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Wir sind alle Sternenstaub
Die Entstehung der Elemente
Dr. B. Pfeiffer
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung
• Einführung:
Was verstehen wir unter Elemente
• Vom antiken Begriff und seiner Aktualität
• Außerirdische Materie und Energiequellen
der Sterne
• Nukleosynthese
• im Big Bang
• in Sternen
• Fusionsreaktionen geladener Teilchen
• Neutroneneinfangsreaktionen
• Galaktische chemische Entwicklung
• Verteilung der Elemente
• Außerirdisches Leben?
Keplers Supernova 1604
Praesolares SiC-Staubkorn
6th Russbach Workshop on Nuclear Astrophysics
Russbach, 2. März 2009, 20:15
1
Was ist Nukleare Astrophysik?
Die Astronomie ist vielleicht die älteste Wissenschaft. Seit
jeher werden Tageszeit und Kalender von den Himmelskörpern abgeleitet. Lange war die Berechnung der Positionen der Wandelsterne für Horoskope ihr Hauptanliegen.
Die Natur der himmlischen Körper galt als unerforschbar.
Astrometrie
Seit den Arbeiten von Kirchhoff und Bunsen gestattet die
Spektralanalyse des Lichtes der Sterne ihre physikalische
Natur zu ergründen:
Astrophysik
Seiten 161 - 189
Spätestens seit der Kenntnis des Erhaltungssatzes
der Energie (um 1845) stellte sich die Frage nach
den Energiequellen der Sterne. Atomare Verbrennungsprozesse und Energie aus der Kontraktion von Sternen
erwiesen sich als unzureichend. Erst Einsteins
berühmte Formel wies den Weg: Umwandlung von
Masse in Energie bei Kernreaktionen.
Nukleare Astrophysik
Keplers Supernova 1604
Es fällt zwar nicht der Himmel auf unsere Köpfe, doch hin und
wieder fallen Meteorite zur Erde. Sie enthalten Informationen
über die chemische und isotopische Zusammensetzung der
außerirdischen Materie.
Kosmochemie
Kohliger Chondrit
Murchison
2
Russbach09
Weshalb kein Vortrag über das Teleskop?
Das Internationale Astronomiejahr 2009 soll an die (erste) Anwendung des Teleskops
in der Astronomie 1609 durch Galilei erinnern.
s
Die Astronomische Gesellschaft und die Deutsche Physikalische Gesellschaft erinnern daran, dass Kepler 1609 nicht
nur die Natur der Planetenbahnen erkannte, sondern auch
nach einer physikalischen Erklärung suchte und damit die
ASTROPHYSIK einleitete. Diese Arbeit stellt den Abschluss
der um 1570 begonnenen Präzisionsmessungen dar, die
mit den ersten Teleskopen nicht möglich gewesen wären.
3
http://www.staff.uni-mainz.de/bpfeiffe/vds-08.pdf
Russbach09
Woher wissen wir, dass die Elemente eine Geschichte haben?
Metallarme Sterne
Teleskope gestatten es, die chemische
Zusammensetzung von Sternen zu
untersuchen. Mit kleinen Amateurgeräten
kann man einige der interessanten Sterne
sehen, doch zur Analyse müssen die
größten Geräte benützt werden.
Damit können Sterne beobachtet werden, die fast
10 Milliarden Jahre vor unserer Sonne entstanden
sind als auch solche, die jetzt entstehen wie in der
Orion-Wolke.
Die ältesten Sterne bestehen fast nur aus Wasserstoff und Helium. Der Anteil der anderen 90 Elemente
nimmt über 12 Milliarden Jahre stetig zu.
Das zeigt, dass die Elemente entstehen und dass
die Prozesse noch immer ablaufen.
Im folgenden werde ich Ihnen einen Abriss dieses
Geschehens vermitteln.
4
Russbach09
Der Einfluss der Gestirne
Astrologische Vorträge finden erfahrungsgemäß ein größeres Publikum. Diese Erkenntnis hatte auch schon William Shakespeare, der öfter Andeutungen in seine
Stücke aufnahm. In “Hamlet” erwähnt er sogar ein astronomisches Ereignis:
Tychos Supernova von 1572.
B2FH zitieren Shakespeare, doch geben
sie dem alten Motto der Tabula Smaragdina Hermetis “Wie im Himmel so auf
Erden” eine neue Bedeutung:
“Wir sind gemacht aus Sternenstaub”
EXPERIMENTAL AND THEORETICAL NUCLEAR ASTROPHYSICS;
THE QUEST FOR THE ORIGIN OF THE ELEMENTS
Nobel lecture, 8 December, 1983 by
WILLIAM A. FOWLER
W. K. Kellogg Radiation Laboratory
California Institute of Technology, Pasadena, California 91125
Ad astra per aspera et per ludum
Thus it is possible to say that you and your neighbor and I, each one
of us and all of us, are truly and literally a little bit of stardust.
5
Russbach09
Tabula Smaragdina Hermetis Trismegisti
Unbewusst habe ich statt den Worten der Smaragdtafel das Vaterunser eingesetzt:
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Matthäus 6, 10
VERUM SINE MENDACIO, CERTUM ET VERISSIMUM:
QUOD EST INFERIUS, EST SICUT QUOD EST SUPERIUS,
ET QUOD EST SUPERIUS, EST SICUT QUOD EST INFERIUS,
AD PERPETRANDA MIRACULA REI UNIUS.
Es ist wahr ohne Lüge, es ist gewiss auf's Allerwahrhaftigste!
Das Untere ist gleich demjenigen, das Oben ist.
Und was Oben ist, ist gleich demjenigen das Unten ist,
um das Wunder eines Einzigartigen Dinges zu Stande zu bringen.
Es ist zwar (vordergründig) ein alchemistischer Text, doch wird er
von Astrologen oft zitiert.
Hermes Trismegistos
Die älteste Quelle ist das arabische Buch “Kitab Sirr al-Asrar”, ein pseudo-aristotelischer Ratgeber für
Herrscher, den Abd al-Qadir al-Jilani um 800 AD verfasste.
Johannes Hispaniensis (≈1140) und Philip von Tripoli (≈1243) übersetzten es als “Secretum Secretorum”.
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Russbach09
Sternenstaub in der Musik
“Wir sind Sternenstaub” wird nicht nur von Astrophysikern gerne zitiert, sondern findet
sich auch in der Musik, wobei “Vom selben Stern” von “Ich + Ich” ein aktuelles Beispiel
ist.
