Swiss Medical Forum

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SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer
Swiss
Medical Forum
46 16. 11. 2016
993 S. Fischli
Nebennierenrinden­
insuffizienz
1004 T. Dobrocky, J. Goldberg,
K. F. Kothbauer, J. Gralla
Myelonkompression als Folge
­einer vertebro-vertebralen
Fistel
1007 R. Bloch
Therapie der Depressionen
gestern und heute
With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly”
984 B. Möller,
A. Studhalter-Pallini
Polyarthritis
Offizielles Fortbildungsorgan der FMH
Organe officiel de la FMH pour la formation continue
Bollettino ufficiale per la formazione della FMH
Organ da perfecziunament uffizial da la FMH
www.medicalforum.ch
981
INHALTSVERZEICHNIS
Redaktion
Beratende Redaktoren
Prof. Dr. Nicolas Rodondi, Bern (Chefredaktor); Prof. Dr. Stefano Bassetti,
Prof. Dr. Reto Krapf, Luzern; Dr. Pierre Périat, Basel;
Basel; Dr. Ana M. Cettuzzi-Grozaj, Basel (Managing editor);
Prof. Dr. Rolf A. Streuli, Langenthal
Prof. Dr. ­Martin Krause, Münsterlingen; Prof. Dr. Klaus Neftel, Bern;
Prof. Dr. Antoine de Torrenté, La Chaux-de-Fonds; Prof. Dr. Gérard
Waeber, Lausanne; PD Dr. Maria Monika Wertli, Bern
Advisory Board
Dr. Daniel Franzen, Zürich; Dr. Francine Glassey Perrenoud,
La Chaux-de-Fonds; Dr. Markus Gnädinger, Steinach;
Dr. Matteo Monti, Lausanne
Und anderswo …?
A. de Torrenté
983Liraglutid: wirksam bei Typ-2-Diabe­tikern unter hohen Insulindosen?
Übersichtsartikel AIM
B. Möller, A. Studhalter-Pallini
Polyarthritis
984
Gelenkbeschwerden sind ein häufiges Problem in der Hausarztpraxis. Eine Poly­arthritis ist im
Gegensatz zu den Polyarthralgien oder Polyarthrosen eher selten, die rechtzeitige Diagnose
hat aber sehr relevante langfristige Implikationen und darf nicht verpasst werden. Der folgende
Artikel versucht eine Hilfestellung bei der Verdachtsdiagnose einer Polyarthritis zu geben
und macht Vorschläge für eine koordinierte hausärztliche und fachärztlich-rheumatologische
Behandlung.
S. Fischli
Nebennierenrindeninsuffizienz
993
Die Diagnose einer Nebennierenrindeninsuffizienz kann im klinischen Alltag aufgrund der häufig
unspezifischen Symptome verpasst werden. Ohne Behandlung handelt es sich um eine potentiell
lebensbedrohende Erkrankung. Je nach U
­ rsache und Verlauf (akut oder chronisch) sind unterschied­
liche Symptome und Befunde vorhanden. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll einen aktuellen
und praxisrelevanten Überblick über Pathophysiologie, Ursachen, Diagnose und Therapie der
Nebennierenrindeninsuffizienz liefern.
Fallbericht
T. Dobrocky, J. Goldberg, K. F. Kothbauer, J. Gralla
Myelonkompression als Folge e
­ iner vertebro-vertebralen Fistel
1004
Eine 32-jährige Patientin stellte sich mit einer über mehrere Monate progredienten Bewegungseinschränkung des linken Armes und Dysästhesien der linken Hand vor.
Der letzte Brief des Anatomen
Alexandra Lavizzari
¡ VESALS VERMÄCHTNIS
Historischer Roman
Erstausgabe August 2015
Geb., SU, 13 × 21 cm. 380 Seiten
Coverbild: Alexandra Lavizzari
ISBN 978­3­7296­0896­2
CHF 36.– / EUR 36.–
Zytglogge Verlag
Der venezianische Goldschmied Girolamo Mazzi macht einen Fund, der sein Leben auf den Kopf stellt und ihn auf eine abenteuer­
liche Flucht durch Norditalien, über den Gotthardpass nach Basel bringt.
Alexandra Lavizzari lässt in ihrem neuen historischen Roman die grossen kulturellen und religiösen Themen der Renaissance wieder­
erstehen.
Zytglogge Verlag | Steinentorstrasse 11 | CH-4010 Basel
Tel. +41 (0)61 278 95 77 | Fax +41 55 418 89 19 | [email protected]
982
INHALTSVERZEICHNIS
Leserbriefe
R. Bloch
1007 Therapie der Depressionen gestern und heute
E. Seifritz, J. Hättenschwiler, E. Holsboer-Trachsler
1007 Replik
Extended abstracts from SMW
Suchthilfe in Basel
Hans-Peter Schreiber / Esther
Keller
Auch Junkies haben Würde
Die Pionierleistungen der
Stiftung Sucht
2016. 128 Seiten, broschiert.
sFr. 26.– / ¤ 26.–
ISBN 978-3-03784-085-6
Verlag Johannes Petri
Alles begann mit einer revolutionären Bewegung: Eine Gruppe engagierter Basler Bürger leistete entschieden
Widerstand gegen die repressive Drogenpolitik der siebziger und achtziger Jahre. Es folgten Meilensteine im Umgang
mit Sucht: 1972 gründeten sie die erste Wohngemeinschaft für drogenabhängige Jugendliche, ohne absolutes
Abstinenzgebot. 1989 eröffneten sie das erste Überlebensprojekt für Heroinabhängige. Immer im Spannungsfeld
zwischen Gesetzgebung und ethischer Überzeugung setzten sich die Gründer für einen liberalen und pragmatischen
Umgang mit dem Thema Drogen ein. Die Geschichte der Stiftung zeigt die Bedeutung, die privaten Bürgerinitiativen
in Bezug auf soziale Innovationen zukommt.
Verlag Johannes Petri | Steinentorstrasse 11 | CH-4010 Basel
Tel. +41 (0)61 467 85 75 | Fax +41 (0)61 467 85 76 | [email protected]
Ve r l a g J o h a n n e s P e t r i
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Schweizerisches Medizin-Forum
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und der Schweizerischen Gesellschaft
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Redaktionsassistentin SMF,
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© EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG
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New articles from the online journal “Swiss Medical Weekly” are presented after page 1008.
983
UND ANDERSWO …?
Und anderswo …?
Antoine de Torrenté
Liraglutid: wirksam bei Typ-2-Diabe­
tikern unter hohen Insulindosen?
Fragestellung
Ca. 30% der Typ-2-Diabetiker sind insulinpflichtig. Einige davon benötigen hohe Insulindosen, die häufig mit Nebenwirkungen wie
Gewichtszunahme verbunden sind, ohne eine
adäquate Blutzuckerkontrolle zu erzielen.
­Zudem besteht ihr Diabetes bereits seit Langem und sie weisen einen sehr hohen BMI
­sowie zahlreiche Komorbiditäten auf. Glucagon-like Peptid-1-Agonisten (GLP-1) wie Liraglutid (L [Victoza®]) haben die potentielle Fähigkeit, den Teufelskreis der Insulindosiserhöhung zu unterbrechen, indem sie die
­Magenentleerung verlangsamen, einen Gewichtsverlust und eine Verringerung der Glukagonsekretion bewirken. Die nachfolgend
zusammengefasste Studie soll die Frage beantworten, ob die zusätzliche Einnahme von
L bei Patienten, die hohe Insulindosen benö­
tigen, wirksam, sicher und umsetzbar ist.
Methode
Die Studie war randomisiert, doppelblind
und plazebokontrolliert. Die Patienten litten
an trotz hoher Insulindosen (mindestens
Blutdruck bei >75-Jährigen:
Intensiv- oder Standardkontrolle?
Auf welchen Wert sollte der arterielle Blutdruck bei über 75-jährigen Patienten gesenkt
werden? Die aus der SPRINT-Studie stammende
Population mit einem Durchschnittsalter von
80 Jahren zeigte nach einem medianen Followup von 3 Jahren einen Nutzen bezüglich des
kombinierten Endpunkts aus nichttödlichem
Herzinfarkt, akutem Koronarsyndrom, nichttödlichem Schlaganfall, Herzinsuffizienz und
kardiovaskulärem Tod. Bei einem systolischen
BD von <120 mm Hg betrug ihre HR 0,66. Es
kam jedoch häufiger zu Hypertonie, Synkopen
und akuter Niereninsuffizienz. Wie wäre es mit
einem Zielwert von 130 mm Hg?
Williamson JD, et al. JAMA. 2016;315:2673.
Abschreckende Bilder auf Zigarettenschachteln: sinnvoll?
Es ist unbekannt, ob Bilder von Schäden des
Tabakkonsums auf Zigarettenschachteln einige
Raucher von ihrer verhängnisvollen Angewohnheit abbringen. Eine Raucherpopulation
(n = 1901) verwendete 4 Wochen lang ­entweder
1,5 U/­
kg/Tag) unzureichend eingestelltem
­Diabetes und einem HbA1c-Wert von 7,5–11%.
Eine Gruppe erhielt s.c. 0,6 mg L pro Tag, wobei die Dosis schrittweise bis auf 1,8 mg/Tag
gesteigert wurde, und die andere Plazebo. Die
Studie dauerte 6 Monate mit Kontrolluntersuchungen an Tag 1, 2, 4 und 6 Monate nach
der Randomisierung. Bei jeder Kontrolle wurden die Vitalparameter, das Blutzuckerjournal
und die Tagesdosis des gespritzten Insulins
erfasst. Überdies wurde ein Fragebogen zur
Lebensqualität und Zufriedenheit mit der Behandlung ausgeteilt.
Resultate
32 Patienten unter L und 34 unter Plazebo mit
einem Durchschnittsalter von 54 Jahren nahmen bis zum Studienende teil. Ihr HbA1c-Wert
betrug im Durchschnitt 8,9% und ihr BMI 41.
Zusätzlich erhielten alle die maximal verträgliche Metformindosis. Zu Studienende war
der HbA1c-Wert in der L- um 0,9% und in der
Plazebogruppe um 0% gesunken (p = 0,002).
22% der L-Gruppe hatten einen HbA1c-Wert
von <7% erreicht, gegenüber 3% der Plazebogruppe. Der Nüchternblutzucker war in der
­L-Gruppe von 12 auf 10 mmol/l gesunken,
ohne signifikante Veränderung in der Plazebogruppe. Der BMI hatte sich in beiden Grup-
Zigarettenschachteln mit abschreckenden
­Bildern oder einem einfachen schriftlichen
Warnhinweis. Zu Studienende hatten 40% der
Gruppe mit den Bildern und 34% der Gruppe
mit Text allein versucht, mit dem Rauchen
aufzuhören. 5,7 vs. 3,8% hatten mindestens
7 Tage lang nicht geraucht. Ein geringer Effekt,
aber angesichts der Zahl der Raucher …
Brewer NT, et al. JAMA Intern Med. 2016;176:905.
Gesättigte oder ungesättigte Fettsäuren?
In einer 30-jährigen Studie wurde das Verhältnis zwischen Ernährung und Sterblichkeit bei
125 000 im Gesundheitsbereich tätigen Personen ohne Diabetes, Krebs oder kardiovaskuläre
Erkrankungen untersucht. Im Studienzeitraum
verstarben 33 000 Personen. Eine erhöhte Zufuhr gesättigter Fettsäuren (oder ihr Ersatz
durch Kohlehydrate) erhöhte die Sterblichkeit
um 8%. Eine Ernährung, die reich an ein- oder
mehrfach ungesättigten Fettsäuren war, senkte
die Sterblichkeit hingegen um 11 bzw. 19%. Bei
einem Ersatz von nur 5% der Kalorien aus gesättigten Fettsäuren durch ein- oder mehrfach
ungesättigte Fettsäuren betrug die Reduktion
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):983
pen nicht verändert. Zudem waren in der LGruppe die Lebensqualität und die Zufriedenheit mit der Behandlung gestiegen.
Probleme
Die Gruppen waren klein und stammten aus
einem einzigen Zentrum (Southwestern University, Texas, USA). Die Studie wurde von
Novo Nordisk finanziert. Im ersten Behandlungsmonat traten in der L-Gr. häufiger Hypoglykämieepisoden auf.
Kommentar
Die Studie scheint den Nutzen von L bei un­
zureichend eingestellten Diabetikern unter
hohen Insulindosen zu bestätigen. Dennoch
wurde die Dosishöhe während der 6-mona­
tigen Studiendauer nicht geändert, um die
­alleinige Wirkung von L beurteilen zu können.
Der Langzeitnutzen von L in dieser Population ist unbekannt. Anhand der kurzen Stu­
diendauer ist es nicht möglich, die Auswirkung
von L auf eventuelle Diabeteskomplikationen
zu beurteilen. Trotz dieser Minuspunkte
scheint L bei der Behandlung dieser besonderen Population einen eindeutigen Nutzen zu
haben. Bleibt nur noch der Preis …
Vanderheiden A, et al. JAMA Intern Med.
2016;176:939.
13 bzw. 27%. Aber lohnt es tatsächlich, sich den
gelegentlichen Verzehr eines guten Stücks
Fleisch oder unseres hervorragenden Käses zu
versagen, nur um einige Monate länger (und
unter welchen Bedingungen ...) zu leben? Meine
persönliche Meinung: nein!
Wang DD, et al. JAMA Intern Med.
2016;176(8):1134–45.
Hypertensiver Notfall: Spital?
In einer retrospektiven Studie wurde das
Schicksal von >58 000 Patienten untersucht,
die mit einem BD von ~180/95 in die Notaufnahme kamen. In einer Vergleichsgruppenanalyse (propensity matched analysis) wurden
852 Patienten nach Hause entlassen und mit
426 Patienten im Spital verglichen. Nach 6 Monaten unterschied sich der häufig noch erhöhte
BD zwischen beiden Gruppen nicht. Bei asymptomatischen Patienten gab es bezüglich der
Rate kardiovaskulärer Ereignisse, die mit 0,9%
sehr gering war, keine Unterschiede zwischen
den Gruppen.
Patel KK, et al. JAMA Intern Med. 2016;176:981.
984
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Beurteilung, Diagnostik und Differentialdiagnose für den Internisten
Polyarthritis
Prof. Dr. med. Burkhard Möller a , Dr. med. Alexandra Studhalter-Pallini b
a
Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie, Inselspital Bern, b Praxis beim Rathaus, Zofingen
Gelenkbeschwerden sind ein häufiges Problem in der Hausarztpraxis. Eine Poly­
arthritis ist im Gegensatz zu den Polyarthralgien oder Polyarthrosen eher selten,
die rechtzeitige Diagnose hat aber sehr relevante langfristige Implikationen und
darf nicht verpasst werden. Der folgende Artikel versucht eine Hilfestellung bei der
Verdachtsdiagnose einer Polyarthritis zu geben und macht Vorschläge für eine ko­
ordinierte hausärztliche und fachärztlich-rheumatologische Behandlung.
