Schwingungsüberwachung nach biologischem Vorbild

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Schwingungsüberwachung nach biologischem Vorbild…
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Schwingungsüberwachung nach biologischem
Vorbild - was leisten künstliche Immunsysteme?
Prof. Dr.-Ing. habil. Jens Strackeljan
Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
Institut für Mechanik, Lehrstuhl für Technische
Dynamik
1
Einleitung
Die Motivation dieses Thema aufzugreifen, ergabt sich aus dem Umstand einer
Mitarbeit in dem interdisziplinär ausgerichteten EU-Projekt NiSIS 1 (Nature Inspired Smart Information Systems). Seit 2005 arbeiten hierbei Biologen, Informatiker, Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler, Physiker, Mathematiker, Soziologen, etc. gemeinsam daran, basierend auf natürlichen Vorlagen, Lösungsansätze für Problemstellungen in den Bereichen Technik, Naturwissenschaft und
Wirtschaft zu erstellen. Derartige Überlegungen sind keineswegs neu. Unter
dem Thema BIONIK sind derzeit in Deutschland eine Vielzahl von überaus interessanten Projekten und Forschungsprogrammen etabliert. Eine gute Zusammenstellung aktueller Arbeiten zu diesem Thema kann dem Buch [ROS05] entnommen werden. In diesem Beitrag soll das Thema der Maschinenüberwachung näher behandelt werden, mit dem der Autor sich schon seit vielen Jahren
wissenschaftlich intensiv beschäftigt [BEH02, DOB04, STR04, STR05], wobei
die Basis der Überwachung aus den an einem technischen Objekt auftretenden
Schwingungen gezogen werden sollen. Künstliche Immunsystem sind im Bereich der Informatik z.B. zur Erkennung von Fehlern in Computernetzwerken in
der Vergangenheit recht ausführlich untersucht worden. Wenige Anwendungsbeschreibungen finden sich in der Literatur allerdings bisher im Bereich des
Maschinenbaus z.B. auf den Gebiet der Schwingungsüberwachung.
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mehr Informationen zu NiSIS unter www.nisis.de
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Anpassungsfähige Überwachungssysteme
Adaptivität ist für moderne Überwachungssysteme eine ganz wesentliche Eigenschaft [STR04] und hat in den letzten Jahren zur Lösung aktueller Problemstellungen in Bereichen der Prozess- und Maschinenüberwachung deutlich an
Bedeutung gewonnen. Standardlösungen ohne Anpassungsfähigkeit auf wechselnde Umgebungsbedingungen werden schon bald kaum noch konkurrenzfähig sein. Dieser Fortschritt ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass leistungsfähige Sensoren, die als wichtige Schnittstellen zur Wahrnehmung der
Außenwelt agieren, preislich in völlig neue Dimensionen gerückt sind. Im
Zusammenhang mit Überwachungssystemen sind folgende Stufen der
Anpassungsfähigkeit vorstellbar:
Adaptivität der Stufe 1
Ein adaptives Überwachungssystem ist in der Lage, Veränderungen in den
Umgebungs- und Prozessbedingungen zu erkennen. Modifikationen wie z. B.
die Anpassung von Grenzwerten können automatisch durch das System selbst
vorgenommen werden.
Adaptivität der Stufe 2
Ein adaptives Überwachungssystem kann von einer Maschine auf eine andere
übertragen werden, ohne dass Einstellungen durch einen Experten neu vorgenommen werden müssen. Zumindest sollte der Arbeitsumfang einer notwendigen Justierung auf ein Minimum reduzierbar sein. Die Überwachungsaufgabe
an sich wird jedoch nicht verändert.
Adaptivität der Stufe 3
Ein adaptives Überwachungssystem kann für andere Überwachungsaufgaben
eingesetzt werden, ohne dass an der Grundstruktur Änderungen vorgenommen
werden müssen. Notwendige Grenzwerte oder Steuerungsparameter des Klassifikationsalgorithmus werden weitgehend selbstständig festgelegt. In dieser
dritten Stufe kann nun auch das Überwachungsobjekt selbst verändert werden.