Das Liebeslied “Stardust” von Hoagy Carmichael/Mitchell Parish (1927/9)
wurde in der BigBand-Adaptation eines der erfolgreichsten Songs mit
1800 Einspielungen. Es wird z.B. in Orson Welles berühmten Hörspiel
“Krieg der Welten” vom 30.10.1938 (Vorabend von Halloween) als
Kontrast zu den Schreckensmeldungen gespielt.
We are stardust, we are golden,
We are 2 billion year old carbon.
Der Refrain aus Joni Mitchells Loblied auf das Woodstock-Festival
soll zur Namensgebung der Sonde
STARDUST angeregt haben, der
wir noch begegnen werden.
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Russbach09
“Zu wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält”
Wie schon Faust suchen die Physiker nach den kleinsten
Teilchen und den Kräften, die die Materie zusammenhält.
Die Elementarteilchen und ihre Bildung im Big Bang sind zwar
nicht direkt das Thema der nuklearen Astrophysik, doch
befasst sie sich durchaus mit “existenziellen Fragen” für
das Leben:
a) Leben erfordert das Vorhandensein von chemischen
Elementen schwerer als Helium.
Volksbuch von 1587
b) Leben erfordert Selbstorganisation von Systemen, die
durch Energiezufuhr in einem Nichtgleichgewichtszustand am Übergang zum Chaos sind.
Die nukleare Astrophysik untersucht gerade diese miteinander
verflochtenen Gebiete:
• Die Energieerzeugung in Sternen und
• die Nukleosynthese der chemischen Elemente schwerer
als He in Sternen.
Christopher Marlowe:
“The tragical history of Dr. Faustus”
Edition 1616
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Russbach09
Begriffsbestimmung vorweg
Das Wort Element(e) hat in der Umgangssprache eine Vielzahl von Bedeutungen.
Heute soll daraus nur ein kleiner Ausschnitt behandelt werden.
Man spricht z.B. vom "Wüten der Elemente" bei Naturkatastrophen, denen der Mensch hilflos
ausgeliefert ist.
Dies ist nicht das heutige Thema, doch reichen diese Begriffe weit in
die Vergangenheit zurück, und sind im Alltag allgegenwärtig.
Element/elementar steht für die Zurückführung komplexer
Gegebenheiten auf Grundbegriffe, wie etwa Euklids Elemente, in
denen die Mathematik aus Grundbegriffen (Axiomen) aufgebaut wird.
Inhaltlich näher zum heutigen Vortrag ist folgende Definition:
Als Elemente sollen die Körper bezeichnet werden, in die die anderen Körper
zerlegt werden, und die in ihnen der Möglickeit nach oder der Wirklickeit nach
vorliegen. Selbst ist aber ein Element in anderes der Art nach nicht zu
zerlegen.
Aristoteles: Über den Himmel Vol. III, Kap. 3
Heute werden wir uns mit den etwa 120 chemischen Elementen befassen, aus denen
sich alle Stoffe unserer Umwelt (inklusive uns Menschen) zusammensetzen.
Allerdings werde ich nicht über die chemischen Eigenschaften der Elemente sprechen,
sondern über die Prozesse, die zur Entstehung der Elemente führten und noch führen.
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Russbach09
Vier-Elemente-Lehre
Schon immer versuchen die Menschen, die komplexe Umwelt verständlich zu machen,
indem sie die vielfältigen Erscheinungen auf möglichst wenige Grundbegriffe zurückführen.
Im 5. Jahrhundert v.Chr. stellte Empedokles von Agrigent eine Theorie über die Zusammensetzung der Materie auf, die bis heute nachwirkt:
Danach besteht alles aus der Mischung von lediglich vier Urstoffen/-kräften:
Feuer,
Feuer
Erde
Wasser,
Luft
Luft,
Wasser
Erde
Aristoteles führte noch
Quintessenz ein.
Weltall
Plato (427-347) war davon überzeugt, dass alles einer Ordnung und einem höheren Gesetz
unterliegt. Nachdem sein Freund Theaitetos (416-369) bewiesen hatte, dass es
nur 5 regelmäßige Körper gibt, verknüpfte Plato im Timaios die Vier-Elemente-Lehre des
Empedokles (490-430) mit Demokritos (460-370) Atomlehre.
Im Gegensatz zu Demokritos sah er in den Atomen nicht kleine materielle Körper, sondern
geometrische Figuren/Prinzipien.
10
Russbach09
Die Entwicklung des modernen Elementbegriffs
Beginn der modernen Atomlehre
Ag
Die Vier-Elemente-Lehre bildete auch die Grundlage der
Alchimie. Bei dem Bemühen um den "Stein der Weisen"
entwickelten die Alchemisten viele der noch heute gebräuchlichen chemischen Analyse- und Syntheseverfahren.
Dabei mussten sie feststellen, dass es mehr Grundstoffe
gibt. Bis Ende des 17. Jahrhunderts hatten sie deren 15
gefunden.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts vollzog sich die
Loslösung der (Labor-)Chemie von der Alchemie, wobei
auch der Elementbegriff herausgearbeitet wurde.
Als Beginn der modernen Chemie gilt R. Boyles The
Sceptical Chymist (1661). Er fand keinen experimentellen
Beweis für die Vier-Elemente-Lehre.
Hg ☿
Cu ♀
Au ☼
Fe ♂
Sn ♃
Pb ♄
7 Metalle 7 Planeten
Bemerkenswert ist, dass sich die Elemente nur in bestimmten Verhältnissen, die
ganzen Zahlen entsprechen, miteinander zu Molekülen verbinden [J.L. Proust (1794),
J. Dalton (1804)]. Dies erklärte John Dalton damit, dass die Elemente aus nicht mehr
teilbaren, kleinsten Einheiten bestehen, die er nach Demokrit Atome nannte. [A New
System of Chemical Philosophy (1808)].
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Russbach09
Die Entwicklung des modernen Elementbegriffs
Periodisches System der Elemente
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der Elemente auf etwa 60 angewachsen
und ein Ordnungsprinzip war erforderlich:
Es wurde 1868/9 unabhängig von
D.I. Mendeleev und L. Meyer (aufbauend
auf Prousts und Daltons Abeiten) vorgeschlagen.
