt und löste „biologistische und genetische Argumentationen zugunsten von kulturellen“ (Lutz 2001, S. 224) ab. „Ethnizität“ dient in den Erziehungswissenschaften laut Franz Hamburger „als Bezeichnung für eine Bindung bzw. Identitfikation mit einem kulturell definierten Kollektiv, dem vergemeinschaftende Qualität zugeschrieben wird“ (Hamburger 2009, S. 116)8. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass der Begriff der „Ethnizität“ unter Anderem in erziehungswissenschaftlichen 8 Auf die Verwendung des Begriffs bei Franz Hamburger wird später noch eingegangen. 37 Studien meist mit „Nationalität bzw.“ (Kahn-Svik 2008, S. 130) der „Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe“ (ebd.) gleichgesetzt wird. Dies ist aufgrund der „Vagheit“ (ebd.) des Begriffs, aber auch aufgrund seiner Geschichte durchaus nachvollziehbar. Während der Begriff „Ethnizität“ in englischsprachigen Debatten parallel zu „Rasse“ gebraucht wird, wird in Deutschland dieser Zusammenhang meist nicht hergestellt. So weist beispielsweise Helma Lutz darauf hin, dass „die Kontinuität des Rassebegriffs und seine Fortführung im Ethnizitäts- bzw. Kulturbegriff in Deutschland“ (Lutz 2001, S. 224) nur schlecht erforscht ist, das heißt, dass diese mögliche Verbindung meist nicht mitbedacht wird. Einen Hinweis darauf, wie nah die Bedeutungen von „Ethnie“ und „Rasse“ auch in Deutschland beieinander liegen, gibt Thilo Sarrazin im Interview mit Henryk M. Broder. Dieses wurde im Dezember 2010, drei Monate nach Erscheinen des Buches „Deutschland schafft sich ab“ geführt. Im Interview erklärt Thilo Sarrzin, er habe von seinem Verlag zur „Entschärfung“ des Textes nahe gelegt bekommen „überall das Wort "Rasse" 38 durch "Ethnie" [zu R.K.] ersetzen“ (Broder 2010). Dies habe er getan, offensichtlich ohne Bedenken, dass sein Text dadurch sinnverfälscht würde. Die Trennlinie zwischen dem Begriff der „Ethnie“ und dem der „Rasse“ können als äußerst unscharf bezeichnet werden. Wie gezeigt wurde, sind die Übergänge fließend. Im Folgenden Abschnitt wird der Begriff der „Rasse“ genauer betrachtet. 3.2 Rasse Die Auseinandersetzung mit „Rassismus“ in einer Arbeit über den Kulturbegriff in der Pädagogik beziehungsweise den Erziehungswissenschaften mag auf den ersten Blick nicht einleuchten, die Verknüpfungen von „Kultur“ und „Rasse“ sind allerdings, wie auch in der Einleitung zu diesem Abschnitt schon angemerkt wurde, vorhanden. So weist Thomas Höhne darauf hin, dass „Kultur […] die durch den [nach 1945 R.K.] diskreditierten Rassebegriff entstandene 'Leerstelle'“ (Höhne 2001, S. 202) als analytisches Werkzeug in den Sozial- und Erziehungswissenschaften 39 auszufüllen begann (vgl. Höhne 2001, S. 200ff). Dieser Problematik stehen in Deutschland wie bereits weiter oben erwähnt nur wenige Arbeiten entgegen, welche sich mit den Kontinuitäten des Rassebegriffs im Kultur- beziehungsweise Ethnizitätsbegriff beschäftigen (vgl. Lutz 2001, S. 224, siehe auch Mecheril 2010, S. 66). Aus diesem Grund ist auch innerhalb der Erziehungswissenschaften eine Auseinandersetzung mit Rassismus notwendig, um ein (unbewusstes) Anknüpfen an rassistische Diskurse zu verhindern. Für Rassismus muss, wie auch beim Ethnizitätsbegriff festgestellt werden, dass der Begriff „schwer abgrenzbar ist“ (Rommelspacher 2009, S. 33, Hervorhebung im Original), was zu unterschiedlichen Verständnissen davon führt, was unter Rassismus genau zu verstehen ist9. Rudolf Leiprecht hat seine Rassismusdefinition in einem Satz 9 So ist beispielsweise umstritten, ob Antisemitismus als Rassismus zu bezeichnen ist oder nicht. Auch ob es einen antiislamischen Rassismus gibt, ist nicht unumstritten. Birgit Rommelspacher sieht den antiislamischen Rassismus gerade im Entstehen, was widersprüchliche Standpunkte nachvollziehbar macht (vgl. Rommelspacher 2009, S. 26ff). 40 zusammengefasst. Hierbei hatte er auch die pädagogische Praxis im Blick, für welche Abhandlungen über mehrere hundert Seiten nur eingeschränkt von Nutzen sind. Anhand dieser umfassenden Definition werde ich im Folgenden die zentralen Aspekte von Rassismus herausarbeiten. „Bei Rassismus handelt es sich um individuelle, kollektive, institutionelle und strukturelle Praktiken der Herstellung oder Reproduktion von Bildern, Denkweisen und Erzählungen über Menschengruppen, die jeweils als statische, homogene über Generationen durch Erbfolge verbundene Größen vorgestellt werden, wobei (explizit oder implizit) unterschiedliche Wertigkeiten, Rangordnungen (Hierarchien) und / oder Unvereinbarkeiten zwischen Gruppen behauptet und Zusammenhänge zwischen äußerer Erscheinung und einem 'inneren' Äquivalent psycho-sozialer Fähigkeiten suggeriert, also in dieser Weise 'Rassen', 'Kulturen', 'Völker', 'Ethnien' oder 'Nationen' konstruiert werden“ (Leiprecht 2005, S. 322). Zunächst ist festzustellen, dass sich Rassismus nicht nur auf einer individuellen Ebene abspielt, was 41 Begriffe wie „Fremden-“, „Ausländerfeindlichkeit“ und „Fremdenhass“10 nahelegen. Die individuelle Ebene von Rassismus, welche als idividueller Rassismus bezeichnet wird, kann in intentionale, das heißt bewusste und nichtintentionale (hierzu ein Beispiel: Eine Schwarze Deutsche Frau wird in vermeintlich gut gemeinter Absicht gelobt „Sie sprechen aber gut deutsch!“) Formen unterschieden unterschieden werden. Neben diesem individuellen Rassismus existiert Rassismus ebenso in Formen von strukturellem und institutionellem Rassismus, welche sich in impliziter oder expliziter Weise artikulieren können. Die drei Formen existieren nicht unabhängig voneinander, sondern sind ineinander verschränkt in der Gesellschaft vorhanden (vgl. Rommelspacher 2009, S. 10 Diese Begriffe sind unter Anderem deshalb problematisch, weil sie unterstellen, dass nur „Ausländer“ oder „Fremde“ Ziel von „Feindlichkeit“ und „Hass“ seien, beispielsweise Schwarze Deutsche werden hier ausgeklammert oder gar als „fremd“ eingestuft. Zudem betrifft diese „Feindlichkeit“ auch nicht alle Menschen, welche als „Ausländer“ gelten gleichermaßen. Weiße Menschen aus anderen Ländern sind in der Regel nicht gefährdet, Ziel „ausländerfeindlicher“ Attacken zu werden (vgl., Kalpaka / Räthzel 1994, S. 12 und Mecheril 2010, S. 165). 42 31f). Institutioneller Rassismus, durch welchen Menschen aufgrund von organisationsspezifischen Strukturen und Handlungsmaximen diskriminiert werden, ohne dass die in den Institutionen handelnden Menschen eine Diskriminierungsabsicht haben (müssen), ist als Teil des strukturellen Rassismus zu verstehen. Dieser strukturelle Rassismus umfasst rechtliche, ökonomische und politische Strukturen, welche im „Normalvollzug“ (Hormel / Scherr 2004, S. 28) Diskriminierungen zur Folge haben. So werden „Andere Deutsche“ (vgl. Abschnitt 4.2.3) beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem strukturell benachteiligt. Institutioneller Rassismus beziehungsweise institutionelle Diskriminierung11 wurde in Deutschland unter Anderem im Hinblick auf Diskriminierung innerhalb des Bildungssystems erforscht (vgl., Gomolla 2005, S. 97ff). In vielen anderen Bereichen wird „institutioneller Rassismus“ 11 Institutionelle Diskriminierung bildet den Oberbegriff und umfasst neben Rassismus verschiedene Formen der Diskriminierung anhand von Geschlecht, Alter, Behinderung, etc. 43 in Deutschland nur selten beziehungsweise gar nicht thematisiert12, was auf die Tabuisierung des Rassismusbegriffs in Deutschland verweist. Diese Tabuisierung ist unter Anderem auf die deutsche Geschichte zurückzuführen, so wird Rassismus meist eng mit „Auschwitz“ verbunden und gilt aufgrund dessen oft als ungeeignet zur Beschreibung „von Alltagsphänomenen“ (Rommelspacher 2009, S. 33; vgl. Rommelspacher 1995, S. 48ff). Mit der Nutzung des Plurals bei „Bildern, Denkweisen und Erzählungen über Menschengruppen“ (Leiprecht 2005, S. 322) verweist Rudolf Leiprecht in seiner Definition implizit darauf, dass es unterschiedliche Rassismen gibt und nicht den einen überzeitlichen Rassismus. Kolonialer Rassismus kann zwar, wie Birgit Rommelspacher schreibt als „Prototyp des Rassismus“ (Rommelspacher 2009, S. 26) gelten, daneben existieren jedoch weitere Formen, wie der Antisemitismus, Antiziganismus und der antimuslimische Rassismus. 12 So wird der Begriff beispielsweise in den Diskussionen um das Behördenversagen angesichts der NSU-Mordserie nur sehr selten gebraucht. 44 Diese Rassismen (homogenen) fassen Gruppen Menschen mit festen in „einheitlichen“ Grenzen (statisch) zusammen, welche durch eine Erbfolge verbunden sind. Dies verweist auf die Naturalisierung beziehungsweise die Kulturalisierung sozialer Differenzen, welche damit als unveränderliche, weil vererbte angesehen werden. Rudolf Leiprecht versteht unter Erbfolge nicht ausschließlich eine biologische Vererbung im Sinne von „Rasse“, vielmehr kann diese auch in Form eines „sozialen Erbes ('Kultur')“ (Leiprecht 2005, S. 322) verstanden werden. Auf diese Weise fasst die Definition nicht nur den „klassischen Rassismus“, sondern auch den „Rassismus ohne Rassen“ beziehungsweise den „kulturellen Rassismus“13. „Kultureller Rassismus“ nutzt nicht angenommene biologische Differenzen, sondern anscheinend unaufhebbare kulturelle Differenzen zur Grenzmarkierung. 13 Ob diese Unterscheidung von „körperlichem“ und „kulturellem Rassismus“ sinnvoll ist, ist umstritten. So wird kritisch angemerkt, dass auch die scheinbar „biologischen“ Merkmale beziehungsweise Unterschiede des „nicht kulturellen Rassismus“ im Rassifizierungsprozess erst zu solchen gemacht wurden, also keineswegs reale biologische Unterschiede sind. Erkennbar wird dies am Antisemitismus (vgl. Rommelspacher 2009, S. 27f). Außerdem verzichte auch der antiismlamische Rassismus, welcher meist unter „kultureller Rassismus“ eingeordnet wird, nicht auf die Produktion körperlicher Unterschiede (vgl. Arndt 2011, S. 42). 45 Auch werden in der Regel keine Hierarchien zwischen „kulturellen Inkompatibilität Kollektiven“ voneinander eingeführt, sondern unterschiedener die „kultureller Kollektive“ behauptet und damit „die Schädlichkeit jeder Grenzverwischung“ (Balibar 1992b, S. 28). Mit dem Hinweis, dass Wertigkeiten und Hierarchien implizit oder explizit behauptet werden, verweist Rudolf Leiprecht auf „das Problem der Wertung“ (Terkessidis 2004, S. 99). In vielen Rassismusdefinitionen wird die bloße Kategorisierung von Gruppen noch nicht als Rassismus bezeichnet, wenn sie nicht mit einer Wertung einhergeht. Darin sieht Mark Terkessidis eine unzulässige Einschränkung, denn „die vielfältigen äußerlichen Kennzeichen, die […] zur Festlegung von Gruppen dienen, [transportieren R.K.] immer schon eine Wertung – sei es die Nacktheit der Ureinwohner; die schwarze Hautfarbe […] die berüchtigte Hakennase der Juden oder das Kopftuch der Migrantinnen“ (ebd.; vgl. auch Sow 2008, S. 77f). Von diesen äußeren Kennzeichen wird, wie auch Rudolf Leiprecht feststellt, auf „psycho-soziale[...] Fähigkeiten“ (Leiprecht 2005, S. 322) und Eigenschaften geschlossen 46 (wenig intelligent, unzivilisiert, verschlagen, etc.), welche eine Dichotomisierung erlauben, so bedeutet zum Beispiel „die Anderen“ sind unzivilisiert zugleich „Wir“ sind zivilisiert. Im Anschluss macht Rudolf Leiprecht klar, dass Rassismus nicht nur für die Konstruktion von Gruppen genutzt wird, welche auch explizit als „Rasse“ bezeichnet werden. Vielmehr können, wie er schreibt, auch „'Kulturen', 'Völker', 'Ethnien', oder 'Nationen' konstruiert werden“ (ebd.). Das bedeutet nicht, dass jeder Rede von „Nation“ Rassismus zugrunde liegen muss, sondern ist der Hinweis darauf, dass dies durchaus möglich ist. Ein Aspekt kommt in der Definition von Rudolf Leiprecht nicht explizit vor (an anderer Stelle geht er darauf ein), ist aber dennoch von Bedeutung. „Rangordnungen (Hierarchien) […] zwischen Gruppen“ (ebd.) werden nicht nur „behauptet“ (ebd.) denn, Rassismus Legitimationswerkzeug stellt für zugleich ein wichtiges gegebene gesellschaftliche Hierarchien dar und ist „[i]n diesem Sinn […] immer ein gesellschaftliches Verhältnis“ (Rommelspacher 2009, S. 29) und mit Macht- und Herrschaftsverhältnissen verbunden. 47 Im nächsten Abschnitt wird mit „(Critical) Whiteness“ auf Theorien eingegangen, welche sich mit der privilegierten Position in rassistischen gesellschaftlichen Verhältnissen beschäftigen. 3.3 (Critical) Whiteness Die Eingebundenheit von Menschen in rassistische gesellschaftliche Verhältnisse wird meist dann thematisiert, wenn Menschen negativ davon betroffen sind, das heißt diskriminiert werden. Die privilegierte dominante Position bleibt meist unbeachtet und erscheint universal und auch unmarkiert. In der englischsprachigen Rassismusforschung rückte unter dem Begriff „Whiteness“ (Weißsein) die gesellschaftliche (Macht-)Position in den Blick, welche innerhalb der rassistischen Machtverhältnisse die dominante und privilegierte darstellt. Whiteness beziehungsweise Weißsein bezeichnet dabei keine biologischen Merkmale von Menschen, sondern ist als gesellschaftliche Konstruktion zu verstehen. Dementsprechend ist das, was unter „Weiß“ verstanden wird, auch variabel. Eine 48 Person kann in unterschiedlichen Kontexten als Weiß oder als Nicht-Weiß gelten. So galten beispielsweise gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA Polen und Iren als Nicht-Weiß (vgl. Pech 2006, S. 67ff). Die mit Weißsein verbundene Privilegiertheit ist Ergebnis von rassistischen Diskursen „und durch jahrhundertlange Weiße Vorherrschaft derartig institutionalisiert und in gesellschaftliche Strukturen und Wahrnehmungen eingebettet, dass sie für Weiße Menschen kaum noch als solche, sondern vielmehr als Selbstverständlichkeit erscheint“ (ebd., S. 73) Critical Whiteness Studies untersuchen, wie die mit Whiteness verbundenen Machtverhältnisse produziert wurden, immer wieder reproduziert werden und wie dadurch die weiße Dominanzposition als solche erhalten wird (vgl. ebd., S. 67ff). Dieser Blick auf rassistische Dominanzverhältnisse macht Critical Whiteness interessant für eine Pädagogik, welche innerhalb (auch) rassistisch geprägter Machtverhältnisse verortet ist und diese Machtverhältnisse nicht (unbewusst) reproduzieren will. 49 3.4 Verwobenheit von „Nation“ „Ethnizität“, „Rasse“ und „Kultur“ In Paul Mecherils Begriff mit der „Natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeit“ (vgl. Mecheril 2010, S.14) kommt die Verwobenheit der Begriffe „Nation“, „Ethnizität“ und „Kultur“ zum Ausdruck, die in den letzten Abschnitten schon angedeutet wurde. Diese Verwobenheit geht meist mit einem unscharfen Gebrauch der Begriffe einher. Zu den drei genannten Begriffen wird in meiner Ausarbeitung „Rassimus“ hinzugefügt, denn dieser ist, wie Etienne Balibar festgestellt hat, gerade in Form des „Rassismus ohne Rassen“ beziehungsweise des „kulturellen Rassismus“ (vgl. Balibar 1992b, S.28) durchaus an der Konstruktion des „Fremden“ beteiligt und damit Teil der Diskurse, in welchen (nationale) Zugehörigkeitsordnungen geschaffen und stabilisiert und auch reproduziert werden. Auch Paul Mecheril selbst stellt fest, dass „Deutsch-Sein […] in Deutschland auch Sache körperlicher Attribute“ (Mecheril 2002, S. 110) ist. Die in den einzelnen Abschnitten beschriebene Unschärfe und der uneinheitliche Gebrauch der Begriffe im Alltag, aber auch 50 in den Wissenschaften (vgl. auch Khan-Svik 2008, S. 129f) verweisen auf die Dynamik der Kategorien und machen es gleichzeitig schwer diese zu fassen. Im Folgenden werde ich die Verwobenheit der Begriffe durch den Bezug auf die Nation-Form beziehungsweise den modernen bürgerlich kapitalistischen Staat erläutern. Dabei soll die zentrale Rolle von modernen Nationalstaaten bei der (Re-)Produktion dominanter (nationaler) Zugehörigkeitsordnungen beleuchtet werden. 