Technische Universität Wien Seminararbeit Wie Derivate die Finanzwelt veränderten Franz Reiter Betreuer: Associate Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Stefan Gerhold Wintersemester 2016/17 Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort 2 2 Grundlagen 2.1 Derivat . . . . . . . . 2.2 Forward . . . . . . . 2.3 Option . . . . . . . . 2.4 Call & Put . . . . . . 2.5 Straddle & Butterfly 2.6 Long und Short . . . 2.7 Moneyness . . . . . . 3 Exotische Optionen 3.1 Digital Option . . 3.2 Lookback Option 3.3 Asian Option . . 3.4 Barrier Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 3 4 4 5 6 6 . . . . 8 8 8 10 10 4 Preisfindung / Arbitrage 12 5 Capital Asset Pricing Model 14 6 Black-Scholes-Formel 6.1 Lemma von Itô . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Black-Scholes-Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Die Griechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 15 17 20 Abbildungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Forward Payoff . . . . . . . . . . Call und Put Payoff . . . . . . . . Straddle und Butterfly Payoff . . Digital Option Payoff . . . . . . . Lookback Payoff Floating Strike . Lookback Payoff Fixed Strike . . Barrier Payoff I . . . . . . . . . . Barrier Payoff II . . . . . . . . . . CAPM . . . . . . . . . . . . . . . Call und Put nach Black Scholes Delta . . . . . . . . . . . . . . . . Gamma und Vega . . . . . . . . . Theta . . . . . . . . . . . . . . . Rho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 5 5 8 9 9 11 12 15 20 21 22 23 24 1 Vorwort Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit Derivaten, welche verschiedenen Arten es davon gibt und welche Fragestellungen zu diesem Thema die Mathematiker beschäftigen. Einigen aufmerksamen Leser wird bei dieser Seminararbeit auffallen, dass sie einige Begriffe und Ergebnisse bereits aus der Pflicht-Lehrveranstaltung „Finanzmathematik 1: diskrete Modelle“ kennen werden. Ich habe für meine Seminararbeit versucht dass sich die hier behandelten Themen soweit wie möglich nicht mit oben genannnter Pflicht-Lehrveranstatlung überschneiden - was nicht immer leicht war. Daher habe ich mir erlaubt, den mathematischen Aspekt - zumindest in den ersten Kapitel - ein bisschen in den Hintergrund zu rücken und eher den ökonomischen Ansatz darzustellen - dies war vor allem in Kapitel 2 der rote Faden, wo zuerst die grundlegenden Begriffe erklärt (oder je nach Vorwissen wiederholt) werden. Darauf aufbauend werden wir uns Kapitel 3 widmen, in dem wir einige Arten von Derivaten untersuchen. Die Auflistung in dieser Seminararbeit ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt, eine Momentaufnahme von einer schier unermesslichen Anzahl verschiedenster Derivate zu denen natürlich laufend neue hinzukommen. Nachdem wir dann einige Arten von Derivaten kennen gelernt haben, widmen wir uns in Kapitel 4 die Frage der fairen Preisgestaltung - dabei sollen auch die Begriffe des Replizierens und der Arbitrage nicht unerwähnt bleiben, sie wurden jedoch bereits in „Finanzmathematik 1: diskrete Modelle“ hinreichend besprochen und werden daher hier nicht mehr im Detail behandelt. Den Abschluss dieser Seminararbeit sollen zwei Themen einnehmen, die auf den ersten Blick nicht allzu viel miteinander verbindet. In Kapitel 5 widmen wir uns dem CAPM (Capital Asset Pricing Model), einem Marktmodell das auf einer im Grunde genommen sehr einfachen Idee aufbaut. Ich möchte dieses Modell kurz vorstellen da Black und Scholes bei der Herleitung ihrer Formel diese Markmodell kannten, und ihre Überlegungen in diesem Modell auch entsprechend zur Herleitung der Black-Scholes-Formel beigetragen haben. Im Kapitel 6, wo wir uns genauer mit der Black-Scholes-Formel befassen, werden wir uns dann hauptsächlich dem mathematischen Zugang widmen - dies führt uns in das Gebiet der stochastichen Analysis. Mithilfe des dort geläufigen Itô-Integrals werden wir die Black-Scholes-Differentialgleichung herleiten, die dann entsprechend gelöst werden kann und, mit den entsprechenden Randbedingungen, die berühmte Formel für einen Call- bzw. einen Putpreis ergibt. Für meine Arbeit habe ich mich vor allem an drei Bücher orientiert: Das Buch Derivatives: The Tools That Changed Finance von Boyle, Phelim. P & Boyle, Feidhilm liefert eine solide Grundlage für das Verständnis von Derivaten und deren Preisgestaltung. Für den mathematischen Aspekt dieses Themas habe ich mich vor allem an Stochastic Finance: An Introduction in Discrete Time von Föllmer, Hans & Schmied, Alexander orientiert. Desweiteren wurde der für die Itô-Formel nötige Teil dem Buch Stochastic Processes: A Course Through Excercises von Brezniak, Zdzislaw & Zastawniak, Tomasz entnommen. Da für dieses Thema die wichtigste Sprache Englisch ist, werde ich meistens auch diesen Fachjargon verwenden, da es oft auch für einige Begriffe keine geeignete Übersetzung ins Deutsche gibt. 2 2 Grundlagen 2.1 Derivat Für die grundlegenden Begriffsbildungen orientieren wir uns an [8, S. 111]. Unter einem Derivat verstehen wir • ein ausgestelltes Recht • zum Kauf bzw. Verkauf von bestimmten Basiswerten Diese Basiswerte sind z.b. einzelne Aktienkurse, Kurse von Rohstoffen oder auch Fremdwährungen. Betrachten wir ein Derivat aus Käufersicht sprechen wir von einer sogennanten Long Position, während wir aus Sicht des Verkäufers eine Short Position haben. 