Das Regierungssystem der USA - ReadingSample - Beck-Shop

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UTB M (Medium-Format) 3769
Das Regierungssystem der USA
Eine Einführung
Bearbeitet von
Winand Gellner, Martin Kleiber
überarbeitete und aktualisierte Auflage 2012. Taschenbuch. 304 S. Paperback
ISBN 978 3 8252 3769 1
Format (B x L): 15 x 21,5 cm
Weitere Fachgebiete > Medien, Kommunikation, Politik > Politische Systeme > Staatsund Regierungsformen, Staatslehre
Zu Inhaltsverzeichnis
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Winand Gellner | Martin Kleiber
Das Regierungssystem
der USA
Eine Einführung
2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Nomos
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8252-3769-1 (UTB)
2. Auflage 2012
© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2012. Printed in Germany. Alle Rechte,
auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der
Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Für meine Lieben –
Renate, Alina und Moritz Julius
Vorwort
Wenn man nach einigen wenigen Stunden Flug den Boden der USA betritt, stellt sich
ein merkwürdiges, gleichzeitiges Gefühl der Vertrautheit und Fremdheit ein. Zum einen drängt sich die Verwandtschaft zu den westeuropäischen Staaten auf, die sich in
kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Dingen mit Händen greifen lässt. Zum
anderen bleibt ein Gefühl von Fremdheit und Unsicherheit darüber, wie sich die europäischen Traditionen im Kontext eines so verschiedenen Kontinents spiegeln. Schon
für Alexis de Tocqueville (1805-1895) war die Reise nach Amerika so aufschlussreich,
dass er uns bis heute nicht nur einen Klassiker der Reiseliteratur, sondern auch die
erste empirische politische Analyse eines außereuropäischen politischen Systems hinterlassen hat.
Es wäre verwegen, den Anspruch zu erheben, hier etwas auch nur entfernt Vergleichbares vorzulegen. Wir haben uns aber in der Tat darum bemüht, das amerikanische
politische Regierungssystem zu verstehen, wie es sich die Verfassungsväter gedacht
hatten, und es darauf hin zu befragen, wie diese Ordnung im 21. Jahrhundert aussieht,
zu einer Zeit also, in der trotz allen anderen aufstrebenden Mächten die Weltpolitik
durch die amerikanische Hegemonialstellung dominiert wird. Dabei ist es unmöglich,
allen nötigen Aspekten nachzugehen und jede Dimension der politischen Gesamtkonstellation zu erfassen. Dennoch glauben wir, dass sich ein gemeinsamer Nenner formulieren lässt, der so bislang in der durchweg verdienstvollen deutschen AmerikaLiteratur noch nicht genügend herausgearbeitet wurde. Es handelt sich dabei um das
Phänomen des gridlock, des sogenannten Politikstaus, den wir für die amerikanische
Politik als prägend ansehen. Obwohl sich dies der Natur der Sache entsprechend eher
im innenpolitischen Prozess nachweisen lässt, haben wir auch außenpolitische Aspekte
mitberücksichtigt. Nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September 2001 und
der von George W. Bush in der Folge bei der Exekutive akkumulierten Macht konnte
der Eindruck entstehen, dass amerikanische Politik keineswegs langsam oder schleppend, sondern viel eher zu schnell und unüberlegt gehandelt habe. Wir halten dies aber
für keinen grundsätzlichen Widerspruch zu unserer gridlock-These. Denn jeder Präsident ist trotz der damaligen Exekutivdominanz an die innenpolitische Konstellation
zurückgebunden und muss zusehen, wie er und seine Partei mittel- und langfristig mit
dem innenpolitischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zurechtkommen. Die
zweite Amtsperiode von George W. Bush stand dann auch wieder ganz im Zeichen
von gridlock, und die erste Amtszeit Barak Obamas darf spätestens nach den für ihn
und seine Partei verheerenden Kongresswahlen 2010 als Phase extremen gridlocks bezeichnet werden. Entscheidend ist für uns insoweit, dass wir trotz aller gegenläufigen
Momentaufnahmen in der amerikanischen Innen- und Außenpolitik kein wirklich
dauerhaftes Ungleichgewicht und daher auch keinen wirklichen Fortschritt zu mehr
gleichförmiger und zielgerichteter Politik zu erkennen vermögen. Es handelt sich bei
den USA vielmehr um ein politisches Gemeinwesen, das zwischen Markt und Staat,
7
Vorwort
Privatheit und Öffentlichkeit sowie in der Außenpolitik zwischen Interventionismus
und Isolationismus schwankt und dabei keine dauerhafte Richtungsentscheidung gefällt hat. Genauso wenig wie es einen typischen US-Amerikaner gibt, gibt es typisch
US-amerikanische Politik, es sei denn, man einigte sich auf unseren Vorschlag, dass
das Idealziel amerikanischer Politik darin besteht, dass sich auf Dauer keine der Kräfte
im Machtparallelogramm der Vereinigten Staaten durchzusetzen vermag. Insoweit
kann man gridlock durchaus als prozedurale Voraussetzung und gleichzeitig als Beschreibung des Pluralismus‘ ansehen, der wohl in keiner anderen politischen Nation
so stark ausgeprägt ist. Gleichwohl lässt sich auch der Pluralismus übertreiben. Die
ideologische Polarisierung der Nation, die bereits seit der Amtszeit Bill Clintons erkennbar ist, die sich unter George W. Bush – abgesehen von einer kurzen Phase nationaler Einheit in der Folge des 11. September – vertiefte und spätestens im Sommer
2011 zu einer vollständigen Lähmung und Blockade des politischen Lebens führte, ist
Anlass genug, neu über gridlock nachzudenken. Könnte es sein, dass wir gegenwärtig
Zeugen eines Verschwindens des nicht-kontroversen Sektors (Fraenkel 1991) in der
amerikanischen Politik sind, geprägt durch Hass und Verachtung des politischen Gegners? Nicht zuletzt daher haben wir uns entschlossen, eine völlig überarbeitete Fassung
unseres Buches zu erstellen. Neben vielen Aktualisierungen und Korrekturen finden
sich mehrere neue Kapitel zur Präsidentschaft Obamas und seiner Innen- und Außenpolitik, zu filibuster und super-majority im Senat, zur Gesundheitsreform, zu den neuen SuperPACs, zur Tea-Party und zu Veränderungen im Bereich der Medien.