3.5 Die Nation-Form Bei der „Nation-Form“ handelt es sich laut Etienne Balibar um eine „ideologische Form, in der tagtäglich die imaginäre Singularität der nationalen Formation konstruiert wird“ (Balibar 1992a, S. 108). Diese Form dient damit der Legitimierung von Nationen. Die Grundlage der Nation-Form bildet, laut Etienne Balibar, die Vorstellung beziehungsweise der Mythos einer über viele Generationen hinweg homogenen Bevölkerung, welche innerhalb eines bestimmten Territorium über lange Zeit „eine 51 unveränderliche Substanz übermittelt“ (Balibar 1992a, S.107) hat. Damit verbunden ist die Idee der „nationalen Kontinuität“ (ebd., S.108), welche besagt, dass die Entwicklung der Nation nur so verlaufen konnte. Zu diesem Zweck werden bestehende „sozio-kulturelle Zusammenhänge und Traditionen“ (Hirsch 2005, S.71) in einem widersprüchlichen Prozess so (re)konstruiert, dass die daraus resultierende „nationale Identität“ als (nationales) Schicksal erscheint. Etienne Balibar leitet die Nation-Form nicht aus den kapitalistischen Produktionsverhältnissen ab, sieht sie aber als verbunden mit deren „historischen Form“ der „WeltWirtschaft“ (Balibar 1992a, S. 110) an. Die Entstehung der Nationalstaaten und damit der nationalstaatlichen Zugehörigkeitsordnungen sind in der Sichtweise von Etienne Balibar als das Ergebnis von gesellschaftlichen Kämpfen um Hegemonie verschiedener Bourgeoisien zu verstehen, in welchen sich diese und die „bürgerlichen Gesellschaftsformationen [...]wechselseitig durch einen 'Prozeß ohne Subjekt' konstituiert[en]“ (ebd., S.112). 52 Dieser Prozess verlief niemals ohne Brüche und Widersprüche, was später noch am Beispiel der Entwicklung der deutschen Nation erläutert werden soll. Zentral in diesem Prozess der Nationalisierung war und ist die permanente Konstruktion des „Staatsvolkes“ „als nationale Gemeinschaft“ (ebd., S. 115), welches „als Grundlage und Ursprung politischer Macht“ (ebd., S.115) zur Legitimation derselben und des Nationalstaats selbst dient. Dabei stellte gerade die Heterogenität der Bevölkerung ein Problem dar, welche diese keineswegs als einheitliches, homogenes „Volk“ erscheinen ließ. Die Unterschiede (beispielsweise ökonomische) mussten, laut Etienne Balibar, zur Schaffung eines „Volksbewusstsein[s]“ (ebd., S. 117) dem „symbolische[n] Unterschied zwischen 'uns' und ' den Fremden'“ (ebd., S. 116) untergeordnet werden. Diese Homogenisierung nach innen, das heißt die Schaffung einer als natürlich erscheinenden „nationalen (Abstammungs-)Gemeinschaft“ und der damit verbundenen „nationalen Identität“ verlief bei allen modernen Nationen als Prozess der „Ethnisierung“ (vgl. Hirsch 2005, S.71). 53 Entienne Balibar spricht von der Konstruktion „fiktive[r] Ethnizität“ (Balibar 1992a, S. 118). Die Bevölkerung erscheint durch diese Konstruktion als „natürliche Gemeinschaft […], die per se eine herkunftsmäßige, kulturelle und interessenmäßige Identität hat“ (ebd.). Diese Vorstellung ist zugleich eine universalistische, das heißt alle Menschen sind dieser Vorstellung entsprechend in „Ethnien“ eingeteilt und jede_r Einzelne besitzt „eine einzige ethnische Identität“ (ebd.), was die Einteilung in „Wir“ und „die Anderen“ aufgrund „ethnischer Zugehörigkeit“ erlaubt14. Verbunden mit der Homogenisierung nach innen ist also die Heterogenisierung nach außen, das heißt die Abgrenzung von „den Fremden“ mit einer anderen „ethnischen Identität“. Etienne Balibar unterscheidet zwei grundlegende Wege, die im 14 Bei dieser Einteilung von Menschen in „Ethnien“ handelt es sich keineswegs um ein universelles Phänomen, sondern um eine in erster Linie eurozentristische Vorstellung. Dies zeigen beispielsweise Formen der Sozialorganisation in Afrika. In einigen Regionen wurden hier und werden teilweise immer noch Zugehörigkeiten durch Heiratsklassen und andere Organisationsformen vermittelt, welche nicht mit „Ethnien“ gleichzusetzen sind. Die bis heute wirkmächtige Einteilung in „Stämme“ und „Ethnien“, aber auch die Nationalstaatsgrenzen wurden von europäischen „Ethnographen und Sozialanthropologen in Zusammenarbeit mit der [kolonial R.K.] Verwaltung“ eingeführt und Menschen dementsprechend eingeordnet (Wenning 1992, S. 55ff). 54 Zusammenspiel die Schaffung einer „Ethnizität“ erlauben, welche als „natürliche“ erscheint. Dabei handelt es sich um (Mutter-)Sprache und „Rasse“. Die Mutter- beziehungsweise Nationalsprache als Grundlage „sprachlich dominierter Ethnizität“ (ebd., 119) musste zunächst selbst hergestellt werden. Dabei kam dem allgemeinen Schulbesuch und damit den Pädagog_innen eine wichtige Aufgabe zu (vgl. ebd., S.120 und Kahn-Svik 2008, S. 79). Neben der Nationalsprache konnten die Schulen zusätzlich die „nationale Ideologie“ vermitteln. Zentral für die „nationale Ideologie“ ist, dass sich die „nationale Kultur“ und das „nationale Territorium“ gegenseitig legitimieren und damit die Grundlage für eine „nationale Autonomie“ schaffen (vgl. ebd., 79f). Nun sind Sprachen erlernbar und können auch anderen „Nationen“ als Nationalsprache dienen, was die Fähigkeit damit Grenzen zu ziehen beschränkt. Als zusätzliches Abgrenzungskriterium kann daher die Unterscheidung von „Rassen“ dienen. 55 Wird die Nation-Form mit „Rasse“ verknüpft, erlaubt dies, die Vorstellung der „natürlichen“ Einheit zu begründen. Die „biologische und geistige Substanz“ (ebd., S. 123) wird somit innerhalb einer Abstammungsgemeinschaft von einer Generation an die nächste weitergegeben. Damit sind zwei grundlegende Modi der Schaffung fiktiver Ethnizität und damit „nationaler Zugehörigkeiten“ beschrieben. Im folgenden Abschnitt wird hieran dieser Prozess der nationalen Homogenisierung am Beispiel „Deutschlands“ nachgezeichnet. 3.6 Zur Entstehung der deutschen Nation Schon im 18. Jahrhundert entstand ein „deutscher“ Nationalismus (vgl. Wenning 1993, S. 67), jedoch zunächst nur in intellektuellen Kreisen und war noch nicht in der Lage sich in größeren Teilen der Bevölkerung durchzusetzten. Erst während der antinapoleonischen Kriege konnten sich die nationalistischen Vorstellungen in breiteren Bevölkerungskreisen durchsetzten (vgl. Keil 2009, S. 26). Auf die Bedeutung der Schule für die Verbreitung nationaler 56 Ideologie verweist Norbert Wenning. So schaltete sich Kaiser Wilhelm II. persönlich „in die Debatten der Reichsschulkonferenz von 1890“ (Wenning 1993, S. 85) ein, um zu fordern, dass die Schule die „nationale Basis zu kräftigen“ (ebd.) habe. Die Bildung von Nationalbewusstsein wurde somit ein Ziel von Allgemeinbildung. Dem kam die Einführung einer allgemeinen „Volksschule“ und der Schulpflicht entgegen. Zentral für die Konstruktion des einheitlichen Staatsvolkes war, wie im letzten Abschnitt beschrieben, die Schaffung einer „natürlich“ erscheinenden „nationalen Gemeinschaft“. Die Konstruktion derselben werde ich mit dem Fokus auf die Durchsetzung der „nationalen Einheitssprache“ skizzieren. So waren in diesen Prozess nicht nur Pädagog_innen direkt verwickelt, auch die Auswirkungen dieser Entwicklungen haben bis heute Auswirkungen auf pädagogische Theorie und Praxis. Zunächst kann festgestellt werden, dass noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts von einer „umfassenden Sprachgemeinschaft“ (Wenning 1993, .S 84) der Deutschen keine Rede sein kann. Es 57 werden zu dieser Zeit unterschiedlichste Sprachen und Dialekte gesprochen (vgl. ebd., S. 82ff). Im 19. Jahrhundert begann die Diskussion über Zwei- und Mehrsprachigkeit. Diese ist im Deutschen Reich15 verbunden mit dem Vorhaben eine „'deutsch-einheitliche' Bildung“ (Krüger-Potratz 1994, S. 83) durchzusetzten. Zu den erklärten Zielen zählte unter Anderem die „Volks- und Sprachverzwitterung“ (Der Schulrath an der Oder. Breslau 1815, S. 134, zitiert nach Krüger-Potratz 1994, S. 83) in den zweisprachigen Gebieten zu überwinden, welche „als Gefahr für die gemeinsame, nationale Sprache und Kultur“ (KrügerPotratz 1994, S. 83, Hervorhebung R.K.) gesehen wurde. Bestimmend in den Diskussionen um Zwei- und Mehrsprachigkeit im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war die Vorstellung, dass „[n]iemand […] in zwei Muttersprachen und zwei Volkstümern (Kulturen) leben [kann R.K.], wenn er nicht Schaden nehmen soll an Leib, Seele und Geist“ (ebd., S. 15 Bei den Bestrebungen die Zwei- und Mehrsprachigkeit zugunsten einer nationalen Einheitssprache zu überwinden, handelte es sich nicht um ein auf Deutschland beschränktes Phänomen. Vielmehr handelte es sich, so Marianne Krüger-Potratz um „ein nationalstaatliches“ (KrügerPotratz 1994, S. 83) Problem. 58 90). Monolingualität galt dementsprechend als „natürlich“ und als anzustrebendes Ziel. Die problematischen Folgen, die Zwei- und Mehrsprachigkeit zu dieser Zeit zugeschrieben wurden, wenn nicht pädagogische Regeln eingehalten werden, sind gerade auch im Hinblick auf Diskussionen, welche in den 1980er Jahren um „Interkulturalität“ geführt wurden, interessant. So wurde beispielsweise davon ausgegangen, dass Sprach- und Kulturkonflikte ebenso die Folge sein könnten wie das „SichSelbst-Verlieren“ oder aber „Zerrissenwerden[...] zwischen zwei kulturellen oder geographischen Heimaten“ (ebd., S. 86). Auch die Entwicklung von zwei- und mehrsprachigen Kindern selbst galt als gefährdet, die vermeintlichen Folgen reichten von motorischen Störungen bis hin zu negativen Auswirkungen auf die Intelligenz der Kinder (vgl. ebd.). „Nicht auszuschließen sei auch eine sittliche Gefährdung“ (ebd.). Sogar die „Volkspersönlichkeit“ (ebd.) selbst war in Gefahr, wenn ganze Gruppen zu früh in der Kindheit Zwei- und Mehrsprachigkeit ausbildeten. Auf dem internationalen Kongress „Le bilinguisme et 59 l'Education“, welcher 1928 in Luxemburg stattfand, ging der Referent Nicolas Ries, „selbst Luxemburger und Lehrer an der Industrie- und Handelsschule“ (ebd., S. 87) sehr konkret auf die Vorstellungen ein, welche mit der nationalen Einheitssprache verbunden waren. So war die in Luxemburg vorhandene Zweisprachigkeit seiner Meinung nach der Grund dafür, warum „Luxemburg keine eigenständige Kultur auszubilden vermocht habe“ (ebd.). Wie Marianne KrügerPotratz schreibt, liegt dem Referat „insgesamt die Vorstellung zugrunde, daß es territorial oder volklich etwas 'Eigenes' geben müsse, das, da es sich nur in Abgrenzung vom 'Fremden' entlang von geographischen, ethnischen und sprachlichen Grenzen definieren lasse, für Luxemburg fehle“ (ebd.). Die nationalistischen Grundlagen der Diskussionen werden immer wieder offensichtlich, so auch bei Ausführungen darüber, welche Einsprachigkeit (zumindest in der Volksschule) die richtige sei. Kinder der sprachlichen Minderheiten (polnisch, litauisch, wendisch) wuchsen meist nicht mit Deutsch als Erstsprache auf, weshalb in der Schule eine „künstliche Zweisprachigkeit“ (ebd., S. 88) notwendig wurde, 60 um das Ziel der einheitlichen Nationalsprache zu erreichen. Für „Deutsche“, die im Ausland lebten, war die Situation genau entgegengesetzt, sie konnten ebenfalls nur durch „künstliche Zweisprachigkeit“ die „richtige Einsprachigkeit“ (ebd., S. 87) erreichen. Zugrunde lagen solchen Überlegungen sehr spezielle Vorstellungen davon, was eine „Muttersprache“ sei. So standen sich im Fall der nationalen Minderheiten die „Muttersprache eines Volkes“ (ebd., S. 89) und die „Muttersprache eines Territoriums“ (ebd.) nur dem Anschein nach widersprüchlich gegenüber. Um die sprachliche und territoriale Einheit zu wahren, konnten Minderheitenangehörige „Teil des Volkes“ (ebd., S. 90) werden. Dies galt aufgrund der Vorstellung der Überlegenheit der „deutschen Kultur“ als möglich. Marianne Krüger-Potratz folgend kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich seit diesen Debatten in pädagogischen Diskursen viel geändert hat. Die Wirkmächtigkeit des Normalitätskonstruktes der nationalen Einsprachigkeit ist jedoch noch immer vorhanden (vgl. ebd., S. 93ff) und die deutsche Sprache gilt als ein „gemeinsames 61 Merkmal 'der' Deutschen“ (Wenning 1993, S. 87). Die Kontinuität solcher Diskurse mit ihren Brüchen und Widersprüchen bis zum heutigen Tag nachzuvollziehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Jedoch lassen sich vor ihrem Hintergrund Vorstellungen, wie die der „ethnischen Pluralität“ als Folge der Arbeitsmigration seit den 1950er Jahren besser einordnen. Auch dass „Kultur“ beziehungsweise „kulturelle Differenz“ als „Fremdmacher“ (Messerschmidt 2008, S.7) bis heute eine wichtige Position einnimmt, kann wohl als Folge der während der Nationalisierung geschaffenen Normalitätskonstruktionen gelten. So stellt Astrid Messerschmidt für die heutige Zeit fest, dass „die Wahrnehmung von Migranten als Fremde eine soziale Praxis [bildet R.K.], in der eine nationalstaatliche Identitätsordnung zum Ausdruck kommt“ (ebd., S.5). Die „Kulturmarkierung“ (ebd., S.6) stellt dabei eine oft bevorzugte Möglichkeit dar, Menschen, etwa aufgrund der Herkunft ihrer Eltern als „Fremde“ einzuordnen und dadurch die „national homogenisiert[e] Identität“ (ebd., S.6) zu schützen und die 62 damit verbundene Zugehörigkeitsordnung aufrecht zu erhalten16. Die Verwobenheit von „Nation“, „Ethnizität“, „Rasse“ und „Kultur“ hat wie in diesem Abschnitt dargestellt wurde demnach konkrete Wurzeln, welche bis heute zumindest teilweise das Alltags- aber auch wissenschaftliche Verständnis beeinflussen. Im nächsten Abschnitt soll auf theoretische Ansätze eingegangen werden, welche sich im Anschluss an die 16 Als ein aktuelles Beispiel hierfür kann eine neue Rechte Bewegung dienen. Mit der „'Wiener Identitäre Richtung'“ hat sich Anfang 2012 in Wien eine Gruppe gegründet, welche ihre Ideologie in radikaler Form an einem solchen essentialistischen Kulturverständnis ausrichtet. Sie können als exemplarisches Beispiel dafür dienen, in welcher Weise auch heute noch an völkisches Gedankengut angeschlossen werden kann. Über Facebook hat sich diese „Bewegung“ mittlerweile auch in Deutschland verbreitet. Das Konzept verbindet kulturellen Rassismus mit Popästehik, so zählen Flashmobs und Graffiti zu den Ausdrucksformen. Offensiv versuchen sich die Macher_innen von Rassismus und „Rechtsextremen“ abzugrenzen („100% identitär 0% Rassismus“ (Menzel 2012)) Auffällig ist auch der häufige „positive“ Bezug auf „Vielfalt“. Die Feindbilder „Multikulti“ und „muslimische Einwanderer“ können jedoch als „klassische“ gelten. Das Ziel scheint die Erhaltung von „ethnokulturellen Identitäten“ (ebd.) zu sein (vgl. Pant 2012; Majic 2012). Diese Bewegung zeigt beispielhaft, wie notwendig eine Auseinandersetzung mit „Kultur“ als Differenzkategorie für die Pädagogik auch heute ist. 63 „interkulturellen“ herausgebildet Ansätze haben und der Erziehungswissenschaften welche ein statisches essentialisierendes Kulturverständnis problematisieren. 