9. Vorlesung “Systemtheorie für Informatiker” Dr. Christoph Grimm Professur Prof. Dr. K. Waldschmidt, Univ. Frankfurt/Main Letzte Woche: Abtastung und Rekonstruktion Abtastung: Wandelt bandbegrenzte kontinuierliche Signale in zeitdiskrete Signale. Abtasttheorem: Abtastrate ω0 mindestens 2ωmax. Rekonstruktion: si-förmige Verzerrung des Spektrums. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 1 Heute: Quantisierung und Modellierung der Fehler 1. Zahlendarstellung. 2. Quantisierung. 3. Fehler durch Quantisierung und deren formale Modellierung. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 2 Darstellung von Signalwerten in der Signalverarbeitung Allgemein: Reelle Zahl x ∈ xQ = V (A) = n X R lässt sich durch endliche Summe ai B i i=−m annähern, wobei 0 ≤ ai ≤ B − 1 gilt. B : Basis (z. B. 10 oder 2 für Darstellung in digitalen Rechnern) Beispiele: (132.56)10 = 1 ∗ 102 + 3 ∗ 101 + 2 ∗ 100 + 5 ∗ 10−1 + 6 ∗ 10−2 (1011.01)2 = 1 ∗ 23 + 0 ∗ 22 + 1 ∗ 21 + 1 ∗ 20 + 0 ∗ 2−1 + 1 ∗ 2−2 9. Vorlesung “Systemtheorie” 3 Zahlendarstellungen im Rechner Computer rechnen im binären Zahlensystem, d. h. B = 2. Positive und negative Zahlen werden durch Bitvektoren A = (an−1 an−2 . . . a1 a0) dargestellt. n ist typischerweise 16 oder 32 Übliche Zahlendarstellungen: • Vorzeichen-Betrag-Darstellung • 1-Komplement-Darstellung (K1-Darstellung) • 2-Komplement-Darstellung (K2-Darstellung) 9. Vorlesung “Systemtheorie” 4 Vorzeichen-Betrag-Darstellung 0-te Ziffer: 0 für Positive Zahl, 1 für negative Zahl. Ziffern 1 − (n − 1): Betrag der Zahl. Positive Zahl: A = 0 an−2 . . . a1a0 Negative Zahl: A = 1 an−2 . . . a1a0 Wertebereich der Darstellung: −2n−1 + 1 ≤ V (A) ≤ 2n−1 − 1. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 5 Negative Zahlen – 1-Komplement-Darstellung Positive Zahl wie bei Betrags/Vorzeichendarstellung: A = 0 an−2 . . . a1a0 Negative Zahl durch 1. Stelle = 1 markiert, restliche Bits invertiert: A = 1ān−2 . . . ā1ā0 Wertebereich der Darstellung: −2n−1 + 1 ≤ V (A) ≤ 2n−1 − 1. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 6 Negative Zahlen – 2-Komplement-Darstellung Positive Zahl: A = 0 an−2 . . . a1a0 Negative Zahl durch 1. Stelle = 1 markiert, restliche Bits invertier, 1 Addiert. A = 1 ān−2 . . . ā1ā0 + 1 Wertebereich der Darstellung: −2n−1 ≤ V (A) ≤ 2n−1 − 1 9. Vorlesung “Systemtheorie” 7 Skalierung/Festkommadarstellung Bei Festkommadarstellungen wird Komma an beliebiger Stelle des Bitvektors angenommen. In Signalverarbeitung bequem: Komma unmittelbar vor erster Stelle. Damit Wertebereiche von −1 bis 1. Quantisierung Q sei Abstand zwischen zwei darstellbaren Werten Q. Darstellung Wertebereich Quantisierung Vorzeichen/Betrag (-1,1) 1/2n−1 K1 (-1,1) 1/2n−1 K2 [-1,1) 1/2n−1 9. Vorlesung “Systemtheorie” 8 AD-Wandler: Quantisierung Eingabe ist zeitkontinuierliches und wertekontinuierliches Signal. Ausgabe ist zeitdiskretes (abgetastetes) und wertediskretes Signal. Untersuchung: Fehler, der durch die (nichtlineare!) Quantisierung entsteht. Statistisches Modell für Untersuchung (Widrow’61): Zufälliges Eingabesignal, aber kein Überlauf. x Q xQ x xQ Fehler e: Zufallsvariable E 9. Vorlesung “Systemtheorie” 9 AD-Wandler: Quantisierung xQ 2Q Q 3Q 2Q Q Q 2Q x Q 2Q 9. Vorlesung “Systemtheorie” 10 AD-Wandler: Quantisierung e x i Q Q Quantisierungsfehler: e(t) = x(t) − xQ(t) ∈ − 2 , 2 Verteilungsdichtefunktion: p (e) E 1/Q Q/2 9. Vorlesung “Systemtheorie” Q/2 e 11 AD-Wandler: Quantisierung Erwartungswert des Fehlers e: mE = 2 Varianz des Fehlers e: σE = x Q xQ R∞ R∞ −∞ e pE (e) de = 0 2 e pE (e) de = −∞ x Q2 12 xQ F ehler e: Zufallsvariable E mit m_E =0 Sigma_E =Q2/12 9. Vorlesung “Systemtheorie” 12 Signal/Rauschabstand Signal/Rauschabstand (engl.: S/N Ratio, SNR), ist Maß für Abstand zwischen Nutzsignal und Rauschen (Störungen): SNR = 10 log10 σx2 2 σE ! in [dB] σx2 : Signalleistung. 