Ein einführendes Lehrbuch, das sich neben der interessierten Öffentlichkeit im Besonderen an Studierende der Politikwissenschaft und der Amerikanistik wendet, stellt immer einen Kompromiss zwischen Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit dar. Wir
haben versucht, beiden Anforderungen nach Möglichkeit gerecht zu werden. Im Zweifelsfall haben wir uns für eine größere Aktualität und bessere Lesbarkeit entschieden.
Die Auswahl der Einzelthemen entspricht im Wesentlichen den gängigen Einführungswerken und daneben unseren eigenen Forschungsschwerpunkten. Im Zweifelsfall haben wir den Mut zur Lücke gehabt, im Ganzen aber denken wir, das Regierungssystem
der USA durchaus adäquat erfasst zu haben.
Wir danken Thomas Eibl und Lukas Zech für die redaktionelle Mitarbeit und für ihre
kreative Mithilfe bei der Erstellung der Abbildungen. Christian Dölle hat dankenswerterweise den Text Korrektur gelesen. Sybille Maier hat mit großer Zuverlässigkeit
einen Teil der Texte geschrieben. Für alle verbleibenden Fehler sind selbstverständlich
allein die Autoren verantwortlich.
Passau, Washington D.C. 2012
Prof. Dr. Winand Gellner
Martin Kleiber, M.A.
8
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
13
Einleitung .........................................................................................
15
1.
Staatswerdung und -konsolidierung ..................................................
17
2.
Grundlagen der Verfassungsorgane ...................................................
25
2.1
2.2
2.3
2.4
Entstehungsgeschichte der Verfassung ..............................................
Limited Government und unveräußerliche Naturrechte ........................
Horizontale Gewaltenteilung ..........................................................
Vertikale Gewaltenteilung .............................................................
25
32
34
36
3.
Der Kongress im politischen System der USA ......................................
37
3.1 Organisation ..............................................................................
3.1.1 Das Repräsentantenhaus .......................................................
3.1.2 Der Senat ..........................................................................
3.2 Aufgaben ...................................................................................
3.3 Politische Führung und Arbeitsweise ................................................
3.3.1 Führungsämter ...................................................................
3.3.2 Die Ausschüsse im Kongress ..................................................
3.4 Der Gesetzgebungsprozess .............................................................
3.4.1 Grundlagen .......................................................................
3.4.2 Der Gesetzgebungsprozess im Einzelnen ...................................
3.5 Die Haushaltsverhandlungen ..........................................................
3.6 Haushalt und Außenpolitik ............................................................
3.7 Kontrolle der Exekutive ................................................................
3.8 Der Kongress in der Außenpolitik ...................................................
37
37
39
40
42
42
44
49
49
50
56
60
61
63
Die Präsidentschaft ........................................................................
69
4.1 Die Präsidentschaft seit 1945 .........................................................
4.2 Formale Machtmittel ....................................................................
4.2.1 Institutionelle Machtmittel ....................................................
4.2.2 Informelle Machtmittel ........................................................
4.3 Entscheiden im präsidentiellen System der USA ..................................
4.3.1 Organisationsstile der politischen Entscheidungsgewalten .............
4.3.2 Präsidentielle Politikstile in Außen- und Innenpolitik ...................
4.4 Präsidialverwaltung .....................................................................
4.5 Der Präsident in der Außenpolitik ...................................................
4.5.1 Oberbefehlshaber der Streitkräfte ...........................................
4.5.2 Internationale Verträge ........................................................
69
76
77
83
86
88
89
92
94
96
97
4.
9
Inhaltsverzeichnis
4.5.3
4.5.4
4.5.5
4.5.6
4.5.7
5.