64 und 4 Theoretische Ansätze In diesem Teil der Arbeit gehe ich auf theoretische Ansätze ein, welche sich im Anschluss an die „Interkulturelle Pädagogik“ herausgebildet haben. Gemeinsam ist ihnen dementsprechend eine kritische Perspektive gegenüber der „Interkulturellen Pädagogik“. Anhand der drei Ansätze, welche Arnd-Michael Nohl in seinem Buch „Konzepte interkultureller Pädagogik – Eine systematische Einführung“ (2010) als „Weiterführungen der Interkulturellen Pädagogik“ (Nohl 2010, S.131ff) bezeichnet, wird im Folgenden darauf eingegangen, wie diese kritisch an die „Interkulturelle Pädagogik“ anschließen. Insbesondere wird dabei auf die Kritik am Umgang der „Interkulturellen Pädagogik“ mit der Differenzkategorie „Kultur“ eingegangen und beleuchtet, wie diese Konzepte anschließend an ihre Kritik selbst mit der Kategorie umgehen. Das erste Konzept stellt die „reflexive interkulturelle Pädagogik“ dar, welche Franz Hamburger insbesondere in seinem Buch „Abschied von der Interkulturellen Pädagogik – 65 Plädoyer für einen Wandel sozialpädagogischer Konzepte“ (2009) ausgearbeitet hat. „Reflexive Interkulturalität“ konfrontiert „interkulturelle“ pädagogische Ansätze mit den negativen Folgen ihrer Institutionalisierung ohne die Perspektive selbst zu verwerfen (vgl. Hamburger 2009, S. 127ff). Im Anschluss wird auf das von Paul Mecheril entwickelte Konzept der „Migrationspädagogik“ eingegangen. Paul Mecheril schließt damit an „interkulturelle“ Konzepte und deren Anerkennungsgedanken an, erweitert und problematisiert sie allerdings auch. Dies findet unter Anderem in einer neuen Terminologie Ausdruck. „Kulturelle Differenzen“ spielen weiterhin eine Rolle, werden allerdings eingebunden in eine Analyse von Zugehörigkeitsordnungen und der damit verbundenen Diskurse. Im dritten Abschnitt wird mit Diversity und Intersektionalität auf Konzepte eingegangen, welche die Mehrdimensionalität sozialer Differenzen fassen. Konzepte verschiedene der „Diversity-Pädagogik“ Differenzen in den nehmen Blick 66 und viele sehen gesellschaftliche Vielfalt nicht nur als konstitutives Merkmal moderner Gesellschaften an, sondern sehen darin auf einer normativen Ebene auch einen wünschenswerten Zustand (vgl. Hormel / Scherr 2004, S. 209). Die Intersektionalitätsanalyse erforscht anhand des Intersektionalitätsmodells Mehrfachunterdrückung, welche aus der Überschneidung mehrerer Differenzlinien resultiert. 4.1 Reflexive Hamburger Interkulturalität nach Franz Hamburger schließt mit seinem Ansatz der „Reflexiven Interkulturalität“ (vgl. Hamburger 2009, S. 127ff) kritisch an Konzepte der Interkulturalität in der Pädagogik an, ohne diese gänzlich zu verwerfen. Die Bezeichnung „Reflexive Interkulturalität“ hat Franz Hamburger in Anlehnung an das Konzept der „reflexiven“, „sich selbst in Frage stellende[n] Moderne“ (Nohl 2010) von Ulrich Beck (vgl. Beck / Gidddens / Lash 1996) gewählt. „Reflexive“ verweist dabei auf die Forderung an die „interkulturell“ orientierte (Sozial-) Pädagogik, sich „mit den 67 Wirkungen der eigenen Realisierung auseinanderzusetzen“ (Hamburger 1999, S. 38). Das Konzept der reflexiven Interkulturalität konfrontiert in diesem Sinne die Interkulturelle Pädagogik mit den nicht beabsichtigten Folgen ihrer Institutionalisierung. 4.1.1 Kulturbegriff Die Kritik an der „Interkulturellen Pädagogik“ führt bei Franz Hamburger nicht zu einer „Anti-Interkulturalität“ (Hamburger 2009, S. 129) oder gar zu einer Ablehnung des Kulturbegriffs. Er sieht zwar durchaus die Gefahren, welche mit dem Gebrauch der Kategorie „Kultur“, gerade auch in der „Interkulturellen Pädagogik“ verbunden sind, betont aber zugleich die Bedeutung von „Kultur“ für die „Selbstdefinitionen von Menschen und Gesellschaften“ (ebd., S. 108). Grundlage seines Konzeptes ist ein abstrakter Kulturbegriff, nach welchem „Kultur [...] ein in Bewegung befindliches, adaptionsfähiges System“ (ebd.) ist, dessen Grenzen nicht genau bestimmt werden können. Dieses ist „nicht hierarchisch 68 aufgebaut, sondern reflexiv, heterogen und besteht aus mehreren, lose miteinander verkoppelten Systemebenen“ (ebd.). Trotz dieses abstrakten Kulturbegriffs übersieht Franz Hamburger nicht die mit Hilfe von „Kultur“ vollzogenen Abgrenzungen und Unterscheidungen wie die von „Nationen“ und „Ethnien“, welche „kulturelle Differenzen“ hervorbringen. Diese sind jedoch dem allgemeinen Kulturbegriff „nachgeordnet, [und R.K.] sekundär“ (ebd.), sie dienen „dem pragmatischen Zweck der Selbstdefinition“ (ebd., S. 109) und sollen nicht ontologisiert werden. Damit fasst der Kulturbegriff sowohl dynamische Grenzen überschreitende Aspekte von Kulturalität, als auch „feste Elemente“ (ebd., S. 129) wie die Grenzen, welche durch die Konstruktion von kulturellen Kollektiven wie „Ethnien“ oder „Nationen“ entstehen (vgl. ebd.). „Interkulturalität“ ensteht laut Franz Hamburger dann, wenn (mindestens) zwei „Kulturen“, welche je „auf eine bestimmte Gesellschaft“ (ebd., S. 131) bezogen sind, in Kontakt treten. Dabei ist „Interkulturalität“ nicht zwischen den Grenzen der 69 „Kulturen“ zu verorten, sondern vielmehr in dem durch den Kontakt entstehenden „Überschneidungsbereich“ (ebd., S. 132). Durch den Kontakt kommt es zur Transzendierung der Grenzen, schon dadurch, dass versucht wird, diese zu verstehen oder sich von der anderen „Kultur“ abzugrenzen. Aus diesem Grund ist „Interkulturalität“ immer auch „Bi-Kulturalität“ (ebd.). Auch auf der interindividuellen Ebene verortet Franz Hamburger „Interkulturalität“. Jedes Individuum entwickelt in Auseinandersetzung mit den „Kulturen“ seine eigene, einzigartige, „subjektive Kultur“ (vgl. S. 126), weshalb „interindividuelle Beziehungen [immer R.K.] interkulturell“ (ebd., S. 132) sind. 4.1.2 Ethnizität „'Ethnizität' wird […] verwendet als Bezeichnung für eine Bindung beziehungsweise Identifikation mit einem kulturell definierten Kollektiv, dem vergemeinschaftende Qualität zugeschrieben wird.“ (ebd.,S. 116) Entgegen den Vorstellungen von „traditionellen Theorien der modernen Gesellschaft“ (ebd., 70 S. 114) wurde „Ethnizität“ nicht durch die Rationalisierung und Säkularisierung, welche Gesellschaften einher „Ethnizität“ als mit gingen, der Modernisierung verdrängt, vielmehr von ist „Ergebnis von Modernität“ (ebd.) zu betrachten. So „unterminiert[e]“ (Hirsch 2005, S. 67) die mit der Modernisierung Säkularisierung verbundene „herkömmliche Rationalisierung kulturelle und und religiöse Zugehörigkeiten und Orientierungen“ (ebd.) und schuf dadurch zugleich das „Bedürfnis[...] nach neuen Routinen, [und R.K.] Sicherheiten in Gemeinschaftsbeziehungen“ (Hamburger 2009, S. 114). „Ethnische Identifikationen“ haben, so Franz Hamburger, einen ambivalenten Charakter. Sie dienen zugleich „als Abwehr- wie auch als Bewältigungsressourcen“ (ebd., S. 112). So kann auf „Ethnizität“ etwa zurückgegriffen werden um „Nicht-Deutsche“ auszugrenzen und damit die Privilegien der „Deutschen“ zu verteidigen. Auf der anderen Seite kann „Ethnizität“ eine „Schutzreaktion auf kränkende Diskriminierung“ (ebd., S. 115) sein und der Selbstorganisation 71 von Ausgegrenzten dienen, welche gesellschaftliche Teilhabe fordern. Diese Ambivalenz zeigt zugleich, dass „Ethnizität“ sowohl ein Ergebnis von Selbstdefinitionen als auch von Fremdzuschreibungen sein kann, die konkrete Bedeutung muss dementsprechend in der Situation selbst erkundet werden (vgl. ebd., S. 125). Damit ist „Ethnitzität“ laut Franz Hamburger immer „Gegenstand und nicht Instrument der wissenschaftlichen Untersuchung“ (ebd.). 4.1.3 Kritik Pädagogik der Interkulturellen „Der springende Punkt des Interkulturalismus ist“ (ebd., S. 140), wie Franz Hamburger schreibt, „die Aktivierung einer nicht weiter reflektierten Setzung des kulturellen Unterschieds“ (ebd.), welcher „intuitiv an der Grenze zwischen nationalstaatlich vergesellschafteten Zugehörigkeiten verortet“ (ebd.) wird. Damit bleiben „interkulturelle“ Ansätze implizit an die 72 Vorstellung der homogenen „Nationalkultur“ gebunden und (re-)produzieren die damit verbundenen Grenzziehungen. Die Arbeit mit allochthonen (nicht einheimische) Kindern und Erwachsenen erfordert folglich insbesondere die Beachtung ebendieser einen Differenz. Die mit dieser Prämisse verbundenen möglichen problematischen (Voraus-)Setzungen sind vielfältig und haben weitreichende Konsequenzen. In seiner Kritik an „interkulturellen“ pädagogischen Ansätzen beschäftigt sich Franz Hamburger dementsprechend in erster Linie mit dem Kulturbegriff und dessen Verwendung innerhalb „interkultureller“ Ansätze. 4.1.3.1 Solitaristische Deutungen Eine Ausgangsbedingung für den problematischen, weil reduktiven Umgang mit dem Kulturbegriff in „interkulturellen“ Ansätzen sieht Franz Hamburger in einer reduktiven Betrachtung von Identitäten, welche als „solitaristisch“ bezeichnet wird. Als „Solitarismus“ wird im Anschluss an Amartya Sen (2007) 73 die Reduktion der vielen sozialen Identitäten, welche Menschen besetzen, auf eine einzige vestanden. Soziale Identitäten sind dabei als „Zugehörigkeiten zu transindividuellen Kategorien“ (Hamburger 2009, S. 135) zu verstehen. Werden Menschen also genau einer „Kultur“ zugeordnet, meistens der ihres „Heimatlandes“, wobei alle anderen Zugehörigkeiten ausgeblendet werden, stellt dies eine „Solitaristische[...] Deutung“ (ebd.) dar. Eine solche solitaristische Betrachtung erlaubt es, das Handeln von Menschen „nur im Rahmen ihrer Kultur“ (ebd., S. 136) zu interpretieren, das wiederum ist als „Kulturalismus“ zu bezeichnen. Diese Perspektive kann durchaus Vorzüge aufweisen, so muss zum Beispiel in pädagogischen Situationen nicht nach individuellen Gründen für das Handeln von Menschen gesucht werden, dieses kann vielmehr entsprechend „einer scheinbar in ihm selbst liegenden Typik“ (ebd.) eingeordnet werden, welche wiederum bestimmte Handlungsmuster nahelegt. Auch Theorien der Moderne, welche das Handeln von Menschen ausschließlich von einer „egozentrischen 74 Rationalität“ (ebd.) geprägt sehen und „kulturellen“ Einfluss völlig außer Acht lassen, betrachtet Franz Hamburger als solitaritisch. Beide Betrachtungsweisen sieht Franz Hamburger folglich als gleichsam problematisch an, denn beide schränken potenziell die vorhandenen Möglichkeiten von Menschen ein, über ihre Zugehörigkeiten und die Bedeutung, die sie ihnen beimessen, selbst zu entscheiden (vgl. S. 136). 4.1.3.2 Reduktive Betrachtungen Mit der Kulturalisierung ist ein zentraler Kritikpunkt an „interkulturellen“ Ansätzen benannt. Diese reduktive, eindimensionale, andere soziale und personale Faktoren ausblendende Betrachtungsweise ist, so Franz Hamburger, „konfliktgenerierend, weil die Einsicht in […] tatsächliche Handlungsparadoxien […] verhindert wird“ (ebd., S. 125). Die Betrachtung pädagogischer Situationen in dieser kulturalistischen Perspektive führt damit auch zur Ausblendung anderer Differenzen, wie beispielsweise der für pädagogische Situationen bedeutenden Generationendifferenz und zu einer 75 „Zuschreibung von Kulturalität“ (ebd., S. 138), was eine aktive Produktion von „kultureller“ Differenz zur Folge hat (vgl. ebd., S. 138). Exemplarisch für die Problematik, dass es in pädagogischen Konfliktsituationen, welche als „interkulturelle“ gesehen werden, zu eindimensionalen Interpretationen kommen kann, die diese auf ein „Kulturproblem“ (ebd., S. 123) reduzieren, führt Franz Hamburger die Re-Interpretation einer Studie von Eberhard Nölke (1996) an. In dieser Studie werden Konflikte innerhalb einer Jugendwohngruppe zwischen einem „türkischen“ (Esra) und mehreren „deutschen“ Differenzen stellen Mädchen betrachtet. „Kulturelle“ dabei anscheinend die zentrale Konfliktursache dar. „Ihre 'türkische Art' zu kochen“ (ebd., S.124) wird auch von der interviewten Jugendlichen als möglicher Grund angeführt, warum es beim Kochen zu Konflikten kommt. Wird dieser kulturalistischen Interpretation des Konfliktes unreflektiert gefolgt, rücken andere Betrachtungsweisen aus dem Blick. So handelt es sich unter Umständen bei der „türkischen Art zu kochen“ gerade um die 76 Fremdzuschreibung, mit der die „deutschen“ Mädchen ihren Unwillen mit Esra zu kochen artikulieren, um nur eine mögliche Re-Interpretation zu nennen. Ein weiterer Konflikt in der Gruppe war offensichtlich durch eine Sozialarbeiterin selbst entstanden, welche dem „türkischen“ Mädchen verbot, abends so lange weg zu bleiben wie die „deutschen“ Mädchen. Als Begründung diente ihr hierbei der Verweis auf die Notwendigkeit, das „türkische“ Kind auf Wunsch des Vaters, aufgrund dessen Gewalttätigkeit das Mädchen aus der Familie heraus gegangen ist, „türkisch“ erziehen zu müssen. Dieses Verbot stößt bei dem Mädchen nachvollziehbarer Weise auf Unverständnis (vgl. Hamburger 2009, S. 123ff). 