Eng mit der Adaptivität verbunden ist die Lernfähigkeit und gewinnt für ein leistungsfähiges Überwachungssystem zunehmend an Bedeutung. Als die drei wesentlichen Lernziele kommen bei einem Überwachungssystem in Betracht:
Anzahl der Fehlerklassen und Qualitätszustände:
Bei der Maschinenüberwachung stellen sich Fehler häufig nicht spontan, sondern durch einen langsamen Übergang des Gutzustandes in den Schlechtzustand dar. Es ist daher nicht klar definiert, welche Anzahl von Zustandsklassen
überhaupt gewählt werden sollte.
Grenzwerte:
Dem Anlernen dieser Größen kommt bei Überwachungssystemen sicherlich die
größte Bedeutung zu. Das manuelle Setzen und die Verwaltung von einigen
hundert Grenzwerten, bei der Verwendung vieler Merkmale eine normale Anzahl, ist dabei nicht praktikable.
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Merkmale:
Ein adaptives System sollte erkennen, dass die bisher genutzten Merkmale
nicht mehr ausreichen, um eine Überwachungsaufgabe mit genügender Sicherheit durchzuführen. Daher ist die Berechnung – zumindest aber die erneute
Auswahl – neuer und besser passender Merkmale ein weiteres Lernziel.
3
Künstliche Immunsysteme zur Überwachung von
Maschinen
Viele der zuvor genannten Anforderungen an ein fortschrittliches Überwachungssystem zur Erkennung von Fehlzuständen oder Anomalien werden
von natürlichen Immunsystemen praktisch in Vollendung beherrscht. Da es zusätzlich im Bereich der künstlichen Immunsystem seit vielen Jahren sehr intensive Forschungsarbeiten [CA02,BRD03,DAS96] gibt, ist es naheliegend zu prüfen, ob sich aus dem Vorbild des natürlichen Immunsystems neue Konzepte zur
Maschinenüberwachung ableiten lassen.
3.1 Grundlagen und Eigenschaften natürlicher Immunsysteme
Natürliche Immunsysteme sind durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet:
x
Einzigartigkeit
Trotz der im Prinzip vorhandenen Ähnlichkeit und dem strukturell gleichen Zellaufbau ergeben sich einzigartige Immunsysteme für jedes Individuum. Genau dies aber kann als noch ungelöster und kritischer Punkt
praktisch aller bestehender technischer Überwachungssystem gesehen
werden, weil vor allem bei komplexen Maschinen keine vollständige Übereinstimmung vorliegt und damit eine unangepasste Übertragung von
Überwachungssystemen kaum möglich ist.
x
Erkennung von Fehlzuständen und Anomalien
Das Immunsystem reagiert auf ein breites Spektrum von Pathogenen
und ist flexibel genug, sich auch an neue Anomalien anzupassen. Eine
Erkennung ist auch dann möglich, wenn das System die entsprechenden
Antigene noch niemals gesehen hat.
x
Lernfähigkeit und Gedächnis
Das Immunsystem ist in der Lage zu lernen und je nach Zellart dieses
Gedächnis auch sehr lange zu bewahren. In der Zukunft können dann
Immunreaktionen auf Antigene sehr viel schneller vollzogen werden.
x
Hohe Effizienz und Flexibilität
Die Zellen sind in der Lage, innerhalb des Systems verteilt und autonom
zu reagieren.
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Das menschliche Immunsystem ist überaus komplex und kann in der Vielzahl
seiner Reaktionsmöglichkeiten auch nicht annähernd für technische Fragestellungen kopiert werden. Es sollen aber einige Grundideen präsentiert werden, die sich an der sogenannten spezifischen Immunreaktion anlehnen, die
durch die B- und die T-Lymphozyten erfolgt. Diese Reaktionen sind effizienter
als diejenigen der unspezifischen Immunantwort und besitzen eine Gedächtniskomponente, die eine Reaktionszeit bei einem erneuten Angriff minimiert.
T-Zellen:
Diese Abwehrzellen werden im Thymus geprägt und bilden verschiedene Teilpopulationen, die bei der Immunreaktion zusammenwirken. Um auf ein Antigen
zu reagieren, besitzen sie auf ihrer Oberfläche den T-Zellen-Rezeptor. Sie sind
jedoch nicht wie ein Antikörper in der Lage, ein Antigen sofort als fremd zu erkennen, sondern müssen erst durch antigenpräsentierende Zellen, z.B. BZellen, stimuliert werden.