Einführung/Hintergrund
Der Begriff «Polyarthritis» wurde in den letzten Jahr­
zehnten im deutschsprachigen Raum nicht einheitlich
verwendet. Er hat zudem mit der Zeit einige Wandlun­
gen erfahren. Je nach rheumatologischer Schule wurde
er entweder rein deskriptiv für jedes polyartikuläre
Krankheitsbild genutzt oder aber als Synonym für die
rheumatoide Arthritis (RA) verwendet. In letzterem
Fall wurde in der Regel das Wort «chronisch» voran­
gestellt zur Abgrenzung von den akut oder subakut
­auftretenden und oft nur passager vorhandenen poly­
artikulären Krankheitsbildern. Zum Ausdruck der un­
bekannten Ursache verwendete man zudem den Be­
griff «primär chronisch». Der zur Zeit in der Schweiz
gültige deutschsprachige ICD-10-Code spricht von einer
«chronischen Polyarthritis» und meint damit eine
rheumatoide Arthritis (RA).
Bei einer Polyarthritis ohne jeden Wortzusatz weiss
man also eigentlich noch nicht, was sich hinter der
­deskriptiven Diagnose verbirgt, bei der Diagnose einer
RA schon mehr. Zwar wird die RA gemäss ICD-Code
Alexandra Studhalter-Pallini
noch etwas weiter in eine seronegative und eine sero­
rasch zu irreversiblen Gelenkzerstörungen führen.
positive Unterform eingeteilt, aber diese Dichotomie
­Immerhin entwickeln ca. 20% der RA-Patienten ohne
unterschätzt die tatsächliche Komplexität des «RA-
adäquate Behandlung bereits in den ersten Monaten
Syndroms» bei weitem. Den Wunsch der Redaktion nach
vermeidbare, nach ihrem Eintreten oft nicht mehr
einem Artikel mit gegebenem Titel aufgreifend werden
reversible Gelenksschäden. Dieses Zeitfenster einer
­
wir den diagnostischen Kapiteln den deskriptiven Be­
nicht kontrollierten Entzündung gilt es heute durch
griff zugrundelegen, während sich das therapeutisch
den raschen Behandlungsbeginn möglichst kurz zu
orientierte Kapitel auf die RA-Entität beschränken
halten.
muss.
Vor Einführung der ersten Basistherapien (Synonym
DMARD, «disease modifying antirheumatic drugs»)
Wie viel Zeit lässt man sich für die
Arthritis­diagnostik bei Arthralgien?
Burkhard Möller
vor etwa 50 Jahren stand keine spezifische Behandlung
für die RA, sondern nur eine symptomlindernde Be­
handlung zur Verfügung. Diese zu beginnen und Be­
Eine chronische Gelenksentzündung kann im Fall der
schwerden zu lindern genügte, und der frühe Zeitpunkt
RA bereits mit der ersten klinischen Manifestation
der exakten Diagnosestellung war damals vergleichs­
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):984–991
985
Übersichtsartikel AIM
weise unwichtig. Seit Einführung von Methotrexat,
­Leflunomid und auch den anderen Erstlinien-Basisthe­
rapeutika, insbesondere aber mit Entwicklung der bio­
logischen Basis­
therapeutika haben sich die spezifi­
schen Behandlungsmöglichkeiten so grundlegend und
krankheitsspezifisch entwickelt, dass jede Therapie­
verzögerung einer anhaltend aktiven RA unbedingt
vermieden werden muss.
Die Rheumatologen sprechen dabei von einem «win­
dow of opportunity», das nicht verpasst werden soll.
Wir empfehlen deshalb, Verdachtsfälle mit auch nur
fraglich objektivierbaren Befunden innerhalb eines
Monats nachzukontrollieren und zumindest alle ein­
deutigen Fälle wie auch die bei der zweiten Untersu­
chung noch immer unklaren Verdachtsfälle einer Po­
lyarthritis umgehend einer definitiven Diagnostik vor
Therapie zuzuführen.
Der Vollständigkeit halber sei noch ergänzt, dass nicht
nur eine RA-Polyarthritis, sondern auch neu aufge­
tretene Arthralgien insbesondere in Verbindung mit
zusätzlichen Allgemein- und Organsymptomen ein
­
wichtiger diagnostischer Hinweis auf zum Teil schwere
und dringend behandlungsbedürftige rheumatolo­
gische Systemerkrankungen wie einen Lupus erythe­
matodes, eine anderweitige Konnektivitis oder eine
Vaskulitis-Erkrankung sein können. Hierfür wäre die
Bestimmung der humoralen Entzündungsparameter,
von Blutbild und Urinstatus vor der krankheitsspezifi­
scheren Immundiagnostik essentiell.
Diagnose einer Polyarthritis und
­einer rheumatoiden Arthritis
Eine Arthritis kann im Gegensatz zu den unspezi­
fischen Arthralgien nur bei zweifelsfreiem Nachweis
objektiver Zeichen einer Entzündung der Gelenkinnen­
haut (Synovialitis) eigentlich mehrerer Gelenke gestellt
werden (Abb. 1).
Klinisch zeigen sich dabei druckdolente, geschwollene
Abbildung 1: K linische Zeichen und Sonografie bei rheumatoider Arthritis. A: typisches
klinisches Bild. Beachten Sie die Schwellung des Fingergrund­gelenkes MCP2 am
2. ­Finger, das geringfügige Streckdefizit des 2. Fingermittelgelenkes PIP 2 und die
­Tendovaginitis im 4. Strecksehnenfach über dem Handgelenk bei schon länger bestehender, oligoartikulär anhaltend aktiver RA. B: Illustration sehr RA-charakteristischer Pathologien im sonografischen dorsalen Längsschnitt des MCP 2 mit synovialer Schwellung
und Nachweis hoher Vaskularisierung in der Synovialmembran als Ursache der vergleichsweise starken, sichtbaren und tastbaren Schwellung und zusätzlich einer Erosion
(rote Linie). C: Eine volar gelegene synoviale Schwellung (rote Fläche) am PIP 2 verhindert
die komplette Streckung (sonografischer volarer Längsschnitt des PIP 2). Darüber sieht
man die intakten Beugesehnen und die palmare Platte. D: Schwere Tendovaginitis
im Querschnitt über dem 4. Strecksehnenfach. Die quer getroffenen Sehnenzüge sind
heller (hellgrau in der Illustration) als das nahezu schwarze synovialitische Gewebe
(obere Begrenzung rot), dessen starke Mehrdurchblutung zusätzlich mit den farbkodierten
PwD-Signalen visualisiert wird. Normale Knochenoberflächen sind in den Bildern grau
dargestellt.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):984–991
und dabei meist in ihrer Funktion gestörte Gelenke. Der
Arthritis-Nachweis kann bei ausreichender Erfahrung
rein klinisch erfolgen, Synovialitiden sollten aber ins­
besondere im weniger offensichtlichen oder fraglichen
Fall detaillierter mit bildgebenden Methoden wie Ultra­
schall oder MRI dargestellt und somit zweifelsfrei nach­
gewiesen werden.
Von einer Polyarthritis wird rein deskriptiv bei einer
Entzündung von 5 oder mehr Gelenken gesprochen.
Krankheitsspezifische Veränderungen der RA lassen
sich in der konventionellen Radiologie zu spät für einen
rechtzeitigen Start der Basistherapie detektieren, so dass
diese Methode nur zur Dokumentation des Ausgangs­
befundes, z.B. möglicherweise schon länger bestehen­
986
Übersichtsartikel AIM
der Erosionen einer bis dahin wenig symptomatischen
Epidemiologie der rheumatoiden Arthritis
Polyarthritis dient. Es genügen Röntgenaufnahmen der
Hände und der Vorfüsse in einer Ebene.
Die rheumatoide Arthritis betrifft ca. 0,5–1% der Bevöl­
Seit 2010 existiert eine revidierte Fassung der RA-Klas­
kerung.
sifikationskriterien [1]. Diese ermöglicht eine frühe
Für Europa gibt es robuste epidemiologische Zahlen
eindeutige Identifikation des Krankheitsbildes mit dem
nur aus kleineren Regionen, während für die Schweiz
Ziel, früher eine krankheitsspezifische Basistherapie
nicht zuletzt aus Gründen des persönlichen Daten­
zu beginnen. Hierfür wurde ein Set von Kriterien va­
schutzes keinerlei populationsbasierte Daten zur Inzi­
lidiert, das auch ohne den Nachweis der typischen Ero­
denz und Prävalenz der RA existieren. In vergleichs­
sionen im konventionellen Röntgenbild auskommt.
weise grossen definierten Regionen in Übersee
Gemäss aktueller Klassifikation genügt dabei schon
erhobene, aber wahrscheinlich auf Europa direkt über­
ein arthritisches neben zahlreichen vor allem kleinen
tragbare epidemiologische Daten sprechen von einer
arthralgischen Gelenken in Kombination mit den typi­
RA-Inzidenz von ca. 5/10000 Personen pro Jahr und
schen Autoantikörpern.
­einer langsam ansteigenden Prävalenz von ca. 0,5 auf
Dabei handelt es sich neben den altbekannten Rheu­
knapp 1% in einer wie auch in Europa zunehmend älte­
mafaktoren um die neueren und spezifischeren CCP-
ren Bevölkerung.
Antikörper, die gegen durch Deiminierung von Argi­
nin
oder
Lysin
post-transla­
tionell
modifizierte
citrullinierte oder carbamylierte Peptide gerichtet
sind. Die Gewichtung der verschiedenen klinischen
RA-Risiko und Möglichkeiten
der Prävention
und laborchemischen Parameter ist der Tabelle 1 zu
Es gibt eine gewisse familiäre Häufung, aber die meisten
entnehmen.
neuen RA-Fälle treten sporadisch auf. Das allgemeine
Die entzündliche Aktivität der RA wird neben dem Ge­
Krankheitsrisiko für eine RA verdoppelt sich bei einem
lenkstatus anhand humoraler Entzündungsparameter
nahe verwandten RA-Fall in der Familie.
bestimmt. Einer Entzündungsanämie sollte man nicht
Früher wurde ein hohes genetisches Risiko für die
für die Diagnose, aber für die Gesamtbeurteilung eben­
rheumatoide Arthritis angenommen. In einer skandi­
falls Beachtung schenken. Die Abbildung 1 illustriert
navischen Studie konnte jedoch gezeigt werden, dass
die sehr gute Aussagekraft des Ultraschalls für Diagnose
die höhere Konkordanzrate bei eineiigen im Vergleich
und Aktivitätsbeurteilung in frühen Krankheitsphasen
zu dizygoten Zwillingen nur 12% des Gesamt-RA-Risikos
der RA.
erklärte, dass aber 50% des RA-Risikos gemeinsamen
und 38% getrennten «environmental factors» zuge­
schrieben werden müssen. So könnten gleiche Gewohn­
heiten wie das Rauchen, aber auch die Mund­hygiene
und orale Mikroben innerhalb von Familien koinzi­
Tabelle 1: ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für die RA.
Adaptiert nach [5].
dent wirken.
Idiopathische Polyarthritiden wie die RA treten selten
fulminant auf. In der Regel beginnt die RA wie auch
Gelenkbeteiligung (0–5)
1 grosses Gelenk
0
­andere immunologisch vermittelte idiopathische Poly­
2–10 grosse Gelenke
1
1–3 kleine Gelenke
2
arthritiden allmählich, wobei man sich heutzutage die
4–10 kleine Gelenke
3
>10 Gelenke, davon mindestens ein kleines Gelenk
5
Serologie (0–3)
Krankheitsentwicklung einer rheumatoiden Arthritis
als stufenweisen Prozess vorstellt.
Die prospektive Beobachtung von Angehörigen von
Patienten mit RA bietet die einmalige Chance, Genetik
Negative RF und negative ACPA
0
Niedriger positiver RF oder niedrige positive ACPA
2
Hoch (>3 der Norm) positive RF oder hoch positive ACPA
3
sowie Früh­erkennung und Frühbehandlung zu för­
<6 Wochen
0
Eine ­solche Studie ist auch seit 2009 in der Schweiz ak­
≥6 Wochen
1
tiv (http://www.arthritis-checkup.ch). Aufgrund bisher
Symptomdauer (0–1)
und Umwelt-­Risikofaktoren genauer zu identifizieren
dern.
vorliegender Daten aus dieser und anderen Studien
Akutphasenreaktion (0–1)
Normales CRP und normale BSR
0
empfehlen wir zur Minderung des allgemeinen RA-­
Abnormales CRP oder abnormale BSR
1
Risikos, das Rauchen zu vermeiden sowie auf eine
Score ≥6: definitive Diagnose einer RA
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):984–991
sorgfältige Dentalhygiene zu achten.
987
Übersichtsartikel AIM
Differentialdiagnose der Polyarthritis
zumeist auf nur eines oder wenige Gelenke. Die all­
gemeine Malaise kann mit Polyarthralgien und Myal­
In differentialdiagnostischer Hinsicht ist die Präferenz
gien einhergehen, septische Arthritiden müssen also
der RA für das weibliche Geschlecht von Bedeutung,
auch bei Polyarthralgien bei entsprechend starker ent­
aber wenig verstanden, während die Altersverteilung
zündlicher Reaktion an einzelnen Gelenken bedacht
sehr breit und diagnostisch nicht verwertbar ist. Der
werden. Immunologisch verursachte Gelenkentzün­
akute Beginn einer Polyarthritis innert weniger Tage
dungen verursachen sehr selten eine Hautrötung. Zu­
lässt eher an eine infektiös oder durch Kristalle getrig­
mindest unbehandelte Patienten mit einer septischen
gerte Ursache denken.
Arthritis haben in der Regel Fieber und weitere schwere
Bei jungen Personen sind eher viral-infektiöse Trigger
allgemeine Krankheitszeichen, die allerdings bei Ein­
zu bedenken; im fortgeschrittenen Alter nimmt die
nahme von Antipyretika verschleiert sein können.
Häufigkeit der Gicht und der Pseudogicht erheblich zu.
Dasselbe gilt für ex iuvantibus begonnene antibioti­
Dieses gilt insbesondere im klinischen Setting, in dem
sche Behandlungen ohne vorherige saubere Diagnos­
medikamentös oder anderweitig ausgelöste Verschie­
tik. Vor deren Absetzen wird man die septische Genese
bungen im Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haus­
nicht mehr erkennen, so dass nach Entfieberung,
halt Attacken von Kristallarthritiden fördern. Bei we­
­Abklingen der Arthritiszeichen und baldigem Abset­
niger genauer Untersuchung denkt man dabei auch an
zen der für eine septische Arthritis in der Regel zu
ein sogenanntes «polymyalgisches Syndrom», das die
­kurzen Behandlungsdauer das Problem nicht ausge­
Differentialdiagnose zusätzlich in Richtung der Vasku­
standen ist. Das Ergebnis einer antibiotischen Behand­
litiden erweitert.
lung muss nach Absetzen der Antibiotika nachkontrol­
liert werden.