4.1.3.3 Normale Fremdheit „Kulturelle Fremdheit“ ist ein Thema in Situationen, die als „interkulturelle“ definiert werden. Dabei wird, so Franz Hamburger, übersehen, dass sich moderne Gesellschaften unter Anderem dadurch auszeichnen, dass „lebensweltliche Fremdheit universell wird“ (ebd., S. 130). Ermöglicht wird dies 77 dadurch, dass „auch Schutz und Rechtszugang universal“ (ebd.) sind. Genau hier unterscheiden sich „Inländer_innen“ und „Ausländer_innen“ jedoch, was auf einer rechtlichen Ebene zu einem Sonderstatus führt. „Interkulturelle“ Ansätze haben auf diesen rechtlichen Status keinen Einfluss und bewegen sich lediglich „auf der Ebene der lebensweltlichen Fremdheitsdefinitionen, zu denen in erster Linie die kulturellen zählen“ (ebd.). Durch ihre Bearbeitung dieser Fremdheit, beispielsweise mit dem Ziel Toleranz zu fördern, sind sie an der Produktion dieser „besonderen Fremden“ (ebd.) beteiligt. Die für moderne Gesellschaften „normale[...] Fremdheit“ „Ausländer_innen“ (ebd., dementsprechend S. 131) nicht können für sich beanspruchen. 4.1.4 Folgerungen aus der Kritik Interkulturelles Lernen thematisiert „kulturelle“ Differenzen und (re-)produziert sie damit notwendigerweise, auch dort, wo sie gar kein Thema (mehr) sind. So wird die Fremdheit „von Migrantenkindern“ (Hamburger 2009, S. 108) ständig betont, 78 auch wenn diese „verschwunden ist oder in der privaten Lebensführung gehalten Gemeinsamkeiten aller werden Kinder soll“ und (ebd.). schon Die etablierte Selbstverständlichkeiten im Umgang hingegen geraten aus dem Blick. Aus diesem Grund plädiert Franz Hamburger dafür, „kulturelle“ Differenzen nur dann mit dem Ziel der „Erweiterung von Toleranz und Solidarität“ (ebd.) zu thematisieren, wenn sie zur Benachteiligung von Kindern führen. Diese Handlungsstrategie lehnt sich an die „reflexive Koedukation“ (ebd., S.133) von Kindern in der Schule an. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass eine ständige Thematisierung von Geschlechterfragen stereotype Geschlechterrollen eher stärkt als „zu Grenzüberschreitungen zu ermutigen“ (ebd.). Das Nicht-Thematisieren, wenn dies nicht aufgrund von Benachteiligungen erforderlich wird und die „Ent- Kulturalisierung“ (ebd., S. 129) gehören zu den Überlegungen Franz Hamburgers, wie eine „bescheidenere[...] Formatierung“ (ebd.) der „Interkulturellen Pädagogik“ aussehen kann. 79 Eine solche bescheidenere Formatierung ist laut Franz Hamburger unter Anderem deshalb notwendig, weil eine „Fixierung auf (Inter-)Kulturalität […] konfliktgenerierend“ (ebd., S. 125) ist, die die Reflexion und Bearbeitung der „tatsächlichen Handlungsparadoxien“ (ebd.) verhindert, welche hinter den kulturalistischen Erklärungsmustern verschwinden. Wichtig ist laut Franz Hamburger auch, „die Fixierung auf eine Dimension der sozialen Beziehungen zu überwinden“ (ebd., S. 133), so dass auch andere Differenzen berücksichtigt und thematisiert werden. Die eigenen („kulturellen“) Zugehörigkeiten sind die Angelegenheit der Adressat_innen selbst und sollen als solche respektiert oder aber bearbeitet werden (vgl. ebd., S. 142ff). Das bedeutet auch, dass „kulturelle Zugehörigkeit“ nicht zum Zwang werden darf (vgl. ebd., S. 112) und eine möglichst freie Wahl das Ziel sein sollte (vgl. ebd., S. 142). Es ist davon auszugehen, dass die Pädagogik bei der Bearbeitung dieser Aufgabe schnell an ihre Grenzen stößt, denn wie Paul Mecheril schreibt, sind gesellschaftliche „Zugehörigkeitsdiskurse [...] produktiv und machtvoll“ (Mecheril 2010, S. 36) und der 80 Einfluss der Pädagogik auf diese Diskurse sollte nicht überschätzt werden. Grundlage für die freie Wahl der („kulturellen“) Zugehörigkeiten bildet ein „Recht auf Differenz“ (Hamburger 2009, S. 133). Dieses kann durch „einen allgemein anerkannten Verfassungsrahmen“ (ebd.) „Anerkennung Differenz setzt voraus“ (ebd., der Gleichheitsprinzips gewährleistet die S. werden. Die Geltung des 90), ist Gleichberechtigung nicht gegeben, besteht die Gefahr, mit den Differenzen verbundene „vorhandene Ungleichheit“ (ebd.) zu verstärken. 4.2 Migrationspädagogik nach Mecheril Paul Mecheril beschäftigt sich in seinem Buch „Migrationspädagogik“ (2010) mit dem Thema Migration und Bildung, welches auch der zentrale Bezugspunkt der „Interkulturellen Pädagogik“ ist. In der „Interkulturellen Pädagogik“ galt und gilt noch immer „Kultur“ als die zentrale Dimension bei der Beschäftigung mit Migration und Bildung. Damit einhergehend wird und wurde 81 gesellschaftlich dominanten Diskursen über „Kultur“ folgend „kulturelle Differenz“ zwischen „kulturellen Kollektiven“, wie „Ethnien“ und „Nationen“ verortet. Paul Mecheril ist sich der Wirkmächtigkeit dieser Diskurse bewusst. Aufgrund des hegemonialen Diskurses, „in dem die Fremden, Anderen, Ausländer, Migrant/innen (und nur sie und sie nur in dieser Weise) der kulturellen Differenz bezichtigt werden, kann [in der Interkulturellen Pädagogik, R.K.] über besondere Voraussetzungen und Erfordernisse nachgedacht werden, mit der Differenz zu kulturell Anderen umzugehen“ (Mecheril 2010, S. 65). Zum einen stellt dies jedoch eine „[k]ulturalistsche Reduktion“ (ebd., S.62ff) dar, denn andere in diesem Zusammenhang wichtige Differenzen, beispielsweise ökonomische, politische und rechtliche werden potenziell ausgeblendet und zum anderen sind „kulturelle“ Differenzen nicht ausschließlich zwischen Migrant_innen und NichtMigrant_innen zu verorten (vgl. ebd., S.65). Paul Mecheril beschäftigt sich im Anschluss an diese (nicht nur) in der „Interkulturellen Pädagogik“ wirkmächtigen Konzepte von „kultureller Differenz“ 82 mit „migrationsgesellschaftliche[r] Differenz“ (Mecheril 2010, S. 63 Hervorhebung im Orignal). Er nimmt hierzu „natio-ethnokulturelle Zugehörigkeiten“ (ebd., S. 13) und die damit einhergehenden natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeitsordnungen, innerhalb derer Menschen unterschieden und in der Gesellschaft positioniert werden, in den Blick. Diese Zugehörigkeiten werden in gesellschaftlichen Interaktionen (immer wieder) hergestellt und sind dementsprechend nicht als „Natürliche“ anzusehen. Wichtig ist ihm dabei die Rolle der Pädagogik bei der Produktion und Reproduktion dieser Zugehörigkeitsordnungen und die Möglichkeitsräume pädagogischer Interventionen in diese Ordnungen (vgl. Mecheril 2010, S.13f). 4.2.1 Die Migrationsgesellschaft Paul Mecheril beginnt die Darstellung seines Konzeptes der „Migrationspädagogik“ mit der Feststellung, dass Migration für unsere heutige Gesellschaft ein konstitutives Phänomen ist (vgl. Mecheril 2010, S.7). Unter Migration versteht Paul Mecheril die „Überschreitung kulturell, juristisch, lingual und 83 (geo-)politisch bedeutsamer Grenzen“, unter welchen heute in erster Linie die nationalstaatlichen Grenzen und die damit verbundenen Zugehörigkeitsordnungen verstanden werden. Die Wanderungen innerhalb nationalstaatlicher Grenzen, welche für die Biografien der meisten Menschen in unserer heutigen Gesellschaft durchaus von Bedeutung sind, fallen in den herrschenden Diskursen nicht unter diesen Migrationsbegriff und die damit einhergehende Zugehörigkeitsordnung (vgl. ebd., S.38). Auf den bei Paul Mecheril zentralen Begriff der Zugehörigkeitsordnung wird im nächsten Abschnitt genauer eingegangen. Ersichtig wird aber an dieser Stelle schon, dass Migration im gerade beschriebenen Sinne mit spezifischen Zugehörigkeiten (beispielsweise zu Nationalstaaten) verbunden ist. Um eine solche von Migration geprägte Gesellschaft zu beschreiben, hat Paul Mecheril den Begriff der „Migrationsgesellschaft“ gewählt und entscheidet sich damit bewusst gegen „Einwanderung, Begriffe welche wie „Zuwanderung“ Migrationsphänomene auf oder eine einmalige Immigration beschränken und damit den anderen 84 Formen von Migration nicht gerecht werden, die neben der einmaligen Immigration von Bedeutung sind. So gibt es beispielsweise Menschen, welche nicht in einem Land verbleiben, sondern auch von dort wieder weiter wandern, in ein anderes Land oder andere Länder. Diese Form der Wanderung wird als Transmigration bezeichnet. Auch das Pendeln zwischen zwei Ländern stellt eine Form dieser Migration dar (vgl. ebd., S.11). 4.2.2 Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen Für Migrant_innen in der Migrationsgesellschaft sind wie im letzten Abschnitt Zugehörigkeiten und schon angesprochen dementsprechend auch spezifische spezifische Unterschiede von Bedeutung. Diese Zugehörigkeiten und die damit verbundene Zugehörigkeitsordnung werden durch Migration, welche bedeutsame Grenzen, insbesondere bedeutsame „symbolische Grenzen der Zugehörigkeit“ (ebd., S.12) überschreitet, immer wieder problematisiert und damit thematisiert, was wiederum 85 eine Stabilisierung der Zugehörigkeitsverhältnisse zur Folge hat (vgl. ebd., S.35). Paul Mecheril nennt diese mit Migration verbundenen Zugehörigkeiten (ebd., „natio-ethno-kulturelle S.13). Auch Auseinandersetzung Zugehörigkeiten“ dieser Begriff ist mit Ergebnis gesellschaftlich einer dominanten Vorstellungen, welche von der früheren „Interkulturellen Pädagogik“ meist in Form des Kulturbegriffs in Verbindung mit „Ethnizität“ übernommen wurden. Die „ethnische Gruppe“, welche zunächst durch „ihre“ eigene „Kultur“ geprägt ist, bildet das Phänomen, an welche Paul Mecheril hier anschließt. Der Begriff natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit verweist darauf, dass gesellschaftlich dominante Praxen der Unterscheidung von natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit auf einem in der Regel nicht aufzulösenden, diffusen Gemisch von Vorstellungen beruhen, welche mit „Ethnizität“, „Kultur“ und „Nation“ verbunden sind. Im Exkurs über „Nation“, „Ethnizität“, „Rasse“ und „Kultur“ wurde bereits auf die Zusammenhänge eingegangen, durch welche die Begriffe verbunden sind, beziehungsweise verbunden werden können. 86 So ist beispielsweise die Vorstellung eines „ethnischen“ und damit auch „kulturell“ homogenen „deutschen Volkes“ noch immer weit verbreitet. Daran anschließend wird auch die Staatsangehörigkeit oft mit Vorstellungen einer „Ethnie“ verbunden, was unter Anderem Ausdruck in Gesetzestexten findet sowie in alltäglichen Stereotypen, welche Hinweise darauf geben, ob jemand als „Deutsche_r“ gilt oder eben nicht. An dieser Stelle wird deutlich, dass mit dieser Form der Zugehörigkeitsordnung eine zentrale gesellschaftliche Differenz geschaffen und aufrechterhalten wird, nämlich die zwischen dem „Wir“ und „dem Anderen“ oder konkret auf Deutschland bezogen, die „Deutschen“ und die „Ausländer“. Diese Differenz ist, wie im Abschnitt 4.4 über „Intersektionalität“ beschrieben wird, keineswegs die einzige und Paul Mecheril bestreitet dies auch nicht, sondern verweist auf die Vermitteltheit mit anderen Differenzverhältnissen wie beispielsweise „Geschlecht“ und „Klasse“. Migrationspädagogik geht es allerdings darum „in einer 'künstlichen Einstellung' […], das Verhältnis von Migration und Pädagogik unter dem Thema natio-ethno-kulturelle 87 Zugehörigkeit zu betrachten“ (ebd., S.15). Aus diesem Grund werden andere Differenzverhältnisse nur „punktuell“ (ebd.) thematisiert. Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen sind Teil gesellschaftlicher Macht- und Dominanzverhältnisse. In ihnen werden Menschen nicht nur im Sinne von „Alle anders – alle gleich“ bestimmten Gruppen zugeordnet, denn verbunden mit natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeiten sind immer auch gesellschaftliche Positionierungen, welche den Menschen mehr oder weniger Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und gesellschaftlicher Anerkennung ermöglichen (vgl. ebd., S.15). Über die eigene Zugehörigkeit kann meist nicht individuell entschieden werden (vgl. ebd., S. 36). Die der jeweiligen Zuordnung zugrunde liegenden Zugehörigkeitsordnungen sind Ergebnisse gesellschaftlicher Diskurse über Zugehörigkeit und die damit einhergehenden Grenzen. Diese sind als umkämpft und in ständigem Wandel zu verstehen (vgl. ebd., S.36ff). In der Migrationspädagogik geht es also zum einen um die Frage der Produktion und Reproduktion natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeitsordnungen und die Folgen, welche diese für die 88 Menschen haben. Zentral ist dabei die Rolle der Pädagogik, wie diese an den Prozessen der Produktion und Reproduktion der Zugehörigkeitsordnungen beteiligt ist und welche Möglichkeiten der Beeinflussung und Veränderung dieser Ordnungen ihr zur Verfügung stehen (vgl. ebd., S.15). 4.2.3 Migrationsandere In einer Migrationsgesellschaft leben also unterschiedliche natio-ethno-kulturelle „Griech_innen“, Gruppen „Deutsche“, nebeneinander, „Türk_innen“ usw., wobei Vermischungen und auch Mehrfachzugehörigkeiten möglich sind. Im Rahmen dieser Ordnung bilden die nicht zur eigenen Gruppe (den eigenen Gruppen) Zugehörigen, die „natio-ethnokulturellen Anderen“ (ebd., S.16). Paul Mecheril weist auf eine weitere alle natio-ethnokulturellen Zugehörigkeiten einschließende dichotome Differenz hin und zwar die zwischen „Migrationsanderen“ 17 17 Paul Mecheril weist darauf hin, dass „Migrationsandere“ nicht als „einheitliche Gruppe“ zu verstehen sind, vielmehr handelt es sich bei dem Begriff um ein Werkzeug, welches „auf Kontexte, Strukturen und Prozesse der Herstellung der in einer Migrationsgesellschaft als Andere geltenden Personen verweist“ (ebd., S.17). 89 und „Nicht-Migrationsanderen“. Diese in der Migrationsgesellschaft bedeutsame Differenz verweist auf den nationalstaatlichen Rahmen und zieht die symbolische Grenze zwischen „innen“ und „außen“, zwischen „Wir“ und „NichtWir“ (ebd., S.17f). Zwei Formen der Festlegung von Zugehörigkeit können hier unterschieden werden. Zum einen gibt es die formelle Festlegung durch Staatsangehörigkeit. Über diese Zugehörigkeit wird anhand von Gesetzen bestimmt. Neben der formellen Festlegung kommt es in der Alltagswelt immer wieder zu informellen Festlegungen von Zugehörigkeit, welche sich auf „Imaginationen, Mythen und auch Rassismen“ (ebd., S.40) stützen. So ist nationale Zugehörigkeit in Deutschland auf informeller Ebene durchaus „auch Sache körperlicher Attribute“ (Mecheril 2002, S.110), auch andere Merkmale beziehungsweise „natio-ethno-kulturelle Mitgliedschaftssignale“ (Mecheril 2002, S.111), wie „nicht deutsch klingende“ Namen und der Habitus spielen auf dieser alltagsweltlichen Ebene eine Rolle (vgl. Mecheril 2010, S.40) bei der Identifizierung von Migrationsanderen. 