Kläranlagen - über wasser gehen

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Kläranlagen
Wie wir klarkommen mit unseren Abwässern
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Liebe Leserinnen und Leser!
Sie stehen zwischen den Abwässern und den Flüssen und Bächen. Wie uns
die Geschichte lehrt, stehen sie auch zwischen Gesundheit und Krankheit. Die
Rede ist von den Kläranlagen, die an Emscher und Lippe mit Hilfe modernster Technik die Schmutz- und Schadstoffe unserer Abwässer ausfiltern und
abbauen. Auch dank ihrer Leistung entwickeln sich die Emscherregion und die
Problemgebiete an der Lippe zu Erholungslandschaften mit übermütig plätschernden, sauberen Fließgewässern, die endlich aus dem streng geschnürten
Korsett der Kanalisation befreit werden konnten.
Mit der vorliegenden Broschüre laden wir Sie zu einer Entdeckungsreise in die
Geschichte der Abwasserreinigung und in die heutige faszinierende Klärtechnik
ein. Diese beruht darauf, dass man der Natur bei ihren Selbstreinigungsprozessen ganz genau auf die Finger geschaut hat. Lernen Sie die Bakterie einmal
vollkommen anders kennen, lernen Sie ihre gute Seite kennen.
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Ihre Emschergenossenschaft und Ihr Lippeverband
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G ESCHIC H T E
Geschichte der Abwasser-Reinigungstechniken
Am Anfang war das Erdklo
„Und du sollst außen vor dem Lager ein Ort haben, dahin du zur Not hinausgehest. Und sollst ein Schäuflein haben, und wenn du dich draußen setzen
willst, sollst du damit graben; und wenn du gesessen bist, sollst du zuscharren,
was von dir gegangen ist.“ (Moses 5. 23)
Was tun mit den menschlichen Fäkalien?
Durchaus hygienisch ist der Ratschlag des Moses für Soldaten im Feldlager
und voller Vertrauen in die Reinigungskraft von Mutter Erde. Zumeist aber setzten alte Kulturen auf die Reinigungskraft des Wassers. Ansiedlungen gründete
man in der Regel an Flüssen, nicht nur unter der Perspektive des Handels und
des Fischfangs, sondern auch, damit die Abwässer der Menschen weggeschwemmt werden konnten. Das Problem: Was bei ländlichen Strukturen noch
hygienisch vertretbar war, sollte sich im Mittelalter, als die Städte wuchsen, ins
Gegenteil verkehren – die Menschen bezogen ihr Trinkwasser aus den Flüssen,
die Abwässer mit sich führten, oder über Brunnen aus dem Grundwasser,
das gleichfalls durch versickernde Abwässer verunreinigt war. Die natürliche
Reinigungsleistung der Böden und Fließgewässer versagte bei steigenden
Abwassermengen, todbringende Seuchen traten in Europa noch bis zum Ende
des 19. Jahrhunderts auf.
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Boden und Fluss – „Kläranlagen“ der Natur
Von der Antike bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren Erdboden und
Fluss die natürlichen „Kläranlagen“ für menschliche Abwässer. Da sich
das Interesse zunächst nur der Beseitigung von Abwässern zuwandte,
nutzte man die Klärkraft der Natur eher zufällig. Erst zum Ende des 19.
Jahrhunderts erforschten Wissenschaftler die Selbstreinigung der Gewässer durch Mikroorganismen.
Versickert beispielsweise das Abwasser durchlässiger Fäkaliengruben,
so wird es vom Boden mechanisch gefiltert, bevor es das Grundwasser erreicht. Ein biologischer Abbau organischer Stoffe erfolgt über die
Pflanzen, die sie als Nahrung aufnehmen, und über Mikroorganismen.
Durch Austausch von Ionen (elektrisch geladenen Teilchen) verhindern
Tonmineralien und andere Stoffe des Bodens, dass gelöste Salze ins
Grundwasser gelangen.
Ähnliche Reinigungsprozesse laufen in Fließgewässern ab, im Wasser
und im Bodenschlamm, wo Fäulnisbakterien ohne Sauerstoff arbeiten.
Mikroorganismen, Pilze und Bakterien mineralisieren die organischen Bestandteile des zugeleiteten Abwassers. Die Mineralien wiederum werden
von Wasserpflanzen aufgenommen, die Pflanzen von Wassertieren gefressen. Ein Recyclingprozess der Natur, der empfindlich durch die Zufuhr
großer oder konzentrierter Abwassermengen gestört wird. Das Gewässer
wird überdüngt, Algen wachsen in Massen, bald herrscht Lichtmangel
im Gewässer und Wasserpflanzen sterben ab. Ihr Zersetzungsprozess
verbraucht viel Sauerstoff und kann sogar ein Fischsterben auslösen.
Links: Kohleschlamm und abgestorbene Bäume säumten die Wasserläufe, hier am Haarbach
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Warnruf im Mittelalter: „Vorsicht Abwasser!“
Technische Kläranlagen sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Antike
Kulturen bauten jedoch bereits Abwasserkanäle. In Mohenjo-Daro am Indus
im heutigen Pakistan entstand schon vor 5.000 Jahren ein ausgeklügeltes
Kanalsystem, für unseren Kulturkreis sind beispielhaft Kreta und Rom zu nennen. Für den Palast von Knossos auf Kreta wurden im 2. Jahrtausend v. Chr.
Abflusskanäle mit Belüftungsschächten und Zuleitungen aus Ton gebaut, noch
bekannter ist die „Cloaca maxima“ des antiken Rom, die im 6. Jahrhundert
v. Chr. als Regenwasserrinne aufgebaut wurde und nur einige Jahrhunderte
später in Form eines vier Meter hohen überwölbten Kanals die Abwässer dem
Tiber zuführte.
Mittelalter. Dunkle Zeiten. Hygienisch dunkle Zeiten in Europa. Es regnete Fäkalien. Mit Schwung entleerte man seinen Nachttopf auf die Gasse. In Frankreich musste man diese Aktion zumindest mit einem „Gardez l’eau!“ („Vorsicht
Wasser!“) als Warnruf für unschuldige Fußgänger ankündigen. Die Zustände
hier und in nahezu allen anderen europäischen Städten waren katastrophal. Die
Kanalisationstechniken der Antike waren in Vergessenheit geraten, Reinigungstechniken zumeist noch unbekannt.
Rühmliche Ausnahme Bunzlau
Im Nachhinein wollen wir der schlesischen Stadt Bunzlau den Titel „Sauberste Stadt des Mittelalters“ verleihen. Schon zur Mitte des 16. Jahrhunderts leitete hier ein hölzernes Rohrnetz die Abwässer aus der Stadt
hinaus. Auf Rieselfeldern wurden die Abwässer verteilt, den gut durchdüngten Boden nutzte man für den landwirtschaftlichen Anbau.
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Plan der Stadt Bunzlau mit den Kanälen und Rieselflächen
vom Jahre 1882
Mittelalterlicher Erker
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Fäkalien – das Gold des kleinen Mannes
Über Erkerlatrinen plumpsten die menschlichen Ausscheidungen direkt in die
städtischen Gewässer – das war schon eine ziemlich vornehme Methode der
Entsorgung -, zumeist aber mussten die Ehgräben zwischen den Häusern die
Fäkalien aufnehmen oder man entleerte sich in Versickerungsgruben. Wohl
den Städten, deren Bäche lebendig genug waren, um zumindest ansatzweise
die Rinnen der Straßen vom Fäkalien-Dreck und von den Abfällen der Gewerbebetriebe zu säubern! Oft genug war man auf die Hilfe von Regenwasser
angewiesen, um den Abfall den Flüssen zuzuspülen. Und Weh den Stadtbewohnern, deren Trinkwasserbrunnen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den
Abortgruben lag!