B-Zellen:
Sie reifen in einer Vielzahl von Geweben wie z. B. den Mandeln, einigen Darmabschnitten oder der Milz heran. Auf der Zelloberfläche tragen sie Antikörper,
die bestimmte Bereiche körperfremder Stoffe (Antigene) erkennen und binden.
Wird von einem solchen als Rezeptor fungierenden Antikörper das Antigen eines Krankheitserregers gebunden, beginnen die B-Zellen sich vielfach zu teilen
und zu Plasmazellen umzuwandeln. Die Plasmazellen produzieren nun massenhaft den gleichen Antikörper. Einige B-Zellen werden nicht zu Plasmazellen,
sondern zu B-Gedächtniszellen (Memory-Zellen).
3.2
Übertragung auf künstliche Immunsysteme
Wie kann nun die Wirkungsweise der T- und B-Zellen zumindest ansatzweise
auf ein technisches System übertragen werden? Es soll hier einen Ansatz etwas näher beschrieben werden, der auf [BRA03] zurückgeht.
Der Zustand des zu überwachenden Systems wird durch einen Zustandvektor
mit beschreibenden Merkmalen repräsentiert und soll N Variablen enthalten,
wobei durch eine geeignet Skalierung alle Merkmale in den Bereich [0,1] transformiert werden. Die Merkmale des Zustandsvektor in einem fehlerfreien Zustand sollen durch „eigene“ und im Falle eines Fehlers „fremde“ gekennzeichnet
werden.
Das System besteht aus folgenden Kernmodulen:
x
x
Das T-Modul hat die Aufgabe eigene (Gutzustand) und fremde (Anomalien) Muster zu unterscheiden. Eine Anpassung der T-Zellen (Detektorelemente) erfolgt aber nur durch die Steuerung des B-Moduls.
Das B-Modul reagiert auf alle wiederholt auftretende Zustände unabhängig davon, ob es sich um eigene oder fremde handelt und gibt das Er-
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gebnis der Bewertung and das T-Modul weiter. Das B-Modul hat die
wichtige Aufgabe des Immunsystem an neue Situationen zu adaptieren.
a) T-Modul:
&
Das Modul enthält eine Menge von d Detektoren. Jeder Detektor x , ist in der
&
Lage, mögliche Anomalien eines aktuellen Zustandvektors y innerhalb eines
& &
vorgegeben Radius rx zu erkennen. Sollte also y x rx , wird ein Fehlzustand
vom Typ x protokolliert. Abb. 1 zeigt in der zweidimensionalen Merkmalsebene
die Grundidee. Die als kleine Achtecke gekennzeichneten Marker charakterisieren bekannte „eigene“ Zustände (fehlerfreier Normalzustand), die durch den
zugehörigen Vektor zum Mittelpunkt und einen Radius um diesen gekennzeichnet sind, um auch beim Auftreten kleiner Schwankungen noch als eigener Zustand erkannt zu werden. Die Zustandsdetektoren sind als große Kreise gekennzeichnet und erhalten zu Beginn (t =0) eine willkürliche Verteilung in der
Merkmalsebene. Es werden so viele Detektoren zufällig verteilt generiert, bis
eine sinnvolle Abdeckung des Merkmalsraums erfolgt ist. Die Beurteilung einer
aktuellen Messung erfolgt nun dergestalt, das zunächst geprüft wird, ob die
Messungen innerhalb eines „eigenen“ Muster liegt. Ist dies der Fall, wird keine
weitere Handlung vorgenommen. Gibt es aber eine Ähnlichkeit mit einem der
Detektoren (Muster fällt in einen Detektorkreis), wird dies protokolliert, wobei
zur Verhinderung von Frühalarmen über einen Zähler entschieden wird, wann
sich aus dieser Ähnlichkeit eine Handlung ableitet. Sollte der Zustand anhalten,
&
wird er durch das B-Modul als Alarm xa identifiziert.