90 Wird Migrationsanderen die natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit beispielsweise in Form der Staatbürgerschaft zuerkannt, handelt es sich hierbei immer um eine „[p]rekäre Zugehörigkeit“ (Mecheril 2002, S.112), bei welcher die Möglichkeit der Aberkennung der Zugehörigkeit immer vorhanden ist. Sie steht damit im Gegensatz zur „fraglosen Zugehörigkeit“ (ebd., Zugehörigkeit die S.113). Allerdings „angeborene“ stellt prekäre natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit auch immer in Frage, weil sie diese als wählbar markiert und damit denaturalisiert (vgl. ebd., S.113). Der Kampf um diese Zugehörigkeit Migrationsanderer stellt dementsprechend einen wichtigen Ansatzpunkt dar, wenn es um die Veränderung von natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeitsordnungen geht. Der Begriff Migrationsandere ist meiner Meinung nach nicht ganz unproblematisch, so bezieht er sich als „Werkzeug“ (Mecheril 2010,S.17) zwar bewusst auf Menschen, welche in der Migrationsgsellschaft als „Andere“ gelten, impliziert aber genau deswegen auch Menschen, wie beispielsweise „Schwarze Deutsche“, welche nie über Nationengrenzen 91 hinweg gewandert sind, aber trotzdem beispielsweise aufgrund physiognomischer Merkmale als Migrat_innen / Migrationsandere angesehen und behandelt werden. Diese Menschen als Migrationsandere zu bezeichnen, folgt meiner Meinung nach zu stark den dominanten Normalitätsvorstellungen. Diese besagen, dass Menschen, die vom Prototyp „des _ der Deutschen“ zu stark abweichen, „nicht von hier kommen können“ und dementsprechend eingewandert sein müssen, was die dominante Vorstellung der Abhängigkeit der Staatsangehörigkeit von der Abstammung unterstützt beziehungsweise reproduziert. Mit „Andere Deutsche“ (Mecheril 2011, S. 579) hat Paul Mecheril selbst einen alternativen Begriff eingeführt, welchen ich für sinnvoller erachte, weil der anscheinend notwendige Bezug zu Migration fehlt. Der Begriff „Andere Deutsche“ ist zwar konkret auf Deutschland bezogen, jedoch erscheint er mir theoretisch abstrakt genug, um auch auf andere (nationale) Kontexte bezogen zu werden. Auch dieser Begriff kommt um einen Bezug auf dominante Kategorien nicht herum, jedoch ist dies wohl ein allgemeines Problem, welches sich bei der 92 Thematisierung von Dominanzverhältnissen ergibt. Allerdings werden mit dem Begriff nicht direkt dominante Bilder unterstützt, vielmehr bietet der Begriff durch die Kombination ein potenziell dekonstruktives Potenzial, auf welches später noch eingegangen werden soll. Paul Mecheril bezeichnet mit „Andere Deutsche“ Menschen, welche in Deutschland leben, „aber soweit von einem fiktiven prototypischen Bild des oder der 'Standard-Deutschen' abweichen, dass sie von dem → weißen gesellschaftlichen Mainstream als zu weit abweichend und folglich nicht legitim zugehörig wahrgenommen und behandelt werden“ (ebd., S.580, Hervorhebung im Original). Der Begriff zeigt an, dass die Zugehörigkeit „deutsch“ in erster Linie davon abhängig ist, ob jemand seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat und nicht von Kriterien wie der Abstammung. Auch wenn „Deutsche_r“ sein nicht unbedingt erstrebenswert zu sein scheint, bietet es unter der Perspektive natio-ethno-kultureller Zugehörigkeitsordnungen Möglichkeiten für die als „Andere“ Wahrgenommenen. Außerdem rückt mit diesem Begriff der Konstruktionscharakter 93 der dominanten Vorstellung von „Deutsch“ in den Blick. Nicht nur, dass Menschen als „deutsch“ bezeichnet werden, welche nicht dem Prototyp entsprechen, weist auf Inkonsistenzen hin, durch den Zusatz „Andere“ wird außerdem die Herstellung des „Eigenen“ und des „Anderen“ thematisiert. Beides ermöglicht potenziell eine Veränderung von Zugehörigkeitsordnungen. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den Bezeichnungen „Andere Deutsche“ und „Deutsche“ um relationale Begriffe handelt18, erscheint es mir zudem sinnvoll „Deutsch“ als Position fragloser natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit nicht unmarkiert zu lassen. So könnte neben den Anführungszeichen als Hinweis auf den Konstruktionscharakter zusätzlich die hegemoniale Norm als solche gekennzeichnet werden, beispielsweise durch den Begriff „Norm Deutsche“. Weiterhin kann festgestellt werden, dass mit dem Begriff auf die „prekäre Zugehörigkeit“ der „Anderen Deutschen“ hingewiesen wird, diese ist geprägt vom „doppelte[n] Anderssein“ (Mecheril 2011, S. 581). So sind Andere Deutsche nicht nur anders als fraglos „Deutsche“, sondern auch anders 18 Relational bedeutet, dass sich die Begriffe als Gegensätze wechselseitig aufeinander beziehen. 94 als „Nicht-Deutsche“. Auch diesen Begriff möchte Paul Mecheril im Hinblick auf die Gefahr der Personengruppen Essentialisierung als Werkzeug von konstruierten „der Konzentration, Typisierung und Stilisierung“ (Mecheril 2011, S. 582) verstanden wissen. 4.2.4 (Mehrfach-)Zugehörigkeiten Für Andere Deutsche beziehungsweise Migrationsandere sind, so Paul Mecheril, mehr als ein natio-ethno-kultureller Kontext von Bedeutung, auch wenn ihr Lebensmittelpunkt in einem Kontext, beispielsweise „Deutschland“ liegt. Aus diesem Grund spricht Paul Mecheril von (Mehrfach-)Zugehörigkeit. Diese ist mit ein Grund für den prekären Status der Zugehörigkeiten mehrfach zugehöriger Menschen (vgl. Mecheril 2003, S. 26f). Konzepte wie die Transmigration, welche die Möglichkeit und Realität transnationaler sozialer Räume aufzeigt und Hybridität, zeigen laut Paul Mecheril, wie natio-ethnokulturelle (Mehrfach-)Zugehörigkeit gefasst werden kann. 95 (Mehrfach-)Zugehörigkeiten überschreiten dominante natioethno-kulturelle Zugehörigkeitsordnungen und bieten damit Möglichkeiten diese zu verändern. Damit bieten sie Ansatzpunkte für pädagogisches Denken und Handeln, welches dominante Zugehörigkeitsordnungen verändern will. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch mehrfache Zugehörigkeiten keineswegs immer selbst gewählt sind und mit Diskriminierungen einhergehen können (vgl. Mecheril 2010, S. 51ff). 4.2.5 Zum Kulturbegriff Mit seinem Kulturbegriff schließt Paul Mecheril an den Begriff von „Kultur“ an, welchen das „Center for Contemporary Cultural Studies“ entwickelt hat. Hier wird „Kultur“ als „dynamisch und prozesshaft“ (ebd.), aber auch nicht als beliebig ausgestaltbar begriffen. Insbesondere die umkämpften Prozesse „der Konstruktion von sozialen Differenzen und Identitäten“ (ebd.) rücken hier in den Fokus. Paul Mecheril versteht dementsprechend „Kultur“ als sinnstiftende „sozial-symbolische Praxis“ (ebd.), durch welche 96 sich die Menschen ihre „Lebensbedingungen symbolisch aneignen“ (ebd.). Diese Aneignungen gehen einher mit der Produktion von symbolischen „Unterscheidungsweisen [und] bewirken Unterschiede“ (ebd.). Diese Produktionen verlaufen innerhalb bestehender Machtverhältnisse, sind umkämpft und aufgrund dessen, daraufhin zu Konsequenzen befragen, symbolisch wer was und unterscheidet, mit welchen und welche „kulturellen Formen“ sich jeweils gegen andere durchsetzen. 4.2.6 „Interkulturelle Kompetenz“ In seiner Beschäftigung mit „interkultureller Kompetenz“ (vgl. Mecheril 2010, S. 77ff) wird Paul Mecherils Umgang mit der Differenzkategorie „Kultur“ deutlich. Zunächst kritisiert er den dominanten Diskurs zu „interkultureller Kompetenz“, in welchem diese nicht als allgemeine Kompetenz, sondern „als Sonderkompetenz“ (Mecheril 2010, S.78) für die Arbeit mit Migrant_innen aufgefasst wird. Migrationsandere sind in den Konzepten als Professionelle meist gar nicht vorgesehen und wenn, dann oft, weil sie aufgrund ihrer Biografie als 97 „landeskundliche[...] Experten“ (ebd., S. 81) gelten und eben nicht aufgrund professioneller Kompetenzen und Reflexion. Der Bezeichnung „interkulturelle Kompetenz“ liegt, laut Paul Mecheril, zudem oft ein sozialtechnisches Verständnis zugrunde, welches suggeriert, dass Wissen über die „anderen Kulturen“ von den Professionellen richtig angewandt zu den gewünschten Ergebnissen führt. Dabei werden die gesellschaftlichen Bedingungen und Begrenzungen und der sich dadurch ergebende Möglichkeitsraum für die Professionellen nur wenig oder gar nicht berücksichtigt. An dieser Stelle kritisiert Paul Mecheril auch das vielen Konzepten Interkultureller Pädagogik zugrunde liegende Kulturverständnis. So liegt der meist unreflektiert vorausgesetzten Verbindung von Migration und „kultureller Differenz“ in vielen Konzepten zum einen eine Reduktion auf „Kultur“ als Differenzdimension zugrunde, zum Anderen besteht aufgrund der Annahme der „kulturellen Differenz“ von Migrant_innen auch immer die Gefahr, diese „Anderen“ in der pädagogischen Praxis und auch Theorie selbst zu (re-) produzieren. Diese Gefahr besteht gerade auch dann, wenn die 98 Anerkennung „kultureller Differenz“ gefordert wird. Einen weiteren Aspekt stellt die Problematik der Essentialisierung der „Fremden“ und des „Eigenen“ anhand des Merkmals „Kultur“ dar. Hierbei wird die vermeintliche eigene beziehungsweise fremde „Kultur“ als zentrales „Wesensmerkmal“ gedacht. Auch die Verortung „kultureller Differenzen“ zwischen Nationalitäten und Ethnien kritisiert Paul Mecheril. Diese ist eine durchaus gängige, problematische Praxis, welche an dominante Diskurse und Alltagsverständnisse anschließt. Damit einhergehend kann es, „wenn [s]tatische, das Wesen größerer Kollektive behauptende Kulturverständnisse, die Assoziationen von Kultur, Körpern und Territorien herstellen“ (ebd., S.88) zu Anschlüssen an „kulturellen“ Rassismus kommen. Das Wissen um diese Problematiken, welche mit der Verwendung des Kulturbegriffs einhergehen können, führt bei Paul Mecheril jedoch nicht dazu, auf diese Kategorie verzichten zu wollen. Diese sei vielmehr eine bedeutende „erziehungswissenschaftliche Analysedimension“ (ebd., S.92). Deshalb gilt es, so Paul Mecheril, „Kultur“ als „ein 99 Deutungsmuster zu verstehen, welches [...] in Selbst- und Fremdbeschreibungen alltagsweltlicher Handlungssubjekte“ (ebd.), aber auch in (Erziehungs-)wissenschaftlichen Ansätzen verwendet wird. „Kultur“ ist dementsprechend als Instrument zu verstehen, dessen Relevanz und Bedeutung in (pädagogischen) Situationen immer wieder neu erkundet werden muss. Dabei darf die Reflektion der Verknüpfung von „Kultur“ und Macht nicht in den Hintergrund rücken. Damit wird die Beobachtung davon, wer unter welchen Bedingungen auf welche Weise „Kultur“ gebraucht, zentral. Die eigene professionelle Praxis und deren Konsequenzen soll davon nicht ausgenommen, sondern gerade auch deren Reflexion systematisch unterstützt werden (vgl. ebd., S. 92ff). Weiterhin schlägt Paul Mecheril vor, die „Verschränkung von Verstehen und Nicht-Verstehen als interkulturelle [und damit allgemeine R.K.] Perspektive zu betrachten“ (ebd., S.97). Nicht-Wissen kann eine nicht festlegende und für den _ die Andere_n nicht einschränkende Bezugnahme auf die _ den Andere_n ermöglichen. Nicht-Wissen ist jedoch selbst immer 100 mit Wissen verschränkt, so zum Beispiel mit dem, wer denn als Andere_r behandelt wird. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass laut Paul Mecheril „Kultur“ durchaus eine Bedeutung für pädagogisches Handeln hat. Zentral für den professionellen pädagogische Umgang ist die Reflektion des Gebrauchs der Kategorie „Kultur“, deren Bedeutung immer nur in der konkreten Situation feststellbar ist. Insbesondere die damit verbundenen Macht- und Dominanzverhältnisse sind hierbei zu beachten. Nachdem nun geklärt ist, was laut Paul Mecheril unter „Kultur“ zu verstehen ist, stellt sich die Frage, wie mit „natioethno-kulturellen Differenzen“ umzugehen ist. Deren Anerkennung ist zwar gut zu begründen, hat aber zugleich problematische Konsequenzen. Welche Orientierung Paul Mecheril für sinnvoll erachtet und warum, soll im nächsten Abschnitt geklärt werden. 4.2.7 Dilemma der Anerkennung „Der Anerkennung der Zugehörigkeit von Individuen zu sozialen Gemeinschaften kommt unter 101 heutigen gesellschaftlichen Bedingungen […] eine besondere Bedeutung zu“ (Mecheril 2003, S. 26). Zum erziehungswissenschaftlichen Thema wurde Anerkennung zunächst in den Richtungen der Pädagogik, welche vornehmlich mit dem Thema der Differenz verbunden sind, dazu gehören neben der „Interkulturellen Pädagogik“ die geschlechtersensible und die integrative Pädagogik (vgl. Mecheril 2010, S.182). So stellt beispielsweise Georg Auernheimer fest, dass der „Gleichheitsgrundsatz und de[r] Grundsatz der Anerkennung anderer Identitätsentwürfe“ (Auernheimer 2001, S. 45, Hervorhebung R.K.) die beiden Grundprinzipien der „interkulturellen Bildung“ darstellen, denn „'Gerechtigkeit' […] muss an eine über die schlichte Gleichbehandlung hinausgehende Achtsamkeit für Unterschiede und die Pluralität der 'Identitätsentwürfe' geknüpft sein“ (Mecheril 2010, S.182). Wird dies nicht getan, tendiert sie zu „einer Benachteiligung durch Gleichbehandlung“ (Mecheril 2005, S.320), das heißt jene Menschen werden benachteiligt, welche Bildungsinstitutionen nicht den in dominierenden Normalitätskonstruktionen entsprechen. 102 Ziel pädagogischer Anerkennungsansätze ist also nicht nur der gleichberechtigte Zugang beispielsweise zu Bildungsinstitutionen, sondern auch Strukturen, welche die Handlungsfähigkeit der Menschen entsprechend ihren „basalen Handlungsdispositionen“ (ebd., S.321) ermöglichen und damit einen Status als handlungsfähige Subjekte bieten. Die „basalen Handlungsdispositionen“ werden innerhalb eines „kulturellen Rahmens“ entwickelt und so gesehen ist die Anerkennung dieses Rahmens verbunden mit der Entwicklung zum handlungsfähigen Subjekt. An dieser Stelle spielt das Verständnis von „Kultur“ eine wichtige Rolle für die Interpretation der Pädagog_innen, was unter einem spezifischen „kulturellen Rahmen“ zu verstehen ist und wie dieser sich auf die Handlungsdispositionen, „normative Disponiertheiten, Sprache und leibgebundene Empfindsamkeiten“ (ebd., S.322) auswirkt. So kann Anerkennung Kulturalisierung und Ethnisierung zur Folge haben, beispielsweise, wenn kulturelle Unterschiede „an der Grenze zwischen nationalstaatlich vergesellschafteten Zugehörigkeiten verortet“ (Hamburger 2009, S.140) werden 103 und es in erster Linie um die Erhaltung kollektiver kultureller Identitäten geht. Paul Mecheril bemerkt kritisch zur eben skizzierten Idee der Anerkennung, dass diese die Grenzen, welche innerhalb der Dominanzkultur für sie bestehen (vgl. Mecheril 2010, S. 185f) nicht ignorieren darf. Der Verbleib in einer nicht dominanten, natio-ethno-kulturellen Lebensform, kann in Kontexten, die für die Entwicklung von Handlungsfähigkeit von Bedeutung sind, zur Benachteiligung oder gar zum Ausschluss aus diesen Kontexten führen. Aus diesem Grund plädiert Paul Mecheril für Angebote, welche neben der Anerkennung auch eine Teilhabe an Kontexten ermöglichen, welche durch die dominante natioethno-kulturelle Lebensform geprägt sind. Paul Mecheril spricht in diesem Zusammenhang von „Akkulturation“ (Mecheril 2010, S. 186). Darunter kann beispielsweise Deutschunterricht verstanden werden, der die für die Handlungsfähigkeit notwendigen Sprachkenntnisse vermittelt. Akkulturation ohne vollständige Assimilation ist möglich im Rahmen einer „Pädagogik der (nicht 104 verhinderten) Mehrfachzugehörigkeit“ (ebd., S.324, Hervorhebung im Original). Diese erkennt nicht nur natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeiten, sondern Gleichzeitigkeiten, „auch Mischformen, Hybridisierungen Mehrfachzugehörigkeiten“ und damit und verbundenen Dispositionen an, welche sich in der Migrationsgesellschaft entwickeln. Ein Beispiel von Mehrfachzugehörigkeit sind bilingual aufwachsende Kinder, welche ganz eigene Anforderungen beispielsweise an die Schule stellen. Die Anerkennung, welche immer innerhalb spezifischer gesellschaftlicher Macht- und Dominanzverhältnisse geschieht, (re-)produziert der dominanten, binären und ausschließenden Logik folgend die Unterscheidung in Andere und NichtAndere. Somit Dominanzverhältnisse werden und gegebene der damit Macht- und verbundene „subalterne[...] und inferiore[...] Status“ (ebd., S.324), welchen die („kulturell“) „Anderen“ innerhalb dieser Verhältnisse inne haben, (re-)produziert. Aus diesem Grund plädiert Paul Mecheril aus einer dekonstruktiven Perspektive für die „Achtsamkeit für Formen, 105 in denen hegemoniale Zugehörigkeitsgrenzen sprachlicher und kultureller Art überschritten werden“ (Mecheril 2010, S. 189). Dies können etwa Formen der Mehrfachzugehörigkeit oder Hybridität sein, welche die dominante Zugehörigkeitsordnung unterlaufen. Diese können Ansatzpunkte für pädagogische Theorie und Praxis bieten, dominante Zugehörigkeitsordungen zu verändern. 