Den alten Ägyptern waren Urin und Kot
heilig, den Menschen des Mittelalters
auch – in wirtschaftlicher Hinsicht. Es
wurde genutzt, was genutzt werden
konnte. Urin für die Gerbereien, der
Stadtmist – Auffanggitter in den Straßenrinnen hielten die wertvolle Fäkalienfracht
zurück – für die Bauern zum Düngen
der Felder. Als im 19. Jahrhundert,
ausgehend von England, der öffentliche
Abwasserkanalbau einsetzte, protestierten viele, da mit den Fäkalien auch die
privaten Einnahmen aus ihrem Verkauf
weggespült wurden.
Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, und seine
Söhne
Tragikomik im Mittelalter
Warum wir Kanalisation und Kläranlagen schätzen sollten: Im Mittelalter
dauerte es manchmal Jahrzehnte, bis eine Fäkaliengrube geleert wurde.
Mit Folgen. Im Jahr 1183 hielt Kaiser Friedrich I. im Erfurter Schloss einen
Reichstag ab. Der Boden des Prunksaales brach ein, die Versammelten
fielen in die untere Räumlichkeit – eine volle Fäkaliengrube. Weit über
hundert Edelmänner und Ritter starben.
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19. Jahrhundert – endlich Hygiene durch WC und Kanäle
Bis zum 19. Jahrhundert änderte sich wenig. Noch immer staute sich zu
Trockenzeiten die Fäkalienmasse in den Stadtgräben, noch immer watete man
in den Gassen durch Dreck und Kot. Mit Beginn der industriellen Revolution
verschlimmerten sich die hygienischen Verhältnisse, da sich die Bevölkerung
nun in den Städten konzentrierte. Europaweit setzten Cholera-Epidemien ein.
Es war höchste Zeit, Entwässerungssysteme für die Städte aufzubauen.
Folgenlos war die Erfindung des Klosetts mit Wasserspülung durch Sir John
Harrington zum Ende des 16. Jahrhunderts geblieben. So wurde es 1775 zum
zweiten Mal erfunden (jetzt mit Siphon) – durch den Engländer Alexander Cumming, der es sich auch gleich patentieren ließ. Erster Erfolg des Wasserklosetts:
Die Fäkaliengruben liefen über! Wiederum in England wurde die Stadtentwässerung weiter vorangetrieben, indem man die moderne Schwemmkanalisation
austüftelte. Dank WC und Schwemmkanalisation wurden nun die Fäkalien
unterirdisch aus den Städten abtransportiert, zur Mitte des 19. Jahrhunderts in
England, später dann auch auf dem europäischen Kontinent.
Das Problem in den Städten war gelöst, über die Flüsse außerhalb der
Ortschaften holte man es sich wieder zurück. Die Selbstreinigungskraft der
Gewässer war den unbehandelten Abwassermengen aus den Städten nicht
gewachsen, die Flüsse „kippten um“. Und weitaus schlimmer: Mit dem Abwasser der einen Stadt gelangten Krankheitserreger ins Fließwasser, das flussabwärts einer anderen Stadt als Trinkwasser diente. Die Seuchengefahr war noch
nicht gebannt.
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Sir John Harrington
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Standrohr Wartenberg auf dem Rieselfeld Malchow bei Berlin. Druckrohre leiteten die Abwässer dem
Standrohr zu. Von hier aus führten weitere Rohre zu den Feldern, die berieselt werden sollten.
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Der Weg ins 20. Jahrhundert: vom Rieselfeld
zur Kläranlage
Jetzt erst wandten sich die Städte gezielt der Abwasserreinigung zu. Nach
englischem Vorbild wurden zum Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland
Rieselfelder angelegt – und damit war der erste Schritt in Richtung moderne
Kläranlage vollzogen. Auf einem Rieselfeld wird das zugeleitete Abwasser
durch den Boden als Filter gereinigt. Da die Pflanzennährstoffe des Abwassers (insbesondere Phosphor und Stickstoff) den Boden düngen, kann dieser
gleichzeitig für den Anbau von Gemüse und Getreide genutzt werden.
Doch auch dieses Verfahren hatte seine Grenzen. Mit zunehmender Industrialisierung lagerten sich industrielle Schadstoffe, in erster Linie Schwermetalle, in
den Böden der Rieselfelder ab, die deswegen nicht mehr für die Lebensmittelgewinnung geeignet waren. Zudem war der Flächenbedarf der Verrieselung bei
rascher Bevölkerungszunahme viel zu hoch.
Erste gezielte Abwasserbehandlung durch Verrieselung
Bei der Verrieselung, der wohl ältesten Form der Abwasserbehandlung,
werden zunächst Flächen angelegt, die zur Wasseraufnahme von Dämmen umgrenzt und miteinander durch Gräben oder Rohrleitungen verbunden sind. Das Abwasser wird gleichmäßig über den Flächen verregnet
oder von einem gewässerten Feld mittels Gräben zu anderen Flächen
übergeleitet. Das durch den Boden gereinigte Abwasser versickert ins
Grundwasser oder wird zusätzlich über Drainageleitungen und Abzugsgräben an Fließgewässer abgeführt.
Der Boden eines Rieselfeldes sollte feinporig sein, um gröbere Schmutzstoffe zurückzuhalten. Über chemische Prozesse im Boden können
Schadstoffe gespeichert und mikrobiell abgebaut werden, so dass sie
nicht bis ins Grundwasser vordringen. Sobald sich die Filterleistung eines
Bodens erschöpft, wird die oberste Bodenschicht abgetragen.
Rieselfelder werden heute nur noch selten zur Abwasserreinigung genutzt. Viele stillgelegte Rieselfelder sind in Naturschutzgebiete verwandelt
worden.
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Luftaufnahme vom Rieselfeld Boddingsfelde bei Berlin, 1925
Das Zeitalter der Kläranlagen brach an. Sie ersetzten die Rieselfelder oder
wurden ihnen zumindest vorgeschaltet. 1887 ging die erste deutsche Kläranlage mit vier Absetzbecken, Sandfang und Rechenanlage in Frankfurt-Niederrad
in Betrieb. Fünf Jahre später wurde in England das erste biologische Reinigungsverfahren für Abwässer entwickelt. 1895 entstand das erste biologische
Klärbecken in Deutschland.
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Um 1900 an Emscher und Lippe
Wissenschaft orientiert sich an Problemen. So auch in der Emscher-Lippe-Region. Hier waren die hygienischen Verhältnisse besonders verheerend. Und hier
wurde eine besonders leistungsstarke Form der Abwasserreinigung entwickelt
– der Emscherbrunnen!
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts hielt die Industrialisierung zunächst an der
Emscher und mit der Nordwanderung des Bergbaus auch an der Lippe Einzug. Die Bevölkerung vervielfachte sich in den Städten, die Abwassermassen
wurden weiterhin ungereinigt in die gefälleschwachen, für Abflussstörungen
anfälligen Flüsse und Bäche abgeleitet. Durch den Bergbau verursachte Berg­
senkungen verstärkten die Probleme: Die Wasserläufe entwickelten sich streckenweise zu stehenden, stinkenden Gewässern. Bei Hochwasser wurden die
Wohngebiete mit Abwässern überschwemmt, die Region erkrankte: Cholera,
Typhus, Ruhr, Diphtherie und Malaria traten in erschreckendem Ausmaß auf.