2.2 Forward Ein Forward Contract - oft nur Forward genannt - (Termingeschäft) verpflichtet, • einen bestimmten Basiswert • am Ende einer vereinbarten Laufzeit • zu einem vorher fixierten Preis • zu kaufen oder zu verkaufen. Der vorher fixierte Preis wird dabei als Delivery Price (Lieferpreis), der Wert des Basiswerts als Underlying bezeichnet. Bezeichnen wir nun den Delivery Price mit K und den Wert des Underlyings mit S, ist der Payoff (Gewinn), den wir mit C f w bezeichnen, gegeben durch Cfw = S − K Abbildung 1: Payoff eines Forwards 3 2.3 Option Eine Option berechtigt, • gegen Bezahlung einer Prämie • einen bestimmten Basiswert • in Zukunft • zu einem vorher fixierten Preis • zu kaufen oder zu verkaufen. Der vorher fixierte Preis wird hier, im Unterschied zum Forward, als Strike Price (Ausübungspreis) bezeichnet. Die zu bezahlende Optionsprämie wird Option Premium genannt. Im Unterschied zum Forward liegt hier Recht und keine Pflicht auf Ausübung vor - man kann eine Option ausüben (engl. to exercise the option) oder auch nicht. Außerdem kann der Zeitpunkt, in dem eine Option fällig wird, sich von dem eines Forwards unterscheiden: Ist die Ausübung nur am Ende der vereinbarten Laufzeit möglich spricht man von einer europäischen Option. Im Gegenzug dazu spricht man von einer amerikanischen Option, wenn diese zu einem beliebigen Zeitpunkt während der gesamten Laufzeit ausgeübt werden kann. Eine andere Variante besteht darin, wenn die Ausübung der Option an bestimmten, vorher fixierten Zeitpunkten möglich ist - diese Optionsart nennt man Bermudan Option. Ab jetzt betrachten wir, wenn nicht anders erwähnt, nur europäische Optionen. 2.4 Call & Put Bei einer Call Option (Kaufoption) wird dem Inhaber dieser Option das Recht eingeräumt, eine bestimmte Sache in Zukunft zu einen vorher vereinbarten Preis zu kaufen. Analog wird bei einer Put Option (Verkaufsoption) dem Inhaber dieser Option das Recht eingeräumt, eine bestimmte Sache in Zukunft zu einem vorher vereinbarten Preis zu verkaufen. Wir sehen, dass man bei einer Call Option auf das Steigen des Preises hofft, während hingegen bei einer Put Option das Fallen des Preises einen Gewinn abwirft. Sei nun der Strike Price K und der Wert des Underlyings S, so gilt unter der Annahme, dass keine Optionsprämie fällig ist C call = max((S − K), 0) = (S − K)+ C put = max((K − S), 0) = (K − S)+ Bei einem Call bzw. einem Put ist der Verlust, im Gegensatz zum Forward, mit unserer Annahme nach unten durch 0 beschränkt, da im Falle S < K der Call bzw. im Falle S > K der Put nicht ausgeübt wird. 4 Abbildung 2: Payoff eines Calls bzw. eines Puts 2.5 Straddle & Butterfly Betrachten wir nun Kombinationen von Calls und Puts so ergeben sich wiederum eigene Optionen mit entsprechenden Payoffs, vgl. hierzu [5, 1.23 & 1.24]. Kauft man einen Call und einen Put auf dasselbe Underlying so ergibt sich ein sogenannter Straddle, der Payoff dieses Derivats ist C straddle = C call + C put = (S − K)+ + (K − S)+ = |S − K| Der Payoff des Straddles steigt somit, je weiter sich der Preis vom Strike weg bewegt man hofft somit auf eine starke Änderung der Preise. Eine sogenannter Butterfly ist hingegen das Hoffen auf möglichst gleichbleibende Preise. Der Payoff ist hierbei gegeben durch C butterf ly = (K − |S − K|)+ = (K − C straddle )+ Abbildung 3: Payoff eines Straddles bzw. eines Butterflys 5 Wenn wir nun Call und Put auf dasselbe Underlying folgendermaßen kombinieren ergibt sich die sogenannte Put-Call-Parity C call − C put = (S − K)+ − (K − S)+ = S − K = C f w Dies bedeutet, dass ein Forward als Kombination eines Calls und eines Puts aufgefasst werden kann. 2.6 Long und Short Alle in 2.2, 2.4 und 2.5 aufgelisteten Derivate wurden aus Sicht der Long Position betrachtet, d.h. wir haben einen Long Forward, Long Call, Long Put, Long Straddle und einen Long Butterfly betrachtet. Wenn man diese Optionen nun aus Verkäufersicht betrachtet ergeben sich entsprechend andere Payoff - wir sprechen dann von einem Short Call, Short Put, Short Straddle und einem Short Butterfly. Der Payoff einer Short Position ist offensichtlich negativ, wenn die entsprechende Long Position positiv ist und umgekehrt. Der Payoff eines beliebigen Derivats ist daher einfach gegeben durch Cshort = −Clong Anmerkung: • Wir haben gesehen, dass bei einem Long Butterfly der Verlust (mit unsere Annahme, dass kein Optionspreis fällig ist) im schlimmsten Fall 0 ist. Vergleicht man dies mit einem Short Straddle so hat der Payoff einen sehr ähnlichen Verlauf, jedoch mit dem Unterschied dass hier der Verlust nicht begrenzt ist. Analog sieht man, dass bei einem Short Butterfly im Unterschied zu einen Long Straddle der Gewinn begrenzt ist. Insgesamt kann man also festhalten, dass bei einem Straddle nur der Verlust (bei der Long Position) bzw. nur der Gewinn (bei der Short Position) begrenzt ist, und bei einem Butterfly sowohl der Gewinn als auch der Verlust, egal in welcher Position man sich befindet. • Die Annahme, das beim Kauf der Option keine Optionsprämie fällig ist dient nur dem besseren Verständnis für den Verlauf des Payoffs und ist praktisch natürlich nicht möglich. In diesem Szenario wäre nämlich jede Long Position ein möglicher Gewinn ohne Risiko des Verlustes (Arbitrage). Andererseits würde keine Short Position einen Gewinn erzielen könnnen. Daher ist in der Praxis der Payoff bei einer Long Position am Anfang negativ - da ja das Option Premium bezahlt wurde - und bei einer Short Position entsprechend positiv. Entsprechend ist der Payoff eines Long-Calls dann erst positiv wenn der Wert des Underlyings über dem Strike plus dem Option Premium liegt, analoges gilt für einen Put bzw. die Short Position. 