Halbleiterbauelemente - Physikalische Grundlagen und Simulation

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Research Collection
Educational Material
Halbleiterbauelemente
physikalische Grundlagen und Simulation
Author(s):
Schenk, Andreas
Publication Date:
2001
Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-a-004303105
Rights / License:
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ETH Library
Halbleiterbauelemente Physikalische Grundlagen und
Simulation
Privat-Dozent Dr. rer. nat. Andreas Schenk
Integrated Systems Laboratory, ETH Zurich
December 18, 2001
Contents
1 Quanten-Transport
1.1 Quanten-Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Quanten-Transportgleichungen∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2
19
2 Boltzmann-Gleichung
2.1 “Ableitung” . . . . . . . . . . . .
2.2 Methoden der direkten Lösung . .
2.2.1 Relaxationszeit-Näherung
2.2.2 Monte-Carlo-Methode . .
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23
23
26
26
27
3 Momenten-Methode
3.1 Hydrodynamische Transportgleichungen, Drift-Diffusions-Modell . . . . . . . .
3.2 Thermodynamisches Modell∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
32
43
4 Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
by Bernhard Schmithüsen
4.1 Skalierte Gleichungen und Lösungsprozedur . . . . . . . .
4.1.1 Die Physikalischen Gleichungen . . . . . . . . . .
4.1.2 Randwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3 Die skalierten (stationären) Gleichungen . . . . . .
4.1.4 Wahl der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.5 Die Lösungsprozedur . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Allgemeine Diskretisierungsverfahren . . . . . . .
4.2.2 Anforderung an Diskretisierung . . . . . . . . . .
4.2.3 Diskretisierung der Poissongleichung . . . . . . .
4.2.4 Diskretisierung der Kontinuitätsgleichungen . . . .
4.2.5 Die Diskretisierten Gleichungen . . . . . . . . . .
4.3 Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Anforderungen an Gitter . . . . . . . . . . . . . .
4.3.2 Gitter Adaption . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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48
49
50
50
51
52
52
53
54
56
60
60
61
62
5 Silizium
5.1 Bandstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Zustandsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Fermi-Dirac-Verteilung∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.3.1 System mit konstanter Teilchenzahl (“kanonische Verteilung”) . .
5.3.2 System mit variabler Teilchenzahl (“grosskanonische Verteilung”)
5.3.3 Fermi-Dirac-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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i
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Contents
1
5.4
89
Ladungsträgerdichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 Streuprozesse
95
6.1 Skk am Beispiel der Streuung an ionisierten Störstellen . . . . . . . . . . . . . . 95
6.2 Die wichtigsten Streumechanismen in Silizium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
6.3 Die Matthiessen-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
7 Beweglichkeit kalter und heisser Ladungsträger
7.1 µimp und µac . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Modelle für die Beweglichkeit kalter Ladungsträger im bulk
7.3 Beweglichkeit im MOSFET-Kanal . . . . . . . . . . . . . .
7.4 Beweglichkeit heisser Ladungsträger . . . . . . . . . . . . .
7.4.1 Sättigung der Driftgeschwindigkeit . . . . . . . . .
7.4.2 Empirische Modelle für Bauelemente-Simulation . .
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116
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8 Strahlungslose Rekombination
8.1 Tiefe Störstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Generations-Rekombinationsraten für Band-Band- und Band-Trap-Übergänge
8.3 Raten-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.4 SRH-Lebensdauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9 Auger-Rekombination
10 Stossionisation
10.1 Ionisations-Schwellenenergien . . . . . . . .
10.2 Stossionisationsrate und -koeffizienten . . . .
10.3 Modelle für die Stossionisationskoeffizienten
10.4 Avalanche-Durchbruch . . . . . . . . . . . .
131
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135
135
138
140
141
11 Metall-Halbleiter (MS)-Kontakt
11.1 Energieniveau-Schema vor Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts
11.2 MS-Kontakt im Gleichgewicht, Schottky- und Bardeen-Modell . . . . . . . . .
11.3 MS-Kontakt im Nichtgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.4 Kontakt-Randbedingungen in der Bauelemente-Simulation . . . . . . . . . . .
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144
145
151
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12 Metall-Isolator-Halbleiter (MIS) Struktur
156
12.1 Isolator-Halbleiter (IS)-Übergang im Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . 156
12.2 MIS-Struktur bei angelegter Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
12.3 Ladungstransport durch dünne Oxide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
13 Hetero-Übergänge
13.1 Banddiskontinuitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.2 Potentialverlauf nach Einstellung des Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . .
13.3 Supergitter und Quantum Wells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
166
167
169
1 Quanten-Transport
1.1 Quanten-Bauelemente
Definition Transport:
Bewegung von Ladungsträgern (= Ströme) in einem Bauelement
oder einer Halbleiterstruktur infolge äusserer Felder.
dissipativer Transport im bulk:
Energieverlust hauptsächlich im Innern des Bauelements, mittlere
freie Weglänge klein gegen Abmessungen des Bauelements.
ballistischer Transport:
Mittlere freie Weglänge für dissipative und elastische Streuung ist
von der Grössenordnung der Abmessungen des Bauelements.
quanten-ballistischer Transport:
Zusätzlich Quantisierungseffekte durch “confinement”
Interferenz-Effekte infolge verschiedener möglicher Wege.
und
kohärenter ballistischer Transport:
Kohärenzlänge von derselben Grössenordnung wie die Struktur,
Phase der Elektronenwelle bleibt erhalten.
Quanten-Transport kann man auch nach möglichen Anwendungen in der
Nanoelektronik klassifizieren, wobei jeweils typische Quanten-Effekte
ausgenutzt werden:
A) Interferenz-Effekte in niedrig-dimensionalen Strukturen, wie
Resonant-Tunnel-Dioden (resonant tunnel diodes, RTDs) und
Resonant-Tunnel-Transistoren (resonant tunnel transistors, RTTs)
2
1.1 Quanten-Bauelemente
3
B) Coulomb-Blockade in Einzel-Elektron-Transistoren (single electron
transistors, SETs) und Quanten-Punkten (quantum dots, QD)
C) Mesoskopischer Transport in Quanten-Wellenleitern (quantum
waveguides)
A) Interferenz-Effekte
single barriers
resonant double barrier
quantum well
superlattice
interferencedevices.ID.epsi
99 × 72 mm
chirp superlattice
camel transistor
B) Quanten-Drähte und Quanten-Punkte
epitaxial wire
modulation-doped
deep-etched wire
split-gate wire
modulation-doped
shallow-etched wire
confinementdevices.ID.epsi
107 × 60 mm
quantum dot
n-(Al,Ga)As
GaAs
quantum well
4
Quanten-Transport
C) Quanten-Wellenleiter
interference
ring device
tapered quantum
waveguide
stub device
cross-talking
wires
waveguidedevices.ID.epsi
110 × 26 mm
Quantenmechanik (QM): Ultra-Short Course I
In QM werden Observablen (= Messgrössen) A durch Operatoren Â
beschrieben
E −→ Ĥ Hamiltonoperator
p −→ p̂ Impulsoperator
x −→ x̂ Ortsoperator
und die Zustände eines Systems (die in der klassischen Mechanik durch
Angabe der Koordinaten und Impulse aller Teilchen eindeutig bestimmt
sind) durch Wellenfunktionen ψ(x) (mathematisch: Vektoren im Hilbertraum).
1D : Ĥ =
p̂2
∂
+V (x̂) , p̂ = −i~ .
2m
∂x
(1.1)
V (x̂) ist der Operator der potentiellen Energie. Die fundamentale Gleichung zur Bestimmung von ψ(x) ist die Schrödinger-Gleichung:
stationär : Ĥ ψ(x) = E ψ(x) ,
∂
zeitabhängig : i~ Φ(x,t) = Ĥ Φ(x,t) .
∂t
Beispiel: freies Elektron (V ≡ 0)
In der klassischen Physik ist wegen F = ṗ = 0
v = const , E =
m 2
v ,
2
(1.2)
(1.3)
1.1 Quanten-Bauelemente
5
in der QM dagegen muss man die Schrödinger-Gleichung Ĥ ψ = E ψ
lösen. Einsetzen des Hamiltonoperators (es bleibt nur der Operator der
kinetischen Energie in einer Dimension) ergibt die Eigenwertgleichung
−
~2 ∂2
2m ∂x2
ψ(x) = Eψ(x)
oder, mit Einführung der sogenannten Wellenzahl k =
2
∂
2
+ k ψ(x) = 0
∂x2
(1.4)
√
2mE/~
(1.5)
Die allgemeine (von Null verschiedene) Lösung lautet
ψ(x) = A eikx + B e−ikx
(1.6)
und beschreibt eine ebene Welle.
=⇒ Der mathematische Formalismus der QM beschreibt die Wellennatur
der Teilchen.
Beispiel: Potentialtopf mit unendlich hohen Wänden
V(x)
V (x) = ∞ für x ≤ 0, x ≥ d
well1.ID.epsi
45 × 40 mm
V (x) = 0 für x im Innern
0
d
x
Mit diesem Potential erhält man
ψ(x) = A eikx + B e−ikx im Innern
ψ(0) = ψ(d) = 0
da das Elektron in die unendlich hohen Potentialwände nicht eindringen
kann. Das Verschwinden der Wellenfunktion an den Rändern des Potentialtopfes führt auf zwei Bestimmungsgleichungen für die unbekannten
Koeffizienten A und B
A + B = 0,
A eikd + B e−ikd = 0
und damit zur Quantisierungsbedingung für die Wellenzahl k:
6
Quanten-Transport
sin(kd) = 0
nπ
, n = 1, 2, ... quantisierter Impuls ,
d
~2 kn2
~2 π2 2
En =
=
n
quantisierte Energie .
2m
2md 2
Wegen A = −B und k = kn haben die Wellenfunktionen die Form ψn (x) =
C sin(nπx/d). Die Konstante C wird so spezifiziert, dass die (gebundenen) Zustände auf Eins normiert sind, also
kn =
Z d
0
dx |ψn (x)|2 = 1 .
Die Grösse |ψn
heisst Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte des
Teilchens im Zustand mit der Quantenzahl n. Die Normierungsbedingung
bedeutet damit nichts weiter, als dass sich das Teilchen mit Sicherheit innerhalb des Potentialtopfes befindet. Die Auswertung der Normierungsbedingung ergibt für die Wellenfunktionen
nπ 2
ψn (x) =
sin
x
stehende Wellen!
(1.7)
d
d
(x)|2
E
n=3
diskretes Energiespektrum!
2d
Wellenlänge λn =
n
well2.ID.epsi
43 × 42 mm
n=2
n=1
0
d
x
Was passiert im Falle a) endlich hoher und b) endlich hoher und endlich
dicker Potentialwände?
a) Es gibt nur noch eine endliche Anzahl von gebundenen Zuständen.
Wird der Potentialtopf zu flach, kann u.U. überhaupt kein Teilchen
mehr gebunden werden (im Falle asymmetrischer Potentialtöpfe).
b) Das Teilchen kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus dem
Potentialtopf heraustunneln, d.h. die Lebensdauer des gebundenen Zustandes wird endlich. Wegen der Heisenbergschen Unschärferelation
1.1 Quanten-Bauelemente
7
∆t ∆E ≥ ~2
werden die (für unendlich dicke Potentialwände) diskreten Energieniveaus En zu Resonanzen mit endlicher Linienbreite “verschmiert”
(Lebensdauer-Verbreiterung). Die Maxima der Resonanzen verschieben sich gegenüber den En zu niedrigeren Energien.
a)
b)
well3.ID.epsi
110 × 34 mm
Bei den Resonanzenergien wird die Durchdringungswahrscheinlichkeit
für die Doppel-Barriere gross. Je asymmetrischer die Doppel-Barriere,
um so mehr wird die Resonanz gedämpft.
Sind die stationären Zustände ψn (x) bekannt, kann man sofort die
Lösungen der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung angeben:
En
Φn (x,t) = e−i ~ t ψn (x) .
(Einsetzen, Probe!)
Die zeitabhängigen Wellenfunktionen oszillieren mit der Frequenz ωn =
En /~. Damit sich eine stehende Welle (bzw. scharfe Resonanz) ausbilden
kann, muss die entsprechende Zeitkonstante tn = ~/En klein gegenüber
einer charakteristischen mittleren Streuzeit τn sein.
Zahlenbeispiel:
E1 = 66 meV, ~ = 6.6 × 10−16 eVs =⇒ tn = 10−14 s
Typisches τn bei Raumtemperatur ist τn ∼ 2 × 10−14 s (für Streuung von
Elektronen an Phononen, den Quanten der Gitterschwingungen).
=⇒ Interferenz-Bauelemente funktionieren nur bei genügend tiefen Temperaturen! (“genügend” ist dabei natürlich relativ und hängt von der
Stärke der erreichbaren Energie-Quantisierung ab)
Im folgenden werden die Bauelemente-Gruppen A) und B) an den
wichtigsten Beispielen praktisch erläutert.
8
Quanten-Transport
A) Resonant-Tunnel-Diode (RTD) and Resonant-Tunnel-Transistor
(RTT)
RTDbandscheme.epsi
124 × 103 A
mm
Band-Schema einer RTD. Die Potentialbarrieren werden durch Sprünge der Leitungsbandkante zwischen dem breitlückigeren Halbleiter AlAs und dem schmallückigeren
Halbleiter GaAs erzeugt. Die Energie der Zustände im Potentialtopf ist quantisiert. Elektronen aus der hochdotierten Quelle, die alle Energieniveaus zwischen
der Leitungsbandkante und dem Fermi-Niveau besetzen, können nur dann durch
die Doppel-Barriere tunneln, wenn ihre Energien mit der der Resonanzniveaus
übereinstimmen. Dazu muss an der Quelle eine Spannung angelegt werden. Die
notwendige Energie für das Hinzufügen eines (N+1)-ten Elektrons setzt sich aus zwei
Anteilen zusammen: der Additionsenergie A und der Anregungsenergie ∆ε. A wird
gebraucht, um die elektrostatische Abstossung zwischen dem (N+1)-ten und den N
Elektronen zu überwinden, die sich bereits im Quantentopf befinden. A ist proportional zum inversen mittleren Abstand 1/r der Elektronen im Quantentopf, wogegen
∆ε ∼ 1/d 2 (siehe Rechnung zum Potentialtopf). Senkrecht zur Quantisierungsrichtung
können sich die Elektronen frei ausbreiten, was zu einem relativ grossen r und daher
zu einem kleinen A führt. Für eine RTD gilt also A ∆ε. (Im Bild ist A übertrieben
gross dargestellt.)
1.1 Quanten-Bauelemente
9
RTDoperation.ps
105 × 139 mm
a) Schematischer Querschnitt einer RTD.
b) Bei zu kleiner Source-Drain-Spannung kann kein resonanter Tunnelstrom in der RTD
fliessen (“off-state”). Es fliesst lediglich ein Leckstrom, verursacht von thermisch angeregten Elektronen in der Quelle (um so grösser, je höher die Betriebstemperatur).
c) Resonanz-Situation (“on-state”) . Es fliesst ein resonanter Tunnelstrom, dessen Stärke
von der Durchdringungswahrscheinlichkeit der Doppelbarriere abhängt, d.h. von der
Linienbreite der Resonanz.
10
Quanten-Transport
RTDkennlinie.ps
101 × 64 mm
A
a) Band-Schema einer RTD bei steigender Source-Drain-Spannung.
b) Strom-Spannungs-Charakteristik. Der Abstand der Peaks entspricht grob der Anregungsenergie ∆ε. Allerdings ist ∆ε selbst eine Funktion der Source-Drain-Spannung, da
sich die Form des Potentials der Struktur ständig ändert. U.U. kann kein zweiter Peak
auftreten, wenn der deformierte Potentialtopf keinen zweiten gebundenen Zustand mehr
erzeugt.
1.1 Quanten-Bauelemente
11
RTToperation.ps
101 × 141 mm
a) Schematischer Querschnitt eines Resonant-Tunnel-Transistors (lateraler Typ).
b) Das Band-Schema ist ähnlich dem der RTD.
c) Im Unterschied zur RTD existiert eine dritte Elektrode (Gate), mit der man die Lage
der Energie-Niveaus relativ zum Fermi-Niveau in der Quelle verändern kann. Insbesondere kann man bei fester Source-Drain-Spannung durch kontinuierliche Änderung der
Gate-Spannung die Energie-Niveaus des Quantentopfes in Resonanz mit den besetzten
Zuständen in der Quelle bringen. Allerdings werden auch die Potentialbarrieren von der
Gate-Spannung beeinflusst.
12
Quanten-Transport
B) Quanten-Punkt (QD) und Einzel-Elektron-Transistor (SET)
Quanten-Punkt: Dimensionalität ist in allen drei Richtungen reduziert.
Elektronen sind völlig eingesperrt, d.h. sie haben keinen klassischen Freiheitsgrad mehr. Die elektronischen Zustände sind in allen drei Dimensionen quantisiert. Die Anregungsenergien ∆εx , ∆εy und ∆εz sind gross,
ebenso die Additionsenergie A, da der mittlere Elektronenabstand r im
Dot durch das einsperrende Potential klein gehalten wird. Die elektronische Struktur von Quanten-Punkten kann starke Ähnlichkeiten mit der
von Atomen aufweisen, daher spricht man auch von künstlichen Atomen.
Insbesondere liefern die Austausch-Wechselwirkung und die ElektronElektron-Korrelation starke Beiträge zur Gesamtenergie. Die Anregungsenergien representieren keine Einteilchen-Zustände mehr, sondern
Vielteilchenzustände der N Elektronen im Dot.
QDgate.epsi
98 × 43 mm
GaAs
1
AlGaAs
QD auf der Basis einer GaAs/AlGaAs Heterostruktur. Das einsperrende Potential wird
durch planare metallische Gates erzeugt (Stanford University).
QDox.epsi
90 × 49 mm
QD auf der Basis einer Silicon-On-Insulator (SOI) Heterostruktur. Das einsperrende
Potential wurde durch “pattern-dependent oxidation” eines Silizium-Quantendrahts
erzeugt (Princeton University).
1.1 Quanten-Bauelemente
13
Gate
QDflash.epsi
99 × 58 mm
Dot
Channel
Oxide
Drain
Source
QD flash memory: Das Speicher-Gate besteht aus einer poly-Si-Insel.
Einzel-Elektron-Transistor:
3-Terminal-Bauelement analog zum
gewöhnlichen MOSFET. Dimensionalität ist in keiner Richtung
(wesentlich) reduziert. Die zentrale Insel des SETs enthält typischerweise Millionen von Elektronen. Am weitesten verbreitet sind SETs mit
metallischen Inseln. Da der Quantisierungseffekt schwach ist oder gar
nicht existiert, gilt für den SET: A ∆ε. Diesen Grenzfall nennt man
Coulomb-Blockade, ein rein klassischer Effekt der elektrostatischen Abstossung der Elektronen untereinander, der verhindert, dass bei zu kleiner
Source-Drain-Spannung ein zusätzliches Elektron auf die Insel tunneln
kann (daher der Begriff “Blockade”). Ein Strom kann erst einsetzen,
wenn die Source-Drain-Spannung die Additionsenergie erreicht. Den
Spannungsbereich, wo kein Strom fliessen kann, nennt man Coulomb
gap. Die Tunnel-Barrieren verhindern, dass sich Elektronen gleichzeitig über Source, Drain und Insel ausbreiten können. Deshalb ist der
Tunnelprozess immer sequentiell: Ein Elektron muss aus der Insel ins
Drain tunneln, bevor das nächste von der Source auf die Insel tunneln
kann. Man spricht von (räumlich) korreliertem Tunneln. Dieser Vorgang
wiederholt sich millionenmal pro Sekunde, so dass ein messbarer Strom
durch die Insel fliesst.
Bleibt die Source-Drain-Spannung kleiner als die Additionsenergie,
spricht man vom Coulomb-Blockade-Regime. Durch Anlegen einer
Spannung am Gate kann man die Coulomb-Blockade aufheben und die
Zahl der Elektronen auf der Insel ändern, z.B. von N-1 zu N. Dies
geschieht bei bestimmten kritischen Werten der Gate-Spannung, wo sich
gleichzeitig N-1 oder N Elektronen auf der Insel befinden dürfen (Entartungspunkte) und bewirkt einen plötzlichen Strom von Source nach
14
Quanten-Transport
(a)
I
− 2Ce Σ
V
e
2CΣ
(b)
I
V
e
2CΣ
3e
2CΣ
5e
2CΣ
a) “Coulomb gap” und I-V-Kennlinie eines SETs mit symmetrischen Tunnel-Barrieren.
Für Source-Drain-Spannungen betragsmässig kleiner als die halbe Additionsenergie
e2 /2CΣ kann kein Strom fliessen.
b) Schematische “Coulomb staircase”, die I-V-Kennlinie eines SETs mit stark asymmetrischen Tunnel-Barrieren bei T=0 K. Der Abstand der Stufen ist gleich der Additionsenergie e2 /CΣ .
Drain, der bei weiterer Erhöhung der Gate-Spannung aber sofort wieder
verschwindet (wegen der Coulomb-Blockade!). Die Elektronenzahl hat
sich dabei auf den Wert N stabilisiert. Der Source-Drain-Strom wird
also durch kleinste Änderungen der Gate-Ladung ein- und ausgeschaltet. Die dazu nötige Änderung der Gate-Ladung kann eine einzige,
ja selbst nur einen Bruchteil der Elementarladung ausmachen, worauf
der Name “Einzel-Elektron-Transistor” zurückgeht. Da der Strom auf
einzelne Gate-Ladungen reagiert, kann der Verstärkungsfaktor (gain) des
SETs extrem gross sein!
Physik des SETs: Ultra-Short Course
Um die Form der Kennlinien eines SETs besser zu verstehen, betrachten wir die charakteristischen Energien im einfachsten physikalischen
Modell (dem sogenannten orthodoxen Modell). In diesem Modell werden sowohl Quantisierungseffekte als auch die Vielteilcheneffekte der
1.1 Quanten-Bauelemente
15
ivg.epsi
96 × 48 mm
I-Vg -Kennlinie eines SETs im Coulomb-Blockade-Regime bei T > 0 K. Bei den GateSpannungen Vg = (N − 1/2)e/Cg treten Strom-Peaks auf, da die Coulomb-Blockade
aufgehoben ist. Die Peaks sind umso schärfer, je tiefer die Temperatur ist. Ihr Abstand
ist gleich e/Cg . Die Höhe hängt von der Source-Drain-Spannung und dem Widerstand
der Tunnel-Barrieren ab.
Austausch-Wechselwirkung und Korrelation vernachlässigt.
Ein System aus N Elektronen hat die Coulomb-Energie
Ucoul (N) =
Z −eN
0
dQ Φ(Q) ,
(1.8)
wobei Φ(Q) das elektrostatische Potential der Insel mit der Ladung Q
unter dem Einfluss externer Gates ist:
Q Cg
+ Vg .
(1.9)
Φ(Q) =
CΣ CΣ
CΣ ist die Summe aus Gate-Kapazität und Insel-Kapazität CΣ = Cisland +
Cg . Nach Einsetzen erhält man
Ucoul (N) =
Cg
(eN)2
− eN Vg .
2CΣ
CΣ
(1.10)
Im thermodynamischen Sinne ist Ucoul (N) gleich der freien (Gibbs) Energie F(N) (im hier betrachteten orthodoxen Modell); der erste Term ist
die elektrostatische Energie der Insel, der zweite Term ist die Arbeit, die
die Spannungsquelle am Gate verrichtet. Die Differenz
F(N) − F(N − 1) = µ(N)
(1.11)
heisst chemisches Potential und ist gleich der Energie, die aufgebracht
werden muss, um dem (N-1)-Elektronen-System ein weiteres Elektron
16
Quanten-Transport
zuzuführen. Man erhält
Cg
e2
1
µ(N) =
N−
− e Vg .
CΣ
2
CΣ
(1.12)
Die Änderung des chemischen Potentials mit der Elektronenzahl haben
wir oben als Additionsenergie A bezeichnet
µ(N) − µ(N − 1) = A = e2 /CΣ .
(1.13)
Die Coulomb-Staircase der I-V-Kennlinie und die Strom-Peaks der I-Vg Kennlinie kann man nun folgendermassen verstehen:
I-V-Kennlinie eines SETs mit stark asymmetrischen Tunnel-Barrieren
(Einzel-Elektron-Box):
Generell kann es nur dann zum Strom kommen (LadungsträgerAustausch zwischen Insel und Source/Drain), wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Insel N Elektronen enthält, gleich der Wahrscheinlichkeit ist, dass sie N - 1 Elektronen enthält. Die Elektronenzahl
fluktuiert dann zwischen N und N - 1. Die Gleichheit dieser Wahrscheinlichkeiten führt auf die Bedingung
µ(N) = EF ,
(1.14)
wobei EF das Fermi-Niveau in Source/Drain ist. Sei EF,drain = 0, dann
ist EF,source = eV . Die Gate-Spannung sei Null. Aus Eq. (1.12) und
Eq. (1.14) erhält man
1
e
N−
V (N) =
(1.15)
CΣ
2
als diejenigen Spannungen, bei denen sich die Zahl der nichtkompensierten Elektronen auf der Insel um 1 ändert. N = 1 definiert
das Coulomb gap. Die Zeitkonstante des korrelierten Tunnelns wird
mit steigender Spannung V > V(1) kontinuierlich kleiner, was zu einem
kontinuierlichen Anstieg des Stroms in diesem Spannungsbereich führt.
Der Anstieg wird vom Widerstand der dicken Tunnel-Barriere bestimmt.
I-Vg -Kennlinie eines SETs bei verschwindend kleiner Source-DrainSpannung:
In diesem Fall ist EF,drain ≈ EF,source = 0 (wegen der Wahl des EnergieNullpunkts) und Eq. (1.12), Eq. (1.14) ergeben
e
1
(1.16)
N−
Vg (N) =
Cg
2
als diejenigen Spannungen, bei denen ein Strom-Peak auftritt.
1.1 Quanten-Bauelemente
17
Free energy F
EF = 0
Vg = −(N − 1) Ceg
Vg = −(N − 34 ) Ceg
Vg = −(N − 12 ) Ceg
Vg = −(N − 14 ) Ceg
−Ne
−(N − 1)e
−Ne
−(N − 1)e
Charge Q
−Ne
−(N − 1)e
−Ne
−(N − 1)e
µ(N)
e−
EF
Gate voltage Vg
Freie Energie als Funktion der Ladung auf der Insel für vier verschiedene GateSpannungen (oben). Bei Vg = −(N − 1/2)e/Cg existieren zum selben Wert der freien
Energie zwei Ladungszustände (Entartung). Es kann ein Strom fliessen. In dieser Situation ist das chemische Potential µ(N) gleich dem äusseren Fermi-Niveau (unten).
18
Quanten-Transport
(a)
vertdotall.epsi
133 × 111 mm
(c)
a) Schematische Darstellung eines vertikalen QDs mit unterschiedlichen Barrieren.
b) Energie-Quantisierung und Vielteilcheneffekte bestimmen wesentlich die Kennlinien. Man erkennt an der I-Vg -Kennlinie die Schalenstruktur des Energiespektrums,
die Ähnlichkeit mit der eines zweidimensionalen harmonischen Oszillators aufweist.
Gefüllte Schalen gibt es zu den Elektronenzahlen N = 2, 6, 12.
c) Coulomb staircase (I-V-Kennlinie).
Prinzipielle und praktische Hindernisse in der Nanoelektronik
- Präzision und Uniformität der Strukturen (Tunnel-Barrieren, Inseln) auf einer Skala von wenigen Nanometern für zuverlässiges
und gleichartiges Verhalten einer riesigen Zahl von Bauelementen.
Besonders kritisch ist die exponentielle Sensivität des Tunnelstroms
bzgl. Dickenvariationen der Tunnel-Barrieren.
- Hintergrund-Ladungen akkumulieren sich bevorzugt in der Nähe
1.2 Quanten-Transportgleichungen∗
19
von QDs und SETs und können ihre Funktion völlig ausschalten.
- Auswahl des Halbleiter-Materials: III-V-Heterostrukturen haben
glatte und saubere Grenzflächen, aber schwache Potential-Barrieren.
Die Oberflächen lassen sich nicht passivieren und sind deshalb
Träger von Ladungen hoher Dichte, die die Stabilität der Bauelemente stark beeinträchtigen. SiO2 als natürlicher Isolator auf Silizium ist eine hervorragende Barriere gegen Leckströme, ist jedoch
amorph und hat deshalb eine hohe Defektdichte.
- Betriebstemperatur: Für eine Anwendung von Si SETs bei
Raumtemperatur müssen die Inseln Abmessungen von höchstens
10 nm haben. Heutige Quanten-Bauelemente funktionieren deshalb
nur bei sehr tiefen Temperaturen.
- Betriebsspannungs-Schwankungen können leicht dazu führen, dass
SETs aus der “Resonanz” geraten und so unbeabsichtigt vom “onstate” in den “off-state” umschalten.
1.2 Quanten-Transportgleichungen∗
Beispiel: Wigner-Boltzmann-Gleichung
Die allgemeinste Beschreibung eines quantenmechanischen Systems erfolgt mit Hilfe der sogenannten Dichtematrix
ρ̂ = |ψψ| .
ψ sei die Wellenfunktion eines abgeschlossenen Systems. (Zustände
eines Systems, die durch Wellenfunktionen beschrieben werden können,
heissen reine Zustände. Die Formulierung mittels Dichtematrix erlaubt
auch die Beschreibung von gemischten Zuständen. Hier seien nur reine
Zustände betrachtet.) Die triviale Zeitabhängigkeit der Wellenfunktionen
gemäss Eq. (1.3) wird der Kürze halber nicht mitgeschrieben.
Wendet man die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung auf die
Dichtematrix an, erhält man ihre Bewegungsgleichung
i~
∂
ρ̂ = Ĥ, ρ̂ .
∂t
Dabei ist [a, b] = ab − ba der Kommutator. Zur sogenannten Ortsdarstellung gelangt man nach folgender Vorschrift:
r2 |ρ̂|r1 = r2 |ψψ|r1 = ψ(r2 ) ψ∗ (r1 ) .
def
20
Quanten-Transport
Durch Übergang zu Schwerpunktskoordinaten
r1 = R +
r
,
2
r2 = R −
r
2
und anschliessende Fouriertransformation bzgl. r entsteht die WignerFunktion (Wigner, 1932)
Z
r
i
r 1
3
∗
ψ R+
exp − p · r
d rψ R −
fW (p, R,t) =
(2π~)3
2
2
~
(1.17)
Eigenschaften:
1) fW ist reell ( fW = fW∗ ), aber nicht positiv (eine Konsequenz der
Heisenbergschen Unschärferelation, Wigner 1967).
2)
R 3
d p fW (p, R,t) = |ψ(R,t)|2 ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
im Ortsraum (Dichte).
3)
R 3
d R fW (p, R,t) =
R
R
= (2π1~)3 d 3 r d 3 R ψ∗ R − r2 ψ R + r2 exp − ~i p · r
R
R
= (2π1~)3 d 3 r1 d 3 r2 ψ∗ (r2 ) ψ (r1 ) exp − ~i p · (r1 − r2 )
= ψ(p,t) ψ∗(p,t) = |ψ(p,t)|2 ist die Wahrscheinlichkeitsdichte
im Impulsraum.
Ableitung der Bewegungsgleichung:
Wir setzen abkürzend ψ+ = ψ(R + r/2) und ψ∗− = ψ∗ (R − r/2). Die
explizite Zeitableitung der Wigner-Funktion ergibt
∗
Z
+
∂ψ−
1
∂
i
3
∗ ∂ψ
fW (p, R,t) =
ψ+ + ψ−
d r
exp − p · r .
∂t
(2π~)3
∂t
∂t
~
Die Zeitableitungen auf der rechten Seite werden durch die jeweilige
zeitabhängige Schrödinger-Gleichung ausgedrückt, d.h.
∂ψ∗−
1
~2 2
=
− ∇R +V (R − r/2) ψ∗−
∂t
−i~
2m
1
∂ψ+
~2 2
=
− ∇R +V (R + r/2) ψ+
∂t
i~
2m
1.2 Quanten-Transportgleichungen∗
21
Nach dem Einsetzen wird die Ableitung bzgl. R auf eine Ableitung bzgl.
r umgewälzt, z.B.
2 ∗
∇R ψ− ψ+ → 4 ∇2r ψ∗− ψ+ ,
und eine partielle Integration nach r durchgeführt. Dabei verschwinden
die Terme im Unendlichen wegen der Annahme, dass die Wellenfunktionen dort Null sind und es bleibt
Z
2i~
∂
1
3
∗
− ~i p·r
fW (p, R,t) =
∇r ψ− ∇r ψ+ e
d r
−
∂t
(2π~)3
m
i
i
2i~
∗ − ~i p·r
∇r ψ+ ∇r ψ− e
− (V+ −V− ) ψ∗− ψ+ e− ~ p·r .
−
m
~
Werden nun die Ableitungen bzgl. r ausgeführt und kehrt man danach
wieder zur Ableitung nach R zurück, folgt
p
∂
fW (p, R,t) = − · ∇R fW (p, R,t) −
∂t
m Z
i
i 1
d 3 r (V+ −V− ) ψ∗− ψ+ e− ~ p·r .
−
3
~ (2π~)
Um den letzten Term durch die Wigner-Funktion selbst ausdrücken zu
können, wird das Potential V (R ± r/2) in eine Taylor-Reihe bzgl. r entwickelt:
λ λ λ 1 λ1 +λ2 +λ3
∂λ1 +λ2 +λ3V (R) r1 1 r2 2 r3 3
V (R ± r/2) = ∑
. (1.18)
±
λ3 λ !λ !λ !
λ1
λ2
2
1 2 3
λ ∂R ∂R ∂R
1
2
3
Wegen der Differenz V+ − V− in der Bewegungsgleichung bleiben nur
Glieder übrig, für die λ1 + λ2 + λ3 ungerade ist. Beschränkt man sich auf
die ersten beiden Terme, also auf λ1 + λ2 + λ3 = 1 und λ1 + λ2 + λ3 = 3,
folgt
1
(V+ −V− ) = ∇RV (R) · r +
4λ
∑
1 +λ2 +λ3
λ λ λ
∂λ1 +λ2 +λ3 V (R) r1 1 r2 2 r3 3
.
λ3 λ !λ !λ !
λ1
λ2
1 2 3
=3 ∂R ∂R ∂R
1
2
3
Nach Einsetzen in die Bewegungsgleichung und Generierung der Komponenten von r durch partielle Ableitung nach den Komponenten des Impulses p entsteht die endgültige Form der Wigner-Boltzmann-Gleichung
22
Quanten-Transport
mit erstem nicht-verschwindenden Quanten-Korrekturterm:
∂ p
(1.19)
+ · ∇R − ∇RV (R) · ∇p fW (p, R,t) +
∂t m
∂3 fW (p, R,t)
~2
∂3V (R)
1
+
=0.
λ3 λ !λ !λ !
λ
λ1
λ2
λ
λ
4 λ +λ∑
1 2 3 ∂p 1 ∂p 2 ∂p 3
+λ =3 ∂R ∂R ∂R
1
2
3
1
2
3
1
2
3
Die niedrigste Quantenkorrektur ist ∼ ~2 und verschwindet für Potentiale,
die höchstens quadratisch von den Koordinaten abhängen (harmonische
Potentiale). In diesem Fall reproduziert sich die klassische, stossfreie
Liouville-Gleichung. Symbolisch schreibt man dafür
∂
∂
∂
+v·
+F·
f =0.
(1.20)
∂t
∂R
∂p
Der zweite Term beschreibt Diffusionsprozesse, der dritte Driftprozesse.
Die rechte Seite ist Null wegen der Voraussetzung der Stossfreiheit
(abgeschlossenes System).
Das Auftreten eines Terms mit dritter Ableitung nach den Koordinaten
in der Wigner-Boltzmann-Gleichung ist Ausdruck der Nicht-Lokalität der
Quantenmechanik.
Boltzmann-Gleichung
2
2.1 “Ableitung”
dz
out
in
dx
x
dy
x + dx
Streuung
streuung.epsi
114 × 89 mm
dvz
dvx
vz
dvy
v
v’
vy
vx
Ziel ist die Aufstellung einer Bilanzgleichung im Phasenraum (drei Ortskoordinaten x, y und z, drei Geschwindigkeitskoordinaten vx , vy und vz )
für die Zahl der Elektronen (Löcher, allgemein: Teilchen), die sich zur
Zeit t im Raumelement d 3 r am Ort r und im Geschwindigkeitselement
23
24
Boltzmann-Gleichung
d 3 v zur Geschwindigkeit v befinden. Diese Zahl bezeichnen wir mit
f (r, v,t) d 3r d 3 v .
(2.1)
f (r, v,t) ist die klassische Verteilungsfunktion, d.h. Ort und Impuls sind
gleichzeitig scharf messbar. Die Teilchen bewegen sich auf klassischen
Trajektorien.
Bilanz im Ortsraum:
Die Zahl der Elektronen, die in den infinitesimalen Würfel mit den Kantenlängen dx, dy, dz in x-Richtung an der Stelle x im Zeitintervall dt hineinfliegen (“in”) und an der Stelle x + dx in diesem Zeitintervall wieder