Mendeleevs Gesetz der Periodizität:
"Die Eigenschaften der Elemente sind eine
periodische Funktion ihrer Atomgewichte."
Die erfolgreiche Vorhersage der Eigenschaften fehlender Elemente führte zur
Anerkennung dieses Systems. Kein Platz fand sich darin für das von Astronomen auf
der Sonne postulierte neue Element Helium.
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Russbach09
Die Entwicklung des modernen Elementbegriffs
Quantenphysikalische Basis
Die Mendeleev-Karte beruht auf den quantenmechanischen Eigenschaften der Atomhüllen.
Erst die Quantentheorie erklärt “Besonderheiten" wie die Anordnung der Seltenen Erden (und
der Aktiniden). Die Gruppe der Edelgase (rechte Spalte) konnte nicht auf Grund ihrer Verbindungen mit anderen Elementen eingeordnet werden, sie gehen praktisch keine ein!
Die Quantentheorie stellt auch
sicher, dass dieses Schema
"vollständig" ist.
Man kann z.B. keine Elemente in
Die "Lücke" zwischen H und He in
der ersten Reihe einfügen, wie
einst Astronomen nach Messungen
von Spektrallinien im Orion-Nebel
vorschlugen: Nebulium.
Nachdem die Chemiker/Physiker vor etwa 60 Jahren die letzten Lücken geschlossen hatten
(Tc 1937 und Pm 1945), erzeugten sie künstlich neue, oft sehr kurzlebige Elemente. [Sie kommen auch in der Natur vor, sie entstehen bei Sternexplosionen. Im Sonnensystem sind sie
jedoch schon zerfallen.]
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Russbach09
Die Entstehung des modernen Elementbegriffs
Die Zusammensetzung des Atomkerns
Atomkerne setzen sich aus Protonen und Neutronen
zusammen. Die Anzahl der Protonen Z entspricht der
Stellung des Elementes im Periodischen System der
Elemente. Eine gleiche Zahl negativer Elektronen
umkreist diesen Kern, sodass das Atom als Ganzes
elektrisch neutral ist.
Die Anzahl N der Neutronen im Kern kann variieren und
führt zu den Isotopen eines Elementes, die gleiche
chemische Eigenschaften haben.
Neben den etwa 250 “stabilen” Isotopen gibt es noch
etwa 8000 radioaktive Isotope, deren Lebensdauern
von Weltaltern bis Bruchteilen von Sekunden reichen.
Bei den Kernreaktionen, die zur Bildung der Elemente
führen, entstehen zumeist diese instabilen Isotope,
die dann in die stabilen übergehen.
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Russbach09
Woraus bestehen die Himmelskörper?
Aristoteles lehrte, dass die Erde aus den 4 Elementen besteht, die Himmelskörper
jedoch aus Quintessenz. Er beherrschte die Wissenschaft bis ins 19. Jahrhundert.
Die chemische Zusammensetzung einer irdischen
Probe lässt sich im Labor bestimmen.
Doch aus welchem Material bestehen die
Himmelskörper?
Tatsächlich hatten Menschen schon immer
außerirdisches Material in den Händen:
Meteorite
Z.B. Skarabäus aus "Himmelsstein"
(Lybisches Wüstenglas) und ein Dolch
aus Meteoreisen im Grab Tut anch Amuns,
"Schwarzer Stein" in der Kaaba in Mekka.
Die Wissenschaft leugnete jedoch die
außerirdische Herkunft, selbst in Fällen,
in denen Meteoritenfälle von “vertrauungswürdigen Bürgern” beobachtet wurden.
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Russbach09
Woraus bestehen die Himmelskörper?
Seiten 161 - 189
Der Chemiker Bunsen und der Physiker Kirchhoff hatten 1860 in Heidelberg die schon lange bekannte Beobachtung, dass verschiedene
Kirchhoff und Bunsen
Stoffe in einer heißen Flamme farbig aufleuchten, durch Einsatz eines
Spektralapparates zu einer empfindlichen Analysemethode entwickelt.
Bei diesen Arbeiten erkannten sie 1859 anhand der Natrium D-Linien
den
Ursprung der Fraunhoferschen Linien im Sonnenspektrum:
Absorption in Sonnenatmosphäre
Mit Hilfe der Spektralanalyse kann die Zusammensetzung der
Materie im ganzen Universum ermittelt werden.
Alle Himmelskörper bestehen aus denselben Elementen!
Fraunhofer-Linien
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Russbach09
Energiequelle von Sternen
Sonne (und Sterne) strahlen Energie ab. Da Energie nicht "aus dem Nichts" entsteht
sondern sich nur zwischen verschiedenen Formen umwandelt (J.R. Mayer, 1842),
stellt sich die Frage:
Woher stammt die Energie der Sterne?
• Verbrennen von Kohle
Einige tausend Jahre (J.R. Mayer 1842)
• Kontraktion, Gravitationsenergie
Helmholtz (1854): 50 Meter/Jahr ==> 22 Millionen Jahre
• Atomare Energie: E = m c2 (Einstein, 1905)
1896 entdeckt H. Becquerel Radioaktivität: Atome müssen innere Struktur
(und Energiequelle) haben.
In den Folgejahren: Atome schleudern Heliumkerne, Elektronen, Quanten aus
und wandeln sich dabei in andere Elemente um
[Transmutation der Alchimisten].
• Sir Arthur Eddington schlägt Kernverschmelzung vor (1919/20);
Beginn der "Nuklearen Astrophysik"
• Atkinson und Houtermans (1929/1931): Protonenfusion zu Helium und schwereren
Elementen
• Hans Bethe und C.F. von Weizsäcker (unabhängig 1938/9):
katalytischer CNO-Zyklus (Bethe-Weizsäcker-Zyklus) aufbauend auf Massenformel
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• Heliumfusion (1952-54) [siehe später Salpeter-Reaktion]
Russbach09
Künstliche Kernumwandlungen
1919 beobachtete E. Rutherford die erste künstliche Kernumwandlung als er Stickstoff mit α-Teilchen beschoss:
oder kurz
Die Ordnungszahl des Kerns ist nach der Reaktion um 1 gewachsen:
aus dem Stickstoffkern (Z=7) ist ein Sauerstoffkern (Z=8)
geworden.