2.7 Moneyness Mit Moneyness bezeichnen wir eine Kenngröße, die uns sozusagen die „Lage“ unserer Option beschreibt. Dafür benötigen wir zuerst zwei Begriffsbildungen, die des Inneren Werts und die des Zeitwerts, siehe hierzu [5, 1.37]. 6 Innerer Wert • Der Innerer Wert einer Option ergibt sich aus der Differenz des aktuellen Werts des Underlyings und dem Strike Price (bei einem Call ist der Innere Wert S − K, bei einem Put hingegen K − S). • Mit obiger Definition könnte der Innere Wert auch negativ werden - in der Praxis ist dies jedoch nicht relevant, da in diesem Fall der Call bzw. Put nicht ausgeübt wird. Daher setzen wir bei einem negativen Innerern Wert diesen gleich 0. • Somit erhalten wir den Inneren Wert für einen Call bzw. einen Put mit (S − K)+ bzw. (K − S)+ , was genau unserem vorher betrachteten Payoff entspricht. Man beachte, dass der Innere Wert nur mit unserer Annahme wenn kein Optionskaufpreis zu bezahlen ist mit dem Payoff übereinstimmt (da beim Payoff im Unterschied zum Inneren Wert noch der Optionskaufpreis abzuziehen ist). • Der Innere Wert kann somit aufgefasst werden als Betrag, den man bekommen würde wenn man jetzt sofort ausüben könnte - was natürlich nur bei amerikanischen Optionen möglich ist. Zeitwert • Der Zeitwert ergibt sich aus dem Wert der Option abzüglich dem Inneren Wert. Wie man den Optionswert (im Black-Scholes Modell) berechnet wird in Kapitel 6 erläutert. • Der Zeitwert kann somit interpretiert werden als die Hoffnung, dass Optionen die noch keinen Payoff haben, doch noch einen Gewinn erwirschaften. • Der Zeitwert ist abhängig von der Zeit t und der Volatilität σ, welches ein Maß für die Schwankungsbreite eines Finanzinstruments ist - je größer die Volatilität, umso risikoreicher bzw. je größer σ, umso mehr reagiert das Finanzinstrument auf Kursschwankungen. • Ökonomisch würde es Sinn machen, wenn der Zeitwert fallend in t ist, d.h. der Zeitwert sinkt, je näher wir der Maturität kommen. Da der Zeitwert ja dass Hoffen auf bessere Kurse ausdrückt wird diese Hoffnung bzw. die Möglichkeit, dass wirklich bessere Kurse eintreten, immer unwahrscheinlicher. Wir werden in Kapitel 6 sehen dass dies im Black-Scholes Modell auch tatsächlich der Fall ist. Mithilfe dieser Begriffe kann man nun folgende Sprechweise einführen: • Wir sagen eine Option ist In-The-Money (im Geld) - oder nur ITM, wenn sie einen Inneren Wert > 0 besitzt. • Hat die Option hingegen einen Inneren Wert = 0 sprechen wir von einer Option, die Out-Of-The-Money (aus dem Geld) bzw. OTM ist. • Man kann auch noch den Fall betrachten, dass S = K ist - hier spricht man von einer Option At-The-Money (am Geld) - kurz nur ATM. 7 3 3.1 Exotische Optionen Digital Option Eine Digital Option (Binär-Option) ist eine Option, bei der es nur zwei mögliche Payoffs gibt: Entweder es wird ein vorher fixierter Betrag ausbezahlt, oder aber der Payoff ist Null, siehe [1, S. 22] Auch hier können wir wieder zwischen einer (Digital) Call Option und einer (Digital) Put Option unterscheiden. Betrachten wir nun eine Digital Call (Put) Option, die K ausbezahlt wenn der Preis des Underlyings S zur Maturität über (unter) einen gewissen Wert x liegt oder gleich x ist, so ergibt sich als Payoff digital Ccall = K 1{S≥x} digital Cput = K 1{S≤x} Anmerkung: Die hier betrachtete Digital Option muss zur Maturität über bzw. unter der Schranke x liegen. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Preis die Schranke während eines beliebigen Zeitpunkts über oder unterschreitet - dies ist schon die einfachste Form einer sogennanten Barrier Option - auf diese Form der Optionen wird später noch genauer eingegangen. Abbildung 4: Payoff einer Digital Call bzw. Put Option 3.2 Lookback Option Eine Lookback Option ist eine Option, bei der ein Wert, der für den Payoff relevant ist, erst zur Maturität fixiert wird. Man wählt daher rückblickend den besten Wert für den Payoff aus. Abhändig davon, welcher Wert nun erst am Ende fixiert wird, unterscheidet man zwischen einer Floating Strike Lookback Option und einer Fixed Strike Lookback Option, vgl. hierzu [6]. 8 Bei einer Floating Strike wird der Strike erst am Ende der Ausübung fixiert. Dabei entspricht der Strike dem niedrigsten Preis des Underlyings über die gesamte Laufzeit bei einem Call, und dem höchsten Preis bei einem Put. Der Payoff ist somit die Differenz zwischen dem am Ende fixierten Strike Smin bzw. Smax und dem Marktpreis S zur Fälligkeit: f loat Ccall = (S − Smin )+ = S − Smin f loat Cput = (Smax − S)+ = Smax − S Abbildung 5: Payoff einer Lookback Option mit Floating Strike Wir sehen insbesonders, dass der Payoff immer positiv ist, wobei sich im schlechtesten Fall ein Payoff von 0 ergibt. Dies ist genau dann der Fall, wenn der höchste (oder niedrigste) Wert des Underlyings gleich dem Marktpreis zu Fälligkeit entspricht. Da man mit dieser Option, welche eigentlich keine ist, weil der Käufer sowieso immer ausübt, vergleichsweise wenig Risiko hat, ist eine solche Lookback Option mit Floating Strike entsprechend teuer. Abbildung 6: Payoff einer Lookback Option mit Fixed Strike 9 Die andere Variante der Lookback Option besteht darin, den Strike Price am Anfang zu fixieren - wir sprechen daher von einem Fixed Strike. Bei einem Call erhalten wir die Differenz zwischen den Fixed Strike K und dem höchsten Preis Smax während der Laufzeit, bei einem Put hingegen wird die Differenz zwischen K und dem niedrigsten Preis Smin während der Laufzeit ausbezahlt. f ix Ccall = (Smax − K)+ f