5.1
5.2
5.3
5.4
6.
Der Präsident und die weitere Exekutive in der Außenpolitik ........ 99
Das Außenministerium ......................................................... 99
Das Verteidigungsministerium ............................................... 101
Die Intelligence Community ................................................. 102
Die Außenpolitik Präsident Obamas ........................................ 104
Die Judikative .............................................................................. 109
Organisation des Gerichtswesens ....................................................
Das oberste Bundesgericht der USA – der Supreme Court .....................
Richterliche Kontrolle ..................................................................
Politisierung der Judikative ............................................................
5.4.1 Judicial activism und judicial restraint .....................................
5.4.2 Nominierung von Richtern ....................................................
Vertikale Gewaltenteilung – Föderalismus in den USA ........................... 127
6.1 Kulturelle und staatsrechtliche Grundlagen ........................................
6.2 Entwicklung des Föderalismus in den USA ........................................
6.3 Policy-making und Föderalimus – Die Krankenversicherungsreform von
2009/2010 .................................................................................
6.4 Kommunalregierungen .................................................................
6.5 Sonderfall amerikanische Ureinwohner .............................................
6.6 Föderalismus im politischen Diskurs ................................................
7.
127
131
133
135
137
138
Politische Parteien ......................................................................... 141
7.1 Parteien und Gewaltenteilung .........................................................
7.2 Geschichte der amerikanischen Parteien ............................................
7.2.1 Die Anfangszeit der Vereinigten Staaten ...................................
7.2.2 Parteien während der Jacksonian Democracy ...........................
7.2.3 Bürgerkrieg .......................................................................
7.2.4 Die Ära der machines ..........................................................
7.2.5 Moderne nach 1945 ............................................................
7.2.6 Amerikanische Parteien in der Gegenwart .................................
7.2.7 Aufstieg (und Fall?) des Tea Party-Movements ..........................
7.3 Parteienorganisation ....................................................................
7.3.1 Party-in-government ...........................................................
7.3.2 Party-as-organization ..........................................................
7.3.3 Party-in-the-electorate .........................................................
7.4 Bewertung .................................................................................
8.
109
112
115
118
118
122
141
143
144
145
146
147
150
153
155
158
158
163
169
171
Wahlen ....................................................................................... 173
8.1 Kongresswahlen .......................................................................... 174
10
Inhaltsverzeichnis
8.2 Präsidentschaftswahlen .................................................................
8.2.1 Von der Idee auf den Wahlzettel – die Vorwahlen in den USA .......
8.2.2 Die Wahlkampfphase nach den Vorwahlen ...............................
8.2.3 National convention ...........................................................
8.2.4 Bundesweite Wahlen ............................................................
8.3 Wahlen und Wahlergebnisse seit 2000 ..............................................
8.4 Die Wahlen 2008 und 2010 ...........................................................
8.5 Wahlverhalten ............................................................................
8.5.1 Ethnizität ..........................................................................
8.5.2 Einkommen und Bildung ......................................................
8.5.3 Religion ............................................................................
8.5.4 Alter und Geschlecht ...........................................................
8.5.5 Regionalspezifische Konflikte ................................................
8.6 Wahlbeteiligung ..........................................................................
8.7 Wahlkampffinanzierung ................................................................
8.7.1 Öffentliche Wahlkampffinanzierung ........................................
8.7.2 Wahlkampffinanzierung aus privaten Mitteln ............................
8.7.3 Kritik ...............................................................................
9.
179
179
182
183
184
185
187
197
199
199
200
200
201
203
204
207
208
210
Interessengruppen im politischen Prozess ............................................ 211
9.1 Ein-Themen-Interessengruppen und Verbände .................................... 213
9.2 Stiftungs- und Spendenwesen ......................................................... 216
9.3 Interessengruppen in der Außenpolitik ............................................. 217
10. Medien in den USA ....................................................................... 223
10.1 Strukturen der Medienlandschaft .................................................... 223
10.2 Medien und Demoskopie im Meinungs- und Willensbildungsprozess ....... 225
10.3 Medien und die Außenpolitik ......................................................... 233
11. Politikberatung in den USA: Think Tanks als Ideenagenturen ................. 237
11.1
11.2
11.3
11.4
11.5
Dominanz der Universitäten ohne Studenten ......................................
Eine neue Generation: interessenorientierte Think Tanks .....................
Ein neuer Trend: interessenabhängige Think Tanks ............................
Ideenagenturen heute ...................................................................
Ideenagenturen als Vorbild und Notwendigkeit ..................................
240
243
245
246
251
12. Bürgerrechte und Zivilgesellschaft .................................................... 255
12.1
12.2
12.3
12.4
Individuelle Freiheitsrechte ............................................................
Bürgerrechte ...............................................................................
Staat und Religion .......................................................................
Einschränkung der Bürgerrechte – Das Beispiel USA Patriot Act ............
255
256
259
262
11
Inhaltsverzeichnis
12.5 Zivilgesellschaft in den USA ........................................................... 264
Nachwort ......................................................................................... 267
Anhang ............................................................................................ 269
1.