Auf der (späteren) Nebelkammer-Aufnahme erfolgt die Umwandlung am Ort
des Pfeiles. Die kurze, dicke Spur nach rechts-oben wird durch den Sauerstoff
hervorgerufen, während die lange, dünne Spur nach links-unten den Weg des
Protons, das aus dem sich zunächst bildenden, instabilen Zwischenkern
18F (Z=9) herausgestoßen wird, sichtbar macht.
1932 konnten dann Cockroft/Walton
Kernreaktionen mit beschleunigten
Protonen auslösen.
Aus dem handtellergroßen Zyklotron
gingen alle “Atom Smasher” hervor.
Mit diesen Anlagen können die in
Sternen ablaufenden Reaktionen im
irdischen Labor untersucht werden.
J.D. Cockroft and T.S. Walton
First cyclotron:
18
4.5‘‘ Lawrence and Livingston
Russbach09
Theorie des heißen Urknalls
Wenn man die “Galaxienflucht” in die Vergangenheit zurück verfolgt,
so muss das Universum aus einem Zustand extrem hoher Materie-/
Energiedichte und Temperatur hervorgegangen sein: Urknall
“Primæval Atom” (1927)
Lemaître, Einstein
Pasadena, 1933
G. Gamow et al. entwickelten um 1948-50 darauf aufbauend eine (inkorrekte) Theorie über die Entstehung
der Elemente:
In dieser Anfangsphase entstanden zuerst Protonen
und Neutronen. Dann Aufbau aller Elemente durch
rasche Folge von Neutroneneinfängen und BetaZerfällen im schnell expandierenden Universum
innnerhalb etwa der ersten Stunde (da man die
Lebensdauer des Neutrons zu einer Stunde vermutete).
Jedoch können sie die beobachteten Strukturen in der
"kosmischen" Häufigkeitsverteilung nicht erklären.
19
Russbach09
Theorie des heißen Urknalls
Die Achillesferse dieser Theorie ist jedoch:
Es existieren keine stabilen Isobare bei den
Massen A = 5 und 8!
Diese Theorie wäre heute vergessen, wenn die Autoren nicht Abschätzungen der heutigen Temperatur der aus diesem Urknall
hervorgegangenen Strahlung gemacht hätten, die dann 1965 durch
Penzias und Wilsons rein zufälliger Entdeckung der
"kosmischen Hintergrundstrahlung" bestätigt wurden.
Anmerkung: Schon 1941 hatte Andrew McKellar die Temperatur des interstellaren
Gases mit T = 2.3 K viel genauer bestimmt. Doch erkannte niemand die Bedeutung
dieser Messung, die auch nie in einer Fachzeitschrift publiziert wurde.
20
Russbach09
Wie/Wo entstanden/entstehen Elemente?
Häufigkeitsverteilung der Elemente
Während dieser Druide eher die
Zeit der Alchemisten repräsentiert,
vermutete Abbé N.L. de Lacaille den
richtigen Ort:
die Sterne.
Hinweise auf den Ablauf der Elemententstehung lassen sich aus der Häufigkeitsverteilung
gewinnen. Dabei wird immer die “solare" Verteilung herangezogen, d.h. die Verteilung in der
praesolaren Staub- und Gaswolke, aus der vor 4,6 Milliarden Jahren das Sonnensystem entstand.
Diese Daten werden zum einen durch optische Spektrometrie der Sonne (Fraunhofersche
Linien für Elemente) und zum andern aus der Analyse von Meteoriten (kohlige Chondriten für
Isotope) gewonnen.
Auffallend sind die großen Unterschiede (11 Größenordnungen entsprechend einem Faktor 100
Milliarden) und die starke Strukturierung. Letztere Beobachtung legt nahe, dass wir auf eine
Vielzahl von Kernreaktionen stoßen werden, die bei "relativ" niedrigen Temperaturen
ablaufen.
21
Russbach09
Wie/Wo entstanden/entstehen Elemente?
Nukleosynthese-Prozesse
Big Bang
Dieses Schema zeigt einen Überblick über
die verschiedenen Prozesse, die vom
Wasserstoff zum Uran führen.
Im folgenden werde ich einen Überblick
über all diese Prozesse geben, angefangen
vom Urknall über die Reaktionen geladener Teilchen (H- und He-Burning), die
beiden Prozesse mit Neutronen (r- und
s-Prozesse) und kurz die Synthese von
Li-Be-B durch kosmische Strahlung sowie
den p-Prozess.
Nach Tabelle in Suess and Urey, “Abundances of the Elements”
Rev. Mod. Phys. 28, 53 (1956)
22
Russbach09
Big-Bang Nukleosynthese I
Aus dem schnell expandierenden und abkühlenden
"Feuerball" des Urknalls materialisierten Elementarteilchen
(mit verschwindend kleinem Überschuss von Materie über
Antimaterie: 1 in 100 Millionen). Experimentell zugänglich
ist die Zeit ab etwa 1 Millionstel Sekunde nach dem
Urknall, als sich die Up- und Down-Quarks zu den
Protonen und Neutronen vereinigten.
[Zusätzlich entstand noch die "Dunkle Materie", die die
uns bekannte weit überwiegt. Ihre Natur und Geschichte
bleibt noch zu erforschen.]
23
Russbach09
Big-Bang Nukleosynthese II
Bis etwa 2-3 min nach dem Urknall waren die Temperaturen noch so hoch, dass das
zerbrechliche Deuterium schnell wieder zerlegt wurde. Erst danach konnten die weiteren
Fusionsreaktionen zum 3He, 4He und 7Li ablaufen,
die etwa 4 min nach dem Urknall abgeschlossen
waren (Steven Weinberg ging von 3 min aus.).
Anmerkung: Diese Reaktion soll in den zukünftigen
Fusionsreaktoren Energie liefern.
24
Russbach09
Theorie der Nukleosynthese in Sternen
B2FH, die "Bibel" der Nuklearen Astrophysik
Die Frage nach der Bildung der Elemente wurde lange nicht als Problem betrachtet:
• in der Urknall-Theorie entstanden die Elemente in der ersten Stunde,
• in den Steady-State-Theorien existieren sie für alle Zeiten
1952 wurde das radioaktive Element Tc in Sternspektren nachgewiesen. Dies zeigte,
• die Elemententstehung ist ein noch immer ablaufender Prozess und
• er spielt sich in Sternen ab.