ix Cput = (K − Smin )+ 3.3 Asian Option Eine Asian Option (Asiatische Option) ist eine Option, deren Payoff von der Differenz zwischen Strike und dem durchschnittlichen Marktpreis während eines gewissen Zeitraums abhängt. Auch hier kann man wieder unterscheiden, je nachdem welcher Wert fixiert wird, siehe [1, S. 30] Bei einer Fixed Strike Asian Option wird der Strike fixiert, und der andere für den Payoff relevante Wert ergibt sich aus dem durchschnittlichen Marktpreis. Bezeichnen wir nun den Durchschnitt der Marktpreise in einen gewählten Zeitraum mit Savg , so ergibt sich f ix Casian call = (Savg − K)+ f ix Casian put = (K − Savg )+ Bei einer Floating Strike Asian Option hingegen ist der Strike abhängig vom Durchschnitt der Marktpreise, womit sich folgender Payoff ergibt 3.4 f loat Casian call = (S − Savg )+ f loat Casian put = (Savg − S)+ Barrier Option Bei sogennanten Barrier Options (Barriere Optionen) ist der Payoff abhängig davon ob der Preis des Underlyings während eines Zeitraums ein gewisses Level erreicht hat oder nicht. Es gibt einige Varianten von Barrier Options, welche nachfolgend aufgelistet sind. Dabei unterscheiden wir ob eine Option eine gegebene Barrier erreichen soll, um einen Payoff zu erwirtschaften, oder eben nicht. Eine Knock-Out Option ist eine Option, die sich wie eine „normale“ Standardoption verhält solange der Preis des Underlyings eine gewisse Schranke nicht erreicht. Wenn der Preis des Underlyings die Grenze doch erreicht bzw. über- oder unterschreitet wird nichts ausbezahlt. Ist die Schranke niedriger als der Anfangspreis des Underlyings, so spricht man von einer Down-And-Out Option, d.h. der Preis darf während der Laufzeit nicht niedriger fallen als vorher in der Schranke festgelegt. Ist die Schranke hingegen größer als der Anfangspreis spricht man von einer Up-And-Out Option, vgl. [1, S. 31] 10 Die entsprechenden Payoffs für einen Call sind damit gegeben durch call Cd&o = (S − K)+ 1{Smin >x} call Cu&o = (S − K)+ 1{Smax <x} Abbildung 7: Payoff einer U&O bzw. D&O Call Option Man beachte, dass in Abbildung 7, als auch in nachfolgender Abbildung 8 jeweils immer nur eine Option betrachtet wird. Das heißt wenn wir einen Down-And-Out-Call hätten, wäre der Payoff mit obigem Verlauf gleich (S − K). Hätten wir hingegen einen UpAnd-Out-Call, so würde dieser mit obigem Verlauf wertlos verfallen. Es gibt jedoch auch Optionen, die zwei Schranken aufweisen und z.B. während der gesamten Laufzeit zwischen diesen zwei Schranken bleiben müssen, um einen Payoff zu erwirtschaften. Des weiters kann man auch einen Timer in den Schranken einbauen, das heißt man hat eine gewisse Frist wie lange der Wert des Underlyings maximal über oder unter einer Schranke sein kann - die Barrieren können auf unterschiedlichste Weisen modifiziert werden. Eine Knock-In Option hingegen startet sozusagen wertlos und bezahlt erst - wie eine normale Standard Option - etwas aus wenn eine gewisse Schranke erreicht bzw. unteroder überschritten wird. Wird die Schranke während des Zeitraums jedoch nicht erreicht so verfällt die Option wertlos. Auch hier unterscheidet man je nachdem wie die Schranke zum anfänglichen Marktpreis steht: Ist die Schranke unter dem anfänglichen Marktpreis angesetzt spricht man von einer Down-And-In Option, während man analog von einer Up-And-In Option spricht, wenn die Schranke höher als der Anfangspreis ist. Für die Payoffs ergeben sich somit folgende Darstellungen: call = (S − K)+ 1{Smin ≤x} Cd&i call = (S − K)+ 1{Smax ≥x} Cu&i 11 Abbildung 8: Payoff einer U&I bzw. D&I Call Option Anmerkung: • Für den Payoff eines entsprechenden Puts ersetzt man einfach (S − K)+ durch (K − S)+ , da die Barrieren für Call und Put diesselben sind. • Bei solchen Optionen würde es keinen Sinn machen wenn nur der Preis bei Maturität für die Barriere entscheidend ist. Man stelle sich dazu einfach einen Down-And-In Call vor - d.h. der Strike Price K ist über der Barriere B - d.h. K > B. Damit die Option nun aktiviert wird muss der Preis der Underlyings S unter die Barriere fallen - d.h es muss B > S gelten. Würde dieser Preis jedoch bis zur Maturität darunter bleiben, dann hätten wir K > B > S, daraus folgern wir einen Payoff von 0, da ein Call ja nur im Falle S > K ausgeübt wird, was aber durch den Eintritt der Barriere nicht möglich ist. Eine solche Option macht daher nur dann Sinn wenn der Preis, sobald er einmal die Barriere unterschritten hat, wieder steigt und die Barriere auch wieder überschreitet. Bei einem Down-And-In-Call hofft man sozusagen auf eine Comeback der Aktie. • Kombiniert man einen Up-And-Out Call und einen Up-And-In Call auf dasselbe Underlying erhält man den Payoff eines Standard Calls. Damit sehen wir, dass eine Barrier Option billiger ist als die entsprechende Standard Option. 