VON TILMANN ALTHAUS BRE NNPUNKT Eine neue Kometenklasse? el 1 mp e T Ha lle y Ha upt gü den rtel-Asteroi HauptgürtelKometen Jupiterbahn 133P/Elst-Pizarro P/2005 U1 (Read) 118401 1999 RE70 Möglicherweise existiert im Sonnensystem eine weitere Klasse von Kometen, die Hauptgürtel-Kometen. Dies ist die Meinung von Henry Hsieh und David Jewitt von der University of Hawaii. Es handelt sich um eishaltige Asteroiden, die sich innerhalb der Jupiterbahn vor 4.5 Milliarden Jahren bildeten. Sie weisen die typischen Umlaufbahnen von Hauptgürtel-Asteroiden auf – also geringe Inklinationen und nur mäßig elliptische Bahnen. Zurzeit sind drei derartige Objekte bekannt, der ursprünglich 1979 als Asteroid 1979OW7 entdeckte Komet 133P/Elst-Pizarro, das Objekt P/2005 U1 und der »Asteroid« 118401 1999 RE70. Alle drei Objekte zeigen einen schwachen Staubschweif, der sich über Monate beobachten ließ. Es handelt sich dabei nicht um Staubfahnen eines Einschlags auf den Objekten. Die Forscher nehmen an, dass sich die drei Objekte schon seit sehr langer Zeit auf ihren jetzigen Umlaufbahnen befinden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass typische Kometen aus dem äußeren Sonnensystem durch Schwerkraftwechselwirkungen mit Jupiter und HauptgürtelAsteroiden auf die jetzt beobachteten Bahnen gelenkt wurden. Um Aufschluss über ihren Entstehungsort zu erhalten, müsste mit Hilfe einer Raumsonde die Isotopenzusammensetzung des Wassers bestimmt werden. Ähnelt diese mehr dem irdischen Wasser als jene der bislang untersuchten Kometen aus dem äußeren Sonnensystem, so wäre dies ein Indiz für die Entstehung der Hauptgürtel-Kometen im inneren Sonnensystem. (University of Hawaii/Henry Hsieh/David Jewitt) Wassereisreservoir auf dem Mars entdeckt Es ist eine der Hauptfragen seit Beginn der Marsforschung: Gibt es Leben auf dem Roten Planeten, und wie sieht es mit Beständen an flüssigem oder auch gefrorenem Wasser aus? Die europäische Sonde MARS EXPRESS funkt nicht nur viele spektakuläre Aufnahmen zur Erde, mit dem an Bord befindlichen Instrument MARSIS (Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionosphere Sounding), einer 40 Meter langen Radioantenne, tastet sie auch die Oberfläche ab. Aus den zurückkehrenden Signalen lässt sich auf Wassereisvorkommen auf, beziehungsweise dicht unter 10 STERNE UND WELTRAUM der Oberfläche schließen. Bereits im Juni 2005, kurz nach der Entfaltung der Antenne, wurde nahe des Marsnordpols eine 1.8 Kilometer mächtige Ablagerung entdeckt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Wassereis besteht, siehe Abb. Dies ist nicht ungewöhnlich, da man in den Polkappen ohnehin schon immer einen größeren Bestand an Wasser- oder Kohlendioxideis vermutete. Die in beiden Polkappen gespeicherte Menge soll Berechnungen zufolge ausreichen, um den gesamten Planeten mit einer 33 Meter hohen Wasserschicht zu bedecken. Jüngste Messungen las- Juni 2006 sen vermuten, dass es noch weitere Reservoire auf dem Planeten gibt, die bislang nicht sichtbar waren, weil sie sich ganz oder teilweise unter der Planetenoberfläche befinden. MARSIS konnte nun unter einer südpolaren Region, die an der Oberfläche offenbar eisfrei ist, Hinweise auf eine dünne Schicht aus Eis im Untergrund finden. Ihre Größe entspricht etwa der Hälfte der Südpolarkappe. Noch ist man sich allerdings nicht absolut sicher, ob es sich bei dem Gebiet nicht vielleicht doch um eine Staubschicht handelt, welche die Radarsignale verfälscht. MANFRED HOLL 2003 UB313 kaum größer als Pluto Mit dem Weltraumteleskop HUBBLE gelang es einem Forscherteam um Mike Brown am California Institute of Technology in Pasadena, die Größe des Transneptunobjekts 2003 UB313 direkt zu bestimmen. Es ermittelte einen Durchmesser von 2400 100 Kilometern. Damit ist 2003 UB313 nur geringfügig größer als der bisherige