Zur Lösung dieser nun aktuellen Frage wurden gleichzeitig drei Studien durchgeführt:
Aufbauend auf Suess und Ureys Elementhäufigkeiten und dem Kernschalenmodell
entwickelten sie eine Theorie der Entstehung
der Elemente:
• E.M. Burbidge, G.R. Burbidge, W.A. Fowler,
F. Hoyle, Synthesis of the elements in stars
• Al Cameron, Nuclear reactions in stars and
nucleosynthesis, 1957
• Charles Coryell, The chemistry of creation
of the heavy elements, 1961
25
Russbach09
Die Salpeter- oder Tripel-Alpha Reaktion
Die um 1950 vorgeschlagene Synthese aller Elemente im Urknall durch raschen Einfang von
Neutronen scheiterte daran, dass es keine stabilen Isotope der Masse 5 und 8 gibt.
Auch in der heutigen Standardversion werden nur Isotope bis zur Masse 7 gebildet.
Wie kann man den A=8 Graben überspringen?
Trotz intensiver Suche nach Alternativen scheint es nur einen gangbaren Weg zu geben,
der schon um 1950 von Salpeter und Öpik vorgeschlagen wurde:
In einem ersten Schritt fusionieren zwei α-Teilchen zu
einem instabilen 8Be Kern, der in 10-16 Sekunden wieder
in zwei α-Teilchen zerfällt. Diese unvorstellbar kurze
Zeitspanne ist aber im Kern eines massiven Sterns, der
allen Wasserstoff zu Helium fusioniert hat, lang genug,
dass sich immer pro 1 Milliarde Heliumkernen ein 8Be
Kern findet.
In einem zweiten Reaktionsschritt können nun diese
extrem raren 8Be mit einem weiteren α-Teilchen zu einem
stabilen 12C Kern verschmelzen.
Allerdings zeigte Fred Hoyle 1953, dass in einem Roten Riesen-Stern wesentlich weniger
12C
produziert wird als im Weltall beobachtet wird. Er vermutete daher, dass es im 12C Kern
einen besonderen Anregungszustand gibt, der zu einer erhöhten Reaktionsrate führt.
Und tatsächlich konnte William Fowler diesen vorhergesagten Anregungszustand
26
experimentell bestätigen
Russbach09
Das Anthropische Prinzip
Ohne diesen speziellen Zustand gäbe es
nicht genügend Kohlenstoff auf der Welt,
weder um weitere Elemente zu synthetisieren noch um organisches Leben zu
ermöglichen.
Einige Wissenschaftler stellen sich die
Frage, ob unsere Welt nur zufällig so
beschaffen ist, dass sie uns hervorbringen
konnte, oder ob sie auf diesen Endzweck
hin gestaltet wurde.
Mit diesem in Theologie/Philosophie hineinreichenden Fragenkomplex verlassen wir den für diesen
Vortrag gewählten Themenkreis, so dass ich die Problematik nur vorstellen kann.
Reinhard Breuer: Das anthropische Prinzip – Der Mensch im Fadenkreuz der Naturgesetze; Ullstein-Buch Nr. 34235
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Russbach09
Das Wasserstoffbrennen I
Erinnert an den Ouroboros
der Alchemisten.
Hertzsprung-Russel-Diagram
Das Wasserstoffbrennen, sei es durch die p-p-Kette (wie in der Sonne) oder durch den CNOZyklus (bei schwereren, heißeren Sternen), ist für die Energieerzeugung während der längsten
Zeit des Lebens der Sterne verantwortlich (Hauptreihe im HR-Diagramm). In beiden Fällen
werden vier Protonen zu einem Heliumkern verschmolzen, d.h. es entstehen keine neuen
schwereren Elemente. Der 12C-Kern am Beginn des CNO-Zyklus kommt am Ende wieder
heraus.
Er muss schon in einer früheren Sterngeneration mit der Salpeter-Reaktion gebildet werden.
28
Russbach09
Das Wasserstoffbrennen II
Die Nebenzyklen werden nur selten durchlaufen, sie tragen
zur Energieerzeugung nur wenig bei. Über die 19F(p,γ)20NeReaktion jedoch kann in sehr heißen Sternen Material den
CNO-Zyklus verlassen und zwei weitere Zyklen bilden, die
für die Nukleosynthese der Elemente Ne bis Al wichtig sind.
Die γ-Linie des radioaktiven 26Al wird in den Sternentstehungsgebieten nachgewiesen als Zeuge der noch
andauernden Bildung der chemischen Elemente.
29
Russbach09
Fortgeschrittene Brennphasen
Wenn die Protonen fusioniert sind, durchlaufen schwere
Sterne im Roten Riesen-Stadium aufeinanderfolgende
Brennphasen, in denen die Asche der vorhergehenden Phase
als Brennstoff der nächsten dient: He-, C-, Ne-, O- und SiBrennen. Zur Überwindung der elektrischen Abstoßung der
Kerne sind immer höhere Temperaturen bis einige Milliarden
Grad erforderlich.
Der verschmolzene Mg (Compound-)Kern hat eine hohe innere Energie, die durch das Abdampfen
von γ-, n-, p-, α-Teilchen abgegeben wird.
30
Russbach09
Fortgeschrittene Brennphasen
Bei den extrem hohen Temperaturen laufen eine Vielzahl von Kernreaktionen ab, die
ein breites Spektrum (meist) radioaktiver Isotope erzeugen.
Die Temperaturen sind so hoch, dass die
"Wärmestrahlung" hochenergetische γ-Strahlen
56Ni T =6 d
1/2
sind, die einzelne Nukleonen wieder aus den
Kernen herauslösen können.
56Co
T1/2=77 d
Die "höllischen" Bedingungen im finalen Si-Brennen
überstehen nur die stabilsten Isotope, d.h. die Fe- und
Ni-Isotope um die Masse 56. Im Laufe des letzten
Tages eines sehr schweren Sterns bildet sich daher
ein Fe-/Ni-Kern:
“ 28Si + 28S ==>
56Ni
“
Nach der Supernova-Explosion zerfallen die 56Ni über
56Co ins stabile 56Fe, dabei bestimmen die Halbwertszeiten dieser Zerfälle die Lichtkurve.
31
Russbach09
Die Neutroneneinfangprozesse
Synthese mit ungeladenen Projektilen
Die Nukleosynthese mit geladenen Projektilen hört mit Erreichen
der Fe-Gruppen-Elemente auf, da keine Energie mehr durch
Fusion gewonnen werden kann. (Energiegewinn durch Spaltung
sehr schwerer Kerne ist möglich: Kernkraftwerke.)