Virale Infektionen
Deshalb gilt bei jedem neu aufgetretenen und ätiolo­
Infektiös bedingte Polyarthritiden kleiner Gelenke
gisch unklaren Gelenkerguss schon beim kleinsten
sind in der Regel viraler Natur. Der Ausschluss einer
Verdachtsmoment nach Abwägen des Für und Wider
Hepatitis-B/C- oder HIV-Infektion hat dabei Priorität
die Grundregel der Punktion und Synovia-Analyse vor
und wird vor Beginn der meisten Basistherapien ohne­
Therapiebeginn.
hin erforderlich, so dass aus rheumatologischer Sicht
Bei entsprechendem Verdacht aufgrund der Zellzahl
deren frühzeitiger Ausschluss sehr wünschenswert ist.
wird der Erregernachweis mittels Gramfärbung und
Andere Virusinfektionen wie Parvovirus B19, Epstein-
bakterieller Kultur, evtl. mit zusätz­licher eubakterieller
Barr oder Röteln mögen häufiger sein, sind aber selbst­
PCR sowie Resistogramm als Grundlage der zielgerichte­
limitierend, bleiben weitestgehend ohne therapeutische
ten antibiotischen Therapie an die allgemeine Synovia­
Konsequenz und spielen im Alltag des Rheumatologen
analyse angeschlossen. Eine Interpretationshilfe für
nur eine untergeordnete Rolle. Ein generelles Virus­
­Gelenkpunktate bietet Tabelle 2.
screening wird deshalb nicht empfohlen [2].
Kristallarthritiden
Bakterielle Infektionen
Der akute Gichtschub äussert sich wie bei einer Pod­agra
Bakteriell-septische Gelenke sind in der Regel akut und
auch andernorts typischerweise als hochakute Monar­
stark entzündet und die Infektionen beschränken sich
thritis mit heftigen Schmerzen, die Gicht kann sich
Tabelle 2: Differentialdiagnose typischer Gelenkspunktat-Befunde.
Gelenkerguss
Blutig
Nicht entzündlich
Steril-entzündlich
Eitrig
Erythrozyten
+++
–
–
–
Leukozytenzahl
<2000/µl
<2000/µl
>2000/µl
>50 000/µl
Granulozyten
<40%
<40%
>40–90%
>90%
Trauma, Arthrose,
­inaktive Arthritis
Entzündliche aktive
Arthritis wie RA, SpA
u.a.
Septisch-eitrig (bakteriell),
selten «pseudoseptisch»
bei RA, SpA u.a.
Extrazelluläre CPPDoder Uratkristalle:
bei inaktiver Krankheitsphase einer Gicht
oder Pseudogicht
Intrazelluläre Urat- oder
CPPD-Kristalle:
bei aktiver Krankheitsphase einer Gicht
oder Pseudogicht
Eine reine Kristallarthritis
ist möglich, eine bakte­
rielle Superinfektion
muss man ausschliessen
Typische Ursachen
– ohne Kristallnachweis Trauma, Hämophilie,
­Tumor, pigmentierte
villonoduläre Syno­
vialitis
– mit Kristallnachweis
Hydroxyapatitkristalle
bei ossärer Destruktion
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988
Übersichtsartikel AIM
aber auch polyarthritisch an den Fingergrundgelen­
suchen; am Bewegungsapparat ist insbesondere nach
ken wie eine RA zeigen. Häufiger als die RA führt mit
Hinweisen für eine Daktylitis oder Enthesitis zu fahn­
zunehmendem Lebensalter die Kalziumpyrophosphat-
den. Diese Differentialdiagnose ist wichtig für die Aus­
Ablagerungserkrankung (CPPD) nicht nur zu einer
wahl der Basistherapie. Eine stark abstrahierte Zusam­
Pseudogicht mit monoarthritischen Attacken, sondern
menfassung der RA-Differentialdiagnose, mit der sich
auch zu einer Polyarthritis vom Pseudo-RA-Typ. Tritt
zumindest zwei von drei Fällen zuordnen lassen sollten,
eine CPPD ungewöhnlicherweise bereits in jungen
findet sich in der Tabelle 3.
­Jahren auf, so ist nach einer sekundären Erkrankungs­
form zu fahnden.
Differentialdiagnose der Arthritis
in der Sonografie
Idiopathische Arthritiden
Die Sonografie vermag früh die charakteristischen Ver­
Hierher gehören die sogenannten Spondylarthro­
änderungen der RA zu zeigen. Mit ihrer Hilfe kann
pathien, die nach in jüngerer Zeit formuliertem Vor­
man Arthritiden klar von Tendovaginitiden oder
schlag eher Spondyloarthritis (SpA) genannt werden
Enthesi­tiden abgrenzen und zudem im gleichen Ar­
sollten [3]. Zu dieser Krankheitsgruppe zählen wie bis­
beitsgang Charakteristika von drei der wichtigsten RA-
lang die sowohl konventionell radiologisch als auch
Differentialdiagnosen, der PsA und der beiden Kris­
klinisch anhand der fixierten Funktionseinschrän­
tallarthritiden, abbilden (Abb. 2). Die Arthrosonografie
kung unverwechselbar zu diagnostizierende ankylo­
ist somit aus der Arthritis-Sprechstunde kaum noch
sierende Spondylitis (M. Bechterew), aber auch die
wegzudenken.
­reaktive Arthritis nach einer bakteriellen Infektion
des Urogenitaltraktes, zum Beispiel durch Chlamydien,
Synovia-Analyse
oder des Gastrointestinaltraktes durch Salmonellen,
In seltenen Fällen kann eine Polyarthritis auch bei aus­
Yersinien, Campylobacter oder andere Enterobakterien
schliesslichem Befall der grösseren Gelenke wie Schul­
und die Spondylarthritis bei chronisch-entzündlichen
ter, Knie- oder Sprunggelenken diagnostiziert werden.
Darmerkrankungen.
Ein solches Gelenkverteilungsmuster wäre aber eher
Nur die Psoriasisarthritis (PsA) ist aufgrund ihres ex­
ungewöhnlich für eine rheumatoide Arthritis und sollte
trem heterogenen Befallmusters eine innerhalb des
Anlass einer besonders umfassenden differentialdia­
­SpA-Komplexes ernsthaft zu bedenkende Differential­
gnostischen Abklärung sein. Insbesondere sollte immer
diagnose der Polyarthritis. Neben der positiven Fami­
ein eventuell punktabler Gelenkserguss aspiriert und
lienanamnese für eine Psoriasis sind Manifestationen
einer Synovia-Analyse (Zellzahl, ggf. Granulozytenanteil
an der Haut vor allem an den Streckseiten der Gelenke,
und Kristallanalyse) unterzogen werden. Die charakte­
der Kopfhaut, äusserem Gehörgang, Bauchnabel und
ristischen Gelenkpunktat-Konstellationen sind in Ta­
Gesässfalte wie auch an Finger- und Zehennägeln zu
belle 2 aufgeführt.
Tabelle 3: Orientierungshilfe einiger für den Grundversorger wichtigen Differentialdiagnosen der Polyarthritis
(ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Spezifität).
Rheumatoide
Arthritis
CPPD
Gicht
Psoriasis­
arthritis
Septische
Arthritis
(Vaskulitis,
Lupus u.a.)
ErkrankungsAlter
16–70
>50
Ausnahme: familiäre
Form
M: 30–50
F: 50–70
35–50
In jedem Alter
möglich
In jedem
Alter möglich
Geschlechtsverteilung
M:F 1:3
M = F
M:F: 2:1
M = F
M = F
Erkrankungsbeginn
Schleichend
Akut
Akut
Schleichend
Akut
Variabel
Häufig
betroffene
Gelenke
PIP, MCP, Hand­
gelenke, MTP,
Knie, OSG
Knie
Handgelenk
Finger (2. + 3. Strahl
v.a. bei ursächlicher
Hämochromatose)
MTP
MTP-1-Gelenke
OSG
Knie
DIP, PIP, Knie,
Fuss, axial,
Daktylitis!,
Enthesitis!
90% monoartikulär
10% polyartikulär
Klinisch oft
nur Arthralgien
Labortests
CRP/BSR ↑
RF+
CCP+
CalciumpyroPhosphatKristalle im Punktat
HarnsäureKristalle im
Punktat
Bei axialem
Befall HLAB27+
Gram / Kultur / PCR
auf Bakterien aus
Gelenkspunktat
ANA, ANCA
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Übersichtsartikel AIM
989
Abbildung 2: D
ifferentialdiagnose der RA im Ultraschall. Links die Originalbilder, rechts soweit erforderlich die Erläuterungen
A: sonografische Hinweise für Uratablagerungen auf dem Gelenkknorpel bestehen aus der echoreichen Linie auf der Knorpel­
oberfläche (unterbrochene Linie mit Punkten) bei nicht senkrechter Anlotung (für diese Abbildung danken wir PD Dr. Pascal
Zufferey, Rheumatologie CHUV, Lausanne). Oberflächliche Begrenzung der Gelenkkapsel gestrichelt, oberflächliche Begrenzung
der Kompakta durchgezogene Linie. B: Chrondrokalzinose-Arthritis. Die Schallkopfposition erfolgt longitudinal und ulnar bei
leicht nach radial abduziertem Handgelenk und zeigt die echoreichern Veränderungen ohne Schallschatten im Knorpel. 1: Oberfläche der Ulna. 2: Os triquetrum. 3: schwarze Fläche mit heller Umrandung: Gelenkhöhle mit Discus und Synovialitis. 4: hellgraue Fläche: Kristallablagerungen im Faserknorpel des Discus triangularis. C: Feinste PsA-charakteristische Osteoproliferationen
(rote Linie) an der Basis der Endphalanx von einem Fingerendgelenk. Die normale Oberfläche ist in blau dargestellt.
Behandlungskonzept der rheumatoiden
Arthritis
vielleicht der Hälfte aller Patienten mit Methotrexat
(MTX), der RA-Basistherapie der ersten Wahl, erreicht.
Neben dem bereits erwähnten «window of opportu­
Ziel der RA-Behandlung ist die sogenannte Remission,
nity», der möglicherweise sehr begrenzten Zeit für den
das heisst die Abwesenheit jeglicher Symptome und
optimalen Beginn einer langfristig angelegten Basis­
Krankheitszeichen. Dieses Ziel wird mit den gegen­
therapie, wird deshalb als eine zweite Säule der RA-­
wärtigen Möglichkeiten nach unserer Schätzung bei
Behandlung das sogenannte «treat to target»-Konzept
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):984–991
990
Übersichtsartikel AIM
formuliert, in dem bei ausbleibender Remission die
gereizt werden. In dieser Situation können dann alter­
medikamentöse Behandlung bis zum optimalen Er­
native synthetische Basistherapeutika wie Leflunomid
gebnis immer wieder angepasst wird.
(Arava®), Sulfasalazin (Salazopyrin®) oder Hydroxychlo­
roquin (Plaquenil®), aber auch biologische Basisthera­
Behandlungsbeginn
peutika wie TNF-Blocker, IL-6R-Blocker oder Abatacept
Bei unsicherer Diagnose können zunächst unter Be­
je nach indikationsspezifischer Zulassung in Mono- oder
rücksichtigung des Nebenwirkungsprofils entweder
bevorzugter Kombinations-Basistherapie verwendet
nur Paracetamol oder, da meist zu wenig wirksam, für
werden.
wenige Wochen auch verschiedene nicht-steroidale
Antirheumatika (NSAR) versucht werden. Vom Zeit­
Therapieüberwachung
punkt der eindeutigen Diagnose einer Polyarthritis an
Regelmässig muss nach dem «Treat to target»-Konzept
ist aber das Krankheitsbild binnen weniger Wochen
die Krankheitsaktivität der RA fachärztlich untersucht
aufzuarbeiten, eine RA zu diagnostizieren und die
und dabei überprüft werden, ob das Behandlungsziel
erste Basistherapie zur Verhinderung von Gelenkde­
erreicht und erhalten werden konnte. Hingegen geben
struktionen, in der Regel eben MTX, zu beginnen.
wir Rheumatologen die Kontrolle der Basistherapie-
Je nach Leidensdruck des Patienten und vor allem den
Verträglichkeit bei sehr gut etablierten Standards an
beruflichen oder familiären Anforderungen an die
durchzuführenden Untersuchungen gerne in die Hände
körperliche Leistungsfähigkeit kann überbrückend der
der kooperierenden Hausarztpraxen mit der Bitte um
Behandlungsbeginn mit Glukokortikoiden unvermeid­
Ergebnisbewertung und um Kommunikation an Patient
lich sein. Steroide wirken schliesslich rascher als jedes
und Rheumatologen im problematischen Fall. Selbst­
zur Zeit erhältliche Basismedikament einschliesslich
verständlich steht das rheumatologische Zentrum bei
der biologischen Präparate.
Komplikationen durch letztlich dort verordnete oder
Ab dem Beginn einer Steroidbehandlung oder Basis­
zumindest empfohlene Medikamente in der Verant­
therapie sollte die Diagnose aber nicht mehr hinter­
wortung und den die Behandlungen überwachenden
fragt werden müssen. Muss sie nämlich zum späteren
Hausärzten gerne mit Rat und Tat zur Seite (Richtlinien
Zeitpunkt erneut in Frage gestellt werden, so wird man
siehe http://www.rheuma-net.ch/Richtlinien).
ohne den Umweg eines Absetzversuches keine Klarheit
An dieser Stelle ist es uns ein grosses Anliegen, darauf
über die langfristige Behandlungsbedürftigkeit bekom­
hinzuweisen, dass nicht nur Basistherapeutika, sondern
men.
insbesondere auch NSAR und Steroide wegen ihres
sehr relevanten Nebenwirkungsprofils in einem weniger
Langzeittherapie
standardisierten Rahmen von Zeit zu Zeit überwacht
Zur spezifischen Behandlung der neu diagnostizierten
gehören. Diese Medikamentengruppen sind immer
rheumatoiden Arthritis stehen mittlerweile zahlreiche
noch aus der Behandlung der RA nicht wegzudenken.
Behandlungsoptionen zur Verfügung. Bei schätzungs­
Gemeinsam sollten wir Ärzte unsere Patienten immer
weise jedem 2. Fall genügt die MTX-Behandlung nicht,
wieder an den sicheren Umgang mit diesen Medika­
so dass eine individuell zusammengestellte Kombi­
menten erinnern, etwa um die fortgesetzte NSAR-Ein­
nations-Basistherapie mit oder ohne biologische Medi­
nahme im dehydrierten Zustand zu vermeiden.
kamente für diese Hälfte der schwerer zu behandeln­
den Fälle die Regel wird. Dabei hat sich mehr und mehr
herausgestellt, dass die bei den meisten Patienten
Ausblick
wichtigste Komponente einer Kombinationsbehand­
Der frühe Einsatz von Biologika hätte möglicherweise
lung Methotrexat (MTX) bleibt.
bei der RA und wahrscheinlicher noch bei den Spondy­
Auch wenn der Behandlungsbeginn mit MTX im
loarthritiden gewisse therapeutische Vorteile, kann sich
­Gegenteil zum A-priori-Einsatz von Biologika im Ein­
aber allein schon bei der momentanen Preissituation
zelfall noch diskrete und wahrscheinlich irrelevante
dieser Medikamente nicht durchsetzen. Dass sie ein
Gelenkzerstörungen im Promillebereich gemessen an
akzeptables Nutzen-Nebenwirkungs-Verhältnis haben,
den maximalen Scores von Röntgenbildern zulässt, ist
konnte mittlerweile an etlichen 100 000 Patienten­
MTX +/– Steroide doch je nach Klinik der momentane
jahren in Studien und Register-Beobachtungen gezeigt
Standardbeginn einer RA-Basistherapie [4]. MTX wird
werden.
in einer Dosis zwischen 7,5 mg und 25 mg/Woche bevor­
zugt subkutan appliziert. Leider kann aber oft wegen
vor allem subjektiver Unverträglichkeiten wie Nausea
die optimal wirksame Dosis nicht langfristig aus­
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):984–991
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Übersichtsartikel AIM
Das Wichtigste für die Praxis
• Neue therapeutische Möglichkeiten der RA begründen steigende Ansprüche an eine zeitnahe und qualitativ hoch stehende Diagnostik. Neuere
technische Hilfen wie die Bestimmung der CCP-Antikörper und der
­Gelenkultraschall erhöhen dabei die diagnostische Präzision.