2.
Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ........................... 269
Die Federalist Papers Nr. 10 und Nr. 51 ........................................... 281
Bibliographie ..................................................................................... 291
Stichwortverzeichnis ............................................................................ 303
12
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1:
Vom ersten Kontinentalkongress zur Annahme der Verfassung
25
Abb. 2.2:
Die Bill of Rights – die ersten 10 Verfassungszusätze
31
Abb. 2.3:
Präsidentielle Vetos, 1969-2012
35
Abb. 3.1:
Ausschüsse im 112. Kongress
47
Abb. 3.2:
Das Supercommittee
48
Abb. 3.3:
Filibustering, 1969-2012
53
Abb. 3.4:
Die regular appropriation bills bzw. subcommittees
58
Abb. 3.5:
Discretionary spending im Haushaltsjahr 2011 (in Mrd USD)
58
Abb. 4.1:
Die bisherigen Präsidenten der USA
74
Abb. 4.2:
Organigramm des Executive Office of the President (EOP)
79
Abb. 4.3:
Die Bundesministerien der USA
80
Abb. 4.4:
Amerikanische Präsidenten des 20. Jahrhunderts und ihr Karrierehintergrund
81
Abb. 4.5:
Historische Bewertung der Präsidenten der USA
84
Abb. 4.6:
Bundesbehörden und behördenähnliche, öffentliche Körperschaften
93
Abb. 5.1:
Die Organisation des Gerichtswesens in den USA
110
Abb. 5.2:
Öffentliche Zustimmung für den Supreme Court
122
Abb. 5.3:
Abstimmungsverhalten und Parteizugehörigkeit von Richtern
am Supreme Court 2000 und 2001
124
Abb. 6.1:
Föderale Verwaltungsstruktur in den USA
136
Abb. 7.1:
Stammbaum der Demokratischen und Republikanischen Partei
143
Abb. 7.2:
Zunahme von divided government nach 1945
151
Abb. 7.3:
Spendeneinnahmen der Parteien in den Wahljahren 2000-2012
169
Abb. 7.4:
Parteienidentifikation in den USA
171
Abb. 8.1:
The Gerry-Mander
175
Abb. 8.2:
Die incumbancy rate von 1964 bis 2010
177
Abb. 8.3:
Regionale Verteilung der Mandate im Repräsentantenhaus,
1910 und 2010
178
Abb. 8.4:
Meistbesuchte Staaten im Präsidentschaftswahlkampf 2008
183
Abb. 8.5:
Die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2008
189
Abb. 8.6:
Wahlsoziologische Analyse der Präsidentschaftswahlergebnisse
2008
192
Abb. 8.7:
Parteienidentifikation sozialer Gruppen in den USA, 2008
202
Abb. 8.8:
Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen, 1924-2008
204
13
Abbildungsverzeichnis
Abb. 8.9:
Zentrale Begriffe der Wahlkampffinanzierung
Abb. 8.10: Wahlkampfspenden bei Präsidentschaftswahlen (in Mio USD)
206
209
Abb. 9.1:
Die einflussreichsten Interessengruppen in den USA
213
Abb. 9.2:
Interessengruppen nach Themenorientierung, 2011
215
Abb. 9.3:
Interessengruppen mit den größten Geldspenden bei Wahlkämpfen, 2011
217
Abb. 9.4:
Das Fallbeispiel AIPAC
219
Abb. 10.1: Amerikanische Tageszeitungen mit der größten Verbreitung,
2011
223
Abb. 10.2: Herkunft von politischen Informationen nach Medien
227
Abb. 10.3: Das Verhältnis zwischen good news und bad news in der Medienberichterstattung (nach Wahljahr, in Prozent)
228
Abb. 10.4: Öffentliche Wahrnehmung der Medien
229
Abb. 10.5: Bildung und öffentliche Meinung
232
Abb. 10.6: Sollte die gleichgeschlichtliche Ehe legalisiert werden?