Für die Synthese der schweren Elemente müssen wir uns des
Modells von 1950 erinnern: Sukzessive Einfänge von Neutronen
(ohne elektrische Ladung, also keine Abstoßung) und β-Zerfälle, die einen Teil der Neutronen in Protonen umwandeln und
somit die Kernladungszahl um eins erhöhen.
Das Modell scheiterte an den Stabilitätslücken bei A=5 und 8 (die durch die Triple-α-Reaktion
überwunden werden). Das neue Modell geht davon aus, dass leichte Elemente durch vorhergehende Synthese in Sternen gebildet wurden. Die Synthese durch Neutroneneinfang wird ein
sekundärer Prozess, der abläuft nachdem die bisher besprochenen Prozesse das Ausgangs(Saat-) Material gebildet haben.
Jedoch gibt es ein Problem: Freie Neutronen haben eine Lebenserwartung von nur 15 Minuten
Bei der Big-Bang-Synthese stellte das kein Problem dar, da eh alles nach 3-4 Minuten beendet war. Für das neue Modell müssen also Neutronenquellen gefunden werden.
Zudem sind mehrere Neutroneneinfangprozesse erforderlich, die unter sehr unterschiedlichen
Bedingungen an verschiedenen Orten und Zeiten ablaufen.
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Russbach09
Die Neutroneneinfangprozesse
Notwendigkeit mehrerer Prozesse
Im "klassischen" Bild fängt ein stabiles Isotop (beginnend mit 56Fe) ein Neutron ein und wartet dann
auf den β-Zerfall, der ein Neutron in ein Proton umwandelt. Das Isotop des neuen Elementes wartet
dann wiederum auf ein Neutron, um den Prozess zu wiederholen. Da β-Zerfälle sehr langsam
ablaufen (im nuklearen Maßstab) erfordert dieses Verfahren einige hundert Jahre um ausgehend
von Fe die schweren Elemente aufzubauen. Da zwischen den sukzessiven Einfängen viel Zeit
vergeht (sogar länger als die β-Zerfälle), spricht man vom "slow-process" (slow, engl. langsam).
Doch dieser s-Prozess allein kann nicht alle Elemente/Isotope synthetisieren. Den historisch ersten
Grund werde ich auf einer separaten Folie erläutern, deshalb erst zwei weitere Fakten, die
imperativ (mindestens) einen weiteren Prozess erfordern:
33
Russbach09
Notwendigkeit mehrerer Prozesse
Es gibt neutronenreiche, stabile Isotope, die vom
s-Prozess nicht erreicht werden wie z.B. 134,136Xe.
133Xe hat eine Lebensdauer von einigen Tagen und
(fast alles) zerfällt bevor es ein weiteres Neutron
absorbieren kann. Dies gilt erst recht für 135Xe mit
einer Lebensdauer von einigen Stunden.
Der s-Prozess endet mit dem letzten “stabilen” Isotop
209Bi. Neutroneneinfang führt zu 210Bi, das durch βZerfall in den α-instabilen Kern 210Po übergeht.
Dessen α-Zerfall in das stabile Isotop 206Pb führt
zurück in den s-Prozess-Pfad.
Die natürlich vorkommenden (langlebigen) Elemente
Th und U erfordern einen weiteren Prozess.
Anmerkung:
2003 wurde der α-Zerfall des 209Bi mit der extrem langen
Halbwertszeit von 1019 Jahren beobachtet.
P. De Marcillac et al., Nature 422 (2003) 876
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Russbach09
Die Neutroneneinfangprozesse
s- und r-Prozess an magischen Neutronenschalen
Den ersten Hinweis auf zwei Prozesse gab die solare
Häufigkeitsverteilung der schweren Elemente. Auffällig sind
drei Doppelpeaks, jeweils ein breiter gefolgt von einem
schmalen.
Die Atomkerne in den schmalen Peaks haben Neutronenzahlen von 50, 82 bzw. 126. Diese Zahlen sind in der
Kernphysik als "magische Zahlen" bekannt.
Kerne mit magischer Anzahl von Protonen oder/und
Neutronen haben eine hohe Stabilität (entsprechend den
abgeschlossenen Elektronenschalen der Edelgase in der
Chemie).
Sie haben lange Halbwertszeiten und niedrige Neutroneneinfangraten.
Dies führt quasi zu einem Verkehrsstau (“waiting-points”)
und erklärt die großen Häufigkeiten.
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Russbach09
s- und r-Prozess an magischen Neutronenschalen
Die Doppelstrukturen erfordern allerdings zwei verschiedene Prozesswege:
1) Die schmalen Peaks entstammen dem s-Prozess entlang den stabilen Isotopen.
2) Die (stabilen) Isotope in den breiten Peaks haben etwa 6 Neutronen weniger als die
magischen Zahlen. Dies wird dadurch erklärt, dass sie die β-Zerfallsprodukte sehr
neutronenreicher kurzlebiger Isotope mit den entsprechenden magischen Zahlen sind.
Dieser zweite Einfangsprozessweg verläuft also weit entfernt von den stabilen Isotopen.
Im Gegensatz zum s-Prozess mit geringen Neutronenflüssen erfordert dieser Prozess
extrem hohe Neutronenflüsse während extrem kurzer Zeiten. Dies erlaubt z.B. einem
Saatkern sukzessive etwa 20 Neutronen einzufangen bevor der erste β-Zerfall erfolgt.
Entsprechend wird er rapid-process (schneller Prozess) genannt.
Der r-Prozess verläuft durch neutronenreiche β-instabile
Kerne und vermeidet dadurch die α-instabilen Kerne am
Ende des s-Prozesspfads.
Dieser Prozess endet mit dem Einsatz der Kernspaltung
bei etwa der Massenzahl 250.
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Russbach09
Die Neutroneneinfangprozesse
Astrophysikalische Szenarien und irdische Experimente (I)
Zwischen dem s- und dem r-Prozess gibt es bedeutende Unterschiede:
Am wesentlichsten ist unser Kenntnisstand.
Und das gilt gleichermaßen für die Astro- als auch die Kernphysik.
Man glaubt heute den s-Prozess einigermaßen verstanden zu
haben. Als Ort stellt man sich Rote Riesensterne in instabilen,
pulsierenden Phasen vor.
Und insbesondere lassen sich fast alle Eigenschaften der beteiligten
Kernreaktionen im Labor experimentell bestimmen, da stabile,
nicht radioaktive Isotope beteiligt sind.