herausfliegen (“out”), ist
in : f (r, v,t) d 3v vx dt dy dz ,
out : f (x + dx, y, z, v,t) d 3v vx dt dy dz ,
weil sie in dt die Strecke dx = vx dt zurücklegen. Der Netto-Zuwachs an
Elektronen am Ort r ist dann gleich in − out, d.h.
− vx [ f (x + dx, y, z, v,t) − f (r, v,t)]d 3 v dy dz dt
∂f
= −vx d 3 v d 3 r dt
∂x
oder in 3D : = −v · ∇r f d 3 v d 3 r dt .
(2.2)
In analoger Weise betrachtet man die
Bilanz im Geschwindigkeitsraum:
Man erhält einen Netto-Zuwachs
Geschwindigkeit v
an
Elektronen
mit
der
− v̇x [ f (r, vx + dvx , vy , vz ,t) − f (r, v,t)]d 3 r dvy dvz dt
∂f 3 3
d v d r dt
= −v̇x
∂vx
(2.3)
oder in 3D : = −v̇ · ∇v f d 3 v d 3 r dt .
Die Elektronen werden im Zeitintervall dt unter dem Einfluss eines
äusseren Feldes beschleunigt und ändern ihre Geschwindigkeit von v
nach v + dv. Nach Newton gilt
F0 −eE
=
,
(2.4)
m
m
wobei F0 die einwirkende Kraft ist, die im Falle eines elektrischen Feldes
E den Wert −eE hat.
v̇ =
2.1 “Ableitung”
25
Die Zahl der Elektronen mit der Geschwindigkeit v am Ort r kann aber
auch auf andere Art geändert werden. Die Elektronen werden gestreut
und ändern dadurch ihre Geschwindigkeit am Ort r von v nach v (wenn
sie aus dem Geschwindigkeitswürfel bei v herausgestreut werden), bzw.
von v nach v (wenn sie hineingestreut werden). Man erhält
in :
∑ S(v , v) f (r, v,t) d 3r d 3v dt ,
v
out : − ∑ S(v, v ) f (r, v,t) d 3r d 3 v dt ,
v
(2.5)
(2.6)
für die Änderung der Elektronenzahl im Zeitintervall dt infolge von
Stössen. Dabei ist S(v , v) die Streuwahrscheinlichkeit für die Streuung
v → v (Dimension: s−1 ). S ist also ein Mass für die Häufigkeit der Streuung.
Alles zusammen, d.h. die Ausdrücke (2.2), (2.3), (2.5) und (2.6), ergeben
die explizite zeitliche Änderung der Elektronenzahl im Phasenraumelement d 3 r d 3 v während des Zeitintervalls dt, also ∂t∂ f (r, v,t) d 3r d 3 v dt
F0
∂
+ v · ∇r +
· ∇v f (r, v,t) =
∂t
m
= ∑ S(v , v) f (r, v ,t) − S(v, v ) f (r, v,t)
(2.7)
v
(Ludwig Boltzmann, 1872).
Die Boltzmann-Gleichung (BG) ist eine komplizierte Integro-Differentialgleichung. Die “Ableitung” zeigt, dass man implizit räumliche und
zeitliche Lokalität annimmt. Zeitliche Lokalität bedeutet, dass die Stösse
instantan sind, räumliche Lokalität bedeutet, dass die Stösse auf einer
Ausdehnung der Länge Null stattfinden. In sehr grossen elektrischen
Feldern (> 107 V /cm) sind diese Annahmen nicht mehr gerechtfertigt
(intra-collisional field effect).
In der Bauelemente-Modellierung werden folgende Erweiterungen
gemacht:
- Die Geschwindigkeit wird als Gruppengeschwindigkeit v =
∇k E(k)/~ verstanden.
- E(k) ist durch die realistische Bandstruktur des Halbleiters gegeben.
- Für die Streuwahrscheinlichkeiten S(v, v ) der einzelnen Streuprozesse werden die quantenmechanischen Übergangswahrscheinlichkeiten pro Zeiteinheit verwendet.
26
Boltzmann-Gleichung
- Im Stossterm der BG (rechte Seite) wird f (r, v ,t) → [1 −
f (r, v,t)] f (r, v ,t) und f (r, v,t) → [1 − f (r, v ,t)] f (r, v,t) ersetzt.
Damit wird das Pauli-Prinzip berücksichtigt, d.h. die Endzustände
dürfen beim Stossprozess nicht besetzt sein (Fermi-Statistik).
2.2 Methoden der direkten Lösung
2.2.1 Relaxationszeit-Näherung
- Die Streuwahrscheinlichkeit S sei gerade in allen Geschwindigkeitskomponenten: S(v, v ) = S(−v, v ) = S(v, −v ) = S(−v, −v ). (Gilt
nicht für alle Streuprozesse und für bestimmte nur näherungsweise.)
- Man zerlegt die Verteilungsfunktion f in einen geraden Anteil f (0)
und einen ungeraden Anteil f (1)
f = f (0) + f (1) ,
f (0) (v) = f (0) (−v)
mit
f (1) (v) = − f (1) (−v) .
- Einsetzen in den Stossterm der BG ergibt
(0)
(0)
(1)
∑ S(v , v) f (r, v ,t) − S(v, v ) f (r, v,t) − S(v, v ) f (r, v,t)
v
Der Term mit f (1) (r, v ,t) verschwindet, weil f (1) eine ungerade und
S eine gerade Funktion in der Geschwindigkeit v ist.
- Im thermodynamischen Gleichgewicht ist f (0) die GleichgewichtsVerteilungsfunktion (Maxwell-Boltzmann-Verteilung). Die eckige
Klammer verschwindet dann wegen des Prinzips der detaillierten
Balance (Zahl der herausgestreuten gleich Zahl der hineingestreuten
Teilchen).
- Definition totale (mikroskopische) Relaxationszeit:
τtot (v) =
1
∑ S(v, v )
v
- Damit wird der Stossterm symbolisch
f (1)
∂ f (0)
−
.
∂t
τtot (v)
coll
2.2 Methoden der direkten Lösung
27
Beispiel: Stationäre, homogene BG, linearisiert im elektrischen Feld E
Ist das elektrische Feld E hinreichend schwach, kann man die BG in
E linearisieren, d.h. f (0) ist dann identisch mit der GleichgewichtsVerteilung und f (1) hängt nur linear von E ab. Beschränkt man sich weiter
auf den räumlich und zeitlich homogenen Fall, reduziert sich die BG auf
f (1) (v)
eE
· ∇v f (0) (v) =
.
m
τtot (v)
(2.8)
Zur weiteren Vereinfachung ersetzen wir τtot (v) durch eine Konstante τtot
und führen die Grösse Beweglichkeit µ = eτtot /m ein. Für die Stromdichte
der Elektronen folgt
jn = −ev = −e ∑ f (v)v = −e ∑ f (1) (v)v = −eµ ∑ v E · ∇v f (0) (v) .
v
v
v
Nach partieller Integration erhält man
jn = eµ ∑ f (0) (v) E = eµ n E = σn E ,
(2.9)
v
also das Ohmsche Gesetz. Dazu wurde die Definition der Elektronendichte n = ∑v f (0) (v) und der Leitfähigkeit σn = eµ n benutzt.
2.2.2 Monte-Carlo-Methode
- Man verfolgt Trajektorien der einzelnen Elektronen und lässt sie
nach dem Zufallsprinzip streuen.
- Alle zu betrachtenden Streumechanismen (Phononen, Störstellen,
...) werden durchindiziert. Die Streurate des α-ten Mechanismus ist
1
∑ Sα(v, v ) = τα(v) .
def
v
- Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Elektron bis zur Zeit t + dt nicht
gestreut wurde, ist
P(t + dt) = P(t) P(dt)
= P(t) 1 − dt ∑ S(v, v ) .
v
(dt ∑v S(v, v ) = dt ∑α τ−1
α (v) ist die Wahrscheinlichkeit, dass das
Elektron im Zeitintervall dt gestreut wurde.)
28
Boltzmann-Gleichung
x(t)
a)
⟨x⟩
y
c)
trajectory
t
v(t)
trajectory.ID.epsi
111 × 78 mm
b)
x
⟨v⟩
t
Schematische Darstellung der stochastischen Bewegung eines Elektrons im Falle reiner
Diffusion (kein Feld). a) x(t)-Diagramm. b) v(t)-Diagramm: Nach jedem Stoss hat die
Geschwindigkeit einen neuen, konstanten Wert. c) Trajektorie in der x-y-Ebene.
- Daraus folgt die Differentialgleichung
dP
= −P ∑ S(v, v )
dt
v
mit der Lösung (man beachte, dass P(0) = 1)
Z
P(t) = exp −
t
0
dt ∑ S(v, v )
v
im Intervall [0, t] . (2.10)
Die Zeit t ist also gleich der freien Flugzeit t f vom Anfangszeitpunkt
t = 0 an gerechnet. P nimmt Werte zwischen 0 und 1 an, ist also eine
echte Wahrscheinlichkeit. Sie kann durch Zufallszahlen r f zwischen
0 und 1 beschrieben werden.
- Auf diese Weise kann die zufällige freie Flugzeit t f eines Elektrons
aus
Z tf
0
dt 1
= − ln r f
τtot (v(t ))
(2.11)
2.2 Methoden der direkten Lösung
29
berechnet werden. Die numerische Auflösung dieser Gleichung
nach der oberen Integrationsgrenze t f verbietet sich jedoch geradezu
wegen der komplizierten Gestalt von τtot (v(t )). Deshalb führt man
eine fiktive Selbst-Streuung
Γ − ∑ S(v, v ) δvv ,
v
1
≥0,
S f ict (v) = Γ −
τtot (v)
S f ict (v, v ) =
ein, die wegen δvv offenbar den Zustand des Elektrons nicht
verändert (daher der merkwürdige Name “Selbst-Streuung”). Das
Hinzufügen von S f ict zur BG hat keine Wirkung, da sich inscattering- und out-scattering-Term kompensieren. Der Sinn der
Einführung von S f ict wird sofort deutlich: Die Gesamt-Streurate ist
−1
nun nämlich τtot
(v) + S f ict (v) = Γ = const. und Gleichung (2.11)
für die freie Flugzeit vereinfacht sich zu
tf = −
ln r f
,
Γ
d.h. der numerische Aufwand reduziert sich auf die Berechnung des
Logarithmus der Zufallszahl. In der Praxis nimmt man für Γ die
obere Grenze der Streurate aller realen Prozesse.
- Nach der Zeit t f wird das Elektron gestreut. Es muss ein bestimmter
Streumechanismus ausgewürfelt werden. Der α-te Mechanismus
(inclusive der Selbst-Streuung) wird mit Hilfe der Zufallszahl rs
über die Ungleichung
α−1
1
∑ τ j < rs Γ <
j=1
α
1
∑ τj
bestimmt. Veranschaulichung:
z.B. α = 2 (iv), wenn
(2.12)
j=1
1
< rs Γ <
τac
1
1
+
τac τiv
.
Um so stärker ein bestimmter Streumechanismus, um so grösser
1/τα und um so grösser die Wahrscheinlichkeit, dass er ausgewürfelt wird. Die ganze Physik wird also in die Wichtung
gesteckt.
30
Boltzmann-Gleichung
j=
Type =
1
ac
Rate =
τ ac
1
2
iv
1
3
imp
τ iv
1
streumech.ID.epsi
τ imp
100 × 33 mm
4
ee
5
self-scatt.
1
Sfict
τ ee
Γ
0
rs Γ
- Der Endzustand nach der Streuung (v ) muss unter den Restriktionen der Energie- und Impulserhaltung für das Gesamtsystem der
Stosspartner ausgewählt werden. Wenn eine Hyperfläche existiert,
muss der konkrete v -Vektor ausgewürfelt werden, z.B. im Falle der
elastischen Streuung (|v| = |v |) der Elektronen in Silizium ein bestimmtes Tal und ein bestimmter Winkel:
v
endzustand.ID.epsi
61 × 58 mm
v’
- Die makroskopischen Grössen, wie mittlere Driftgeschwindigkeit,
Stromdichte, Elektronentemperatur, ... werden nach gewissen
(Beobachtungs-) Zeitintervallen ∆t durch Ensemble-Mittelung bestimmt.
2.2 Methoden der direkten Lösung
31
mc-flow.epsi
132 × 162 mm
Fluss-Diagramm einer Monte-Carlo-Simulation für den Fall eines homogenen Halbleiters.
3 Momenten-Methode
3.1 Hydrodynamische
Diffusions-Modell
Transportgleichungen,
Drift-
Ziel ist die Ableitung von kinetischen Gleichungen für Mittelwerte einer
Funktion Φ(v)
R 3
d v Φ(v) f (r, v,t)
=
Φ = R 3
d v f (r, v,t)
1
n(r,t)
Z
d 3 v Φ(v) f (r, v,t)
(3.1)
aus der Boltzmann-Gleichung.1 Dabei geht ein beträchtlicher Teil an Information verloren (nämlich der über die Geschwindigkeiten der einzelnen Teilchen), aber die Gleichungen werden einfacher und numerisch
schneller lösbar. Φ bleibt natürlich eine Funktion von r und t, was wir
nicht explizit mitschreiben. Wir betrachten jetzt das Produkt aus Dichte
n(r,t) und dem Mittelwert Φ und leiten dieses Produkt explizit nach
der Zeit ab:
∂
∂
(nΦ) =
∂t
∂t
Z
d v Φ(v) f (r, v,t) =
3
Z
d 3 v Φ(v)
∂
f (r, v,t) .
∂t
Für ∂ f /∂t setzen wir die Boltzmann-Gleichung (2.7) ein, wobei wir den
länglichen Stossterm mit der Bezeichnung (∂ f /∂t)coll abkürzen:
Z
F0
∂f
∂
3
(nΦ) =
· ∇v f +
d v Φ(v) −v · ∇r f −
∂t
m
∂t
Z coll
Z
Z
F0
∂
3
3
3
= −∇r d v Φ(v) v f −
d v Φ(v) ∇v f +
d vΦ f
m
∂t
coll
1 Diese
Ableitung folgt der von K. Bløtekjær (IEEE TED 17, 38 (1970)) vorgeschlagenen Methode.
32
3.1 Hydrodynamische Transportgleichungen, Drift-Diffusions-Modell
33
Um alle Terme auf der rechten Seite wieder durch Mittelwerte ausdrücken
zu können, darf keine Ableitung von f unter dem Integral stehen. Im
zweiten Term muss daher eine partielle Integration durchgeführt werden
Z
d 3 v Φ(v) ∇v f = −
Z
d 3 v (∇v Φ(v)) f
(man beachte, dass f für |v| → ∞ verschwindet). Benutzt man jetzt die
Definition des Mittelwerts (3.1), folgt
∂
F0
∂
(nΦ) + ∇r · (nv Φ) − n · ∇vΦ =
nΦ
,
(3.2)
∂t
m
∂t
coll
was man in verallgemeinerter Form als
∂
(nΦ) + ∇r · jΦ − n FΦ =
∂t
∂
nΦ
∂t
coll
(3.3)
schreiben kann. Diese Gleichung ist eine Bilanzgleichung für die verallgemeinerte Dichte nΦ. Ihre explizite zeitliche Änderung ist mit der
Divergenz einer verallgemeinerten Stromdichte jΦ = nv Φ und dem
Auftreten einer verallgemeinerten treibenden Kraft FΦ = F0 · ∇vΦ/m
verknüpft.
Wählt man Φ(v) speziell als Potenz der Geschwindigkeit, d.h. vm ,
erhält man eine Hierarchie von Erhaltungssätzen für Teilchendichte
(m=0), Teilchen-Stromdichte (m=1), Energiedichte (m=2) und EnergieStromdichte (m=3).
Man nennt n vm das m-te Moment von v und die entsprechende Gleichung dafür das m-te Moment der Boltzmann-Gleichung.
Sprechen von jetzt ab wieder von Elektronen (Index n).
m=0
Φ = v0 = 1
jΦ = n v = −jn /e
FΦ = 0 .
Einsetzen in Gleichung (3.3) liefert den Erhaltungssatz für die Elektronendichte n (Kontinuitäts-Gleichung):
∂n
∂n 1
,
(3.4)
− ∇r · jn =
∂t e
∂t coll
(jn ist die elektrische Stromdichte).
34
Momenten-Methode
m=1
Betrachten zunächst nur die x-Komponente von v.
Φ = v1x = vx jΦ = n v vx FΦ =
F0,x
.
mn
Um ∇r · jΦ zu berechnen, zerlegen wir die Geschwindigkeit in die
Summe aus Mittelwert und Abweichung vom Mittelwert:
v = v + δv .
Offenbar gilt δv = 0. Der erste Term ist die mittlere Driftgeschwindigkeit, der zweite Term beschreibt die zufälligen Fluktuationen des einzelnen Elektrons um diesen Wert herum. Man könnte auch sagen, δv ist ein
Mass für die chaotische Bewegung. Die Zerlegung führt auf
jΦ = n v vx = n (v + δv)(vx + δvx )
= n vvx + n δv δvx .
(3.5)
Bei der Anwendung der Divergenz muss man beachten, dass sämtliche
Mittelwerte Funktionen von r sind. Auf den ersten Term wird die Produktregel bzgl. der Faktoren nv und vx angewendet:
∇r · jΦ = vx ∇r · (n v) + n v · ∇r vx + ∇r · (n δvδvx ) .
Geht man jetzt zum Vektor v über, erhält man für das 1. Moment der BG
∂
(nv) + v∇r · (n v) + (n v · ∇r ) v + ∇r · (n δv ⊗ δv) −
∂t
∂
F0
nv
=
(3.6)
−n
mn
∂t
coll
Wir definieren jetzt die mittlere Elektronen-Temperatur (am Ort r) über
die mittlere kinetische Energie der chaotischen Bewegung:
1
mn
kB T̂n =
δv ⊗ δv .
2
2
(3.7)
T̂n ist der Temperatur-Tensor, kB die Boltzmann-Konstante. Multipliziert
man Gleichung (3.6) noch mit der Ladung des Elektrons (-e), folgt der
Erhaltungssatz für die Elektronen-Stromdichte
e
e2 E
∂jn
∂
jn + v∇r · jn + (jn · ∇r ) v − ∇r · nkB T̂n − n
=
.
∂t
mn
mn
∂t coll
(3.8)
3.1 Hydrodynamische Transportgleichungen, Drift-Diffusions-Modell
35
m=2
Berechnen zuerst den Mittelwert Φ für diesen Fall.
Φ = v2 = (v + δv)2 = v2 + 2v · δv + |δv|2
Φ = v2 + |δv|2 .
Wegen kB T̂n = mn δv ⊗ δv ist der letzte Term
1
|δv|2 =
Sp kB T̂n ,
mn
wobei Sp die Spur des Tensors bedeutet (Summe der Diagonalelemente
der “Matrix”). Die mittlere Energie der Elektronen wird als Summe aus
einem Driftanteil und einem Wärmeanteil geschrieben:
wn =
mn 2 1 v + Sp kB T̂n .
2
2
(3.9)
Wir erhalten also für Φ im Falle m = 2:
Φ =
2
wn .
mn
Für die verallgemeinerte Stromdichte ergibt sich
jΦ = n v v2 = n (v + δv) v2 + 2vδv + |δv|2
= n v3 + v |δv|2 + 2vδv ⊗ δv + δv |δv|2
2 mn 2 mn v +
|δv|2 + mn δv ⊗ δv + n δv |δv|2
= nv
mn 2
2
1 2
1 = nv
wn − Sp kB T̂n + Sp kB T̂n + kB T̂n +
mn
2
2
2
+ n δv |δv|
2 wn + kB T̂n + n δv |δv|2 .
(3.10)
= nv
mn
Der letzte Term ist ein Term dritter Ordnung in der Geschwindigkeit,
dessen Berechnung nur mit Hilfe des 3. Moments der BG erfolgen
kann. Wir wollen die Hierarchie jedoch bei m = 2 abbrechen. Dazu
36
Momenten-Methode
muss der Term dritter Ordnung durch Grössen niedrigerer Ordnung ausgedrückt werden. Physikalisch beschreibt dieser Term offenbar den chaotischen (diffusiven) Transport von Wärme. Man macht deshalb den
phänomenologischen Ansatz
Qn ≡
mn
!
nδv|δv|2 = −κn ∇r Tn
2
(3.11)
und nennt Qn die konduktive Wärme-Stromdichte, sowie κn die
thermische Leitfähigkeit der Elektronen. Dabei ist Tn = Sp(T̂n )/3.
Man darf die thermische Leitfähigkeit der Elektronen nicht mit der
thermischen Leitfähigkeit des Halbleiters verwechseln.
Letztere
tritt in der Wärmeleitungs-Gleichung für das Gitter auf und ist um
Grössenordnungen grösser als κn (d.h., das Elektronengas ist ein
schlechter Wärmeleiter). Anwendung der Divergenz auf jΦ ergibt
dann
2
∇r · v un + n kB T̂n v + Qn
∇r · jΦ =
mn
mit der Definition für die Energiedichte un = n wn . Das 2. Moment
der BG kann man nun hinschreiben. Es liefert den Erhaltungssatz für die
Energiedichte der Elektronen.
∂un
∂
,
(3.12)
un + ∇r · Sn − jn · E =
∂t
∂t coll
mit der Energie-Stromdichte
Sn = vun + nkB T̂n v + Qn .
(3.13)
Sie setzt sich aus einem konduktiven Anteil (Qn ) und einem konvektiven
Anteil zusammen. Letzteren erkennt man daran, dass er proportional zu
nv ist, also zur elektrischen Stromdichte jn . Die Elektronen tragen bei
ihrer gerichteten Bewegung Energie mit sich, und zwar ihre mittlere Energie wn und Wärme-Energie kB Tn . Der dritte Term auf der linken Seite
von Gleichung (3.12) ist die bekannte Joulesche Wärme.
Behandlung der Stossterme
Der Stossterm in seiner allgemeinen Form wird geschrieben als
∂Φ
∂n
∂
nΦ
= n
+ Φ
.
∂t
∂t
∂t coll
coll
coll
(3.14)
3.1 Hydrodynamische Transportgleichungen, Drift-Diffusions-Modell
37
Der erste Anteil beschreibt Stösse, bei denen die Elektronen in
den Leitungsbändern verbleiben (Intra-Term), der zweite beschreibt
Stösse, die zu einer expliziten Änderung der Elektronenzahl in den
Leitungsbändern führen (Inter-Term oder Generations-RekombinationsTerm). Die explizite zeitliche Änderung von n durch Stösse ist gleich der
Netto-Generationsrate G − R:
∂n
= G−R .
∂t coll
Für den Intra-Term machen wir die Relaxationszeit-Näherung:
Φ − Φeq
∂Φ
= −n
.
n
∂t
τΦ
coll
Hier bezeichnet τΦ eine makroskopische Relaxationszeit, die ein Mass
dafür ist, wie schnell das System der Elektronen in den GleichgewichtsZustand Φeq zurückkehrt, wenn es im Nichtgleichgewichts-Zustand
Φ war.
Das Ergebnis für die ersten drei Momente lautet:
∂
= G−R
da Φ = 1 ,
m=0:
nΦ
∂t
coll
∂
v
nΦ
= −n
+ v(G − R)
da veq = 0 ,
m=1:
∂t
τ p,n
coll
wn − wn eq
mn ∂
nΦ
= −n
+ wn (G − R) ,
m=2:
2 ∂t
τE,n
coll
τ p,n heisst Impuls-Relaxationszeit (der Elektronen), τE,n heisst EnergieRelaxationszeit (der Elektronen). Die mittlere Energie eines Elektrons
im thermodynamischen Gleichgewicht ist natürlich wn eq = 3kB TL /2
mit der Gittertemperatur TL . (Thermische Energie pro Freiheitsgrad
= kB TL /2.) Im Gleichgewicht sind die Elektronen thermalisiert und
haben die Temperatur des Kristallgitters.
Hydrodynamisches Modell
Die endgültige Form des hydrodynamischen Transport-Modells folgt
unter Benutzung folgender Relationen.
µn =
e
τ p,n ,
mn
(3.15)
38
Momenten-Methode
µn ist die Beweglichkeit der Elektronen.
kB Tn
µn
(3.16)
Dn =
e
heisst Einstein-Relation zwischen Diffusions-Koeffizient und Beweglichkeit.
E(r) = −∇r ϕ(r)
(3.17)
ist die Beziehung zwischen elektrischer Feldstärke und elektrostatischem
Potential ϕ(r). Alle Ladungen im Bauelement erzeugen ein D-Feld, das
Lösung der makroskopischen Maxwell-Gleichung
1
(3.18)
∇r · D(r) = ρ(r)
ε0
ist. In dieser Gleichung ist ρ(r) die lokale Dichte sämtlicher “Überschuss”ladungen, d.h.
(3.19)
ρ(r) = −e n(r) − p(r) − ND+ (r) + NA− (r)
mit der Löcherdichte p(r), der Dichte ionisierter Donatoren ND+ (r), und
der Dichte ionisierter Akzeptoren NA− (r). Elektrisches Feld und D-Feld
sind über die statische Dielektrizitätskonstante εs miteinander verknüpft:
D(r) = εs E(r) ,
(3.20)
wobei εs im allgemeinen Falle ein Tensor ist (wovon wir absehen
wollen). Kombination der letzten drei Gleichungen führt auf die PoissonGleichung, die zu jedem Transport-Modell dazugehört:
(3.21)
∇r · ε0 εs ∇r ϕ(r) = e n(r) − p(r) − ND+ (r) + NA− (r) .
Der Temperatur-Tensor T̂n wird noch wie folgt vereinfacht:
T̂n → Tn Î ,
mit dem Einheits-Tensor Î und der skalaren (ortsabhängigen) ElektronenTemperatur Tn .
Wir setzen das 1. Moment des Stossterms in das 1. Moment der BG ein,
gehen zur skalaren Temperatur Tn über und benutzen die Definition der
Beweglichkeit.
∂
µn
µn E
jn + v∇r · jn + (jn · ∇r ) v −
∇r (nkB Tn ) − en
=
∂t
τ p,n
τ p,n
j
(3.22)
= − n − ev(G − R) .
τ p,n
3.1 Hydrodynamische Transportgleichungen, Drift-Diffusions-Modell
Nun ist
39
∂
∂
∂v
∂n
j = −e (nv) = −e n
+ v
=
∂t n
∂t
∂t
∂t
∂
= −en v − v∇r · jn − ev(G − R) .
∂t
Im letzten Schritt wurde die Kontinuitäts-Gleichung (3.4) für ∂n/∂t
eingesetzt. Man sieht, dass die beiden letzten Terme zwei identische
Terme in (3.22) kompensieren. Es bleibt
−en
µn
µn E
j
∂
v + (jn · ∇r ) v −
∇r (nkB Tn ) − en
=− n .
∂t
τ p,n
τ p,n
τ p,n
Multipliziert man die letzte Gleichung mit −τ p,n , wendet die Produktregel bzgl. ∇r (nkB Tn ) an, benutzt die Einstein-Relation im ∇r n-Term, ersetzt die Feldstärke durch den Gradienten des elektrostatischen Potentials
und drückt v wieder durch jn aus, folgt
τ p,n
jn
kB Tn
∂ jn
jn + nτ p,n
−
(j · ∇r )
= −eµn n∇r ϕ −
+ eDn ∇r n .
∂t n
e n
n
e
(3.23)
Zusammenfassend seien alle Gleichungen des hydrodynamischen
Transport-Modells noch einmal aufgeführt:
(3.24)
∇r · ε0 εs ∇r ϕ = e n − p − ND+ + NA− ,
∂n 1
− ∇r · jn = G − R ,
(3.25)
∂t e
wn − 3kB TL /2
∂
(nwn ) + ∇r · Sn − jn · E = −n
+ wn (G − R) ,
∂t
τE,n
(3.26)
τ p,n
jn
kB Tn
∂ jn
(j · ∇r )
−
= −eµn n∇r ϕ −
+ eDn ∇r n ,
jn + nτ p,n
∂t n
e n
n
e
(3.27)
1
Sn = Qn − (wn + kB Tn ) jn .
(3.28)
e
Da wir nur die Elektronen behandelt haben, kommen jetzt noch die
entsprechenden Bilanz-Gleichungen für die Löcher hinzu. Man bekommt
sie einfach durch die Ersetzungen n → p, −e → e und Vertauschung der
40
Momenten-Methode
Indizes n→p . Der Term, der beide Teilchensorten am stärksten koppelt,
ist der Generations-Rekombinations-Term (G − R), aber auch die Beweglichkeiten µn , µ p sind von der Elektron-Loch-Streuung beeinflusst.
Dass man überhaupt separate Momentengleichungen für Elektronen einerseits und Löcher andererseits betrachten darf, setzt voraus, dass beide
Ladungsträgersorten nur hinreichend schwach gekoppelt sein dürfen.
Dazu muss die Relaxation innerhalb der Subsysteme viel schneller
ablaufen als Interband-Prozesse. Unter “normalen” Betriebsbedingungen
ist dies der Fall.
Die Variablen des hydrodynamischen Transport-Modells sind ϕ, n, p, wn
und w p . Alle sind Funktionen von r und t. Die Poisson-Gleichung ist
stark nicht-linear, da die Dichten exponentiell vom elektrostatischen Potential ϕ abhängen. Die Gleichungen für jn,p und Sn,p nennt man konstituierende Gleichungen. Alle Gleichungen sind untereinander stark
gekoppelt. Besondere numerische Probleme bereiten die Terme, die
quadratisch in jn,p sind.
Die Gleichungen sind durch Randbedingungen zu komplettieren. Man
unterscheidet künstliche und natürliche Randbedingungen. Erstere sind
erforderlich, weil das Simulationsgebiet immer nur einen Teil des
gesamten Bauelements umfasst. Sie müssen so formuliert werden, dass
sie keinen Einfluss auf die berechneten Kennlinien haben. Natürliche
Randbedingungen braucht man an äusseren und inneren Grenzflächen, an
den Grenzen zu Metall-Kontakten und zu Gate-Oxiden. Diese Randbedingungen werden selbst oft als physikalische Modelle formuliert.
In den Gleichungen treten eine Reihe von Transport-Koeffizienten auf.
Für diese braucht man physikalische Modelle als Funktion der Betriebsbedingungen (Temperatur, Dotierung, ...). Diese Modelle müssen die
Physik möglichst gut beschreiben, andererseits aber auch analytisch
möglichst einfach sein, um keine numerischen Probleme zu erzeugen.
Konkret benötigt man Modelle für
• die Abhängigkeit der Dichten n und p vom Potential ϕ (PoissonGleichung), weil in diese Beziehung (direkt oder indirekt) die Energielücke eingeht. Die Energielücke hängt von der Gittertemperatur,
der Dotierung und den Dichten selbst ab.
• den Ionisationsgrad der Dotierung NA− − ND+ . Nicht alle elektrisch aktivierbaren (d.h. substitutionell eingebauten) Dotieratome
sind auch ionisiert. Der Ionisationsgrad hängt von der DotierungsKonzentration und der Gittertemperatur ab. Er kann sogar eine explizite Funktion der Zeit sein (dynamische Umladungsprozesse).
• die Generations-Rekombinations-Raten. Beispiele sind die Shock-
3.1 Hydrodynamische Transportgleichungen, Drift-Diffusions-Modell
41
ley-Read-Hall-Rekombination, Stossionisation, Interband-Tunneln,
Auger-Rekombination und defekt-assistiertes Tunneln.
• die Beweglichkeiten µn , µ p als die entscheidenden TransportParameter für MOSFET-Kennlinien. Sie sind Funktionen der Gittertemperatur, der Dotierung, der Feldstärke in Stromrichtung und in
MOSFETs auch Funktionen der Feldstärke senkrecht zur Si-SiO2 Grenzfläche.
• die Impuls- und Energie-Relaxationszeiten.
• die thermischen Leitfähigkeiten der Elektronen und Löcher.
etemp-hyd.epsi
103 × 66 mm
T-e
K
+5.496e+03
+4.196e+03
+2.897e+03
+1.597e+03
+2.971e+02
Verteilung der Elektronen-Temperatur in einem 0.25µm-MOSFET bei 2 V SourceDrain-Spannung und 1.5 V Gate-Spannung. Simulation im Energie-Balance-Modell.
Energie-Balance-Modell
Für praktische Anwendungen wird das hydrodynamische TransportModell weiter vereinfacht. Man macht folgende Näherungen:
j
• nτ p,n ∂t∂ nn → 0
•
τ p,n
e
•
∂
∂t
(jn · ∇r )
jn
n
(nwn ) → 0
→0
42
Momenten-Methode
• wn =
mn
3
2
2 v + 2 kB Tn
→ 32 kB Tn
Damit reduziert sich das Transport-Modell zum sogenannten EnergieBalance-Modell. Anstelle der Gleichungen (3.26), (3.27) und (3.28)
erhält man
3nkB
3
(Tn − TL ) + kB Tn (G − R) ,
2τE,n 2
kB Tn
jn = −eµn n∇r ϕ −
+ eDn ∇r n ,
e
5kB
Sn = −κn ∇r Tn −
Tn jn .
2e
∇r · Sn = jn · E −
(3.29)
(3.30)
(3.31)
Die System-Variablen sind ϕ, n, p, Tn und Tp . In allen Fällen, in denen
man Effekte heisser Ladungsträger vernachlässigen kann, setzt man Tn =
Tp = TL , und Gleichung (3.30) reduziert sich auf die sogenannte DriftDiffusions-Gleichung
jn = −eµn n∇r ϕ + eDn ∇r n .
(3.32)
Zusammen mit Poisson- und Kontinuitäts-Gleichung ergibt (3.32) das
Drift-Diffusions-Modell. Der Name weist natürlich auf die beiden Bestandteile “Drift” und “Diffusion” in (3.32) hin.
Die Näherungen, die vom hydrodynamischen Transport-Modell zum
Energie-Balance-Modell führen, bedürfen noch einer physikalischen Interpretation. Die beiden vernachlässigten Terme in der StromdichteGleichung muss man gegen jn selbst abschätzen (erster Term). Betrachtet
man nur die Beträge und geht zu Differenzen über, folgt
∆|v|
|v|
∆t
τ p,n
und
∆|v|
1
.
∆r
τ p,n
(3.33)
Die erste Bedingung bedeutet, dass von aussen induzierte zeitliche
Änderungen von v klein sein müssen gegen die totale Streurate. (Die
mittlere Driftgeschwindigkeit relaxiert sehr schnell auf einer Zeitskala,
die z.B. durch Schaltvorgänge gegeben ist.) Ein typischer Wert von τ p,n
ist 10−13 s. Damit wäre eine Picosekunde etwa die untere Grenze für die
Zeitkonstante äusserer Störungen.
Die zweite Bedingung bedeutet, dass die örtliche Änderung von v
klein sein muss gegen die totale Streurate. Nimmt man für ∆|v|
die Sättigungs-Driftgeschwindigkeit der Elektronen in Silizium bei
Raumtemperatur vn,sat = 107 cm/s, ergibt sich als Bedingung ∆r 10 nm. Diese Bedingung ist in Kurz-Kanal-MOSFETs bereits verletzt.
3.2 Thermodynamisches Modell∗
43
Die Vernachlässigung der expliziten Zeitableitung der Energiedichte ist
dann gerechtfertigt, wenn
un
∆un
∆t
τE,n
(3.34)
angenommen werden kann, d.h. die Energie-Relaxationszeit muss immer
noch klein gegen die Zeitkonstante äusserer Störungen bleiben. Ein typischer Wert für τE,n ist 0.3 Picosekunden.
Die Vernachlässigung des Driftanteils der mittleren Energie gegenüber
der mittleren thermischen Energie kann ebenfalls über die SättigungsDriftgeschwindigkeit begründet werden. Mit mn = 0.3 m0 ergibt sich
5.7 meV kB Tn , d.h. selbst “kalte” Elektronen (bei 300 K Gittertemperatur) erfüllen noch knapp die Voraussetzung. (Bei 77 K nicht mehr.)
3.2 Thermodynamisches Modell∗
Dieses Transport-Modell basiert auf den Prinzipien der irreversiblen
Thermodynamik. Man sieht das Bauelement als thermodynamisches System aus Elektronen, Löchern und Gitter an. Die Subsysteme seien durch
Gleichgewichts-Variablen
Tp , µcp , TL
(Tn , µcn ) ,
charakterisierbar. (µcn,p sind die chemischen Potentiale.) Die Dichte der
inneren Energie utot des Gesamt-Systems ist eine Erhaltungsgrösse, folglich gilt die Kontinuitäts-Gleichung
∂utot
+ ∇r · ju,tot = 0
(3.35)
∂t
mit der totalen Energie-Stromdichte ju,tot . (Wir benutzen hier nicht das
Symbol S, um Verwechslungen mit der Entropie S zu vermeiden.) Zur
inneren Energie gehört auch das elektrostatische Potential ϕ(r), das von
der Ladungsdichte
ρ(r) = −e n(r) − p(r) − ND+ (r) + NA− (r)
erzeugt wird. Die Änderung der Energiedichte des elektrischen Feldes
ergibt sich wegen
Z
Ω
d r E · δD = −
3
Z
Ω
!
d r ∇r ϕ · δD =
3
Z
Ω
d r ϕ∇r · δD =
3
Z
Ω
d 3 r δρ(r)ϕ
44
Momenten-Methode
zu
E · δD = ϕδρ = −e dn − d p − dND+ + dNA− .
(3.36)
Der Beitrag der Donatoren und Akzeptoren wird im folgenden der Einfachheit halber weggelassen, womit lediglich das System auf die drei
oben genannten Subsysteme beschränkt bleibt. Die totale Änderung der
Entropiedichte aller drei Subsysteme ist
dstot =
EF,p
dun du p duL EF,n
+
+
−
dn +
dp .
Tn
Tp
TL
Tn
Tp
(3.37)
Der Grund, warum hier anstelle der chemischen Potentiale die Grössen
EF,n und EF,p auftreten, ist, dass wir wegen Gleichung (3.36) die elektrostatische Energie −eϕ zu den chemischen Potentialen dazugeschlagen
haben. Man nennt EF,{n,p} elektro-chemische Potentiale oder auch quasiFermi-Energien:
EF,{n,p} (r) = µcn,p (r) − eϕ(r) .
(3.38)
Oft werden auch quasi-Fermi-Potentiale verwendet:
(0)
φn,p = −EF,{n,p}/e + Ei /e ,
(0)
wobei das intrinsische Energieniveau Ei
Dichte ni,eff des Halbleiters definiert ist:
(0)
(0)
Ei − Ec
(3.39)
über die effektive intrinsische
ni,eff
= kB Tn ln
Nc
.
(3.40)
Im totalen Differential der Entropiedichte (3.37) ist das letzte Vorzeichen
“+”, weil “System plus Loch” äquivalent ist zu “System minus Elektron”.
Aus (3.37) erhält man sofort die totale Entropie-Stromdichte
js,tot =
EF,n
EF,p
1
1
1
jnu + j pu + jLu +
jn +
j ,
Tn
Tp
TL
eTn
eTp p
(3.41)
die der Kontinuitäts-Gleichung
Πs,tot = ∇r · js,tot +
∂stot
∂t
(3.42)
3.2 Thermodynamisches Modell∗
45
genügt. Hier bezeichnet Πs,tot die Erzeugungsrate der totalen Entropiedichte. Einsetzen von js,tot und ∂stot ergibt
1
1
1
Πs,tot = ∇r
· jnu + ∇r
· j pu + ∇r
· jLu +
Tn
Tp
TL
EF,p
EF,n
(3.43)
· jn + ∇r
· jp +
+ ∇r
eTn
eTp
∂u p
1
∂un
∂uL
1
1
+
+
+
+
∇r · jnu +
∇r · j pu +
∇r · jLu +
Tn
∂t
Tp
∂t
TL
∂t
EF,p
EF,n ∂n EF,p ∂p
EF,n
+
.
∇r · jn +
∇r · j p −
+
eTn
eTp
Tn ∂t
Tn ∂t
Benutzt man den Erhaltungssatz der totalen Energie und die KontinuitätsGleichungen für n und p, folgt
1
1
1
Πs,tot = ∇r
· jnu + ∇r
· j pu + ∇r
· jLu +
Tn
Tp
TL
EF,p
EF,n
1
1
−
· jn + ∇r
· jp +
Πnu +
+ ∇r
qTn
qTp
Tn TL
EF,p EF,n
1
1
−
−
Π pu +
(G − R) ,
(3.44)
+
Tp TL
Tp
Tn
mit den Energie-Erzeugungsraten Π{n,p}u der Subsysteme der Elektronen
und Löcher. Die letzte Gleichung kann man formal als
Πs,tot = ∑ ∇FX · jX
(3.45)
X
schreiben, mit treibenden Kräften, oder Affinitäten ∇FX , und Flüssen
jX . Die Grundannahme besteht nun darin, dass alle Flüsse jX von allen
Affinitäten ∇FX getrieben werden und dass dies mittels des linearen
Ansatzes
∂jX
∂IX
∇FY , IX = ∑
∆FY
(3.46)
jX = ∑
Y ∂(∇FY )
Y ∂(∆FY )
ausgedrückt werden kann (linear response). Die Proportionalitätsfaktoren
heissen kinetische Koeffizienten 1. Ordnung
L̂XY =
∂jX
∂IX
and Λ̂XY =
.
∂(∇FY )
∂(∆FY )
(3.47)
46
Momenten-Methode
Sie sind Tensor-Funktionen der lokalen intensiven Parameter. Das
Onsager-Theorem (L. Onsager, 1931) besagt, dass L̂XY = L̂Y X , wenn kein
Magnetfeld existiert. Für die fünf Stromdichten ergibt sich das Gleichungssystem
 