233
Abb. 11.1: Think Tanks und intermediäre Akteure im politischen Prozess
239
Abb. 11.2: Think Tanks nach Ausgaben
248
Abb. 11.3: Verweise auf Think Tanks in den Medien
250
Abb. 12.1: Policy-making im Politikfeld Bürgerrechte – das Beispiel affirmative action
259
Abb. 12.2: Zugehörigkeit zu Glaubensgemeinschaften in den USA 2008
und 1990 in Mio. (über 18-jährige Bevölkerung)
260
14
Einleitung
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nach einem Klassiker der politikwissenschaftlichen Literatur die erste neue Nation (Lipset 1979). Auch Alexis de Tocqueville
sprach von den USA als der ersten modernen Massendemokratie. Insoweit ist es nicht
lange zu rechtfertigen, warum man sich mit den USA beschäftigen muss, umso mehr,
weil die Rolle der heute und bis auf weiteres einzigen Supermacht in der Weltpolitik
nach wie vor umstritten und unklar ist. Genauso, wie die USA der erste moderne Staat
und damit ein Modernisierungspionier waren, sind sie spätestens nach dem Ende des
Kalten Krieges auch die letzte politische Macht der Moderne. Francis Fukuyama
sprach seinerzeit vom Ende der Geschichte und hatte damit den endgültigen Triumph
des Liberalismus’ amerikanischer Prägung vor Augen (Fukuyama 2006). Wenngleich
diese Einschätzung sicherlich genau so voreilig und falsch wie diejenige von Friedrich
Hegel war, der im preußischen Staat den Gipfel und die Vollendung staatlicher Herrschaft sah, bleibt doch zu fragen, ob die mit den USA begonnene moderne Staatlichkeit
auch mit den USA zu ihrem Ende gekommen ist? Denn alles das, was unter den Stichwörtern Individualisierung und Globalisierung diskutiert wird, und in der Konsequenz
nichts anderes darstellt als eine faktische Amerikanisierung, prägt das Weltgeschehen
auf eine fast imperiale Weise, deren Ende trotz entsprechender Vorhersagen nicht absehbar ist. Ungeachtet allen vermeintlichen Wissens über diese erste und letzte moderne
Nation herrscht immer noch vergleichsweise wenig Verständnis für diesen Staat und
seine politisch-kulturellen Grundlagen. Die angebliche ökonomische, kulturelle und
auch ideologische Nähe zu anderen Staaten der westlichen Welt erweist sich bei genauerem Hinschauen nämlich als trügerisch. Die USA sind mehr als nur eine moderne
Ausgabe westlicher Demokratien, sie sind tatsächlich ein Land, das sowohl von Europa, als auch von Asien gleich weit entfernt ist. Nicht zuletzt ist dieser american exceptionalism in der Selbstwahrnehmung der Amerikaner stets präsent.
Amerikanische Vorstellungen von der Gewaltenteilung und -verschränkung, der Rolle
der Medien, Parteien und Interessengruppen im politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess sind im Vergleich zum europäischen parlamentarischen Politikverständnis so unterschiedlich, dass Missverständnisse im transatlantischen und transpazifischen Diskurs oft die zwangsläufige Folge sind. Dabei ist die Frage danach, wie die
komplizierte Binnenkonstellation des gewaltenteilenden Systems der USA mit den politisch-kulturellen Befindlichkeiten zusammenhängt, entscheidend für das Verständnis
der weltpolitischen Rolle der sogenannten hyperpuissance (Hubert Védrine). Die USA
stellen das Laboratorium der politischen Moderne dar und sind insoweit gezwungen,
den Herausforderungen der modernen Massendemokratie gerecht zu werden, die üblicherweise in den anderen Staaten erst mit Verzögerungen rezipiert werden. Auch
wenn sich der für kulturelle Phänomene festgestellte Verzögerungseffekt von etwa zehn
Jahren verkürzt haben mag und auf eine fast schon ungefähre Gleichzeitigkeit geschrumpft ist, hat die politische Amerikanisierung in den restlichen Demokratien erst
15
Einleitung
ansatzweise ihren Niederschlag gefunden. Von der Regierungstätigkeit über den parlamentarischen Entscheidungsprozess, von den Problemen der vertikalen Gewaltenteilung bis hin zur Rolle von Interessengruppen, Parteien und Medien haben die USA
Institutionen entwickelt, die für moderne politische Prozesse prägend, wenn nicht vorbildhaft sind. Dies mag man aus demokratietheoretisch normativer Perspektive bedauern. Gleichwohl ist gut beraten, wer sich in die USA begibt, um zu studieren, wie
politische Prozesse im modernen Staat ablaufen. Man muss und kann nicht alles übernehmen, und man wird vieles durch den Schleier der eigenen nationalen, politischkulturellen und traditionalen Gepflogenheiten wahrnehmen. Wer die politische Zukunft der westlichen Welt verstehen will, muss sich dennoch zwingend mit der Gestalt
amerikanischer politischer Institutionen auseinandersetzen.
16
1. Staatswerdung und -konsolidierung
Jedes Volk und jede Nation sind durch grundlegende Ideen geprägt. Sie erst ermöglichen eine nationale Identität. Die USA sind in dieser Hinsicht aber ein Sonderfall.
Üblicherweise sind Nationen und Staaten als Folge und Ergebnis von historischen
Entwicklungen entstanden. Die USA sind dagegen nicht so sehr wie die europäischen
Staaten das Ergebnis eines solchen Prozesses, sondern vielmehr eine auf Ideen basierende Nation, die so in dieser Form bewusst geschaffen wurde. Ernst Fraenkel hat dies
mit den bekannten letzten Sätzen seines Buches „Das amerikanische Regierungssystem“ folgendermaßen illustriert:
„Wenn bei dem Studium des amerikanischen Regierungssystems der Eindruck entstanden
sein mag, dass es allzu künstlich, wenn nicht gar gekünstelt sei, sollte darüber nicht verkannt
werden, dass ihm eine geniale künstlerische Vision zu Grunde liegt. Das großartigste Kunstwerk, das die westliche Hemisphäre hervorgebracht hat, sind die Vereinigten Staaten von
Amerika“ (Fraenkel 1981: 346-347).