Neutronenquelle 22Ne(α,n)
Durch Konvektion werden Protonen aus den äußeren, unverbrauchten Schichten in die Brennzone
gemischt, in der 12C mit α-Teilchen zu 16O verschmilzt. Ein Teil der 12C-Kerne reagiert mit den
Protonen zu 13C, das dann über (α,n)-Reaktionen Neutronen erzeugt.
Die neutronenfreisetzenden Reaktionen 13C(α,n) und 22Ne(α,n) haben jedoch ein paradox
anmutendes Handicap: man benötigt α-Strahlen geringer Energie, die man nicht von den
modernen, sündhaft teuren Beschleunigern erhält. Und die alten, "billigen" Anlagen wurden meist
verschrottet.
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Russbach09
Die Neutroneneinfangprozesse
Astrophysikalische Szenarien und irdische Experimente (II)
n_TOF Neutronenquelle
Die für den s-Prozess wesentlichen Messgrößen sind Neutroneneinfangsraten in stabile Isotope zwischen Eisen und Wismut. Die Neutronen haben eine Energieverteilung um 30 keV,
die sich durch 7Li(p,n)-Reaktionen gewinnen lassen. Dies sind relativ "einfache" Experimente,
die z.B. am Forschungszentrum Karlsruhe und der “n_TOF” Neutronenquelle am CERN durchgeführt werden.
Von der kernphysikalischen Seite ist der s-Prozess deshalb gut verstanden.
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Russbach09
Die Neutroneneinfangprozesse
Astrophysikalische Szenarien und irdische Experimente (III)
Im Gegensatz dazu lässt sich über den r-Prozess nur sicher sagen, dass er unter extremen
Bedingungen ablaufen muss:
Das astronomische Szenarium muss für wenige Sekunden sehr hohe Neutronenflüsse zur
Verfügung stellen, ein Vorgang, der die gleichzeitige Freisetzung ungeheurer Energiemengen
bedeutet. Solche Bedingungen lassen sich nur in den extremsten Entwicklungsstadien von
Sternen realisieren, z.B. einer Supernova-Explosion.
IVY-MIKE-Test, 31.10.52, bis 255Fm
Experimentell ist der r-Prozess eher unzugänglich. Die auftretenden
Neutronenflüsse übertreffen irdische (Hochfluss-)Kernreaktoren um
Faktoren über eine Milliarde. (Unterirdische) Tests mit Wasserstoffbomben erbrachten erste Hinweise auf das Ende des Prozesses durch
Kernspaltung, doch weitere Experimente erforderten die Aufkündigung
der Teststopverträge.
Und da die Isotope extrem neutronenreich und kurzlebig sind, kann ihre Kernstruktur i.a. nur theoretisch abgeleitet werden. Wichtig sind Daten der Kernmassen und der β-Zerfallseigenschaften.
Jedoch scheint die Hoffnung zu trügen, dass die Theorien fernab der experimentellen Basis
unverändert anwendbar bleiben.
Experimentelle Daten lassen sich meist nur für die Isotope mit magischen Zahlen 50 und 82
gewinnen, da nur an diesen Stellen der Prozesspfad näher an das Stabilitätstal herankommt. In
den letzten Jahren konnten mit aufwendiger Technik einige Isotope im Labor erzeugt und
vermessen werden. Benötigt werden eigentlich Daten von an die Tausend Isotopen.
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Russbach09
rp-Prozess und Röntgenblitze
Mit geringer Häufigkeit gibt es neutronenarme Isotope, die von
den schwereren durch ein instabiles Isotop getrennt sind und
daher in den bisher besprochenen Prozessen nicht gebildet
werden.
Man stellt sich vor, dass abwechselnd hochenergetische Protonen eingefangen werden und sich unter
Aussendung eines Positrons in ein Neutron verwandeln.
Dieser rp-Prozess erfordert für kurze Zeiten Protonen
bei hoher Temperatur.
Diese Bedingungen sind z.B. bei einer Nova-Explosion gegeben. In
einem engen Doppelsystem aus einem Neutronenstern
(oder Weißen Zwerg) und einem Hauptreihenstern strömt solange
Wasserstoff (Protonen) auf den ultrakompakten Partner bis die
Temperatur für den Einsatz explosiven Brennens erreicht wird.
Nach 10 - 100 Sekunden ist der Wasserstoff verbrannt und das Spiel
kann wieder beginnen. Die klassischen Nova wiederholen sich
etwa alle 10.000 Jahre, UGem kataklysmische Veränderliche etwa
alle 100 Jahre.
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Russbach09
Nukleosynthese durch Kosmische Strahlung
Wenn die extrem hochenergetische Galaktische Kosmische Strahlung auf Materie trifft,
wird soviel Energie auf den Kern übertragen, dass seine Nukleonen schlicht verdampfen.
Diese Reaktionen mit interstellarer/-galaktischer Materie (wie
Molekül- und Staubwolken oder Kometen und Asteroiden) stellen
die Hauptquelle für die Elemente Li, Be, B dar, die weder im
Urknall noch in Sternen synthetisiert werden.
Diese Reaktionen erzeugen auch langlebige Radionuklide, die es z.B. gestatten,
zeitliche Variationen der Strahlungsintensität zu ermitteln und evtl. Einflüsse auf das
Klima zu untersuchen. In der Hochatmosphäre der Erde entsteht so das Radiokarbon
14C, das Altersbestimmungen organischen Materials gestattet.
Siehe auch Abendvortrag 2008:
http://www.uni-mainz.de/Organisationen/vistars/talks_russbach2008/russbach2008_pfeiffer-pub.pdf
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Russbach09
"Recycling" im All
Häufigkeit und isotopische Zusammensetzung der chemischen Elemente an einem Ort zu einem
Zeitpunkt hängen von den vorausgegangenen Sterngenerationen ab. Man nimmt z.B. an, dass
zu unserem Sonnensystem etwa 50 bis 100 Sterne beigetragen haben.