• Die neuen Therapieformen haben die Behandlungsstrategien für Patienten
mit rheumatoider Arthritis komplex gemacht. Sie erfordern häufiger als
früher Anpassungen der Basistherapie.
• Dies führt zu unmittelbaren Anforderungen an das gemeinsame, nachhaltig angelegte Patientenmanagement durch Hausarzt und Spezialist.
Korrespondenz:
Prof. Dr. med.
Bildnachweis
Bild Seite 984: © Hriana | Dreamstime.com
Burkhard Möller
Universitätsklinik für Rheu­
Literatur
matologie, Immunologie
1 Felson DT, Smolen JS, Wells G, Zhang B, van Tuyl LH, Funovits J,
et al. American College of Rheumatology/European League against
Rheumatism provisional definition of remission in rheumatoid
­arthritis for clinical trials. Ann Rheum Dis. 2011;70(3):404–13.
und Allergologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 10
CH-3010 Bern
burkhard.moeller[at]insel.ch
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):984–991
991
2 Varache S, Narbonne V, Jousse-Joulin S, Guennoc X, Dougados M,
Daures JP, et al. Is routine viral screening useful in patients with
recent-onset polyarthritis of a duration of at least 6 weeks?
Results from a nationwide longitudinal prospective cohort study.
Arthritis Care Res (Hoboken). 2011;63(11):1565–70.
3 Rudwaleit M, Taylor WJ. Classification criteria for psoriatic
arthritis and ankylosing spondylitis/axial spondyloarthritis.
Best Pract Res Clin Rheumatol. 2010;24(5):589–604.
4 O’Dell JR, Curtis JR, Mikuls TR, Cofield SS, Bridges SL, Jr Ranganath VK,
et al. Validation of the methotrexate-first strategy in patients with
early, poor-prognosis rheumatoid arthritis: results from a
two-year randomized, double-blind trial. Arthritis Rheum.
2013;65(8):1985–94.
5 Aletaha D, Neogi T, Silman AJ, Funovits J, Felson DT, Bingham CO
3rd, et al. 2010 rheumatoid arthritis classification criteria:
an American College of Rheumatology/European League Against
Rheumatism collaborative initiative. Ann Rheum Dis.
2010;69(9):1580–8.
993
ÜBERSICHTSARTIKEL AIM
Eine gefährliche Erkrankung mit unspezifischer Symptomatik
Nebennierenrindeninsuffizienz
Dr. med. Stefan Fischli
Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung, Departement Medizin, Luzerner Kantonsspital
Die Diagnose einer Nebennierenrindeninsuffizienz kann im klinischen Alltag auf­
grund der häufig unspezifischen Symptome verpasst werden. Ohne Behandlung
handelt es sich um eine potentiell lebensbedrohende Erkrankung. Je nach U
­ rsache
und Verlauf (akut oder chronisch) sind unterschiedliche Symptome und Befunde
vorhanden. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll einen aktuellen und praxisrele­
vanten Überblick über Pathophysiologie, Ursachen, Diagnose und Therapie der Ne­
bennierenrindeninsuffizienz liefern.
Einleitung
Gut 160 Jahre nach der Erstbeschreibung der primären
Nebennierenrindeninsuffizienz durch Thomas Addison
und 66 Jahre nach Vergabe des Nobelpreises an Kendall,
Reichstein und Hench für die Entdeckung und erst­
malige klinische Anwendung des Kortisons wird die
Nebennierenrinden-Ersatztherapie auch heute mit seit
Jahrzehnten praktisch unveränderten Präparaten
durch­geführt. Neuere Daten zeigen den Einfluss der
­Erkrankung und deren Behandlung auf Morbidität und
möglicherweise Mortalität und verdeutlichen, dass wir
mit den aktuellen Therapiemodalitäten noch recht weit
weg sind von einer möglichst physiologischen Ersatz­
behandlung eines komplexen und hochdynamischen
Systems.
Physiologie und Pathophysiologie
der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse (Abb. 1)
Physiologie
Stefan Fischli
Das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-System
das pulsatil und im zirkadianen Rhythmus sezerniert
(Kortisolachse) spielt eine wichtige Rolle bei der Adap­
wird. Die ACTH- und damit auch die Kortisolsekretion
tation des Organismus an Stress-Situationen. Die Akti­
erreicht das Maximum am frühen Morgen und den
vierung der Kortisolachse bewirkt die Bereitstellung
Tiefpunkt um Mitternacht. Die Pulsatilität der ACTH-
wichtiger Energiesubstrate, eine Flüssigkeitsretention,
Sekretion scheint bei allen ACTH-vermittelten Wirkun­
die Erhöhung von Blutdruck und Herzminutenvolumen
gen eine zentrale Rolle zu spielen [2]. ACTH unterliegt
und eine Kontrolle der Immunantwort. Nur die Integ­
der Kontrolle mehrerer sekretagoger Faktoren wie
rität der gesamten Achse gewährleistet – zusammen
«corticotropin-releasing hormone» (CRH) oder antidi­
mit dem Sympathikus – eine adäquate «Stress-Antwort»
uretischem Hormon (ADH). Die Bindung von ACTH an
und sichert damit die Aufrechterhaltung der für die
Melanocortin-2-Rezeptoren adrenokortikaler Zellen
Homöostase wichtigen Körperfunktionen [1].
führt zur Stimulation der Kortisolsynthese und -sekre­
Das zentrale Steuerungshormon der Kortisolachse ist
tion und vermittelt trophische Effekte auf das Neben­
das hypophysäre adrenokortikotrope Hormon (ACTH),
nierengewebe.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):993–1003
994
Übersichtsartikel AIM
Rhythmik
Stressoren
CRH
Hypothalamus
ADH
Exogene
Glukokortikoide
Angiotensin II
Serumkalium
Hypophyse
Z. glomerulosa
Aldosteron
Immunzellen
ACTH
TNF-α
IL-6
Innere Zone
Z. fascicularis/reticularis
DHEA/DHEA-S
Kortisol
MC2-R
Adipokine
Adipozyten
TR
Nebenniere
Toxine
Pathogene
Peripheres
Gewebe
Freies Kortisol
11β-HSD2
5α-Reduktase
5β-Reduktase
Abbau
CBG
GR
CBG
CBG Protein-
gebundenes
Kortisol
Effekte
Abbildung 1: Physiologie/Pathophysiologie der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und des peripheren K
­ ortisolstoffwechsels.
Grüne Pfeile kennzeichnen Mechanismen, die ACTH-unabhängig die Kortisolachse stimulieren können.
CRH: corticotropin-releasing hormone; ADH: antidiuretisches Hormon; ACTH: adrenokortikotropes Hormon; MC2-R: Melanocortin-2-Rezeptor;
TR: Toll-like Rezeptor; GR: Glukokortikoid-Rezeptor; CBG: corticosteroid-binding globulin; 11βHSD2: 11β-Hydroxysteroiddehydrogenase 2;
TNF-α: Tumor necrosis factor α; IL-6: Interleukin 6.
Die Kortisolachse kann auch über ACTH-unabhängige
Östrogenspiegeln (z.B. Schwangerschaft, Einnahme
Faktoren stimuliert werden. Dazu gehören Zytokine,
oraler Kontrazeptiva) und bei der Hyperthyreose. Eine
Adipokine, endotheliale Substanzen, bakterielle und
Hypothyreose und Proteinmangel­zustände (z.B. neph­
virale Toxine und die direkte neuronale Innervation
rotisches Syndrom, schwere Leberinsuffizienz, Malnu­
[1, 3].
trition) erniedrigen dagegen die CBG-Konzentration.
Das im Plasma zirkulierende Kortisol ist zu etwa 95%
Das in der Zona glomerulosa produzierte Aldosteron
proteingebunden (an «corticosteroid-binding globulin»
wird primär über das Renin-Angiotensin-Aldosteron­
[CBG] und Albumin); nur rund 5% liegt in freier Form
system und sekundär über andere Faktoren wie
vor und kann eine Wirkung durch Bindung an den
Serumkalium reguliert. Die adrenalen Androgene
­
Hormonrezeptor entfalten. Verschiedene Zustände er­
D
­ ehydroepiandrosteron (DHEA) und Dehydroepiandro­
höhen oder erniedrigen die Konzentration an Bindungs­
steron-Sulfat (DHEA-S) stammen aus der inneren Zone
proteinen, was dazu führt, dass sich die im Labor be­
(Z. fascicularis/reticularis) der Nebenniere, unterliegen
stimmten Gesamthormonkonzentrationen ebenfalls
der Kontrolle von ACTH und sind durch Alter und
verändern: Erhöhte CBG-Werte finden sich bei hohen
­Geschlecht beeinflusst.
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Übersichtsartikel AIM
Pathophysiologie
fluss proinflammatorischer Zytokine auf ACTH- und
Wie andere endokrine Krankheiten wird die Nebennie­
Glukokortikoid-Rezeptoren, kritische Ischämien im hy­
renrindeninsuffizienz nach Ort der Störung als primär
pothalamo-hypophysären System und der Nebenniere,
(Nebenniere), sekundär (Hypophyse) bzw. tertiär (Hypo­
der Wegfall der trophischen Effekte durch tiefe ACTH-
thalamus) klassifiziert. Letztere zwei Formen werden
Spiegel, Substratmangel durch tiefes Cholesterin und
auch unter dem Begriff der zentralen Nebennierenrinden­
oxidativer Stress [13].
insuffizienz zusammengefasst. Bei der primären Form
Die Addisonkrise als Extremform des absoluten Gluko­
ist die gesamte Nebenniere, also Glukokortikoid-, Mine­
kortikoidmangels illustriert eindrücklich das Fehlen
ralokortikoid- und DHEA-/DHEA-S-Sekretion, betroffen.
wichtiger Glukokortikoidwirkungen bei einer Stress­
Der Ausfall der einzelnen Hormone unterliegt bei der
reaktion [14], nämlich den Wegfall permissiver und sup­
Autoimmunadrenalitis einer zeitlichen Sequenz. Die
pressiver Effekte.
Aldosteron-produzierende Zona glomerulosa ist zuerst
Der permissive Effekt auf die Katechol­aminwirkung
betroffen und initial ist die Erkrankung durch einen
wird über verschiedene Mechanismen vermittelt: Glu­
tiefen Aldosteronspiegel, hohe Reninwerte, jedoch eine
kokortikoide erhöhen zirkulierende Katecholamin­spie­
intakte Kortisolsekretion gekennzeichnet [4]. Auch die
gel durch Induktion des Schlüsselenzyms der Adrena­
DHEA-Sekretion ist bereits im präklinischen Stadium
linsynthese (Phenyl­­ethanolamin-N-Methyl­transferase,
eingeschränkt [5]. Bei der zentralen Nebennierenrinden­
PNMT) bzw. Hemmung der für den Abbau verantwort­
insuffizienz führt ein CRH- und/oder ACTH-Mangel
lichen Enzyme (z.B. Catechol-O-Methyltransferase,
­innerhalb kurzer Zeit zur Atrophie der Nebennieren.
COMT) und durch direkte Wirkungen an adrenergen
Dabei fällt die Sekretion von Kortisol und der adrena­
Rezeptoren (z.B. Erhöhung der Bindungs-Kapazität
len Androgene aus, die Aldosteronausschüttung bleibt
bzw. -Affinität) bzw. Beeinflussung von Postrezeptor­
jedoch immer intakt. Tiefe DHEA-/DHEA-S-Spiegel sind
mechanismen [14]. Der Wegfall dieser permissiven
deshalb auch ein typischer Befund bei Patienten mit
­Effekte führt zur «Katecholaminresistenz» und damit
einer zentralen Nebennierenrindeninsuffizienz [6, 7].
zur Hypotonie. Diese wird verstärkt durch einen Volu­
men- und Natriumverlust (wegen Mineralokortikoid­
Die Addisonkrise illustriert eindrücklich
das Fehlen wichtiger Glukokortikoidwirkungen
bei einer Stress­reaktion.
mangel, Erbrechen oder Durchfall).
Der suppressive Effekt der Glukokortikoide verhindert
eine überschiessende Immunantwort, indem z.B. die
Freisetzung und Wirkung entzündlicher Zytokine
Schwerste Erkrankungen wie zum Beispiel eine Sepsis stel­
(TNF-α, IL-1 und IL-6) gehemmt und die Zytokin-ver­
len für die Kortisolachse eine Extremsituation dar und
mittelte Glukokortikoidresistenz am Rezeptor antago­
betreffen nicht nur die Regulationsebene, sondern auch
nisiert werden [15]. Neben der Erstmanifestation einer
den Kortisolmetabolismus und die Hormonwirkung im
Nebennierenrindeninsuffizienz gehören Infektionen
peripheren Gewebe bzw. am Rezeptor. Neuere Daten
(v.a. gastrointestinale), Operationen, emotionaler Stress
­zeigen, dass die Kortisolproduktion bei kritisch Erkrank­
oder Auslassen bzw. fehlende Steigerung der Glukokor­
ten – wenn überhaupt – nur minimal gesteigert ist [8, 9].
tikoidtherapie zu den häufigsten Auslösern einer Addi­
Das ACTH ist in den ersten Tagen erhöht und fällt danach
sonkrise [16, 17].
ab (sog. ACTH-Kortisol-Dissoziation) [10]. ­Einer der wich­
tigsten Mechanismen, der in solchen Situationen hohe
Serumkortisolspiegel gewährleistet, ist die rasche und
Ursachen (Tab. 1)
drastische Reduktion des Kortisol­abbaus durch Hem­
mung der dafür bestimmten Enzyme (11β-Hydroxyste­
Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz
roiddehydrogenase Typ 2, 5α- und 5β-Reduktasen) [8].
In Europa ist heutzutage die Autoimmunadrenalitis die
­Zusätzlich sorgen weitere Anpassungen für eine ver­
häufigste Ursache einer primären Nebennierenrinden­
mehrte Verfügbarkeit von Kortisol in der Peripherie
insuffizienz [18]. Sie ist mit einer Inzidenz von 4,4–6/
(­Abfall der CBG-Konzentration mit Anstieg des freien
Mio./Jahr eine seltene Krankheit, die jedoch zuneh­
Kortisols, erhöhte Affinität des Glukokortikoidrezeptors
mend häufiger diagnostiziert wird [19]. Die Autoimmun­
für Kortisol durch Zytokine) [11]. Noch immer kontrovers
adrenalitis stellt eine «klassische» Autoimmunerkran­
werden in der Literatur die Existenz, eine einheitliche
kung dar. Durch zelluläre Immunabwehrmechanismen
Definition bzw. die zugrundeliegenden Mechanismen
kommt es zur Zerstörung der gesamten Nebennieren­
einer relativen Nebennierenrindeninsuffizienz bei kritisch
rinde. Die Erkrankung tritt isoliert oder im Rahmen
Kranken diskutiert («critical illness-related corticoste­
­eines sog. polyglandulären Autoimmunsyndroms auf
roid insufficiency», CIRCI) [12]. Postuliert werden der Ein­
[20] (Abb. 2a, und Tab. 1).