Gerade weil die Verfassungsväter nach dem Unabhängigkeitskrieg historisch gesehen
über Nacht einen neuen Staat aus der Taufe hoben, ist die kulturelle Identität der
Revolutionszeit in der Verfassung eingefangen worden und wirkt bis heute so stark
wie in wohl keinem anderen Land nach. Man vergleiche nur die europäischen Monarchien jener Zeit mit den ihnen nachgefolgten politischen Systemen am Beginn des
21. Jahrhunderts. Die Bürger Nordamerikas waren nach der Unabhängigkeitserklärung und dem Sieg über die britische Krone zur institutionellen Sicherung ihrer politischen Freiheiten ermutigt. Das neue, gute Staatswesen hatte sich durchgesetzt. Diese
Erkenntnis, gepaart mit der Tatsache, dass in den mehr als zwei Jahrhunderten USamerikanischer Geschichte der Bestand ihrer Verfassung nur einmal – während des
amerikanischen Bürgerkrieges – ernsthaft gefährdet war, ist die Voraussetzung dafür,
dass die Politische Kultur und die Verfassung als Quelle für die nationale Identität ein
enormes Beharrungsvermögen entwickelt haben. Die USA können unter den westlich
geprägten Ländern die größte politische Kontinuität vorweisen. Aus der Sicht der
meisten Amerikaner haben die quasi sakrosankten Verfassungsväter die Nation in der
Tat zu einer langen und andauernden Erfolgsgeschichte gemacht.
Hinter dem Amerika der Revolutionszeit verbirgt sich eine heterogene Gemeinschaft,
die gerade die Loslösung von der britischen Krone, das Schutzbedürfnis religiöser
Frömmigkeit, die aufklärerische Überhöhung des Individuums und den Vorabend der
industriellen Revolution durchlebte. Insoweit war es unvermeidlich, dass politische
Wertvorstellungen den sich abzeichnenden Veränderungen Rechnung tragen und dabei vor allem den Fortbestand des jungen Staatswesens garantieren sollten. In der typischen, idealisierten Form handelt es sich um die Werte der Freiheit, der Gleichheit,
der Volkssouveränität, des Individualismus und der Verschiedenheit, aber auch der
Einheit.
17
1. Staatswerdung und -konsolidierung
Freiheit bedeutet zunächst, dass die Staatsbürger als Individuen freie Wesen sind. Diese
Freiheit stößt aber dort an ihre Grenzen, wo sie die Freiheit der anderen beeinträchtigt.
Die Freiheitsrechte der amerikanischen Verfassung waren und sind zunächst Schutzrechte gegen staatliche Gewalt. Von Anfang an waren die Amerikaner der Meinung,
dass der Staat primär die Freiheiten des Einzelnen schützen müsse. Ein solches Staatsverständnis beruht auf einem fiktiven Gesellschaftsvertrag und damit einer von vornherein begrenzten staatlichen Macht. Die Bürger vertrauen dem Staat einen Teil ihrer
Freiheiten an, im Gegenzug erhält dieser einen begrenzten Regierungsauftrag und muss
sich an der Verpflichtung messen lassen, die Freiheiten jedes Einzelnen zu schützen.
Kommt der Staat dieser Aufgabe nicht genügend nach, verliert er seine Existenzberechtigung. Dieses an John Lockes Vorstellungen orientierte Verständnis von Mittel
und Zweck staatlicher Gewalt hätte im ausgehenden 18. Jahrhundert kaum entfernter
von der europäischen Realität der Ständegesellschaften oder dem von idealistischrousseauistischen Vorstellungen geprägten revolutionären Frankreich sein können.
Es ist kaum möglich, die Bedeutung der Idee(n) von Freiheit für alle Bereiche der amerikanischen Politischen Kultur zu überschätzen. Damit ist zunächst politische Freiheit
gemeint. Mit der politischen Freiheit geht in den USA indes auch immer die wirtschaftliche Freiheit einher. Die Bewahrung dieser beiden individuellen Freiheiten ist
das Ziel politischen Handeln in den USA.