Zur Beseitigung dieser unhaltbaren Zustände wurden 1899 die Emschergenossenschaft und 1913 die Sesekegenossenschaft gegründet, aus der 1926
der Lippeverband hervorging. Die Verbände hatten die Aufgabe, ihre Regionen
zu entwässern, die Abwässer abzuleiten und zu reinigen und für den Hochwasserschutz Sorge zu tragen. Die Emscher und ihre Zuflüsse ab 1906, die
Seseke und ihre Nebenläufe in den 20er Jahren sowie der Dattelner Mühlenbach mit seinen Nebenläufen in den 30er Jahren wurden zu offenen Abwasserkanälen umgebaut, um einen schnellen Abwasserablauf zu ermöglichen
und das Grundwasser vor Verunreinigung zu schützen. Unterirdisch konnten
angesichts anhaltender Bergsenkungen keine Kanäle verlegt werden. Schnell
wurden auch die ersten, in der Regel mechanischen Kläranlagen errichtet, da
nur größere Städte wie Essen, Bochum und Dortmund bereits über Kalk-Kläranlagen (mit unzulänglicher Klärkraft) verfügten. 1908 waren schon 220.000
Einwohner an Kläranlagen der Emschergenossenschaft angeschlossen. In
eigener Regie baute der Lippeverband seine erste Anlage 1932 in Soest auf,
die mechanisch-biologisch arbeitete.
Die Emscher floss in zahllosen Schleifen durch eine Bruchlandschaft
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Emscherbrunnen weltweit
War die englische Methode der Abwasserreinigung für die Emscherregion geeignet? In England arbeiteten zum Beginn des 20. Jahrhunderts viele Kläranlagen mit dem Travis-Becken zum Absetzen des Klärschlammes und Tropfkörpern zur biologischen Reinigung des Abwassers. Im Travis-Becken faulte
der Schlamm in einem besonderen Raum unterhalb des Absetzbeckens aus,
wobei ein Teil des Abwassers den Faulraum durchfloss. Die Emschergenossenschaft erkannte die Nachteile dieser Konstruktion: Der Abfluss einer Kläranlage ist immer noch faulig und stinkt, wenn sich im Faulraum das Abwasser
mit fauligem Wasser vermischt. Für die Emschergenossenschaft entwickelte
Karl Imhoff daraufhin den berühmten Emscherbrunnen – ein Absetzbecken mit
Schlammschleuse, unter dem der vom Abwasserstrom getrennte Faulraum
liegt. Das Abwasser wird so frisch, geruchlos gehalten und der Schlamm fault
besser, da er wasserärmer ist. Ein weiterer Vorteil: Emscherbrunnen können
inmitten der Städte selbst liegen, wo die Nasen bekanntermaßen noch ein
Stück empfindlicher sind als auf dem Land.
Außerdem machte die Leistungskraft der Emscherbrunnen (sie leisteten das
Fünffache der Qualitätsanforderung für Rheinstädte) die ins Auge gefasste
kostspielige biologische Reinigung durch Tropfkörper überflüssig. Biologisch
arbeitende Kläranlagen zum Abbau organischer Stoffe baute die Emschergenossenschaft anfangs nur selten und nur in ländlichen Regionen mit geringem
Abwasseraufkommen, beispielsweise in Holzwickede 1906 für 4.300 Einwohner. Bezüglich größerer Dimensionen war die biologische Klärtechnik noch
nicht ausgereift.
Tropfkörper: Frühform der biologischen Abwasserreinigung
Beim Tropfkörperverfahren durchrieselt das Abwasser einen Filter aus
Schlackebrocken oder Kunststoffstücken. Nach einer gewissen Reifezeit
hat sich auf dem Material ein „biologischer Rasen“ (Bakterienrasen) gebildet, der den gelösten organischen Schmutz bindet und durch Stoffwechseltätigkeit abbaut. Die oberste Schicht des „Rasens“ wird durch das
Abwasser fortlaufend abgespült und im Nachklärbecken entfernt.
Karl Imhoffs Idee setzte sich durch – nicht nur in der Emscherregion, wo bis
zum Ersten Weltkrieg schon 138 Emscherbrunnen in 23 Kläranlagen arbeiteten, sondern weltweit. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde der mechanisch
arbeitende Emscherbrunnen in seiner Heimatregion mit neuen Verfahren zur
biologischen Abwasserklärung verknüpft.
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Kläranlagen entstehen, Kläranlagen vergehen
Kläranlagen entstanden nicht nur in Bezirken mit hohem Abwasseraufkommen,
sondern auch an den zahlreichen regulierten Bachläufen der Emscherregion.
Die Bachkläranlagen hatten eher provisorischen Charakter, da ihr Betrieb durch
Bergsenkungen gefährdet war. Sie wurden 1928 durch die Emscherflusskläranlage bei Bottrop ersetzt, die eben das Schicksal ereilte, das den Bachkläranlagen nur gedroht hatte: Sie musste 1952 neu gebaut werden, weil sie um
drei Meter abgesackt war. Ebenso wie die Bachkläranlagen reinigte auch die
Flusskläranlage städtische und nicht faulfähige industrielle Abwässer. Deshalb
bestand die Anlage im Wesentlichen nur aus Absetzbecken mit mechanischer
Ausräumung.
Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Kläranlagen der beiden Verbände durch
Neubau und Modernisierung dem Wachstum von Industrie und Bevölkerung
angepasst. Entwicklungen wurden richtig eingeschätzt – oder überraschten:
Die als Emscherbrunnen für häusliche Abwässer geplante Mündungskläranlage
Alte Emscher musste 1936 nach nur kurzer Betriebsdauer neu konstruiert werden, da durch die starke Zunahme der Stahlerzeugung der Abwasserschlamm
nicht ausgefault werden konnte.
Im Lippegebiet verzögerte sich der Aufbau eines Kläranlagennetzes durch den
Bau des Lippeseitenkanals. Erst nach Fertigstellung des Kanals 1931 war die
Wassermenge bekannt, mit der die Lippe den Kanal speisen musste. Und erst
jetzt konnte man die Leistungskraft der Kläranlagen exakt bestimmen, die abhängig war vom angestrebten Mischungsverhältnis zwischen Kläranlagen- und
Flusswasser. Um 1945 betrieb der Lippeverband elf Kläranlagen.
Die Emscherflusskläranlage entstand 1928
in Bottrop
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Zwei der vier großen Klärbecken der
Emscherflusskläranlage
Oben: Emscherbrunnen im Bau auf der Kläranlage Essen-Nordwest
Unten: Kläranlage Alte Emscher in Duisburg
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Wenn der Fisch stinkt – Entphenolungsanlagen
Von Beginn an haben die Verbände die Industriebetriebe bei Fragen der
Abwasserklärung beraten. Die Kläreinrichtungen der Industrie sollten
funktionieren, um Störungen in der Schlammbehandlung zu vermeiden.
Ein besonderes Problem stellten die Kokereiabwässer dar, die Phenole
(saure organische Öle) enthielten. Die Phenole veränderten den Geschmack der Rheinfische (sie hatten einen typischen Karbolgeschmack),
im Extremfall vergifteten sie Wasserlebewesen tödlich. Zur Rettung der
Rheinfischerei installierten Emschergenossenschaft und Lippeverband ab
1926 auf den Kokereien Entphenolungsanlagen. Bis in die 60er Jahre hinein arbeiteten diese nach dem Benzol-Lauge-Verfahren: Phenole werden
mit Benzol ausgewaschen und in einem zweiten Schritt an Natronlauge
gebunden. Und in einem dritten Schritt von den Verbänden an die chemische Industrie verkauft.