4 Preisfindung / Arbitrage Zum Thema Preisfindung und Arbitrage möchte ich nur kurz eine Zusammenfassung von den wesentlichen Grundideen geben - schließlich ist dieses Thema ein großer Schwerpunkt in der entsprechenden Pflichtlehrveranstaltung „Finanzmathematik 1: diskrete Modelle“ sowie dem dazu entsprechenden Skript [5]. Um die Idee des Replizierens eines Derivat zu verwirklichen benötigt man zuerst eine Annahme über den zugrunde liegenden Markt. Wir nehmen an dass der Markt keine 12 Arbitragemöglichkeit bietet - d.h. dass es nicht möglich ist, risikolos Gewinn zu erwirtschaften. Mit der Arbitragefreiheit erhält man nun das sogenannte Law Of One Price. Es besagt dass zwei Finanzinstrumente, die denselben Payoff erwirtschaften, auch dasselbe kosten müssen - vgl. hierzu [5, Lemma 1.13] Ausgestattet mit diesem Lemma kann man sich nun der die Idee des Replizierens widmen: Für ein gegebenes Derivat sucht man sich ein sogenannten replizierendes Portfolio - d.h. ein Portfolio aus Finanzinstrumenten, dessen Preise man kennt und die denselben Payoff erwirtschaften. Damit lässt sich dann, dank dem Law Of One Price, der Preis des gegebenen Derivat bestimmen. Das replizierende Portfolio ist nur für die einfachsten Derivate wie z.B. einen Forward für jeden Zeitpunkt gleich. Generell muss man dass replizierende Portfolio mit der Zeit anpassen. Um dies zu bewerkstelligen braucht man Annahmen über die Preisänderung des entsprechenden Underlyings. Dies führt auf die Idee des Binomialmodells. Hierbei nimmt man an, dass sich der Marktpreis zu gewissen Zeitpunkten nur in zwei Richtungen bewegen kann - entweder er steigt um einen gewissen Wert oder er fällt. Dabei handelt es sich im Grunde um nichts weiter als einen Random Walk (= Irrfahrt, vgl. nachstehende Anmerkung) - dennoch ist diese Grundidee sehr wichtig. Man kann dieses Modell dahingegehend noch verfeinern indem man mehr als zwei mögliche Änderungen annimmt, oder aber man betrachtet immer kürzere Zeitabstände in denen der Marktpreis sich auf- oder abbewegen kann. Mit entsprechenden Annahmen konvergiert dieses Modell gegen genau jenes Modell von Black-Scholes, mit dem wir uns am Ende dieser Seminararbeit noch befassen werden (für die Konvergenzaussage vgl. [5, Kapitel 5.7]). Anmerkung: • Ganz allgemein handelt es sich bei einem Random Walk um einen diskreten stochastischen Prozess mit uiv (unabhängig identisch verteilten) Zuwächsen. D.h. wir haben eine Folge (Yi )i∈I von Zufallsvariablen mit Werten in ∑ Rd , wobei die Yi uiv sind. Dann nennen wir den stochastischen Prozess Xn = X0 + nj=1 Yj , n ∈ N einen (d-dimensionalen) Random Walk, wobei meistens X0 = 0 gewählt wird. • Die vorher angesprochene Form des Binomialmodells - dass sich der Preis mit gleicher Wahrscheinlichkeit nur nach oben oder unten bewegen kann - kann nun wie folgt charakterisiert werden: P (Yn = −1) = P (Yn = 1) = 21 , dies entspricht einem Bernoulli-Experiment mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 0.5. Wie allgemein bekannt, ist diese Summe von unabhängigen Bernoulli-Experiementen eine Binomialverteilung - daher die Namesgebung für das entsprechende Modell. Bei diesem Modell spricht man auch von einer symmetrischen einfachen Irrfahrt auf Z. Interessant ist dieses Modell insofern als dass es sich bei dieser Irrfahrt um eine MarkovKette handelt und man daher für Markovketten gültige Resultate auf dieses Modell anwenden kann. Zur Erinnerung: Wir nennen einen diskreten stochastischen Prozess (Xn )n≥0 Markokette, wenn gilt P (Xn+1 = in+1 |Xn = in , ..., X0 = i0 ) = P (Xn+1 = in+1 |Xn = in ) 13 5 Capital Asset Pricing Model Das Capital Asset Pricing Model (= CAPM) ist ein Marktmodell welches auf der Portfoliotheorie von Harry M. Markowitz aufbaut, vgl. hierzu [2] • Annahme: Wir haben einen vollkommenen Markt, das bedeutet unter anderem dass jeder Marktteilnehmer diesselbe Information zur Verfügung hat. Weiters hat kein Marktteilnehmer irgendwelche persönlichen Präferenzen, die Kaufentscheidung wird nur aufgrund der erwartenden Rendite eines Portfolios getroffen. Es gibt außerdem keine Steuern, Transaktionskosten, usw. Unser Markt besteht damit aus wohl diversifizierten Portfolios. Das bedeutet dass ein Portfolio nach Annahme aus einer risikolosen Anleihe besteht und einem Marktportefeuillie (= effizientem Portfolio). Effizient bedeutet hierbei: Wenn es am Markt nicht effiziente Wertpapiere geben würde, also wenn sie z.B. weniger Rendite bieten und mehr Risiko haben würden, dann würden sie verkauft werden. Das würde den Preis drücken und die Rendite erhöhen. Im sogenannten Gleichgewichtszustand sind all diese Transaktionen bereits abgeschlossen, d.h. der Markt besteht nur noch aus effizienten Portfolios (man sagt, dass der Markt damit selbst effizient ist). • Frage: Wie hängt die erwartete Rendite von einem speziellen Portfolio im Verhältnis zu erwartenden Rendite des gesamten Marktportfolios - d.h. im Verhältnis zur Entwicklung des Gesamtmarkts ab. Wir betrachten zwei wesentliche Konzepte für das CAPM: • Das β stellt die Sensitivität der Rendite eines Portfolios im Verhältnis zu der Rendite i ,Rm ) des Marktes dar, d.h. β = Cov(R , wobei Ri für die Rendite des Portfolios und V ar(Rm ) Rm für die des Markts steht. • Der Expected Excess Return (= erwartete Rendite) eines Portfolios ist definiert als erwarteter Return des Portfolios abzüglich der risikolosen Rate (= E(Ri ) − r). Die Hauptaussage des CAPM ist nun folgende: Der Expected Excess Return eines Portfolios ist gleich dem β dieses Portfolios, multipliziert mit dem Expected Excess Return des Markts: E(Ri ) − r = β(E(Rm ) − r) Diese Hauptaussage kann man sich grafisch veranschaulichen und erhält die sogenannte Wertpapierlinie, vgl. Abbildung 9. Wir halten dadurch folgendes fest: • Ein Portfolio mit einem β von 0 erwirtschaftet die risikolose Rate r (diese Überlegung fließt auch in der Black-Scholes-Formel mit ein). Im Gegenzug dazu weißt das Marktportfolio ein β von 1 auf. • Die Überlegung ist nun dass alle effizienten Portfolios auf dieser Wertpapierlinie liegen. Angenommen, es gäbe eine Portfolio das über dieser Wertpapierlinie liegt, d.h. z.B. ein β von 1 aufweißt aber einen höheren Expected Return als E(Rm ), so würde dieses Portfolio mehr Rendite