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Übersichtsartikel AIM
In Entwicklungsländern ist die Nebennierentuberku­
rezessiv vererbte adrenogenitale Syndrom (AGS), in den
lose (Abb. 2b) immer noch der Hauptgrund eines pri­
meisten Fällen verursacht durch einen 21-Hydroxy­
mär bedingten Hypokortisolismus [21] und muss als
lase-Mangel.
Differentialdiagnose bei Patienten aus diesen Ländern
Die Adrenoleukodystrophie ist ein seltener X-chromo­
berücksichtigt werden.
somaler Defekt in der Steroidbiosynthese mit Akku­
Die häufigste monogene Ursache einer primären
mulation überlangkettiger Fettsäuren («very long chain
Nebennierenrindeninsuffizienz ist das autosomal-­ fatty acids», VLCFA) vorwiegend in der Nebennieren­
­
Tabelle 1: Ursachen der Nebennierenrindeninsuffizienz.
Ursache
Bemerkungen
Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz
Autoimmunadrenalitis (M. Addison)
– Isoliert (30–40%)
Assoziiert mit HLA-DR3/-DR4
– Polyglanduläres Autoimmunsyndrom Typ I (5–10%)
Autosomal-rezessiv vererbt; Mutationen im AIRE-Gen (autoimmune­regulator-gene);
assoziierte ­Erkrankungen: Hypoparathyreoidismus, chron. mukokutane Candidiasis,
prämature ­O varialinsuffizienz, Diabetes mellitus Typ 1, Dystrophien ektodermaler Gewebe
(Nägel, Zahnschmelz), Alopecia areata, Autoimmunhepatitis, perniziöse Anämie
– Polyglanduläres Autoimmunsyndrom Typ II (60%)
Assoziiert mit HLA-DR3/-DR4; assoziierte Erkrankungen: Hypo-/Hyper­thyreose, prämature
­Ovarialinsuffizienz, Diabetes mellitus Typ 1, ­perniziöse Anämie, Zöliakie, Vitiligo, Alopecia areata
Infektiös
– Tuberkulöse Adrenalitis
Häufigste Ursache einer primären Insuffizienz in Entwicklungsländern
– HIV-assoziiert
– Pilzinfektionen (z.B. Histoplasmose, Kryptokokkose)
V.a. bei immunsupprimierten Patienten
Genetische Erkrankungen
– Adrenogenitales Syndrom
Autosomal-rezessiv vererbt; am häufigsten 21-Hydroxylasemangel
– Adrenoleukodystrophie
X-chromosomal vererbt
Bilaterale Nebennieren-Blutung/-Infarkt
Thrombopenie, Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, orale Antikoagulation,
Antiphospholipidsyndrom
Nebenniereninfiltration
Metastasen (z.B. Bronchus-, Mamma-, Colon-Ca), Amyloidose, Sarkoidose
St. n. Adrenalektomie bds.
Zentrale Nebennierenrindeninsuffizienz
Exogene Glukokortikoide
Häufigste Ursache einer zentralen Insuffizienz (Anamnese!)
– St. n. Behandlung eine hypophysären oder
adrenalen Cushing-Syndroms
Hypothalamo-hypophysäre Tumoren
Ausfälle anderer Hypophysenfunktionen (Hypopituitarismus), evtl. ­Zeichen des lokalen
­Tumorwachstums (Gesichtsfeldausfälle)
– Hypophysenadenome
Häufigste Ursache
– Kraniopharyngeom
– Meningeom
– Metastasen (selten)
Selten; meist Mamma-, Colon- oder Bronchus-Ca
Hypophysitis
– Lymphozytär
Isoliert, bei polyglandulärem Autoimmunsyndrom, selten
– Therapie mit Immune-checkpoint-Inhibitoren
Anti-CTLA-4-Antikörper (z. B. Ipilimumab, bis 15%), Anti PD-1-/ P
­ D-L1-Antikörper
(z.B. Pembrolizumab, bis 6%)
Hypophysenapoplexie
Vorbestehende Adenome, medikamentös (z.B. GnRH-Analoga)
– Sheehan Syndrom
Peripartal auftretend (Hypotonie und grosser Blutverlust)
Infiltrative Erkrankungen
Sarkoidose, Langerhanszell-Histiozytose, Hämochromatose,
Wegener-Granulomatose, Tuberkulose
Schädelhirntraumata
St. n. Bestrahlung
Jahre dauernde Latenz bis Auftreten möglich
Seltene monogenetische Ursachen
Isolierter ACTH-Ausfall oder kombinierter Ausfall mehrerer ­hypophysärer Hormone
Medikamentös-bedingte Nebennierenrindeninsuffizienz
Glukokortikoide (vgl. oben)
Immune-checkpoint-Inhibitoren (vgl. oben)
CYP3A4-Induktoren: ↑ Kortisolabbau
Mitotan, Rifampicin, Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin,
Oxcarbazepin, Topiramat
Inhibitoren der adrenalen Steroidhormonsynthese:
↓ Kortisolproduktion
Mitotan, Ketoconazol, Fluconazol, Itraconazol, Metyrapon, Etomidat
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rinde und im ZNS. Betroffen sind überwiegend Män­
rindeninsuffizienz [24]. Alle diese Faktoren korrelieren
ner, Frauen sind Konduktorinnen. Meistens zeigen sich
jedoch nur ungenau mit dem Risiko, einen Hypokor­
bereits in jungem Alter Symptome der ZNS-Beteiligung
tisolismus auch tatsächlich zu entwickeln [25]. Eine
(Verhaltensauffälligkeiten, neurokognitive Defizite bis
­Nebennierenrindeninsuffizienz kann bei jeder Appli­
hin zur dementiellen Entwicklung).
kationsart (topisch bzw. systemisch) auftreten, wobei
sie bei lokaler Anwendung (inhalativ, intranasal, dermal)
Zentrale Nebennierenrindeninsuffizienz
seltener auftritt als bei peroraler oder parenteraler
Die häufigste Ursache einer zentralen Nebennieren­
Gabe [24].
rindeninsuffizienz ist die Therapie mit exogenen Glu­
Tumoren im hypothalamo-hypophysären Bereich sind
kokortikoiden [22]. Bereits eine kurzdauernde perorale
die häufigsten Ursachen einer sekundären Nebennie­
Therapie führt bei über 40% der Patienten zu einer – in
renrindeninsuffizienz [26]. Sie führen zum Ausfall der
der Regel – passageren Nebennierenrindeninsuffizienz
CRH- bzw. der ACTH-Sekretion. Meistens sind zusätz­
[23]. Neben substanzspezifischen Charakteristika wie
lich andere Hormonausfälle nachweisbar (Hypopitui­
Halbwertszeit oder glukokortikoider Wirkstärke sind
tarismus). Die autoimmune lymphozytäre Hypophysitis
vor allem Dauer und kumulative Dosis entscheidend
ist eine sehr seltene Erkrankung. In den letzten Jahren
bei der Entwicklung einer iatrogenen Nebennieren­
werden Hypophysitiden jedoch wieder vermehrt ge­
Abbildung 2: Befunde bei primärer und zentraler Nebennierenrindeninsuffizienz.
A: Pat. mit polyglandulärem Autoimmunsyndrom Typ II: Typisches hyperpigmentiertes Hautkolorit und Vitiligo.
B: Nebennierentuberkulose: bds. verkalkte Nebennieren in der Abdomenübersichtsaufnahme.
C: Hyperpigmentierung der Mundschleimhaut bei M. Addison.
D: Ipilimumab-assoziierte Hypophysitis: kugelig aufgetriebene Hypophyse mit Verdickung des Stiels (Pfeil).
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sehen: Neuere onkologische Immuntherapien (sog.
parameter dazu und imitiert das Bild eines akuten In­
«immune checkpoint inhibitors», z.B. Ipilimumab)
fektes. Dieser muss um so mehr angezweifelt werden,
führen recht häufig zu immunvermittelten endokri­
wenn gleichzeitig die für den Hypokortisolismus typi­
nen Nebenwirkungen [27], unter anderem auch zur Hy­
sche Eosinophilie vorliegt.
pophysitis (Abb. 2d). Sie tritt bei bis zu 15% der behan­
Der Aldosteronmangel bei der primären Nebennieren­
delten Patienten auf und führt auch zu Ausfällen
rindeninsuffizienz führt aufgrund reduzierter tubu­
anderer Hypophysenvorderlappenfunktionen (Insuffi­
lärer Kalium- und H+-Sekretion zur Hyperkaliämie und
zienz der Schilddrüsen- und Gonadenachse) [28]. In Ta­
zur metabolischen Azidose. Beides tritt aber inkons­
belle 1 sind weitere Ursachen einer Nebennierenrinden­
tant auf [18, 31, 32]. Das Mineralokortikoiddefizit kann
insuffizienz aufgeführt.
ebenfalls zum renalen Natrium- und Volumenverlust
beitragen und neben Salzhunger eine orthostatische
Klinisches Bild (Tab. 2)
Hypotonie verursachen. Eine Hyponatriämie findet
sich – wenn auch etwas seltener – bei der zentralen
Ein Kortisolmangel verursacht häufig unspezifische
­Nebennierenrindeninsuffizienz [33, 34]. Die wichtigste
Symptome, und die klinische Präsentation ist davon
Ursache hierbei ist die vermehrte Sekretion von anti­
abhängig, ob sich der Mangel in einer Akutsituation
diuretischem Hormon (ADH) durch hohe CRH-Spiegel
(Addisonkrise) oder als chronische Insuffizienz mani­
[35], intravasales Volumendefizit bzw. der Wegfall der
festiert. Nicht selten werden die Patienten initial mit
Sekretionshemmung von Kortisol auf die ADH-Sekre­
einer psychiatrischen oder gastroenterologischen Dia­
tion [36].
gnose falsch oder erst nach einer Latenz diagnostiziert
Der Mangel an Dehydroepiandrosteron (DHEA) macht
[29]. Typische Beschwerden eines Kortisolmangels sind
sich nur bei Frauen bemerkbar (evtl. Verlust der Sekun­
Fatigue, depressive Stimmungslage, Gewichtsverlust,
därbehaarung, trockene Haut und Libidoverlust). Die
Anorexie, Abdominalbeschwerden (Erbrechen, Übelkeit
Hypoglykämie tritt vor allem bei Kindern auf, kann
oder Diarrhoe), Arthralgien oder Myalgien [30]. Gele­
sich bei Erwachsenen mit gleichzeitig bestehendem
gentlich gesellt sich Fieber mit Anstieg der Entzündungs­
Typ-1-Diabetes (polyglanduläres Autoimmunsyndrom)
Tabelle 2: Klinik der Nebennierenrindeninsuffizienz.
Symptome
Ursachen
Müdigkeit, Fatigue, depressive Stimmungslage
Glukokortikoidmangel, Androgenmangel (Frauen)
Schwindel (in Orthostase)
Mineralokortikoidmangel, Glukokortikoidmangel
Gewichtsverlust
Glukokortikoidmangel
Nausea, Erbrechen, Abdominalschmerzen
Glukokortikoidmangel, Mineralokortikoidmangel
Muskuloskelettale Beschwerden (Myalgien, Arthralgien)
Glukokortikoidmangel, evtl. begleitende Hypothyreose
(bei polyglandulärem Autoimmunsyndrom)
Hauttrockenheit (Frauen)
Androgenmangel
Libidoabnahme (Frauen)
Androgenmangel
Befunde
Ursachen
Hyperpigmentation der Haut (nur primäre Form)
↑ POMC-Spaltprodukte
Blasse Hautfarbe (nur sekundäre Form)
POMC-Mangel, evtl. Anämie (durch Hypogonadismus,
Hypothyreose bei Hypopituitarismus)
Verlust der Sekundärbehaarung (Frauen)
Androgenmangel
Hypotonie
Mineralokortikoidmangel, Glukokortikoidmangel
Fieber
Glukokortikoidmangel
Laborbefunde
Ursachen
Hyponatriämie
Mineralokortikoidmangel, Glukokortikoidmangel, SIADH
(durch Glukokortikoidmangel)
Hyperkaliämie (nur primäre Form)
Mineralokortikoidmangel
Metabolische Azidose (nur primäre Form)
Mineralokortikoidmangel
Hypoglykämie (v.a. Kinder)
Glukokortikoidmangel
Eosinophilie, Lymphozytose
Glukokortikoidmangel
TSH-Erhöhung
Glukokortikoidmangel, evtl. Autoimmunthyreopathie
Hyperkalzämie
Glukokortikoidmangel
POMC: Pro-Opiomelanocortin, SIADH: Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
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aber beispielsweise in einem reduzierten Insulinbe­
weitgehend aus [39, 40]. Das DHEA-S hat im Gegensatz
darf und Tendenz zu Hypoglykämien niederschlagen.
zum DHEA eine längere Halbwertszeit im Serum, un­
Je nach zugrundeliegender Ätiologie können zusätzli­
terliegt keiner zirkadianen Rhythmik und ist bereits
che Symptome und Befunde erhoben werden: Zeichen
im präklinischen bzw. relativem Stadium der Neben­
der Hypophyseninsuffizienz bei zentraler Nebennie­
nierenrindeninsuffizienz [5] und bei der primären bzw.
renrindeninsuffizienz bzw. andere Manifestationen
sekundären Form erniedrigt [6, 7, 41]. Die Bestimmung
­eines polyglandulären Autoimmunsyndromes (Tab. 1).
eines basalen DHEA-S-Wertes stellt deshalb im klini­
Ein spezifisches und exklusives Zeichen der primären
schen Alltag ein nützlicher Parameter dar. Ein normaler,
Form ist die Hyperpigmentation, die an Haut und
d.h. im alter- und geschlechtsadaptierten Referenzbe­
Schleimhäuten (z.B. enoral), im Besonderen an sonnen­
reich liegender DHEA-S-Wert macht eine Nebennieren­
exponierten oder mechanisch-beanspruchten Stellen
rindeninsuffizienz unwahrscheinlich [42]. Zu beachten
(Knöchel, Hosenbund) vorkommt (Abb. 2a/c). Sie ent­
gilt, dass das DHEA-S nach Glukokortikoidmedikation
steht durch die vermehrte Stimulation von Melano­
für längere Zeit erniedrigt bleibt und der Wert durch
cortin-1-Rezeptoren in der Haut durch hohe Spiegel
peroral eingenommene DHEA-Präparate (z.B. sog.
von zirkulierendem ACTH und anderen Spaltprodukten
«Anti­aging-Produkte») falsch-hoch ausfällt.
des hypophysären Pro-Opiomelanocortins (POMC) [37].
Im Gegensatz dazu ist die Haut bei der ­sekundären Ne­
Dynamische Tests
bennierenrindeninsuffizienz nicht hyperpigmentiert.