Rekordhalter Pluto, dessen Durchmesser zwischen 2300 bis 2350 Kilometer angegeben wird. Für seine Beobachtungen um den 9. Dezember 2005 verwendete das Forscherteam die High Resolution Camera (HRC) der Advanced Camera for Surveys (ACS) und belichtete 1.9 Stunden lang. Auf der Aufnahme erstreckt sich 2003 UB313 nur über 1.5 Pixel, sodass keine Einzelheiten der Oberfläche erkennbar sind. Die restlichen Pixel zeigen Streulicht der Optik. Offenbar besitzt die- Doppelsterne mit gemeinsamer Akkretionsscheibe Das Weltraumteleskop SPITZER lieferte Hinweise darauf, dass eine ungewöhnliche Art sich gegenseitig beeinflussender Zwergsterne von großen Akkretionsscheiben umgeben ist. Diese engen Doppelsternsysteme bestehen jeweils aus einem Weißen und einem Braunen Zwerg. Die Beobachtungen belegen einen Überschuss an infraroter Strahlung, was sich nach Ansicht des Teams um Steve B. Howell vom National Optical Astronomy Observatory in Tucson, Arizona, mit einer Scheibe aus Gas und Staub um das Massenzentrum erklären lässt. Insgesamt wurden vier dieser besonderen Doppelsterne beobachtet, und alle zeigen einen deutlichen Infrarotü- berschuss. Es handelt sich um kompakte Systeme, in denen die Partner nur etwa 300 000 bis 400 000 Kilometer voneinander entfernt sind und sich alle 80 bis 90 Minuten einmal umkreisen. Der Weiße Zwerg vereinigt 0.6 Sonnenmassen in seinem etwa erdgroßen Volumen. Der Braune Zwerg hingegen hat die Größe von Jupiter und weist das 40- bis 50-fache seiner Masse auf (rund 0.04 bis 0.05 Sonnenmassen). Durch die starke Schwerkraft der Weißen Zwerge werden die Begleiter in eine Tränenform verzerrt, deren Spitzen auf die Weißen Zwerge weisen. Wie sich die Akkretionsscheiben um diese Systeme gebildet haben, ist noch unklar. (NOAO/AURA/NSF) Der kühle Äquator der Wega ses Transneptunobjekt eine sehr helle Oberfläche, die zu den hellsten im Sonnensystem gehören dürfte. Erst kürzlich waren Forscher mit dem 30-m-IRAM-Teleskop (Institut pour Radioastronomie Millimétrique) auf dem Pico Veleta in der Sierra Nevada in Spanien mit indirekten radiometrischen Verfahren für 2003 UB313 auf einen Wert von circa 3000 Kilometern gekommen, behaftet mit einem Fehler von 400 Kilometern. Bei der Interpretation der Messergebnisse ging man allerdings von einer wesentlich dunkleren Oberfläche aus. (NASA/STScI/Caltech) Der Stern Wega im Sternbild Leier ist am Äquator um etwa 2500 Kelvin kühler als an den Polen, wo eine Oberflächentemperatur von 10150 Kelvin herrscht. Dieser Temperaturunterschied ist auf die schnelle Rotation des Sterns zurückzuführen. Er rotiert innerhalb von nur 12.5 Stunden einmal um seine Achse, eine Umdrehung unserer Sonne dauert hingegen 27.5 Tage. Damit gehört Wega zu den am schnellsten rotierenden Sternen. Tatsächlich dreht er sich so schnell, dass er kurz vor dem Zerreißen steht. Wäre die Rotationsgeschwindigkeit von 275 km/s um acht Prozent größer, so würde der Stern vom Äquator aus Materie ins All schleudern, wie Jason P. Aufdenberg vom National Optical Astronomy Observatory in Tucson, Arizona, mitteilte. Die Beobachtungen gelangen mit dem Interferometer CHARA in Kalifornien. Dieses Instrument des Center for High Angular Resolution Astronomy besteht aus sechs 1-m-Teleskopen, die mit einer Basislänge von bis zu 330 Metern miteinander verschaltet werden können. Dadurch werden Auflösungen von 0.2 Millibogensekunden erreicht. Die Messungen zeigen, dass Wega über die Pole gegenüber dem Äquator um 23 Prozent abgeplattet ist. Somit ist die Oberfläche am Äquator weiter vom heißen Kern entfernt und ist deshalb kühler, während die Gase in den polaren Regionen wesentlich dichter am heißen Inneren liegen. Dieser Effekt wird auch als Schwerkraft-Abdunklung bezeichnet. (NOAO/Jason Aufdenberg) Blick auf den Pol Temperatur am Pol: 10150 K Temperatur am