Zwei mögliche Handlungen sind dann vorstellbar:
&
&
&
1) Liegt xa innerhalb eines Detektors xa x rx wird der Mittelpunkt des
&
Detektor in Richtung von xa verschoben. So ergibt sich eine bessere
Anpassung des Detektors an diese Anomalie (Abb. 1).
&
&
&
2) Liegt xa nicht innerhalb eines Detektors xa x ! rx für alle x , so wird
ein neuer Detektor generiert, wobei der Radius so gewählt wird, dass es
zu keiner Überlappung mit schon bestehende Detektorelementen kommt
(Abb. 2).
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Abb. 1: Anpassung der T-Module (T-Zellen). Das Antigen befindet sich innerhalb des Erkennungsbereichs eines T-Moduls und wird dann in der Position
angepasst.
Abb. 2: Anpassung der T-Module (T-Zellen). Das Antigen befindet sich außerhalb des Erkennungsbereichs eines T-Moduls. Es können dann T-Module neu
erzeugt werden.
b) B-Modul
Dem B-Modul kommt die wichtige Aufgabe zu, diese Anpassung, die letztlich
die Abdeckung des Merkmalsraums durch die T-Module optimiert, an neue Situationen zu steuern. Hierzu sind die Operatoren Mutation und Stimulation im
Algorithmus implementiert.
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Der gesamte Merkmalsraum wird zum Start mit einer Startpopulation von Vektoren zufällig belegt (Abb. 3, links). Eine Mutation wird immer dann durchge&
führt, wenn ein Zustandsvektor y an das B-Modul übergeben wird. Es wird dann
&
aus der kompletten Population ein Set aus Vektoren xm ausgewählt, wobei nur
&
diejenigen Vektoren aufgenommen werden, die hinreichend nahe an y liegen.
&
&
Der Mutationsprozess wird über die Ähnlichkeit zwischen xm und y gesteuert.
In Zone A ist keine Ähnlichkeit vorhanden und es wird ebenso wie in B (große
Ähnlichkeit) keine Modifikation durchgeführt (Abb. 3, rechts).
Für den Bereich C könnte die Anpassung z.B. entsprechend der Bestimmung
&
&
y des Massenschwerpunktes ( y hat Masse 1 und die Vektoren im Bereich C
die Masse ml ) durch die Gleichung erfolgen:
&
xc (t 1)
&
&
ml xc (t ) y
1 ml
Auf die genauen Details der kompletten Steuerung der Adaption der Detektorzellen durch das B-Modul, das auch noch die Möglichkeiten des Clonen und
des Absterbens von Zellen beinhaltet, soll hier nicht eingegangen werden. Eine
Gedächnisfunktion ist sowohl im T-Modul durch die Verlagerung der Detektorelemente, als auch im B-Modul durch die Veränderung der Population infolge
eingetretener Ereignisse vorhanden. Die Zonen in Abb. 3 rechts steuern die
Wahl des Mutationsalgorithmus entsprechend der Ähnlichkeit zwischen aktuellem Zustand und Detektorzellen.
A
D
C
B
Abb. 3: Ausgangspopulation zum Start des Mutations- und Clon-Algorithmus.
In Abb. 4 ist die Auswirkung eines anhaltenden Fehlzustandes mit den Koordinaten 0.4 / 0.4 und 0.7 / 0.7 auf die Ausgangspopulation dargestellt.
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Abb. 4: Anpassung der T-Module (T-Zellen) durch Mutation (links) und durch
Veränderung de Populationsgröße (rechts).
Durch Mutation kommt es einer Clusterbildung (Abb. 4,links), denn es werden
bestehende Detektoren angepasst. Durch das Clonen dagegen können neue
Vektoren in die Population aufgenommen werden (Abb. 4, rechts), die eine
Veränderung der Populationsgröße und darauf aufbauend eine Verschiebung
des Detektorelements zur Folge haben.