erwarten lassen als in Relation zu seinem Beta 14 - das Portfolio übertrifft den Markt. Es würde dementsprechend häufiger gekauft werden, bis sich schließlich der Preis aufgrund der großen Nachfrage anpasst sodass das Portfolio effizient ist und auf der Wertpapierlinie liegt. Abbildung 9: Die Wertpapierlinie im Capital Asset Pricing Model 6 Black-Scholes-Formel 6.1 Lemma von Itô Die erste Idee, den Aktienkurs mathematisch zu modellieren stammte von einem gewissen Herrn Bachlier um das Jahr 1900. Die Grundidee war, den Aktienkurs mithilfe einer sogenannten Brownschen Bewegung (die gleich im Anschluss definiert wird) zu modellieren. Jedoch hatte diese Überlegung ein Problem: Der Aktienkurs konnte dadurch auch negativ werden. Trotz dieses Makels war die Überlegung von Bachelier seiner Zeit weit voraus - die berühmte Black-Scholes-Formel wurde schließlich erst 1973 veröffentlicht. Bevor wir uns aber der Black-Scholes Formel widmen, brauchen wir einige Begriffsbildungen und Folgerungen zum Thema Brownsche Bewegung (bzw. Wiener Prozess) und Itô-Integral. Dabei beziehe ich mich auf [3, Kapitel 6,7] und verwende auch die dem Buch entsprechende Notation. Das nun folgende [3, Theorem 6.3] ist äquivalent zur Definition [3, Definition 6.9] der Brownschen Bewegung: Ein zeitstetiger stochastischer Prozess W (t), t ≥ 0 ist eine Brownsche Bewegung bzw. ein Wiener Prozess genau dann wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 1. W (0) = 0 P-fs. 2. die Pfade t → W (t) sind stetig P-fs. 3. W (t) hat stationär unabhängige Inkremente 4. das Inkrement W (t) − W (s) besitzt eine Normalverteilung mit Erwartungswert 0 und Varianz t − s für beliebige 0 ≤ s < t 15 Zur Erinnerung: Stationär unabhängige Inkremente bedeutet, dass die Zuwächse unabhängig und stationär sind: • Unabhängigkeit der Zuwächse: Für n ∈ N, t0 < t1 < ... < tn ∈ T sind die Zuwächse W (t1 ) − W (t0 ), W (t2 ) − W (t1 ), ..., W (tn ) − W (tn−1 ) unabhängig. • Stationarität der Zuwächse: Für r, s, t ∈ T besitzen die Zuwächse W (r + s + t) − W (r + s) und W (r + t) − W (r) die gleiche Verteilung, d.h. die Verteilung ändert sich mit der Zeit nicht. Anmerkung: Ein Prozess, der stationär unabhängige Inkremente besitzt, nennt man einen Lévy-Prozess - der Wiener Prozess ist ein solcher. Für die Black-Scholes-Formel benötigen wir eine noch speziellere Art einer Brownschen Bewegung, welche wie folgt definiert ist: Sei W (t) eine Brownsche Bewegung, dann nennt man [( ] ) σ2 S(t) = S0 exp µ − t + σW (t) 2 eine geometrische Brownsche Bewegung. S0 ist sozusagen der Startwert des Prozesses S, da für t = 0 alle Argumenten in exp gleich Null sind. Dabei bezeichnet man den Paramter µ als Drift - dieser Drift gibt die Tendenz des Prozesses an. Den zweiten Paramter σ hingegen nennt man Volatilität - dieser spiegelt sozusagen den Einfluss des Zufalls auf den Prozess wieder. Im Black-Scholes-Modell wird µ die Rolle der erwarteten Rendite des Aktienkurses übernehmen und σ das Schwankungsrisiko an der Börse darstellen. Zur Herleitung der Black-Scholes-Formel benötigen wir des Weiteren das Lemma von Itô, einmal in seiner allgemeinen und einmal in seiner „vereinfachten“ Form. Man beachte, dass die vereinfachte Form nur für Brownsche Bewegungen gilt, die allgemeine Form hingegen für beliebige Prozesse (mit entsprechender Darstellung). Vereinfachte Form des Itô Lemmas [3, Theorem 7.5]: ′′ Sei F (t, x) : R+ × R → R mit stetigen partiellen Ableitungen Ft′ (t, x), Fx′ (t, x), Fxx (t, x) ′ 2 ∀t ≥ 0. Weiters sei der Prozess Fx (t, W (t)) aus MT ∀T ≥ 0. Dann ist F (t, W (t)) eine Itô-Prozess mit ) ( 1 ′′ ′ dF (t, W (t)) = Ft (t, W (t)) + Fxx (t, W (t)) dt + Fx′ (t, W (t))dW (t) 2 Allgemeine Form des Itô Lemmas [3, Theorem 7.6]: Sei ξ(t) ein Ito-Prozess mit einer Darstellung der Form dξ(t) = a(t)dt + b(t)dW (t) wobei a ∈ L1t und b ∈ Mt2 ∀t ≥ 0. F (t, x) sei, wie im letzten Lemma gegeben. Weiters sei der Prozess b(t)Fx′ (t, ξ(t)) aus MT2 ∀T ≥ 0. Dann ist F (t, ξ(t)) ein Itô-Prozess mit ( ) 1 ′′ ′ ′ 2 dF (t, ξ(t)) = Ft (t, ξ(t)) + Fx (t, ξ(t))a(t) + Fxx (t, ξ(t))b(t) dt + Fx′ (t, ξ(t))b(t)dW (t) 2 16 Anmerkung: Ein Prozess heißt Itô-Prozess, wenn er P-fs. stetige Pfade hat und eine gewisse Darstellung in Form eines stochastischen Integrals besitzt, wobei hier auch die Definition von L1t vorkommt, vgl. [3, Definition 7.8]. Mit MT2 bezeichnet man die Menge aller stochastischen Prozesse, die man auf 0 bis T durch eine Folge von zufälligen Treppenfunktionen approximieren kann - siehe hierzu [3, Definition 7.1, 7.3, 7.5]. 6.2 Die Black-Scholes-Differentialgleichung Nun haben wir die nötigen Hilfsmittel, um uns mit der Herleitung der Black-ScholesFormel zu befassen: Der Grundgedanke ist ein risikoloses Portfolio zu konstruieren. Risikolos bedeutet hier, dass dieses Portfolio im CAPM (siehe Kapitel 5) ein β von 0 aufweist. Des weiteren werden im Black-Scholes-Modell einige Annahmen getroffen, unter anderem dass • der Aktienwert einer geometrischen Brownschen Bewegung folgt • es keine Transaktionskosten oder Steuern gibt • keine Arbitrage vorliegt • ein risikoloser Zinssatz exisitiert, welcher für alle Laufzeiten gleich ist. Wir starten nun mit der Annahme, dass der Aktienkurs S einer geometrischen Brown1 2 schen Bewegung folgt, d.h. S(t) = S0 eµt− 2 σ t+σW (t) . Nun benötigen wir, um die Itô-Formel anwenden zu können, eine entsprechende Funktion F (t, x). Dafür betrachten wir nun ein Derivat V auf das Underlying S - von diesem ist der Payoff zur Maturität T bekannt. Wir wollen nun den Wert für ein