 


L̂11 L̂12 L̂13 L̂14 L̂15
jn
∇r (EF,n/eTn )
L̂21 L̂22 L̂23 L̂24 L̂25 
 jp  
∇ (E /eTp ) 
 
 r F,p
 



·

 jnu  =  L̂31 L̂32 L̂33 L̂34 L̂35 
.
  ∇r (1/Tn)
 j  


(1/T
)
∇
r
p
L̂41 L̂42 L̂43 L̂44 L̂45
pu
∇r (1/TL )
jLu
L̂51 L̂52 L̂53 L̂54 L̂55
(3.48)
Für praktische Zwecke ist es notwendig, die Matrix L̂XY zu reduzieren,
indem bestimmte Elemente durch 0 ersetzt werden (“minimales Kopplungsschema”). Z.B. vernachlässigt man die Koeffizienten L̂12 (electronhole drag) und L̂15 (phonon drag). Um das Prinzip zu demonstrieren,
betrachten wir jetzt nur dasjenige minimale Kopplungsschema für jn ,
bei dem die einzigen treibenden Kräfte die Gradienten von elektrochemischem Potential EF,n und inverser Elektronen-Temperatur Tn sind.
jn = L̂11 · ∇r
EF,n
1
+ L̂13 · ∇r .
eTn
Tn
(3.49)
ˆ Mit den DeVom Tensor-Charakter sei ebenfalls abgesehen, d.h L̂ → IL.
finitionen
L11 = σn Tn ,
L13 = −σn Tn (EF,n/e − Pn Tn ) ,
(3.50)
(3.51)
worin σn die elektrische Leitfähigkeit und Pn die absolute thermoelektrische Kraft sind, ergibt sich für jn :
jn = σn (∇r EF,n/e − Pn ∇r Tn ) .
(3.52)
Das entsprechende minimale Kopplungsschema für jnu führt auf die Gleichung
jnu = L31 ∇r (EF,n/eTn ) + L33 ∇r (1/Tn ) ,
(3.53)
Nutzt man das Onsager-Theorem aus (L31 = L13 ), kann man (3.53) auf
die Form
σn
L33
2
(Pn Tn − EF,n/e) − 2 ∇r Tn
jnu = (Pn Tn − EF,n/e) jn +
Tn
Tn
3.2 Thermodynamisches Modell∗
47
bringen. Da die eckige Klammer gleich −κn sein muss (κn = thermische
Leitfähigkeit der Elektronen), folgt
L33 = κn Tn2 + σn Tn (EF,n/e − Pn Tn )2 .
(3.54)
Somit ergibt sich für die Energie-Stromdichte der Elektronen
jnu = −κn ∇r Tn − (EF,n/e − Pn Tn ) jn ,
(3.55)
bestehend aus einem konduktiven und einem konvektiven Term.
Vergleich mit Drift-Diffusions-Modell
Wenn ein nichtentarteter Halbleiter mit parabolischer Bandstruktur vorausgesetzt wird, sieht man durch direkte Berechnung von ∇r n(EF,n, Tn ),
dass jTn D = jDD
n = genau dann gilt, wenn
kB
n
(0)
Ei = 0 , sowie Pn =
(3.56)
ln − 5/2 .
e
Nc
Die erste Bedingung entspricht einer speziellen Wahl des EnergieNullpunkts, die zweite kann man als Modell der absoluten thermoelektrischen Kraft auffassen.
Vergleich mit Energie-Balance-Modell
Die Energie-Stromdichten werden gleich (jTnuD = Sn ), wenn wn = 32 kB Tn
angenommen wird und im Energie-Balance-Modell die mittlere thermische Energie durch
(0)
(0)
∗
wn = wn + Ec (r) − Ec − Ei
(3.57)
ersetzt wird. Neben der Verschiebung des Energie-Nullpunkts muss man
im Energie-Balance-Modell auch noch die potentielle Energie addieren.
Die zu (3.57) äquivalente Ersetzung der Energie-Stromdichte lautet S∗n =
Sn − Ei (r)jn /e.
4
Numerische Methoden für die
Simulation von Bauelementen
by Bernhard Schmithüsen
4.1 Skalierte Gleichungen und Lösungsprozedur
4.1.1 Die Physikalischen Gleichungen
Die grundlegenden van Roosbroeck’s Gleichungen des Ladungsträgertransports in Halbleitern sind die Poisson-Gleichung und die beiden
Kontinuitätsgleichungen (im folgenden wird die Netto-Rekombinationsrate R − G einfach mit R bezeichnet):
−∇ · (ε∇ϕ) = e (p − n +C)
(4.1)
∂n
(4.2)
e − ∇jn = −e R
∂t
∂p
e + ∇j p = −e R
(4.3)
∂t
vervollständigt durch die Stromgleichungen (unter Benutzung der Einstein Relation D = UT µ)
jn =
=
jp =
=
−eµn n∇φn
eµn (UT ∇n − n∇ϕ)
−eµ p p∇φ p
−eµ p (UT ∇p + p∇ϕ)
(4.4)
(4.5)
Für MOS-Bauelemente wird in Isolatoren (z.B. SiO2 ) die Poissongleichung (unter Vernachlässigung mobiler und fixer Ladungen) gelöst:
−∇ · (ε∇ϕ) = 0.
(4.6)
Die Metallregionen gehören nicht zum (elektrischen) Simulationsgebiet,
auch wenn einfache Modelle integriert werden könnten. Die eigentliche
48
4.1 Skalierte Gleichungen und Lösungsprozedur
49
Physik besteht in den Voraussetzungen der Gültigkeit der Gleichungen
und steckt in den Parametern Beweglichkeit µ und Rekombination R:
µ = µ(x, ∇ϕ) > 0
R = R(x, n, p, ∇ϕ)
Mathematisch handelt es sich im stationären Fall um ein gekoppeltes System elliptischer Gleichungen.
4.1.2 Randwerte
Versehen mit Anfangswerten und Randbedingungen ist das ein ”wohl
gestelltes” Problem. Die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung ist mathematisch unter restriktiven Anforderungen nachgewiesen.
A Artifizielle Randwerte
Diese treten an künstlich eingeführten Begrenzungen des Simulationsgebietes auf, und sollten so gewählt werden, dass sie das Modell nicht signifikant stören:
∇ϕ · ν = jn · ν = j p · ν = 0.
B Physikalische Randwerte
Physikalische Randwerte treten an Materialgrenzen und Kontakten
auf.
(a) Kontakte
(i) Ohmsche Kontakte: Normalerweise werden
np = n2i
p − n +C = 0
thermodynamisches Gleichgewicht
Ladungs-Neutralität
für die Dichten, und verschwindender Strom im thermodynamischen Gleichgewicht gefordert, resultierend in
Dirichlet-Randwerten für alle Lösungsvariablen.
(ii) Schottky Kontakte
C Halbleiter-Isolator Grenzflächen
Im allgemeinen fordert man
εsemi ∇ϕsemi = εins ∇ϕins
jn · ν = j p · ν = 0.
Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
50
by Bernhard Schmithüsen
4.1.3 Die skalierten (stationären) Gleichungen
Um dimensionslose Grössen zu erhalten und die Werte in numerisch behandelbare Grössenordnungen zu bringen skaliert man die Gleichungen
(de Mari Skalierung):
−∇ · (ε∇ϕ) = (p − n +C)
−∇jn = −R
∇j p = −R
jn =
=
jp =
=
−µn n∇φn
µn (∇n − n∇ϕ)
−µ p p∇φ p
−µ p (∇p + p∇ϕ)
(4.7)
(4.8)
(4.9)
(4.10)
(4.11)
4.1.4 Wahl der Variablen
Die Wahl der Variablen bestimmt die Gestalt der Gleichungen und damit
das numerische Verhalten:
Potential und Dichten ϕ, n, p
- n, p > 0 ist numerisch nicht zu erwarten während der Iteration
- Kontinuitätsgleichungen linear in n, p (falls Beweglichkeit unabhängig von den Dichten)
Potential und Quasi-Fermi Potentiale ϕ, φn , φ p
- Dichten automatisch positiv (n = exp(ϕ − φn )).
- Nichtlinear in n, p (auch für konstante Dichten).
Potential und Slotboom-Variablen ϕ, u, v
-
Dichten n = u exp(ϕ), p = v exp(−ϕ) nicht automatisch positiv.
Konvektiver Term verschwindet.
Stark variierende Diffusivität.
Explizite Berechnung von exp(±ϕ) erforderlich.
mathematisch interessant, da Kontinuitätsgleichungen selbstadjungiert werden (ausgebaute Theorie).
4.1 Skalierte Gleichungen und Lösungsprozedur
51
4.1.5 Die Lösungsprozedur
A. Diskretisierung
Das kontinuierliche Problem ist formuliert in (nicht-endlich-dimensionalen) Funktionenräumen. Diskretisierung heisst, das Problem endlich
dimensional zu machen. Wir erhalten eine (nichtlineare) Gleichung in
IRn :
Fϕ (x)
F(x) = Fn (x) = 0
Fp (x)
B. Lösen der nichtlinearen diskreten Gleichung
Nichtlineare Gleichungen können nur iterativ gelöst werden:
Gummel-Iteration
Dies ist das klassische Verfahren (kleine Computer). Iterativ löst
man
Fϕ (·, nk , pk ) → ϕk+1
Fn (ϕk+1 , ·, pk ) → nk+1
Fp (ϕk+1 , nk+1 , ·) → pk+1
(4.12)
Es ist offensichtlich, dass ein solches Verfahren nur bei geringer
Kopplung der Gleichungen konvergieren kann.
Newton-ähnliche Verfahren
Die bekannte Newton-Iteration:
F (xn )(xn+1 − xn ) = −F(xn ) .
(4.13)
Man weiss, dass für hinreichend gute Anfangswerte x0 die Konvergenz quadratisch ist, falls F hinreichend glatt und die Nullstelle
isoliert ist. Dies kann man in 1D leicht einsehen:
F(xn+1 ) = F(xn ) + F (xn ) (xn+1 − xn ) +O(|xn+1 − xn |2 )
!"
#
=0
und
−1
xn+1 − xn = −F (xn ) F(xn )
Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
52
by Bernhard Schmithüsen
also
|F(xn+1 )| = O(|xn+1 − xn |2 ) = O(|F(xn )|2 )
|xn+1 − xn | = O(|F(xn )|) = O(|xn − xn−1 |2 )
In mehrerenen Dimensionen ist das nicht so einfach zu beweisen.
Multigrid-Verfahren
Basiert auf der Idee, niedrig-frequente Anteile der Lösung auf
groben Gittern und die hoch-frequenten Anteile auf feinen Gittern
zu bestimmen. Die ineinander geschachtelten Strukturen werden
auf der geometrischen (Gitter) oder algebraischen Ebene (Matrix)
benutzt.
C. Lösen der auftretenden linearen Gleichungen
Ax = b
(4.14)
Es gibt eine riesige Literatur über die Numerik der linearen Gleichungen:
Direkte Verfahren Basieren auf Gauss-Algorithmus.
Iterative Verfahren Approximieren gegebene Matrix A durch einfacher
zu invertierende Matrizen:
A = M −N
(splitting)
−1
xn+1 = M (Nxn + b) = (1 − M −1 A)xn + M −1 b
Jacobi-Verfahren ( M = diag(A))
Gauss-Seidel-Verfahren ( M = diag(A) + loweroffdiag(A) )
Successive Overrelaxation (SOR)
Krylow-Methoden (GMRES, CG, etc.)
Memory-Bedarf klein, schnell, wenig robust, Konvergenz hängt
stark von Eigenschaften der Matrizen ab.
4.2 Diskretisierung
4.2.1 Allgemeine Diskretisierungsverfahren
Es gibt verschiedene allgemeine Verfahren. Die technisch relevanten erfordern ein Gitter auf dem Definitionsgebiet.
4.2 Diskretisierung
53
- Finite Differenzen (FD): Substitution der Differentialoperatoren
durch Differenzen:
ui+1 − ui−1
+ O(h2 ) .
Du =
h
e Einfach zu implementieren, RW technisch, schwierig in der Analyse des Konvergenzverhaltens.
- Finite Elemente Methode (FEM): Basiert auf schwacher For1 , dann ergibt Integration der
mulierung des Problems: Sei ξ ∈ H0,D
Poissongleichung:
Z
Ω
ε∇ϕ · ∇ξ =
Z
(p − n −C)ξ +
Ω
Z
ε∇ϕξν
∂ΩN
Vorteile: Ausgedehnte Theorie (Fehleranalyse, etc.)
- Box Methode (BM): Basiert auf Divergenz-Form der Gleichungen:
∇F = g
4.2.2 Anforderung an Diskretisierung
Um vernünftige Approximationen der kontinuierlichen Lösung zu erhalten, sollte das diskretisierte Problem wesentliche Eigenschaften des kontinuierlichen Problems aufweisen:
Teilchen-Erhaltung
Lokale Gültigkeit des Gausschen Satzes. Die BM erfüllt diese Bedingung automatisch.
Strom-Erhaltung
Der diskrete Strom durch eine Fläche sollte nur von der Fläche
abhängen.
Maximum-Eigenschaft der elliptischen Operatoren
Das diskrete Maximumprinzip (genauer ”Comparison” Theoreme)
elliptischer Operatoren ist die M-Matrix Eigenschaft:
Definition 1 Eine reelle n × n Matrix A heisst M-Matrix, falls
(i) Ai j ≤ 0 für alle i = j
(ii) A ist invertierbar
Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
54
by Bernhard Schmithüsen
(iii) A−1 ≥ 0 (d.h. (A−1 )i j ≥ 0 für alle i, j )
Hinreichende (notwendige?) Bedingung für diskrete Comparison
Theoreme und Stabilität.
Positivität der lokalen Dissipation
Das kontinuierliche System ist lokal dissipativ (z.B. für Auger und
SRH Rekombination); die zu diskutierende SG-BM erhält diese
Eigenschaft und zeichnet sich dadurch aus.
d (ϕ, n, p) =
Z
µn n| ∇φn |2 + µ p p| ∇φ p |2 + R · log (np) dx
Ω
Weitere Anforderungen ergeben sich aus der Praxis:
Konvergenz
Aussagen über Diskretisierungsfehler sind wünschenswert (p Ordnung der Approximation)
u − uh = O(h p )
Anzahl der Gitterpunkte sollte möglichst gering sein
2d-Gitter ≈10000 Punkte, 3d-Gitter erheblich grösser. Zwang zu
iterativen Techniken. Verschlechterung der Kondition der Matrizen.
”dünn besetzte” Matrizen (sparse matrices)
geringerer Lösungsaufwand. Physikaliche Modelle: nur lokale
Abhängigkeiten erlaubt (typischerweise nur von nächsten Nachbarn
im Gitter). Andererseits ”dichte” Matrizen oder keinen exakten
Newton.
4.2.3 Diskretisierung der Poissongleichung
Wir diskretisieren die Poissongleichung entsprechend der Box Methode auf dem dualen Voronoi-Gitter (mid-perpendicular box method),
welche auf der lokalen Anwendung des Gauss’schen Satzes beruht.
Das Voronoi-Gitter entsteht durch die Mittelsenkrechten (in 2D eine
Linie, in 3D eine Ebene) jeder Kante (edge), deren Schnittpunkte die
Voronoi-Zentren bilden; die Voronoi-Boxen Bi werden durch die Mittelsenkrechten (Voronoi-Flächen) begrenzt. Notwendig und hinreichend
für eine überlappungsfreie Konstruktion ist die sogenannte
4.2 Diskretisierung
55
Delaunay Eigenschaft
Der Umkreis eines jeden Gitter-Elementes enthält im Inneren keinen
Gitterpunkt.
In 2D kann man Delaunay-Gitter aus Dreiecken und Rechtecken konstruieren. In 3D können zum Beispiel Tetraeder, Quader, Prismen und
Pyramiden verwendet werden.
E
Bi
E
Bi
}
xi
E
si,j
ei,j
xj
Figure 4.1: Gitter und duales Voronoi-Gitter
Die Poissongleichung ist vom Typ
−∇ (a(x)∇u(x)) + g(x) = 0
Lokal auf jeder Box Bi integrieren wir und wenden den Gauss’schen Satz
an:
Z
Z
u j − ui
si j
a(x)∇u(x)ν(x)dS(x) ≈ − ∑ ai j
− ∇ (a(x)∇u(x)) dx = −
|x j − xi |
Bi
∂Bi
j(i)
Z
Bi
g(x)dx ≈ |Bi | · gi
also erhalten wir für die Poissongleichung
si j
(ϕi − ϕ j ) − |Bi | (pi − ni +Ci ) = 0
Fϕ i = ∑ εi j
|x j − xi |
j(i)
(4.15)
Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
56
by Bernhard Schmithüsen
In 2D stimmen die Diskretisierungen der Standard-FE und Box-Methode
für den Laplace-Operator überein; in 3D sind sie (ausser auf gleichseitigen Tetraedern, die aber den Raum nicht ausfüllen) verschieden.
Stumpfe Winkel
Dreiecke mit stumpfen (obtuse) Winkeln (α > π2 ) erfordern eine gewisse
Aufmerksamkeit, da das Voronoi Zentrum ausserhalb des entsprechenden Elements liegt. Falls man, wie man das bei FEM tut, jedes Element
einzeln betrachtet, erhält man
s̃Ei j1 = sEi j1 < 0
, s̃Ei j2 = sEi j1 − sEi j2
Die Delaunay Eigenschaft garantiert eine positive Voronoifläche für jede
Kante, d.h.
si j ≥ 0 ,
was auf jeden Fall gewünscht ist, da sich andererseits das Vorzeichen
umkehrt.
Um weiter elementweise assemblieren zu können, setzt man
s$Ei j1 = 0 ,
s$Ei j2 = sEi j2
Falls der stumpfe Winkel einer Interface-Kante gegenüberliegt, würden
sich die Volumina der einzelnen Regionen verändern, folglich verlangt
man ”constrained Delaunay” Gitter.
4.2.4 Diskretisierung der Kontinuitätsgleichungen
Die Kontinuitätsgleichungen sind Konvektions-Diffusions-ReaktionsGleichungen. Man weiss, dass auf nicht hinreichend feinen Gittern die
standard FE Diskretisierung unstabil ist. Ausserdem können stumpfe
Winkel in Delaunay Gittern die Stabilität bei nicht konstanter Diffusivität stören. Viele Diskretisierungen sind erfunden worden, um dieses
Stabilitätsproblem zu reduzieren (Stichworte: upwinding, numerical and
artificial diffusivity, SUPG, streamline diffusion, etc.).
Die Scharfetter-Gummel Box Methoden Diskretisierung ist auf allen
Delaunay-Gittern stabil !
Die singuläre Störungsanalyse beschäftigt sich mit dem Fall, dass der
Diffusionsterm gänzlich vernachlässigbar wird. Sie kann das Phänomen
von ”Layern” (starke Variationen der Lösungen) erklären, indem sie
das reduzierte Problem betrachtet, welches sich durch Streichen des
Diffusionsterms ergibt.
4.2 Diskretisierung
57
xk
E1
xi
E
E1
Bk
Bi 1
E
Bi 2
}
E
s i,j1
xj
} s i,jE
2
E2
Figure 4.2: Box method
Ein einfaches Modelproblem
Wir demonstrieren die Instabilität der FD-Methode anhand eines Modellproblems, einer Vereinfachung der Kontinuitätsgleichung auf dem Interval [0, 1] :
−(n − ϕ n) = 0
n(0) = 0
n(1) = 1
und nehmen an ϕ = β sei konstant. Die exakte Lösung ist
n(x) =
exp(βx) − 1
exp(β) − 1
(x ∈ [0, 1])
Einfache FD-Diskretisierung:
Wir legen ein äquidistantes Gitter zugrunde (h = xi+1 − xi ) und erhalten
−
ni+1 − 2ni + ni−1
ni+1 − ni−1
=0
+β
2
h
2h
Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
58
by Bernhard Schmithüsen
Seien nun s− = ni −nh i−1 und s+ =
dienten. Dann erhalten wir
−
ni+1 −ni
h
die (approximierten) Dichtegra-
s+ − s− β
+ (s+ + s− ) = 0
h
2
also
hβ
s+ 1 + 2
=
s− 1 − hβ
2
In Worten:
Die Lösung oszilliert falls |hβ| > 2 !
Die Gleichung stellt also Anforderungen an das Gitter oder die
Diskretisierung!
Für die standard FEM erhalten wir die gleiche Diskretisierung. Die
resultierende Matrix ist keine M-Matrix. Die charakteristische Grösse
P = 2/β heisst mesh peclet number.
1D Scharfetter-Gummel Diskretisierung
Wir betrachten nun ein Interval [xi , xi+1 ] mit der Stromdichte J. Wir
können schreiben
J = −µnφ = µ exp (ϕ) u
wobei u = exp (−φ) die Slotboom-Variable ist. Also ist
u =
J
exp (−ϕ)
µ
Unter der Annahme, dass µ, J konstant sind und ϕ linear ist folgt also
u (xi+1 ) − u (xi )
ϕi+1 − ϕi
=
exp −ϕi − (t − xi )
dt
µ
xi+1 − xi
xi
xi+1
ϕi+1 − ϕi
J
xi+1 − xi
=
−
exp (−ϕi ) exp − (t − xi )
µ
xi+1 − xi
ϕi+1 − ϕi t=xi
J
xi+1 − xi
exp (−ϕi ) [exp (ϕi − ϕi+1 ) − 1] −
=
µ
ϕi+1 − ϕi
Z xi+1
J
4.2 Diskretisierung
59
also haben wir für die konstante Stromdichte J auf dem Interval
J = µ (ui+1 − ui )
exp (ϕi )
ϕi − ϕi+1
xi+1 − xi exp (ϕi − ϕi+1 ) − 1
µ
(ϕi − ϕi+1 ) [exp (−ϕi+1 ) ni+1 − exp (−ϕi ) ni ] ×
xi+1 − xi
exp (ϕi )
×
exp (ϕi − ϕi+1 ) − 1
µ
=
[B (ϕi+1 − ϕi ) ni+1 − B (ϕi − ϕi+1 ) ni ]
xi+1 − xi
=
wobei wir die Bernoulli function B (x) =
x
exp(x)−1
benutzt haben.
Für unser Modellproblem erhalten wir (mit B+ = B(βh), B− =
B(−βh)) die Matrix
tridiag(−B− , B− + B+ , −B+ )
und die Lösung des resultierenden diskreten Systems stimmt mit der
exakten Lösung in den Gitterpunkten überein. Die Matrix ist eine MMatrix, also eine stabile Diskretisierung unseres Modellproblems. Der
Gewinn an Stabilität wird mit einem Verlust an Konsistenz bezahlt, der
sich in der Approximations-Ordnung auswirkt:
Theorem 1 (Miller-Wang, Roos-Stynes-Tobiska)
1
||uh − uI ||MW ≤ Ch 2
wobei die diskrete Norm vom Gitter abhängt. Die Konstante C hängt
von dem singulären Parameter ε ab, das heisst, die Konvergenz ist nicht
gleichmässig.
Neue Diskretisierung von Xu und Zikatanov (1999): FE-ähnliche Diskretisierung mit garantierter Stabilität, Delaunay-Eigenschaft wird durch
andere Gittereigenschaft ersetzt (praktisch meshbar?).
Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
60
by Bernhard Schmithüsen
4.2.5 Die Diskretisierten Gleichungen
Zusammenfassend erhalten wir also die folgenden diskretisierten Gleichungen
si j
∑ εi j di j (ϕ j − ϕi ) − |Bi|(pi − ni +Ci) = 0
(Fϕ )i =
j(i)
si j
∑ {µnij di j (B(ϕi − ϕ j )ni − B(ϕ j − ϕi)n j )} + |Bi|Ri = 0
(Fn )i =
j(i)
si j
∑ {µipj di j (B(ϕ j − ϕi)pi − B(ϕi − ϕ j )p j )} + |Bi|Ri = 0
(Fp )i =
j(i)
Bemerkungen:
- Elementweise Assemblierung
Zur Optimierung des Codes (Parallelisierung, Cache-Memory) will
man elementweise assemblieren. D.h. man muss z.B. schreiben:
(Fn )i =
+
sEij
n
{
{µi j,E (B(ϕi − ϕ j )ni − B(ϕ j − ϕi )n j )} +
di j
E(i)) j(i,E)
|BEi |REi } = 0
∑ ∑
Um die schönen Eigenschaften auch für Delaunay-Gitter zu behalten, ist es zwingend erforderlich, dass die Beweglichkeit µnij,E
nicht wirklich vom Element abhängt, sondern vorher gemittelt
wird. Eine andere Möglichkeit ist die Voronoi-Kompensation vorher
auszuführen (?).
- Integration der Ladungen: Die Integration der Ladungen scheint zu
ungenau (konstante Ladungsdichte per Box). Für die nichtlineare
Poissongleichung (d.h. Quasi-Fermi-Potentiale konstant und nicht
die Ladugsträgerer-Dichten) hat dies allerdings den Vorteil, dass die
resultierende Matrix weiterhin M-Matrix bleibt.
4.3 Gitter
Häufig wird in Praxis der Einfluss des Gitters auf das Simulationsergebnis
unterschätzt. Die Gittereigenschaften werden nicht nur durch technische
und geometrische Anforderungen bestimmt, sondern vor allem durch die
darauf zu lösenden Gleichungen und die benutzte Diskretisierung.
4.3 Gitter
61
4.3.1 Anforderungen an Gitter
Approximation des Gebietes
Akurate Beschreibung der Geometrie (Ränder, Interfaces, etc.)
leichter möglich, wenn Elemente beliebige Formen annehmen
können.
Element-Formen
Tensorproduktgitter für FD, mixed-element meshes für FEM und
BM
Punktdichte
Sollte möglichst gering sein (bestimmt nämlich Grösse der linearen
Gleichungen), aber hinreichend in ”signifikanten” Teilen des Gebietes.
Winkelbedingungen
Mythos ”obtuse angle” in 2D. Aus der numerischen Analysis weiss
man
Theorem 2 Für eine reguläre Familie von Simplex-Gittern (Th )h is
der Diskretisierungsfehler (in der Energie-Norm) einer hinreichend
regulären Lösung von der Ordnung 1
||u − uh|| = O(h)
Daraus leitet man in 2D ein Winkel-Kriterium ab, da die StabilitätsKonstante sich verbessert.
Die technischen Anforderungen sagen noch nichts über die Qualität der
Gitter. Erfahrungstatsachen:
Langsame Variation der Punktdichte, gute Approximation der
Ladungsdichte ρ und Rekombination R, Edges parallel und orthogonal zur Stromdichte.
Gittergeneration ist eine schwierige Aufgabe, wenn man sowohl die
technischen als auch die qualitativen Anforderungen erfüllen will:
OCTREE 1D,2D und 3D.
PARALLEL OFFSETTING Variante von Advancing Front. 2D.
Numerische Methoden für die Simulation von Bauelementen
62
by Bernhard Schmithüsen
Figure 4.3: Octree und Normal-Offsetting Gitter mit Elektronen-Stromdichte
4.3.2 Gitter Adaption
Die Gitter sollten im Idealfall von der Lösung des diskreten Problems
abhängen. Gitter-Adaption ist daher generell wünschenswert, doch muss
man sich klar machen, wozu diese dienen soll und was sie leisten kann.
Goal
Equations
Discretization
Final Mesh
Grid
Adaptation
Criteria
Strategy
Figure 4.4: Komponenten der Gitter-Adaption
Silizium
5
5.1 Bandstruktur
Entstehung von Bändern qualitativ
Die Atomrümpfe eines Kristalls kann man sich in erster Näherung als
Potentialtöpfe vorstellen. Solange Potentialtöpfe hinreichend isoliert
voneinander sind, hat jeder von ihnen eine Serie von diskreten EnergieNiveaus (sh. a)). Bei Annäherung wächst die Wahrscheinlichkeit, dass
Elektronen von einem Topf in die benachbarten Töpfe tunneln können.
Die diskreten Energie-Niveaus spalten auf, bei N Töpfen in N Niveaus
(sh. b)). Bei sehr vielen Töpfen und weiterer Annäherung wird der
a)
b)
bandentstehung.ID.epsi
113 × 57 mm
c)
Abstand zwischen den aufgespaltenen Niveaus sehr klein - es entstehen
Bänder. Diese können zusammenwachsen (sh. c)), wie es bei Metallen der Fall ist. In Halbleitern, wie Silizium, entstehen jedoch Energielücken (“gaps”), weil es zwei Arten von Zuständen gibt - bindende und
antibindende. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit zwischen den Poten63
64
Silizium
a)
Ψ
b)
Ψ
gapentstehung.ID.epsi
110 × 42 mm
Schematische Darstellung der Wellenfunktion Ψ zweier gekoppelter Potentialtöpfe.
Links: antibindender Zustand, rechts: bindender Zustand.
tialtöpfen ist bei bindenden Zuständen besonders gross, während sie bei
antibindenden Zuständen dort sehr klein wird (Knoten der Wellenfunktion). Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit innerhalb der Töpfe ist jedoch
in beiden Fällen ähnlich gross. Bindende Zustände sind für das Zusammenhalten der positiven Ionenrümpfe in Molekülen verantwortlich.
Quantenmechanik: Ultra-Short Course II
Quasiklassische Näherung
Wird die de-Broglie-Wellenlänge klein gegenüber den Abmessungen
des Problems, kann man die quasiklassische Näherung für die Wellenfunktion benutzen (WKB-Näherung, Wentzel-Kramers-Brillouin). Sie
entspricht in der Optik dem Übergang von der Wellenoptik zur geometrischen Optik. Sei ψ(x) Lösung der (hier ein-dimensional betrachteten) Schrödinger-Gleichung
~2
2m
ψ (x) + [E −V (x)]ψ(x) = 0 .
(ψ (x) bedeutet die zweite Ableitung nach x.) ψ(x) wird in der Form
ψ(x) = e ~ σ(x)
i
~
mit σ = σ0 + σ1 +
i
2
~
i
σ2 + ...
(5.1)
geschrieben. Die Reihenentwicklung der Phase nach Potenzen von ~
liefert separate Gleichungen in jeder Ordnung von ~. Wegen ψ =
5.1 Bandstruktur
65
−ψσ 2 /~2 + iψσ /~ geht die Schrödinger-Gleichung in
σ − i~σ = 2m [E −V (x)]
2
(5.2)
über. In der nullten Ordnung verbleibt nur
σ0 = 2m [E −V (x)]
2
mit der Lösung
σ0 (x) = ±
Z x
dx
%
2m [E −V (x )] = ±
Z x
dx p(x ) .
Dabei ist p der klassische Impuls, der mit dem +-Zeichen vor der Wurzel
definiert wird. Diese Näherung ist dann gut, wenn man den zweiten Term
auf der linken Seite von Gleichung (5.2) gegen den ersten vernachlässigen
kann, also wenn ~|σ /σ 2 | 1 gilt. Da in nullter Ordnung σ ≈ σ0 =
p(x) ist, bedeutet die Bedingung
& & &
&
& p & &d −
&
λ
~ && 2 && = && && 1
p
dx
wie man durch differenzieren von −
λ(x) = λ(x)/2π = ~/p(x) sofort sieht.
Die de-Broglie-Wellenlänge darf sich also über Abmessungen von der
Grössenordnung der Wellenlänge selbst nur wenig ändern. In der Ordnung ~1 erhält man
1 ~ i~ 2σ0 σ1 −
σ = 0
2m i
2m 0
σ
σ0 σ1 + 0 = 0 .
2
Auflösung nach σ1 ergibt σ1 = −σ0 /2σ0 = −p /2p, so dass bis auf eine
Konstante
1
σ1 ∼ − ln p .
2
Setzt man σ0 + ~σ1 /i in den Ansatz (5.1) für die Wellenfunktion ein, folgt
C1 i
ψ(x) = √ e ~
p
Rx
p(x )dx + C2 e− ~i
√
p
Rx
p(x )dx .
(5.3)
66
Silizium
√
Das Auftreten von 1/ p bedeutet, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ(x)|2 des Teilchens im Intervall [x, x + dx] umgekehrt proportional zum Impuls p(x) ist. Dies spiegelt das klassische Verhalten wieder,
denn bei einer klassischen Bewegung ist die Zeit, die ein Teilchen in dx
verbringt, umgekehrt proportional zu seiner Geschwindigkeit.
Die Näherungslösung (5.3) kann man auch in Gebieten anwenden, die
klassisch verboten sind, d.h. in denen der Impuls rein imaginär wird. Der
Punkt, der klassisch erlaubtes von klassisch verbotenem Gebiet trennt,
heisst klassischer Umkehrpunkt. Im klassisch verbotenen Gebiet x > x0
V(x)
klassischer
Umkehrpunkt
E
x
umkehrpunkt.ID.epsi
0
63 × 56 mm
x
(genügend weit entfernt vom Umkehrpunkt x0 ) hat die Wellenfunktion
die Gestalt
C
−1
ψ(x) = % e ~
2 |p|
Rx
x0
|p(x )|dx
,
(5.4)
mit neuer Normierungskonstante C. Die quasiklassische Lösung im klassisch erlaubten Gebiet x < x0 (genügend weit entfernt von x0 ) lautet
(Kramers, 1926)
Z x
C
π
1 0
ψ(x) = √ cos
p(x )dx −
.
(5.5)
2 p
~ x
4
Kronig-Penney-Modell (1930)
Wir betrachten jetzt ein ein-dimensionales, periodisches Modellpotential,
das aus einer unendlichen Folge von Quantentöpfen der Breite d besteht,
die durch Potential-Barrieren der Dicke b und der “Höhe” V0 getrennt
sind. Wenn b genügend gross ist, sind die Wellenfunktionen in einem
5.1 Bandstruktur
67
solchen Topf praktisch gleich denjenigen im Potentialtopf mit endlich
hohen aber unendlich dicken Wänden (sh. Kapitel 1). Wegen der Periodizität des Potentials mit der Periode b + d = a können wir die gesuchte
Wellenfunktion für die Bewegung eines Teilchens in diesem Potential als
Fourier-Reihe
(n)
ψk (x) =
∞
A
∑
eikla ψn (x − la)
(5.6)
l=−∞
darstellen. Der Index n kennzeichnet den n-ten Zustand des isolierten
