Multi-Quanten Mikroskopie

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Multi-Quanten Mikroskopie
Winfried Denk, Max-Planck Institut für medizinische Forschung, Heidelberg
Im 19. Jh. erreichte die optische Mikroskopie ihre theoretische Auflösungsgrenze
als es gelang, die optischen Aberrationen
selbst für die höchstmöglichen numerischen Aperturen zu korrigieren. Dies
erlaubte dann zum Beispiel die Untersuchung der mikroskopischen Anatomie des
Nervensystems. Obwohl das räumliche
Auflösungsvermögen der optischen Mikroskopie seit dem 19. Jh. im wesentlichen
konstant geblieben ist, haben sich die
Möglichkeiten der optischen Mikroskopie
durch die Entwicklung neuer Kontrastverfahren, Detektoren und neuer Lichtquellen
stark erweitert. Besonders wichtig war
dabei die Verfügbarkeit hochempfindlicher
und schneller Photodetektoren sowie des
Lasers, der es erlaubt, die gesamte verfügbare Energie auf einen einzelnen ‚Punkt’ zu
konzentrieren, was die Weiterentwicklung
und praktische Anwendung von Abbildungsverfahren ermöglichte, bei denen
das Bild Punkt für Punkt abgetastet wird.
Erst solche ‚Laser-Abtastmikroskope’
erlauben es, die Vorteile konfokaler (MINSKI
1961) und nichtlinear optischer Kontrastverfahren in Anspruch zu nehmen. Bei der
konfokalen Mikroskopie wird dabei das
Anregungslicht und die Detektorfläche auf
den gleichen Punkt fokussiert (daher
konfokal) und damit der Einfluss von
außerhalb der Fokusebene liegenden
Objekten erheblich reduziert, was zur
Ausbildung eines sogenannten ,optischen
Schnitts‘ führt, der zwar wie eine konventionelle Mikroskopaufnahme eines dünnen
Gewebeschnitts aussieht, aber kein
tatsächliches Schneiden erfordert und
daher auch auf lebendes Gewebe
anwendbar ist.
Abb. 1: Mit Kalziumindikatorfarbstoff gefüllte
‘starburst’ Amakrinzelle in der Netzhaut, aufgenommen mithilfe eine Doppelquantenmikroskops
bei einer für die Photorezeptoren unsichtbaren
Anregungswellenlänge von 930 nm. Überlagert
in grün ist die Fluoreszenz eines extrazellulären
Kontrastfarbstoffs. Es sind Umrisse der Ganglienzellen und einige der über die Netzhautoberfläche laufenden Axonbündel zu erkennen (Bildkomposition und Daten: Dr. Thomas Euler,
MPImF).
Wird nun die räumliche Konzentration
des Anregungslichts im Laserabtastmikroskop durch die Verwendung eines gepulsten
Lasers mit zeitlicher Konzentration kombiniert, kommt es im Fokus, selbst bei moderaten Durchschnittslaserleistungen, sehr
leicht zur Anregung sogenannter „nichtlinearer“, optischer Prozesse. Solche Prozesse, die eine gewisse Analogie zur akustischen
Obertonerzeugung aufweisen, erlauben es
z.B. blaue Fluoreszenz mit rotem Licht anzuregen, was normalerweise nicht möglich
ist, da die Quantenenergie des ausgesandten
Fluoreszenzphotons immer kleiner als die
des absorbierten Photons sein muss. Im Falle sehr hoher Lichtintensitäten können nun
während eines einzigen Absorptionsvorgangs
nicht nur ein sondern n (≥≥ 2) Photonen
gleichzeitig und unter Kombination ihrer
Quantenenergien absorbiert werden. Diese
sogenannte Multiquantenabsorption ist
natürlich außerordentlich stark von der Intensität abhängig und zwar steigt die Rate
mit der n-ten Potenz der lokalen Intensität
an, was zur Folge hat, dass die Anregungswahrscheinlichkeit eines Fluoreszenzmoleküls vom Fokus weg sehr schnell abfällt
und sich damit eine, dem konfokalen Mikroskop sehr ähnliche, optische Schnittbildung ergibt (DENK, STRICKLER et al. 1990).