beliebiges t berechnen, also einen Ausdruck der Form V (t, S(t)). Dafür setzen wir 1 V (t, x) = S0 eµt− 2 σ 2 t+σx ′′ Wir sehen, dass alle erforderlichen Ableitungen Ft′ (t, x), Fx′ (t, x), Fxx (t, x) stetig sind: 1 2 1 Vt′ (t, x) = S0 · (µ − σ 2 ) · eµt− 2 σ t+σx 2 Vx′ (t, x) = S0 · σ · eµt− 2 σ 1 2 t+σx ′′ (t, x) = S0 · σ 2 · eµt− 2 σ Vxx 1 2 t+σx Anmerkung: Die Voraussetzung, das Fx′ (t, x) in MT2 liegt, darf natürlich nicht vergessen werden. Wir bräuchten jedoch wieder etliche Begriffe aus der Stochastischen Analysis um ebendies zu zeigen, weshalb wir sie hier als gegeben voraussetzen. Nun können wir die „vereinfachte“ Form des Itô-Lemmas anwenden und erhalten: ) ( 1 ′′ ′ dV (t, W (t)) = dS(t) = Vt (t, W (t)) + Vxx (t, W (t)) dt + Vx′ (t, W (t))dW (t) = 2 17 1 2 1 2 1 1 S0 (µ − σ 2 + σ 2 )eµt− 2 σ t+σW (t) dt + S0 · σ · eµt− 2 σ t+σW (t) = µ · S(t) dt + σ · S(t) dW (t) | {z } | {z } 2 2 :=a(t) :=b(t) Insbesondere erhalten wir nun, dass sich dS(t) in einer Form schreiben lässt wie sie für die allgemeine Form der Itô-Formel benötigt wird. Dass S(t) ein Itô-Prozess ist, was wir schließlich auch für die allgemeine Formel benötigen, erhalten wir ebenfalls durch die vereinfachte Itô-Formel. Nun setzen wir in die allgemeine Itô-Formel ein und erhalten (auch hier seien für den nächsten Schritt die Voraussetzungen an a(t) und b(t) als gegeben vorausgesetzt) ( ) 1 ′′ ′ ′ 2 dV (t, S(t)) = Vt (t, S(t)) + Vx (t, S(t))a(t) + Vxx (t, S(t))b(t) dt + Vx′ (t, S(t))b(t)dW (t) 2 ( ) ∂V ∂V 1 2 2 ∂ 2V ∂V = µS + + σ S dt + σS dW = dV 2 ∂S ∂t 2 ∂S ∂S Letztere Zeile entspricht dabei einfach nur einer Kurznotation, welche wir ab jetzt weiter verwenden wollen, d.h. ∂V entspricht Vx′ (t, S(t)) und ∂V entspricht Vt′ (t, S(t)) ∂S ∂t Nun kommt die Idee eines risikolosen Portfolios ins Spiel. Dieses Portfolio P besteht aus Stück der Aktien einer Short Position im Derivat und einer Long Position in ∂V ∂S P = −V + ∂V ∂S Uns interessiert nun die Wertänderung dieses Portfolios, welche über kurze Zeiträume gegebn ist durch dP = −dV + ∂V dS. ∂S Wenn wir nun die oben angeführten Ausdrücke für dV und dS einsetzen ergibt sich ( ) ∂V ∂V 1 2 2 ∂2V ∂V ∂V dP = − µS + + σ S dt + σS dW + (µ · S dt + σ · S dW ) = ∂S ∂t 2 ∂S 2 ∂S ∂S ( − ∂V 1 ∂ 2V + σ2S 2 2 ∂t 2 ∂S ) dt + σS ∂V ∂V ∂V 1 ∂2V dW + (σ · S dW ) =− − σ 2 S 2 2 dt ∂S ∂S ∂t 2 ∂S Die Preisänderung hängt somit weder von der erwartenen Rendite µ noch von den Preisänderungen aus dem Wiener Prozess W (t) ab. Damit ist das Portfolio risikolos. Nun haben wir Arbitragefreiheit angenommen, das Portfolio muss also genau die risikolose Rate r erwirtschaften, d.h. dP = r P dt 18 Setzen wir unsere beiden erhaltenen Ausdrücke für dP gleich, so erhalten wir die BlackScholes-Differentialgleichung ∂V 1 ∂ 2V ∂V + σ 2 S 2 2 + rS − rV = 0 ∂t 2 ∂S ∂S Das Lösen dieser Differentialgleichung (mit den entsprechenden Randbedingungen) liefert uns den Optionspreis des entsprechenden Derivats. Diese Randbedingungen sind z.B. für einen Call gegeben durch C(0, t) = 0 ∀t, C(S, t) → S für S → ∞, C(S, T ) = (S − K)+ . Damit erhält man den bekannten Optionspreis eines Calls bzw. eines Puts, vgl [4] C(S, t) = SΦ(d1 ) − Ke−r(T −t) Φ(d2 ) P (S, t) = Ke−r(T −t) Φ(−d2 ) − SΦ(−d1 ) wobei d1 = ln(S/K) + (r + σ 2 /2)(T − t) √ σ T −t d2 = ln(S/K) + (r − σ 2 /2)(T − t) √ σ T −t ∫ x Φ(x) = −∞ 1 −y2 √ e 2 dy 2π Wir sehen, dass der Wert einer Option durch 5 Parameter festgelegt ist: • aktueller Aktienkurs S • risikofreier Zinssatz r • Volatilität σ • Restlaufzeit T-t (Maturität T, Zeitpunkt t) • Strike Price K Interpretation: Betrachten wir Abbildung 10 sehen wir folgendes Resultat, welches wir bereits in Kapitel 2.7 festgestellt haben - der Optionswert ist höher, je kleiner t ist also je höher die Restlaufzeit ist. Insbesondere ist für t=T=1 z.B. der Callpreis gleich dem Inneren Wert des Calls - dies lässt sich darauf zurückführen, dass der Call am Ende der Maturität keinen Zeitwert mehr besitzt bzw. der Zeitwert zur Maturität hin verschwindet. Des Weiteren sieht man, dass der Callpreis immer größer, oder zumindest 19 gleich dem Inneren Wert ist. Ökonomisch lässt sich dies folgendermaßen interpretieren: Es ist immer besser den Call am Markt zu verkaufen (= Callpreis), als wie ihn vorher auszuüben (= Innere Wert) - wobei dies natürlich nur bei amerikanischen Calls möglich wäre. Abbildung 10: Call und Put Preis nach Black Scholes (K=100, r=0, σ = 0.1, T=1) 6.3 Die Griechen Als die Griechen nach Black-Scholes (engl. Greeks) bezeichnet man die partiellen Ableitungen des Optionspreis nach den verschiedenen Parametern, siehe hierzu [7] • Delta ∆ Das Delta gibt an, wie sich der Optionspreis ändert, wenn sich der Preis des Underlyings ändert. ∆= ∂V ∂S Für einen europäischen Call bzw. Put ergibt sich damit ∆call = Φ(d1 ) ≥ 0 ∆put = −Φ(−d1 ) ≤ 0 Interpretation: Das Delta kann als ein Faktor aufgefasst werden, mit dem eine Option auf Kursänderungen des Underlyings reagiert. Das Delta nimmt z.B. für einen (Long) Call Werte zwischen 0 und 1 und für einen (Long) Put Werte zwischen −1 und 0 an. Für einen angenommenen Call, der weit aus dem Geld liegt (Far OutOf-The-Money), d.h. einen sehr negativen Inneren Wert besitzt, ist das Delta gleich 0, da der Call trotz der Kursänderung noch immer nicht ausgeübt werden würde. Eine (kleine) Kursänderung ist für diese Option daher nicht relevant, was sich im Delta von 0 widerspiegelt. Im Vergleich dazu hat ein Call, der tief im Geld liegt 20 (Deep In-The-Money), d.h. einen großen Inneren Wert besitzt, ein Delta von 