Häufig werden jedoch basale Hormonkonzentrationen
Gerade Patienten mit einem Hypopituitarismus zeigen
keine abschliessende Aussage erlauben, und eine
häufig ein blasses (alabasterfarbenes) Hautkolorit.
dynamische Austestung ist notwendig. Metyrapon­
Der Patient in der Addisonkrise präsentiert sich mit
und Insulinhypoglykämietest erfassen Funktion und
­einer schweren Hypotonie bzw. einem (therapierefrak­
­Integrität der gesamten Hypothalamus-Hypophysen-
tären) Volumenmangelschock. Meistens finden sich
Nebennierenrindenachse, werden im Alltag aufgrund
gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen,
des Aufwandes und möglicher Nebenwirkungen jedoch
Diarrhoe bis hin zur Pseudoperitonitis sowie eine Ein­
nur in Ausnahmefällen durchgeführt. Der ACTH-Stimu­
schränkung des Bewusstseins (Somnolenz oder Koma).
lationstest hat sich als einfacher Test durchgesetzt, der
Die Symptome können – wie das begleitende Fieber
zu jeder Tageszeit durchgeführt werden kann [43].
oder Erbrechen – Ausdruck des Hypokortisolismus
­Dabei wird 1 µg oder 250 µg Tetracosactid (ACTH1–24
oder des zugrundeliegenden Auslösers (z.B. gastro­
­[Synacthen®]) i.v. als Bolus appliziert und nach 20 [44]
intestinaler Infekt) sein. Laborchemisch kann eine
oder 30 Minuten (1 µg-Test) bzw. 30 und/oder 60 Minu­
Hyponatriämie/Hyperkaliämie, eine metabolische
ten (250 µg-Test) das Kortisol bestimmt. Ein stimulier­
Azidose und gelegentlich eine Hypoglykämie gefun­
tes Kortisol (peak-Wert) von ≥500–550 nmol/l schliesst
den werden. Häufig ist der akuten Dekompensation
eine Insuffizienz aus. Der Zeitpunkt der Blutentnahme
eine längere Phase mit unspezifischen Kortisolman­
beim 250µg-Test spielt insofern eine Rolle, als dass der
gel-Symptomen vorausgegangen. Die Krise entwickelt
Kortisolwert bei 60 Minuten noch weiter steigen kann
sich meist innerhalb weniger Stunden und gefährdet
[45] und bei alleiniger Betrachtung des 30 Minutenwer­
den Patienten bei fehlender Therapie vital.
tes die Gefahr besteht, dass gewisse Patienten fälschli­
cherweise als insuffizient klassifiziert werden [46].
Diagnose (Abb. 3)
Zu beachten ist, dass der ACTH-Stimulationstest streng
genommen nur die adrenale Reaktion auf exogenes
ACTH überprüft und die applizierte Dosis einem supra­
Basale Hormonkonzentrationen
physiologischen Stimulus entspricht. Bei einer zentralen
Bestimmungen des Serumkortisols sind wegen der
Nebennierenrindeninsuffizienz, vor allem im Akutsta­
­zirkadianen Schwankungen häufig wenig verlässlich.
dium und vor Ausbildung einer Nebennierenatrophie,
Zu beachten ist, dass die Assays das Gesamtkortisol
kann der Synacthen-Test deshalb falsch negativ ausfal­
messen, das durch die Konzentration der Bindungs­
len [47]. Der 1 µg-Test weist in solchen Situationen eine
proteine (CBG) beeinflusst wird. Wie oben erwähnt,
leicht bessere Sensitivität als der 250 µg-Test auf [48–
­erhöhen orale Kontrazeptiva das CBG und damit das
50]. Zur weiteren Lokalisationsdiagnostik wird ACTH
Serumkortisol und können eine normale Nebennie­
und Renin bestimmt. Der Nachweis von Anti-21-Hydro­
renrindenfunktion vortäuschen [38]. Allgemein weist
xylase-Antikörpern, die in bis zu 85 bis 100% [18, 51] ge­
ein basales Morgenkortisol (8.00 Uhr) von unter
funden werden und die gegen ein Schlüsselenzym der
80 nmol/l auf eine Nebennierenrindeninsuffizienz hin,
adrenalen Steroidbiosynthese gerichtet sind, sichert
ein Wert über 400–500 nmol/l schliesst eine solche
die Diagnose der Autoimmunadrenalitis. Je nach Ätio­
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Übersichtsartikel AIM
Verdacht auf Nebennierenrindeninsuffizienz
Basales Serumkortisol 8.00h¹
Kortisol <80 nmol/l
Kortisol <400 nmol/l
Kortisol >400 nmol/l
DHEA-S
normal²
DHEA-S
DHEA-S
erniedrigt
Nebennierenrindeninsuffizienz
bestätigt
Peak-Kortisol
<500 nmol/l
Nebennierenrindeninsuffizienz
ausgeschlossen
ACTH-Stimulationstest
Peak-Kortisol
>500 nmol/l
ACTHĹ
ReninĹ
Primäre
Nebennierenrindeninsuffizienz
Weitere Diagnostik
(z.B. Anti-21Hydroxylase-Ak)
ACTH n/Ļ
ReninQ
Sekundäre
Nebennierenrindeninsuffizienz
Weitere Diagnostik
(z.B. hypophysäre
Funktion, MRI)
ACTH
Renin
Abbildung 3: Diagnostik bei Nebennierenrindeninsuffizienz.
1
Das basale Kortisol im Serum ist abhängig von der CBG-Konzentration und ist falsch hoch bei erhöhten CBG-Konzentrationen (z.B. Östrogene,
­Schwangerschaft, Hyperthyreose) bzw. falsch tief bei erniedrigten CBG-Konzentrationen (z.B. Leberzirrhose, nephrotisches Syndrom, Hypothyreose).
2
Normal bezeichnet ein im Alters- und Geschlechts-adaptierten Referenzbereich liegendes DHEA-S.
logie erfolgen dann zusätzliche Abklärungen: hypo­
schen Glukokortikoidpräparate (z.B. Prednisolon,
physäre Funktion und Bildgebung mittels Schädel-MRI
Methylprednisolon) zu einer Kreuzreaktivität im Kor­
bei der zentralen Form, Suche nach anderen Manifes­
tisolassay führen, was die Resultate verfälscht [52, 53].
tationen eines polyglandulären Autoimmunsyndroms
Inhalative Glukokortikoide scheinen dabei von kli­
(z.B. Schilddrüsenfunktion).
nisch-relevanten Interaktionen ausgenommen zu sein
[54], ebenso wird Dexamethason in den kommerziell
Spezielle diagnostische Situationen
erhältlichen Immunoassays nicht mitgemessen. Ande­
Die Abklärung der Nebennierenrindenfunktion vor
rerseits beeinflussen Prednison, Prednisolon und
Absetzen einer chronischen Glukokortikoidtherapie
Dexamethason aufgrund der Halbwertszeit den Korti­
kann sich schwierig gestalten. Falls die Grunderkran­
solwert für mind. 48 bis 72 Stunden. In der Praxis hat
kung es zulässt, sollte die Therapie schrittweise auf
es sich deshalb bewährt, vorgängig einen Wechsel auf
eine Erhaltungsdosis (z.B. 5 mg Prednison/Tag) redu­
das kurzwirksame Hydrokortison vorzunehmen und
ziert werden. Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass –
das basale/stimulierte Kortisol nach einer 24-stündi­
neben dem Hydrokortison – die meisten syntheti­
gen Unterbrechung der Therapie zu bestimmen [20].
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Übersichtsartikel AIM
Die labormässige Evaluation der Nebennierenrinden­
Therapie (Tab. 3)
funktion bei kritisch kranken Patienten ist schwierig:
Messungen des Gesamtkortisols sind wegen der tiefe­
Die Therapie bei Nebennierenrindeninsuffizienz soll
ren CBG-Konzentration unzuverlässig, und das An­
eine physiologische und dem zirkadianen Rhythmus
sprechen der Nebenniere auf Stimulation mit ACTH ist
angepasste Versorgung mit Glukokortikoiden erlau­
durch verschiedenste Faktoren (z.B. Zytokine) verän­
ben, gleichzeitig aber das Risiko für Therapie-assozi­
dert. Ein ACTH-Stimulationstest wird aufgrund des
ierte Nebenwirkungen möglichst gering halten. Pati­
Fehlens einheitlicher diagnostischer Grenzen bzw. der
enten mit einer Nebennierenrindeninsuffizienz haben
diagnostischen Unschärfe nicht empfohlen [12, 55].
trotz Ersatztherapie eine schlechtere Lebensqualität.
Sie sind häufiger von affektiven Störungen betroffen
und weisen ein erhöhtes Risiko auf, arbeitsunfähig zu
werden [56–59]. Die Ursachen dafür sind vielfältig,
Tabelle 3: Therapie der Nebennierenrindeninsuffizienz.
nicht zuletzt aber auch darin begründet, dass wir trotz
Behandlung mit «physiologischem» Hydrokortison
Glukokortikoidersatztherapie
®
Hydrokortison (Hydrokortison Galepharm ):
– D osis: 15–25 mg/Tag (Dosis bei primärer Form in der Regel etwas höher)
– Evtl. nur Stressdosis (10–20 mg bei Bedarf) bei knapp normalem Synacthentest
­(peak-cortisol >450 nmol/l) bei sekundärer Insuffizienz
– D osis aufgeteilt in 2–3 Gaben (2⁄3 morgens, 1⁄3 späterer Nachmittag)
– D ual-release Hydrokortison (Plenadren®, Einnahme einmal tgl.) ist erhältlich, in der
Schweiz jedoch nicht zugelassen.
– A ndere Präparate (Prednison, Dexamethason) sollten nur in Ausnahmefällen bzw.
­speziellen Indikationen (z.B. adrenogenitales Syndrom) verwendet werden
– Bei Erbrechen muss zwingend auf eine parenterale Applikation (SoluCortef ® i.v., i.m.,
s.c.) gewechselt werden
–A
npassung in Situationen mit erhöhtem Kortisolbedarf (Tab. 4)
die zirkadiane Rhythmik der endogenen Sekretion nur
ungenau nachbilden [60].
Eine zu hoch gewählte Glukokortikoiddosis beeinflusst
kardiovaskuläre Risikofaktoren (z.B. Gewicht, Blut­
druck, Lipide) negativ, vermindert die Knochendichte
und erhöht das Frakturrisiko. Eine Dosis um 20 mg Hy­
drokortisonäquivalent/Tag wirkt sich sowohl auf kar­
diovaskuläre [61] wie auch ossäre [62] Parameter neut­
ral aus. Im Gegensatz dazu ist der Patient durch eine zu
Monitoring:
–B
iochemische Parameter (z.B. basales Kortisol oder Kortisol im 24h-Urin) nicht
­genügend verlässlich
–H
inweise auf Untersubstitution: Symptome (z.B. Müdigkeit, Übelkeit, Myalgien),
­Gewichtsabnahme, Hypotonie
–H
inweise auf Übersubstitution: Gewichtszunahme, Hypertonie, HyperkortisolismusStigmata (z.B. Striae), Hypokaliämie, Hyperglykämie
geringe Kortisoldosis in Akutsituationen durch die Ad­
Mineralokortikoidersatztherapie (nur bei primärer Nebennierenrindeninsuffizienz)
mit primärer [64–66] oder zentraler [67] Nebennieren­
Fludrokortison (Florinef ®)
– D osis 0,05–0,2 mg/Tag als Einmaldosis morgens
– Eine Mineralokortikoidersatztherapie ist erst ab Glukokortikoiddosen ≤50 mg
­Hydrokortison/Tag notwendig
kortisolismus beeinflussen also Morbidität und wahr­
Monitoring:
– Biochemische Parameter: Renin (Ziel: oberes Drittel des Referenzbereiches),
­Serum-Natrium/-Kalium
– Hinweise auf Untersubstitution: orthostatische Hypotonie (Abfall syst. Blutdruck
in ­Orthostase ≥20 mmHg), Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Renin ↑
– Hinweise auf Übersubstitution: Ödeme, Hypertonie, Hypokaliämie, Renin ↓
Androgenersatztherapie (DHEA)
– Keine zugelassenen bzw. unter pharmazeutischer Kontrolle hergestellte Präparate
in der Schweiz verfügbar
– Präparate via Internet ubiquitär erhältlich, jedoch nicht empfohlen
(CAVE: pharmazeutische Qualität bzw. Zusammensetzung!)
– Substitution bewirkt mögliche Besserung des Wohlbefindens, Lebensqualität
Addisonkrise
®
– 100 mg Hydrokortison (SoluCortef ) als Bolus i.v., gefolgt von 100–200 mg/24 h i.v.
(in Glucose 5%)
– Volumenersatz mit NaCl 0,9% (initial 1l/Stunde, bzw. unter entsprechendem
­Monitoring)
– Suche/Behandlung eines allfälligen Auslösers (z.B. Infekt)
– Supportive Behandlung: Intensivmedizinische Überwachung evtl. Intubation,
Thromboseprophylaxe
Übrige Punkte
– Abgabe eines Notfallausweises und einer Patientenbroschüre
– Regelmässige Schulung von Pat. und Angehörigen: Regeln für Glukokortikoidanpassung (Tab. 4), Auslöser/Symptome einer Addisonkrise
– Prüfen von Medikamenteninteraktionen, die Hydrokortisonspiegel erniedrigen (Tab. 1)
– Bei Autoimmunadrenalitis: ggf. Suche nach weiteren Autoimmunerkrankungen,
TSH und evtl. Vit. B12 jährlich
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disonkrise gefährdet. Mit einer Inzidenz von 5–10 Epi­
soden/100 Patientenjahre [16, 17, 63] ist sie eine relativ
häufige Komplikation und wahrscheinlich einer der
Gründe für die vermehrte Sterblichkeit bei Patienten
rindeninsuffizienz. Therapeutischer Hyper- und Hypo­
scheinlich auch die Mortalität [68, 69]. Es gilt deshalb
der Grundsatz, dass die Glukokortikoiddosis in der
chronischen Ersatztherapie so hoch wie nötig aber so
tief wie möglich gewählt wird, die Anpassung der Do­
sis in Akutsituationen jedoch zügig und genügend
hoch erfolgen sollte.
Die tägliche Produktionsrate von Kortisol beträgt etwa
5–6 mg/m2 Körperoberfläche [70]. Unter Berücksichti­
gung interindividueller Unterschiede im Metabolis­
mus entspricht dies etwa einer täglichen peroralen Hy­
drokortisondosis von 10–12 mg/m2 bzw. 15–25 mg/Tag.
Die Dosis muss in allen Situationen mit erhöhtem
­Kortisolbedarf gesteigert werden und ggf. parenteral
appliziert werden (Tab. 4). Länger wirksame Glukokor­
tikoidpräparate wie Prednison kommen nur in Aus­
nahmesituationen (z.B. Probleme mit der Medikamen­
tenadhärenz) zum Einsatz, da darunter Nebenwirkungen
möglicherweise häufiger auftreten [62].
Ein Mineralokortikoidersatz ist ausschliesslich bei der
primären Nebennierenrindeninsuffizienz notwendig.
Dazu wird Fludrokortison (Florinef®) mit einer tgl.
­Dosis von 0,05–0,2 mg verabreicht. Für das Monitoring
1002
Übersichtsartikel AIM
Tabelle 4: Anpassung der Glukokortikoidtherapie in speziellen Situationen.