Durch das Benzol-Lauge-Verfahren wurden 93 Prozent der Phenole erfasst, spätere Methoden erreichten einen Wirkungsgrad von 99
Prozent. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging die Zahl der
Entphenolungsanlagen zurück, als Kokereien schlossen und die Phe­
nolmenge durch neue Kokereitechniken abnahm. Heute werden Phenole
an Emscher und Lippe nur noch von Großkläranlagen zurückgehalten. Im
Laufe der Jahrzehnte bewahrten insgesamt 38 Anlagen der Verbände die
Gewässer vor 300.000 Tonnen Fischgift.
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60er Jahre – und schon weise: Großprojekt
„Biologische Abwasserklärung“
1957 stellte der Lippeverband einen Klärplan zur Verbesserung der Qualität
des Lippewassers auf: Man beabsichtigte, alle Belastungsschwerpunkte mit
biologischen Kläranlagen zu versorgen. 1975 verfügte der Verband bereits
über 66 Abwasserreinigungsanlagen. Das Lippewasser wurde klarer und klarer, am Ufer stellten Sportfischer ihre Klappstühle auf …
Rege Bautätigkeit auch an der Emscher. Die Abwasserströme der Alten
Emscher, der Kleinen Emscher und der Emscher selbst (ihre Mündung wurde
1949 zum zweiten Mal, und zwar nach Dinslaken verlegt) sollten gleichfalls
biologisch gereinigt werden, um einer weiteren Verschmutzung des Rheins
entgegenzuwirken. Hauptprojekt der Emschergenossenschaft in den 60er und
70er Jahren war das Klärwerk Emschermündung (KLEM): Da keine Erfahrungen mit einer biologischen Großkläranlage vorlagen, wurde eine Versuchskläranlage aufgebaut, zu der später Abwasseringenieure aus aller Welt pilgerten.
Das Ergebnis der Versuche: Effizienter als durch Tropfkörper ließ sich das
Emscherwasser mit dem aus England stammenden Belebungsverfahren reinigen. Bei diesem Verfahren bauen Mikroorganismen die Schmutzstoffe in einem
Belebungsbecken unter Zufuhr von Sauerstoff ab. Es entstehen Flocken, die
sich im Nachklärbecken absetzen.
Am 26. Mai 1977 wurde mit der Mündungskläranlage in Dinslaken die größte
biologische Kläranlage Deutschlands eingeweiht. Schon vorher war in Duisburg gefeiert worden. Die Kläranlage Duisburg-Kleine-Emscher arbeitete seit
1965 mit einem Reinigungsgrad von 80 Prozent und war die erste biologische
Großkläranlage am Rhein. 1999 wurde sie stillgelegt, die Abwässer werden
seither zur Alten Emscher übergepumpt. Die dritte Mündungskläranlage für die
Alte Emscher ging 1988 an den Start. Angelegt für häusliche und industrielle
Abwässer baute sie von Beginn an nicht nur organische Schmutzstoffe ab,
sondern reinigte das Wasser auch von Stickstoff- und Phosphorverbindungen.
Mit ihrer Hilfe konnte die Emschergenossenschaft die neuen Umweltbestimmungen von 1988 unverzüglich erfüllen.
Kläranlage Alte Emscher, 1936
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KL ÄRZIELE
Klärziele heute:
lebenswerte Wasserlandschaften
Stinkgasalarm und „biologische Wende“ im Kläranlagenbau
Wer sich in den 80er Jahren bei Sommertemperaturen und Niedrigwasserstand
an der Emscher aufhielt, der war es selbst schuld. Die Bio-Aktivität des langsam
fließenden, anfaulenden Wassers hatte sich erhöht, der Sauerstoffbedarf des
Wassers konnte jedoch nicht mehr gedeckt werden. Schwefelwasserstoff wurde produziert - besser bekannt als „Stinkgas“.
Kurzfristig reicherte die Emschergenossenschaft das Wasser künstlich mit Sauerstoff an, langfristig wurde der Bau weiterer biologischer Kläranlagen geplant:
1994 ging die Kläranlage Dortmund-Deusen, 1997 die Kläranlage Bottrop, die
die Flusskläranlage ersetzte, in Betrieb. Zudem wurde das KLEM 2001 erweitert
und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Die jetzt vorhandenen vier
Bio-Kläranlagen waren so leistungsstark, dass sämtliche mechanischen Kläranlagen in der Emscherregion stillgelegt werden konnten.
Heute sind die Reinigungsanlagen der Verbände ausgestattet mit modernster
Klärtechnik. Doch nicht nur der Gestank der offenen Abwasserläufe in den 80er
Jahren, sondern noch ein anderes Phänomen dieser Zeit eröffnete die positive
Entwicklung: Ein Umdenken setzte ein.
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Hochtechnisierte Mittel für ökologischen Zweck
Während über Jahrzehnte die Abwasserableitung und der Schutz des Rheins
durch Mündungskläranlagen im Mittelpunkt der Verbandsarbeit standen, sorgte
man sich nun erstmals um die Flüsse und Bäche der Verbände selbst. Öffentlichkeit wie Verbände dachten jetzt auch regional umweltbewusst. Das Sesekeprogramm von 1984 ist ein erster Beleg; das Lippeauenprogramm, erarbeitet
von 1990 bis 1995, der Umbau des Emschersystems seit 1991 und die Neugestaltung des Dattelner Mühlenbachs als jüngstes Projekt verfolgen die gleichen
ökologischen Ziele: Schmutzwasserkanäle verschwinden unter der Erde,
Wasserläufe werden renaturiert, dezentrale Kläranlagen werden eingebunden in
Projekte zur Gestaltung von Natur-Erholungslandschaften. Ehrgeizige Projekte,
die funktionieren, weil die Kläranlagen bestens funktionieren. Und Kläranlagen
funktionieren bestens, weil sie sich zu mechanisch-biologischen Wundermitteln
entwickelt haben. Den Abwasserwissenschaftsköpfen aller Epochen sei Dank!
Klärwerk Emschermündung, Dinslaken
Kläranlagen für Stadt, Land, Fluss
In der Lipperegion konnte durch Ausbau der Kläranlagen und Überleitung
von Abwässern die Zahl der Kläranlagen von 85 im Jahr 1985 auf 54 reduziert werden. Die Anlagen reinigen ein 3.280 Quadratkilometer großes
Gebiet mit über 400 Kilometern Wasserläufe und 1,4 Millionen Einwohnern. In der landwirtschaftlich geprägten Region ist es ökonomischer, die
Abwässer durch eine Vielzahl auch kleinerer Anlagen zu reinigen, manche
(z. B. in Ense-Sieveringen) sind nur für 500 Einwohnerwerte bemessen.
Die Emscherregion ist 865 Quadratkilometer groß und beherbergt rund
340 Kilometer Wasserläufe und 2,2 Millionen Einwohner, für die vier
Großkläranlagen mit einer Gesamtkapazität von 4,8 Millionen Einwohnerwerten die Reinigung übernehmen. Das Dinslakener Klärwerk als größte
Kläranlage der Region ist für rund 2,4 Millionen Einwohnerwerte angelegt.
Einwohnerwerte umfassen nicht nur die Abwässer der Einwohner, sondern auch die der Industrie (als Einwohnergleichwerte).