1 d.h. die Option reagiert wie der Aktienkurs selbst. Analoges gilt für einen Put (Delta = 0 für Far Out-Of-The-Money und Delta = −1 für Deep In-The-Money). Insbesondere hat das Delta des Underlyings einen Wert von 1 - was wiederum bedeutet, dass ein Forward ein Delta von 1 hat. Mit der Call-Put-Parity erhalten wir dadurch ∆call − ∆put = 1 = ∆f orward Abbildung 11: Delta eines Calls bzw. Puts • Gamma Γ Das Gamma gibt an wie sich das ∆ ändert, wenn sich der Preis des Underlyings ändert. Γ= ∂∆ ∂2V = ∂S ∂S 2 Das Gamma ist für Call und Put gleich Γcall = Γput = Φ′ (d1 ) √ ≥0 S·σ T −t Interpretation: Das Gamma ist die Ableitung des Deltas (nach dem Preis des Underlyings), und entspricht somit der Steigung des Deltas. Dadurch erhalten beispielsweise für einen Deep Out-Of-The-Money Call ein Gamma nah an 0, da das Delta hier konstant bleibt. Das Gamma ist auch nahe Null wenn die Option Deep In-The-Money ist. 21 Abbildung 12: Gamma und Vega eines Calls/Puts • Vega ν Das Vega (Vega ist kein griechischer Buchstabe, als griechischer Ersatzbuchstabe wird daher ν verwendet) gibt an wie sich der Optionspreis ändert, wenn sich die Volatilität σ ändert. ν= ∂V ∂σ Auch Vega ist für Call und Put gleich, nämlich √ νCall = νput = S · Φ′ (d1 ) · T − t ≥ 0 Interpretation: Das Vega kann als Parameter aufgefasst werden, welcher angibt wie stark bei ändernder Volatilität die Option reagiert. Infolgedessen werden sowohl Calls als auch Puts mehr wert, wenn die Volatilität steigt: Eine hohe Volatilität bedeutet, dass z.B. der Wertpapierkurs stark schwankt - damit kann er sich aber auch wahrscheinlicher vorteilhaft für den Käufer entwicklen. Dies wiederum schlägt sich, basierend auf diesem Wertpapier in einem höheren Optionspreis nieder. • Theta Θ Das Theta gibt an wie sich der Optionspreis ändert, wenn sich die Zeit ändert. Θ= ∂V ∂t Das Theta ist für einen Call bzw. einen Put gegeben durch Θcall SΦ′ (d1 )σ =− √ − r · K · e−r(T −t) Φ(d2 ) 2 T −t SΦ′ (d1 )σ Θput = − √ + r · K · e−r(T −t) Φ(−d2 ) 2 T −t 22 Interpretation: Das Theta entspricht unserer Auffassung des Zeitwerts einer Option. Wie wir schon in 2.7 gesehen haben entspricht der Zeitwert dem Hoffen auf eine Verbesserung der Option, d.h. dass eine Out-Of-The-Money Option noch In-TheMoney geht. Nun ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ereigniss eintritt, höher je mehr Zeit dazu vorhanden ist. Entsprechend sinkt die Wahrscheinlichkeit wenn wir uns der Maturität nähern - d.h. der Zeitwert einer Option fällt mit der Zeit. Abbildung 13: Theta eines Calls bzw. Puts Anmerkung: In [5] und einigen anderen Quellen wir das Theta als − ∂V definiert ∂t des entsprechende Resultat kann man dann folgendermaßen interpretieren: z.B. ist der Preis eines Calls hier wachsend in t. Dies wiederum bedeutet, dass wenn wir zwei Calls zum selben Zeitpunkt mit unterschiedlichen Maturitäten betrachten, so ist der Preis des früher fälligen Bonds niederiger als der des später fälligen - vgl. hierzu [5, S. 286, 5.35.] • Rho ρ Das Rho gibt an wie sich der Optionspreis ändert, wenn sich der Zinssatz ändert. ρ= ∂V ∂r Das Rho hat für Call und Put folgende Darstellung ρcall = (T − t)Ke−r(T −t) Φ(d2 ) ≥ 0 ρput = −(T − t)Ke−r(T −t) Φ(−d2 ) ≤ 0 Interpretation: Das Rho ist für einen Call immer positiv und für einen Put immer negativ, d.h. der Preis ist steigend (bzw. fallend) in r. Da im Allgemeinen der Preis der Option sensibler auf die Änderung von anderen Parametern ist, wird Rho von den Griechen am seltensten verwendet. 23 Abbildung 14: Rho eines Calls bzw. Puts Anmerkung: Es gibt neben den eben aufgelisteten Griechen noch eine Reihe anderer. Dabei bedient man sich der zweiten Ableitung - man spricht dann von Second-Order Greeks bzw. der dritten Ableitung - wo man dann von Third-Order Greeks spricht. All diese Griechen aufzulisten würden den Rahmen dieser Seminararbeit sprengen. Daher soll die obige Auflistung nur als Überblick für die bekanntesten dieser Griechen dienen. 24 Literatur [1] Boyle, Phelim ; Boyle, Feidhilm: Risk Books. Bd. 1: Derivatives: The Tools That Changed Finance. London, 2001. – 203 S. – ISBN 978–1899332885 [2] Breuer, Wolfgang ; Breuer, Claudia: Capital Asset Pricing Model (CAPM). http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/ capital-asset-pricing-model-capm.html (Gabler Wirtschaftslexikon). – Stand: 30.10.2016 [3] Brzezniak, Zdzislaw ; Zastawniak, Tomasz: Springer Undergraduate Mathematics Series. Bd. 1: Basic Stochastic Processes: A Course Through Exercises. Springer London, 1999. – X, 226 S. – ISBN 978–3540761754 [4] Dunbar, Steven: Stochastic Processes and Advanced Mathematical Finance, Solution of the Black-Scholes Equation. http://www.math.unl.edu/~sdunbar1/ MathematicalFinance/Lessons/BlackScholes/Solution/solution.pdf. Version: 2016. – Stand: 19.11.2016 [5] Föllmer, Hans ; Schied, Alexander: De Gryter Textbook. Bd. 3: Stochastic Finance: An Introduction in Discrete Time. Walter de Gryter, Berlin, 2011. – XII, 544 S. – ISBN 978–3110218053 [6] Investopedia: Lookback option. http://www.investopedia.com/terms/l/ lookbackoption.asp. – Stand: 15.10.2016 [7] Pacati, Claudio: Calculations of Greeks in the Black and Scholes Formula. http: //www.econ-pol.unisi.it/fm10/greeksBS.pdf. Version: 2013. – Stand: 06.11.2016 [8] Schneider, Wilfried ; Greimel-Fuhrmann, Bettina ; Wirth, Helga: Betriebswirtschaft/HAK IV, Internationale Geschäftstätigkeit, Kreditinstitute und Kapitalmarkt, Produktions- und Dienstleistungsbetriebe. Wien : Manz Schulbuch, 2015. – ISBN 978–3706848404 25