NGC2359, Wind des
WR-Sterns HD56925
Shapley-1 in Norma
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Russbach09
Sternenstaub
• Kristallite hoher Schmelztemperatur in
Meteoriten:
Zeitzeugen vergangener Sterngenerationen
• Interplanetare und interstellare Staubkörner:
Detektoren auf Raumsonden Galileo,
Ulysses, Cassini
"Stardust"-Sonde hat Staubkörner in Aerogel
eingefangen und Januar 2006 zur Erde
zurückgebracht:
- Januar 2004 Flug durch Koma von Komet
81P/Wild-2;
- Im Flug zum Kometen interstellare Körner,
die vermutlich von Supernova-Explosionen
stammen, die vor einigen Millionen Jahren in
Scorpius-Centaurus OB Assoziation
stattfanden.
Nucleus of 81P/Wild 2
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Russbach09
Sternenstaub nicht nur im Weltall
Die NASA sammelt Staubkörner in 20 km Höhe mit ER- 2 Flugzeugen (abgewandelten U2 Spionagefliegern).
Die Körner fallen irgendwann auf die Erde, wo sie i.A. nicht auffallen, da sie von irdischem Staub überdeckt werden.
Einige fallen auch auf den Schnee
der Antarktis. Da diese Weltregion
(noch) saubere Luft hat, lassen sich
die kosmischen Staubkörner herausfischen, nachdem man den Schnee
geschmolzen hat.
Donnerstag um 17:15 wird Dr. Jean Duprat
vom CSNSM, Orsay, über die Gewinnung
der Körner in der Antarktis berichten und
sie mit Kometenstaub der STARDUSTMission vergleichen.
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Russbach09
Galaktische chemische Evolution
Unsere “unmittelbare” Nachbarschaft
In diesem 10 Lichtjahre Ausschnitt sieht man die
Schale interstellaren Gases und Staubes, die
gerade durch das Sonnensystem zieht und eine
weitere, die schon durchgezogen ist.
Sonden mit Ziel Jupiter und Saturn
(GALILEO, ULYSSES, CASSINI)
und die STARDUST-Mission sind
alle mit einem am Max-Planck-Institut in Heidelberg entwickelten TOF-Staubdetektor ausgerüstet
worden. Neben Staubkörnern aus dem Sonnensystem konnten auch
interstellare Körner nachgewiesen werden.
Die STARDUST-Sonde hatte zudem als primäre Aufgabe, Kometenund interplanetaren Staub in Aerogel-Catchern aufzufangen.
Im Januar 2006 konnten diese geborgen werden. Ob auch interstellarer Staub eingefangen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.
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CIDA – Cometary and Interplanetary Dust Analyser
Russbach09
Unsere “fernere” Nachbarschaft
Radioaktives 60Fe (T1/2=1.5 Mill. Jahre) konnte
in Tiefseesedimenten nachgewiesen werden.
In diesem 1500 Lj Ausschnitt sieht man 3 Schalen von der Scorpius-Centaurus OB Assoziation
ausgehen. In diesen jungen Sternhaufen sind eine Reihe von Sternen als Supernova explodiert.
Vor etwa 2 Mill. Jahren befand sich die Sonne in nur 130 Lj Entfernung. Man nimmt an, dass in
Meeressedimenten gefundenes radioaktives 60Fe damals auf die Erde niederrieselte. Etwas spekulativer ist die Vermutung, dass ein Massensterben von Meeresplankton beim etwa gleichzeitigen
Pliozän-Pleistozän Übergang ebenfalls durch diese Explosionen verursacht wurde, nachdem die
Gamma- und Röntgenstrahlung die Ozonschicht zerstörte. Die Autoren stellen selbst die Frage,
ob das etwa gleichzeitige Auftreten der ersten Hominiden, Homo Erectus, dadurch verursacht wurde
Zur Beruhigung: die Kandidaten für die nächsten Supernovae sind alle weiter entfernt!46
Russbach09
Komplexe Moleküle im All
Heute lag der Schwerpunkt auf der Entstehung der Elemente.
Trotz extrem niedriger Temperatur und Dichte laufen chemische
Reaktionen im interstellaren Medium ab, die zu überraschend
komplexen Molekülen führen. Radio- und Infrarotastronomen haben
schon etwa 145 Verbindungen in den Molekülwolken nachgewiesen.
Die Wolken enthalten komplexe Verbindungen, teilweise praebiotische Moleküle (unten
rechts Äthylenglykol).
Diese Moleküle kondensieren in kühleren Regionen der protostellaren Wolken in die Eisund Gesteinsbrocken, die dann als Kometen und Meteorite untersucht werden können
(links oben Murchison).
In der in der Nähe des galaktischen Zentrums gelegenen Molekülwolke Saggitarius B
konnte Vinylalkohol (neben gigantischen Mengen von Methanol und Äthanol) nachgewiesen werden, das als Ausgangssubstanz komplexerer organischer Verbindungen dient.
Wie es entsteht, ist noch nicht geklärt. Wahrscheinlich erfordert die Synthese chemische
Reaktionen auf der Oberfläche von Staubkörnern.
Diese Problematik erfordert einen eigenen Vortrag;
und einen Referenten, der mehr von Chemie und
Biologie versteht!
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Russbach09
Sind wir allein im All?
† 17.2.1600
Unzählige Sonnen existieren, unzählige Erden umkreisen diese Sonnen,
so wie die sieben Planeten unsere Sonne umkreisen.
Lebendige Wesen bewohnen diese Welten.
Dell' infinito universo e dei mondi, Giordano Bruno, 1584
Eine alte Menschheitsfrage!
Chemische Elemente (sogar praebiotische Moleküle) sind überall
vorhanden. Leben entstand schon sehr früh auf der jungen, extrem
unwirtlichen Erde. Doch die Frage zielt eigentlich nicht auf Mikroben,
sondern auf
Intelligentes Leben.
Dazu mussten nahezu 4 Milliarden Jahre lang relativ konstante,
Leben ermöglichende Bedingungen auf der Erde vorliegen.
Wie häufig sind diese Bedingungen anzutreffen?
Zu jung für Leben
• Fermi Paradox (1950): Galaxis kann innerhalb 10-100 Mill. Jahren kolonisiert werden.
Wo sind die Außerirdischen?
• Erste Planetensysteme konnten fotografiert werden: HR8799 b,c,d und Formalhaut b
Wir sollten sorgsam mit der Erde umgehen!
Wir finden sobald keinen passenden Ersatz.
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Wir sind alle Sternenstaub
Die Entstehung der Elemente
Der Vortrag kann unter
http://www.uni-mainz.de/Organisationen/vistars/talks_russbach2009/russb09_pfeiffer-pub.pdf
eingesehen werden.
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Russbach09
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