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TECHNIK
Klärtechnik –
der mechanische Reinigungsprozess
Vom Schmutz- zum Reinwasser im 5-Stufen-Programm
Die „Vorwäsche“ des Abwassers übernimmt die Kanalisation, denn hier finden
erste biologische Abbauprozesse statt. Der „Hauptwaschgang“ aber vollzieht
sich in der Kläranlage in fünf Stufen. Das Abwasser wird zunächst mechanisch
durch Rechen, im Sandfang und abschließend im Vorklärbecken gesäubert,
es folgt die biologische Reinigung durch Belebungs- und Nachklärbecken. Die
Dauer des Reinigungsprozesses variiert je nach Kläranlage. In der Flusskläranlage Emschermündung beispielsweise ist die Abwasserklärung nach insgesamt
14 bis 16 Stunden beendet. Für den Klärschlamm schließen sich noch weitere
Schritte an: Eindickung, Behandlung in den Faultürmen sowie Entwässerung
und Verwertung.
Altwarenmarkt im Rechengebäude
In Kläranlagen fließt Wasser bergauf, freilich unter Mitwirkung einer Schneckenpumpe, die das aus den Kanälen zufließende Abwasser auf das Anlagenniveau anhebt. Schneckenpumpen sind in der Lage, auch die im Abwasser
enthaltenen gröberen Materialien zu befördern. Bei Flusskläranlagen wird das
Abwasser erst nach Passieren der Rechenanlage hochgepumpt. Die weiteren
Reinigungsstationen durchfließt das Abwasser aus eigener Kraft, da Kläranlagen mit leichtem Gefälle ausgestattet sind. Zunächst fließt das Abwasser zum
Rechengebäude, in dem hintereinander geschaltete Rechen mit verschiedenen
Stababständen (beispielsweise zwischen 10 und 50 Millimeter in der Kläranlage
Bottrop) Feststoffe aussieben. An den Zähnen dieser „Riesenkämme“ bleiben
sperrige Teile hängen; sie werden zu Containern weitergeleitet und entsorgt.
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Kaum zu glauben, was im Rechengebäude von Flusskläranlagen so alles
hängen bleibt: vielfach Hygieneartikel wie Kondome und Binden neben dem
unvermeidlichen Toilettenpapier, außerdem größere Objekte, die allzu sorglos
entsorgt wurden: Bobby-Cars, Fahrräder, Plastikfolien, und natürlich auch
natürliche Materialien wie Äste, Laub, tote Tiere, Steine.
Rechenanlage
Die Rechenanlage befreit nicht nur das Abwasser von diesem unnützen Ballast,
sondern schützt den gesamten Klärbetrieb vor Störungen. Die ausgesiebten
Materialien und Dinge werden anschließend thermisch entsorgt – ein Prozess,
der im Hinblick auf den „fehlgeleiteten Hausmüll“ unnötige Kosten verursacht.
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Bitte nicht in den Abfluss!
Als Kleinkinder haben wir gelernt, was in die Toilette – und nicht länger in
die Windel gehört. Aber müssen wir als Erwachsene wirklich noch lernen,
was in die Mülltonne bzw. auf den Recyclinghof – und nicht länger in die
Toilette gehört?
Nicht in den Abfluss gehören:
Medikamente, Kosmetikabfälle und Reinigungsmittel: Säuren, Laugen,
Farben, Lacke, Fette, Altöl u. Ä. Sie zerfressen zum Teil Rohrleitungen,
tragen zur Vergiftung des Abwassers bei und hemmen die biologische
Reinigung oder bringen sie sogar ganz zum Erliegen.
Speisereste und Speiseöle: Sie verstopfen Rohre und sind für die Rattenplage im Kanalsystem mitverantwortlich.
Hygieneartikel: z. B. Windeln, Präservative, Damenbinden, Wattestäbchen. Auch sie behindern den Abwasserabfluss.
Wo zentrifugale Kräfte sinnvoll walten
Das Abwasser strömt zum Sandfang, einem Becken, in dem sich feinkörnige
Stoffe, die schwerer sind als Wasser, absetzen. Durch künstliche Belüftung wird
eine Wirbelströmung erzeugt: Sand, Getreidekörner, Gemüsereste, auch Steine
und Glassplitter werden von der Zentrifugalkraft nach außen gedrückt, wo sie
zu einer Bodenrinne absinken, um im Anschluss von mechanischen Räumern
zu einem Trichter geschoben und zuletzt zur Sandwäsche gepumpt zu werden.
In der Sandwäsche mit dem Aussehen einer überdimensionierten Waschmaschine erfolgt die Waschung, die Trennung der Störstoffe von mineralischen
Partikeln. Der Sand ist jetzt deponiefähig und kann z. B. in Erdenwerken genutzt werden, wo er mit anderen Bodenmaterialien vermischt und nachfolgend
im Landschaftsbau verwendet wird.
Nachdem das Abwasser den Sandfang in nur wenigen Minuten durchströmt
hat, wird es auf die Vorklärbecken verteilt. Hier hat das Wasser eine verminderte Fließgeschwindigkeit, so dass sich Schmutzstoffe an der Beckensohle
als Vorklärschlamm absetzen können. Dieser Schlamm, der hauptsächlich
aus Fäkalien besteht, wird in Trichter geräumt und über die Zwischenstation
„Eindicker“ zu den Faulbehältern weitergeleitet. In den Voreindickern erfolgt die
Trennung des Vorklärschlammes vom Wasser.
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T EC H N IK
Das Fett muss weg!
Sofern der Sandfang nicht mit einem Fettfang kombiniert ist, dient das Vorklär-Absetzbecken gleichzeitig als Öl- und Fettabscheider. Öle und Fette, die
leichter sind als Wasser und auf dem Weg zur Kläranlage faustgroße Klumpen
bilden können, werden in Rinnen gesammelt, abgeschöpft und in den Faulbehältern mit dem Klärschlamm vermischt. Benzin und andere Mineralölprodukte im Abwasser werden abgepumpt und separat entsorgt.
Lebten wir noch in den 50er Jahren, so wäre die Abwasserreinigung im
Normalfall jetzt abgeschlossen. Jedoch wurden erst 20 bis 30 Prozent der
Schmutzstoffe im Abwasser entfernt. Die moderne Kläranlage besitzt deshalb
noch eine technisch sehr anspruchsvolle biologische Reinigungsstufe. Sie ist
das Herzstück jeder Anlage.
Kläranlage Dortmund-Scharnhorst, Vorklär-Absetzbecken
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Klärtechnik – der biologische Abbauprozess
Kleine Helfer mit großer Wirkung
Biologische Abwasserreinigung ist der Abbau von organischen und anorganischen Schmutz- und Schadstoffen mit Hilfe von Bakterien und anderen
Mikroorganismen. Das Abwasser, das in der biologischen Reinigungsstufe
den Belebungsbecken zufließt, ist noch belastet mit organischen Kohlenstoffverbindungen, organischen und anorganischen Stickstoffverbindungen und
Phosphaten, die aus Industrie, Landwirtschaft und den Haushalten stammen.
Die Inhaltsstoffe des Abwassers werden weitestgehend zu unschädlichen
Grundstoffen abgebaut, die als Absetzschlamm oder als Gase entfernt werden
können.
Tradition verpflichtet – zum Fortschritt
Bei Emschergenossenschaft und Lippeverband existiert eine lange
Tradition in biologischer Abwasserreinigung. Schon 1908 unterhielt man
zwei Anlagen, die das Abwasser mit Hilfe von Tropfkörpern biologisch
reinigten. In Holzwickede entstand 1927 sogar eine erste zweistufige
biologische Kläranlage, als dem Tropfkörper eine Belebtschlammanlage
nachgeschaltet wurde. Ferner wurden von 1905 bis zum Ende der 30er
Jahre wiederholt Versuche zum bakteriellen Phenolabbau durchgeführt.