Anders als beim konfokalen Mikroskop erfolgt diese Schnittbildung allerdings im Multiquantenmikroskop (MQM) während des
Anregungsvorgangs und ist daher fast völlig
unabhängig von der Detektionsoptik.
Da es nun nicht mehr nötig ist, das Anregungslicht abzubilden vereinfacht sich die
Justage des Mikroskops und es verringern
sich die optischen Verluste. Viel wichtiger ist
jedoch, dass nun nur noch jene Fluoreszenzmoleküle angeregt werden, deren Fluoreszenzlicht tatsächlich detektiert und zur
Bildgebung ausgenutzt wird. Dies steht im
krassen Gegensatz zur konfokalen Mikroskopie wo bei dickeren Präparaten oft nur die
Fluoreszenz eines kleinen Bruchteils aller
angeregten Moleküle verwendet wird. Solch
verschwenderischer Umgang mit Anregung
hat zur Folge, dass im konfokalen Mikroskop
das ganze Präparat ausgebleicht und photochemisch geschädigt wird, obwohl Information nur von einer dünnen Schicht gewonnen wird. Im MQM hingegen bleibt das
Präparat außerhalb der Fokusebene von Anregung und damit von Ausbleichen fast völlig verschont, was besonders dann wichtig
ist, wenn durch sukzessives Abbilden übereinanderliegender Schichten ein Volumenbild aufgenommen werden soll. Das Fehlen
von außerfokaler Anregung kann weiter dazu ausgenutzt werden photochemische Prozesse auf sehr kleine Volumina zu beschränken (DENK 1994). Ein bei der Einführung
der MQM (DENK, STRICKLER et al. 1990)
zunächst noch gar nicht richtig erkannter
Vorteil ergibt sich bei der Abbildung stark
streuender Objekte, wie es die meisten biologischen Gewebe sind, da in diesem Fall
auch gestreutes Fluoreszenzlicht ohne Auflösungsverlust und auch ohne Verlust der opBIOspektrum · 4/03 · 9. Jahrgang
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tischen Schnittbildung detektiert werden
kann (DENK, DELANEY et al. 1994). Im konfokalen Mikroskop hingegen ist die Verwendung einer Detektorapertur obligatorisch und damit das Ausblenden fast des gesamten gestreuten Fluoreszenzlichts unvermeidlich. Da in dickeren Proben fast das gesamte Fluoreszenzlicht gestreut wird, geht
es damit der Detektion verloren. Ein weiterer Faktor zugunsten der MQM ist, dass
längerwelliges Licht weniger stark streut
und deshalb die Abbildung tiefer liegender
Gewebeschichten erlaubt.
Zu den Nachteilen der MQM zählt, dass
die im allgemeinen längere Anregungswellenlänge eine Verschlechterung der räumlichen Auflösung mit sich bringt, die nur zum
Teil durch die steilere Nichtlinearität der
Anregungswahrscheinlichkeit wieder wettgemacht wird. Weiter weisen eine ganze Reihe von Messungen auf eine erhöhte Bleichund Photoschadensrate durch MPE hin (z.B.
HOPT and NEHER 2001). Daher ist eine Anwendung der MPM nur dort angezeigt wo
dieser Nachteil durch die Vorteile mehr als
aufgewogen wird.
Da der Übergang von der Einfach- zur
Doppelquantenanregung alle wesentlichen
Abbildungs- und Schnitteigenschaften der
Multiquantenmikroskopie erbringt, erübrigt
sich in den meisten Fällen der Einsatz von
Quantenübergängen noch höherer Ordnung.