4.2.8 Reflexive Anerkennung Wie weiter oben beschrieben kann die Anerkennung der Anderen als Andere helfen, einen Ausschluss aus den pädagogischen Tätigkeitsfeldern zu verhindern, gleichzeitig bedeutet dies die (Re-)Produktion der von den bestehenden Macht- und Dominanzverhältnissen geprägten Identitäten und Differenzen von Anderen und Nicht-Anderen, was nach deren Veränderung verlangt. Die Verschiebung und Vervielfältigung bestehender Zugehörigkeitsverhältnisse steht dabei in einem unaufhebbaren Spannungsverhältnis zur Anerkennung 106 vorhandener Zugehörigkeiten (ebd., S.190). Angesichts dessen ist sowohl der Ausschluss, als auch die Reproduktion der Anderen unvermeidbar (Vgl. Mecheril 2005, S.325). Für Pädagog_innen bleibt nur die Berücksichtigung genau dessen und die Möglichkeit vorhandene Verhältnisse so zu verändern, dass innerhalb gegebener Macht- und Dominanzverhältnisse „weniger Gewalt und Macht ausgeübt“ (Mecheril 2010, S.190) wird. Dieser Prozess der Reflexion und Veränderung pädagogischer Handlungen, Wissensbestände und Strukturen kommt an kein Ende, vielmehr müssen die Ergebnisse selbst wiederum reflektiert werden. Um eine (Re-)Produktion der von der eigenen kulturellen Dominanz ermöglichten Repräsentationsverhältnisse zu vermeiden, in welchen die Nicht-Anderen die Anderen beschreiben und damit mit erzeugen, ist es sinnvoll in den Reflexionsprozess über die Probleme der Anerkennung die Anderen mit einzubeziehen (vgl. Mecheril 2005, S.326). 4.3 Diversity Der Begriff „Diversity“ wurde von der Human-Rights107 Bewegung in den USA geprägt und kann mit „Vielfalt“ übersetzt werden (vgl. Fager 2006). Der Begriff ist bezogen auf „die Heterogenität und Unterschiedlichkeit von Lebenslagen und Lebensentwürfen, die in Gesellschaften der Spätmoderne charakteristische sind“ (Eggers 2011, S. 256). Vielfalt wird in Diversity-Ansätzen als wünschenswerte und positive, zu fördernde Ressource für die gesellschaftliche aber auch ökonomische Entwicklung verstanden. Damit rücken Differenzen zwischen Menschen unter positiven Vorzeichen in den Blick. Damit geht die Forderung nach einer „konsequente[n] Anerkennung des Rechts auf eine selbstbestimmte individuelle Lebensführung“ (Hormel / Scherr 2004, S. 209) einher. Bei Diversity handelt es sich „um keine genuin pädagogische Programmatik“ (ebd., S. 208), das zeigt sich schon daran, dass gerade „Diversity Management“ als eine Form der Unternehmens- beziehungsweise Organisationsentwicklung zu den bekanntesten Diversity Konzepten gehört. Ein einheitliches Konzept der „Diversity-Pädagogik“ gibt es nicht, vielmehr beziehen sich unterschiedliche pädagogische 108 Konzepte19 in unterschiedlicher Weise auf den Begriff Diversity (vgl. ebd., S. 205). Im Folgenden werde ich aus diesem Grund auf konkrete Konzepte nur am Rande eingehen und auf einer allgemeinen Ebene untersuchen, ob Potenziale für eine Kritik an der traditionellen „Interkulturellen Pädagogik“ und deren Umgang mit „Kultur“ vorhanden sind und welche Perspektiven Diversity-Ansätze möglicherweise für eine Pädagogik in der Migrationsgesellschaft bieten, welche über die Ansätze der traditionellen „Interkulturellen Pädagogik“ hinausweisen. 4.3.1 Zum Konzept Pädagogik einer Diversity- Paul Mecheril erklärt zu Beginn seiner Ausführungen über „Migrationspädagogik“, dass er auf den Zusammenhang „von Migration und Pädagogik“ (Mecheril 2010, S. 15) in einer „künstlichen Einstellung“ (ebd.) mit dem Fokus auf natioethno-kulturelle Zugehörigkeit eingeht und andere 19 Einen bekannten Ansatz stellt beispielsweise die „Pädagogik der Vielfalt“ dar, welchen Annedore Prengel auch als „Diversity Education“ bezeichnet (vgl. Prengel 2007, S. 50). 109 Differenzlinien beziehungsweise Dimensionen damit weniger beachtet und weist damit darauf hin, dass weitere Differenzlinien durchaus von Bedeutung sind. Genau diese Fokussierung vieler Differenzlinien ist das Ziel von Diversity-Ansätzen. Dabei lehnen sich viele Ansätze an Modelle der Intersektionalität an und verstehen die Differenzen nicht als isolierte sondern gehen von „Überkreuzungen und Wechselwirkungen (Interdependenzen)“ (Eggers 2011, S. 257) zwischen den Differenzlinien aus. Ulrike Hormel und Albert Scherr zählen zu den für Diversity-Ansätze bedeutsamen Differenzen „soziale Klasse und sozialer Status, sex / gender, sexuelle Orientierung, Ethnizität / Nationalität, „Rasse“, Alter, Sprache, Religion, psychische und physische Gesundheit, Behinderung und Regionalität“ (Hormel / Scherr 2004, S. 205). Gertraude Krell, Barbara Riedmüller, Barbara Sieben und Dagmar Vinz gehen sogar davon aus, dass „die Liste möglicher Diversity-Dimensionen unendlich lang“ (Krell / Riedmüller / Sieben / Vinz 2007, S. 9) ist. Darauf, dass dies wiederum nicht unproblematisch ist, soll später noch eingegangen werden. Aufgrung dieser programmatischen Fokussierung 110 einer Vielzahl von Differenzen besteht potentiell die Möglichkeit „kulturalistische[...] Engführungen“ (Hormel / Scherr 2004, S. 214) zu vermeiden, welche in Konzepten der „Interkulturellen Pädagogik“ oft vorzufinden sind. Ob jedoch in allen an Diversity anschließenden pädagogischen Konzepten dadurch auch die Verwendung von „Kultur“ selbst weitergehend reflektiert wird und beispielsweise ein „Inseldenken“ (Mecheril 2010, S. 64) überwunden wird, bleibt zu bezweifeln. Ulrike Hormel und und Albert Scherr schreiben selbst, dass „[m]anche Varianten der Diversity-Pädagogik […] von tradierten Konzepten interkultureller Pädagogik nicht zu unterscheiden“ (Hormel / Scherr 2004, S. 205) sind. Solche Konzepte können dementsprechend Pädagogik“ auch keine Hinausweisende über sein die und „Interkulturelle bei einer Problematisierung des Kulturbegriffs in der traditionellen „Interkulturellen Pädagogik“ nicht weiterhelfen. Liegt Konzepten der Diversity-Pädagogik jedoch ein Verständnis von sozialen und individuellen Identitäten zugrunde, welches diese als prozesshaft, situationsabhängig und von Brüchen und Widersprüchen geprägt sieht, können diese laut Ulrike Hormel 111 und Albert Scherr „als konsequente Fortführung einer reflektierten interkulturellen Pädagogik […] verstanden werden (ebd., S. 206ff). Auf ebensolche Konzepte beziehen sich dementsprechend auch meine weiteren Betrachtungen. 4.3.2 Mögliche Fallstricke von Diversity Konzepten Die weiter oben angesprochene potenziell „unendlich“ lange Liste von Differenzen, welche in Diversity-Ansätzen zu tragen kommt, kann zu einem naiven „Verständnis gesellschaftlicher Vielfalt“ (ebd., S. 210) führen, wenn nicht beachtet wird, dass manche Differenzen wie zum Beispiel „kulturelle Differenzen“ oder „Rasse“ mit Ungleichheitsverhältnissen gesellschaftlichen verbunden Macht- und sind und Diskriminierungen zur Folge haben können, während andere Unterschiede, Ulrike Hormel und Albert Scherr nennen beispielsweise Ernährungsgewohnheiten „in keinem Bezug zu Strukturen sozialer Ungleichheit“ (ebd., S. 209) stehen und damit auf einer anderen Ebene anzusiedeln sind. Damit ist auch angesprochen, dass viele Differenzen mit der 112 (Re-)Produktion gesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse verknüpft sind. So wird allen Differenzenlinien, welche auch aus Intersektionalitätsdebatten bekannt sind, ein Grunddualismus zugeordnet, welcher aus einer dominanten und einer dominierten Position besteht, also hierarchisch geordnet ist. So sind die Unterscheidungen „von Männern und Frauen, Heterosexuellen und Homosexuellen, Einheimischen und Fremden […] usw. […] asymetrisch konstruiert“ (ebd., S. 211) und implizieren eine hierarchische Ordnung. Die Forderung nach Anerkennung von Differenzen, welche „mit der Zuweisung eines ungleichen sozialen Status sowie ungleichen Chancen der Wertschätzung“ (ebd.) verknüpft sind, steht folglich mit dem Anspruch „der Nicht-Hierarchisierung“ (ebd.) von Differenzen im Widerspruch. Aus diesem Dilemma schließen Ulrike Hormel und Albert Scherr, dass bei Differenzen, welche „mit Strukturen sozialer Ungleichheit verwoben“ (ebd., S. 212) sind, nicht die fraglose Anerkennung das Ziel sein kann, sondern „gesellschaftspolitische[...] Strategien, die auf die Veränderung solcher Strukturen zielen, deren Effekt ungleiche Chancen der 113 Bildung und Persönlichkeitsentwicklung sind“ (ebd., S. 211f) in den Blick genommen werden müssen. So können Diversity-Ansätze sich beispielsweise mit „Strukturen und Prozesse[n]“ (ebd., S. 212) auseinandersetzen, welche an der Produktion von Ungleichheit beteiligt sind. Außerdem können sie zu einer kritischen Auseinandersetzung mit „Stereotypen und Vorurteilen“ (ebd.) anregen und auf Brüche in den scheinbar klaren „Gruppenzuordnungen“ (ebd.) hinweisen. Durch „Kommunikations- und Kooperationszusammenhänge“ (ebd.) soll es zudem möglich sein, Räume zu schaffen, welche „die Irrelevanz etablierter Gruppenunterscheidungen“ (ebd.) erfahrbar machen. Gerade die Auseinandersetzung mit der (Re-)Produktion von Stereotypen ist für Diversity-Ansätze auch deshalb wichtig, weil sie durch die Thematisierung von Vielfalt und die Anerkennung der damit verbundenen Differenzen immer Gefahr läuft, die Differenzen selbst und die damit einhergehenden Stereotypisierungen zu verstärken oder zu aktivieren (vgl. ebd., S. 215). Das Dilemma macht also eine doppelte Strategie notwendig. 114 Die „Anerkennung von Differenzen“ und das „Plädoyer für Vielfalt“ (ebd.) müssen laut Ulrike Hormel und Albert Scherr einhergehen mit einer Auseinandersetzung darüber, wie diese Differenzen, innerhalb gesellschaftlicher Macht- und Dominanzverhältnisse (re-)produziert werden und welche Folgen diese gerade für die Menschen in den nicht-dominaten Positionen der damit verbundenen Ordnung hat. Mit anderen Worten „ist es notwendig, zur Einsicht in Prozesse der Konstruktion des 'Anderen' zu befähigen“ (ebd.). Dabei können, wie weiter oben schon erwähnt, Hinweise auf Brüche innerhalb der Zugehörigkeitskonzepte sinnvoll sein. Damit sind „Grenzüberschreitungen und […] heterogene Identitäten“ gemeint, welche „etablierte Unterscheidungen unterlaufen“ (ebd.). Mit dem Konzept der Toleranz sind diese Forderungen für Ulrike Hormel und Albert Scherr nicht vereinbar. Die von Diversity-Ansätzen „oftmals programmatisch beanspruchte Zielsetzung“ (ebd.) von Toleranz verbleibt, laut den Autor_innen bei der Forderung die „Anderen“ gewähren zu lassen beziehungsweise zu dulden. Die dominante Position der 115 Mehrheit und die damit verbundene Normalitätskonstruktion bleibt dabei jedoch unhinterfragt. Zudem ist davon auszugehen, dass es sich bei der angesprochenen Toleranz um ein Verhältnis unter Ungleichen handelt, eines zwischen Mehrheit und Minderheit. Für die Minderheitsangehörigen behält dieses Verhältnis damit einen widerrufbaren und auch paternalistischen Charakter (vgl. ebd., S. 216f). Weiterhin stehen möglicherweise nicht tolerierbare „antiemanzipatorische Tendenzen und Repressive Praktiken“ (ebd., S. 217) einer Verallgemeinerung von Toleranz entgegen. Sowohl generelle Toleranz als auch generelle Anerkennung von Vielfalt laufen Gefahr, dominante Zuordnungen als „selbstverständlich gegebene Sachverhalte“ (ebd., S. 217) anzusehen und damit das Recht der _ des Einzelnen zu übergehen, sich diese selbst anzueignen beziehungsweise sich der Zuordnung zu entziehen. Um solche Festlegungen zu vermeiden, gilt es konsequent die Möglichkeiten von Individuen zur Selbstbestimmung zu erweitern und „Identitätsfixierungen“ (ebd., S. 216) zu vermeiden. Nach Ulrike Hormel und Albert Scherr sind damit die zentralen 116 Anforderungen an eine Diversity Perspektive für die Pädagogik benannt. Dabei ist klar geworden, dass eine solche Perspektive nicht von Problematiken einer „interkulturellen“ Perspektive befreit, so kann es durchaus zu Kulturalisierungen oder Essentialisierungen kommen. pädagogischen Ansätzen, Dem welche an muss diese auch in Perspektive anschließen, Rechnung getragen werden. Ist dies der Fall, kann Diversity, so Ulrike Hormel und Albert Scherr beispielsweise in der Schule als „Querschnittsperspektive für unterschiedliche Themen und Fächer“ (ebd., S. 232) dienen. Eine Bedeutung messen die Autor_innen der Perspektive auch bei der „Organisationsentwicklung von Schulen und Hochschulen“ und „für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von PädagogInnen“ (ebd., S. 233) zu, „[d]enn die Herausforderung eines angemessenen Umgangs mit Differenz […] ist ein durchgängiges Element des pädagogischen Alltags“ (ebd.). 