2 σE : Fehlerleistung. Frage: Wie wirkt sich Abtastung mit n Bit auf SNR aus? 9. Vorlesung “Systemtheorie” 13 Signal/Rauschabstand (2) Frage: Wie wirkt sich Abtastung mit n Bit auf SNR aus? Hierzu annehmen Spitzenfaktor: xmax 2w−1Q PF = = σX σX Damit: 2 σX 2 σE = x2max PF2 = Q2 1 x2max = 12 12 22(n − 1) = 1/3 xmax 2 9. Vorlesung “Systemtheorie” 2 −2n 14 Signal/Rauschabstand (3) 2 2 Wir setzen σX und σE in Formel für SNR ein: ! 2n 2 SNR = 10 log10 3 2 PF √ Bei einem sinusförmigen Signal ist PF = 2. Damit: ! 2n 2 SNR = 10 log10 3 ≈ 6.02 n + 1.76 [db] 2 Bei gaussverteilten Zufallswerten ist PF ≈ 4.61. Damit: ! 2n 2 ≈ 6.02 n − 8.5 [db] SNR = 10 log10 3 2 9. Vorlesung “Systemtheorie” 15 Signal/Rauschabstand – Faustregel Der durch eine Abtastung mit n Bit entstehende Signal/Rauschabstand ist in etwa 6 ∗ n dB. Beispiele: CD-Spieler. Quantisierung: 16 Bit. SNR: 6 ∗ 16 = 96 dB Wahrnehmung bis zu 130 dB, abhängig von Spektrum. MP2 Layer 3 Audio-Kompression: Quantisierung abhängig von psychoakustischem Modell. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 16 Quantisierungstheorem nach Widrow Annahme: Quantisierer habe Eingabe x mit Wahrscheinlichkeitsdichtefkt. pX (x). Ausgabe y habe Wahrscheinlichkeitsdichtefkt. pY (y). p (y) Y pX (x) 3Q 9. Vorlesung “Systemtheorie” 2Q Q 0 Q 2Q 3Q x y 17 Quantisierungstheorem Wahrscheinlichkeit W [kQ], dass k-te Quantisierungsstufe ausgegeben wird: Z Q/2+kQ W [kQ] = pX (x)dx −Q/2+kQ alternativ: Z ∞ pX (x) rect((y − x)/Q) dx = pX (x) ∗ rect(y/Q) W [kQ] = −∞ Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion pY (y) lässt sich dann als δ -Folge darstellen, die mit W [kQ] gefaltet ist: pY (y) = ∞ X δ(y − kQ)W [kQ] k=−∞ 9. Vorlesung “Systemtheorie” 18 Quantisierungstheorem (2) P∞ Mit δQ(y) = k=−∞ δ(y − kQ) erhalten wir für Verteilungsdichtefunktion pY (y): pY (y) = δq (y)(rect(y/Q) ∗ pX (x)) Fourier-Transformation davon ergibt charakteristische Funktion PY (ju) (ohne Herleitung, vgl. nichtideale Abtastung!): PY (ju) = ∞ X k=−∞ 9. Vorlesung “Systemtheorie” PX (ju − jk 2π 2π ) si((u − k )Q/2) Q Q 19 Quantisierungstheorem (3) Charakteristische Funktion der Ausgabe: PY (ju) = ∞ X k=−∞ PX (ju − jk 2π 2π ) si((u − k )Q/2) Q Q Quantisierungstheorem nach Widrow: Wenn 2π/Q kleiner als maximale Frequenzkomponente in der charakteristischen Funktion PX (ju), überlappen sich die periodisch fortgesetzten Spektren nicht, und eine Rekonstruktion von pX (x) ist möglich. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 20 Modell A/D-Wandler mit Quantisierung Mit Abtastung ergibt sich damit Modell der A/D-Wandlung wie folgt: u(t) A/ D u [ n] Q u(t) kT u[ n] u [ n] Q Weisses Rauschen 9. Vorlesung “Systemtheorie” 21 Quantisierungsrauschen bei arithm. Rundung Beispiel: Multiplikation von 2 Zahlen mit je n bit ergibt Produkt mit 2n bit. In der Regel dann Rundung auf n bit für weitere Verarbeitung. Modellierung eines Multiplizierers: u[ n] y=u*a a 9. Vorlesung “Systemtheorie” y[ n] u(t) y[ n] a n 22 Reduktion des Quantisierungsrauschens: Dither-Techniken Dither-Techniken Anwendungsbereich: Reduktion der Quantisierung. Problem: Fehlersignal ist mit Nutzsignal korrelliert, Spektrum von Fehlersignal deshalb nicht weisses Rauschen, einige Fehlerspitzen. x[ n] m+r BitSignal y[ n] m BitSignal Q d[ n] s Bit, s <=r Ergebnis: Quantisierungsfehler wird weisses Rauschen, Fehler gleichverteilt. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 23 Reduktion des Quantisierungsrauschens: Spektralformung Quantisierungsfehler kann jederzeit berechnet werden und entsprechende Korrekturen vorgenommen werden: u[ n] Q y[ n] H(z) z. B. H(z) = z −1 Addiert Fehler zu nächsten zu quantisierenden Wert (Hochpassspektralformung). z. B. H(z) entsprechend psychoakustischem Modell (27dB Verbesserung!) 9. Vorlesung “Systemtheorie” 24 Zusammenfassung Heute kennengelernt: 1. Quantisierung kann als weisses Rauschen modelliert werden. 2. Quantisierungstheorem: Verteilungsdichte rekonstruierbar. 3. Modellierung von A/D-Wandler, Multiplizierer. 4. Dithering, Spektralformung. 9. Vorlesung “Systemtheorie” 25 Ausblick Nächste Woche: 1. Kurzzeit-Fourier-Analyse (STFT) 2. Wavelets 9. Vorlesung “Systemtheorie” 26