Voraussetzung für den Genuss der Freiheit ist die Gleichheit, die im Sinne einer ganz
bestimmten Gerechtigkeit zu verstehen ist. Wie unter anderem in moderner Fassung
von John Rawls ausgeführt, lässt sich diese Gleichheit als Fairness des Prozesses verstehen, der zwischen Individuen vertragsmäßig abgesichert ist und über dessen tatsächlichen Rahmenbedingungen ein zumindest in der Theorie überzeugender, sogenannter Schleier der Unwissenheit liegt (Rawls 1971). Diese Gleichheit ist nicht als
eine des Ergebnisses, sondern der Chancen, also der als gleich gedachten Startbedingungen zu sehen. Vor dem Hintergrund dieser Chancengleichheit kann sich Individualismus als treibende Kraft eines kapitalistischen Produktionssystems entwickeln, das
auf der Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen beruht. Diese amerikanische Neigung zu
einer Beschränkung der Gleichheit auf gerechte Startbedingungen wird zu Recht als
einer der Gründe gegen die Einführung eines Wohlfahrtsstaates europäischer Prägung
angeführt. Dass Marktprozesse, die für Ökonomie und Politik gelten, auf dem selbstsüchtigen Handeln Einzelner beruhen, das im pluralistischen Kräfteparallelogramm
zur Realisierung eines als unbekannt vorausgesetzten und erst ex post feststellbaren
Gemeinwohls führt, ist eine wesentliche Voraussetzung für die ethische und moralische
Qualität dieses Systems. Klar erkennbar sind hier die Ideen der schottischen Moralphilosophen und von John Locke, die im politischen Denken der Verfassungsväter stets
präsent waren. Von vielen der Verfassungsgeber ist bekannt, dass sie mit der Staatslehre der Antike und der Aufklärung vertraut waren und sie respektierten. In fast kei-
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nem Lehrbuch über die Verfassung der USA fehlt der Hinweis darauf, dass Hamilton
bei seinem Verfassungsentwurf z.T. wortwörtlich von John Locke abgeschrieben habe.
Mit der politischen Freiheit und mit den Ideen der Vertragstheoretiker aus der Zeit der
Aufklärung ist das Prinzip der Volkssouveränität (popular consent) verbunden, eines
der Kernstücke des modernen Demokratieverständnisses. Nach Locke ergibt sich die
Souveränität eines Herrschers aus der Zustimmung der zu regierenden Bürger. Diese
Idee von Volkssouveränität bildet immer noch das Fundament des amerikanischen
Regierungssystems. Die puritanische Lehre des unmittelbaren Kontakts zu Gott
schwächte in den ersten Gemeinden der sogenannten Neuen Welt zusätzlich die Glaubwürdigkeit des in Europa noch vorherrschenden Gottesgnadentums. In der Neuen
Welt wurde die aufklärerische Idee, dass die Bürger eines Gemeinwesens ihr eigenes
Schicksal bestimmen konnten und sollten, erstmals politisch institutionell umgesetzt.
In der heutigen Zeit äußert sich dieses spezifisch amerikanische Verständnis von einer
individuell gedachten Volkssouveränität, die einer „politischen Klasse“ grundsätzlich
skeptisch gegenübersteht, in den zahlreichen Wahlen und in den weitreichenden Gesetzen zur Offenlegung und Rechenschaftspflicht staatlichen Handelns.
Das Konzept eines letztlich allein und für sich selbst zuständigen Volkes entstand historisch aus der Ablehnung des britischen Kolonialregimes. In diesem hatte die Souveränität des Staates bei der Monarchie gelegen, die Revolutionäre in den USA setzten
eine andere Auffassung dagegen: „a government of our own is our national right“
(Thomas Paine). In systematischer Formulierung lautet diese Maxime: Staat bzw. Regierung beruhen auf der Zustimmung des Volkes und sind ihm verantwortlich. Die
emphatische und klassische Formulierung findet sich in der Präambel der Verfassung,
die in der jüngeren deutschen Vergangenheit ihren Niederschlag in der schlagwortartig
verdichteten Parole der ostdeutschen Revolutionäre fand: „Wir sind das Volk“. In den
USA lautete sie: „We the people [...] do ordain and establish this constitution for the
United States of America“.
Der so hoch geschätzte Individualismus speist sich aus einer Synthese mehrerer Elemente, die in der amerikanischen Identität stets positiv besetzt waren und sind. Dazu
zählen das auf sich selbst gestellte Leben in einer mitunter feindlichen Lebensumgebung, der calvinistische Glaube, die politischen Ideale der britischen Vertragstheoretiker und die ökonomische Freiheit, die im Bewusstsein bisher jeder amerikanischen
Generation die Nation groß gemacht haben, aber auch das später zu behandelnde eigennützige Kalkül, das auf einem durchaus skeptischen Menschenbild beruht und das die
gesamte Verfassung durchzieht.
Insoweit ist auch die Verschiedenheit, verstanden als diversity, nicht nur unvermeidlich, sondern sogar die Grundlage eines Prozesses, der durch unterschiedliche Interessen geprägt ist. Diese Eigeninteressen sind notwendigerweise so heterogen, dass sie
jedem Einzelnen Freiheit zur Verwirklichung seines eigenen Lebensentwurfes lassen.
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Gleichzeitig sind sie jedoch in ein einheitliches Gemeinwesen eingebunden, repräsentiert durch die aus dem Staatswappen bekannte Losung: e pluribus unum.
Die Amerikaner verstehen sich insoweit trotz aller Unterschiedlichkeit als ein einiges
Volk, das sich seine Regierung selbst wählt. Einmal gewählt und dem Prinzip der
Mehrheitsregierung, der majority rule, unterworfen, besteht an der grundsätzlichen
Legitimität staatlichen Handelns kein Zweifel mehr. Der Glaube, dass nur das Volk
sich selbst Legitimität verschaffen kann, spiegelt sich in den repräsentativen und auch
in den plebiszitären Realisierungen amerikanischer Institutionen wider. Jede Regierung muss nach amerikanischem Verständnis als Ziel das Wohlergehen des Gemeinwesens haben. Mehrheitsregierung und Minderheitenschutz gehören deshalb untrennbar zusammen.