Grad
Leichter Stress
Moderater Stress
Grosser Stress
Beispiele
– Erkältung
– Fieber 37,5–38 °C
– Leichtere sportl. Aktivität
(z.B. 30–60 min. Joggen)
– K leine medizinische Eingriffe
(z.B. Gastroskopie)
– Psychischer Stress
(z.B. Prüfung)
– Fieber 38–39 °C
– Ausgeprägte sportl. Aktivitäten
(z.B. mehrstündige Wanderung)
– Mittlere medizinische Eingriffe
(z.B. Exzision in LA)
– Fieber >39 °C
– OP in Allgemeinanästhesie
– Geburt
– Schwere Erkrankung (z.B. Pneumonie)
Anpassung1
1,5- bis 2-fache Tagesdosis
2- bis 3-fache Tagesdosis
3- bis 4-fache Tagesdosis
Ggf. parenterale Applikation2
1
ie Anpassung erfolgt durch Vervielfachung der Tagesdosis (perorale Einnahme) bzw. durch Einnahme einer zusätzlichen Dosis vor z.B. sportlichen
D
Aktivitäten. Nach Eingriffen bzw. Erkrankungen wird die Dosis schrittweise innerhalb der folgenden Tage wieder auf die ursprüngliche Dosis reduziert
2
ie parenterale Applikation muss immer rasch bei Gastroenteritis mit Erbrechen +/- Durchfall und bei schweren Erkrankungen bzw. Operationen
D
durchgeführt werden: 50–100 mg SoluCortef ® i.v. als Bolus bzw. bei Narkoseeinleitung, gefolgt von 100–200 mg/24 h i.v.; Reduktion und erneute
Umstellung auf perorale Form im Verlauf je nach Klinik
dieser Therapie sind neben klinischen, laborchemische
Auf der Basis der neueren Daten, die den deutlich ver­
Parameter wie Natrium, Kalium und der Reninwert
ringerten Abbau und die Zunahme der Halbwertszeit
entscheidend, wobei bei Letzterem ein Wert im oberen
von Kortisol zeigen [8], scheinen die täglichen Dosen
Normbereich angestrebt wird [71].
von ≥200 mg Hydrokortison in diesem Kontext jedoch
Die Schulung von Patienten mit einer Nebennieren­
zu hoch.
rindeninsuffizienz und ihrer Angehörigen ist zentral
und muss regelmässig wiederholt werden. Sie umfasst,
neben allgemeinen Aspekten über Art und Behand­
lung der Erkrankung, die Abgabe eines Notfallausweises
und das regelmässige Überprüfen der Regeln zur
Dosis­anpassung bzw. die Möglichkeit zur parenteralen
Selbstapplikation von Hydrokortison (z.B. subkutan
[72]). Von der Schweizerischen Gesellschaft für Endokri­
nologie und Diabetologie wurde 2015 eine Patienten­
broschüre in drei Sprachen herausgegeben [73], die sich
als nützliches Mittel bei der Schulung von Patienten
bewährt (Abb. 4).
Glukokortikoidtherapie bei kritisch Kranken
Bei kritisch kranken Patienten ist eine Glukokortikoid­
therapie in allen Fällen indiziert, bei denen der Ver­
dacht auf eine absolute Insuffizienz besteht, d.h. bei Pa­
tienten mit vorbestehender primärer oder sekundärer
Nebennierenrindeninsuffizienz, bei Patienten unter
chronischer Glukokortikoidtherapie wegen anderen
Indikationen oder einer sich akut entwickelnden
­Nebennierenrindeninsuffizienz (z.B. Waterhouse-Fri­
derichsen-Syndrom). Die Datenlage ist jedoch unklar,
Korrespondenz:
Dr. med. Stefan Fischli
ob und mit welchen Dosen eine relative Insuffizienz
Leitender Arzt
bei Intensivpatienten – im Besonderen mit septischem
Abteilung für Endokrino­
Schock – behandelt werden soll und ob die Behandlung
logie, Diabetologie und
Klinische Ernährung
die Mortalität reduziert. Eine Therapie wird von den
Departement Medizin
meisten Experten empfohlen im Falle eines schweren
Luzerner Kantonsspital
CH-6000 Luzern 16
stefan.fischli[at]luks.ch
septischen Schocks mit prolongierter Hypotonie trotz
adäquater Volumen- und Vasopressorentherapie [55].
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):993–1003
Abbildung 4: Patientenbroschüre Nebennierenrinden­
insuffizienz.
1003
Übersichtsartikel AIM
Danksagung
Das Wichtigste für die Praxis
• Eine intakte Nebennierenrindenfunktion gewährleistet die Adaptation
des Organismus an Stresssituationen. Die Integrität des gesamten hypo-
Für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die konstruktiven
Anregungen möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Kollegen
Dr. med. R. Eberhard, FMH Allgemeine Innere Medizin Luzern und
Prof. Dr. med. C. Henzen, FMH Endokrinologie/Diabetologie Luzern
bedanken.
thalamo-hypophysären-adrenalen Systems ist für eine korrekte Stress­
antwort notwendig.
• Die häufigste Ursache einer primären Nebennierenrindeninsuffizienz ist
die Autoimmunadrenalitis, in Entwicklungsländern die tuberkulöse Ad-
Disclosure statement
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
renalitis. Die zentrale Nebennierenrindeninsuffizienz wird am häufigsten
durch die exogene Glukokortikoidtherapie verursacht.
• Klinische (Hyperpigmentierung) und laborchemische (Serumkalium,
­Renin, ACTH) erlauben die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Form. Basale Kortisolkonzentrationen können wenig aussagekräftig sein und sind durch Faktoren beeinflusst, die den CBG-Spiegel
verändern (z. B. Östrogene). Die diagnostische Aussagekraft erhöht sich
durch zusätzlich Bestimmung eines DHEA-S Wertes. Häufig wird jedoch
ein Stimulationstest (sog. ACTH-Test) notwendig.
• Die Ersatztherapie bei chronischer Nebennierenrindeninsuffizienz erfolgt
mit Hydrokortison. Nur bei der primären Form wird zusätzlich Fludrokortison (ein Mineralokortikoid) substituiert. Die Hydrokortisondosis wird
bei der chronischen Ersatztherapie so tief wie möglich gewählt (Reduktion des Risikos für Nebenwirkungen). In Akutsituationen muss die Dosis
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• Die Addisonkrise ist eine potentiell fatale Komplikation der Nebennierenrindeninsuffizienz. Ein wichtige Rolle bei der Prävention bzw. der korrekten
Behandlung nimmt die regelmässige Schulung von Patienten und Angehörigen ein.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):993–1003
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Die vollständige nummerierte Literaturliste finden Sie als Anhang
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1004
FALLBERICHTE
Neurologische Probleme durch eine Gefässfehlbildung
Myelonkompression als Folge
­einer vertebro-vertebralen Fistel
Dr. med. Tomas Dobrocky a , Dr. med. Johannes Goldberg b , PD Dr. med. Karl F. Kothbauer c ,
Prof. Dr. med. Jan Gralla a
a
c
Universitätsklinik für Diagnosische und Interventionelle Neuroradiologie, Inselspital Bern; b Universitätsklinik für Neurochirurgie, Inselspital Bern;
Klinik für Neurochirurgie, Luzerner Kantonsspital
Hintergrund
Vertebro-vertebrale Fisteln stellen Kurzschluss­­ver­
bindungen zwischen dem extrakraniellen Anteil der
Arteria vertebralis und dem perivertebralen venösen
Plexus dar. Es handelt sich um eine seltene Pathologie,
die meistens posttraumatisch oder iatrogen z.B. nach
Einlage von zentralvenösen Zugängen auftritt [1–4].
Diese Fisteln sind gehäuft assoziiert mit Bindegewebserkrankungen wie der fibromuskulären Dysplasie, dem
Marfan-Syndrom, dem Ehler-Danlos-Syndrom oder der
Neurofibromatose.
enem Schleudertrauma der HWS vor 10 Jahren und
einer osteosynthetisch versorgten Humerusfraktur
­
am paretischen linken Arm vor zwei Jahren.
In der Magnetresonanztomographie (MRT) fiel eine
­abnorm dilatierte, intraspinal und extramedullär ge­
legene vaskuläre Struktur in der mittleren HWS mit arterialisiertem Flusssignal in der arteriellen «Time of
flight»(TOF)-Angiographie auf (Abb. 1). Die MR-Angiographie zeigte eine tubuläre Verbindung des intraspinalen vaskulären Pouch zur linken Arteria vertebralis
durch das Neuroforamen HWK 3/4. Der intraspinale
Anteil der Gefässfehlbildung nahm fast den gesamten
Querschnitt des Spinalkanals ein und führte zu einer
Fallbericht
Tomas Dobrocky
hochgradigen Myelonkompression. Es wurde die Verdachtsdiagnose einer extraduralen arterio-venösen
Eine 32-jährige Patientin stellte sich mit einer über
Fistel zwischen der linken Arteria vertebralis und dem
mehrere Monate progredienten Bewegungseinschrän-
perivertebralen venösen Plexus gestellt.
kung des linken Armes und Dysästhesien der linken
Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) zeigte
Hand vor. In der neurologischen Untersuchung impo-
eine kaliberstarke, geschlängelt verlaufende linke
nierte eine spastische Parese des linken Armes mit
­Arteria vertebralis, die sich auf Höhe HWK 3/4 d
­ irekt in
­einer Flexionsfehlstellung im Ellenbogengelenk sowie
eine massiv dilatierte Empfängervene des epiduralen
ein spastisch-ataktisches Gangbild mit pathologisch
Plexus entleerte (Abb. 2). Bei der selektiven Darstellung
gesteigerten Muskeleigenreflexen der unteren Extre-
der rechten Arteria vertebralis zeigte sich eine Fluss­
mitäten. Anamnestisch berichtete die Patientin von
umkehr an der vertebrobasilären Konfluenz mit retro-
Abbildung 1: A. Das axiale T2-gewichtete MRT-Bild auf Höhe HWK 3/4 zeigt eine intraspinal, extramedullär lokalisierte, abnorm
dilatierte Struktur (Pfeile) mit typischem «flow-void», die dem dilatierten epiduralen venösen Plexus entspricht. Auf dieser
Höhe nimmt der vaskuläre Pouch fast den gesamten Querschnitt des Spinalkanals ein und komprimiert das Rückenmark auf
eine Breite von 2 mm (zwischen den Pfeilspitzen). B. Das koronare T1-gewichtete Bild nach Gadoliniumgabe zeigt eine homogene Kontrastierung des intraspinalen vaskulären Pouch sowie den Fistelpunkt (Pfeil) auf Höhe HWK 3/4 zur linken Arteria
vertebralis. Auch in diesem Bild ist die deutliche Myelonkompression erkennbar. C. Die arterielle TOF-Angiographie mit Maxi­
mum-­Intensitäts-Projektionen (MIP) zeigt den massiv dilatierten vaskulären Pouch mit arterialisiertem Flusssignal (Pfeile). Dilatierte linke Arteria vertebralis (Pfeilspitzen) und weitere rekrutierte Halsarterien (A. cervicalis ascendens und profunda) (Sterne).
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Fallberichte
Abbildung 2: Digitale Subtraktionsangiographie A. Selektive Darstellung der kaliberstarken, geschlängelt verlaufenden Arteria
vertebralis links (Pfeilspitzen), die sich vollständig in den prominenten venösen Pouch (Pfeile) entleert. Aufgehobener antegrader
Fluss in den distalen Abschnitten der Arterie sowie fehlende Kontrastierung der Arteria basilaris. B. Selektive A
­ ngiographie
der rechten Arteria vertebralis mit Flussumkehr am vertebrobasilären Konfluenz (gebogener Pfeil) und retrograder Füllung der distalen Arteria vertebralis links (Pfeilspitzen zeigen die Flussrichtung), die sich durch den Fistelpunkt (Stern) in den flau kontrastierten venösen Pouch entleert (Pfeile). C. Laterale Projektion einer selektiven Darstellung der linken Arteria cervicalis ascendens,
die aufgrund des hohen Fistelflusses rekrutiert wurde und zu einer flauen Kontrastierung des venösen Pouch führt (Pfeile).
gradem Fluss in der distalen linken Arteria vertebralis.
Zusammenfassend bestätigte sich angiographisch das
Aufgund des Steal-Phänomens trugen die Arteriae ver-
Bild einer «high-flow»-vertebro-vertebralen Fistel.
tebrales nicht zur Perfusion des hinteren Stromgebiets
Zum endovaskulären Fistelverschluss wurden die
bei, das nur über die vordere Zirkulation durch die Ar-
­beiden Arteriae vertebrales über die rechte bzw. linke
teria carotis interna versorgt wurde. Da­r über hinaus
Arteria femoralis communis selektiv katheterisiert.
zeigten sich mehrere Feeder-Gefässe aus ­Ästen der Ar-
Um ein unkontrolliertes Migrieren von Embolisations­
teria carotis externa (v.a. Arteria occipi­talis), der Arte-
material durch die Fistel in den venösen Pouch zu ver-
ria cervicalis profunda und Arteria cervicalis ascen-
meiden, wurde der Fistelpunkt mittels eines über die
dens, die durch den hohen Fistelfluss rekrutiert
linke Arteria vertebralis eingeführten Ballons geschützt
wurden.
(Abb. 3). Anschliessend wurden sowohl crossover über
Abbildung 3: A. Die native Aufnahme der HWS in schräger Projektion zeigt den über die linke Arteria vertebralis bis an den
­Fistelpunkt vorgebrachten Ballon (Pfeile) und den über die rechte Arteria vertebralis crossover in den distalen Abschnitt der
linken Arteria ­vertebralis eingelegten Mikrokatheter, über den bereits die ersten Coils abgesetzt wurden (Pfeilspitzen).
B. ­Multiple, dicht g
­ epackte Coils (Pfeilspitzen) um den Fistelpunkt, der weiterhin durch den Ballon (Pfeile) geschützt wird, um
ein Migrieren von einzelnen Coils zu vermeiden. C. In der Abschlusskontrolle zeigt sich ein vollständiger Verschluss der Fistel
mit Kontrastmittelstase in der linken Arteria vertebralis (Pfeil). Der präinterventionell nachweisbare venöse Pouch kontrastiert
sich nicht mehr. Residuell zeigen sich eine kräftige Arteria cervicalis profunda und ascendens (Pfeilspitzen), die über kleinere
nuchale Venen drainieren. D. Postinterventionelle selektive Darstellung der rechten Arteria vertebralis, wobei sich kein
­Crossflow mehr zeigt und nun auch die Arteria basilaris (Pfeilspitze) und die hintere Zirkulation antegrad kontrastiert werden.