4.3.3 Diversity hegemoniale Praxis oder herrschaftskritisches Instrument Ulrike Hormel und Albert Scherr haben beschrieben, unter welchen Umständen eine Diversity Pädagogik kritisch an die 117 traditionelle „Interkulturelle Pädagogik“ anschließen kann und über diese hinausgeht. Dabei ist klar geworden, dass an das Konzept durchaus auch unreflektiert angeschlossen werden kann und auch angeschlossen wird (vgl. ebd., S. 205). Dies soll zum Anlass genommen werden, an dieser Stelle noch einmal spezifisch nach dem möglicherweise problematischen Potenzial von Diversity zu suchen. Maureen Maisha Eggers sieht Diversity als „zunehmend umkämpfte Ressource“ (Eggers 2011, S. 258). So kann Diversity als „herrschaftskritisches Instrument“ (ebd., S. 259) gegen Diskriminierung und Ausgrenzung eingesetzt werden. Jedoch lässt sich auch ein Gebrauch von Diversity als hegemoniale Praxis beobachten. Hierbei werden gerade die herrschafts- und machtkritischen Aspekte von Diversity entschärft. Gelingt es, die „Normalität von Diversität zu banalisieren“ (ebd., Machtverhältnisse zu S. 258), also verschleiern, damit rücken verbundene die damit verbundenen Ungleichheitsverhältnisse aus dem Blick, was Diversity den „gesellschaftskritischen Stachel“ (ebd., S. 259) zieht und zugleich gegebene Ungleichheitsverhältnisse 118 stabilisiert. Ein Potenzial zur Veränderung vorhandener gesellschaftlicher Macht- und Dominanzverhältnisse sieht Maureen Maisha Eggers darin, dass Heterogenität, welche immer vorhanden ist, auch wissenschaftlich wahrgenommen wird. Das könnte ihrer Meinung nach auf den Konstruktionscharakter von Normalität verweisen und damit den Raum für „neue Vorstellungen und Entwürfe von lebbaren und repräsentierbaren Normalitäten“ (ebd., S. 261) eröffnen. Auch Paul Mecheril erkennt die „hegemonialen Wirkungen“ (Mecheril 2006), welche Diversity innewohnen und gleichzeitig, wie Maureen Maisha Eggers „'das emanzipative' Potenzial“ (ebd.). Paul Mecheril attestiert dem Konzept also eine Ambivalenz, welche es zu beachten gilt, wenn nicht unreflektiert Macht- und Dominanzverhältnisse (re-)produziert werden sollen. So kann Diversity laut Paul Mecheril „eine Praxis der raffiniert(er)en Annexion von Differenzen / Identitäten“ (ebd.) und damit eine hegemoniale Praxis darstellen. 119 Werden innerhalb von Diversity Konzepten die Verschränkungen der verschiedenen Differenzlinien nicht ausreichend beachtet, kann dies, so Paul Mecheril, „zu einem entschärfenden und nivellierenden Bezug“ (Mecheril 2006) auf diese führen, was die Festlegung von Identitäten anhand dominanter Differenzschemata zur Folge haben kann. Zudem muss angesichts der Verbreitung von Diversity in der Wirtschaft die Frage gestellt werden, wer von Diversity Programmen in den konkreten Fällen tatsächlich profitiert. Wird Diversity lediglich eingesetzt, um die Profite von Unternehmen zu maximieren, was naheliegend ist, stellt diese Instrumentalisierung von Differenzen dar. Ebenso wie die angesprochene Festschreibung von Identitäten muss dies als machtvoller Moment von Diversity gesehen werden, welcher die Stärkung von Hegemonien zur Folge hat. Zentral ist für Paul Mecheril also, „das machtvolle Potenzial“ (ebd.) von Diversity-Ansätzen in der Praxis zu reflektieren. Die durchaus vorhandenen machtkritischen und emanzipativen Potenziale von Diversity können bei der Beachtung von Differenzen helfen, wodurch der „Ausschluss marginalisierter 120 Positionen / Identitäten“ (ebd.) gemindert werden kann. 4.4 Intersektionalität Neben Diversity-Ansätzen, welche viele verschiedene Differenzlinien in den Blick nehmen, aber zugleich normative und programmatische Ziele definieren, existiert das Intersektionalitätsmodell, welches weniger als Programm, denn als Forschungsparadigma zu verstehen ist. Durch die analytische Konzentration auf „Kultur“ als Differenzkategorie besteht für die „Interkulturelle Pädagogik“ die Gefahr, die Vielzahl anderer Differenzkategorien, welche für eine sinnvolle Analyse auf theoretischer und praktischer Ebene von Bedeutung sind, aus den Augen zu verlieren. Stellen doch gerade die Verschränkungen, Kreuzungen und Verknüpfungen von „Kultur“ als Differenzkategorie mit anderen Differenzkategorien einen wichtigen Bezugspunkt dar. Deshalb soll an dieser Erziehungswissenschaften Stelle auch diskutierte auf in Konzepte den der Differenzlinien und der „Intersektionalität“ eingegangen werden, welche sich mit eben solchen Verschränkungen 121 verschiedener Differenzkategorien beziehungsweise Differenzlinien und den damit einhergehenden Effekten beschäftigen. Die Intersektionalitätsanalyse (intersectionality) hat ihren Ursprung in der Genderforschung. Hier plädierten „vor allem schwarze US-amerikanische Feministinnen“ (Lutz 2001, S. 222) dafür, die einzelnen Differenzen „Gender, „Rasse“ / Ethnizität, Klasse, Sexualität und Nationalität“ (ebd.) und deren Wirkungen in ihrer Verschränkung zu untersuchen. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich Menschen „im Schnittpunkt (intersection)“ (ebd.) dieser Differenzen befinden und so positioniert „ihre Identitäten, Loyalitäten und Präferenzen entwickeln“ (ebd.) (vgl. Crenshaw 1994 und Smith 1998). Auch im deutschsprachigen Raum ist die Beachtung mehrerer Differenzen zugleich ein Thema. Helma Lutz und Norbert Wenning haben eine nicht als abgeschlossen aufzufassende Liste von 13 solcher Differenzlinien mit den dazugehörigen „Grunddualismen“ (Lutz / Wenning 2001, S.20) erarbeitet, welche ihrer Meinung nach in erziehungswissenschaftlichen Diskussionen von Bedeutung sind (vgl. ebd.). 122 Abbildung 2: 13 Differenzlinien (Lutz / Wenning 2001, S. 20) Alle diese Differenzlinien sind als wirkmächtige soziale Konstruktionen zu verstehen, anhand derer Menschen in der Gesellschaft positioniert werden. Zusammen mit Marianne Krüger-Potratz hat Helma Lutz in einer späteren Arbeit noch Religion (säkular - religiös) und Sprache (überlegen - unterlegen) als weitere Differenzlinien hinzugefügt (vgl. Krüger-Potratz / Lutz 2002, S. 88f). In der ersten Fassung der Differenzlinien mit Norbert Wennning wurden diese beiden Differenzen zwar zusammen mit den 123 Linien Bildung und dem Gegensatz von Stadt und Land genannt, allerdings nicht in die Tabelle eingefügt. Als Grund wird angegeben, dass sie „jeweils einem anderen Differenzpaar zugeordnet werden können“ (Lutz / Wenning 2001, S. 20), dabei handelt es sich um Zugehörigkeit und NichtZugehörigkeit und „Kultur“. Die erarbeiteten Grunddualismen, beispielsweise „männlich“ und „weiblich“ bei der Differenzlinie „Geschlecht“, sind hierarchisch angeordnet. Die erste von beiden ist immer die gesellschaftlich dominante, die Norm darstellende Kategorie, die zweite Stellt eine Abweichung von dieser Norm, die nicht dominante Kategorie dar. Das Modell von Helma Lutz und Norbert Wenning lässt sich nicht eins zu eins auf alle Zusammenhänge die in dieser Arbeit Thema sind, übertragen, bietet aber eine sinnvolle Grundlage für die Überlegungen zu den Wechselwirkungen und Überschneidungen verschiedener Differenzlinien. Es wurde bereits angesprochen, dass die Differenzlinien Religion und Sprache zunächst nicht in der Tabelle von Helma Lutz und Norbert Wenning aufgeführt sind, weil diese einem 124 anderen Differenzpaar zugeordnet werden können. Bildung wird dem Klassenbegriff und Religion dem Dualismus zugehörig und nicht zugehörig zugeordnet (vgl. ebd., S. 20). Dass die Differenzen zunächst nicht in die Liste aufgenommen wurden, verweist auf die Grenzen der Vorstellung von einzelnen separaten Linien, welche sich erst im Nachhinein kreuzen. Helma Lutz und Norbert Wenning verweisen auch darauf, „dass sich Zuordnungen überschneiden können, d.h. dass Differenzlinien mehrdeutig“ (ebd., S. 21) verortet werden können. Diese Schwierigkeiten kommen auch bei der Bearbeitung meines Themas zum Tragen. So ist „Kultur“, wie gezeigt wurde, von den Linien „Ethnizität“, „Nation(alität)“ und „Sprache„ gerade auch im Bezug auf die Diskussion um „Interkulturelle Pädagogik“ nicht zu trennen, vielmehr wird „kulturelle“ Differenz oft genau an diesen Linien festgemacht (vgl. Krüger-Potratz / Lutz 2002, S. 86 und Lutz 2001, S. 226f). 125 5 Fazit In diesem Abschnitt sollen die Erkenntnisse der im letzten Abschnitt dargestellten theoretischen Ansätze sowie die des Exkurses über den Zusammenhang von „Nation“, „Ethnie“, „Rasse“ und „Kultur“ zu einem zusammenhängenden Bild zusammengefügt werden. Ich werde also herausarbeiten, welche Fallstricke, aber auch welche Möglichkeiten für eine „Interkulturelle-“ beziehungsweise „Migrationspädagogik“ in der Beschäftigung mit „Kultur“ als Differenzkategorie verbunden sind. Zu diesem Zweck werde ich zunächst den Fokus auf die pädagogische Praxis legen und die zentralen Anforderungen aber auch Möglichkeiten ausarbeiten, um mich dann im Anschluss mit den Konsequenzen für die erziehungswissenschaftliche Theoriebildung zu beschäftigen. 5.1 Folgerungen für pädagogische Praxis Einen zentralen Ausgangspunkt für Überlegungen zum pädagogischen Umgang mit der Differenzkategorie „Kultur“ bietet das Dilemma der Anerkennung, auf welches unter 126 Anderem Paul Mecheril aufmerksam macht (vgl. Mecheril 2010, S. 190f; Mecheril 2009, S. 9f) und welches schon im Abschnitt 4.2.6 Thema war. Dieses Dilemma resultiert, wie weiter oben schon beschrieben, aus dem Widerspruch, dass „kulturelle“ (beziehungsweise natio-ethno-kulturelle) Differenzen von Migrationsanderen beziehungsweise Anderen Deutschen, welche durchaus wirkmächtig sind, anerkannt werden müssen. Notwendig ist dies unter Anderem, um Ungleichheit im Bildungssystem zu vermeiden und die Selbstbestimmung über die eigene Identität zu ermöglichen. Die Anerkennung der „kulturellen Differenzen“ führt allerdings zu deren (Re-)Produktion innerhalb der gegebenen hegemonialen Zugehörigkeitsordnung und den damit einhergehenden Ungleichheiten (vgl. Mecheril 2009, S. 5ff und Mecheril 2010, S. 181ff und Mecheril 2005, S. 395ff). Dekonstruktive Strategien, Zugehörigkeitsordnung welche anschließen, an Brüche wie in der beispielsweise hybride Identitäten, können zur Veränderung der gegebenen Zugehörigkeitsordung führen und die darin eingelagerten 127 Dichotomien, in „Wir“ und „die Anderen“ sowie Macht- und Dominanzverhältnisse in Frage stellen. Die Strategie der Dekonstruktion gegebener Zugehörigkeitsverhältnisse ist wiederum nur schwer mit deren Anerkennung zu vereinen, so tendiert sie „dazu, die Schemata der Unterscheidung zu übergehen, in denen Menschen sich und andere (v)erkennen und (miss)achten“ (Mecheril 2003, S. 398). Für die pädagogische Theorie und Praxis bedeuteten diese Widersprüche, dass „[s]owohl der Ausschluss als auch die Produktion Anderer durch professionelles Anerkennungshandeln“ (Mecheril 2010, S. 190) unvermeidbar sind. Angesichts dessen bleibt nur die Suche nach „Handlungs-, Erfahrungs- und Denkformen, die weniger Macht über Andere ausüben“ (ebd., S. 19). Genau auf diese Suche werde ich mich im Folgenden machen. Zunächst soll auf den Fall eingegangen werden, dass die Anerkennung „kultureller Differenzen“ und damit verbundener Zugehörigkeiten als notwendig erscheint, beziehungsweise diese auch ohne Zutun der _ des Pädagog_in zum Thema werden. Gänzlich voneinander trennen lassen sich affirmative 128 und transformative Denk- und Handlungsweise nicht, was noch deutlich werden wird. Dennoch werde ich der Übersichtlichkeit halber eine Trennung versuchen. Wie schon erwähnt, muss der konkrete Gebrauch und die Bedeutung von „Kultur“ und die damit einhergehende Differenz zunächst in der Situation selbst ergründet werden. Wer gebraucht wie „Kultur“ und welche Wirkungen beziehungsweise Effekte sind damit verbunden? Das Wissen über die gängigen Problematiken wie Kulturalisierungen und Essentialisierungen, sowie die Kenntnis herrschender Kulturdiskurse können bei der Einschätzung hilfreich sein. Die eigene Situiertheit in natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeitsverhältnissen und damit einhergehende Machtund Dominanzverhältnisse sollten bei der Einschätzung der Situation genauso Beachtung finden wie die eigenen Verstrickungen in hegemoniale (Zugehörigkeits-)Diskurse. Diskurse über Zugehörigkeit sind wie bereits festgestellt wurde, mit rassistischen Diskursen verwoben, weshalb beispielsweise der Rückgriff auf „(Critical) Whiteness“ eine mögliche Form der Reflexion der eigenen Verstricktheit in 129 Zugehörigkeitsdiskurse darstellen kann. Die (Re-) Produktion von „Wir“ - „die Anderen“ Dichotomien sollte als solche benannt und problematisiert werden. So kann die Thematisierung der Herstellung dieser Differenzen beispielsweise im deutschen Nationalismus, in Gesetzen, etc. eine Möglichkeit darstellen, diese zu problematisieren und zu denaturalisieren. Ebenfalls sollten damit einhergehende Machtund Dominanzverhältnisse thematisiert und hinterfragt werden. Kulturalisierung gilt es zu vermeiden (vgl. Abschnitt 4.1.3.2). Werden etwa Menschen in erster Linie als Vertreter_innen „ihrer Kultur“ betrachtet, sollten alternative nicht- kultralisierende Erklärungen nahegelegt werden. Auch die eigenen Vorstellungen sollten auf solche reduktiven Betrachtungsweisen überprüft werden. Diese führen nicht nur zu unangemessenen Einschätzungen der Situation, sondern können auch Festlegungen zur Folge haben, welche die so betrachteten und behandelten Menschen in ihren Möglichkeiten der Selbstdefinition einschränken. Gefährlich naheliegend sind Kulturalisierungen zum Beispiel dann, Adressat_innen selbst „kulturell“ verorten. 130 wenn sich Insbesondere statische und homogenisierende Kulturbegriffe bergen die Gefahr von Kulturalisierungen, beispielsweise in Form von „die Italiener sind halt so und so“. Dementsprechend sollte der eigenen Praxis ein offener und dynamischer Kulturbegriff zu Grunde liegen, welcher das Individuum nicht einfach als Ausführenden „kultureller“ Vorgaben betrachtet, sondern „die (potenzielle) Flexibilität und Reflexivität der Subjekte gegenüber“ (Leiprecht 2001, S. 23f) „kulturellen“ Einflüssen betont und sie zugleich als die Produzent_innen von „Kulturen“ betrachtet (vgl. Abschnitt 2). Situationen, welche als „interkulturelle“ betrachtet werden, legen den Fokus auf „Kultur“ häufig nahe. Die konsequente Beachtung weiterer Differenzlinien wie „Geschlecht“, „Alter“, „Sozialstatus“, etc. ist deshalb von besonderer Bedeutung um reduktiven Betrachtungen entgegen zu wirken. Im Rahmen der Pädagogik der Mehrfachzugehörigkeit weist Paul Mecheril darauf hin, dass neben der Anerkennung der sozialen („kulturellen“) Kontexte, in welchen Migrationsandere „ihre Identität entwickelt haben“ (Mecheril 2003, S. 393), die Anerkennung Migrationsanderer als politische Subjekte eine 131 weitere Ebene der Anerkennung darstellt. Hierbei stößt die Pädagogik schnell an ihre Grenzen. So können Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation durch Pädagog_innen nur in einem eingeschränkten Rahmen verwirklicht werden, wenn grundlegende Rechte wie das Wahlrecht aufgrund von Gesetzten beschränkt demokratischer sind. Verhältnisse grundlegende Voraussetzung Gleiche sind Rechte innerhalb dementsprechend eine für die Anerkennung von Migrationsanderen (vgl. ebd., S.392f, Hamburger 2009, S. 143, Auernheimer 1999, S. 32). Der anerkennende Bezug und die Thematisierung der „kulturellen“ Zugehörigkeiten Differenz stellen und jedoch damit nur verbundener eine mögliche Handlungsorientierung dar. Auch die Differenzen nicht zu betonen, nicht zu thematisieren, kann im Sinne der „Reflexiven Interkulturellen Pädagogik“ sinnvoll sein (vgl. Hamburger 2009, S. 133f). Dies schließt, wie weiter oben schon beschrieben, die Thematisierung, wenn diese denn notwendig ist, nicht aus (vgl. Abschnitt 4.1). Die Entscheidung darüber, 132 wann diese Notwendigkeit gegeben ist, setzt Reflexivität voraus und wie weiter oben schon betont, bewegen sich Pädagog_innen damit innerhalb eines Widerspruchs, den sie auch nicht überwinden werden. Dies ist der Grund dafür, dass auch die Ergebnisse der Reflexion letztlich wieder zu reflektieren sind. Eine weitergehende transformative Handlungsperspektive eröffnen dekonstruktive Strategien, welche potenziell zur Veränderung hegemonialer Zugehörigkeitsordnungen beitragen können (vgl. Abschnitt 4.2.4). Paul Mecheril unterscheidet im Rahmen der Pädagogik der natio-ethno-kulturellen Mehrfachzugehörigkeit zwei Formen der Transformation, neben der akkulturativen gibt es die dekonstruktive Transformation. Die akkulturative Transformation zielt auf die Ermöglichung von Handlungsfähigkeit innerhalb dominanzkultureller Verhältnisse, welche bestimmte „kulturelle“ und sprachliche Lebensformen priviligieren. Mittelschichtsorientierung in den Hier kann die Schulen Deutschlands als Beispiel dienen. 