Äquator: 7650 K Blick auf den Äquator zur Staubscheibe Die Sonne im Vergleich Rotationsperiode: 12.5 h zur Staubscheibe Oberflächentemperatur: 5800 K Rotationsperiode: 24–30 Tage STERNE UND WELTRAUM Juni 2006 11 GEMINI sieht den Totenkopfnebel Das 8-m-Teleskop GEMINI SOUTH lieferte diese Ansicht des Planetarischen Nebels NGC 246 im Sternbild Walfisch. Das auch Totenkopfnebel genannte Objekt befindet sich etwa 1600 Lichtjahre von uns entfernt. Der Zentralstern erreicht eine scheinbare Helligkeit von 12 mag und bewegt sich mit etwa 80 km/s relativ zu seinen Nachbarsternen. Es handelt sich um einen Doppelstern, dessen eine Komponente ein Weißer Zwerg ist. Dieser ist der Ursprung des Planetarischen Nebels. Kurz bevor sich der Vorgängerstern zu einem Weißen Zwerg entwickelte, stieß er den größten Teil seiner äußeren Schichten durch einen mächtigen stellaren Wind ins All ab. Diese Gasmassen dehnen sich heute mit 38 km/s aus. Dabei stoßen sie auf das umgebende interstellare Medium und werden dabei abgebremst. Durch die Wechselwirkungen entstehen Stoßwellen, die für die komplexe Form von NGC 246 verantwortlich sind. Das Forscherteam um C. Muthu am Physical Research Laboratory in Ahmedabad, Indien, nimmt an, dass auch heiße Gase, die vom 200 000 Kelvin heißen Zwerg ausgehen, die Struktur mit gestalten. Die Aufnahme entstand im sichtbaren Licht und ist ein Komposit aus zwölf je 300 Sekunden lang belichteten Einzelbildern. Verwendet wurde das Licht der Ha-Strahlung, des zweifach ionisierten Sauerstoffs OIII und des einfach ionisierten Schwefels SII. Im Amateurteleskop lässt sich NGC 246 als ein schwacher Nebelfleck ausmachen, der in kleinen Fernrohren unter 10 cm Öffnung fast von den Sternen im Vordergrund überstrahlt wird. (GEMINI SOUTH) 1 Lichtjahr 2.1 Bogenminuten Das Schwarze Loch in Perseus A Das Röntgenteleskop CHANDRA übermittelte diese Aufnahme der Umgebung des extrem massereichen Schwarzen Lochs in der Galaxie Perseus A (NGC 1275). Auffallend sind die das Zentrum umgebenden Blasen, die sich in Entfernungen von bis zu 300 000 Lichtjahren erstrecken. Die violetten Zonen kennzeichnen Regionen besonders geringer Gasdichte. Das Forscherteam um Andrew Fabian an der Universität Cambridge in Großbritannien vermutet, dass diese Regionen durch nicht sichtbare hochenergetische Teilchen entstehen, die vom Schwarzen Loch in unregelmäßigen 12 STERNE UND WELTRAUM Abständen in großer Menge ausgeworfen werden. In größerer Entfernung stoßen die Blasen durch Abbremsung im umgebenden Medium zusammen und verschmelzen zu größeren Gebilden. Offenbar ist das Schwarze Loch gerade dabei, Materie einer kürzlich in Perseus A aufgegangenen kleineren Galaxie zu akkretieren. Dabei entstehen Stoßwellen, die das vor ihnen liegende Gas komprimieren, aufheizen und hinter der Stoßfront ausdünnen. Durch die Aufheizung des Gases wird die Bildung neuer Sterne in der Kernregion von Perseus A behindert. (NASA/ CXC/IoA/Andrew Fabian et al) Juni 2006 Ein ungewöhnliches Zwergenpaar Bei dem im Jahre 2004 entdeckten Braunen Zwerg SDSS J 1534+1615 im Sternbild Schlange handelt es sich in Wirklichkeit um ein enges Doppelsternsystem, wie Beobachtungen mit dem 10m-Teleskop KECK-II auf dem Mauna Kea, Hawaii, zeigen. Für diese Beobachtungen wurde eine adaptive Optik mit Laserleitstern verwendet, die es ermöglicht, im nahen Infrarot Aufnahmen mit einer Auflösung von 0.05 Bogensekunden zu erhalten. Dabei konnte SDSS J 1534+1615 eindeutig in zwei Komponenten getrennt werden, die 0.11 Bogensekunden oder 4 AE voneinander entfernt sind. Bisher waren nur vier derartige Systeme von Braunen Zwergen bekannt. Besonders interessant in diesem Fall ist aber, dass beide Braune Zwerge, obwohl gleich alt, in unterschiedlichen Infrarotfiltern sehr verschieden erscheinen. Diese Unterschiede erklärt das