(n)
(n)
Quantentopfs. Offenbar gilt ψk (x + a) = exp(ika)ψk (x), d.h. beim
Durchgang durch eine Periode “sammelt” die Welle eine Phase ka “auf”.
Wir schreiben die beiden Schrödinger-Gleichungen
V(x)
V0
periodpot.ID.epsi
Ψ(x)
88 × 47 mm
-b
0
(n) ψk
d
+
2m
~2
d+b
(n)
[En (k) −V (x)] ψk
ψn +
2m
~2
x
= 0,
[En −V (x)] ψn = 0 ,
(n)
auf, multiplizieren die erste mit ψn , die zweite mit ψk , subtrahieren
gliedweise und integrieren über x in den Grenzen von −b/2 bis d + b/2
d+b/2
Z
dx
(n) (n)
ψk ψn − ψn ψk +
−b/2
2m
(n)
[En (k) − En ] ψk ψn
2
~
=0.
Nach partieller Integration erhält man
[En (k) − En ]
d+b/2
Z
(n)
dx ψk ψn
−b/2
=
~2 2m
(n)
(n) ψn ψk − ψk ψn
d+b/2
−b/2
.
68
Silizium
Für das Integral auf der linken Seite folgt nach Einsetzen von (5.6)
d+b/2
Z
(n)
dx ψk ψn
= A
∞
∑
l=−∞
−b/2
d+b/2
Z
eikla
dx ψn (x)ψn (x − la)
−b/2
!"
≈δl0
≈
A
#
(5.7)
da die Überlappungsbeiträge von den nächsten Nachbarn verschwindend
gering sind und ψn (x) normiert ist (die Beiträge zur Normierung ausserhalb des Intervalls [−b/2, d + b/2] können ebenfalls vernachlässigt werden). Die Energiebänder En (k), zu denen die diskreten Niveaus En verbreitern, nehmen damit die Form
En (k) = En +
~2 2mA
(n)
(n) ψn ψk − ψk ψn
d+b/2
−b/2
an. Bei x = d + b/2 tragen von der Summe (5.6) nur die Glieder mit l = 0
und l = 1 bei, d.h. ψn (d +b/2) und ψn (−b/2) exp(ika), alle anderen sind
verschwindend klein. Somit
(n)
ψk (d + b/2) = A ψn (d + b/2) + ψn (−b/2)eika =
ika
.
= A ψn (d + b/2) 1 ± e
Das +-Zeichen steht, wenn ψn symmetrisch ist, das −-Zeichen für antisymmetrische Zustände des isolierten Potentialtopfes. Bei x = −b/2
tragen von der Summe (5.6) nur die Glieder mit l = 0 und l = −1 bei,
d.h. ψn (−b/2) und ψn (d + b/2) exp(−ika),
(n)
ψk (−b/2) = A ψn (−b/2) + ψn (d + b/2)e−ika =
−ika
.
= A ψn (−b/2) 1 ± e
Für die ersten Ableitungen erhält man
(n) ψk (d + b/2) = A ψn (d + b/2) 1 ∓ eika
(n) ψk (−b/2) = A ψn (−b/2) 1 ∓ e−ika .
5.1 Bandstruktur
69
(Statt ± steht jetzt ∓, da bei Bildung der ersten Ableitung symmetrische
Zustände in antisymmetrische Funktionen übergehen und umgekehrt.)
Nach Einsetzen und Zusammenfassen aller Terme wird En (k)
2 ~2
(5.8)
ψn (d + b/2)ψn (d + b/2) cos(ka) .
m
Um für ψn die oben eingeführten quasiklassischen Näherungen (5.4) benutzen zu dürfen, gelte b ~/|pn |. Wir benötigen noch einen expliziten
Ausdruck für die Normierungskonstante C in (5.4). Da C auch in der
quasiklassischen Lösung im Innern des Potentialtopfes auftritt, kann man
diese zur Bestimmung von C verwenden:
Z d
Z d
Z d
1
π
(i) 2
2
2 1
dx|ψn (x)| = C
dx (i) cos
p (x )dx −
1=
~ x n
4
0
0
pn (x)
En (k) = En ±
Die Beiträge der exponentiell abklingenden Anteile in den BarrierenGebieten sind nach Voraussetzung klein gegen 1 und wurden vernachlässigt. Ausserdem muss für die quasiklassische Näherung im In(i)
nern pn d/~ 1 gelten, d.h. die Wellenfunktion hat dort viele Knoten.
√
(i)
Wegen der Konstanz von pn = 2mEn folgt dann (cos2 kann durch den
Mittelwert 1/2 ersetzt werden)
Z
(i)
(d
−
x)
d
C2 d
p
π
n
≈ C2 (i) ,
1 = (i)
dx cos2
−
~
4
pn 0
2pn
'
(i)
also C = 2pn /d. Wir können nun die Werte von ψ und ψ in der Mitte
der Barriere berechnen:
(
(
) (i)
) (i)
(a)
R
) pn
)
(a)
1 d+b/2
−
− bp2~n ,
dx
p
*
n = * pn
~ d
exp
exp
ψn (d + b/2) =
(a)
(a)
2d pn
2d pn
ψn (d + b/2)
(a)
mit pn =
(a)
= −
pn
~
ψn (d + b/2) ,
%
2m(V0 − En ). Einsetzen in (5.8) ergibt
En (k) = En ∓
~ p(i)
n
(a)
bpn
exp− ~ cos(ka) =
dm
√
2√
E1 En Dn cos(ka) ,
= En ∓
π
(5.9)
70
Silizium
wobei E1 = ~2 π2 /(2md 2) (sh. Kapitel 1) und der Durchgangskoeffizient
für eine Rechteck-Barriere
%
2b
−
2m(V0 − En )
~
Dn = e
benutzt wurde. Die Bandweite ist in dem betrachteten Modell der starken
Lokalisation
√
4√
E 1 E n Dn .
Wn =
π
Da nach Voraussetzung Dn 1 sein muss, sind die Bänder sehr schmal.
E n (k)
En
cos-baender.ID.epsi
50 × 47 mm
π
2a
0
π
2a
E n-1
k
In der Nähe von k = 0 kann man den cos entwickeln:
1
Wn a2 2
En (k) ≈ En ∓ Wn ±
k .
2
4
Ersetzt man den Faktor vor k2 durch ~2 /(2m∗), erhält man eine Dispersionsrelation wie für freie Teilchen, mit dem Unterschied, dass die Masse
m0 durch eine effektive Masse m∗
m∗ =
2 ~2
Wn a2
ersetzt ist. Dieser Relation kann man auch ablesen, dass die Bandweite
umgekehrt proportional zum Quadrat der Periode des Potentials ist. In
Halbleiter-Kristallen entspricht a dem Gitterabstand!
Bandstruktur von Silizium
Silizium kristallisiert in der Diamantstruktur. Die Atome befinden sich
auf den Plätzen zweier ineinander verschachtelter f.c.c.-Gitter (kubischflächenzentriert, face-centered cubic). Fasst man das Zentralatom der
5.1 Bandstruktur
71
schwarz hervorgehobenen tetraedrischen Struktur (bestehend aus fünf
Atomen) mit einem der anderen fünf Atome zusammen, erhält man
die sogenannte Basis des Kristalls. Die Basis ist auf einem einfachen
f.c.c.-Gitter periodisch fortgesetzt. In III-V-Halbleitern, die in dersel-
a=5.43 Å
diamond.ID.epsi
107 × 79 mm
.
ben Struktur kristallisieren (“Zinkblende”), besteht die Basis aus zwei
verschiedenartigen Atomen, z.B. in GaAs aus Ga und As. Den Würfel,
der die schwarz hervorgehobene tetraedrische Struktur enthält, nennt man
primitive Einheitszelle. Es gibt zwei Atome pro primitive Einheitszelle,
da die vier äusseren Atome jeweils von vier Nachbar-Zellen “geteilt” werden. Jedes Si-Atom steuert vier Valenz-Elektronen bei, d.h. es gibt 8
Valenz-Elektronen pro primitive Einheitszelle. Unter Berücksichtigung
der Spin-Entartung ergeben sich also 4 Valenzbänder, die bei T = 0 K
vollständig besetzt sind und die aus bindenden Zuständen aufgebaut sind.
Die antibindenden Zustände bilden die Leitungsbänder. Die untersten
vier Leitungsbänder entstehen aus den sp3 -Hybridorbitalen, die höher
liegenden Leitungsbänder aus höheren Orbitalen.
Der Kristall besteht also ganz allgemein aus einer Basis und dem sogenannten Bravais-Gitter, das im Falle von Silizium ein f.c.c.-Gitter mit
der Gitterkonstanten a = 5.43 Å ist. Das Bravais-Gitter ist eine Menge
72
Silizium
von Punkten {Rl } (Gitter-Vektoren), die durch drei nicht-koplanare
Translationen a1 , a2 und a3 erzeugt werden, welche Vektoren im dreidimensionalen Raum sind
{Rl } = l1 a1 + l2 a2 + l3 a3 .
mit ganzen Zahlen l j . Als a j kann man die primitiven Gittervektoren
a
a
a
a1 = (0, 1, 1) , a2 = (1, 0, 1) , a3 = (1, 1, 0)
2
2
2
wählen. Jede Translation {Rl } überführt den Kristall in sich selbst. Des-
x
abasisvect.ID.epsi
3
69 × 72 mm
a2
a1
y
z
halb muss jede physikalische Grösse f (r) vor und nach der Translation
dieselbe sein
f (r + Rl ) = f (r) ,
(5.10)
d.h. f (r) ist eine auf dem Bravais-Gitter periodische Funktion. Wir
können sie also in eine Fourier-Reihe entwickeln:
Z
1
·
r
iK
h
mit AKh =
d 3 r f (r)e−iKh · r .
f (r) = ∑ AKh e
Ω
0
K
h
Ω0
Als Periodizitätsvolumen nehmen wir das Volumen der primitiven Einheitszelle Ω0 = a1 · [a2 × a3 ]. Man kann aber auch andere Zellen mit
5.1 Bandstruktur
73
demselben Volumen verwenden. Als besonders günstig erweist sich
die sogenannte Wigner-Seitz-Zelle, die dadurch erhalten wird, dass man
alle nächsten Nachbaratome durch Linien (a1 , − a1 , a2 , − a2 , ...)
verbindet und diese mittels senkrecht dazu stehender Ebenen halbiert.
Die geometrische Figur, die von allen diesen Ebenen begrenzt wird, heisst
Wigner-Seitz-Zelle. Unter Benutzung der Translations-Invarianz (5.10)
folgt
f (r + Rl ) = ∑ AKh eiKh · (r + Rl ) = f (r) ,
Kh
und somit
eiKh · Rl = 1 .
Dies kann nur erfüllt werden, wenn Kh · Rl = 2π×(ganze Zahl) gilt. Die
Vektoren Kh , die diese Bedingung erfüllen, heissen reziproke Gittervektoren. Man kann sie in einer Basis {b1 , b2 , b3 } des reziproken Gitters
darstellen:
Kh = h1 b1 + h2 b2 + h3 b3 .
Z.B. kann man reziproke primitive Gittervektoren (ai ·b j = 2πδi j ) als eine
solche Basis nehmen
b1 =
2π
2π
2π
(1̄, 1, 1) , b2 = (1, 1̄, 1) , b3 = (1, 1, 1̄) ,
a
a
a
wobei der Strich einfach “minus” bedeutet. Die Menge aller Kh erzeugt
das sogenannte reziproke Kristall-Gitter, das zum Kristall-Gitter komplementär ist. Kubische Gitter haben reziproke kubische Gitter. Aber, man
beachte, dass das reziproke Gitter eines f.c.c.-Gitters ein kubisch raumzentriertes Gitter (b.c.c., body-centered cubic) ist. Auch im reziproken
Gitter erweist es sich als günstig, die primitive Zelle als Wigner-SeitzZelle zu wählen. Die Konstruktionsvorschrift bleibt die gleiche. Man
konstruiert also die Wigner-Seitz-Zelle des b.c.c.-Gitters, d.h. des zum
f.c.c.-Gitter komplementären reziproken Gitters mit dem reziproken Gittervektor Kh = 0 als Ursprung. Diese Zelle hat den Namen 1. Brillouin
Zone (abgekürzt 1. BZ). Ihre geometrische Gestalt ist ein “gekappter”
Oktaeder (sh. Abb.). Die praktische Bedeutung der 1. BZ folgt aus der
Tatsache, dass in ihr alle Energiebänder Eν (k) stetige Funktionen sind.
Nur an den Rändern können Unstetigkeiten auftreten. Die Ränder sind
mit den sogenannten Braggschen Reflexionsebenen identisch. Um das
einzusehen, betrachten wir das Kristall-Potential V (r) als Störung zur
74
Silizium
Kz
W
X
U
K
W
L
U
Kx
Γ
brillzone.ID.epsi
93 × 85 mm
X
W
K
Ky
1. BZ des f.c.c.-Gitters mit symmetrischen Punkten. Der hervorgehobene Bereich ist
der irreduzible Teil der BZ (1/48), der für die Berechnung der Bandstruktur relevant ist.
freien Bewegung der Elektronen. Da V (r) periodisch ist, kann man es in
eine Fourier-Reihe entwickeln:
V (r) = ∑ BKh eiKh · r .
h
Das Übergangs-Matrixelement muss man mit ebenen Wellen bilden (die
ungestörten Zustände, freie Elektronen!), so dass
k |V (r)|k = ∑ BKh δk −k, Kh .
h
Es verschwindet, ausser für
k = k + Kh .
(5.11)
Die Stösse der leichten Elektronen mit dem schweren Kristall-Gitter sind
elastisch: |k | = |k|. Quadriert man (5.11), erhält man
−2 k · Kh = |Kh |2 .
(5.12)
5.1 Bandstruktur
75
Das ist genau die Bedingung für Bragg-Reflexion. In den Lehrbüchern
zur Halbleiter-Theorie wird üblicherweise die (entartete) Störungstheorie
explizit durchgeführt und damit das Aufreissen von Energielücken an den
Bragg-Ebenen demonstriert (sh. z.B. Enderlein/Schenk Seite 81 ff.). Wir
haben stattdessen an obigem Beispiel die Entstehung von Bändern plausibel gemacht. In diesem Beispiel sind die Energielücken von vornherein
vorhanden, und zwar durch den Abstand der diskreten Energie-Niveaus
des isolierten Potentialtopfes.
Eine wichtige Folge der Translationssymmetrie des Kristalls ist die
Periodizität der Energie
E(k + Kh ) = E(k)
(5.13)
ψν,k (r) = ψν,k+Kh (r) .
(5.14)
und der Wellenfunktionen
Der Impuls der Elektronen ist im Kristall keine Erhaltungsgrösse, wie
man aus (5.11) ersieht. Aber alle Impulse k + Kh und damit alle Wellenfunktionen mit Wellenvektoren k + Kh sind äquivalent. Deshalb kann
man sich bei der Berechnung physikalischer Grössen auf die 1. BZ
beschränken. Liegt k ausserhalb der 1. BZ, findet man immer einen
reziproken Gittervektor Kh , der k in die 1. BZ verschiebt (“falten”). Man
bezeichnet k auch als Quasiwellenvektor.
Die Translationssymmetrie ist jedoch nicht die einzige Symmetrie
des f.c.c.-Gitters. Als Punktgruppe des Kristalls bezeichnet man die
Menge aller geometrischen Operationen (Drehungen, Spiegelungen), die
das direkte Gitter (und damit auch das reziproke Gitter) in sich selbst
überführen. 48 solcher Operationen bilden einen Würfel in sich selbst
ab. Die entsprechende Gruppe nennt man Oh . Ohne Inversion verbleiben
24 Operationen, die die Gruppe Td bilden (die Basis ist nur gegen diese
Untergruppe invariant).
Die k-Vektoren der 1. BZ kann man in Punkte in symmetrischer Lage
und Punkte in allgemeiner Lage einteilen. k ist in symmetrischer Lage,
wenn es ausser der Translation noch ein Element α der Punktgruppe Oh
gibt, das k in einen dazu äquivalenten Vektor überführt. (Äquivalenz
bedeutet Gleichheit bis auf einen additiven reziproken Gittervektor Kh .)
Andernfalls ist k in allgemeiner Lage. Wendet man die Elemente der
Punktgruppe auf einen Vektor k der 1. BZ an, dann bilden alle αk, die
nicht äquivalent zu k sind, den sogenannten Stern von k. Ist k in allgemeiner Lage, hat der Stern soviel “Zacken”, wie die Punktgruppe Elemente hat. Ist k in symmetrischer Lage, so ist die Anzahl der Zacken nur
76
Silizium
ein Bruchteil der Ordnung der Punktgruppe. (Z.B. hat der Mittelpunkt der
1. BZ, der Punkt mit der höchsten Symmetrie überhaupt, nur noch eine
Sternzacke.) Alle k-Vektoren, die die gleiche Symmetrie haben, also von
den gleichen α invariant gelassen werden, bilden ein Symmetrieelement
in der 1. BZ. Für die Diamantstruktur gibt es 4 Symmetriepunkte (Γ; X;
L; W), 5 Symmetriegeraden und 2 Symmetrieebenen.
Die Punktsymmetrie des Kristalls überträgt sich unmittelbar auf die
Bandstruktur:
Eν (k) = Eν (αk) .
(5.15)
Diese Form der Entartung nennt man Sternentartung. Wegen der
Sternentartung genügt die Kenntnis der Energieband-Funktionen Eν (k)
in einem Ausschnitt der 1. BZ, der den Raum zwischen benachbarten
Sternzacken ausfüllt (der in der Abb. hervorgehobene Bereich). Man
bezeichnet einen solchen Ausschnitt als irreduziblen Bestandteil der 1.
BZ. Alle inneren Punkte und die meisten Randpunkte sind k-Vektoren
in allgemeiner Lage, also mit 48 Sternzacken. Deshalb ist dieses Gebiet
1/48 der 1. BZ. Die Energie-Eigenwerte über dem Rest der 1. BZ erhält
man durch symmetrische Fortsetzung der Werte über dem irreduziblen
Bestandteil mit Hilfe der Gleichung (5.15).
Eine weitere Form der Entartung ist die symmetrie-bedingte Bandentartung. Gilt nämlich für bestimmte k-Vektoren, dass αk äquivalent
ist und dass die zugehörigen Eigenfunktionen im Band ν, ψν,k (r) und
ψν,k (α−1 r), linear unabhängig sind, so laufen an der Stelle k zwei
Bänder zusammen. Für Punkte in allgemeiner Lage kann eine solche
symmetrie-bedingte Bandentartung nicht auftreten. Den Grad möglicher
Bandentartungen in Symmetriepunkten und auf Symmetriegeraden kann
man mittels gruppentheoretischer Methoden bestimmen (was hier zu weit
gehen würde). Nachstehend sind für die Punkte Γ, X und L die möglichen
Entartungen aufgeführt.
X-Punkt:
L-Punkt:
Γ-Punkt:
3-, 2-, 1-fache
nur 2-fache 2-, 1-fache
L3 , L3 = 2-fach
Γ15 , Γ25 = 3-fach
Γ2 = 1-fach
L1 = 1-fach
Eine nicht durch die Symmetrie bedingte, wie man sagt “zufällige” Entartung, ist die Bandüberlappung. Ein Beispiel ist die Überschneidung der
obersten drei Leitungsbänder auf der ∆-Geraden.
Wie man der dargestellten Bandstruktur entnimmt, ist Silizium ein
indirekter Halbleiter. Das Minimum des untersten Leitungsbandes in
[100]-Richtung (Γ → X) liegt bei 0.85 |ΓX|. Das Maximum der obersten Valenzbänder liegt bei Γ. Der Wert der indirekten Energielücke (das
5.1 Bandstruktur
|
|
|
6.0
77
L3
Γ2
|
Γ15
Γ15
|
2.0 L1
|
Γ25’
X1
Sibandst.ID.epsi
99 × 71 mm
Γ25’
|
0.0
|
L3’
-2.0
|
-4.0
|
|
Energy (eV)
Γ2’
|
4.0
X4
|
|
∆1
L
Λ
Γ
∆
X
K
Σ
Γ
Wave Vector k
Bandstruktur von Silizium berechnet mit empirischem nicht-lokalen Pseudopotential
(Chelikowsky und Cohen, 1974).
“fundamentale gap”) beträgt bei Raumtemperatur Eg = 1.12 eV . Wegen
der Spin-Bahn-Wechselwirkung wird die zweifache Entartung der beiden
obersten Valenzbänder bei Γ in Wirklichkeit aufgehoben. Ein Band, das
sogenannte split-off band, spaltet nach unten ab. Sein Extremum hat den
Wert Eso (Γ) = −0.044 eV . Deshalb wird es oft vernachlässigt und nur
die beiden Bänder der leichten und schweren Löcher, die bei Γ zusammenlaufen, werden bei Berechnungen mit einbezogen. Für viele Anwendungen, bei denen nur kleine k in der Nähe der Bandextrema eine Rolle
spielen, genügt es, Ec (k) und Elh,hh (k) quadratisch zu entwickeln. Da
der lineare Term an den Extrema natürlich verschwindet, erhält man eine
Dispersionsrelation wie für freie Elektronen, mit dem Unterschied, dass
man andere Massen, sogenannte effektive Massen einführen muss, um die
Krümmung der Bänder in der Nähe der Extrema richtig zu reproduzieren.
Die Wirkung des komplizierten periodischen Kristall-Potentials ist dann
nur noch über diese effektiven Massen parametrisiert.
Die Bandstruktur Eν (k) kann man auch dadurch graphisch darstellen,
dass man Flächen Eν (k) = const im k-Raum, bzw. deren Schnittkurven mit bestimmten Ebenen konstruiert. In der Abbildung sind
die Isoenergie-Flächen Ec (k) = const (rechts) und Elh,hh (k) = const
(links) in Effektivmassen-Näherung veranschaulicht. Für die Löcher
ergeben sich in Wahrheit keine Kugeln, sondern (wegen der Spin-Bahn-
78
Silizium
Ec = Eg +
h2 (k -k )2 + h2 (k -k )2
2m l 0
2m t 0⊥ ⊥
Kz
=
h2 k 2
2m lh,hh
=
E lh,hh = -
Kz
effmass.ID.epsi
121 × 63 mm
Kx
Kx
Ky
Ky
.
Kopplung) “warped surfaces”. Die Kugeln sind also Approximationen
mit richtungsgemittelten effektiven Massen. Man findet mhh ≈ 0.5 m0 und
mlh ≈ 0.17 m0. Die Isoenergie-Flächen der Elektronen sind Rotationsellipsoide. Man bezeichnet sie auch als Täler. Wegen der Sternentartung
der Symmetriegeraden ∆ sind auf allen sechs Zacken dieses Sterns Minima vorhanden, es gibt also sechs äquivalente Täler. Deshalb nennt man
Silizium auch einen Vieltal-Halbleiter. Die sogenannte longitudinale effektive Masse (parallel zu den Hauptachsen) hat den Wert ml ≈ 0.92 m0 ,
während die sogenannte transversale effektive Masse (senkrecht zu den
Hauptachsen) den Wert mt ≈ 0.19 m0 hat. Dies erscheint verwunderlich, denn Silizium muss als kubischer Kristall eine isotrope (Ohmsche)
Leitfähigkeit haben. Die Lösung ist, dass der Mittelwert über alle sechs
Täler eine isotrope Leitfähigkeitsmasse
1
1
=
mσ 3
ergibt.
2
1
+
ml mt
5.2 Zustandsdichte
79
5.2 Zustandsdichte
Die stationären Wellenfunktionen der Kristall-Elektronen haben folgende
Form (Bloch-Theorem, Beweis in Lehrbüchern):
1
ψν,k (r) = √ eikr uν,k (r)
Ω
Bloch − Funktionen .
(5.16)
Sie sind in einem Grundgebiet Ω normiert und stellen modulierte ebene
Wellen dar. Der Modulationsfaktor heisst Bloch-Faktor und ist eine gitterperiodische Funktion: uν,k (r) = uν,k (r + Rl ). Wir stellen jetzt periodische Randbedingungen mit Ω als Periodizitätsvolumen (Born-von
Karmansche Randbedingungen). Dazu wählen wir Ω = G3 Ω0 , wobei
Ω0 = a1 · [a2 × a3 ] das Volumen der primitiven Einheitszelle und G eine
grosse ganze Zahl ist. Periodische Randbedingung bzgl. des Grundgebietes Ω bedeutet nun, dass sich eine Grösse nicht ändert, wenn man vom
Punkt r zum Punkt r + Ga j geht. Da ein Vektor im k-Raum mittels der
reziproken Gittervektoren bm dargestellt werden kann (k = ∑m km bm ),
wird die periodische Randbedingung von den Bloch-Funktionen genau
dann erfüllt, wenn
km =
1
lm , m = 1, 2, 3, ... ,
G
lm = ganze Zahl .
(5.17)
Wegen der Gitterperiodizität des Bloch-Faktors ist nämlich
ψν,k (r) = ψν,k (r + Ga j ) genau dann, wenn eikGa j = 1 .
Dass der Phasenfaktor tatsächlich 1 ist, kann man leicht überprüfen:
eikGa j = ei ∑m km bm Ga j = ei ∑m lm bm a j =
= ei ∑m lm 2πδ jm = ei2πl j = 1 .
Die neuen Basisvektoren im k-Raum bm /G, mit denen jeder k-Vektor
als k = ∑m lm bm /G dargestellt wird (lm ganze Zahl), bilden ein feinmaschiges Gitter (sh. Abbildung). Durch die periodische Randbedingung
wird der k-Raum also diskretisiert. Der Vorteil dieser Prozedur wird im
folgenden klar werden.
Die Abzählung der erlaubten elektronischen Zustände kann nun
dadurch erfolgen, dass man über alle Bänder ν und alle Maschen innerhalb der 1. Brillouin-Zone summiert. Hinzu kommt ein Faktor 2 von der
Spin-Entartung (jeder Zustand kann zweifach besetzt werden, mit einem
80
Silizium
b2
feinmasch.ID.epsi
69 × 51 mm
1
b
G 2
1
b
G 1
b1
Elektron “spin-up” | ↑ und einem Elektron “spin-down” | ↓ .) Für die
mittlere Elektronenzahl im Grundgebiet ergibt sich daher
N = 2∑
∑
ν k∈1.BZ
mit der Fermi-Dirac-Verteilung
fν (k) =
fν (k)
(5.18)
−1
Eν (k)−EF
1 + e kB T
.
(5.19)
Die totale Elektronen-Dichte erhält man durch Division mit dem Volumen
Ω des Grundgebietes. Da das Volumen der 1. BZ gleich 8π3 /Ω0 beträgt,
ist das Volumen einer feinmaschigen Zelle gleich 8π3 /Ω. Die Zahl G ist
sehr gross, also darf man die Summation durch eine Integration ersetzen:
Z
d 3k =
8π3
Ω ∑
k
(5.20)
(man vergleiche z.B. den
R Übergang von der Riemann-Summe zum
Riemann-Integral in 1D: dx f (x) ← ∑l (∆x)l f (xl )).
ntotal
2
N
1
= = ∑ ∑ fν (k) = 3 ∑
Ω Ω ν k∈1.BZ
4π ν
Z
d 3 k fν (k) .
(5.21)
k∈1.BZ
Schreibt man stattdessen
ntotal =
Z ∞
−∞
dE D(E) f (E) ,
(5.22)
5.2 Zustandsdichte
81
dann definiert der Vergleich der letzten beiden Formeln die energetische
Zustandsdichte D(E):
1
D(E) = 3 ∑
4π ν
Z
d 3 k δ (E − Eν (k)) .
(5.23)
k∈1.BZ
Ein Summand der ν-Summe heisst partielle Zustandsdichte des ν-ten
Bandes.
Beispiel: parabolisches, isotropes Leitungsband
Die Dispersionsrelation für diesen einfachsten Fall lautet Ec (k) =
~2 k2 /(2mc ) und ist bis auf die effektive Masse mc identisch wie für freie
Elektronen. Einsetzen in (5.23) ergibt
Z
~2 k2
1
3
d kδ E −
.
Dc (E) = 3
4π
2mc
k∈1.BZ
Da das Bandmodell nur für kleine Energien sinnvoll ist (zu denen kleine
maximale k gehören), kann die δ-Funktion bereits für kleine k innerhalb
der 1. BZ erfüllt werden. Dc (E) gilt am Ende natürlich nur für kleine
E. Man kann dann die Integration ins Unendliche erstrecken und Dc (E)
sofort ausrechnen:
3 Z∞
Z∞
√
1
1
2mc 2
~2 k2
2
dε ε δ(E − ε)
= 2
Dc (E) = 2 dk k δ E −
2
π
2mc
2π
~
0
0
3/2
√
2mc
1
Dc (E) =
E Θ(E) .
(5.24)
2π2 ~2
Im Silizium ist folgende Modifikation zu machen:
1/2 def 3/2
3/2
= mdn für ein Tal .
mc → mt2 ml
Nimmt man den Faktor 6 für die sechs äquivalenten Täler hinzu, dann
3/2
def 3/2
3/2
2/3
= m̃dn für sechs Täler .
mdn → 6 mdn
Zahlenwerte: mdn ≈ 0.32 m0 und m̃dn ≈ 1.06 m0 . Wie gut (bzw. schlecht)
das Zustandsdichte-Modell (5.24) die realistische Zustandsdichte (engl.:
DOS, density of states) von Silizium beschreibt, kann der Abbildung entnommen werden.
82
Silizium
alpha=0.5
0.04
3
DOS (1/(eV*A ))
0.05
0.03
full band
DOSnew.eps
91 × 71 mm
0.02
parabolic
0.01
0.00
0.0
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
6.0
Electron Energy (eV)
Zustandsdichte von Silizium berechnet mit realistischer Bandstruktur (“full band”),
in der parabolischen Näherung (5.24) mit mc = mdn (“parabolic”) und in nichtparabolischer Näherung Ec (k)[1 + αEc(k)] = ~2 k2 /(2mdn ) mit α = 0.5/eV.
5.3 Fermi-Dirac-Verteilung∗
5.3.1 System mit konstanter Teilchenzahl (“kanonische Verteilung”)
Medium
E’
dΓ’
Körper
E
dΓ
bath.ID.epsi
85 × 53 mm
Gesamtsystem
(0)
E
dΓ (0) = dΓ’ dΓ
Wir betrachten ein abgeschlossenes System mit der Energie E (0)
(Gesamtsystem). Das Gesamtsystem sei in zwei Teilsysteme aufge-
5.3 Fermi-Dirac-Verteilung∗
83
spalten: Körper und Medium (oder “Bad”). Der Körper muss im Vergleich zum Gesamtsystem sehr klein aber immer noch makroskopisch
gross sein. Die gesamte innere Energie E (0) ist die Summe aus Energie
des Mediums E und Energie des Körpers E, da die WechselwirkungsEnergie sehr klein gegenüber E ist. Letzteres folgt daraus, dass nur
Teilchen in der Nähe der Oberfläche des Körpers mit dem Bad wechselwirken und deren relative Zahl im Vergleich zur Zahl aller Teilchen
des Körpers sehr klein ist (Körper ist makroskopisch gross!). Natürlich
ist andererseits die Wechselwirkung die Ursache und Bedingung dafür,
dass Körper und Bad ins statistische Gleichgewicht kommen können.
dΓ(0) sei die Zahl der Quantenzustände des Gesamtsystems, die zu einem
bestimmten infinitesimalen Energie-Intervall dE (0) gehören.
dw(0) sei die Wahrscheinlichkeit, das Gesamtsystem in irgendeinem der
dΓ(0) Zustände zu finden.
Diese Wahrscheinlichkeit ist proportional zur Zahl aller möglichen
Zustände des Gesamtsystems
dw(0) = const · δ(E + E − E (0) ) dΓ(0)
= const · δ(E + E − E (0) ) dΓ dΓ .
(dw(0) heisst mikrokanonische Verteilung). Die δ-Funktion drückt
dabei die Energieerhaltung aus (Summe der Energien von Körper und
Medium muss gleich der Gesamtenergie sein). Die Zahl der möglichen
Zustände des Gesamtsystems ist natürlich gleich dem Produkt von Zahl
der möglichen Zustände des Körpers und Zahl der möglichen Zustände
des Bades. Diese statistische Unabhängigkeit folgt wiederum aus der
begründeten Annahme der schwachen Wechselwirkung zwischen Körper
und Bad.
Man fragt nun nach der Wahrscheinlichkeit dwn für denjenigen Zustand des Gesamtsystems, bei dem sich der Körper in einem bestimmten
(mikroskopischen) Quantenzustand mit der Energie En befindet (also
muss dΓ = 1 gesetzt werden):
dwn = const · δ(En + E − E (0) ) dΓ .
Die totale Wahrscheinlichkeit für die Realisierung des Zustandes, in dem
der Körper die Energie En hat, erhält man durch Integration über alle
mikroskopischen Zustände des Bades dΓ , die die Energieerhaltung nicht
84
Silizium
verletzen:
wn = const ·
= const ·
Z
Z
δ(En + E − E (0) ) dΓ =
δ(En + E − E (0) )
dΓ !
dE = wn (En ) . (5.25)
dE Der nächste Schritt ist die Berechnung von dΓ /dE . Dazu bezeichnen
wir mit Γ (E ) die Zahl der Quantenzustände des Mediums, deren Energie
kleiner oder gleich E ist. Dann kann man die Zahl der Zustände des
Mediums mit Energien zwischen E und E + dE in der Form
dΓ =
dΓ (E ) dE
dE schreiben. Um nun die Wahrscheinlichkeit W (E )dE dafür zu erhalten,
dass die Energie des Mediums im Intervall [E , E + dE ] liegt, muss man
die Wahrscheinlichkeit w(E ) für die Realisierung eines bestimmten Zustands des Mediums mit der Energie E mit der Zahl der Quantenzustände
multiplizieren, deren Energie in diesem Intervall liegt:
W (E )dE = w(E )dΓ = w(E )
W (E ) =
dΓ (E )
w(E ) .
dE
dΓ (E ) dE ,
dE (5.26)
W (E ) hat ein extrem scharfes Maximum beim Mittelwert E wegen der
riesengrossen Teilchenzahl im Bad. (Ganz allgemein gilt
'
(E − E )2
1
∼√
E
N
für die relative Fluktuation der Energie E . Beispiel: Die Wahrscheinlichkeit für eine relative Abweichung von 10−6 der Energie eines Hun15
dertstel Mols irgendeines Gases beträgt 10−3×10 .)