Dabei entwickelten die Techniker den „Emscherfilter“, einen künstlich
belüfteten Tauchkörper, der nach denselben Prinzipien wie der biologische Tropfkörper wirkte, im Unterschied zu diesem aber permanent unter
Abwasser stand. Noch heute betreiben die Verbände intensive Forschungen auf dem Feld der biologischen Abwasserreinigung.
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T EC H N IK
Wer ist der Mensch – was ist die Bakterie? Angesichts eines reichlichen Nahrungsangebots sind sich beide gar nicht so unähnlich. Die Biomasse steigt an,
der Sauerstoffbedarf ist hoch, bei den Mikroorganismen setzt zusätzlich eine
schwungvolle Vermehrung ein.
Im Belebungsbecken ist der Tisch für Bakterien üppig gedeckt mit Kohlehydraten, Fetten und Eiweißen. Nach Anlagerung an den Bakterien (Adsorption)
werden die Schmutzstoffe mit Hilfe von Enzymen zu verwertbaren Stoffen abgebaut, die im mikrobiellen Energie- und Baustoffwechsel umgesetzt werden.
Der mikrobielle Abbau von Schmutzstoffen ist sehr sauerstoffintensiv. Dem
Bakterien-Abwasser-Gemisch wird deshalb Luftsauerstoff über Gummimembranbelüfter zugeführt, die im Prinzip wie die Belüftungspumpen von heimischen
Aquarien arbeiten.
Belebungsverfahren
Die Natur ist der beste Lehrmeister. So ist das biologische Belebungs­
verfahren eine Optimierung der mikrobiologischen Prozesse, wie sie
bei der Selbstreinigung eines Fließgewässers stattfinden. Im gut durch­
mischten und belüfteten Wasser der Belebungsbecken bilden sich
Schlammflocken, Bakterienkomplexe, die von Schleimhüllen zusammengehalten werden. Die Schmutzstoffe, die abgebaut werden, haften an
diesen Flocken an. Das Belebungs- oder Belebtschlammverfahren wurde
1913 in England entwickelt und ist heute die effektivste und verbreitetste
Methode zur biologischen Reinigung großer Abwassermengen.
Links: Klärwerk Emschermündung,
Belebungsbecken
Rechts: Kläranlage Lünen, Belebungsbecken
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T EC H N IK
Schmutzabbau ist Energieaufbau
Lange Zeit bestand der Schwerpunkt biologischer Abwasserreinigung im
Abbau von organischen Kohlenstoffverbindungen unter sauerstoffreichen
Bedingungen. Dabei werden etwa 50 Prozent der Kohlenstoffverbindungen als
Zellbaustoff aufgenommen, die restlichen 50 Prozent werden „veratmet“, oxidiert, d. h. von den Bakterien unter Mitwirkung von Sauerstoff zu Kohlendioxid
und Wasser umgewandelt. Durch diese Umwandlung gewinnen die Bakterien
die für ihre Wachstumsprozesse erforderliche Energie.
Grobrechen
Hebewerk
Feinrechen
Sandfang
Vorklärbe
Vorklärschlamm
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Schema einer Kläranlage
Mechanische Reinigung
Mensch und Bakterie: Leistung durch Verbrennung
Kohlenstoff ist der wichtigste Grundbaustein allen organischen Lebens.
Jede Lebensform (wenn wir von der Photosynthese der Pflanzen absehen) gewinnt ihre Energie über chemische Reaktionen zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff, durch „Verbrennung“. Der Mensch nimmt Kohlehydrate beim Essen zu sich, verwandelt sie z. B. in Muskelenergie und atmet
Kohlendioxid und Wasser aus. Damit ist der menschliche Stoffwechsel
dem der Bakterie sehr ähnlich. Der bakterielle Stoffwechsel im Abwasser
ist eine sogenannte „nasse Verbrennung“.
Nachklärbecken
Vorklärbecken
Belebungsbecken
Faulbehälter
Rücklaufschlamm
Gereinigtes
Wasser
rschlamm
Überschussschlamm
Biologische Reinigung
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Seit Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts betrachtet man auch die
Pflanzennährsalze Nitrat und Phosphat als Schadstoffe, die in den Kläranlagen
aus dem Abwasser zu entfernen sind. Zur Elimination von Nitrat und Phosphat
sind zusätzliche Abwasserbecken erforderlich, in denen Bakterien unter anae­
roben bzw. anoxischen Verhältnissen arbeiten. Bei anoxischen Verhältnissen
liegt Sauerstoff nur molekular gebunden vor, bei anaeroben Zuständen ist Sauerstoff weder gelöst noch gebunden vorhanden. Der sauerstofffreie Zustand
wird erzeugt, indem man auf eine Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff
verzichtet. Schon nach kurzer Zeit hat sich das Abwasser durch den Sauerstoffverbrauch der Bakterien in ein sauerstofffreies Milieu gewandelt.
Bakterieller Stickstoffabbau mit Luft und ohne Luft
Stickstoffverbindungen bilden nach Kohlenstoffverbindungen die größte Schadstoffmenge im Abwasser. Organische Stickstoffverbindungen und Harnstoff
werden bereits in der Kanalisation abgebaut. In der Kläranlage liegt Stickstoff
dann zumeist als Ammonium vor. Bakterien bestehen zu 12 Prozent aus Stickstoff. Durch ihre Stickstoffaufnahme entfernen sie aber höchstens 20 Prozent
des im Abwasser enthaltenen Schadstoffes. Der Rest wird in einer dreistufigen
biologischen Umwandlung beseitigt: In einem ersten Schritt wird Ammonium
im sauerstoffreichen Belebungsbecken zu Nitrit (ein giftiges Salz der salpetrigen
Säure) oxidiert, eine andere Bakterienart wandelt das Nitrit direkt danach zum
sauerstoffhaltigen Nitrat (NO3) um – ebenfalls in dem Becken mit Sauerstoff­
eintrag. Bei der Umwandlung von einem Gramm Stickstoff wird mehr als die
vierfache Menge an Sauerstoff benötigt. Die Bakterien gewinnen aus dem Umwandlungsprozess Energie, die sie zur Verarbeitung von Kohlenstoff benötigen,
den sie aus Kohlendioxid abspalten. Der zweistufige Vorgang wird als Nitrifikation bezeichnet. Vollzieht er sich aufgrund einer hohen Schadstoffbelastung in
der Natur, so kommt es im Gewässer zu einer Sauerstoffzehrung.
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Glockentierchen
Rädertierchen
Wimpertierchen
T EC H N IK
Ein wenig Chemie für Interessierte:
Reaktionsgleichungen beim Stickstoffabbau
Nitrifikation:
Vom Ammonium zum Nitrit: NH4+ + 1,5 O2 NO2– + H2O + 2 H +
Vom Nitrit zum Nitrat: NO2– + 0,5 O2 NO3–
Denitrifikation:
Vom Nitrat zum gasförmigen Stickstoff:
NO3– + 0,5 H20 0,5 N2 + 2,5 O + OH –
NH4 : Ammonium; O2 : molekularer Sauerstoff; NO2 : Nitrit; H2 O: Wasser;
H: Wasserstoff; NO3 : Nitrat; N2 : gasförmiger Stickstoff; O: Sauerstoff;
OH: Hydroxid
Der Energiegewinn der Bakterien während der Nitrifikation ist gering. Sie vermehren sich sehr langsam. Folglich muss der Schlamm in einem Nitrifikationsbecken ein Mindestalter haben, um eine optimale Umwandlung gewährleisten
zu können. Der eigentliche Clou des Abbauprozesses tritt aber erst im dritten
Teilschritt auf. Das Abwasser fließt in Denitrifikationsbecken, in denen Sauerstoff nicht mehr gelöst, sondern nur noch molekular gebunden (beispielsweise
in Form von NO3) vorkommt, also anoxische Bedingungen herrschen.