Forscherteam um Michael C. Liu von der University of Hawaii durch Wolken in der Atmosphäre. Diese bestehen aber nicht aus Wassertröpchen, sondern aus festen Eisenpartikeln. Derartige Wolken könnten erklären, warum eine der Komponenten von SDSS J 1534+1615 sehr viel rötlicher erscheint. Damit ermöglichen uns diese Aufnahmen einen ersten Einblick in das komplexe Wettergeschehen auf Braunen Zwergen. (UH/KECK/Michael Liu) Mission DAWN wiederbelebt Die Anfang März 2006 gestrichene Mission DAWN zu den Asteroiden Vesta und Ceres (siehe SuW 3/2006, S. 12) wurde am 27. März von der NASA reaktiviert. DAWN sollte ursprünglich im Juni 2006 starten. Das Projekt litt jedoch unter technischen Problemen, die zu einer deutlichen Kostenüberschreitung führten. Ursprünglich waren 373 Millionen Dollar für das Projekt vorgesehen, Ende 2005 waren die Kosten auf 446 Millionen Dollar gestiegen. Eine Untersuchungskommission stellte nun fest, dass das Projekt wissenschaftlich so interessant ist und die Arbeiten schon so weit gediehen sind, dass es fortgeführt werden sollte. Durch die Unterbrechung verschiebt sich der Start von DAWN auf Mitte nächsten Jahres. Mitte 2009 soll die Sonde den Mars passieren und 2011 und in eine Umlaufbahn um Vesta einschwenken. Die Wiederbelebung von DAWN ist auch eine gute Nachricht für die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS), welche die Kamerasysteme für die Sonde gebaut hatten. So sagte Ulrich Christensen, der geschäftsführende Direktor des MPS: »Wir sind erleichtert, dass die Entscheidung, DAWN nicht zu starten, rückgängig gemacht wurde.« (NASA/MPS) Steht ein stürmischer Sonnenfleckenzyklus bevor? Dieser Ansicht ist Mausumi Dikpati vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder im USBundesstaat Colorado. Ihr Forscherteam erstellte mit dem »Predictive Flux-transport Dynamo Model« eine Prognose für den kommenden 24. Sonnenfleckenzyklus. Dabei griff das Team auf detaillierte Aufzeichnungen der Sonnenaktivität seit 1880 zurück. Das Minimum des diesmaligen 23. Fleckenzyklus wird erst Ende 2007 oder Anfang 2008 eintreten. Somit käme es gegenüber den bisherigen Erwartungen etwa ein halbes bis ein ganzes Jahr später. Das Forscherteam sagt voraus, dass das nächste Maximum um 2012 auftreten wird. Es sollte um 30 bis 50 Prozent stärker ausfallen als das Maximum des derzeitigen Fleckenzyklus. Die Folgerungen leiten das Team aus einer Art Langzeitgedächtnis der Sonne ab. Demnach würden sich auflösende Sonnenfleckengruppen, bei denen es sich um nach oben aufsteigende magnetische Flussröhren handelt, dem heißen Sonnenplasma eine Art von »Erinnerungsspur« aufprägen. Diese sinkt nach unten in die Konvektionszone ab. Dort wandert sie mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h innerhalb von 17 bis 22 Jahren vom Äquator zu den Sonnenpolen. Der Strom heißer Sonnenmaterie dringt an den Polen etwa 200000 Kilometer tief in die Konvektionszone ein. Er zieht dann mit etwa 1 m/s gegen den Äquator, wobei er auch dem Einfluss der differenziellen Rotation der Sonne unterliegt. Die dabei entstehenden Verformungen und Verwirbelungen sorgen nun für eine geringere Dichte des Sonnenplasmas, diese steigen zur Oberfläche der Sonne auf und lösen dort die bekannten Erscheinungen der Son- nenaktivität aus. Immerhin ergaben die Modellrechnungen des NCAR eine Genauigkeit von 97 bis 98 Prozent für die Prognose der Maxima der letzten acht Zyklen. Nach den unabhängigen Vorhersagen des Marshall Space Flight Center der NASA wird das nächste Maximum zwar auch sehr hoch ausfallen, der Zyklus beginnt aber wahrscheinlich schon in diesem Jahr und nicht erst 2007 oder 2008. Man wird also erst einmal abwarten müssen, um zu sehen, welches Modell wohl zur tatsächlichen Entwicklung passt und welches nicht. MANFRED HOLL STERNE UND WELTRAUM Juni 2006 13