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Fallberichte
Korrespondenz:
Dr. med. Tomas Dobrocky
Universitätsklinik für Dia­
gnostische und Interven­
tionelle Neuroradio­logie
Inselspital Bern
CH-3010 Bern
tomas.dobrocky[at]insel.ch
Abbildung 4: Kontroll-MRT zwei Tage nach Verschluss der vertebro-vertebralen Fistel. A. Axiales T2-gewichtetes Bild auf
Höhe HWK 3/4. B. Das koronare T1-gewichtete Bild nach Gadoliniumgabe zeigt eine Signalauslöschung paraspinal links bedingt
durch das Coilpaket (Pfeile), der zuvor intraspinal nachweisbare venöse Pouch ist nicht mehr zu sehen. Deutlich bessere
­Entfaltung des Myelons (Pfeilspitzen). C. In der arteriellen TOF-Angiographie mit MIP-Rekonstruktionen kommt der präinter­
ventionell nachweisbare venöse Pouch ebenfalls nicht zur Darstellung (vgl. Abb. 1C). Ein flaues Flusssignal in der linken Arteria
vertebralis ist noch erkennbar (Pfeil).
die rechte Arteria vertebralis als auch antegrad über
leitung des arteriellen Drucks über die Fistel auf die
die linke Arteria vertebralis multiple Coils unmittelbar
Empfängervene führt zu deren Dilatation. Ein im Ver-
vor dem Fistelpunkt platziert, bis sich ein dicht
gleich zu den Halsweichteilen geringerer Widerstand
­gepacktes und lagestabiles Coil-Paket gebildet hat. Im
im Spinalkanal, der durch Liquorverschiebungen
Verlauf des gesamten Eingriffs trat keine Migration
nachgeben kann, ermöglicht eine Grössenzunahme
von Coils in den venösen Pouch auf.
des epiduralen venösen Plexus, der dann zu einer Mye-
Ein am zweiten postinterventionellen Tag durch­
lonkompression führen kann.
geführtes MRT zeigte einen vollständig kollabierten
Die Behandlungsmethode der Wahl ist der endovas­
intraspinalen venösen Pouch und eine deutliche Re­
kuläre Fistelverschluss, wobei ablösbaren Coils oder
expansion des Myelons (Abb. 4). Im Verlauf von einer
gecoverten Stents der Vorrang gegenüber Partikeln
Woche kam es zu einer deutichen Regredienz der spas-
oder Cyanoacrylat zu geben ist. Letztere sind bei hohen
tischen Parese des linken Arms und zur Aufhebung der
Flussgeschwindigkeiten nicht kontrollierbar und kön-
Flexionsfehlstellung. Darüber hinaus verbesserte sich
nen zu Non-target-Embolisationen führen. Die Flussum-
das Gangbild deutlich. Die Muskeleigenreflexe der un-
kehr in der Arteria basilaris ist ein selten beschriebe-
teren Extremitäten waren nicht mehr gesteigert und
nes Phänomen und Hinweis auf eine «high-flow»-Fistel,
die Dysästhesien der linken Hand regredient.
welche die Gefahr einer Minderversorgung des hinteren Stromgebiets und des Hirnstamms birgt [4]. Wir
Diskussion
Vertebro-vertebrale Fisteln sind seltene Pathologien,
die sich meistens durch Kompression von Rückenmark
und Spinalwurzeln, einem Steal-Phänomen oder Ein-
vermuten, dass das vor Jahren erlittene Schleudertrauma bei dieser Patientin eine Rolle in der Ätiologie
der Fistel gespielt haben kann.
Disclosure statement
blutungen manifestieren, selten jedoch auch asympto-
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
matisch bleiben können. Die ungehinderte Weiter­
Literatur
Das Wichtigste für die Praxis
• Vertebro-vertebrale Fisteln sind Kurzschlussverbindungen zwischen dem
extraduralen Anteil der Arteria vertebralis und dem perivertebralen
­venösen Plexus. Sie treten am häufigsten posttraumatisch oder nach
Fehlanlage von zentralvenösen Kathetern auf.
• Aufgrund des geringen Widerstandes im Spinalkanal ist eine progrediente
Grössenzunahme des epiduralen venösen Plexus mit Kompression des
Myelons oder der Spinalwurzeln häufig.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):1004–1006
1 Tenjin H, Kimura S, Sugawa N. Coil embolization of vertebro-­
vertebral arteriovenous fistula: a case report. Surgical Neurology 63.
2005;80–3.
2 Wang Q, Song D, Chen G. Endovascular treatment of high-flow
cervical direct vertebro-vertebral arteriovenous fistula with
detachable coils and Onyx liquid embolic agent. Acta Neurochir
(Wien). 2011 Feb;153(2):347–52.
3 Briganti F, Tedeschi E, Leone G, Marseglia M, Cicala D, Giamundo M,
et al. Endovascular treatment of vertebro-vertebral arteriovenous
fistula. A report of three cases and literature review. Neuroradiol J.
2013 Jun;26(3):339–46.
4 Honarmand AR, Ansari SA, Alden TD, Soltanolkotabi M,
Schoeneman SE, Hurley MC, et al. Endovascular management of
pediatric high-flow vertebro-vertebral fistula with reversed basilar
artery flow. A case report and review of the literature. Interv
Neuroradiol. 2013 Jun;19(2):215–21.
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LESERBRIEFE
Leserbriefe
Therapie der Depressionen gestern
und heute
Leserbrief zu: Holsboer-Trachsler E, Hättenschwiler JA, Beck J,
Brand S, Hemmeter UM, Keck ME. Die Akutbehandlung
depressiver Epoîsoden. Swiss Med Forum. 2016;16(35):716–24.
Im Heft 35 des Swiss Medical Forum findet
sich ein Beitrag «Die Akutbehandlung depressiver Episoden» unter der Verantwortung
einer grossen prominenten Arbeitsgruppe.
­
Wenn man in den frühen 60er Jahren des 20.
Jahrhunderts an der Entwicklung der ersten
Antidepressiva als Beobachter teilnehmen
durfte, wird man die grossen Fortschritte bei
der ­Depressionsbehandlung nicht übersehen
können. Heute steht eine beindruckende Zahl
von Antidepressiva zur Verfügung und an das
Tofranil von Prof. Roland Kuhn haben sich
auch zahlreiche Antidepressiva mit neuen
Wirkungsmechanismen angeschlossen. Während man in der Anfangszeit noch ausschliesslich auf den biochemischen Wirkungsmechanismus vertraute, bedient man
sich heute eines biopsychosozialen Ansatzes
zur Behandlung der Depressionen.
Im erwähnten Artikel wird festgestellt, dass
die Behandlung eine gründliche diagnostische Abklärung voraussetze. Für die Diagnose
der depressiven Episoden stützt man sich auf
die Kriterien der «International Classification
of Disease» (ICD-10, WHO 1992).
Bei der Durchsicht des sorgfältig abgefassten
Artikels gelangt man zur Erkenntnis, dass ein
Missverhältnis zwischen dem Fortschritt auf
therapeutischem und diagnostischem Gebiet
besteht. Die Klassifizierung der Depressionen
nach verschiedenen ätiologischen Untergruppen wurde verlassen und durch einen phänomenologisch definierten Sammelbegriff depressiver Episoden ersetzt.
Schon in den 80er Jahren habe ich die Meinung vertreten, die Depressionsdiagnose
werde zu häufig angewendet, wobei das
heutige Prozedere bei der Erfassung eines
­
­depressiven Zustandsbildes die Gefahr nicht
vermindert, die Depressionsdiagnose zu stark
auszuweiten und in dieselbe nur äusserlich
verwandte Zustände einzuschliessen. Solche
andersartigen Zustände, die nur einer Depression gleichen können, gehören oft zu psychopathologischen Syndromen, die ebenfalls
­einen Dynamikverlust aufweisen.
Meine Auffassung von der zu weit gesteckten
Depressionsdiagnose findet eine Unterstützung durch die Feststellung eines fehlenden
Ansprechens auf die Behandlung bei mindestens 30% der sogenannten Depressionen im
erwähnten A
­ rtikel. Ausserdem wird für die
Beurteilung der Wirksamkeit der Behandlung
das «Beck Depression Inventory» empfohlen,
dessen Zuverlässigkeit für die Diagnostik echter Depressionen bestritten werden kann. Im
Falle von Therapieerfolgen kann auch nicht
mit Sicherheit festgestellt werden, welche
eventuell unspezifische Komponente der
mehrdimensionalen Therapie für den Erfolg
relevant gewesen ist oder ob es sich vielleicht
sogar um eine Spontanheilung handelt.
Aus den kritischen Bemerkungen kann man
folgern, dass noch weitere Anstrengungen für
die Diagnose der Depressionen und deren
Abgrenzung von phänomenologisch ver­
wandten Zuständen unternommen werden
müssen. Die Entwicklung zahlreicher neuer
Antidepressiva in den letzten 60 Jahren führt
zum Trugschluss, dass man über Depressionen mehr zu verstehen imstande ist, als dies
wirklich der Fall ist, trotz gewisser Erkenntnisse auf dem Gebiete der Neurochemie. Die
Tatsache der Überbewertung der Antidepressiva führt angesichts der noch ungenügenden
Erfassungsmöglichkeiten einer depressiven
Episode zur verhältnismässigen Vernachlässigung der psychologischen und sozialen Faktoren im Rahmen der Therapie. Diese psychosozialen Faktoren sollten insbesondere in
Anbetracht der Zunahme exogener, pathogener Ursachen für die Depressionen vermehrte
Berücksichtigung finden.
Korrespondenz:
Dr. med. René Bloch
CH-4106 Therwil
marc.girard8[at]wanadoo.fr
Literatur
Bloch R. Die Psychagogische Psychotherapie –
ein Denkmodell für das 21. Jahrhundert. Wien:
Verlagshaus der Ärzte; 2014.
Replik
Wir danken Dr. René Bloch für die ausführ­
liche Stellungnahme zu den im SMF ver­
öffentlichten Schweizer Behandlungsempfehlungen zur Akut- und Erhaltungstherapie
depressiver Episoden [1, 2]. Er greift die Tatsache auf, dass eine exakte Diagnose die Grundlage für jede Therapie ist, und beklagt, dass
die aktuellen operationalisierten Klassifika­
tionssysteme die Komplexität psychischer
­Erkrankungen unvollständig widerspiegeln.
­Zudem kritisiert er, dass evidenzbasierte Behandlungsempfehlungen die psychosoziale
Komponente mangelhaft einbeziehen würden.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):1007–1008
Bis und mit ICD-9 und DSM-II basierte die psychiatrische Diagnostik auf einer Kombination
von klinischen Befunden und ätiologischen
Annahmen, wobei letztere wissenschaftlich
nicht belegt waren. Damit hingen klinische
Diagnosen weitgehend von der Subjektivität
und der therapeutischen Ausrichtung des Untersuchers ab. Sie waren deshalb nicht reliabel
und für Dritte schwer nachvollziehbar. Wie
bereits Eugen Bleuler erkannt hatte [3], stellt
diese Vorgehensweise eine Behinderung für
die rationale Therapieforschung dar. Ein für
den wissenschaftlichen Zugang – und damit
sind neben den biologischen die psychologischen und soziologischen Methoden mit eingeschlossen – wichtiger Schritt war die Einführung von transparenten Kriterien für die
psychiatrische Diagnostik. Damit liessen sich
Erkrankungszustände qualitativ und quantitativ beschreiben und mittels objektivierbaren, nachvollziehbaren Diagnosen klassifizieren. Da sowohl Ätiologie als auch
Pathophysiologie der meisten psychischen Erkrankungen – dasselbe gilt übrigens auch für
viele somatische Erkrankungen – weitgehend
unbekannt sind, wurde lediglich der klinische
Phänotyp einbezogen. Tatsächlich wird durch
diesen operationalisierten Ansatz ein Teil der
Komplexität psychischer Krankheiten ausgeblendet. Er ist aber derzeit die einzige Möglichkeit, Krankheitszustände und deren Veränderung unter Therapie reliabel zu
beschreiben.
Mit der Feststellung von Dr. Bloch, moderne
diagnostische Klassifikationssysteme seien
reduktionistisch, sind wir durchaus einverstanden. Die implizite Schlussfolgerung jedoch, frühere Systeme seien besser gewesen,
ist kaum haltbar. Die darin enthaltene Hermeneutik hält weder einer wissenschaft­
lichen Überprüfung stand, noch ist sie im
­k linischen Alltag nützlich. Dass der Depressionsbegriff, wie Dr. Bloch ausführt, heute in­
flationär angewandt würde, kann diskutiert
werden. Die Abgrenzung zwischen Gesundheit und Krankheit sowie zwischen verschiedenen Krankheitsbildern ist in vielen Bereichen der Medizin, und nicht nur in der
Psychiatrie, ein grundsätzliches Problem.
Denken wir nur etwa an den Grenzwert des
Blutdrucks für die Diagnose einer Hypertonie
oder des Blutzuckerspiegels für die Diagnose
eines Diabetes mellitus. Dass das von Dr.
Bloch erwähnte fehlende Ansprechen auf Antidepressiva in etwa einem Drittel der Fälle
Hinweis auf einen zu weit gefassten Depres­
sionsbegriff sei, lässt sich so nicht nachvollziehen. In der gleichen Logik könnte man folgern, dass bei Unwirksamkeit von Zytostatika
1008
LESERBRIEFE
kein maligner Tumor vorliegt. Vielmehr weist
das unterschiedliche Ansprechen auf spezifische Therapien auf unterschied­liche Krankheitsuntergruppen hin sowie auf individuelle
Faktoren und pathophysiologische Prozesse.
Diese Zusammenhänge gilt es weiter zu erforschen und in innovative Diagnose- und The­
rapieverfahren zu überführen. Ein grund­
sätzlich neuer methodischer Ansatz ist die
«Research Domain Criteria»(RDoC)-Initiative
des National Institute of Mental Health [4]. Sie
teilt psychische Krankheits­bilder in umschriebene symptomatische und pathophysiologische Elemente auf, mit dem Ziel, sie einer spezifischen Therapie zugänglich zu ­
machen.
Zukünftige Studien müssen diese Konzepte
mit spezifischen Stratifizierungskriterien basierend auf biologischen, psychologischen
und sozialen Markern anwenden, um homo-
gene Patientengruppen zu definieren und personalisierte Therapieverfahren zu entwickeln.
Hoffnungsvolle erste prädiktive Marker für
das Ansprechen auf a
­ ntidepressive Medikationen liegen bereits vor und wurden in die aktuellen Behandlungsleitlinien [1] einbezogen.
Diese Forschung ist sehr aufwändig. Bis klinisch verwertbare und zuverlässige Resultate
mit personalisierten Therapiealgorithmen
vorliegen, muss die praktische Psychiatrie
und Psychotherapie im klinischen Alltag das
verfügbare Wissen nutzen, die ärztliche Erfahrung einbringen und die medikamentöse
und psychotherapeutische Behandlung sowie
die sozialen Massnahmen mit gesundem
k linischen Menschenverstand integrieren.
­
­Evidenzbasierte Behandlungsempfehlungen
spielen dabei eine wichtige Rolle als Entscheidungsgrundlage.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(46):1007–1008
Für die Autoren der Behandlungs­empfehlungen:
Prof. Dr. med. Erich Seifritz, Dr. med. Josef Hättenschwiler und Prof. Dr. med. Edith HolsboerTrachsler
Literatur
1 Holsboer-Trachsler E, Hättenschwiler J, Beck J,
Brand S, Hemmeter UM, Keck ME, et al.
Die Akutbehandlung depressiver Episoden.
Swiss Med Forum. 2016;16:716–24.
2 Holsboer-Trachsler E, Hättenschwiler J, Beck J,
Brand S, Hemmeter UM, Keck ME, et al. Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe unipolarer
depressiver Störungen. Swiss Med Forum.
2016;16:739–43.
3 Bleuler E. Das autistisch-undisziplinierte Denken
in der Medizin und seine Überwindung.
1. Ausgabe 1919, Julius Springer Berlin.
4 Kozak MJ, Cuthbert BN. The NIMH Research Domain
Criteria Initiative: Background, Issues, and
Pragmatics. Psychophysiology. 2016;53:286–97.
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