Die Verteilung W (E ) ist normiert. Die Normierungsbedingung lautet
Z
W (E )dE = 1 .
Man ersetzt die Kurve
W (E ) durch ein Rechteck mit der Breite ∆E
und der Höhe W E . Wegen der Normierungsbedingung muss ∆E =
5.3 Fermi-Dirac-Verteilung∗
85
1/W E gelten. Anwendung auf (5.26) ergibt
dΓ (E ) W E ∆E =
∆E w(E ) = ∆Γ w(E ) = 1 .
dE ∆Γ ist die Zahl der Quantenzustände des Bades, die dem EnergieIntervall ∆E entspricht. Diese Grösse charakterisiert den “Grad der Verschmierung” des makroskopischen Zustandes des Mediums über seine
mikroskopischen Zustände. Man sagt auch statistisches Gewicht des
makroskopischen Zustandes dazu. Seinen Logarithmus nennt man Entropie
S = kB ln ∆Γ .
(5.27)
Wegen der ungeheuren Schärfe der Verteilung W (E ) kann man
dΓ
∆Γ
exp [S (E )/kB ]
≈
=
dE ∆E ∆E ersetzen. Nach Einsetzen in Gleichung (5.25) erhält man
Z
exp [S (E )/kB ] wn (En ) = const · δ(En + E − E )
dE
∆E 0
exp S (E − En )/kB
= const ·
∆E |E =E 0 −En
(0)
Da der Körper nach Voraussetzung klein gegen das Medium ist (also auch
En E 0 ), kann man im Nenner En vernachlässigen und im Zähler die
Taylor-Entwicklung
S (E 0 − En ) ≈ S (E 0 ) −
dS
En
dE (0)
anwenden. Somit ergibt sich
dS En
.
wn (En ) = A exp − (0)
dE kB
(5.28)
An dieser Stelle wird die Thermodynamik ins Spiel gebracht. Aus ihr ist
bekannt, dass
dE = T dS − P dV + µc dN
(5.29)
86
Silizium
gilt. Im hier vorliegenden Fall ist dV = dN = 0, also dS/dE = 1/T
im Körper wie im Medium wegen der Voraussetzung des thermodynamischen Gleichgewichts. Damit erhält man endgültig die Gibbssche
Verteilung (oder kanonische Verteilung) (Gibbs, 1901)
En
wn (En ) = A exp −
.
(5.30)
kB T
Die Normierungskonstante folgt aus ∑n wn = 1. Gleichung (5.30) gibt die
Wahrscheinlichkeit dafür an, dass ein Körper die Energie En hat, wenn er
sich im thermodynamischen Gleichgewicht mit einem Medium befindet,
das die Temperatur T hat.
5.3.2 System mit
Verteilung”)
variabler
Teilchenzahl
(“grosskanonische
N (0) sei die Zahl der Teilchen im Gesamtsystem, N die Zahl der Teilchen
im Medium und N die Zahl der Teilchen im Körper. Zwischen Körper
und Medium können Teilchen ausgetauscht werden. Die durch den
Teilchen-Austausch bedingten Fluktuationen von N und N sind wegen
der grossen Teilchenzahlen (makroskopische Systeme!) im selben Sinne
klein wie die Fluktuationen der Energie (sh. (5.3.1)). Was ändert sich an
der obigen Ableitung?
• Die Wahrscheinlichkeits-Verteilung wn verallgemeinert sich zu
wn → wnN = const · exp S E (0) − EnN , N (0) − N .
wnN ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Körper N Teilchen enthält
und sich im n-ten Zustand befindet. Die Energien EnN des Körpers
hängen jetzt natürlich von der Teilchenzahl N im Körper ab.
• Die Taylor-Entwicklung der Entropie bzgl. der kleinen Grössen EnN
und N ergibt jetzt
E
µc N
nN
+
.
S E (0) − EnN , N (0) − N ≈ S E (0) , N (0) −
T
T
Dabei fallen die chemischen Potentiale (wie die Temperaturen) des
Körpers und des Mediums wegen der Gleichgewichtsbedingungen
zusammen.
5.3 Fermi-Dirac-Verteilung∗
87
Damit erhält man die grosskanonische Verteilung
c
µ N − En
.
wnN = A exp
kB T
(5.31)
Die Normierungskonstante folgt aus ∑ wnN = 1.
nN
5.3.3 Fermi-Dirac-Verteilung
Teilchenzahl N und Energie EnN des Körpers werden in der sogenannten
Besetzungszahl-Darstellung aufgeschrieben:
N=
∞
(nN)
∑ nl
,
EnN =
l=0
∞
(nN)
∑ nl
εl .
l=0
(nN)
nl
gibt die Zahl der Teilchen an, die einen Einteilchen-Zustand |ψl >
mit der Energie εl besetzen. Der Wertevorrat der Besetzungszahlen unterscheidet Fermionen von Bosonen
(nN)
∈ (0, 1, 2, 3, ...) ,
(nN)
∈ (0, 1) .
Bosonen :
nl
Fermionen :
nl
Fermionen haben halbzahligen Spin, Bosonen ganzzahligen. Die
Vielteilchen-Wellenfunktion der Fermionen ändert ihr Vorzeichen, wenn
zwei Teilchen vertauscht werden, die der Bosonen nicht. Unter Verwendung der grosskanonischen Verteilung (5.31) erhält man für die mittlere
Zahl von Teilchen im Körper
N = ∑ wnN N =
nN
∞
(nN)
∑ ∑ wnN nl
l=0 nN
=
∞
∑ nl .
l=0
Der letzte Schritt, d.h. die Einführung der mittleren Besetzungszahl n̄l ,
ist nichttrivial, bedeutet er doch, dass jetzt u.U. ein einziges Teilchen die
Rolle des Körpers übernimmt. Bei der Ableitung der Gibbs-Verteilung
wurde gefordert, dass der Körper immer noch makroskopisch gross sein
muss, um zu garantieren, dass die Wechselwirkung zwischen Körper und
Bad vernachlässigbar ist (Quasi-Abgeschlossenheit des Körpers). Die
Quasi-Abgeschlossenheit eines einzelnen Teilchens ergibt sich hier aus
der Voraussetzung, dass die direkte dynamische Wechselwirkung zwischen den Teilchen vernachlässigbar klein gegen die Einteilchen-Energien
εl ist. Die Ausnahme ist die Austausch-Wechselwirkung, die bei höheren
88
Silizium
Dichten zu einer anderen Statistik (Fermi-Statistik) führt. Sie ist jedoch
nur für Teilchen in ein und demselben Zustand wichtig. Nur wenn die direkte dynamische Wechselwirkung vernachlässigbar bleibt, ist die Energie EnN die einfache Summe der Einteilchen-Energien. Gase, bei denen die Wechselwirkung zwischen den Molekülen vernachlässigt werden
kann, nennt man ideale Gase. Wir betrachten also hier ideale (Quanten-)
Gase. (Wie im Falle makroskopischer Körper darf natürlich die Wechselwirkung nicht völlig fehlen, da sich sonst kein Gleichgewicht zwischen
den Teilchen einstellen könnte.)
Die mittlere Besetzungszahl wird explizit
c
n
exp µ N−E
kB T
c
µ N−E
∑ exp kB T n
(nN)
nl =
(nN)
∑ wnN nl
=
∑ nl
nN
nN
=
(nN)
∑ nl exp
nN
∑ exp
nN
nN
∞
∑
l=0
∞
∑
l=0
(µc −εl )
nnN
l
kB T
(µc −εl )
nnN
l
kB T
=
(nN)
∑ nl ∏
nN
k
µc −ε n(nN)
k
k
e kB T
µc −ε n(nN)
k
k
∑ ∏ e kB T
.
nN k
Den Nenner nennt man grosse Zustandssumme Z , aus der man nl generieren kann:
n̄l = Z
−1
∑
µc −ε n(nN) µc −ε n(nN)
l
k
l
k
=
e kB T
∏ e kB T
(nN)
nl
k=l
nN
µc −ε n(nN)
k
k
∂
−1
e kB T
=
= Z (−kB T )
∑
∏
∂εl nN k
= Z −1 (−kB T )
∂
∂
Z = − kB T
ln Z
∂εl
∂εl
Für Elektronen und Löcher ist
∑=
nN
1
∑
(nN) (nN)
n1 ,n2 ,...=0
(5.32)
5.4 Ladungsträgerdichten
89
wegen des Pauli-Prinzips. Die grosse Zustandssumme wird dann
µc −ε n(nN)
k
k
Z = ∑ ∏ e kB T
=
(nN)
∑ ∏ Bnk
nN k
1
∑
=
(nN)
(nN) (nN)
n1 ,n2 ,...=0
∏ Bnk
=
nN k
= (1 + B1 ) (1 + B2 ) · · · (1 + Bl ) · · · =
k
µc −εk
= ∏ (1 + Bk ) = ∏ 1 + e kB T
∞
∞
k
∞
k
µc −εk
ln Z = ∑ ln 1 + e kB T
(5.33)
k=0
und schliesslich mit (5.32) (Fermi, Dirac, 1926)
nl =
1
1+e
εl −µc
kB T
.
(5.34)
nl kann nur Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wie es wegen des PauliPrinzips sein muss.
Im Falle der Nichtentartung, nl 1, geht die Fermi-Dirac-Verteilung
in die Boltzmann-Verteilung über. Dazu muss offenbar εl > µc und |εl −
µc | kB T gelten.
nl = e
µc −εl
kB T
wenn nl 1 .
(5.35)
In der Bauelemente-Physik benutzt man folgende Bezeichnungen: εl →
E, nl → f (E), µc → EF und nennt EF Fermi-Niveau.
f (E) =
1
1+e
E−EF
kB T
.
(5.36)
5.4 Ladungsträgerdichten
A) Intrinsisches Silizium
Wir definieren Ev (k = 0) als Energie-Nullpunkt. Eg ist die Energie des
90
Silizium
distribution function
1.5
T=1K
T=77K
T=300K
T=700K
Boltzmann 300K
1.0
fermifunc.eps
86 × 72 mm
0.5
0.0
−0.2
−0.1
0.0
0.1
energy E − EF (eV)
0.2
Die linierten Kurven zeigen die Fermi-Dirac-Verteilung für vier verschiedene Temperaturen als Funktion von E − EF . Zum Vergleich ist die Boltzmann-Verteilung bei 300 K
dargestellt. Der Unterschied zur Fermi-Verteilung verschwindet mit wachsender Energie und ist bei E − EF ≈ 2kB T bereits vernachlässigbar.
indirekten gaps. Nach den Vorbereitungen der vorangegangenen Abschnitte können wir jetzt die Gleichgewichts-Dichten der Elektronen und
Löcher hinschreiben:
1
n =
2π2
1
p =
2π2
3/2
2m̃dn
dE
~2
3/2
2m̃d p
%
E − Eg
3/2 Z∞
Eg
E−EF
1 + e kB T
√
3/2 Z0
~2
dE
−∞
−E
EF −E
1 + e kB T
Elektronendichte (5.37)
Löcherdichte
(5.38)
3/2
mit m̃d p = m̃d,lh + m̃d,hh . Beide Ausdrücke enthalten ein Fermi-Integral
F1/2
2
F1/2 (η) = √
π
Z∞
0
x1/2
dx x − η
.
e
+1
(5.39)
5.4 Ladungsträgerdichten
91
Deshalb kann man die Dichten auch in der Form
EF − Eg
−EF
n = Nc F1/2
, p = Nv F1/2
kB T
kB T
(5.40)
schreiben. Die Vorfaktoren nennt man effektive Zustandsdichten des
Leitungs- und Valenzbandes:
3/2 m̃dn,p kB T 3/2
T 3/2 −3
19 m̃dn,p
= 2.541 × 10
cm .
Nc,v = 2
2π~2
m0
300
Im Falle der “Nichtentartung”, d.h. wenn Eg − EF kB T für Elektronen
und EF kB T für Löcher gilt, wird
F (η) → eη (Boltzmann − Näherung)
1/2
und die Dichten nehmen die Form
EF − Eg
n = Nc exp
,
kB T
−EF
p = Nv exp
kB T
an. Im intrinsischen Silizium lautet die Neutralitätsbedingung n = p
(keine Dotierung). Andererseits ist
−Eg
def
n p = n2i = Nc Nv e kB T .
Diese Beziehung kann man als Massenwirkungsgesetz einer “chemischen
Reaktion”
n p = C(T ) Nc Nv
auffassen. n und p spielen dabei die Rolle der Endprodukte (freie
Ladungsträger), während Nc,v die Rolle der Ausgangsprodukte spielen
(gebundene Elektronen und Löcher). C(T ) ist die Massenwirkungskonstante (thermodynamisch betrachtet ist Eg die Summe der freien Enthalpien von Elektron und Loch). Man erhält also als Eigenleitungsdichte
n = p = ni . Auflösung nach dem entsprechenden Fermi-Niveau ergibt, da
E
%
EF − Eg
− g
n = Nc exp
= ni = Nc Nv e 2kB T ,
kB T
EF
ni
= EF,i = Eg + kB T ln
N
c
m̃d p
3
1
Eg + kB T ln
=
.
2
4
m̃dn
Nv
kB T
1
ln
= Eg +
=
2
2
Nc
(5.41)
92
Silizium
Die Zustandsdichte-Massen sind allerdings selbst temperaturabhängig
(m̃dn (300 K) = 1.090 m0 , m̃d p (300 K) = 1.152 m0 ). Wegen des geringen
Massen-Unterschieds ist EF,i(300 K) = Eg /2 + 1 meV ! Bei Raumtemperatur liegt das Eigenleitungs-Niveau also praktisch in der Mitte der Energielücke (“midgap”). Die intrinsische Dichte ni ist schwierig zu messen.
Der momentan beste Wert ist ni (300 K) = 9.97 × 109 cm−3 .
B) Dotiertes Silizium
Wir betrachten n-dotiertes Silizium und setzen voraus, dass die Donatoren genau einen gebundenen Zustand mit dem Energieniveau ED erzeugen und das dieses Niveau auch nur einfach besetzbar ist. Das Einbringen von Elementen der 5. Hauptgruppe des PSE, wie Phosphor oder
Arsen, auf reguläre Plätze des Silizium-Kristallgitters führt dazu, dass
das “überschüssige” fünfte Valenzelektron nur noch schwach an den Donator gebunden ist und leicht thermisch ins Leitungsband aktiviert werden kann. Die Bindungsenergie im Grundzustand, d.h. Eg − ED , ist nur
von der Grössenordnung 50 meV . Die Statistik für solche an sogenannten
flachen Störstellen gebundene Elektronen unterscheidet sich etwas von
der Statistik der freien Ladungsträger.
Das gebundene Elektron kann sich in zwei Zuständen befinden: “spinup” oder “spin-down”, wir bezeichnen diese Zustände mit |D↑ , |D↓ .
Der einfach besetzte Zustand hat also zwei Realisierungsmöglichkeiten,
der unbesetzte nur eine! nD bezeichne die Besetzungszahl (also hier 0
oder 1). Man führt Gewichtsfaktoren gnD ein (also hier g0 = 1, g1 = 2),
so dass die verallgemeinerte Besetzungswahrscheinlichkeit des Niveaus
ED :
c
(µ −ED )nD
∑ gnD nD exp
kB T
nD =0,1
c
fD =
(µ −ED )nD
∑ gnD exp
kB T
nD =0,1
fD =
g0
g1
exp
1
ED −µc
kB T
+1
.
(5.42)
Der Unterschied zu den freien Ladungsträgern besteht also im Auftreten
eines Faktors g0 /g1 vor der e-Funktion. Dieser Faktor ist 1/2 für Donatoren und 2 für Akzeptoren. Die physikalische Ursache liegt in der vorausgesetzten Beschränkung der nur einfachen Besetzbarkeit von ED . Ein
zweites Elektron kann nicht gebunden werden, da die starke CoulombWechselwirkung in der Umgebung des Donators (Bohr-Radius!) dies
verhindert. Im Gegensatz dazu sind die Elektronen in den Bändern re-
5.4 Ladungsträgerdichten
93
lativ weit voneinander entfernt, jedes Energie-Niveau kann dort zweifach
besetzt werden (Spin-Entartung).
Die Neutralitätsbedingung für (homogen) dotiertes Silizium lautet
n = ND+ + p = ND+ +
n2i
.
n
Man beachte, dass ND+ die Dichte der ionisierten Donatoren, also der
unbesetzten Niveaus ist.
ND+ = ND (1 − fD ) =
mit
n1
ND
def
= ND
n + n1
D
1 + 2 exp EFk−E
BT
(5.43)
Eg − ED
1
n1 = Nc exp −
.
2
kB T
Setzt man dies in die Neutralitätsbedingung ein, folgt
ND n1
n2i
−
=0,
n n + n1
n2 (n + n1 ) − (n + n1)n2i − n n1 ND = 0 .
n−
(5.44)
Man hat also bereits eine kubische Gleichung in n erhalten. Die kann
man zwar noch lösen, wir betrachten hier aber nur den wichtigen Fall
ND ni . Unter dieser Voraussetzung ist auch n ni und der mittlere
Term in (5.44) kann vernachlässigt werden. Dann
n2 + n n1 − n1 ND = 0 ,
4ND
1
n = n1
+1−1 .
2
n1
(5.45)
ND n1
(nicht zu hohe Dotierung, ausreichend hohe Temperaturen, das
Fermi-Niveau liegt noch einige kB T unterhalb von ED )
⇒ n ≈ ND , vollständige Ionisation
⇒ EF = Eg + kB T ln NNDc
ND n1
94
Silizium
(sehr hohe Dotierung, tiefe Temperaturen)
√
⇒ n ≈ n1 ND ND , Ausfrieren der freien Ladungsträger an den
Störstellen
ND
⇒ EF = Eg + kB2T ln 2N
− 12 (Eg − ED )
c
EF (T → 0) = 12 (Eg + ED ), d.h. das Fermi-Niveau kommt genau in
der Mitte zwischen Donator-Niveau und Bandkante zu liegen.
Band Gap Narrowing ∆Eg [eV]
Alle diese Betrachtungen sind stark vereinfacht. Mit steigender Dichte
wird das Coulomb-Potential der ionisierten Störstellen abgeschirmt. Die
Bindungsenergie wird eine Funktion der Dichte: ED = ED (n). Bei
etwa n ≈ 2 × 1018 cm−3 können in Si überhaupt keine Elektronen mehr
an den Donatoren gebunden werden und der Ionisationsgrad wird 1.
Diese Situation nennt man Mott-Übergang. Eine Folge der immer
höheren Dotierung ist, dass die diskreten Störstellen-Niveaus ED zu
einem schmalen Störstellen-Band verbreitern, das schliesslich mit dem
Leitungsband verschmilzt.
Ein weiterer wichtiger Effekt hängt mit der VielteilchenWechselwirkung zusammen. Werden die Bänder stark besetzt, wie
das bei hohen Dotierungen der Fall ist, verändert sich die Bandstruktur:
Die Energielücke schrumpft (band gap narrowing) und Eg = Eg (ND+ , n).
Der Grund sind Energie-Beiträge der Austausch- und KorrelationsWechselwirkung. Die Stärke des Effektes kann man der Abbildung
entnehmen.
del Alamo et al.
Ghannam
Mertens et al.
Neugroschel et al.
Possin et al.
Slotboom et al.
Swirhun et al.
Wieder
Schenk model (n−type)
Schenk model (p−type)
CompElKlaassNEW.eps
Klaassen
(unified)
0.15
0.10
72 × 70 mm
0.05
0.00
16
17
18
19
20
−3
Log( Density [cm ] )
21
Streuprozesse
6
6.1 Übergangswahrscheinlichkeit am Beispiel der Streuung
an ionisierten Störstellen
Vorbetrachtung
Überlagert man dem Potential des idealen Kristalls ein konstantes elektrisches Feld E, wächst der Elektronen-Impuls linear an:
e
kt = k0 − Et .
~
(6.1)
Dabei wurde die Anfangsbedingung k(t = 0) = k0 angenommen und die
Newtonsche Bewegungsgleichung gelöst. Für symmetrische Feldrichtungen gibt es einen Zeitpunkt t = T (E), an dem der Vektor kT − K(T ) mit
dem Vektor kt=0 zum Zeitpunkt 0 erstmalig wieder zusammenfällt. Das
bedeutet, dass der Bloch-Zustand zum Zeitpunkt T in den Bloch-Zustand
zum Zeitpunkt 0 zurückkehrt. Für ganzzahlige Vielfache von T gilt das
gleiche. Die Bewegung von Bloch-Zuständen im elektrischen Feld ist
also periodisch. Man nennt diese Bewegung Bloch-Zener-Oszillationen.
Die Periode T dieser Oszillationen ergibt sich aus Gleichung (6.1):
T=
~ |K|
e |E|
.
Für E = 104 V /cm und primitive reziproke Gittervektoren K = b j ist T
etwa 10−10 s. Kehren wir zu den Bändern zurück, wie wir sie im letzten
Kapitel für das 1D-Modellpotential erhalten hatten: E(k) ∼ E0 cos(ka).
Berechnet man daraus die Gruppengeschwindigkeit
vg =
aE0
1 dE
=−
sin(ka)
~ dk
~
95
96
Streuprozesse
und setzt für k die Beziehung (6.1) ein, so ergibt sich
vg = −
aE0
~
sin(k0 a − aeEt/~) .
Die Gruppengeschwindigkeit oszilliert also in den Grenzen ±aE0 /~ mit
der Frequenz f = aeE/h, die genau dem Kehrwert von T im eindimensionalen Fall entspricht. Da die Stromdichte j = envg ist, sieht man also,
dass ein Gleichfeld E einen Wechselstrom j generiert. Das zeitliche Mittel ist Null, d.h. es fliesst kein Gleichstrom. Dass man trotzdem einen
Gleichstrom misst, liegt an der Streuung. Nach Zeiten von etwa 10−13 s
werden die Bloch-Elektronen durch Stösse mit Phononen und Störstellen
aus der Bahn geworfen, so dass sie niemals einen Impulszuwachs von
K während der periode T schaffen können. Die Streuung sorgt also bei
Bloch-Elektronen nicht wie bei völlig freien Elektronen dafür, dass ein
sonst unendlich grosser stationärer Strom endlich bleibt, sondern dafür,
dass ein sonst verschwindender Strom nicht Null wird! Bloch-ZenerOszillationen wurden vor einigen Jahren erstmals an Supergittern, die
eine viel grössere Gitterperiode als a haben, anhand der emittierten TerraHertz-Strahlung nachgewiesen.
Quantenmechanik: Ultra-Short Course III
Goldene Fermi-Regel der QM
Wir
betrachten
V (t) =
einen
zeitabhängigen
W (t) 0 < t < τ
0
sonst
Störoperator
0
Wt.ID.epsi
53 × 13 mm
der
τ
Form
t
wobei die Ortsabhängigkeit von W (t) nicht explizit mitgeschrieben wird.
Die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung
∂
Ψ(t) = [Ĥ0 +V (t)] Ψ(t)
∂t
hat keine stationären Lösungen im Zeitintervall [0, τ]. Wir entwickeln
Ψ(t) nach den stationären Zuständen φn von Ĥ0 . Die zugehörigen
Eigenenergien sind En . (Eine solche Entwicklung ist möglich, da die
φn eine orthonormierte Basis im Hilbert-Raum bilden.)
i
(6.2)
Ψ(t) = ∑ an (t) φn exp − Ent .
i~
n
~
6.1 Skk am Beispiel der Streuung an ionisierten Störstellen
97
Zu Zeitpunkten t ≤ 0 hat sich das System in einem Eigenzustand von Ĥ0
befunden, z.B. φi (“i” steht für “initial”). Daher muss
i
für t ≤ 0
Ψa = φi exp − Ei t
~
sein. Daraus folgt an (t) = δni für t ≤ 0. Nachdem die Störung vorbei ist,
d.h. für t ≥ τ, haben die Koeffizienten wieder konstante Werte ani (τ). Sie
hängen vom Anfangszustand (deshalb der Index i) und von der Dauer der
Störung τ ab. Für Zeiten t ≥ τ lautet also die Wellenfunktion
i
Ψe = ∑ ani (τ) φn exp − En t .
~
n
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das System nun in einem bestimmten
Zustand f (“ f ” steht für “final”) befindet, wird durch das Betragsquadrat
&
&
&a f i (τ)&2 Bez.
= M f i (τ)
(6.3)
gegeben. M f i heisst Übergangswahrscheinlichkeit (von i nach f ). Ziel
ist die Berechnung von M f i . Dazu setzt man die Entwicklung (6.2) in die
Schrödinger-Gleichung ein und erhält im Zeitintervall [0, τ]
∂an (t)
i
i
φn exp − En t = W (t) ∑ an (t)φn exp − En t .
i~ ∑
∂t
~
~
n
n
Um eine Gleichung für die Entwicklungskoeffizienten an (t) zu erhalten,
multipliziert man diese Gleichung mit φ∗f und integriert über den IR3 :
i
i
∂an (t)
φ f |φn exp − En t = ∑ an (t)φ f |W (t)|φn exp − En t
i~ ∑
!" #
∂t
~
~
n
n
δfn
ȧ f (t) =
1
f |W (t)|nan(t)eiω f nt
i~ ∑
n
mit
def
φ f |W (t)|φn = f |W (t)|n =
Z
(6.4)
d 3 r φn (r) φ∗f (r)W (t) .
ω f n = (E f − En )/~ nennt man Übergangsfrequenz. Gleichung (6.4) ist
eine Differentialgleichung 1. Ordnung in der Zeit mit der Anfangsbedingung a f (0) = δ f i , wie man durch Einsetzen in (6.2) sofort sieht. Wir
98
Streuprozesse
nehmen nun an, dass W (t) nur eine “kleine Störung” ist, bzw. dass die
Dauer τ der Störung nicht zu lang ist. Dann kann man (6.4) iterativ lösen
und im ersten Schritt die Anfangsbedingung in die rechte Seite anstelle
(0)
von an (t) einsetzen, also an (t) → δni :
1
f |W (t)|ieiω f i t .
i~
Integration im Intervall [0, τ] unter Beachtung, dass die Zustände | f und
|i verschieden sein sollen, liefert
(1)
ȧ f i (t) =
(1)
a f i (τ) =
1
i~
Z τ
0
dt f |W (t)|ieiω f i t .
Damit erhält man für die Übergangswahrscheinlichkeit in 1. Ordnung
Störungstheorie
&Z
&2
&
&
&
1 && τ
& (1) &2
(1)
iω
t
f
i
& .
dt f |W (t)|i e
(6.5)
M f i (τ) = &a f i (τ)& = 2 &
&
~
0
Wir betrachten jetzt zwei wichtige Fälle für die Zeitabhängigkeit des
Störoperators W (t):
1.)
W (t) = W0 = W0 (r) keine Zeitabhängigkeit
(1)
&2
| f |W0|i|2 && iω f i τ
&
e
−
1
&
&
2
2
~ ωfi
| f |W0|i|2
2 ω f iτ
=
4 sin
2
~2 ω2f i
2 ωfi
sin
2 τ
π
= 2 | f |W0 |i|2 τ 2
~
ω
π 2f i τ
!" #
τ→∞
ω
−→ δ 2f i
M f i (τ) =
(6.6)
Der letzte Schritt folgt aus einer der möglichen Darstellungen der
δ-Funktion:
1 sin2 xε
lim
= δ(x) .
ε→0 πε (x/ε)2
6.1 Skk am Beispiel der Streuung an ionisierten Störstellen
99
Wir definieren die Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit als
(1)
S f i = lim
τ→∞
M f i (τ)
τ
=
2π
~
| f |W0 |i|2 δ(E f − Ei )
(6.7)
Man nennt sie oft “Fermi’s Goldene Regel der Quantenmechanik”.
Sie ist die wohl wichtigste Formel für Anwendungen der QM.
Man bedenke, dass mit ihr die Berechnung von (mikroskopischen) Streuraten auf die Berechnung eines einzigen ÜbergangsMatrixelements, gebildet mit Zuständen des ungestörten Systems,
reduziert wird.
2.)
W (t) = W0 eiω0t + e−iω0t
periodische Störung
z.B. Phonon, Photon, ...
Die Rechnung ist analog. Es treten lediglich Frequenzverschiebungen ω f i ± ω0 auf und man erhält
Sfi =
2π
~
| f |W0 |i|2 δ(E f − Ei + ~ω0 ) + δ(E f − Ei − ~ω0 ) .
Die erste δ-Funktion beschreibt die Emission eines Quants der Energie ~ω0 , die zweite die Absorption eines solchen Quants.
Wir betrachten jetzt zwei wichtige Fälle für die Ortsabhängigkeit des
Störoperators W0 . Anfangs- und Endzustände seien Bloch-Funktionen
der Kristall-Elektronen.
1
|i = √ eik · r uk ν (r),
Ω
1
f | = √ e−ik · r u∗kν (r)
Ω
Wir fragen also nach der Wahrscheinlichkeit für die Streuung aus einem
Zustand mit dem Wellenzahlvektor k aus der 1. BZ in einen Zustand mit
dem Wellenzahlvektor k aus der 1. BZ. Da in der QM der Zusammenhang
p = ~k zwischen Impuls und Wellenzahlvektor gilt, ist die Frage gleichbedeutend mit der Frage nach den zu erwartenden Impulsänderungen p −
p .
1.)
W0 (r) = const
100
Streuprozesse
Z
W0
d 3 re−ir · (k − k ) uk ν (r)u∗kν (r)
Ω Ω
= W0 δνν δkk
f |W0 |i =
wegen der Orthonormierung der Bloch-Funktionen. Das Matrixelement liefert also nur von Null verschiedene Beiträge, wenn k = k
gilt, d.h. eine räumlich konstante Störung ändert den Impuls eines
Elektrons nicht.
2.)
W0 (r) beliebig. Fourierzerlegung: W0 (r) = ∑ W0 (q) eiq · r
q
1
f |W0 |i = ∑ W0 (q)
Ω q
Z
Ω
d 3 re−ir · (k − k − q) uk ν (r)u∗kν (r) .
Wenn |q| klein ist, dann gilt die Orthonormiertheit wenigstens noch
näherungsweise. Im Rahmen der Effektivmassen-Näherung werden
die Bloch-Faktoren von vornherein durch 1 ersetzt. Dann erhält man
f |W0 |i ≈
∑ W0 (q) δk−k,qδνν = δννW0(k − k ) .
!
q
Die Fouriertransformation des Potentials W0 (r) führt also direkt auf
das Matrixelement.
Bemerkung:
Die Goldene Regel zeichnet sich durch eine grosse Allgemeingültigkeit
aus. Dies obwohl ein offensichtlicher Widerspruch besteht. Um die
δ-Funktion zu erhalten, musste man den Limes τ → ∞ nehmen. Bei
bestimmten Wechselwirkungsprozessen wirkt jedoch die Störung nur
während sehr kurzer Zeiten. Für Stosszeiten von der Grössenordnung
10−14 s und kleiner kann der Ausdruck (6.6) typischerweise nicht mehr
in eine δ-Funktion übergehen, die Energie-Erhaltung wird verletzt. Dies
ist eine Konsequenz der Heisenbergschen Unschärferelation. Zu kurze
Wechselwirkungen, d.h. mit zu grosser Zeitschärfe, sind unweigerlich
mit einer gewissen Energie-Unschärfe verbunden. Die im folgenden betrachteten Streuprozesse der Elektronen in Silizium-Bauelementen sind
jedoch derart, dass die Goldene Regel mit grosser Genauigkeit gilt.
6.1 Skk am Beispiel der Streuung an ionisierten Störstellen
101
A) Anwendung auf Streuung an ionisierten Störstellen
Die ionisierten Dotieratome erzeugen ein Coulomb-Potential, das dem
eines Protons sehr ähnlich ist. Die Einbettung der Ionen-Rümpfe
im Silizium hat jedoch zwei Konsequenzen: 1.) Wegen des relativ
grossen Bohrschen Radius “spürt” das gebundene Elektron ein Gebiet
des Kristalls vom Volumen mehrerer hundert Wigner-Seitz-Zellen. Die
Polarisierbarkeit der Silizium-Atomrümpfe führt dazu, dass das Orbital
nur den εs -ten Teil des “nackten” Coulomb-Potentials spürt. εs ist die
statische Dielektrizitätskonstante (εs = 11.7 in Silizium). 2.) Die frei
beweglichen Ladungsträger reagieren auf die zusätzliche Ionen-Ladung
durch eine gewisse Umordnung. Resultat dieser Umordnung ist ein
zusätzliches Potential, das jedes Elektron im System spürt, also auch das
an der Störstelle gebundene. In einfachster Näherung kann man diesen
Effekt mittels einer q-abhängigen dielektrischen Funktion der Gestalt
q2s
ε(q) = 1 + 2
q
beschreiben (der Index “s” steht für “screening”). Die Wellenzahl qs ist
umgekehrt proportional zur sogenannten Abschirmlänge Ls : Ls = 2π/qs.
Man findet in 1. Ordnung Störungstheorie
0.0
Potential (eV)
Screening Length (nm)
1000
100
lambda.eps
63 × 55 mm
10
1 14
10
10
15
10
16
10
17
10
18
10
19
10
20
−0.1
−0.2
yukawa.eps
62 × 57 mm
0
−3
Density (cm )
5
14
10
16
10
18
10
20
10
10
15
Distance (nm)
Realistisch berechnete Abschirmlänge als Funktion der Elektronendichte in n-Silizium
bei 300 K (links). Yukawa-Potential bei verschiedenen Elektronendichten (rechts).
q2s =
4πe2
(n + p) ,
εs kB T
102
Streuprozesse
√
d.h. die Abschirmlänge ist ∼ 1/ n + p. Je grösser die Dichten
der frei beweglichen Ladungsträger, um so stärker wird das CoulombPotential abgeschirmt. Dies geht soweit, dass ab einer bestimmten
Dichte überhaupt kein Elektron mehr an der Störstelle gebunden werden
kann. Dies ist der bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnte MottÜbergang. Er findet in Silizium bei Dichten von etwa 2 × 1018 cm−3 statt.
Darüber sind alle Dotieratome ionisiert.
Das effektive Potential, das von den ionisierten Dotieratomen erzeugt
wird, nimmt nach dem oben Diskutierten die Form des sogenannten
Yukawa-Potentials an
W0 (r) = −
e2 −r/Ls
e
εs r
(6.8)
an. Um die Übergangswahrscheinlichkeit für Streuungen an diesem Potential zu finden, müssen wir also nur die Fourier-Transformierte berechnen:
W0 (q) =
1
Ω
Z
Ω
d 3 r e−iq·rW0 (r) .
Dies sollte man als Übung tun (Kugelkoordinaten!), das Ergebnis ist
W0 (q) = −
4π e2
.
Ω εs(q2 + L−2
s )
Damit erhält man als Übergangswahrscheinlichkeit Skk für die Streuung
an einer ionisierten Störstelle