Viele Bakterienarten können ihre „Atmung“ umstellen und den in Molekülen gebundenen Sauerstoff veratmen. Im Denitrifikationsbecken veratmen Bakterien
den Nitratsauerstoff beim Energie- und Baustoffwechsel; organische Verbindungen bilden hierbei die Kohlenstoffquelle. Durch den Sauerstoffverbrauch
der Bakterien wird Nitrat zu gasförmigem Stickstoff umgesetzt. Dieser kann
jetzt in die Atmosphäre entweichen.
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Vasentierchen
Sonnentierchen
Schildkrötentierchen
TECHNIK
Phosphat fressen für schlechte Zeiten
Neben Düngemitteln sind menschliche Fäkalien und Waschmittel für den
Phosphorgehalt im Abwasser verantwortlich. Bakterien sind auf Phosphor als
Nährstoff angewiesen, ihre Trockenmasse enthält normalerweise aber nur ein
Prozent des Stoffes. Jedoch gibt es Bakterien, die Phosphor als Energiereserve speichern und deshalb eine wesentlich höhere Menge aufnehmen können.
Dieser Bakterienstamm wird in der Abwasserreinigung bei hoher Phosphatbelastung eingesetzt. In einem den Belebungsbecken vorgeschalteten anaeroben
Becken (Bio-P), in dem weder gelöster noch gebundener Sauerstoff in Form
von Nitrit oder Nitrat vorliegt und genutzt werden kann, müssen die Bakterien
ihre Energiereserven für Abbau- und Stoffwechseltätigkeiten verbrauchen.
Fließt das Abwasser danach Becken zu, die wieder Sauerstoff enthalten, so
nehmen die Bakterien in einer Art Vorsorgeverhalten vermehrt Phosphate auf.
Mit der Räumung des Bakterienschlammes im Nachklärbecken wird das Abwasser endgültig von den Phosphaten befreit.
Wenn es gar nicht mehr anders geht – chemische Phosphatfällung
Bei zeitweiliger starker Phosphatbelastung des Abwassers wird neben
der biologischen Reinigung zugleich die chemische Phosphatfällung
praktiziert. Bei der Simultanfällung werden in die Belebungsbecken
Eisen- und Aluminiumsalze eingebracht, die mit den Phosphaten schwer
lösliche Verbindungen eingehen. Diese setzen sich im Nachklärbecken
als Flocken ab und können zusammen mit dem Überschussschlamm
entfernt werden. Die chemischen Prozesse können ebenso an anderen
Klärstationen als Vor- oder Nachfällung ablaufen.
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In Kaskaden abwärts
In den belüfteten und unbelüfteten Becken der Belebungsanlage vollzieht sich
die biologische Abwasserreinigung. Simultan finden in einem Becken verschiedene Prozesse zur Reinigung des Wassers von Kohlenstoff, Stickstoff und
Phosphor statt. Der Lippeverband hat eine Form der Belebung mit höchster
Reinigungseffektivität entwickelt, die Kaskaden-Denitrifikation. In einer Kläranlage mit Kaskaden-Denitrifikation wird der Abwasserzulauf und damit auch die
Kohlenstoffmenge des Abwassers zu annähernd gleichen Teilen auf zwei bzw.
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TECHNIK
drei hintereinander geschaltete Kaskadenstufen verteilt. Jede Kaskadenstufe
besteht aus einer Denitrifikations- und einer nachfolgenden Nitrifikationsstufe.
Der vom Kohlenstoff abhängige bakterielle Stoffwechsel, der das Abwasser
von Schadstoffen befreit, kann also in allen Becken problemlos ablaufen.
Der eigentliche Vorteil ergibt sich daraus, dass der Belebtschlamm aus der
Nachklärung (Rücklaufschlamm) zunächst komplett in die erste Stufe einfließt:
Die mittlere Bakterienkonzentration der Kaskadenstufen insgesamt erhöht sich
durch dieses Verfahren, so dass ein kleineres, kostengünstigeres Beckenvolumen ausreicht!
In anderen Kläranlagen durchströmt das Abwasser nur ein Becken, das in
mehrere Denitrifikations- und Nitrifikationszonen unterteilt ist. Die Großkläranlage Emschermündung beispielsweise besitzt 18 dieser Klärstraßen, die parallel
arbeiten!
Rücklaufschlamm: Am Ende geht’s zum Anfang zurück
Die letzte Phase der Abwasserreinigung ist die Nachklärung. Im Nachklärbecken ruht das Abwasser für einige Stunden, so dass sich die vorher schwebenden Belebtschlammflocken am Boden absetzen können. Dort wird der
Schlamm durch mechanische Räumer abgezogen und zu einem großen Teil
wieder als Rücklaufschlamm in die Belebungsbecken zurückgepumpt. Dem
Abwasser werden die Bakterien des Rücklaufschlammes beigemischt, damit
sich die Reinigung schnell und wirkungsvoll vollziehen kann. Da sich die Bakterien während der biologischen Reinigung aber auch selbst vermehren, verbleibt
immer ein entbehrlicher Rest. Dieser Überschussschlamm wird eingedickt, mit
dem Vorklärschlamm vermischt und in die Faulbehälter transportiert.
Sandfilter – und die letzte Unklarheit ist beseitigt
Manchmal unterliegen Kläranlagen verschärften Auflagen. So zum Beispiel die Kläranlage Dülmen, da ihr Abwasser über den Tiberbach dem
Halterner Stausee zufließt, einem Trinkwassergewinnungsgebiet. Die
Kläranlage Dülmen lenkt das Abwasser zusätzlich durch eine Filtrationsstufe, in der Sandfilter selbst kleinste Schmutzpartikel zurückhalten.
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SCHL AMM
Schlammtürme und Schlammverwertung
Eier, gut durchgerührt
Die Schlammräume der ersten Emscherbrunnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts befanden sich unter den Absetzbecken. Aber schon in den 20er
Jahren wurden Ergänzungsbehälter neben die Brunnen gesetzt, da die alten
Schlammräume für die anfallenden Mengen nicht mehr ausreichten. Aus ihnen
entwickelten sich mit der Zeit die Schlammtürme, wie wir sie heute kennen:
vielfach riesengroße Eier, in denen sich die Gärung des Klärschlammes vollzieht. Die typische Eiform eignet sich besonders gut für die Umwälzung des
Schlammes, durch die eine gleichmäßige Temperaturverteilung erzeugt und die
Ablagerung des Schlammes verhindert wird.
In der Faulturm-Parfümerie
Bei Temperaturen von 36° bis 38° Celsius wird der Schlamm in einem Zeitraum
von 20 bis 25 Tagen in den teils über 50 Meter hohen Faultürmen ausgefault.
Im anaeroben Klima bauen verschiedene Bakterienstämme, nicht identisch mit
den Mikroorganismen für die biologische Abwasserreinigung, aber ebenso fleißig, einen Großteil des noch vorhandenen organischen Materials zu biologisch
inaktiven, anorganischen Stoffen ab.
Bei der „sauren Gärung“ ist duftmäßig so einiges los im Faulturm: Essigsäure mit ihrer strengen Blume entsteht, dazu Buttersäure mit dem Odeur von
Erbrochenem, Ammoniak, aromatisch an selten gereinigte Bedürfnisanstalten
erinnernd, und zu guter Letzt Schwefelwasserstoff, womit wir wieder bei Eiern
angelangt sind, diesmal bei faulen Eiern und ihrer Duftnote.