Allerdings ist die Dreifachquantenabsorption erfolgreich zur Abbildung von zelleigenen Verbindungen mit weit im ultravioletten Bereich liegender Anregungsenergie benutzt worden (MAITI, SHEAR et al. 1997). Im
Bereich der Rastersondenmikroskopie erlaubt es die nichtlineare Optik, die Feldverstärkung durch Plasmonresonanzen oder
den Spitzeneffekt viel besser auszunützen
(KAWATA, XU et al. 1999; SANCHEZ, NOVOTNY et al. 1999). Verwandt mit der MQM sind
das Oberwellen Mikroskop (HELLWARTH
and CHRISTIANSEN 1974) und die ortsaufgelöste CARS-Spektroskopie (ZUMBUSCH,
HOLTOM et al. 1999) sowie im weiteren Sinne die erst vor kurzem entwickelte STED
Methode, welche im Unterschied zur MQM
tatsächlich eine wesentlich verbesserte
räumliche Auflösung verspricht (DYBA and
HELL 2002).
Ein Hauptanwendungsgebiet der MQM
ist die Neurobiologie, wo durch den hohen
Vernetzungsgrad der Zellen untereinander
Untersuchungen an intakten, meist stark
streuenden, Geweben notwendig sind und
es die MQM erlaubt hat, völlig neuartige
Messungen durchzuführen. Um biochemische Informationsverarbeitungsvorgänge,
wie sie z.B. bei der synaptischen Plastizität
eine Rolle spielen, direkt sichtbar zu machen, wurde dabei die MQM mit Indikatorfluoreszenzfarbstoffen kombiniert, die ÄnBIOspektrum · 4/03 · 9. Jahrgang
derungen in der Konzentration intrazellulärer Botenstoffen sichtbar machen (YUSTE and
DENK 1995). Weiter wurde die Begrenzbarkeit photochemischer Reaktionen auf subfemtoliter Volumina dazu ausgenützt mithilfe des MQ-Photobleichens intrazelluläre
Transporteigenschaften zu bestimmen (SVOBODA, TANK et al. 1996), sowie durch MQFreisetzung neuronaler Botenstoffe die Verteilung von Rezeptoren auf lebenden Zellen
zu vermessen (DENK 1994; MATSUZAKI, ELLIS-DAVIES et al. 2001).
Selbst tief in der intakten Gehirnrinde lassen sich mithilfe der MQM Signale in den
feinsten Verästelungen von Nervenzellen
messen (SVOBODA, DENK et al. 1997), was
mittels eines miniaturisierten MQ-Mikroskops (HELMCHEN, FEE et al. 2001) in Zukunft wohl auch an freibeweglichen Tieren
möglich sein wird. Mithilfe der MQM ist es
möglich auch längerfristige Veränderungen
im lebenden Gehirn zu untersuchen, wie
z.B. die morphologische Stabilität synaptischer Verbindungen (GRUTZENDLER,
KASTHURI et al. 2002; TRACHTENBERG, CHEN
et al. 2002) oder die Bildung der für viele
neurodegenerativen Krankheiten, wie der
Alzheimerschen, typischen Eiweißablagerungen (BACKSKAI, KAJDASZ et al. 2001).
Wenn das im MQM verwendete Licht im
infraroten Wellenlängenbereich ist, wird es
von den Photorezeptoren in der Netzhaut
nicht absorbiert, was die optische Messung
stimulus-induzierter neuronaler Aktivität in
den informationsverarbeitenden Schichten
der Netzhaut erlaubt, ohne dass die Fotorezeptoren durch das Anregungslicht sofort geblendet werden. Erst kürzlich wurde so ein
wesentlicher Schritt in der Detektion gerichteter Bewegung in der Retina entschlüsselt (EULER, DETWILER et al. 2002).
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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Winfried Denk
Max-Planck-Institut für med. Forschung
Jahnstr. 29
D – 69120 Heidelberg
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