Abb. 5 zeigt die Anwendung auf ein konkretes Beispiel zur Überwachung eines
Elektromotors. Nach der Berechnung des Fourierspektrums des Schwingungssignals erfolgt zur Merkmalsgewinnung im Frequenzbereich des Überwachungsfenster (hier 35-65 Hz) eine Teilung in zwei gleich große Frequenzbereiche, innerhalb derer die Amplituden des Fourierspektrums aufsummiert
werden. Die Summe des unteren Bereichs (35-50 Hz) ist auf der Abszisse, diejenige des oberen Bereich (50-65 Hz) auf der Ordinate dargestellt. Durch einen
Defekt des Motors kommt es zum Auftreten von Seitenbändern, die nun zu einer Veränderung der Merkmalswerte führen. In diesem Fall steigt das untere
Intervall (Abszisse) an und es wird eine Verschiebung in Richtung der aufgetreten Anomalie eingeleitet.
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200
Beschleunigung m/s²
150
100
50
0
0
10
20
30
40
Frequenz Hz
50
60
70
Abb. 5: Fehlererkennung an einem Elektromotor. Innerhalb des Überwachungsfensters kommt es zu einem starken Anwachsen von Seitenbändern.
Ein derartiger Schaden wird zukünftig vom System unmittelbar erkannt werden.
Die Merkmalsgenerierung durch Betrachtung con Schwingungspegeln in zwei
Frequenzbändern ist natürlich sehr einfach und könnte erweitert werden.
Selbstverständlich ist die Nutzung dieses Systems nicht auf Zustandsbeschreibungen mit nur 2 Merkmalen begrenzt. Allerdings sind die bisherigen
Ergebnisse im wesentlichen an Labormustern durchgeführt worden, bei denen
auch mit etablierten Methoden gute Ergebnisse erzielt werden können.
4
Zusammenfassung und Ausblick
Eigenschaften natürlicher Immunsystem sind für die Realisierung von Überwachungssystemen prinzipiell sehr gut geeignet. Die Kernaufgaben des Immunsystems liegt in der Erkennung von Abweichungen gegenüber einen Normazu-
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stand und der daraus folgenden Ableitung von Handlungen, um den Normalzustand wieder herzustellen und zukünftig beim erneuten Auftreten einer ähnlichen oder identischen Abweichung sehr schnell reagieren zu können. Und exakt diese Anforderung wäre auch an ein modernes Überwachungssystem zu
stellen. Bei der mathematischen Umsetzung stellt sich die Kernfrage, anhand
welcher Kriterien zu entscheiden ist, ob eine aktuelle Messung vom Normalzustand abweicht. Hier müssen Ähnlichkeitsmaße benutzt werden, die dann
zwangsläufig wieder auf Grenzwertsetzungen führen.
Es gibt Tendenzen im Bereich der künstlichen Immunsystem, die von der Erkennung der reinen „Andersartigkeit“ auf eine Entscheidung „fremd und unkritisch“ gegenüber „fremd und kritisch“ abzielen. Diese Idee wurde im Bereich der
Immunologie von Matzinger [MAT94] unter dem Begriff „Danger Theory“
[AIC02] eingeführt und ab dann auch kontrovers diskutiert [VAN00]. Auch dieser
Ansatz lässt sich unmittelbar auf die Maschinenüberwachung übertragen. Ein
verändertes Schwingungssignal nach einem Wechsel eines (intakten) Lagers
oder dem erneuten Wiederanfahren nach einem Stillstand sollte nicht zu einer
Alarmbildung führen, sondern als „fremd, aber harmlos“ gegenüber den bisher
bekannten Zuständen beurteilt werden.
Bei all diesen Ansätzen muss aber definiert werden, welche beschreibenden
Größen zur Zustandscharakterisierung benutzt werden sollen. Künstliche Immunsysteme stellen damit keinen vollständigen Lösungsansatz für Aufgaben
der Maschinenüberwachung dar, sondern können zukünftig helfen denjenigen
Teil, der die automatische Klassifikation umfasst, zu verbessern. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist aber bei unzureichender Signalvorverarbeitung und
Merkmalsgenerierung auch mit einem sehr fortschrittlichen Klassifikator kein
brauchbares Ergebnis mehr zu erzielen. Die Lösung aller offener Fragen im
Bereich der Maschinenüberwachung wird durch die Nutzung künstlicher Immunsysteme nicht zu erwarten sein.
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Literatur
[AIC02]
[BEH02]
[BOU04]
[BRD03]
[BRA03]
[CAS02]
[DAS96]
[DOB04]
[LUH05]
[MAT94]
[ROS05]
[STR04]
[STR05]
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