Special 412 Multi-Quanten Mikroskopie Winfried Denk, Max-Planck Institut für medizinische Forschung, Heidelberg Im 19. Jh. erreichte die optische Mikroskopie ihre theoretische Auflösungsgrenze als es gelang, die optischen Aberrationen selbst für die höchstmöglichen numerischen Aperturen zu korrigieren. Dies erlaubte dann zum Beispiel die Untersuchung der mikroskopischen Anatomie des Nervensystems. Obwohl das räumliche Auflösungsvermögen der optischen Mikroskopie seit dem 19. Jh. im wesentlichen konstant geblieben ist, haben sich die Möglichkeiten der optischen Mikroskopie durch die Entwicklung neuer Kontrastverfahren, Detektoren und neuer Lichtquellen stark erweitert. Besonders wichtig war dabei die Verfügbarkeit hochempfindlicher und schneller Photodetektoren sowie des Lasers, der es erlaubt, die gesamte verfügbare Energie auf einen einzelnen ‚Punkt’ zu konzentrieren, was die Weiterentwicklung und praktische Anwendung von Abbildungsverfahren ermöglichte, bei denen das Bild Punkt für Punkt abgetastet wird. Erst solche ‚Laser-Abtastmikroskope’ erlauben es, die Vorteile konfokaler (MINSKI 1961) und nichtlinear optischer Kontrastverfahren in Anspruch zu nehmen. Bei der konfokalen Mikroskopie wird dabei das Anregungslicht und die Detektorfläche auf den gleichen Punkt fokussiert (daher konfokal) und damit der Einfluss von außerhalb der Fokusebene liegenden Objekten erheblich reduziert, was zur Ausbildung eines sogenannten ,optischen Schnitts‘ führt, der zwar wie eine konventionelle Mikroskopaufnahme eines dünnen Gewebeschnitts aussieht, aber kein tatsächliches Schneiden erfordert und daher auch auf lebendes Gewebe anwendbar ist. Abb. 1: Mit Kalziumindikatorfarbstoff gefüllte ‘starburst’ Amakrinzelle in der Netzhaut, aufgenommen mithilfe eine Doppelquantenmikroskops bei einer für die Photorezeptoren unsichtbaren Anregungswellenlänge von 930 nm. Überlagert in grün ist die Fluoreszenz eines extrazellulären Kontrastfarbstoffs. Es sind Umrisse der Ganglienzellen und einige der über die Netzhautoberfläche laufenden Axonbündel zu erkennen (Bildkomposition und Daten: Dr. Thomas Euler, MPImF). Wird nun die räumliche Konzentration des Anregungslichts im Laserabtastmikroskop durch die Verwendung eines gepulsten Lasers mit zeitlicher Konzentration kombiniert, kommt es im Fokus, selbst bei moderaten Durchschnittslaserleistungen, sehr leicht zur Anregung sogenannter „nichtlinearer“, optischer Prozesse. Solche Prozesse, die eine gewisse Analogie zur akustischen Obertonerzeugung aufweisen, erlauben es z.B. blaue Fluoreszenz mit rotem Licht anzuregen, was normalerweise nicht möglich ist, da die Quantenenergie des ausgesandten Fluoreszenzphotons immer kleiner als die des absorbierten Photons sein muss. Im Falle sehr hoher Lichtintensitäten können nun während eines einzigen Absorptionsvorgangs nicht nur ein sondern n (≥≥ 2) Photonen gleichzeitig und unter Kombination ihrer Quantenenergien absorbiert werden. Diese sogenannte Multiquantenabsorption ist natürlich außerordentlich stark von der Intensität abhängig und zwar steigt die Rate mit der n-ten Potenz der lokalen Intensität an, was zur Folge hat, dass die Anregungswahrscheinlichkeit eines Fluoreszenzmoleküls vom Fokus weg sehr schnell abfällt und sich damit eine, dem konfokalen Mikroskop sehr ähnliche, optische Schnittbildung ergibt (DENK, STRICKLER et al. 1990). Anders als beim konfokalen Mikroskop erfolgt diese Schnittbildung allerdings im Multiquantenmikroskop (MQM) während des Anregungsvorgangs und ist daher fast völlig unabhängig von der Detektionsoptik. Da es nun nicht mehr nötig ist, das Anregungslicht abzubilden vereinfacht sich die Justage des Mikroskops und es verringern sich die optischen Verluste. Viel wichtiger ist jedoch, dass nun nur noch jene Fluoreszenzmoleküle angeregt werden, deren Fluoreszenzlicht tatsächlich detektiert und zur Bildgebung ausgenutzt wird. Dies steht im krassen Gegensatz zur konfokalen Mikroskopie wo bei dickeren Präparaten oft nur die Fluoreszenz eines kleinen Bruchteils aller angeregten Moleküle verwendet wird. Solch verschwenderischer Umgang mit Anregung hat zur Folge, dass im konfokalen Mikroskop das ganze Präparat ausgebleicht und photochemisch geschädigt wird, obwohl Information nur von einer dünnen Schicht gewonnen wird. Im MQM hingegen bleibt das Präparat außerhalb der Fokusebene von Anregung und damit von Ausbleichen fast völlig verschont, was besonders dann wichtig ist, wenn durch sukzessives Abbilden übereinanderliegender Schichten ein Volumenbild aufgenommen werden soll. Das Fehlen von außerfokaler Anregung kann weiter dazu ausgenutzt werden photochemische Prozesse auf sehr kleine Volumina zu