2
2
2π 
4πe
 δ (Ek − Ek ) .
(6.9)
Skk =
~ Ω εs (k − k )2 + L−2
s
Wir betrachten ionisierte Donatoren mit einer mittleren Dichte ND+ . Nach
Prozess-Schritten wie Implantation, Eindiffusion und Ausheilung sind
die Donatoren regellos auf dem Kristall-Gitter verteilt. Ist der Abschirmradius kleiner als der halbe mittlere Abstand zwischen den Donatoren, kann man die Streuung an verschiedenen Donatoren als unabhängig voneinander ansehen. Dies ist für Dotierungskonzentrationen
(und damit Dichten), die die Beweglichkeit der Ladungsträger tatsächlich
beeinflussen, gut erfüllt. Da wir alle Berechnungen auf das Grundgebiet
6.1 Skk am Beispiel der Streuung an ionisierten Störstellen
103
Ω beziehen wollen, ist der letzte Ausdruck noch mit der Zahl der Donatoren im Grundgebiet ΩND+ zu multiplizieren, um zur totalen Streurate zu
kommen (wegen der vorausgesetzten Unabhängigkeit der Donatoren)
Skk
2
ND+
2π 4πe2
=
2 δ (Ek − Ek )
~Ω ε2s
−2
2
(k − k ) + Ls
(6.10)
(Brooks, Herring, 1951). Der Fall geringer Dotierungskonzentrationen,
bei dem der Abschirmradius grösser als der halbe mittlere Abstand zwischen den Donatoren werden kann, erfordert eine gesonderte Behandlung
der dabei auftretenden Mehrfach-Streuung (Conwell, Weisskopf).
B) Impuls-Streurate
Gemäss Gleichung (3.15) ist die Beweglichkeit direkt proportional zur
makroskopischen Impuls-Relaxationszeit: µn = eτ p,n /mn . Das 1. Moment der Boltzmann-Gleichung liefert den Zusammenhang zwischen τ p,n
und dem Stossterm der BG
v
∂v
= −n
(6.11)
n
∂t coll
τ p,n
(sh. Kap.3). Wir schreiben beide Seiten explizit aus, wobei nach (5.20)
k-Summation durch k-Integration ersetzt wird.
Z
∂v
=
d 3 k ∑ [Sk k (1 − fk ) fk − Skk (1 − fk ) fk ] v
n
∂t coll
k
Z
−n
v
τ p,n
Z
~k
Ω
=
d 3 k d 3 k Skk ( fk − fk )
3
8π
mn
Z
Z
Ω
3
3 ~ k − k /mn
=
d
k
f
d
k
S
k
kk
8π3
Z
1
= −
d 3 k fk ~k/mn .
τ p,n
Dabei wurde ein einfaches, parabolisches Leitungsband Ec (k) =
~2 k2 /(2mn ) angenommen, was ausreicht, weil nur kleine |k| in der
Umgebung des Bandminimums zur Übergangswahrscheinlichkeit beitragen. Um (6.11) nach 1/τ p,n auflösen zu können, betrachten wir o.B.d.A.
104
Streuprozesse
die z-Komponente der Geschwindigkeit und erhalten
R 3 Ω R 3
d
k
f
d
k
S
−
k
k
1
z
k
3
kk
z
R
= 8π
.
τ p,n
d 3 k fk kz
Für die k -Integration wird kz als Polarachse benutzt. Da die Stösse
elastisch sind, haben die Vektoren k und k die gleiche Länge, so das
kz = kz cos Θ mit dem Streuwinkel Θ. Dies führt auf
1
τ p,n
R 3
d k fk kz τ−1
p,n (k)
R
=
3
d k fk kz
mit der Impuls-Streurate
τ−1
p,n (k) =
Ω
8π3
Z
d 3 k Skk (1 − cos Θ) .
(6.12)
Vergleicht man den letzten Ausdruck mit der totalen (mikroskopischen) Streurate aus Kap.2, die dort für symmetrische (“randomizing”) Übergangswahrscheinlichkeiten Skk = S−k,k = Sk,−k = S−k,−k
definiert wurde, so tritt hier ein Faktor 1 − cos Θ auf, der Streuungen
mit Θ ≈ 0, die zu keinerlei Impulsänderung führen, herausfiltert. Die
Übergangswahrscheinlichkeit Skk wird für Θ = 0 maximal, da
Θ
2
in dem Fall verschwindet. Die Streuung an ionisierten Störstellen ist also
nicht “randomizing”, sondern führt bevorzugt zur Vorwärts-Streuung.
Setzt man den Ausdruck (6.10) für Skk in die Impuls-Streurate ein und
nutzt die δ-Funktion aus, ergibt sich 1/τ p,n als Funktion nur der Energie:
|k − k|2 = k2 + k − 2kk cos Θ = 2k2 (1 − cos Θ) = 4k2 sin2
2
πe4 ND+ Φ(η)
(E
)
=
τ−1
k
√
p,n
3/2
2mn ε2s Ek
mit
Φ(η) = ln(1 + η) −
8mn Ek
η
und η =
1+η
~2 L−2
s
(Brooks, Herring, 1951). Mit wachsender Energie nimmt die ImpulsStreurate sehr schnell ab, was nachträglich nochmal die Verwendung der
Effektivmassen-Approximation rechtfertigt.
6.2 Die wichtigsten Streumechanismen in Silizium
105
6.2 Die wichtigsten Streumechanismen in Silizium
Der wichtigste Streumechanismus ist die Streuung an Phononen, den
Quanten der Gitterschwingungen. Während die Streuung an ionisierten Störstellen elastisch ist, liefert die Phononstreuung einen
Energieverlust-Mechanismus (Emission von optischen Phononen). Die
Beweglichkeit der Ladungsträger in Silizium (und damit auch die Temperaturabhängigkeit der Beweglichkeit) ist für Ndop < 1016 cm−3 völlig
von der Phononstreuung dominiert. Der Störoperator ist das sogenannte Deformationspotential. Man erhält es, wenn man die EnergieÄnderung infolge der Gitterdeformation (Änderung der Gitterkonstanten
a) störungstheoretisch berechnet. Eine relativ einfache Darstellung findet
sich im Buch von Hess (S. 89 ff.). Wir geben hier nur die ImpulsStreuraten der wichtigsten Prozesse als Funktion der Energie an, wobei
wieder eine parabolische Dispersion der Bänder vorausgesetzt wurde.
I NNERTAL -S TREUUNG AN AKUSTISCHEN P HONONEN ( ELASTISCHE N ÄHERUNG )
√ %
D2ac 2 mt2 ml kB T √
1
E
=
τac
π~4 c2l ρ
p,n (E)
(Dac - Deformationspotential-Konstante, ρ - Massen-Dichte, cl - longitudinale Schall-Geschwindigkeit). Der Ausdruck für die Löcher ist ähnlich,
Deformationspotential-Konstante und effektive Massen sind anders.
Z WISCHENTAL -S TREUUNG AN AKUSTISCHEN UND NICHT- POLAR OPTISCHEN
P HONONEN (E LEKTRONEN )
%
2
2
1 − f (E ± ~ωα ) Zα mt ml Div,α
√
×
Θ(E
±
~
ω
)
α
∑
1 − f (E)
2π~3 ωα ρ
α=Täler
1 1 %
E ± ~ωα
×
fB,α + ∓
2 2
1
=
iv
τ p,n (E)
(ωα - effektive Phonon-Frequenz, Div,α - effektive DeformationspotentialKonstante, f (E) - Fermi-Dirac-Verteilung, fB,α - Bose-Einstein-Verteilung ( fB,α = [exp (~ωα /kB T ) − 1]−1 ), Θ - Stufenfunktion).
106
Streuprozesse
S TREUUNG AN NICHT- POLAR OPTISCHEN P HONONEN (L ÖCHER )
3/2
%
D2nop md p
1
√
f
(E
−
=
~
ω
)
f
0 B,0 E − ~ω0 Θ(E − ~ω0 ) +
nop
τ p,p (E)
2ρω0 π~3 f (E)
%
+ f (E + ~ω0 ) ( fB,0 + 1) E + ~ω0
(Dnop - nicht-polar optische Deformationspotential-Konstante, ω0 effektive Phonon-Frequenz, fB,0 - Bose-Einstein-Verteilung ( fB,0 =
[exp (~ω0 /kB T ) − 1]−1 )).
S TREUUNG AN IONISIERTEN S T ÖRSTELLEN (B EISPIEL EINFACHE D ONATOREN )
πe4 ND+ Φ(η)
=√
imp
2mn ε2s E 3/2
τ p,n (E)
1
Mit geänderter effektiver Masse gilt dieser Ausdruck auch für Löcher.
Allerdings versagt die 1. Ordnung Störungstheorie bei diesem Streumechanismus relativ schnell.
Man entnimmt diesen Formeln folgende allgemeine Charakteristika:
√
Die Phonon-Streuraten sind proportional zur Zustandsdichte ∼ E und
zu den Phonon-Besetzungswahrscheinlichkeiten fB . Sie sind ausserdem
monoton wachsende Funktionen der Temperatur T , denn im Fall ~ω kB T geht
fB =
1
~ω
−→
e kB T − 1
kB T
.
~ω
6.3 Die Matthiessen-Regel
Wenn man voraussetzt, dass die einzelnen Streuprozesse unabhängig
voneinander sind, dann ist die totale Streurate die Summe der partiellen
Streuraten
1
1
∑ τα(k) = τtot (k)
α
wegen der Additivität der quantenmechanischen Übergangswahrscheinlichkeiten. Die partiellen Beweglichkeiten ergeben sich durch gewisse
6.3 Die Matthiessen-Regel
107
Mittelwerte über die mikroskopischen Relaxationszeiten (sh. nächstes
Kap.)
µα = τα .
Näherungsweise gilt
1
1
=∑
µtot
α µα
Matthiessen-Regel
(6.13)
(Additivität der Teilwiderstände). Diese Regel ist deshalb eine Näherung,
weil
+
,
1
1
1
1
1
−1
=
∼∑
∼
= ∑
.
1
µtot
τtot ∑τ
α τα α µα
α
α
dieselbe Energieabhängigkeit haben, gilt die
Nur wenn alle τ−1
α
Matthiessen-Regel exakt, wie man leicht überprüfen kann. Andersherum,
s
je unterschiedlicher die Energieabhängigkeit τ−1
α ∼ E der einzelnen
Impuls-Streuraten, desto grösser der Fehler. In der BauelementeSimulation verwendet man oft empirische Modelle für die einzelnen
partiellen Beweglichkeiten µα . Dann ist die Matthiessen-Regel die
einzige Möglichkeit, daraus eine totale Beweglichkeit zu konstruieren.
7
Beweglichkeit kalter und heisser
Ladungsträger
7.1 Partielle Beweglichkeiten für Streuung an ionisierten
Störstellen und an akustischen Phononen∗
Mit den Impuls-Streuraten aus dem letzten Kapitel kann man die partiellen Beweglichkeiten leicht berechnen:
R
e
d 3 k fk kz
.
µn =
R
mn d 3 k fk kz τ−1
p,n (Ek )
Würde man hier die Gleichgewichtsverteilung f0 (k) einsetzen, so würde
ein Ausdruck Null/Null entstehen. Deshalb benutzen wir f (1) (k) von
Gleichung (2.8) als Abweichung vom Gleichgewicht in niedrigster Ordnung
eE
f (1) (k) = τ p,n (Ek ) · ∇k f0 (Ek )
~
und erhalten unter Auszeichnung der z-Richtung
R
µn
∂
3
e d k kz τ p,n (Ek ) ∂kz f0 (Ek )
=
R
mn
d 3 k kz ∂k∂ z f0 (Ek )
R
∂f
2 e dE ∂E0 E 3/2 τ p,n (E)
√
= −
.
R
3 mn
dE E f0 (E)
Partielle Beweglichkeit für Streuung an ionisierten Störstellen
Setzt man die Impuls-Relaxationszeit aus dem letzten Kapitel
√
2mn ε2 E 3/2
imp
τ p,n (E) = 4 + s
,
πe ND Φ(η)
108
7.2 Modelle für die Beweglichkeit kalter Ladungsträger im bulk
109
hier ein, beschränkt sich auf Maxwell-Boltzmann-Statistik, benutzt
Z ∞
√ n
3
−x
dx e
xx = Γ n+
2
0
und zieht η(E) am Maximum des restlichen Integranden (Emax = 3 kB T )
aus dem Integral, folgt
√
8 2ε2s (kB T )3/2
24mn kB T
imp
mit η =
.
(7.1)
µn = 3 3/2 √
+
e π
mn ND Φ(η)
~2 L−2
s
Partielle Beweglichkeit für Streuung an akustischen Phononen
Setzt man die Impuls-Relaxationszeit in elastischer Näherung aus dem
letzten Kapitel
τac
p,n (E) =
π~4 c2 ρ
√ % 2l
√
D2ac 2 mt ml kB T E
ein, so folgt mit Maxwell-Boltzmann-Statistik
√
2 e 2π~4 c2l ρ
ac
µn =
.
3 D2 m5/2
3/2
n (kB T )
(7.2)
ac
Für die effektive Masse mn hat man in (7.1) und (7.2) jeweils die
Zustandsdichte-Masse mdn = (mt2 ml )1/3 zu benutzen.
7.2 Modelle für die Beweglichkeit kalter Ladungsträger im
bulk
Dotierung bis 1019 cm−3
Empirisches Grundmodell (Caughey, Thomas, 1967):
µ(Nimp, T ) = µmin +
µL (T ) − µmin
α
N
1 + Nimp
re f
(7.3)
• µL (T ) ist “lattice mobility” mit empirischer Temperaturabhängigkeit, z.B. für Elektronen µL,n (T ) = 1417 (T /300)−2.5 cm2 /(V s)
110
Beweglichkeit kalter und heisser Ladungsträger
5
2
Mobility (cm /Vs)
10
inter−valley
4
10
munTfull.eps
72 × 72 mm
Norton et al.
Long
Rauch et al.
Logan et al.
power law (Dessis)
Schenk model
3
10
2
ac
10
20 30
50
100 200
Temperature (K)
500
1000
Temperaturabhängigkeit der bulk-Beweglichkeit thermalisierter (kalter) Elektronen in
Silizium. Die relativen Anteile von Zwischental-Streuung an nicht-polar optischen und
akustischen Phononen (inter-valley) und Innertal-Streuung an akustischen Phononen
(ac) sind als gestrichelte Kurven dargestellt.
500
1.4
Mobility (cm /Vs)
400
1.0
3
2
2
Mobility (10 cm /Vs)
1.2
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
impn.eps
63 × 59 mm
theory (Fermi)
theory (Boltzmann)
data Masetti et al.
300
200
impp.eps
64 × 64 mm
100
13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
−3
Log(Nimp (cm ))
0
13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
−3
Log(Nimp (cm ))
Abhängigkeit der bulk-Beweglichkeit thermalisierter (kalter) Elektronen (links) und
Löcher (rechts) von der Dotierungskonzentration. Experimentelle Kurven sind mit
offenen Kreisen dargestellt, die theoretischen Ergebnisse in Bornscher Näherung mit
durchgezogenen Kurven (Fermi-Dirac-Statistik) und gepunkteten Kurven (MaxwellBoltzmann-Statistik).
7.2 Modelle für die Beweglichkeit kalter Ladungsträger im bulk
• Nimp → 0
=⇒
111
µ(Nimp, T ) → µL (T )
• Nimp Nre f =⇒ µ(Nimp, T ) → µmin = const, z.B. für Elektronen
µmin = 50...70 cm2/(V s)
• zwei empirische Parameter, mit denen die Position und die Steilheit der Flanke eingestellt wird, z.B. für Elektronen Nre f = 9.7 ×
1016 cm−3 und α = 0.7
Starke Dotierung 1019 cm−3 bis 1021 cm−3
Modifiziertes Caughey-Thomas-Modell (Masetti, 1983):
µ(Nimp, T ) = µmin +
µL (T ) − µmin
µ1
α1 −
Nre f ,2 α2
N
1 + Nreimp
1
+
Nimp
f ,1
(7.4)
• Anpassung des “second drop” mit drei zusätzlichen Parametern
700
500
Dziewior and Silber
Tang et al.
Swirhun et al. 1986
Swirhun et al. 1988
Leu and Neugroschel
majority carrier mob.
nminority.eps
63 × 67 mm
500
400
300
2
600
Hole Minority Mobility [cm /Vs]
2
Electron Minority Mobility [cm /Vs]
Unterschied zwischen Minoritäts- und Majoritätsladungsträger-Beweglichkeit
200
100
0
17
18
19
−3
Log(NA [cm ])
20
Dziewior and Silber
Burk et al.
Mertens et al.
del Alamo et al.
Wang et al.
Wang and Neugroschel
majority carrier mob.
pminority.eps
63 × 67 mm
400
300
200
100
0
17
18
19
−3
Log(ND [cm ])
Symbole zeigen gemessene Minoritätsladungsträger-Beweglichkeiten, Elektronen in pSi (links) und Löcher in n-Si (rechts). Zum Vergleich sind mit den durchgezogenen
Kurven die Majoritätsladungsträger-Beweglichkeiten dargestellt.
20
112
Beweglichkeit kalter und heisser Ladungsträger
• Messungen deuten darauf hin, dass MinoritätsladungsträgerBeweglichkeit grösser als Majoritätsladungsträger-Beweglichkeit
ab Dotierung von etwa 1017 cm−3
• Erklärung über Versagen der Störungstheorie 1. Ordnung (Bornsche
Näherung) =⇒ repulsive Streuung schwächer als attraktive
7.3 Beweglichkeit im MOSFET-Kanal
Was ändert sich physikalisch für die Ladungsträger im Kanal eines MOSFETs?
• Streuung an den Mikro-Rauhigkeiten der Si-SiO2 -Grenzfläche
(“surface roughness scattering”)
SiO2
L
∆
roughness.ID.epsi
83 × 39 mm
silicon
Mikro-Rauhigkeiten der Si-SiO2 -Grenzfläche führen zu lateralen Fluktuationen des
Oberflächenpotentials, an denen die Ladungsträger gestreut werden. Zwei empirische
Parameter dienen zur Modellierung: eine Korrelationslänge L und eine mittlere
Rauhigkeit ∆.
• Streuung an geladenen Grenzflächen-Zuständen und festen OxidLadungen (“fixed oxide charges”) zusätzlich zur Streuung an den
ionisierten Störstellen im Silizium. Im Inversionsfall ist jedoch
jede Coulomb-Streuung wegen der grossen Ladungsträgerdichte
im Kanal so stark abgeschirmt, dass die Oberflächenstreuung
überwiegt.
• Modifikation der Phonon-Streuung durch Oberflächen-Phononen
• 2D-Quantisierungseffekte =⇒
ändern sich.
Zustandsdichte und Streuraten
Welche Mechanismen dominieren, hängt vor allem von der Feldstärke E⊥
senkrecht zur Grenzfläche ab.
7.3 Beweglichkeit im MOSFET-Kanal
113
starke Inversion
nahe Gleichgewicht
NA
besetzte
Grenzflächenzustände
oxidecharges.ID.epsi
84 × 63 mm
positive
Oxidladungen
Coulomb-Streuung und
Phonon-Streuung
surface roughness und
Phonon-Streuung
Im subthreshold-Bereich des MOSFETs dominiert neben der Phonon-Streuung die
Coulomb-Streuung an geladenen Grenzflächen-Zuständen, an festen Oxid-Ladungen
und an den ionisierten Störstellen im Silizium. Bei starker Inversion sind die CoulombStreuzentren abgeschirmt, und es überwiegt neben der Phonon-Streuung die Streuung
an den Mikro-Rauhigkeiten der Si-SiO2 -Grenzfläche.
ϕ
0
ϕ
1
0.1
ϕ’
1
E F,g
energy (eV)
E F,Si
mosfigures.ID.epsi
129 × 51 mm
0
ϕ’
0
E’1
E’0
E1
E0
E F,Si
0.002 0.003 0.004
distance (µm)
5 nm
Quantisierung im MOSFET-Kanal senkrecht zur Si-SiO2 -Grenzfläche. Links: Bandverbiegung in einer nMOS-Struktur mit 2 nm Oxiddicke (Vg = 0.4V ). Die Leitungsbandkante rutscht unter das Si-Ferminiveau. Mitte: Die untersten vier Energieniveaus
in Relation zum Si-Ferminiveau. Ungestrichene Energien beziehen sich auf die quantisierten Zustände mit longitudinaler effektiver Masse (2-fach entartet), die gestrichenen
auf Zustände mit transversaler effektiver Masse (4-fach entartet). Numerische Rechnungen zeigen, dass das Ferminiveau unabhängig von der Gate-Spannung zwischen
den untersten beiden Niveaus liegt. Deshalb ist die thermische Besetzung der höheren
Subbänder schwach und die Verwendung der Effektivmassen-Approximation gerechtfertigt. Rechts: z-Komponente der Wellenfunktionen der untersten vier Zustände.
114
Beweglichkeit kalter und heisser Ladungsträger
Beispiel eines physikalisch motivierten empirischen Modells
(Schwarz, Russek, 1983)
1
1
3.2 × 10−9 p T 1/2
=
+
µtot
µL (T )
z
300
!" #
!"
#
bulk
(7.5)
Kanal−Effekte
Dies ist ein Beispiel für die Verwendung der Matthiessen-Regel: 1/µtot =
1/µbulk + 1/µsur f . Im Kanal-Term bedeutet z die Ausdehnung des Kanals
in Richtung senkrecht zur Si-SiO2 -Grenzfläche. Der Faktor p ist der sogenannte Fuchs-Streufaktor. Die Herkunft des Kanal-Terms kann folgendermassen motiviert werden:
e
e l
µsur f = ∗ τ p,sur f = ∗
.
m
m vth
Hier ist die Impuls-Relaxationszeit τ p,sur f durch das Verhältnis einer
Streulänge l und der mittleren thermischen Geschwindigkeit vth =
%
3kB T /m∗ ausgedrückt worden. Die Streulänge wird mit der Ausdehnung des Kanals in Richtung senkrecht
√ zur Si-SiO2 -Grenzfläche identifiziert. Damit erhält man 1/µsur f ∼ T /z. Der Ausdruck für z lautet in
diesem Modell
0.039 T
1.24 × 10−5
z=
+
.
(7.6)
1/3
E⊥,av 300
E
⊥,av
E⊥,av ist die mittlere Feldstärke senkrecht zur Si-SiO2 -Grenzfläche
gebildet mit der Ladungsdichte n(z):
Z zp
1
E⊥,av =
dz E⊥(z) n(z) .
ninv 0
ninv ist die 2D Inversionsladungsdichte und z p der Rand des neutralen Gebietes. Die Form (7.6) für z erklärt sich wie folgt. z wird als Summe aus
klassischer und quantenmechanischer Kanalweite angesetzt.
Klassischer Term:
Nach dem Virialtheorem gilt für eine beschränkte Bewegung T = V , d.h.
der Mittelwert der kinetischen Energie ist gleich dem Mittelwert der potentiellen Energie. Deshalb ist
3
m∗ 2
!
vth =
kB T = eE⊥,av zkl
2
2
3kB T
=⇒ zkl =
.
2eE⊥,av
7.3 Beweglichkeit im MOSFET-Kanal
115
Quantenmechanischer Term:
Nach der Heisenbergschen Unschärferelation ist p⊥ z ∼ ~ und nach dem
Virialtheorem
1 2
p
2m∗ ⊥
≈
=⇒
eE⊥,av zqm
zqm =
~3/2
1/3
(2em∗ )1/3 E⊥,av
.
In Abhängigkeit von der Feldstärke E⊥,av , d.h. von der angelegten
Gate-Spannung, dominiert entweder der klassische Term (subthresholdBereich) oder der quantenmechanische Term (starke Inversion). Der
Fuchs-Streufaktor p beschreibt den Anteil an diffuser Streuung, denn der
reflexive Anteil trägt nicht zur Impuls-Streurate bei.
Oberflächenstreuung:
Das Potential wird linear in der mittleren Fluktuation ∆ entwickelt:
V (x, y, z) = V (x, y, z0) +∆ ∂V /∂z |z=z0 und der letzte Term als Störoperator
genommen. Das Quadrat des Übergangsmatrixelements (Goldene
2.
Regel!) wird dann ∼ ∆2 E⊥
Bemerkungen:
• Zur Anpassung der einzelner Parameter muss MOSFET unter
solchen Bedingungen betrieben werden, bei denen ein bestimmter
Streumechanismus dominiert.
• Modell als Funktion der mittleren Feldstärke E⊥,av zu aufwendig für
BE-Simulation.
• In Simulatoren oft Modelle als Funktion der lokalen Feldstärke E⊥ ,
z.B.
1
1
+
=
µtot
µL (T )
(Lombardi et al., 1988)
T
BT
E⊥
+
C (Nimp /N0 )λ
1/3
E⊥
+
2
E⊥
.
δ
116
Beweglichkeit kalter und heisser Ladungsträger
3
10
−0.96
2
Effective Mobility [cm /Vs]
~ Eav
ohne300K.eps
80 × 68 mm
theoretical
experimental
2
10
5
6
10
10
Effective field [V/cm]
Effektive Beweglichkeit als Funktion der mittleren Feldstärke im Dotierungsbereich
1015 cm−3 bis 1019 cm−3 und für verschiedene Oxiddicken zwischen 3 nm und 13 nm.
Man erhält eine “universelle” Kurve, solange Streuung an geladenen Störstellen vernachlässigbar ist.
7.4 Beweglichkeit heisser Ladungsträger
7.4.1 Sättigung der Driftgeschwindigkeit
Betrachten homogenes n-Si. Vom hydrodynamischen Transportmodell
(3.26) erhält man, wenn man die räumlichen Gradienten weglässt
1
wn − 3kB TL /2
∂
wn = jn · E −
.
∂t
n
τE,n
Setzt man wn = 3kB Tn /2 wie im Energie-Balance-Modell, folgt
∂
2
Tn − TL
Tn =
jn · E −
.
∂t
3kB n
τE,n
Im stationären Zustand ist demnach
Tn = TL + τE,n
2
j ·E .
3kB n n
(7.7)
Die Elektronentemperatur steigt unter dem Einfluss des elektrischen
Feldes E an, man spricht von heissen Elektronen. Effekte heisser Elektronen werden bei höheren Feldern merklich, wo man die Diffusion
7.4 Beweglichkeit heisser Ladungsträger
117
gegenüber der Drift vernachlässigen kann. Deshalb setzen wir jn =
eµn n E in Gleichung (7.7) ein:
Tn = TL +
2e
τE,n µn (E) E 2 .
3kB
(7.8)
A) “Warme” Elektronen
Für nicht zu grosse Feldstärken kann man zeigen, dass die EnergieRelaxationszeit und die Beweglichkeit in folgender Form von der Temperatur der Elektronen abhängen:
Tn
Tn
−12
s = const
,
τE,n ≈ 4 × 10
TL
TL
TL
µn ≈ µ0
.
Tn
Einsetzen in (7.8) ergibt
2e
µ0 E 2 , d.h. Tn ∼ E 2 .
3kB
Tn = TL + const
Die Elektronentemperatur steigt mit dem Quadrat der Feldstärke an. Setzt
man andererseits Tn in den Ausdruck für die Beweglichkeit ein, so folgt
µn = '
µ0
1 + const 3k2e
µ0 E 2
B TL
.
B) “Sehr heisse” Elektronen
Für sehr grosse Feldstärken kann man annehmen, dass
τE,n
≈
µn −→
const ,
vsat,n
,
E
d.h die Driftgeschwindigkeit der Elektronen vD = µn E sättigt beim Wert
der Sättigungs-Driftgeschwindigkeit vsat,n . Einsetzen in (7.8) ergibt dann
Tn = TL + const
2e
vsat,n E , d.h. Tn ∼ E .
3kB
118
Beweglichkeit kalter und heisser Ladungsträger
4.0
4.0
3.8
3.6
3.4
3.2
TnofF1.eps
59 × 62 mm
3.0
3.4
3.2
2.8
2.6
2.6
3.5
4.0
4.5
TpofF.eps
61 × 62 mm
3.0
2.8
2.4
3.0
Monte Carlo
analytical
3.6
Log(Tp [K])
Log(Tn [K])
3.8
Monte Carlo
analytical
2.4
3.0
5.0
3.5
4.0
Log(E [V/cm])
4.5
5.0
5.5
Log(E [V/cm])
Abhängigkeit der Ladungsträger-Temperatur von der Feldstärke, Elektronen (links) und
Löcher (rechts).
Die Elektronentemperatur steigt linear mit der Feldstärke an. Für die
Driftgeschwindigkeit der Elektronen ergibt sich
µ0 E
A)
vD = '
B)
vD = vsat,n .
1 + const 3k2e
µ0 E 2
B TL
,
7.4.2 Empirische Modelle für Bauelemente-Simulation
Mit A) und Ersetzen der Konstanten durch const → 3kB TL µ0 /(2ev2sat,n )
erhält man eine feldabhängige Beweglichkeit der Form
µlow
µ(E) = 2 1/2 .
µlow E
1 + vsat
Diese wird zum Fit-Modell verallgemeinert (Caughey, Thomas, 1967)
µ(E) = 1+
µlow
µlow E
vsat
β 1/β
.
(7.9)
7.4 Beweglichkeit heisser Ladungsträger
119
Log( Hole Drift Velocity [cm/s] )
Log( Electr. Drift Velocity [cm/s] )
7.6
7.4
7.2
7.0
6.8
vsat.eps
62 × 59 mm
6.6
6.4
6.2
6.0
5.8
5.6
T=100K
T=200K
T=300K
T=400K
T=450K
7.0
6.8
6.6
6.4
6.0
5.8
5.6
5.4
3
4
5
Log( Field Strength [V/cm] )
6
vsatpdop.eps
62 × 60 mm
6.2
3
4
pure
16
−3
10 cm
17
−3
10 cm
18
−3
10 cm
19
−3
10 cm
5
Log( Field Strength [V/cm] )
Sättigung der Driftgeschwindigkeit bei verschiedenen Gitter-Temperaturen (Elektronen,
links) und bei verschiedenen Dotierungskonzentrationen (Löcher, rechts).
Im Energie-Balance-Modell verwendet man auch Modelle als Funktion
der Ladungsträger-Temperatur. Aus (7.9) erhält man sofort ein temperaturabhängiges Modell, wenn man die Feldstärke durch Tn − TL ausdrückt,
z.B. für “sehr heisse” Elektronen:
E=
3kB Tn − TL
.
2e τE,n vsat,n
120
Beweglichkeit kalter und heisser Ladungsträger
drift velocity (arb. units)
Veranschaulichung “velocity overshoot”
overshoot.ID.epsi
85 × 61 mm
time (arb. units)
Veranschaulichung “velocity overshoot”. Die zufälligen Geschwindigkeiten der Elektronen sind durch die Pfeile symbolisiert. Zur Zeit t = 0 wird ein starkes elektrisches
Feld eingeschaltet. Die Elektronen werden beschleunigt und für eine kurze Zeit so gut
wie nicht gestreut (Tn = TL ). Deshalb bleiben die zufälligen Geschwindigkeiten klein.
Da alle Elektronen in dieselbe Richtung fliegen, kann jedoch eine grosse mittlere Driftgeschwindigkeit erreicht werden. Nachdem die Streuung einsetzt, werden Impulse und
Energien immer mehr zufällig verteilt und die mittlere Driftgeschwindigkeit nimmt ab.
Gleichzeitig wachsen die zufälligen Geschwindigkeiten immer weiter an, d.h. Tn TL .
Die Zeitskala ist typischerweise in Picosekunden, die maximale Driftgeschwindigkeit
beträgt einige 107 cm/s bis 108 cm/s.
Strahlungslose Rekombination
8
8.1 Tiefe Störstellen
Quantenmechanik: Ultra-Short Course IV
Energieniveau einer tiefen Störstelle
Punktförmige Defekte wie Vakanzen, Si-Atome auf Zwischengitterplatz
oder Metallatome auf Gitterplatz bezeichnet man als tiefe Störstellen.
Das Störpotential solcher Zentren ist stark lokalisiert (“δ-förmig”) und
führt zu gebundenen Zuständen, die ebenfalls in einem Gebiet weniger
Elementarzellen lokalisiert sind. Wir bezeichnen den Operator des Störpotentials mit U (r). Die Lösung der Schrödinger-Gleichung
Ĥ0 +U (r) Φ(r) = E Φ(r) ,
wobei Ĥ0 der Kristall-Hamiltonoperator ist, liefert die Eigenenergien,
d.h. die Bindungsenergien der an solchen Störstellen gebundenen Elektronen oder Löcher. Wir stellen die gesuchten Wellenfunktionen in der
Basis der Bloch-Zustände dar (den Eigenfunktionen von Ĥ0 ):
Φ(r) =
∑ k ν |Φ ψν,k (r)
k ν
mit k ν |Φ =
Z
d 3 r ψ∗ν ,k (r ) Φ(r ) .
(8.1)
Einsetzen in die Schrödinger-Gleichung ergibt zunächst
∑ k ν|Φ
kν
Eν (k ) − E ψν ,k (r) +U (r) ∑ k ν |Φ ψν ,k (r) = 0 .
k ν
121
122
Strahlungslose Rekombination
Nach Multiplikation mit ψ∗ν,k (r) und räumlicher Integration folgt
ν + ∑ k ν |Φ kν|U (r)|k ν = 0
∑ k ν |Φ Eν (k ) − E kν|k
!" # kν
kν
δkk δνν
[Eν (k) − E] kν|Φ + ∑ k ν |Φ kν|U (r)|k ν = 0
k ν
Zur Vereinfachung beschränken wir uns auf ein Band (ν = ν = ν0 ,
Einband-Näherung) und approximieren das Matrixelement mit U (r)
durch eine Konstante U0 :
kν0 |U (r)|k ν0 ≈ U0 .
Dies ist für sehr stark lokalisierte Störpotentiale gerechtfertigt, weil in
dem Fall alle k-Vektoren aus der 1. BZ gleichermassen beitragen. Die
Eigenwertgleichung vereinfacht sich damit zu
kν0 |Φ =
∑kν0|Φ
k
=
U0
k ν0 |Φ ,
E − Eν0 (k) ∑
k
U0
∑ E − Eν (k) ∑ k ν0|Φ .
k
0
k
In der letzten Zeile wurde über alle k summiert. Wenn Φ ein Eigenzustand zur Eigenenergie E ist, dann ist Φ = 0 und man darf durch die
linke Seite dividieren. Das Ergebnis ist eine Säkulargleichung für das
Energieniveau E der tiefen Störstelle:
1
1
=∑
U0
k E − Eν0 (k)
(8.2)
(0)
Sei ν0 = v (Valenzband) und der Energie-Nullpunkt Ev = 0. Die
(0)
graphische Lösung der Gleichung (13.6) für E > Ev liefert einen
Schnittpunkt bei E = Et . Das “tiefe Niveau” liegt um so tiefer im Gap,
je grösser U0 ist (siehe Abb.). Allerdings ist die Einband-Näherung meist
nicht gerechtfertigt, da das Potential tiefer Störstellen die Bänder koppelt.
8.1 Tiefe Störstellen
123
inverse energy
Σk E
1
E v (k)
1
U0
deeplev.ID.epsi
65 × 47 mm
0
Et
Eg
E
Graphische Lösung der Säkulargleichung (13.6).
Vakanz in Silizium
anti-bindende Zustände
vakanz.ID.epsi
117 × 82 mm
V0-
T2
sp3
bindende Zustände
+
V2+
Dehybridisierung
(bindende Linearkombinationen von sp3 Hybridorbitalen)
V+0
(Aufhebung der
Linearkombination)
V+0
A1
Gitterrelaxation +
Elektron-Elektron-WW
vor der Ionisation
nach der Ionisation
• Tiefe Störstellen spielen entscheidende Rolle für die Rekombination
in Halbleitern.
Einfang eines Elektrons und eines
Lochs = Rekombination
genrecschema.ID.epsi
40 × 22 mm
Erzeugung
eines
Elektrons und eines
Lochs = Generation
124
Strahlungslose Rekombination
• Wo bleibt die bei der Rekombination freiwerdende Energie?
- Strahlung: Emission eines Photons (im indirekten Halbleiter
Silizium jedoch geringe Wahrscheinlichkeit)
- Anregung eines zweiten Elektrons oder Lochs (AugerRekombination, nur bei grossen Ladungsträgerdichten)
- Phononen (Wärme)
- andere (z.B. Defekt-Reaktionen)
total energy
• Bei Umwandlung in Wärme ergibt sich folgendes Problem: Et ≈
Eg /2 ≈ 0.56 eV aber (!!) ~ω ph ≈ 0.06 eV . =⇒ Die Rekombination eines Elektron-Loch-Paares kann nur unter gleichzeitiger
Emission vieler Phononen erfolgen. Man spricht von MultiphononRekombination.
Ec
confcoord.ID.epsi
109 × 72 mm
Et
hωph
Ev
|
|
|
Qc,p
Qt
0
Qc,n
configuration coordinate
Multiphonon-Rekombination im Konfigurations-Koordinaten-Diagramm. Im linken
Teil ist der elektronische Anteil der Gesamtenergie dargestellt, rechts die totale Energie (elektronischer Anteil plus potentielle Energie des harmonischen Oszillators). Die
Gitterschwingungen sind durch eine representative Auslenkung Q des Oszillators und
eine effektive Phononenergie ~ω ph beschrieben. Ein Elektron rekombiniert mit einem
Loch durch den Übergang c → t → v. Dabei relaxiert das Gitter, was mit einer Verschiebung der Gleichgewichtslage des Oszillators einhergeht: 0 → Qt → 0. Infolge der
starken Elektron-Phonon-Kopplung sind Übergänge an den Schnittpunkten Qc,n und
Qc,p der Potentialparabeln möglich. In der Nähe der Schnittpunkte befindet sich das
System in einem vibronisch hochangeregten Zustand und relaxiert unter Emission vieler
Phononen.
8.2 Generations-Rekombinationsraten für Band-Band- und Band-Trap-Übergänge 125
8.2 Generations-Rekombinationsraten für Band-Band- und
Band-Trap-Übergänge
Die Rate kann mit dem 0. Moment des Stossterms der BoltzmannGleichung berechnet werden. Das Nichtgleichgewicht wird durch ortsabhängige Quasi-Fermi-Niveaus für Elektronen und Löcher beschrieben.
Dahinter steckt die Annahme, dass sich die Ladungsträger in ihren jeweiligen Bändern untereinander (lokal) im thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Solange die Impuls-Relaxationszeiten der Intra-Prozesse
klein gegen die Zeitkonstanten der Generation/Rekombination bleiben,
ist diese Annahme gerechtfertigt. Sie ist im übrigen die Voraussetzung dafür, dass man separate Transportgleichungen für Elektronen und
Löcher aufschreiben darf.
Band-Band-Übergänge
Da die Anfangs- und Endzustände in den Bändern liegen, lautet der
Stossterm
Z
∂n
= d 3 k ∑ Sk k fv (k ) [1 − fc (k)] − Skk fc (k) 1 − fv (k ) .
∂t coll
k
Unter Benutzung parabolischer Bänder kann man von der k-Integration
zur Energie-Integration übergehen. Dabei entstehen ZustandsdichteFaktoren (vgl. (5.24)), allerdings ohne den Faktor 2 vom Spin, da der
Spin erhalten bleibt. Man erhält
∂n
∂t
=
coll
(0)
Z∞
Ev
Z
dEc
(0)
Ec
dEv S̃(Ec , Ev ) Dc (Ec ) Dv (Ev ) ×
−∞
× { fv (Ev ) [1 − fc (Ec )] − fc (Ec) [1 − fv (Ev )]} = G − R
Rekombinationsterm:
R = n p S̃
mit
R R
dEc dEv S̃ Dc Dv fc (1 − fv )
.
S̃ = R R
dEc dEv Dc Dv fc (1 − fv )
Wir betrachten im folgenden Maxwell-Boltzmann-Statistik, d.h.
fc (Ec ) 1 und 1 − fv (Ev ) 1. Dann kürzen sich im Ausdruck für
S̃ alle Exponential-Funktionen, die von den Quasi-Fermienergien EF,n
126
Strahlungslose Rekombination
und EF,p abhängen, heraus. S̃ ist deshalb eine dichte-unabhängige
Konstante.
Generationsterm: G = const , denn fv (Ev) [1 − fc (Ec )] ≈ 1.
Im Gleichgewicht gilt G = R. Daraus kann man die Konstante bestimmen:
G = Req = n2i,e f f S̃ da n p = n2i,e f f im thermodyn. Gleichgewicht.
Die Netto-Rate für Band-Band-Rekombination wird damit
R − G = n p − n2i,e f f S̃ .
(8.3)
Die konkrete Form von S̃ hängt vom jeweiligen RekombinationsMechanismus ab (strahlende Rekombination, Band-Band-AugerRekombination, ...).
Band-Trap-Übergänge
Betrachten identische, nicht wechselwirkende tiefe Störstellen mit einem
Energieniveau Et . Die Dichte der besetzten Traps ist nt = Nt ft , wobei
Nt die Trap-Dichte und ft die Besetzungswahrscheinlichkeit ist. Die Zustandsdichte der Traps hat die Form Dt (E) = Nt δ(E − Et ). (Es existiert
nur ein diskretes Energieniveau, das besetzt werden kann.) Wegen der δFunktion kann ein Energie-Integral ausgewertet werden. Für Übergänge
zwischen Leitungsband und Trapniveau erhält man
Rekombinationsterm:
R = Nt
Z∞
dEc S̃(Ec , Et ) Dc (Ec ) fc (Ec )(1 − ft ) bzw.
(0)
Ec
R = Nt (1 − ft ) n S̃ mit
R∞
(0) dEc S̃(Ec , Et ) Dc (Ec ) f c (Ec )
def
Ec
R∞
.
S̃ = cn =
(0) dEc Dc (Ec ) f c (Ec )
Ec
cn heisst Einfang-Koeffizient (für Elektronen), Masseinheit ist cm3 /s.
8.3 Raten-Gleichungen
127
Generationsterm:
G = Nt
Z∞
dEc S̃(Et , Ec ) Dc (Ec ) [1 − fc(Ec )] ft
(0)
Ec
= Nt ft const(Et ) für Maxwell-Boltzmann-Statistik
G = Nt ft en .
(8.4)
en heisst Emissionsrate (für Elektronen), Masseinheit ist 1/s. Im Gleichgewicht gilt G = R. Daraus kann man en bestimmen:
R − G |eq = Nt 1 − ft0 n0 cn − Nt ft0 en = 0
=⇒
def
en = cn n1 mit n1 = n0
1 − ft0
.
ft0
Die Netto-Rate für Trapping (von Elektronen) wird damit
R − G = (Nt − nt ) n cn − nt n1 cn .
(8.5)
Der Ausdruck für das Trapping von Löchern ist analog.
8.3 Raten-Gleichungen für Trapping und Shockley-ReadHall (SRH)-Rekombination
Die totale zeitliche Änderung der Dichte besetzter Traps ist
∂
nt = R(n) − G(n) − R(p) + G(p) .
∂t
(8.6)
Die ersten beiden Terme beschreiben den Einfang und die Emission von
Elektronen (Trapping-Rate für Elektronen), die letzten beiden Terme den
Einfang und die Emission von Löchern (Trapping-Rate für Löcher).
Trapping
Sind die Traps Elektronen-Traps, d.h. cn c p , en e p , reduziert sich
Gleichung (8.6) auf
∂
nt = (Nt − nt ) n cn − nt en .
∂t
128
Strahlungslose Rekombination
Diese Gleichung ist zusätzlich zu und selbstkonsistent mit den TransportGleichungen des benutzten Transport-Modells zu lösen. Die neue (zusätzliche) Variable ist nt (oder äquivalent dazu ft ). Solange die von aussen
induzierten zeitlichen Änderungen viel langsamer sind als (n cn )−1 bzw.
e−1
n , kann man ∂nt /∂t vernachlässigen (stationärer Fall) und ft explizit
angeben:
1
.
ft =
1 + necnn
Die Rekombinationsrate wird damit im stationären Fall
Nt en
n n1
R(n) = Nt (1 − ft ) n cn =
en =
1 + n cn
τn (n + n1 )
mit der Lebensdauer
τn =
1
.
Nt cn
Shockley-Read-Hall-Rekombination
Handelt es sich bei den tiefen Störstellen um sogenannte Rekombinationszentren, d.h. gilt cn ≈ c p und en ≈ e p , erhält man im stationären Fall aus
Gleichung (8.6)
1
ft =
en +c p p .
1 + e p +cn n
Da im Gleichgewicht auch die Netto-Rate für Löcher Null sein muss, hat
man zusätzlich eine Beziehung zwischen e p und c p
e p = c p p0
ft0
ft0
def
=
c
p
mit
p
=
p
.
p
1
1
0
1 − ft0
1 − ft0
Die Elektronen-Netto-Rekombinationsrate im stationären Fall wird
Nt cn c p
(n p − n1 p1 ) .
R(n) − G(n) |stat =
cn (n + n1 ) + c p (p + p1 )
Wegen n1 p1 = n0 p0 = n2i,e f f und mit Einführung von Minoritätsladungsträger-Lebensdauern τn,p = (Nt cn,p )−1 wird daraus
R(n) − G(n) |stat =
(Shockley, Read, Hall, 1952).
n p − n2i,e f f
τ p(n + n1 ) + τn (p + p1 )
(8.7)
8.4 SRH-Lebensdauern
129
Spezialfälle:
A) schwaches Nichtgleichgewicht: n = n0 + δn, p = p0 + δp. Für pdotiertes Silizium (n0 p0 ) wird dann
R =
≈
(n0 + δn)(p0 + δp) − n0 p0
n0 δp + p0 δn
=
τ p(n0 + n1 ) + τn (p0 + p1 )
τ p (n0 + n1 ) + τn (p0 + p1 )
δn
p0 δn
≈
.
τn (p0 + p1 )
τn
=⇒ Die Lebensdauern der Minoritäten bestimmen die Rekombinationsrate!
B) gesperrter pn-Übergang: n p n2i in Raumladungszone. Sei τn ≈
τ p ≡ τ =⇒
R=−
Eg
n2i
ni
≈−
falls Et ≈
.
τ(n1 + p1 )
2τ
2
C) Elektron-Loch-Plasma: n p = n2 n2i =⇒
R=
n
δn
≈
für δn n0 (Hoch-Injektion.)
τ p + τn τ p + τn
8.4 SRH-Lebensdauern
Dotierungsabhängigkeit
Die SRH-Lebensdauern τn,p sind technologie-abhängige Parameter. Sie
hängen insbesondere von der Defektdichte Nt ab, die räumlich variiert.
Dies folgt aus der Definition τn,p = (Nt cn,p )−1 . Für die BauelementeSimulation bedeutet dies, dass es eigentlich keine “default-Werte” der
Lebensdauern gibt. Man findet jedoch empirisch eine Korrelation zwischen Dotierung (flache Störstellen!) und SRH-Lebensdauern (tiefe Störstellen). Grund ist, dass Technologie-Schritte wie Implantation oder
Eindiffusion immer auch zu einer Erhöhung der Dichte von Punktdefekten führen. Eine einfache empirische Beziehung, die diesen Effekt
wiedergibt, lautet
τn0
τn (NA ) =
A
1 + NN
A,re f
mit z.B. τn0 = 3 × 10−5 s und NA,re f = 1017 cm−3 .
130
Strahlungslose Rekombination
Feldabhängigkeit: “trap-assisted tunneling”
Die SRH-Rekombination ist besonders effektiv in Raumladungszonen,
in denen die elektrische Feldstärke gross werden kann. Dann führt der
Tunneleffekt zu einer Erhöhung der Übergangswahrscheinlichkeit. Die
Rekombination/Generation ist nicht mehr lokal, sondern kann im Limes
sehr hoher Felder sogar zum resonanten Tunneln über das tiefe Niveau
“entarten” (sh. Abb.). Solange der thermische Einfang (bzw. die thermielectric field
tat.ID.epsi
82 × 38 mm
trap-assisted tunneling
E=0
resonant tunneling
sche Emission) gegenüber dem Tunneleffekt dominiert, ist das Konzept
von field-enhancement-Faktoren sinnvoll, d.h.
−1
τ−1
ν (E) = τν0 γν (E) ,
ν = n, p
|
|
|
|
|
|
|
||
10-4
|
wobei E die lokale Feldstärke ist.
|
10-10
|
|
|
10-9
|
|
|
|
10-8
lifetimevsfield.epsi
62<100>
× 50 mm
defect-assisted
tunneling
break.epsi
65 × 50 mm
<110>
|
|
10-7
<111>
|
10-6
|
0.2
|
0.4
|
0.6
|
0.8
|
1.0
|
1.2
|
|
|
Electron Lifetime τn [s]
Si:Au
10-5
1.4
Electric Field [MV/cm]
Links: Abhängigkeit der Lebensdauer von der Feldstärke am Beispiel der GoldStörstelle in Silizium. Rechts: Simulierte Dioden-Kennlinien. Der Avalanche-Durchbruch bei etwa 9 V setzt nicht abrupt ein, sondern der Sperrstrom steigt wegen des trapassistierten Tunnelns stetig an.
Auger-Rekombination
9
• Elektron-Elektron-Stösse (bzw. Loch-Loch-Stösse) induzieren Rekombination von Elektron-Loch-Paaren. Die bei der Rekombination freiwerdende Energie wird nicht direkt, wie im Fall der SRHRekombination, in Wärme umgewandelt, sondern zur Anregung
eines Elektrons oder Lochs in einen Zustand hoher Energie verbraucht.
• Auger-Rekombination ist ein Drei-Teilchen-Prozess, entweder
“eeh” oder “hhe”.
• Die Rate wird vom Produkt aus allen drei Besetzungswahrscheinlichkeiten bestimmt.
• Die Zahl der möglichen Übergänge wird durch die Restriktionen der
Energie- und Impulserhaltung stark eingeschränkt. Für eine direkte,
parabolische Bandstruktur können die Ladungsträger wegen der Impulserhaltung nicht aus der energetisch tiefsten Lage an der Bandkante heraus rekombinieren. Es ist eine zusätzliche Aktivierungsenergie erforderlich, die für den eeh-Prozess Ea = mc /(mc + mv )Eg