133 Als Akkulturation bezeichnet Paul Mecheril, wie in Abschnitt 4.2.7 beschrieben, den zwanglosen Prozess des zusätzlichen Erwerbs von Qualifikationen, welche eine Teilhabe an dominanzkulturellen Kontexten ermöglichen (vgl. Mecheril 2011, S. 186). Akkulturation erfolgt unter Beibehaltung der natio-ethno-kulturellen Mehrfachzugehörigkeit, die vollständige Assimilation in den Dominanzkontext ist gerade nicht das Ziel. Das Moment der Uneindeutigkeit der Zugehörigkeit von Mehrfachzugehörigen stellt die binäre Ordnung natio-ethnokultureller Zugehörigkeiten, welche von eindeutigen Zuordnungen zu nur einer „Nation“ oder „Ethnie“ ausgehen, infrage. Es wird nicht der „Inländerstatus der Ausländer_innen [ge]fordert, sondern das Deplazierte“ (Mecheril 2003, S. 402). Durch die Anerkennung und den Anschluss an Formen der Mehrfachzugehörigkeit selbst kommt es also möglicherweise schon zu einer Schwächung hegemonialer Zugehörigkeitsordnungen. An dieser Stelle soll kurz auf zwei 134 Formen der Mehrfachzugehörigkeit eingegangen werden, welche bisher nur am Rande thematisiert wurden. Transnationalität und Hybridität stellen zwei Phänomene dar, welche, laut Paul Mecheril, die Grenzen der hegemonialen Zugehörigkeitsordnungen in Frage stellen. Unter Transnational können zunächst all jene Phänomene zusammengefasst werden, welche über die Grenzen von Nationalstaaten hinaus gehen. Abgegrenzt werden muss transnational von international, welches sich auf Beziehungen zwischen Nationalstaaten bezieht. Von Bedeutung für diese Arbeit ist in erster Linie transnationale Migration. Diese stellt keine lineare Bewegung vom Herkunftsland zum Einwanderungsland dar. Der Verbundenheit zu einem nationalkulturellen Kontext wird die „Plurilokalität“, die Verbundenheit zu mehreren solcher Kontexte entgegengesetzt. Möglich wird eine solche Mehrfachverbundenheit durch Pendelmigration, aber auch nationale Grenzen überschreitende Kommunikationsstrukturen (Mecheril 2010, S. 51ff). Durch diese Transmigrationsprozesse werden „soziale, materielle und subjektive Realitäten – transnationale Räume“ (Mecheril 2010, 135 S. 51, Hervorhebung R.K.) geschaffen, welche sich „von traditionellen nationalen Lebenskontexten unterscheiden“ (ebd.). Kritisch ist anzumerken, dass auf der Suche nach transnationalen Phänomenen die national-kulturellen Kontexte als tendenziell homogene gedacht werden müssen. Durch den Fokus auf die Grenzen von Nationalstaaten überschreitende Phänomene, wie die Transmigration, schreibt das Transnationalitätskonzept „die vorrangige Bedeutung von Territorialität bzw. Räumlichkeit als Form der sozialen Grenzziehung bzw. der Strukturierung sozialer Prozesse fort“ (Bommes 2003, S. 104). Das Konzept „kultureller Hybridität“ kommt ursprünglich aus den Postcolonial Studies und wurde von Homi K. Bhabha geprägt (vgl. Ha 2011, S. 345f). Mit Hybridität wird wie bei der Mehrfachzugehörigkeit ein Mischzustand von mehreren „kulturellen“ Zugehörigkeiten beschrieben, welche hegemoniale, auf Eindeutigkeit ausgerichtete Konstrukte von Zugehörigkeit potenziell zersetzen. Die „geglaubte und sozial praktizierte Reinheit und Exklusivität der 136 natio-ethno- kulturellen Identität“ (Mecheril 2003, S. 331) wird durch Hybridität irritiert. Damit schließt Hybridität allerdings auch immer an hegemoniale Praxen der Unterscheidung an und (re-)produzieren diese. Alle Formen der natio-ethno-kulturellen Mehrfachverbundenheit können als Ressourcen gedeutet werden, allerdings stellt Mehrfachzugehörigkeit auch immer einen prekären Status dar und geht für die Individuen oft mit Diskriminierungen einher (vgl. Mecheril 2003, S. 333). „Doppelte Halbsprachigkeit“ beispielsweise wird gerade in der Schule selten als Ressource betrachtet, sondern gilt als Problem. In der Anerkennung „lingualer Hybridität“ (ebd., S. 409) außerhalb marginalisierter Räume, kann eine dekonstruktive Strategie bestehen, welche die hegemonialen Zugehörigkeitsverhältnisse, welche auch mit (Hoch-) Sprache verknüpft sind, in Frage zu stellen. Dabei dürfen akkulturative Angebote nicht vernachlässigt werden, welche die Handlungsfähigkeit Migrationsanderer in Dominanzkontexten ermöglicht. 137 5.2 Folgerungen Theorie für die pädagogische Für die pädagogische Theorie in der Migrationsgesellschaft ist ebenso wie im letzten Abschnitt für die pädagogische Praxis beschrieben, ein Analysewerkzeug reflektierter bedeutsam. Kulturbegriff als Beachtung des Die Konstruktcharakters von „Kultur“, wie auch die damit einhergehenden Macht- und Dominanzverhältnisse spielen eine zentrale Rolle für einen nicht naiven Umgang mit der Differenzkategorie „Kultur“. Durch die Untersuchung von Kulturdiskursen kann, wie gezeigt wurde, die Produktion der Differenzkategorie „Kultur“ erforscht werden, was wiederum die Reflexion der Verstrickungen pädagogischer Theorie und Praxis in diese Diskurse erlaubt. Konkret bedeutet dies, die im Abschnitt 3 im Bezug auf Deutschland Theorie thematisierten Verstrickungen und Praxis in pädagogischer Konstruktionsprozesse von Nationalstaaten zu erforschen. Die aus den Transnational Studies kommende Kritik des 138 methodologischen Nationalismus kann dabei helfen, reduktive Vorannahmen als solche zu erkennen und zu vermeiden (vgl. Kongeter 2009). Kritisiert Sozialwissenschaften „Einführung wird verbreitete des hier (vgl. Nationalstaats die ebd., als in S. den 340f) implizite Hintergrundvariable in die Analyse der sozialen Wirklichkeit“ (ebd., S. 343), welche „zu einer Überbetonung der territorialen Grenzen“ (ebd.) führt. Die Kritik am methodologischen Nationalismus verweist auf die Vorteile einer transnationalen (Forschungs-) Perspektive, welche soziale Prozesse und Strukturen nicht nur innerhalb der nationalstaatlichen Grenzen, sondern (wenn nötig) darüber hinausgehend betrachtet. Dies erscheint gerade bei der Betrachtung und Erforschung von „Kultur“ und der damit verbundenen Diskurse als sinnvoll, insofern mit der Differenzkategorie Grenzen zwischen einem „Innen“ und „Außen“ beziehungsweise einem nationalen „Wir“ und „den Anderen“ gezogen werden (vgl. Abschnitt 2.3, 3.5, 3.6). Stefan Kongeter macht bei der Untersuchung der Gründe für einen methodologischen Nationalismus auf den Einfluss des 139 Staates auf die Wissenschaften aufmerksam (vgl. Kongeter 2009, S. 352ff). Angesichts der in Abschnitt 3 angesprochenen Verstrickungen der Pädagogik in nationalistische Diskurse gilt es diesen Hinweis ernst zu nehmen und mögliche die wissenschaftliche Perspektive im Sinne des methodologischen Nationalismus einschränkende Faktoren zu beachten. In Abschnitt 3 wurde unter Anderem auf die Verstrickungen von Diskursen über „Rasse“ mit „Kultur“ eingegangen (vgl. Mecheril 2010, S. 87f und Höhne 2001, S. 200ff). Die Verstrickungen machen auf die Notwendigkeit aufmerksam, sie innerhalb der Erziehungswissenschaften zu reflektieren, um sie vermeiden zu können. Nur so kann einer (unbewussten) Verstrickung in rassistische Diskurse entgegen gearbeitet werden. Die im Abschnitt 5.1 über die Folgerungen für pädagogische Praxis bereits angesprochene Gefahr von Kulturalisierungen spielt selbstverständlich auch in der pädagogischen Theorie eine Rolle und sollte dementsprechend berücksichtigt werden, um reduktive Betrachtungen zu vermeiden, welche gerade in einer „interkulturellen“ Perspektive nahe liegen können. 140 Die konsequente Berücksichtigung von mehr Differenzen als die der „Kultur“ kann hierbei hilfreich sein und ist wie unter Anderem in Abschnitt 4.4 angesprochen notwendig, um die Komplexität der Ungleichheitsverhältnisse analysieren zu können, welche für eine Pädagogik in der Migrationsgesellschaft von Bedeutung sind. Wie in Abschnitt 4.2.3 bereits angesprochen, bedarf nicht nur die Kategorie „Kultur“ einer besonderen Reflexion. Auch damit verbundene „Beschreibungs- und Analysekategorien“ (Mecheril 2002, S. 105) wie beispielsweise Migrant_innen, „mit Migrationshintergrund“, etc. bedürfen der Reflexion, insofern sie immer auch „Instrumente der Erzeugung sozialer Realität“ (ebd.) beziehungsweise darstellen. Mit Migrationsanderen Anderen und Deutschen natio-ethno- kultureller Zugehörigkeit(-sordnung) hat Paul Mecheril ein Instrumentarium geschaffen, an welches im Sinne dieser Reflexion angeschlossen werden kann. Zu berücksichtigen bleibt, ob den Kategorien überhaupt der Stellenwert zukommt, welcher ihnen oft im Alltagsverständnis beigemessen wird. So verliert beispielsweise, wie Franz 141 Hamburger schreibt, der „'Migrationshintergrund' […] an Erklärungskraft“ (Hamburger 2009, S. 190f). Das im Abschnitt 5.1 schon für die pädagogische Praxis als zentral für den Umgang mit „kultureller Differenz“ herausgestellte Dilemma, welches mit der Anerkennung „kultureller Differenzen“ beziehungsweise Zugehörigkeiten verbunden ist, hat auch Bedeutung für die erziehungswissenschaftliche Theoriebildung und Forschung. So gilt es zu untersuchen, wie Anerkennung unterschiedlicher „kultureller“ Zugehörigkeiten etwa in der Schule möglich ist. Formen der Mehrfachzugehörigkeit wie die „kulturelle Hybridität“ und transnationale soziale Räume (vgl. Abschnitt 5.1) stellen, wie schon erwähnt, wichtige Bezugspunkte für Konzepte dar, welche gegebene Zugehörigkeitsordnungen und damit einhergehende Macht- und Dominanzverhältnisse nicht einfach (re-)produzieren wollen, sondern auf deren Veränderung zielen. Dabei müssen die schon erwähnten Problematiken, wie die prekäre soziale Position, welche 142 beispielsweise mehrfachzugehörige Andere Deutsche innehaben, mitbedacht werden. 5.3 Resümee Wie aufgezeigt wurde, stellt „Kultur“ und die damit verbundenen Zugehörigkeitsordnungen einen komplexen, aber auch wichtigen Bezugspunkt für die pädagogische Theorie und Praxis dar. Allein die Anerkennung „kultureller Differenzen“ kann vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit erläuterten Probleme, wie die der Festschreibung von Identitäten und der (Re-)Produktion von Dichotomien und damit verbundener Macht- und Dominanzverhältnisse keine zufriedenstellende Perspektive mehr für eine Pädagogik darstellen. Das daraus folgende Dilemma erfordert, wie beschrieben wurde, einen hohen Grad an Reflexivität. Gerade diese Komplexität muss für die Übertragung der erziehungswissenschaftlichen Theorie in die pädagogische Praxis als Hindernis angesehen werden. Der hohe Grad an 143 Komplexität und erforderlicher Reflexivität kann als ein Grund dafür betrachtet werden, weshalb reduktionistische Kulturkonzepte gerade in der Praxis noch verbreitet sind. So bieten beispielsweise „kulturelle“ Stereotypen eine Handlungssicherheit, welche in der alltäglichen Praxis oft gesucht wird (vgl. Kalpaka 2005, S. 396). Die Suche nach Umgangsweisen mit „Kultur“, welche für eine alltägliche pädagogische Praxis praktikabel sind, sehe ich deshalb als eine der zentralen Herausforderungen, sowohl für die erziehungswissenschaftliche Theoriebildung, als auch für die Reflexion der pädagogischen Praxis selbst. Mögliche Strategien zur Veränderung hegemonialer Zugehörigkeitsordnungen müssen bei diesen Reflexionen Thema sein, wenn durch pädagogische Praxis Menschen nicht in marginalisierten Positionen festgeschrieben werden sollen. So ist zu bezweifeln, dass mit der Verbreitung transnationaler Phänomene, beispielsweise in der Pop- und Jugendkultur auch statische Kulturverständnisse und damit verbundene „kulturelle Differenzen“ quasi automatisch verschwinden. Wie die Entwicklung des „kulturellen Rassismus“ aus dem „klassischen 144 Rassismus“ oder auch die Entwicklung des „deutschen“ Nationalismus zeigt (vgl. Keil 2009, S. 20ff), kommt es zwar immer wieder zu Rekonstruktionen bei der Festlegung von „kulturell“ definierten Zugehörigkeitsgrenzen, allerdings führen diese in der Regel nicht zu deren Abschaffung. Eine zentrale Position bei der (Re-)Produktion von hegemonialen Zugörigkeitsordnungen haben, wie im Exkurs über „Nation“, „Ethnizität“, „Rasse“ und „Kultur“ herausgearbeitet wurde, moderne Nationalstaaten. Die Herstellung nationaler Gemeinschaften und der damit einhergehenden Zugehörigkeitsordnungen ist jedoch niemals abgeschlossen, sondern stellt einen permanenten Prozess dar, welcher unter Anderem aufgrund transnationaler Phänomene, immer mit Brüchen einher geht (vgl. Balibar 1992a) und damit Ansatzpunkte für eine pädagogische Praxis bietet, welche darauf „zielt […] nicht dermaßen auf symbolische, räumliche, institutionelle Einteilungen von Menschen angewiesen zu sein, die ihre Würde und ihr Handlungsvermögen beschneiden“ (Mecheril 2010, S. 19). 145 6 Literatur APA (Austria Presseagentur) (2012): Ungarische Roma gründen Garde zur Selbstverteidigung. In: DerStandard.at vom 06.09.12. Verfügbar unter: http://derstandard.at/1345166308284/Ungarische-Romagruenden-Garde-zur-Selbstverteidigung (abgerufen am 07.09.12) Arndt, Susan (2011): Rassismus. In: Arndt, Susan / OfuateyAlazard (Hrsg.). Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. 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