beschränken (DENK 1994). Ein bei der Einführung der MQM (DENK, STRICKLER et al. 1990) zunächst noch gar nicht richtig erkannter Vorteil ergibt sich bei der Abbildung stark streuender Objekte, wie es die meisten biologischen Gewebe sind, da in diesem Fall auch gestreutes Fluoreszenzlicht ohne Auflösungsverlust und auch ohne Verlust der opBIOspektrum · 4/03 · 9. Jahrgang Special 413 tischen Schnittbildung detektiert werden kann (DENK, DELANEY et al. 1994). Im konfokalen Mikroskop hingegen ist die Verwendung einer Detektorapertur obligatorisch und damit das Ausblenden fast des gesamten gestreuten Fluoreszenzlichts unvermeidlich. Da in dickeren Proben fast das gesamte Fluoreszenzlicht gestreut wird, geht es damit der Detektion verloren. Ein weiterer Faktor zugunsten der MQM ist, dass längerwelliges Licht weniger stark streut und deshalb die Abbildung tiefer liegender Gewebeschichten erlaubt. Zu den Nachteilen der MQM zählt, dass die im allgemeinen längere Anregungswellenlänge eine Verschlechterung der räumlichen Auflösung mit sich bringt, die nur zum Teil durch die steilere Nichtlinearität der Anregungswahrscheinlichkeit wieder wettgemacht wird. Weiter weisen eine ganze Reihe von Messungen auf eine erhöhte Bleichund Photoschadensrate durch MPE hin (z.B. HOPT and NEHER 2001). Daher ist eine Anwendung der MPM nur dort angezeigt wo dieser Nachteil durch die Vorteile mehr als aufgewogen wird. Da der Übergang von der Einfach- zur Doppelquantenanregung alle wesentlichen Abbildungs- und Schnitteigenschaften der Multiquantenmikroskopie erbringt, erübrigt sich in den meisten Fällen der Einsatz von Quantenübergängen noch höherer Ordnung. Allerdings ist die Dreifachquantenabsorption erfolgreich zur Abbildung von zelleigenen Verbindungen mit weit im ultravioletten Bereich liegender Anregungsenergie benutzt worden (MAITI, SHEAR et al. 1997). Im Bereich der Rastersondenmikroskopie erlaubt es die nichtlineare Optik, die Feldverstärkung durch Plasmonresonanzen oder den Spitzeneffekt viel besser auszunützen (KAWATA, XU et al. 1999; SANCHEZ, NOVOTNY et al. 1999). Verwandt mit der MQM sind das Oberwellen Mikroskop (HELLWARTH and CHRISTIANSEN 1974) und die ortsaufgelöste CARS-Spektroskopie (ZUMBUSCH, HOLTOM et al. 1999) sowie im weiteren Sinne die erst vor kurzem entwickelte STED Methode, welche im Unterschied zur MQM tatsächlich eine wesentlich verbesserte räumliche Auflösung verspricht (DYBA and HELL 2002). Ein Hauptanwendungsgebiet der MQM ist die Neurobiologie, wo durch den hohen Vernetzungsgrad der Zellen untereinander Untersuchungen an intakten, meist stark streuenden, Geweben notwendig sind und es die MQM erlaubt hat, völlig neuartige Messungen durchzuführen. Um biochemische Informationsverarbeitungsvorgänge, wie sie z.B. bei der synaptischen Plastizität eine Rolle spielen, direkt sichtbar zu machen, wurde dabei die MQM mit Indikatorfluoreszenzfarbstoffen kombiniert, die ÄnBIOspektrum · 4/03 · 9. Jahrgang derungen in der Konzentration intrazellulärer Botenstoffen sichtbar machen (YUSTE and DENK 1995). Weiter wurde die Begrenzbarkeit photochemischer Reaktionen auf subfemtoliter Volumina dazu ausgenützt mithilfe des MQ-Photobleichens intrazelluläre Transporteigenschaften zu bestimmen (SVOBODA, TANK et al. 1996), sowie durch MQFreisetzung neuronaler Botenstoffe die Verteilung von Rezeptoren auf lebenden Zellen zu vermessen (DENK 1994; MATSUZAKI, ELLIS-DAVIES et al. 2001). Selbst tief in der intakten Gehirnrinde lassen sich mithilfe der MQM Signale in den feinsten Verästelungen von Nervenzellen messen (SVOBODA, DENK et al. 1997), was mittels eines miniaturisierten MQ-Mikroskops (HELMCHEN, FEE et al. 2001) in Zukunft wohl auch an freibeweglichen Tieren möglich sein wird. Mithilfe der MQM ist es möglich auch längerfristige Veränderungen im lebenden Gehirn zu untersuchen, wie z.B. die morphologische Stabilität synaptischer Verbindungen (GRUTZENDLER, KASTHURI et al. 2002; TRACHTENBERG, CHEN et al. 2002) oder die Bildung der für viele neurodegenerativen Krankheiten, wie der Alzheimerschen, typischen Eiweißablagerungen (BACKSKAI, KAJDASZ et al. 2001). Wenn das im MQM verwendete Licht im infraroten Wellenlängenbereich ist, wird es von den Photorezeptoren in der Netzhaut nicht absorbiert, was die optische Messung stimulus-induzierter neuronaler Aktivität in den informationsverarbeitenden Schichten der Netzhaut erlaubt, ohne dass die Fotorezeptoren durch das Anregungslicht sofort geblendet werden. Erst kürzlich wurde so ein wesentlicher Schritt in der Detektion gerichteter Bewegung in der Retina entschlüsselt (EULER, DETWILER et al. 2002). Dyba, M. and S. W. 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