beträgt.
• In indirekten Halbleitern, wie Silizium, erhöht sich die Zahl der
möglichen Übergänge. Infolge des hohen Impulsaustausches sind
jedoch die quantenmechanischen Übergangswahrscheinlichkeiten
um ca. 5 Grössenordnungen kleiner als in direkten Halbleitern. In
Silizium verschwindet die Aktivierungsenergie für den eeh-Prozess
wegen der besonderen Leitungsbandstruktur.
• Auger-Rekombination kann ein reiner Band-Band-Prozess sein, unter Beteiligung von Phononen ablaufen, oder auch über Zwischenzustände, die an tiefen Störstellen lokalisiert sind (trap-assisted
Auger recombination).
131
132
Auger-Rekombination
E
E
E
2’
1
2
augertransitions.ID.epsi
2’
121
1’ × 56 mm
2
k
1’
2’
k
1
eeh (n-type)
1
2
k
1’
hhe (n-type)
hhe (p-type)
Auger-Übergänge bei direkter, parabolischer Bandstruktur. Links: Stoss zweier Leitungsband-Elektronen (1 und 2), Anregung von 2 nach 2’ und gleichzeitige Rekombination von 1 mit dem Loch 1’. Mitte: Stoss eines Leitungsband-Elektrons 2 mit einem
energetisch tiefliegenden Valenzelektron 1, das angeregt wird. Rechts: Loch-LochStoss mit Anregung eines heissen Lochs.
In n-dotiertem Material sind die Rekombinationsraten proportional zum
Produkt der Dichten der drei beteiligten Teilchensorten, also
Reeh,n = Cn p n2
Rhhe,n = C p p2 n ,
mit Auger-Koeffizienten Cn,p . Die Gesamtrate wird damit
Auger
Rn−type = Cn p n2 +C p p2 n
(9.1)
• Bei phonon-assistierter Auger-Rekombination starke Aufhebung
der Beschränkungen bzgl. Energie- und Impulserhaltung, aber dafür
Vier-Teilchen-Prozess (Übergangswahrscheinlichkeit 2. Ordnung).
phonassauger.ID.epsi
74 × 38 mm
• Bei ausreichender Dichte von Rekombinationszentren konkurriert die trap-assistierte Auger-Rekombination mit der SRHRekombination.
133
• Die Auger-Koeffizienten Cn,p sind nur solange als unabhängig
von den Ladungsträgerdichten anzusehen, wie die CoulombWechselwirkung zwischen Elektronen und Löchern vernachlässigt
werden kann. In Elektron-Loch-Plasmen, wie z.B. bei starker
Injektion in Bipolar-Transistoren, beobachtet man ein excitonic
enhancement der Auger-Rekombination. Die physikalische Ursache ist eine durch die Anziehung von Elektron und Loch bedingte
Lokalisation der Wellenfunktionen, die zu einer Erhöhung der
quantenmechanischen Übergangswahrscheinlichkeiten führt.
Auger-Lebensdauern
Minoritätsladungsträger-Lebensdauern:
δp
δp
1
≈
−→
bei Hoch-Injektion ,
Au
2
R
Cn p n
Cn n2
δn
δn
1
=
≈
bei Hoch-Injektion .
−→
Au
2
R
Cp p n
C p p2
τn−type =
τ p−type
Ambipolare Lebensdauern:
n = p im Plasma =⇒ RAu = (Cn +C p ) n3 = Ca n3
τa =
1
Ca n2
da im Plasma natürlich die Hoch-Injektions-Bedingung gilt. Gemessene
Werte für die Auger-Koeffizienten Cn,p kann man der Tabelle entnehmen.
Die Abbildung zeigt gemessene ambipolare Auger-Koeffizienten Ca als
Table 9.1: Auger-Koeffizienten bei verschiedenen Temperaturen (Dziewior und Schmid,
1977).
T
Cn / cm6 s−1
C p / cm6 s−1
77 K
2.3 × 10−31
7.8 × 10−32
300 K
2.8 × 10−31
9.9 × 10−32
400 K
2.8 × 10−31
1.2 × 10−31
Funktion der Dichte der freien Ladungsträger. Die Kurve deutet das erwartete Verhalten aufgrund des excitonic enhancement an.
Auger-Rekombination
Ambipolar Auger coefficient [ cm 6 s -1 ]
134
1x10-29
2
17 16 15
19 14
10
-30
8
11
1x10
5
13
4
18
7
3
1
auger-mess.epsi
89 × 79 mm
12
6
9
room temperature
1x10-31
15
10
16
10
17
10
18
10
19
10
10
20
Injection density [ cm- 3 ]
Messungen des ambipolaren Auger-Koeffizienten als Funktion der Plasma-Dichte.
Stossionisation
10
10.1 Ionisations-Schwellenenergien
E
E
E i (k i )
impact.ID.epsi E (k )
c 3
102 × 53 mm
E c(k2 )
k
E v(k1 ) k
vor dem Stoss
nach dem Stoss
Stossionisation initiiert durch ein “heisses” Elektron der Energie Ei (ki ). Beim Stoss
wird ein Valenzelektron herausgeschlagen und ins Leitungsband gehoben, wodurch
ein Loch im Valenzband zurückbleibt. Das initiierende Elektron verliert dabei die
Ionisations-Schwellenenergie. Nach dem Stoss verbleiben zwei “kalte” Elektronen und
ein “kaltes” Loch.
Energie-Bilanz:
Ei (ki ) − Ec (k3 ) = Ec (k2 ) − Ev (k1 ) + ∑ a j ~ω ph (q j )
j
Impuls-Bilanz:
ki − k3 = k2 − k1 + ∑ a j q j
a j ganze Zahlen, auch Null
j
Die Ionisations-Schwellenenergie ergibt sich durch Minimierung von
135
136
Stossionisation
Ei (ki ). Dabei genügt es, Phonon-Absorption zu betrachten, d.h. a j ≤ 0
für alle j.
dki = 0 =⇒ dk1 = dk3 + dk2 + ∑ a j dq j ,
(10.1)
j
dEi = 0 =⇒ dk1 · ∇k1 Ev (k1 ) = dk3 · ∇k3 Ec (k3 ) + dk2 · ∇k2 Ec (k2 ) +
+ ∑ a j dq j · ∇q j ~ω ph (q j ) . (10.2)
j
Benutzt man die Definition der Gruppengeschwindigkeit vg =
~−1 ∇k E(k) und w j = ∇q ω ph (q j ), wird aus der letzten Gleichung
0 = −dk1 · v1 + dk3 · v3 + dk2 · v2 + ∑ a j dq j · w j .
j
Setzt man hier für dk1 die Gleichung (10.1) ein, so erhält man
0 = dk3 · (v3 − v1 ) + dk2 · (v2 − v1 ) + ∑ a j dq j · (w j − v1 ) .
j
Wegen der linearen Unabhängigkeit von dk2 , dk3 und dq j folgt
v1 = v2 = v3 = w j für alle j.
(10.3)
Alle resultierenden Teilchen müssen dieselbe Gruppengeschwindigkeit
haben! Prozesse mit Phononen-Beteiligung sind stark erschwert, da die
w j klein sind und die Elektronen bzw. Löcher daher auf eine kleine
Umgebung der Bandextrema eingeschränkt werden. Wir betrachten im
folgenden nur Stossionisation ohne Phononen-Beteiligung.
Die Bedingung (10.3), die dann v1 = v2 = v3 lautet, ist jedoch noch
nicht hinreichend. Sie sichert die Existenz einer minimalen Energie
Emin (ki ), die aber nicht automatisch eine erlaubte Energie in irgendeinem Leitungsband zu sein braucht!
Beispiel:
Zwei direkte, parabolische Bänder mit effektiven Massen mc und mv
−
kv
kc2 kc3 Bez. kc
=
=
=
mv
mc
mc
mc
da v1 = ~−1 ∇k Ev (k) = −
oder
kv = −γ kc
mit γ =
mv
.
mc
~kv
mv
,
10.1 Ionisations-Schwellenenergien
137
An der Ionisationsschwelle ist dann wegen des Energie- und Impulserhaltungssatzes (mit dem Energie-Nullpunkt Ec (k = 0) = 0)
ki = 2 kc − kv = kc (2 + γ) ,
~2 kc2
Emin (ki ) = Eg +
(2 + γ) .
2mc
Emin (ki ) muss ein erlaubter Energiewert im Leitungsband sein
Ec (ki ) =
~2 ki2
2mc
=
~2 kc2
2mc
(2 + γ)2 .
(10.4)
Aus der Bedingung Emin (ki ) = Ec (ki ) erhält man kc :
~2 kc2
2mc
=
Eg
.
(2 + γ)(1 + γ)
Einsetzen in (10.4) ergibt die Schwellenenergie Eth,n für den elektroneninduzierten Prozess:
Eth,n = Eg
2+γ
.
1+γ
(10.5)
Bei gleichen Massen (γ = 1) ergibt sich Eth,n = 3Eg /2. Für den löcherinduzierten Prozess hat man γ durch 1/γ zu ersetzen und erhält Eth,p =
Eg (1 + 2γ)/(1 + γ). Unabhängig von γ ist Eth,n + Eth,p = 3Eg .
Table 10.1: Schwellenenergien (in eV) in Silizium für Stossionisation ohne PhononenBeteiligung, berechnet für verschiedene kristallographische Richtungen auf der Basis
einer realistischen Bandstruktur (Anderson, Crowell, 1972). N - Normal-Prozess, U Umklapp-Prozess, ∗ - initialisierendes Teilchen kommt aus einem höheren Band.
electrons
holes
100
1.1 U
1.5 N
1.6 U∗
1.8 N
2.1 N∗
111
3.1 U∗
3.3 U∗
3.5 U∗
2.9 N∗
4.4 N∗
4.7 N∗
110
2.1 U
4.0 N∗
4.2 U∗
1.8 N
4.0 N∗
4.1 N∗
138
Stossionisation
10.2 Stossionisationsrate und -koeffizienten
• Für die Stossionisationsrate macht man folgenden heuristischen
Ansatz:
GII = αn n vn + α p p v p .
(10.6)
(“II” steht dabei für “Impact Ionization”.) Die Koeffizienten
αn,p heissen Stossionisations-Koeffizienten (Masseinheit: 1/cm).
Anschaulich interpretiert man sie als reziproke mittlere freie
Weglängen zwischen zwei Stössen, die zur Generation eines
Elektron-Loch-Paars führen.
• Die mikroskopische Definition der Streurate (1/s) lautet für den
elektronen-induzierten Prozess
1
τII,n
1
=
n
Z∞
dE
Eth,n
1
Dc (E) fc (E) ,
τII,n(E)
womit man αn gemäss αn = 1/(τII,nvn ) berechnen kann.
Dazu braucht man neben der Schwellenenergie Eth,n die
Energie-Abhängigkeit der Streurate 1/τII,n(E) und die korrekte
Nichtgleichgewichts-Verteilungsfunktion fc (E). Dabei ist die “Vorgeschichte” der Elektronen, bevor sie die Schwellenenergie Eth,n
erreichen, entscheidend, denn diese bestimmt den hochenergetischen Ausläufer der Verteilungsfunktion.
• Modelle für die Energie-Abhängigkeit von τ−1
II (E):
−1
τ−1
Stufenfunktion
II (E) = τII (Eth ) Θ(E − Eth )
p
E − Eth
−1
(Keldysh, 1960)
τ−1
II (E) = B τII (Eth )
Eth
(i) 2
3
E
−
E
(i)
(i)
th
τ−1
(Cartier et al., 1993)
II (E) = ∑ Θ(E − Eth ) P
(i)
Eth
i=1
(i)
mit folgenden Parametern für Silizium: Eth = 1.2 eV, 1.8 eV, 3.45 eV ;
P(i) = 6.25 × 1010 s−1 , 3.0 × 1012 s−1 , 6.8 × 1014 s−1 .
10.2 Stossionisationsrate und -koeffizienten
139
15
IONIZATION RATE (s -1)
10
14
10
quyield.epsi
65 × 71 mm
13
10
12
10
11
10
rate.ID.epsi///PS
53 × 51 mm
10
10
9
10
1
2
3
4
5
KINETIC ENERGY (eV)
Links: Stossionisationsrate nach dem Modell von Cartier. Rechts: Mit der Technik
der Ladungsträger-Separation gemessener quantum yield für Elektronen ( = Zahl der
generierten Elektronen pro Zahl der Initial-Elektronen).
• Ansätze für die Verteilungsfunktion fc (E):
(Wolff, 1954) Heated Maxwellian für fc (E), aber
const
Annahme, dass Energie-Relaxation nur durch
αi ∼ exp − 2
|E |
Stossionisation erfolgt (τII τ ph ).
(Shockley, 1961) “Lucky Electron”-Modell. Ge genteilige Annahme, d.h. zu f (E) tragen nur
c
αi ∼ exp − const
solche
Elektronen
wesentlich
bei,
die nicht mit
|E|
Phononen gestossen haben (“lucky”), die also Eth
ballistisch erreichen.
• Physikalische Erläuterung des “Lucky Electron”-Modells
Die Beschleunigungsstrecke LI , die gebraucht wird, um Eth ballistisch zu erreichen, ergibt sich aus
Eth =
Z LI
0
dx F(x) .
F(x) ist die auf das Elektron einwirkende elektrische Kraft. Im
konstanten elektrischen Feld ist dann LI = Eth /F. Die tatsächliche
freie Weglänge L∗I ist grösser, da Elektron-Phonon-Stösse die
Ladungsträger ständig wieder zurückwerfen: L∗I = LI /P, wobei
140
Stossionisation
P die Wahrscheinlichkeit ist, dass auf der Strecke LI kein Stoss
passiert. P ist in Gleichung (2.10) (Monte-Carlo-Methode) schon
einmal angegeben worden:
Z
t
1
.
P(t) = exp − dt ph
0
τtot (k)
Mit der Transformation
F
dt dE dE
k̇ = ~vg = vg F
=
dt →
dE ;
dE
dt
dk
~
da nach Newtonschem Grundgesetz ~k̇ = F und ausserdem
dE/dk = ~vg gilt, folgt
Z
Eth
1
1
dE
.
P = exp −
ph
F vg τtot
E0
(E)
Shockley benutzte E0 = 0 und eine konstante mittlere freie Wegph
länge für Stösse mit optischen Phononen lop = vg τtot , so dass
Eth
.
P = exp −
F lop
Zur Startzeit des ballistischen Fluges t = 0 ist jedoch k = k0 , da
k(t) = k0 + F t/~. Daher nimmt man besser an, dass die Teilchen
mit einer mittleren thermischen Energie E0 = 3kB Tc /2 starten. Setzt
man weiterhin das elektrische Feld als räumlich konstant voraus,
erhält man für den Stossionisations-Koeffizienten
P
F
Eth − 3kB Tc /2
1
=
exp −
.
(10.7)
α= ∗ =
LI
LI Eth
F lop
10.3 Modelle für die Stossionisationskoeffizienten
Lokal-Feld-Modell
Das am meisten benutzte Modell (Chynoweth-Modell) ist die aus Gleichung (10.7) abgeleitete Fitformel
− b
α = α∞ e | E |
(10.8)
(Chynoweth, 1958). Parameter für den elektronen-induzierten Prozess:
α∞,n = 7 × 105 cm−1 , bn = 1.23 × 106 V /cm.
10.4 Avalanche-Durchbruch
141
Lokal-Temperatur-Modell
Ersetzt man das lokale elektrische Feld durch die lokale Temperatur der
Ladungsträger, erhält man mit (7.8) für “sehr heisse” Elektronen
− Tcrit
αn = α∞,n e Tn −TL .
Die Modellierung der Stossionisationsrate mit der phänomenologischen
Relation (10.6) und lokalen Modellen für α ist nur bedingt tauglich.
Literatur-Parameter stammen meist von Dioden mit weiten Raumladungszonen. In Kurzkanal-MOSFETs sind die Feldstärke-Peaks beim
Drain so scharf, dass trotz des grossen Wertes der Feldstärke die Beschleunigungsstrecke zu kurz sein kann (der sogenannte “dark space”-Effekt).
Dann wird die Rate in der Simulation überschätzt und der Substratstrom
kann u.U. um Grössenordnungen zu gross herauskommen.
10.4 Avalanche-Durchbruch
Betrachten 1D Kontinuitätsgleichungen für Elektronen und Löcher mit
Stossionisationsrate als einziger Generationsrate:
dJn
= (αn − α p ) Jn + α p J ;
dx
J = Jn + J p = const .
dJ p
= (αn − α p ) J p + αn J ,
dx
Die formale Lösung lautet (Beweis durch Differentiation)
Rx
Jn (x) = Jn0 e
dx (αn − α p ) + J
0
Rx
J p (x) = J p0 e W dx (αn − α p ) + J
Z x
0
Rx
dx α p e
Z W
x
x dx (αn − α p )
,
Rx
dx αn e
x dx (αn − α p )
mit den Randbedingungen Jn (0) = Jn0 und J p (W ) = J p0 . An den Rändern
der Raumladungszone wird der Gesamtstrom
R0
J(0) = Jn0 + J p0 e
W
RW
J(W ) = J p0 + Jn0 e
0
dx (αn − α p ) + J
dx (αn − α p ) + J
Z W
0
Z W
0
R0
x dx (αn − α p )
dx αn e
RW
dx α p e
x
,
dx (αn − α p ) .
In der Nähe des Durchbruchs kann man in der 1. Gleichung den
(thermisch generierten) Sperrstrom J p0 gegen den (stark vervielfachten)
142
Stossionisation
p
RLZ
avalanche.ID.epsi
91 × 52 mm
n
0
W
x
Elektronenstrom Jn0 vernachlässigen, in der 2. Gleichung den (thermisch generierten) Sperrstrom Jn0 gegenüber dem (stark vervielfachten)
Löcherstrom J p0 . Man definiert Multiplikationsfaktoren
Mn =
J
,
Jn0
Mp =
J
,
J p0
so dass
Z
R x W
1
−
=
dx αn e 0 dx (αn − α p ) ,
1−
Mn
0
Z W
R W 1
=
dx α p e x dx (αn − α p ) .
1−
Mp
0
(10.9)
(10.10)
Der Avalanche-Durchbruch ist durch den Limes Mn,p → ∞ definiert. Aus
den Gleichungen (10.9) und (10.10) folgt die Durchbruch-Bedingung
1=
1
ln(αn /α p)
Z W
0
dx (αn − α p ) .
Falls αn = γ α p mit γ = const, wird daraus
γ−1
ln γ
Z W
0
dx α p = 1 .
Diese Bedingung bedeutet im wesentlichen, dass α ∼ 1/W , d.h. die mittlere freie Weglänge zwischen zwei ionisierenden Stössen muss kleiner
sein als die Weite der Raumladungszone.
10.4 Avalanche-Durchbruch
1e−02
143
x
x
4
3
1e−04
current (A)
1e−06
1e−08
1e−10
1e−12
durchbr.eps
74 × 67 mm
1e−14
1e−16
x 2
1e−18
1e−20
−20
1
x
−15
−10
−5
0
voltage (V)
Strom-Spannungs-Kennlinie einer pn-Diode mit Avalanche-Durchbruch.
12
1e+20
4
band edge energy (eV)
−3
density (cm )
10
3
1e+15
electrons
holes
1e+10
1e+05
densities.eps
62 × 56 mm
2
1
1e+00
4
8
6
3
4
2
2
bandedges.eps
57 × 57 mm
0
−2
1
−4
1e−05
0.1
0.2
position (µm)
0.3
−6
0.1
0.2
0.3
position (µm)
Links: Elektronen- und Löcherverteilung für die in obigem Bild markierten Spannungen. Rechts: Verlauf der Bandkanten bei diesen Spannungen.
11 Metall-Halbleiter (MS)-Kontakt
11.1 Energieniveau-Schema vor Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts
M
a)
HL
χ
Φ
b)
E0
HL
E0
E FM
Ec
E FS
ΦB
M
Ec
E FS
E FM
Ev
Ev
0
c)
M
x
0
MSequ.ID.epsi
124 × 88 mm
HL
d)
E0
M
x
HL
E0
Ec
Ec
E FM
ΦB
E FS
Ev
E FS
Ev
0
E FM
0
x
x
Räumlicher Verlauf der Fermi-Niveaus von Metall und Halbleiter sowie der Bandkanten
des Halbleiters in einem Metall-Halbleiter-Übergang unmittelbar nach seiner Herstellung, also vor der Einstellung des Gleichgewichts. Fall a): n-Halbleiter mit EFS > EFM ,
Fall b): n-Halbleiter mit EFS < EFM , Fall c): p-Halbleiter mit EFS < EFM , Fall d):
p-Halbleiter mit EFS > EFM . χ ist die Elektronen-Affinität, Φ die Austrittsarbeit der
Elektronen im Metall.
144
11.2 MS-Kontakt im Gleichgewicht, Schottky- und Bardeen-Modell
145
• EFM < EFS ist der typische Fall für Metall-n-HL-Übergang (Fall a))
• EFM > EFS ist der typische Fall für Metall-p-HL-Übergang (Fall c))
• ΦB = Φ − χ heisst Schottky-Barriere
11.2 MS-Kontakt im Gleichgewicht,
Bardeen-Modell
Schottky- und
Energieniveau-Schema (Potentialverlauf)
• Zur Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts müssen
Elektronen (Löcher) aus dem Halbleiter ins Metall (und umgekehrt)
diffundieren.
• An der Grenzfläche entsteht eine Raumladung und damit ein
veränderliches elektrostatisches Potential ϕ(x).
ρ(x)
M
HL
x
rhox.ID.epsi
79 × 50 mm
• Wie gross ist die Ausdehnung der Raumladungsschicht im Metall?
Eine Abschätzung liefert die Abschirmlänge Ls , die in Kap. 6
im Zusammenhang mit der Abschirmung des Coulomb-Potentials
flacher Störstellen diskutiert wurde. Man erhält
√ π aB,e f f
Ls =
≈ 0.5 Å
2
kF
mit dem effektiven Bohrradius aB,e f f und dem Fermi-Impuls kF im
Metall. (Dazu muss man den Thomas-Fermi-Ausdruck
L−2
s =
4πe2 d n
εs d EFM
146
Metall-Halbleiter (MS)-Kontakt
für die Abschirmung und die Dichteformel im Grenzfall
vollständiger Entartung der Elektronen
∗
3/2
2m
1
E
n= 2
3π
~2 FM
benutzen.) Die Eindringtiefe der Raumladung ins Metall ist also
extrem klein, so dass man das Potential ϕ(x) im Metall praktisch als
konstant ansehen kann.
• Wenn sich an der Grenzfläche eine Dipolschicht ausbildet, dann erleidet das Potential dort einen Sprung ϕ(+0) − ϕ(−0). Wir nehmen
zunächst an, dass keine Dipolschicht existiert. In diesem Fall bleibt
die Höhe der Schottky-Barriere ΦB = Φ − χ unverändert, weil EFM
und Ec um denselben Energiebetrag −eϕ(0) angehoben werden.
• Die Konsequenz daraus, dass bei x = 0 der energetische Abstand
EFM − Ec “festgepinnt” bleibt, ist die Ausbildung einer Potentialbarriere im Halbleiter. Es entsteht eine Kontaktspannung UK =
(EFS − EFM )/e.
• Wie gross ist die Ausdehnung der Raumladungsschicht im Halbleiter? Der Potentialverlauf
kann
√ leicht berechnet werden, wenn die
√
Schottky-Näherung eUK kB T (depletion approximation) gilt,
was wir hier annehmen wollen. Für einen n-Halbleiter lautet die zu
lösende Poisson-Gleichung (n = p = 0 in der Verarmungsschicht,
d.h. im Intervall x = [0, xB ] mit xB als Rand der Barriere)
ε0 εs
d2ϕ
= −eND+
2
dx
mit der Lösung
ϕ(x) = −
e
ND+ x2 +C1 x +C2 .
2ε0 εs
Die Randbedingungen im Unendlichen lauten ϕ(∞) = 0 und
dϕ(x)/dx|x=∞ = 0. Weil UK = ϕ(∞) − ϕ(0) ist, folgt ϕ(0) =
C2 = −UK . Das Verschwinden der ersten Ableitung von ϕ am
Rand der Barriere ergibt die zweite Integrationskonstante: C1 =
eND+ xB /(ε0 εs ). Führt man noch eine quadratische Ergänzung durch,
folgt für das Potential im Intervall x = [0, xB ]:
e
e
ND+ (x − xB )2 +
N + x2 .
ϕ(x) = −UK −
2ε0 εs
2ε0 εs D B
11.2 MS-Kontakt im Gleichgewicht, Schottky- und Bardeen-Modell
147
E 0 - e ϕ(x)
M
a)
HL
b)
E 0 - e ϕ(x)
Φ
E c - e ϕ(x)
EF
E c - e ϕ(x)
ΦB
M
HL
EF
E v - e ϕ(x)
E v - e ϕ(x)
0
x
0
MSnonequ.ID.epsi
115 × 98 mm
x
E 0 - e ϕ(x)
c)
E c - e ϕ(x)
M
d)
M
HL
E 0 - e ϕ(x)
HL
E c - e ϕ(x)
EF
ΦB
E v - e ϕ(x)
0
EF
E v - e ϕ(x)
0
x
x
Räumlicher Verlauf der Bandkanten des Halbleiters und des Vakuum-Niveaus in einem
Metall-Halbleiter-Übergang nach Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts.
Die Fälle a) und c) bezeichnet man als Schottky-Kontakt, die Fälle b) und d) als Ohmschen Kontakt.
Das Verschwinden des Potentials am Rand der Barriere ergibt den
Zusammenhang zwischen Kontaktpotential und Barrierenweite:
UK =
e
N + x2 .
2ε0 εs D B
Die charakteristische Längenskale des Problems ist die sogenannte
Debye-Länge
LD =
ε0 εsUT
.
eND+
Mit ihrer Hilfe kann man den Ausdruck für das elektrostatische Po-
148
Metall-Halbleiter (MS)-Kontakt
tential kompakt in der Form
UT
ϕ(x) = − 2 (x − xB )2 ,
2LD
xB =
√
2LD
schreiben. Weil die Schottky-Approximation
muss, muss auch xB LD sein.
UK
UT
(11.1)
%
UK /UT 1 gelten
Schottky- und Bardeen-Modell des MS-Kontakts
1.0
Pt
barrier height (eV)
0.8
Pb
0.6
Pd
Ag
Au
Al
W Mo
Cu
0.4
Mg
Ni
phiBvsPhi.eps
69 × 68 mm
0.2
0.0
3
4
5
6
metal work function (eV)
Barrierenhöhe als Funktion der Austrittsarbeit für verschiedene Metall-n-Si-Kontakte.
Die Gerade entspricht der Mott’schen Beziehung ΦB = Φ − χ mit dem Wert der
Elektronen-Affinität in Si (χ = 4.05 eV ).
In der Abbildung ist die Barrierenhöhe ΦB als Funktion der Austrittsarbeit im Metall für verschiedene Metall-n-Si-Kontakte dargestellt.
Die Gerade entspricht der Mott’schen Beziehung ΦB = Φ − χ mit dem
Wert der Elektronen-Affinität in Si (χ = 4.05 eV ). Das Schottky-Modell
des MS-Kontaktes ist also so gut wie nicht erfüllt, eher ist ΦB noch unabhängig von Φ (etwa gleich 0.6 - 0.8 eV für die meisten Metalle).
Um dieses Verhalten zu verstehen, lassen wir jetzt einen Potentialsprung and der Grenzfläche zu, dann ändert sich die Barrierenhöhe um
diesen Sprung, d.h. ΦB = Φ − χ − e[ϕ(+0) − ϕ(−0)]. Ursache dafür ist
eine Dipolschicht, die von geladenen Grenzflächen-Zuständen herrührt.
Wir nehmen an, dass die Dichte dieser Grenzflächen-Zuständen so gross
11.2 MS-Kontakt im Gleichgewicht, Schottky- und Bardeen-Modell
149
ist, dass praktisch alle Elektronen aufgenommen werden können. Als
Modell benutzen wir eine δ-Funktion, wie sie auch schon bei den tiefen
Störstellen verwendet wurde,
Dit (E) = D0it δ(E − Es ) ,
die Zustände sind also bei der Energie E = Es in der Energielücke des
Halbleiters konzentriert. Für die Elektronendichte in diesen Zuständen
folgt dann
n(+0) =
Z ∞
−∞
dE Dit (E) f (E) = D0it f (Es ) .
In Wirklichkeit ist die δ-Funktion zu einer Glockenkurve verbreitert. Die
Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts im MS-Kontakt zerlegen wir in Gedanken in zwei Teilschritte, erstens die Einstellung des
Gleichgewichts im Halbleiter, nachdem die glockenförmige Grenzflächen-Zustandsdichte “eingeschaltet” wurde, zweitens die Einstellung des
Gleichgewichts über die Grenzfläche hinweg zwischen Metall und HalbM
E FM
∆E S
HL
bardeen.ID.epsi
72 × 57 mm
E S ≈ E FS
x
leiter, nachdem beide in Kontakt gebracht wurden. Im ersten Teilschritt
gehen Elektronen aus dem Innern des Halbleiters in die GrenzflächenNiveaus über , wobei diese von unten her bis zu einer gewissen Energiegrenze aufgefüllt werden. Diese Grenze ist per definitionem gleich
dem Fermi-Niveau im Halbleiter (bei T = 0). Nach obiger Voraussetzung (weil praktisch alle Elektronen aufgenommen werden können),
fällt diese Grenze letztendlich mit dem Niveau Es zusammen. Eine
Vergrösserung oder Verkleinerung der Elektronenkonzentration im Halbleiter durch Änderung der Dotierung erhöht oder verkleinert zwar die
Zahl der Elektronen in den Grenzflächen-Niveaus, wegen der grossen
150
Metall-Halbleiter (MS)-Kontakt
Zustandsdichte bleibt aber die Lage des Fermi-Niveaus praktisch unverändert (pinning des Fermi-Niveaus).
Im zweiten Teilschritt werden Elektronen über die Grenzfläche hinweg, zwischen den Grenzflächen-Zuständen des Halbleiters und einer
dünnen Randschicht des Metalls, ausgetauscht. Dadurch entsteht an der
Grenzfläche eine Dipolschicht, die einen Potentialsprung ϕ(+0) −ϕ(−0)
zwischen Metall und Halbleiter erzeugt, der im Gleichgewicht gerade so
gross ist, dass das Fermi-Niveau des Metalls auf das des Halbleiters angehoben oder abgesenkt wird. Es gilt also
EFM − Es = −e[ϕ(+0) − ϕ(−0)] .
Damit wird die Barrierenhöhe
ΦB = Φ − χ + EFM − Es .
(11.2)
Wir beziehen jetzt alle Energien auf die Valenzbandkante des Halbleiters.
Wegen E0 −χ −Eg = Ev und Es = Ev +∆Es (sh. Abb.) ist (man eliminiere
Ev )
−χ − Es = Eg − E0 − ∆Es ,
was nach Einsetzen in Gl. (11.2) auf den Zusammenhang
!
ΦB = Φ + EFM + Eg − E0 − ∆Es = Eg − ∆Es
führt, weil ja Φ + EFM = E0 ist. Also
ΦB = Eg − ∆Es
(11.3)
(Bardeen’sches Modell). ΦB ist im Bardeen’schen Modell unabhängig
von der Austrittsarbeit im Metall! Dieses Modell trifft für Silizium besser
zu als das Schottky-Modell.
Man kann nun beide Modelle zu einem verallgemeinerten Modell
kombinieren. Mit zwei Parametern, S und Φ0 , schreibt man
ΦB = S (Φ + EFS − E0 ) + Φ0 .
Der Grenzfall des Schottky-Modells ergibt sich mit S = 1 und Φ0 = 0, da
E0 = Ec +χ ≈ EFS +χ für einen n-Halbleiter. Der Grenzfall des BardeenModells ergibt sich mit S = 0 und Φ0 = Eg − ∆Es . Der Abbildung
kann man entnehmen, dass S mit steigender Elektronegativitätsdifferenz
des Halbleiters wächst. Bei den kovalenten Halbleitern dominieren die
Grenzflächen-Eigenschaften (S sehr klein).
S
11.3 MS-Kontakt im Nichtgleichgewicht
151
1.1
AlN ZnO SrTiO 3
1.0
ZnS
SiO2 Al2O3
0.9
GaS
KTaO 3
0.8
0.7
CdS
0.6
GaSe
SvsAff.ID.epsi
ZnSe
0.5
77 × 67 mm
0.4
SiC
GaTe
CdSe
0.3
CdTe GaP
0.2
Ge GaAs
0.1
Si InSbInP
0.0
0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
electronegativity difference (eV)
11.3 MS-Kontakt im Nichtgleichgewicht
Betrachten Schottky-Übergang im n-Halbleiter. Legt man eine Spannung
U an, so verändert sich das Kontaktpotential gemäss
UK → UK − U ,
%
√
und damit z.B. die Weite der Barriere: xB = 2LD (UK −U )/UT .
Der Strom im Bahngebiet des Halbleiters wird durch die Majoritätsladungsträger getragen (hier Elektronen). Die Netto-Stromdichte
über die Schottky-Barriere hinweg ist
jn (U ) = jMS (U ) − jSM (U ) ,
mit der Konvention “MS” = Metall → HL, “SM” = HL → Metall. Es
gilt jMS (U ) = jMS (0), weil für alle Spannungen U die Schottky-Barriere
thermisch überwunden werden muss. Also
jn (U ) = jMS (0) − jSM (U ) .
Berechnen zuerst jMS (0). Nach der Definition des 1. Moments der
Boltzmann-Gleichung kann man schreiben:
2e
jMS (0) = −
(2π)3
Z
1.BZ
d 3 k Θ(kx )
1 ∂
E (k) fM (Ec (k)) .
~ ∂kx c
(11.4)
In dieser Gleichung berücksichtigt der Faktor 2 die Spin-Entartung und
die Theta-Funktion den Umstand, dass nur Elektronen, die vom Metall
in den Halbleiter fliessen, gezählt werden dürfen. Die restlichen Faktoren sind die Gruppengeschwindigkeit und die Fermi-Dirac-Verteilung
152
Metall-Halbleiter (MS)-Kontakt
a) U = 0
M
n-HL
ΦB
Ec
E FM
E FS
0
xB
x
MSvsU.ID.epsi
123 × 93 mm
c) U < 0
b) U > 0
M
Ec
E FS
ΦB
E FM
M
n-HL
x
x
x
x
x x
n-HL
ΦB
E FM
x
x
0
xB
Ec
E FS
x
x
x
x x x
x
x
xB
0
x
Veranschaulichung des Stromflusses in einem Schottky-Übergang. a) ohne Spannung,
b) Durchlassrichtung, c) Sperrrichtung. Die Kreuze in b) und c) deuten an, dass das
Fermi-Niveau im Raumladungsgebiet nicht definiert ist.
der Elektronen im Metall. Letztere bestimmt die Zahl der vorhandenen Elektronen, die über die Barriere hinweg in den Halbleiter übertreten
können. Die Integrationsgrenzen kann man ins Unendliche verschieben.
Als Energie-Nullpunkt wählen wir die Energie des Vakuum-Niveaus:
E0 = 0. Dann ist EFM = −Φ. Wegen Ec (k) + Φ kB T kann man
Boltzmann-Statistik benutzen,
− Φ − Ec (k)
fM (Ec (k)) = e kB T e kB T .
In Effektivmassen-Näherung für Ec (k) erhält man dann
(0)
e − Φ+Ec
jMS (0) = − 3 e kB T
4π
Z ∞
−∞
dky
Z ∞
−∞
dkz
Z ∞
0
~kx − 2m~ kk T
c B
2 2
dkx
(0)
mc
e
.
Aufgrund der Wahl des Energie-Nullpunkts ist Ec = −χ, also ist Φ +
(0)
Ec = Φ − χ = ΦB gleich der Schottky-Barriere. Die Berechnung der
11.3 MS-Kontakt im Nichtgleichgewicht
153
Integrale ist trivial, man erhält endgültig
e
− ΦB
jMS (0) = − vth,n Nc e kB T
4
(11.5)
%
mit der mittleren thermischen Geschwindigkeit vth,n = 8kB T /(πmc )
der Elektronen und der Leitungsbandkanten-Zustandsdichte Nc . Die
berechnete Stromdichte jMS (0) kann benutzt werden, um auf jSM (U ) zu
schliessen. Im Gleichgewicht gilt jMS (0) = jSM (0). Legt man eine Span(0)
(0)
nung U an, geht Ec in die neue Lage Ec − eU über, also jSM (U ) =
jSM (0) exp(U /UT ). Damit ergibt sich für die Netto-Stromdichte
U
jn (U ) = jMS (0) 1 − e UT .
Der Schottky-Kontakt wirkt demnach, genau wie die Diode, als Gleichrichter. Wegen des Faktors exp(−ΦB /kB T ) kann die Sperrwirkung jedoch grösser sein, nämlich dann, wenn die Barrierenhöhe ΦB grösser ist
als die built-in-Spannung der Diode.
Noch zwei abschliessende Bemerkungen: Da in der Raumladungszone praktisch keine Elektronen vorhanden sind, müssen sie
aus dem Bahngebiet (bulk) kommen. Ungehinderte Emission kann nur
stattfinden, wenn sie beim Durchfliegen der Raumladungszone keine
Stösse erleiden. Deshalb muss die mittlere freie Weglänge l grösser
als die Barrierenweite xB sein. l > xB bedeutet aber, das sich in der
Raumladungszone kein auch nur angenähertes thermodynamisches
Gleichgewicht ausbilden kann. Deshalb ist ein Fermi-Niveau auch
nicht mehr im lokalen Sinne definiert. Der Fall l xB kann mit der
sogenannten Diffusionstheorie behandelt werden (sh. Übungen zu den
Bipolar-Bauelementen) und liefert qualitativ dasselbe.
Wird die Potential-Barriere sehr schmal, kann sie durchtunnelt werden. Dann hat man einen Ohmschen Kontakt. In der Mikroelektronik
werden Ohmsche Kontakte durch eine hohe Dotierung des Siliziums im
Kontaktgebiet erreicht.
154
Metall-Halbleiter (MS)-Kontakt
11.4 Kontakt-Randbedingungen
Simulation
in
der
Bauelemente-
Idealer Ohmscher Kontakt
• thermodynamisches Gleichgewicht: n p = n2i,e f f
Zwei Annahmen:
• Ladungsneutralität: n − p = NA− − ND+ = C .
Die erste Bedingung entspricht einer unendlich grossen OberflächenRekombinationsgeschwindigkeit. Setzt man beide Bedingungen ineinander ein, ergeben sich Dirichlet-Randbedingungen für die Dichten:
1 ' 2
2
C + 4 ni,e f f +C
n =
2
'
1
2
2
p =
C + 4 ni,e f f −C .
2
Schottky-Kontakt
Die Formel (11.5) für die Netto-Stromdichte wird umgeschrieben. Es ist
U
ΦB
!
Nc exp −
+
= n(xB ) = n(x = 0)
kB T UT
ΦB
!
Nc exp −
= neq (xB ) = neq (x = 0)
kB T
wegen der Voraussetzung der Emissionstheorie (keine Stösse in der
RLZ). Als Strom-Randbedingung bei x = 0 erhält man also
&
e
jn (U ) = − vth,n n − neq &x=0 .
4
Das Auftreten der mittleren thermischen Geschwindigkeit ist das Ergebnis der Emissionstheorie. In der Diffusionstheorie erhält man stattdessen
&
jn (U ) = −e vrec,n n − neq &
x=0
oder allgemein in der Bauelemente-Simulation
1 ' 2
2
C + 4 ni,e f f +C
,
jn · en = −e vrec,n n −
2
wobei vrec,n die Oberflächen-Rekombinationsgeschwindigkeit ist.
11.4 Kontakt-Randbedingungen in der Bauelemente-Simulation
155
Nicht-idealer MS-Kontakt
• Das Argument, dass dünne Potentialbarrieren durchtunnelt werden
und Ohmsche Kontakte liefern, kann benutzt werden, um ein Modell
des nicht-idealen MS-Kontakts aufzustellen.
• Bei xT gilt: jDD = jtunnel
• Der Bereich [0, xT ] wird in der BE-Simualtion zu Null
“geschrumpft”.
• Die Wahl von xT erfolgt nach einem Tunnel-Kriterium.
• Die Gleichung jDD = jtunnel |x=xT wird iteriert und liefert den Wert
für das quasi-Fermi-Niveau bei xT .
• Die Grenzfälle des Ohmschen und Schottky-Kontakts werden
über die dotierungsabhängige Barrierenweite reproduziert. Hohe
Dotierung (> 1018 cm−3 ) =⇒ schmale Barriere = Ohmscher Kontakt. Schwache Dotierung (< 1016 cm−3 ) =⇒ breite Barriere =
Schottky-Kontakt.
Anschluss-Punkt zwischen
diffusivem und ballistischem
Transport
E F,M
qUappl
xT.ID.epsi
97 × 46 mm
Ec
-q ϕn(x T)
xT
xB
12
Metall-Isolator-Halbleiter (MIS)
Struktur
12.1 Isolator-Halbleiter (IS)-Übergang im Gleichgewicht
a)
Isolator
HL
b)
Isolator
HL
E cI
E FI
EISequ.ID.epsi
cS
E120
FS × 65 mm
EF
E vS
E cS
E vS
E vI
Räumlicher Verlauf der Bandkanten und der Fermi-Niveaus an einem IsolatorHalbleiter-Übergang vor (a) und nach (b) Einstellung des Gleichgewichts.
Der in der Abbildung dargestellte IS-Übergang entspricht einem pnÜbergang aus zwei unterschiedlichen Materialien mit einer sehr kleinen
Akzeptor-Konzentration NAI im Isolator. Da EFS > EFI ist, gehen Elektronen vom Halbleiter in den Isolator über, der sich dadurch negativ auflädt. Wegen des grossen Dotierungsunterschieds reichen bereits
wenige Elektronen aus, um die Fermi-Niveaus anzugleichen. Die Raumladungszonenweite im Isolator wird sehr gross, während im Halbleiter
die Raumladung vernachlässigbar bleibt.
Ist der Isolator nicht dick genug, kann der Sprung des chemischen Po156
12.1 Isolator-Halbleiter (IS)-Übergang im Gleichgewicht
157
tentials nicht vollständig elektrisch abgeschirmt werden (man erhält andere Randbedingungen). Aufgrund der geringen Raumladung im Halbleiter ist die Feldstärke dort praktisch Null und EF ≈ EFS . Dies bedeutet,
dass der Halbleiter vom Isolator praktisch überhaupt nicht beeinflusst
wird. Auch das Feld im (hinreichend dicken) Isolator ist klein und kann
vernachlässigt werden. Somit erhält man im Schottky-Modell des ISÜbergangs einen horizontalen Bandkanten-Verlauf.
In Wirklichkeit existieren jedoch Grenzflächenzustände. Ist die
Grenzflächen-Ladungsdichte negativ (eingefangene Elektronen), entsteht
im Halbleiter unter der Grenzfläche ein Verarmungsgebiet (positive
Raumladung). In Schottky-Näherung ist wegen der Erhaltung der Elektronenzahl
+
xB
ns = NDS
(ns = Grenzflächen-Zustandsdichte [cm−2 ], xB = Barrierendicke). Die
Grenzflächen-Zustandsdichte ns ist mit einem Sprung der Feldstärke verbunden:
εs E(+0) − εI E(−0) = −
e s
n .
ε0
Da man E(−0) vernachlässigen kann, ergibt sich auf der Halbleiterseite
Isolator
HL
E cI
EF
ISinterface.ID.epsi
58 × 64 mm
E cS
E vS
E vI
Räumlicher Verlauf der Bandkanten an einem Isolator-Halbleiter-Übergang im Gleichgewicht bei Vorhandensein von Grenzflächen-Zuständen.
158
Metall-Isolator-Halbleiter (MIS) Struktur
der Grenzfläche
Es = −
e s
n .
ε0 εs
Der Wert des Potentials an der Grenzfläche ist ϕ(0) = U s . In völliger
Analogie zum MS-Kontakt erhält man als Lösung der Poisson-Gleichung
in Schottky-Näherung
.
UT
2 in [0, x ]
− 2L
B
2 (x − xB )
ϕ(x) =
D
0
sonst
mit
xB =
√
2LD
|U s |
,
UT
LD =
ε0 εsUT
+ .
eNDS
+
ein, folgt für die Grenzflächen-Zustandsdichte
Setzt man xB = ns /NDS
ns =
2ε0 εs + s
NDS |U |
e
(12.1)
und die Grenzflächen-Feldstärke E s wird
e +
2e + s
s
E =−
NDS xB = −
N |U | .
ε0 εs
ε0 εs DS
Für eine Abschätzung der Grössen betrachten wir folgendes Zahlen+
= 1016 cm−3 , εs = 10. Dann wird
beispiel: e |U s | = 1 eV , NDS
ns = 3 × 1011 cm−2
E s = 6 × 104 V /cm
xB = 0.3 µm .
(12.2)
Damit es zum Fermi level pinning kommen kann, muss die GrenzflächenZustandsdichte grösser sein als das berechnete ns (etwa 1012 cm−2 ), was
an der Si-SiO2 -Grenzfläche aber gerade nicht der Fall ist! Dies macht die
Funktionsweise von MOSFETs möglich, denn wäre dem nicht so, könnte
man durch Variation der Gate-Spannung die Lage des Fermi-Niveaus
unter der Grenzfläche nicht ändern und damit auch nicht die Leitfähigkeit
im Kanal. Die heutige Mikroelektronik basiert also im wesentlichen auf
den guten Eigenschaften der Si-SiO2 -Grenzfläche.
12.2 MIS-Struktur bei angelegter Spannung
159
12.2 MIS-Struktur bei angelegter Spannung
U<0
n
p
ISnonequ.ID.epsi
75 × 88 mm
U>0
n
p
Bildung von Verarmungs- bzw. Anreicherungsschichten an einem Isolator-HalbleiterÜbergang bei angelegter Spannung.
Der Isolator sei bei x = −d kontaktiert, der Halbleiter bei x = ∞.
ϕ(∞) − ϕ(−d) = −U
U = angelegte Spannung.
Die Randbedingungen lauten: ϕ(∞) = 0 und dϕ/dx|x=∞ = 0. Im Halbleiter wird Ladung influenziert. Diesen Effekt nennt man Feldeffekt, der
dem Transistor seinen Namen gibt (FET). Die influenzierte Ladungsmenge ist der εI /εs -te Teil der Ladungsmenge, die auf den Isolator
aufgebracht werden muss (εI ist die Dielektrizitätskonstante des Isolators). Voraussetzung für das Funktionieren des Feldeffekt-Transistors ist
die Kleinheit der Grenzflächen-Zustandsdichte. Wir vernachlässigen sie
im folgenden völlig und betrachten einen p-Halbleiter bei U > 0. Die
(0)
Leitungsbandkante an der Grenzfläche zum Isolator Ec − eϕ(0) wird
heruntergezogen, bis sie bei einer bestimmten Spannung U0 das FermiNiveau trifft
1 (0)
U0 ≡ [Ec − EF ] .
e
160
Metall-Isolator-Halbleiter (MIS) Struktur
E
eU0
inversion.ID.epsi eUs
EF
105 × 71 mm
-d
0 xi
xp
x
Erhöht man die Spannung U weiter (U > U0 ), so ergibt sich ein Punkt xi ,
an dem gilt
(0)
Ec − eϕ(xi ) = EF
(xi ist die Breite der Inversionsschicht). Die Elektronenkonzentration
ist hier von der Grössenordnung der effektiven Zustandsdichte Nc
(1019 cm−3 ). Wir wollen annehmen, dass die Dotierung des p-Halbleiters
−
Nc gilt. Im Inversionsgebiet wird
nicht zu gross ist, so dass noch NAS
die Verteilungsfunktion der Elektronen als Stufenfunktion genähert:
f (E) ≈ Θ(EF − E) ,
0 ≤ x ≤ xi .
Für das Gebiet zwischen xi und der Raumladungszonen-Grenze x p
nehmen wir an, dass die Schottky-Näherung möglich ist, also eU s kB T
gilt. Damit erhält man ein einfaches Modell für die Elektronendichte im
Halbleiter.
R∞
0 ≤ x ≤ xi
(0) dE Dc (E) Θ(EF + eϕ(x) − E)
Ec
n(x) =
0
xi ≤ x ≤ ∞
Die Löcher werden in Schottky-Näherung behandelt:
0
0 ≤ x ≤ xp
p(x) = N
x ≤ x ≤ ∞ (vollständige Ionisation) .
AS
p
12.2 MIS-Struktur bei angelegter Spannung
161
Eine analytische Lösung der Poisson-Gleichung wird nur dann möglich,
wenn man den Ausdruck für n(x) noch weiter vereinfacht. Dazu wird die
Zustandsdichte Dc (E) durch einen Mittelwert Dc ersetzt, der im Energie(0)
Intervall [Ec − eU s, EF ] gebildet wird:
1
Dc = 2
2π
2mc
3/2
~2
Z EF
γ
(0)
EF − Ec + eU s
de f
(0)
Ec −eU s
dE
(0)
E − Ec − eU s
(0)
(Mittlung bei x = 0). Da eU0 = Ec − EF ist, erhält man
γ
Dc = 2
3π
2mc
~2
3/2
%
eU s − eU0 .
(12.3)
Der Korrekturfaktor γ < 1 berücksichtigt, dass das bei x = 0 berechnete
Dc zu einer Überschätzung der mittleren Elektronenkonzentration in der
gesamten Inversionsschicht führt. Benutzt man Gleichung (12.3) in n(x),
so folgt
Nc
[ϕ(x) −U0 ]
n(x) = s
U −U0
mit
3/2
γ 2mc
s
Nc = 2
(eU − eU0 )
.
3π
~2
Die Elektronenkonzentration nimmt also im Inversionsgebiet vom Wert
N c auf den Wert 0 ab (da ϕ(xi ) = U0 ). Das Modell (12.3) führt zur Unterschätzung von n im linken Teil und zur Überschätzung von n im rechten
Teil der Inversionsschicht. Die Poisson-Gleichung vereinfacht sich zu