Gleichzeitig findet die Methangärung statt. Die Methanmenge im Faulturm
steigt durch Spaltung von Fettsäuren und durch den Umbau von Wasserstoff
(H) und Kohlendioxid (CO2), die während der „sauren Gärung“ gebildet werden,
zu Methan (CH4).
Das im Gärungsprozess erzeugte Faulgas, das etwa 70 Prozent Methan und
30 Prozent Kohlendioxid enthält, wird in betriebsinternen Blockheizkraftwerken
in Strom und Wärme umgewandelt. Und der Schlamm? Er ist ausgefault. Und
das heißt: Er stinkt nicht länger!
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Schlammmischerantrieb
Faulgasleitung
zum Kraftwerk
Gasraum
Wärmeisolierung
mit Aluverkleidung
Überlauf
Schlammmischer
Beton
Faulschlamm:
94 % Wasser
6 % Feststoffe
Temperatur: 37 °C
Zulauf
Klärschlamm
Ablauf
Faulschlamm
zur Schlammentwässerung
Funktionsschema Faulturm
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Das Blockheizkraftwerk: Aus Gas wird Strom und Wärme!
In 34 Kläranlagen der Verbände befinden sich Blockheizkraftwerke mit
insgesamt 62 Gasmotoren. Der schwächste Motor erbringt die Leistung
eines Mittelklassewagens, der größte in Bottrop hat das Niveau eines kleinen Kraftwerks. Die Blockheizkraftwerke arbeiten nach dem Prinzip der
Kraft-Wärme-Kopplung, sie erzeugen parallel Stromkraft und Wärme.
Das Faulgas wird Gasmotoren zugeführt, die ähnlich wie ein Automotor
funktionieren und Stromgeneratoren antreiben. Gleichzeitig wird die in
den Motoren erzeugte thermische Energie über Wärmeaustauscher genutzt, die 80° C warmes Wasser abführen, mit dem die Faulbehälter und
die Betriebsgebäude geheizt werden können. Eine Kläranlage mit 100.000
Einwohnerwerten produziert täglich 2.000 m3 Klärgas. 1,3 m3 Klärgas hat
den Wärmegehalt von einem Liter Heizöl.
Geschichtsnotiz: Bereits in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts
verwerteten die Verbände das anfallende Methangas. Es wurde in den
eigenen Betrieben zu Heizzwecken verbraucht, aber auch in städtische
Gasleitungen eingeleitet. Zusätzlich wurden Gasmotoren für Lastwagen
entwickelt, die das Klärgas als Treibstoff verfeuerten.
Der anfallende Klärschlamm wird
mit Hilfe von Kammerfilterpressen
entwässert
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Blockheizkraftwerk-Turbine, Bottrop
SCH L A MM
Feine Kohle – feine Brennleistung
Im Verwertungsprozess des Schlammes folgen die Entwässerung mit Hilfe
von Filterpressen oder Zentrifugen und die Aufbereitung des Schlammes zum
Brennstoff oder Düngemittel. Die Prozesse laufen in der Regel in den zentralen
Schlammbehandlungsanlagen in Bottrop und Kamen, seltener in den Kläranlagen selbst ab. Über kilometerlange Druckrohrleitungen wird der Schlamm von
den Kläranlagen zu den zentralen Behandlungsanlagen gepumpt.
Am Standort der Kläranlage Bottrop befindet sich auch die Zentrale Schlammbehandlungsanlage der Emschergenossenschaft. Hier werden die ausgefaulten
Klärschlämme der eigenen Kläranlage sowie der Kläranlagen Duisburg-AlteEmscher und Emschermündung entwässert und als Brennstoff verwertet.
Zunächst reduzieren Membranfilterpressen das Schlammvolumen um 90
Prozent. Schon vor der Filterung hat man den Schlamm mit fein gemahlener
Kohle und Polymeren (Stoffe in Molekülketten) angereichert. Dadurch wird zum
einen ein Drainagegerüst erzeugt, das die Schlammabtrennung in den Kammerfilterpressen erleichtert, und zum anderen wird der Schlamm zum kohlehaltigen Brennmittel aufgerüstet. Nach zweistündiger Entwässerung verfügt der
Klärschlamm über einen Heizwert von 4.500 Kilojoule pro Kilogramm. Er wird
jetzt über Trogkettenförderer der Verbrennungsanlage zugeführt.
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Dämpfe, Wirbel, Energien
Die Bottroper Verbrennungsanlage besteht aus zwei Wirbelschichtöfen, die
zusammen 16,5 Tonnen Brennstoff in der Stunde verbrennen. Mit der Wärmenutzung der heißen Rauchgase werden pro Stunde 20 Tonnen Dampf mit einer
Temperatur von 410° Celsius erzeugt. Nicht nur der Kohleschlamm dient als
Brennstoff, sondern es wird stündlich bis zu einer Tonne Rechengut aus dem
mechanischen Reinigungsprozess der Kläranlagen beigegeben.
Im Wirbelschichtofen wird der Brennstoff in einem pulsierenden Sandbett, der
sogenannten Wirbelschicht, zerkleinert und verbrannt. Dabei liegt der Sand auf
einem keramischen Düsenboden, der von unten durch ein Gebläse mit Luft
durchströmt wird und so den Sand aufwirbelt. Wirbelschichtöfen haben einen
hohen Energiegewinn, in Bottrop treibt ihr Dampf eine Turbine an, die 3,3 Megawatt elektrische Energie erzeugt. Der Strom wird im Werk selbst verbraucht.
Schon früher einmal wurde die Heizkraft des Klärschlammes ausgiebig genutzt
– von der Bevölkerung. Als nach dem Zweiten Weltkrieg Brennstoffmangel
herrschte, war der Klärschlamm, der damals (ohne Anreicherung) einen Feinkohleanteil von bis zu 30 Prozent hatte, ein begehrtes Objekt für den Hausbrand.
Nährsalze: Wiedereintritt in den Stoffkreislauf
Nicht benötigter Brennstoff wird von Bottrop nach Lünen geliefert. Dort
besitzt die Firma Innovatherm eine Energieversorgungsanlage, die mit den
Klärschlamm-Brennstoffen von Emschergenossenschaft und Lippeverband
betrieben wird.
Neben der Nutzung als Brennstoff zur Energiegewinnung wird der Klärschlamm der Verbände noch in anderer Weise verwertet: Den entwässerten
Klärschlamm der Kläranlage Dortmund-Deusen setzt man beispielsweise bei
der Rekultivierung ehemaliger Industrieflächen ein und die Klärschlämme des
Lippeverbandes lassen sich vielfach als landwirtschaftliche Düngemittel verwerten. Die wertvollen Pflanzennährstoffe des Schlammes treten so wieder in
den natürlichen Stoffkreislauf ein. Eingehende Untersuchungen des Schlammes gehen voraus, da nur schadstofffreie Klärschlämme auf Anbauflächen
der Landwirtschaft ausgebracht werden dürfen.
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SCH L A MM
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Impressum
Herausgeber:
Emschergenossenschaft und Lippeverband
Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen
Telefon: 02 01/104 - 26 30
Fotos:
Emschergenossenschaft und Lippeverband, Medienzentrale
SWR Media Services GmbH, Stuttgart
Berliner Wasserbetriebe
Gestaltung und Text: 2md Werbung + Kommunikation, Duisburg, www.2md.de
Fachliche Beratung/Mitarbeit am Text: Peter Jagemann, Stefan Stegemann, Ralf Schumacher, Emschergenossenschaft und Lippeverband
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