0
−d ≤ x ≤ 0


−1
s
e
d 2ϕ
N c (U −U0 ) [ϕ(x) −U0 ]
0 ≤ x ≤ xi
=
×
−N
x
dx2
ε0 εs 
i ≤ x ≤ xp
AS

0
xp ≤ x ≤ ∞ .
Die Randbedingungen lauten ϕ(∞) − ϕ(−d) = −U und ϕ (∞) = 0. Wegen der Wahl des Energie-Nullpunkts in der Form ϕ(∞) = 0 folgt auch
ϕ(x p ) = 0 und ϕ (x p ) = 0. Im Isolator ist die Feldstärke konstant −EI =
ϕ (−d). Also hat man folgende Randbedingungen:
ϕ(−d) = U ,
ϕ (−d) = −EI ,
ϕ(x p ) = 0 ,
ϕ (x p ) = 0 .
162
Metall-Isolator-Halbleiter (MIS) Struktur
Man erhält als Lösung der Poisson-Gleichung

U − EI (x + d) 

s sinh x + (U s −U ) cosh x
−
L
E
U
0
u
0
ϕ(x) =
Lu
Lu

 UT (x − x p )2
2L2
−d ≤ x ≤ 0
0 ≤ x ≤ xi
xi ≤ x ≤ x p
D
mit
L2u
ε0 εs (U s −U0 )
=
,
eN c
L2D =
ε0 εsUT
.
eNAS
Wegen ϕ(0) = U s folgt U s = U − EI d. Weil E s = εI EI /εs ist, wird U s
folgende Funktion von E s :
Us = U −
εs s
E d.
εI
Es bleiben drei Grössen zu bestimmen: xi , x p und E s .
1.) Aus der Stetigkeit von ϕ (x) bei x = xi folgt
xi
xi
U s −U0
UT
s
sinh
− E cosh
= 2 (xi − x p ) .
Lu
Lu
Lu
LD
2.) Aus dem Wert von ϕ(x) bei x = x−
i (ϕ(xi ) = U0 !) folgt
xi
U s −U0
= tanh
.
s
Lu E
Lu
3.) Aus dem Wert von ϕ(x) bei x = x+
i folgt
UT
U0 = 2 (xi − x p )2
2LD
=⇒
x p = xi + LD
2U0
.
UT
1) und 2) sind implizite Gleichungen zur Bestimmung von xi und E s .
Setzt man 2) in 1) ein, so folgt
2
xi s
2
s 2
s Lu
(U −U0 ) − (Lu E ) = UT E
cosh
(xi − x p ) .
Lu
LD
12.2 MIS-Struktur bei angelegter Spannung
163
Unter der Voraussetzung L2u L2D , d.h. NAS N c kann man die rechte
Seite der letzten Gleichung näherungsweise Null setzen und erhält mit
U s −U0
eine implizite Gleichung für E s .
(12.4)
Lu
Die in der Inversionsschicht gespeicherte Ladung wird wegen
x
x
Nc
Lu E s
[ϕ(x) −U0 ] = N c cosh
sinh
− s
n(x) = s
U −U0
Lu
U −U0
Lu
Es =
gleich
n =
s
Z xi
0
xi
x
x
−1 xi
− tanh
cosh
dx n(x) = N c Lu sinh
Lu
Lu
Lu
0


xi
1 + cosh Lu

= N c Lu 
sinh Lxui
≈
N c Lu .
Einsetzen der expliziten Ausdrücke ergibt
3/2 1/2 2m
ε0 εs % s
γ
c
s
ns =
(eU
−
eU
)
U −U0
0
3π2 ~2
e
also
ns = α (U s −U0 )5/4 .
(12.5)
Setzt man Gleichung (12.4) in U s (E s ) = U − εs E s d/εI ein, so folgt
εI U −U s
U −U0
s
U −U0 = Lu
.
=
εs
d
1 + εεsLd
I u
Damit wird die gespeicherte Ladung als Funktion der äusseren Spannung
U:
5/4
U
−U
0
.
ns (U ) = α
1 + εεIsLdu
Um die gespeicherte Ladung über U möglichst wirksam steuern zu
können, muss d Lu sein. Lu ist von der Grössenordnung 500 Å (für
U s −U0 ∼ 1V ), also muss gelten: d 50 nm!
164
Metall-Isolator-Halbleiter (MIS) Struktur
12.3 Ladungstransport durch dünne Oxide
Tunneling mechanisms
Fowler-Nordheim
direct
resonant
(multi)phonon-assisted
"cavity"
defects
E (x )
t
Typical characteristics
single oxide, tox= 2.5 nm
direct
Fowler-Nordheim
single oxide, tox = 10 nm
multiphonon-assisted
resonant
direct
-15
-2
–2
Log [J (Acm )]
0
Log [J (Acm )]
tunnelmech.ID.epsi
121 × 94 mm
-10
–5
-20
-25
-30
-35
–10
-40
0
2
4
6
8
gate voltage (V)
10
0
1
2
3
E (MV/cm)
4
Die Stromdichte für den Mechanismus des direkten Tunnelns durch
dünne Oxide wird auf ähnliche Weise berechnet wie beim MetallHalbleiter-Übergang. Bei dünnen Oxiden (d < 3 nm), die durchtunnelt
werden, kann kein lokales quasi-Fermi-Niveau innerhalb der Oxidbarriere definiert werden. Im Falle extrem dünner Oxide (d ≈ 1 nm, “native
E FM
x
x
x
dirtun.ID.epsi
x
74 × x48xmm
x
x
E FS
x = -d
x=0
12.3 Ladungstransport durch dünne Oxide
165
oxides”) stellt sich zwischen Metall und Halbleiter ein näherungsweises
thermodynamisches Gleichgewicht ein. Der MIS-Übergang wird dann
quasi-Ohmsch.
Die Elektronen-Stromdichte kann nach der Formel


EFS (0)−Ec (0)−E
Z ∞


exp
+
1
kB T
emc kB T
dE T (E) ln
jn =
 exp EFM (0)−Ec (0)−E + 1 
2π2 ~3 0
kB T
berechnet werden. Dabei ist T (E) die Transmissionswahrscheinlichkeit
(auch Durchgangskoeffizient genannt, sh. Kap.5) für die Oxidbarriere.
Die Abbildung zeigt gemessene und simulierte Tunnelstrom-Kennlinien
von MOS-Kapazitäten mit SiO2 -Dicken von 15 Å bzw. 30 Å.
1E0
Gate Currents of MOS capacitor
Cu r r en t (A )
1E-5
1E -10
1E -15
iv15-30-comp.ID.epsi
80 × 77 mm
ex p 15A
ex p 30A
sim 30A
sim 15A
1E -20
-4
-2
0
Vo l t ag e (V)
2
4
13 Hetero-Übergänge
13.1 Banddiskontinuitäten
Material 1
E c1
E F1
Material 2
E c2
∆E c
E g1
hetero1.ID.epsi
81 × 55 mm
E v1
E g2
∆E v
E F2
E v2
x
0
Die Abbildung zeigt die Situation vor Einstellung des Gleichgewichts.
Auch wenn keine freien Ladungsträger vorhanden sind, fliesst Valenzladung aus dem Material 1 mit der höher liegenden Valenzbandkante
ins Material 2. Es bildet sich eine Dipolschicht aus. Wegen des damit
verbundenen Potentialsprungs ergibt sich für die tatsächliche Lage der
Valenzbandkanten am Hetero-Übergang:
(0)
(0)
Ev1 = Ev1 − eϕ− ;
Ev2 = Ev2 − eϕ+ .
Damit folgt für die Valenzband-Diskontinuität:
∆Ev = Ev1 − Ev2 =
(0)
(0)
Ev1 − Ev2 − e (ϕ− − ϕ+ ) .
!"
#
!" #
Volumenbeitrag Dipolbeitrag
166
13.2 Potentialverlauf nach Einstellung des Gleichgewichts
167
Der Dipolbeitrag hängt allerdings auch von den Eigenschaften der Grenzfläche ab. Für die Leitungsband-Diskontinuität erhält man:
∆Ec = Ec2 − Ec1 = Ev2 + Eg2 − Ev1 − Eg1 = −∆Ev + ∆Eg .
∆Eg kann experimentell leicht bestimmt werden, ∆Ev ist dagegen
schwierig zu messen.
13.2 Potentialverlauf nach Einstellung des Gleichgewichts
E c2
E F2
a)
E c1
E F1
b)
hetero2.ID.epsi
84 × 72 mm
c)
-e ϕ(x)
Ec -e ϕ(x)
EF
0
x
Verlauf der Leitungsbandkante an einem Hetero-Übergang vom n-Typ vor Einstellung
des Gleichgewichts a) und danach c). Der Verlauf des Potentials ist in b) dargestellt.
Wir beziehen jetzt auch die freien Ladungsträger mit in die Betrachtung ein. Durch Umverteilung an der Hetero-Grenze bildet sich
eine Raumladungszone aus. Zum Zwecke einer vereinfachten Analyse
beschränken wir uns auf das System GaAs-AlAs, für das Ec2 > Ec1 gilt,
und machen folgende Annahmen: Nc1 = Nc2 , n-Dotierung mit p = NA =
0, gleiche Dielektrizitätskonstanten ε1 = ε2 . Dann lautet die PoissonGleichung
e
d2ϕ
=−
[ND (x) − n(x)] .
2
dx
ε0 εs
Nimmt man noch an, dass die n-Dotierung in beiden Materialien identisch
ist, so gilt EF2 − EF1 = Ec2 − Ec1 . Aufgrund der Voraussetzung Ec2 > Ec1
168
Hetero-Übergänge
muss auch EF2 > EF1 sein. Deshalb diffundieren Elektronen aus dem
Material 2 in das Material 1. Es entsteht eine Anreicherungsschicht in
Material 1 und eine Verarmungsschicht in Material 2. In Material 2 kann
man die Schottky-Näherung anwenden, in Material 1 dagegen nicht.
Nach dem Schottky-Modell des Kontakts muss die Differenz der
Fermi-Niveaus gerade durch die Bandverbiegung kompensiert werden,
d.h.
1
(EF2 − EF1 ) = ϕ(+∞) − ϕ(−∞) .
e
In Material 1 kann man folgendermassen vorgehen: Die Elektronendichte
ist
(0)
EF − Ec + eϕ(x)
,
n(x) = Nc exp
kB T
wenn man Boltzmann-Statistik voraussetzt. Führt man die Gleichgewichts-Konzentration n01 im unendlichen Volumen des Materials 1 ein,
folgt
ϕ(x) − ϕ(−∞)
n(x) = n01 exp
.
UT
Die Poisson-Gleichung im Gebiet von Material 1 lautet dann
ϕ(x) − ϕ(−∞)
e
d 2ϕ
=−
ND (x) − n01 exp
.
dx2
ε0 εs
UT
Das erste Integral kann mit der Randbedingung dϕ/dx|x=−∞ = 0 und für
konstante Dotierung ND (x) = ND = const exakt angegeben werden:
6
.
2
ϕ(x)−ϕ(−∞)
dϕ
2e
UT
=−
−1
.
ND [ϕ(x) − ϕ(−∞)] −UT n01 e
dx
ε0 εs
Im Sinne einer qualitativen Diskussion setzen wir ND = 0 (bzw. machen
die Annahme ND n in der Anreicherungsschicht). Der Potentialsprung
ist von der Grössenordnung der Banddiskontinuität und wird durch ∆Ec
ersetzt. Mit e dϕ/dx ≈ ∆Ec /wA , wobei wA die Dicke der Anreicherungsschicht bezeichnet, erhält man
LD ∆Ec − 12 k∆ETc
B
wA ≈ √
e
.
2 kB T
13.3 Supergitter und Quantum Wells
169
%
LD ist die Debye-Länge in Material 1: LD = ε0 εsUT /(e n01 ) . Hier ist
also wA LD ! Mit ∆Ec = 0.4 eV ist wA ≈ 0.14 LD . Die Debye-Länge
beträgt für n01 = 1018 cm−3 und εs = 12 etwa 0.2 µm, somit wird wA etwa
20 nm. Dieser Wert wird durch numerische Rechnungen bestätigt. Im
Potentialtrichter bildet sich ein 2D-Elektronengas aus.
13.3 Supergitter und Quantum Wells
In Kap. 5 hatten wir zur Veranschaulichung der Entstehung von Bändern
ein eindimensionales Modell aus einer unendlichen Abfolge von Quantentöpfen und Barrieren betrachtet (Kronig-Penney-Modell). In der Realität werden solche Systeme als Supergitter realisiert. Auf ein Substrat
werden dazu epitaktisch Halbleiterschichten aus abwechselndem Material aufgewachsen. Mittels MBE oder MOCVD gelingt die Herstellung
von nahezu idealen Hetero-Grenzflächen. Liegen die Schichtdicken im
Nanometer-Bereich, ergeben sich neuartige elektronische Eigenschaften,
die denen ähnlich sind, die durch die natürliche Kristallstruktur verursacht werden (Energie-Lücken, negative effektive Massen, etc.). Im fola)
d
d1
Substrat
b)
superlatt1.ID.epsi
d2 92 × 64 mm
Supergitter
y
x
z
E c (z)
z
Halbleiter-Supergitter (a) und zugehöriger Verlauf der Leitungsbandkante (b).
genden wird die elektronische Struktur von Supergittern noch einmal
genauer betrachtet, wobei eine etwas andere Methode als in Kap. 5
benutzt wird (hier jetzt das eigentliche “Kronig-Penney-Modell” ohne
WKB-Näherung). Wir beschränken uns wieder auf die Elektronen im
Leitungsband, die Löcher können analog behandelt werden. Die Schicht-
170
Hetero-Übergänge
dicke von Material 1 (z.B. GaAs) sei d1 , die von Material 2 (z.B.
Ga1−x Alx As sei d2 und die Gitterkonstante des Supergitters in z-Richtung
(Wachstumsrichtung) sei d = d1 + d2 . Parallel zu den Schichten in xund y-Richtung liegt die natürliche Gitterperiodizität vor. Die elektronische Struktur von Supergittern kann bereits mittels der EffektivmassenMethode recht gut beschrieben werden. Voraussetzung dafür ist insbesondere, dass die Leitungsband-Minima der beiden Materialien im selben Punkt des k-Raumes liegen. Bei der Kombination GaAs/Ga1−x Alx As
ist das im direkten Bereich der Legierung (x ≤ 0.42) der Fall, beide
Bandkanten liegen im Punkt Γ. Die Gesamt-Wellenfunktion eines Elektrons im Supergitter wird in der Effektivmassen-Näherung als Produkt
aus einem Blochfaktor uc0 (r) und einer Enveloppen-Funktion Fc (r)
dargestellt. Wir schreiben die Effektivmassen-Gleichung für Fc (r) in den
beiden Materialien einzeln auf:
~2
∆ + Ec1 Fc (r) = E Fc (r)
r in Material 1 ,
−
2mc1
~2
∆ + Ec2 Fc (r) = E Fc (r)
r in Material 2 .
−
2mc2
Der Einfachheit halber seien die effektiven Massen gleich (mc1 = mc2 =
mc ), was für das System GaAs/Ga1−x Alx As näherungsweise erfüllt ist.
Durch Einführung einer ortsabhängigen Leitungsbandkante Ec (z) lassen
sich beide Gleichungen zu einer zusammenfassen:
~2
∆ + Ec (z) Fc (r) = (E − Ec1 ) Fc (r)
(13.1)
−
2mc
mit
Ec (z) =
0
∆Ec ≡ Ec2 − Ec1
für n d < z < n d + d1
für n d + d1 < z < (n + 1) d
und n als Nummer der Supergitter-Einheitszelle (−∞ < n < ∞). Die
Funktion Ec (z) lässt sich als äusseres Potential interpretieren und Gleichung (13.1) als Schrödinger-Gleichung in diesem Potential. Ec (z) besitzt die Periodizität des Supergitters, d.h.
Ec (z + d) = Ec (z) .
Da das Potential Ec (z) nur von z, aber nicht von x, y abhängt, kann die
Lösung der Schrödinger-Gleichung als Produkt aus einer parallel zu den
13.3 Supergitter und Quantum Wells
171
Schichten laufenden ebenen Welle mit einem gewissen Wellenvektor k ,
und einer nur von z abhängigen Funktion χc (z) geschrieben werden:
Fc (r) = Fck (r) =
1 i k · x
e
χc (z) .
Ω1/3
Für χc (z) ergibt sich die Schrödinger-Gleichung
~2 d 2
~2 2
+
E
(z)
χ
(z)
=
E
χ
(z)
mit
E
=
E
−
E
−
k .
−
c
c
c
c1
2mc dz2
2mc (13.2)
Diese Gleichung gilt für alle z mit Ausnahme der Sprungstellen n d
und n d + d1 zwischen den beiden Materialien. Um die Grenzflächen
zu überbrücken, benötigt man Anschlussbedingungen für χc (z) und
dχc (z)/dz. Normalerweise sind Wellenfunktionen und deren erste
Ableitung überall im Raum stetig. Bei χc (z) handelt es sich aber nicht
um eine vollständige Wellenfunktion, sondern nur um deren langsam
veränderliche Enveloppe, die noch mit dem Blochfaktor uc0 (r) multipliziert werden muss. Der Blochfaktor hängt vom Material ab und hat
i.a. links und rechts von der Grenzfläche unterschiedliche Werte. Das
gleiche gilt für die Ableitungen. Wir nehmen diese Grössen im Sinne
einer Näherung als gleich an (gilt für GaAs/AlAs-Supergitter tatsächlich
näherungsweise). Dann ist also
6
χc (z − 0) = χc (z + 0)
für z = n d und z = n d + d1 . (13.3)
χc (z − 0) = χc (z + 0)
Als weitere Bedingung fordern wir die Periodizität und Normierung
von χc (z) bezüglich des 1-dimensionalen Grundgebietes Ω1/3 = M d (M
bezeichnet die Anzahl der Supergitter-Einheitszellen pro Grundgebiet).
Gemäss Bloch-Theorem kann dann χc (z) als gitterperiodische modulierte
ebene Welle
χc (z) = χck (z) =
1 ikz
e Uck (z)
Ω1/6
geschrieben werden mit k als Komponente des Gesamtwellenvektors
des Bloch-Zustandes Fck (r) = Fck k (r) in z-Richtung und Uck (z) als
Supergitter-Blochfaktor. Letzterer ist von den Blochfaktoren uc0 (r) der
beiden Volumenkristalle zu unterscheiden. Das Auftreten von zwei verschiedenen Bloch-Faktoren spiegelt den Umstand wieder, dass bei einem
172
Hetero-Übergänge
Supergitter zwei verschiedene periodische Potentiale vorliegen, nämlich
das der natürlichen Kristallstruktur und das der künstlichen Überstruktur.
Die Gesamtwellenfunktion ψc (r) ≡ ψck (r) enthält das Produkt der beiden
Bloch-Faktoren. Sie lautet
1
ψck (r) = √ uc0 (r)Uck (z)ei k · r .
Ω
Die z-Komponente k des Wellenvektors k muss von der Form (2π/M d) ·
(0, ±1, ±2, ...) sein, damit die geforderte Grundgebietsperiodizität vorliegt. Der Variationsbereich von k ist die (1-dimensionale) erste BZ des
Supergitters zwischen −π/d und π/d. Zur Lösung der SchrödingerGleichung (13.2) beschränken wir uns auf Energien 0 < E < ∆Ec ,
d.h. auf Energien, die unterhalb der niedrigsten erlaubten Energie
eines Elektrons in Material 2 liegen. Der Blochfaktor Uck (z) der
Wellenfunktion χck (z) wird in den beiden Materialschichten durch unterschiedliche Ausdrücke beschrieben. Für die Quantum Wells folgt aus
der Schrödinger-Gleichung
Uck (z) = a1 ei(K − k)z + b1 e−i(K + k)z ,
0 < z < d1
mit K als reeller Zahl, die mit der Energie E durch die Beziehung
E =
~2
2mc
K2
(13.4)
verknüpft ist, und a1 , b1 als noch zu bestimmenden Koeffizienten. In den
Barrieren gilt dagegen
Uck (z) = a2 e(κ − ik)z + b2 e−(κ + ik)z ,
d1 < z < d ,
wobei
κ2 =
2mc ~2
∆Ec − E (13.5)
gesetzt wurde. Für die vier Koeffizienten a1 , b1 , a2 , b2 ergibt sich aus den
vier Anschlussbedingungen (13.3) das homogene Gleichungssystem


 


e−iKd1
−eκd1
−e−κd1
eiKd1
0
a
1

 ikd
e−ikd
−eκd
−e−κd   b1   0 
 e


= 0  .
 iK eiKd1 −iK e−iKd1 −κ eκd1 κ e−κd1  a2
b2
0
iK eikd
−iK e−ikd
−κ eκd κ e−κd
13.3 Supergitter und Quantum Wells
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Damit dieses Gleichungssystem eine nichttriviale Lösung besitzt, muss
seine Determinante verschwinden. Die Bedingung dafür lautet
κ2 − K 2
sin (Kd1 ) sinh (κd2 ) = cos(kd) .
cos (Kd1 ) cosh (κd2 ) +
2κK
(13.6)
Nur solche K und κ sind erlaubt, die dieser Beziehung genügen. Dabei
sind K und κ aber nicht unabhängig voneinander, sondern durch die Energie E über Gleichungen (13.4) und (13.5) miteinander verknüpft. Die
Gleichung (13.6) stellt also letztlich eine Bedingung für die Energie E dar. Sie ist identisch mit der des Kronig-Penney-Problems. Man erhält
eine bestimmte Anzahl diskreter Energieeigenwerte En , die, wenn k variiert, zu Bändern En (k) auffächern, die durch Energielücken voneinander
getrennt sind. Um die Energieeigenwerte E des Supergitters zu erhalten,
muss gemäss (13.2) zu En (k) noch Ec1 + (~2 /2mc )k2 addiert werden:
En (k) = En (k) + Ec1 +
~2
2mc
k2 .
Im Unterschied zum Kronig-Penney-Problem besitzen die Energiebänder
des Supergitters also eine zusätzliche Dispersion bzgl. der WellenvektorKomponente k parallel zu den Schichten. Die Bänder und Lücken,
die sich bei festem k und Variation von k ergeben, bezeichnet man als
Minibänder und Minilücken. Die bei festem k und variablem k entstehenden Bänder bezeichnet man als Subbänder. Die Subband-Dispersion
resultiert aus der natürlichen Kristallstruktur, während die MinibandDispersion die Folge der künstlichen periodischen Überstruktur ist.
In der Abbildung sind auch die Grenzfälle sehr dicker Barrieren (links)
und sehr dünner Barrieren (rechts) dargestellt. Im ersten Fall dominieren
die hyperbolischen Terme in (13.6) und der die Dispersion verursachende
Term cos(kd) auf der rechten Seite kann vernachlässigt werden. Die
Minibänder entarten zu den diskreten Niveaus des isolierten Quantentopfes. Das Supergitter zerfällt in einzelne Quantum Wells, die untereinander nicht gekoppelt sind (Multi-Quantum-Well-Struktur). Im zweiten
Fall liefert die Säkulargleichung (13.6) in nullter Näherung k = K. Damit
verschwinden die Minilücken überhaupt, und die Überstruktur ist unwirksam.
Die bisherigen Betrachtungen gelten mit gewissen Modifikationen
auch für Löcher. Die Löcher-Wells können sich im selben Material
befinden wie die Elektronen-Wells, aber auch im andern Material. Im
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Hetero-Übergänge
π
a
superlatt2.ID.epsi
95 × 82 mm
k ||
π
d
k
π
d
z
Mini- und Subbänder eines Supergitters. Dargestellt sind auch die beiden Grenzfälle
sehr dünner und sehr dicker Barrieren. Der untere Bildteil veranschaulicht die Wellenfunktionen.
ersten Fall spricht man von Typ-I-Supergittern, im zweiten Fall von TypII-Supergittern. In Typ-II-Supergittern halten sich Elektronen und Löcher
in verschiedenen Materialschichten auf, sind also räumlich separiert, was
zu ungewöhnlichen Eigenschaften führt. Es kommt sogar vor, dass die
Löcher-Niveaus in dem einen Material höher liegen als die ElektronenNiveaus in dem andern. Sie sind dann nicht mehr durch eine Energielücke
voneinander getrennt, und das Supergitter ist ein Metall.
Typ I
Typ II
Ec
∆Ec
superlattTyp.ID.epsi
123 × 41 mm
E g1
Ev
E g2
∆Ev
Supergitter vom Typ I und Typ II.
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