Dieses amerikanische politische Selbstverständnis, auch als the american creed bezeichnet, ist selbstverständlich ein politisches Ideal. Dass es sich hierbei um eine durchaus ideologische Überhöhung der politischen Traditionen einer ehedem Sklaven haltenden bürgerlichen Oberschicht handelt, ist genau so wenig zu leugnen, wie die Tatsache, dass dieser amerikanische Traum der Gleichheit und der Gleichwertigkeit spätestens dann ausgeträumt ist, wenn man sich in den Elendsquartieren des Landes umschaut, in deren heruntergekommenen Appartments oder Wohnwagen zwar schreiendes Elend herrscht, dieser Traum aber vehement und notfalls sogar mit Waffengewalt verteidigt wird. Die wichtigste Funktion der genannten Ideale liegt insoweit vor
allem in ihrer Symbolkraft. Sie dienen der Rechtfertigung und Verteidigung des american way of live und sind typisch für eine nach wie vor hervorragend funktionierende
Deutungskultur, die mit der tatsächlichen Soziokultur oftmals nur ganz eingeschränkt
in Übereinstimmung gebracht werden kann (Rohe 1994). Das Bild wird noch komplizierter und komplexer, wenn man sich das Spannungsverhältnis im Selbstverständnis Amerikas anschaut, wenn man sich also die Frage danach stellt, welche Vorstellung
von Amerika besteht, was Amerika ist und was es sein soll.
Die Antwort auf diese Frage besteht in einem dialektischen Zwiespalt, wie er prägender
nicht sein könnte. Amerika als Experiment ist etwas anderes und gleichzeitig untrennbar von Amerika als Schicksal und Verheißung (Schlesinger Jr. 1986). Beide diese
Konzepte beruhen auf der protestantischen Ethik (Weber 2005), die nach Max Weber
so entscheidend für das amerikanische Selbstverständnis ist. Durch säkulare Infusionen erneuert und stabilisiert, konkurrieren sie nach wie vor.
Ausgangspunkt dieser durch den Calvinismus geprägten Überlegungen ist die Nacktheit der menschlichen Existenz. Das Schicksal des Menschen liegt in Gottes Hand, und
die Vergänglichkeit ist allgegenwärtig. Dieser moderne Existenzialismus gipfelt in der
Vorstellung, dass Gott tatsächlich tot, und dass die menschliche Existenz eher als ein
Unglück zu verstehen ist. Es gibt keinen garantierten Zugang zum Himmel, es sei denn,
das Individuum verdiente ihn sich. Die Konsequenz für das Leben im Diesseits besteht
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demnach darin, dass nur im Rahmen einer dauerhaften Prüfung im ständigen Kampf
um das Gute das Heil gewonnen werden kann. Da die Menschen für sich genommen
eher zum Eigennutz neigen und als böse angesehen werden, bleiben sie auch immer
unvollkommen. Das Leben und auch der politische Prozess sind dieser vereinfachten
Darstellung zufolge ein Experiment.
Diese Komponente des amerikanischen politischen Traditionsgefüges findet sich als
realistische Perspektive in der Verfassung wieder. Die damit einhergehende Begrenzung des Regierens (limited government) und die strikte Trennung und Kontrolle der
Gewalten (checks and balances) sind Ausfluss eines in der politischen Philosophie auch
als Machiavellian Moment bekannten Motivs (Pocok 1975). Demnach ist die Republik
auf der Tugend, der politisch verstandenen virtú, gebaut, um die immer gekämpft
werden muss. Da Menschen und selbstverständlich auch die Herrscher korrupt, eigennützig und damit anfällig für die Missachtung der virtú sind, befinden sich Staaten
immer in der Gefahr, zugrunde zu gehen. Diese Überlegung eines immer drohenden
Verfalls menschlicher Ordnung, die bei Machiavelli zur Annahme eines zyklischen
Geschichtsprozesses geführt hat, spiegelt sich im Modell der Gewaltenteilung, wie es
von John Locke und Charles de Montesquieu formuliert und von den amerikanischen
Verfassungsvätern übernommen wurde. Im Unterschied zu diesen Vorbildern schimmert aber die realistische und damit skeptische, wenn nicht pessimistische, Komponente Machiavellis durch. Bekanntlich hatten zumindest einige der Verfassungsväter
die Schriften des Florentiners studiert und in den Beratungsprozess über die Verfassung
eingebracht. Die europäischen Reaktionen auf diese vorbildlosen Institutionen waren
so erwartbar wie dauerhaft. Das Experiment des gewaltenteilenden amerikanischen
demokratischen Systems wurde als Degeneration, als fehlerhafte Entwicklung angesehen, die es unbedingt zu meiden galt. Erst mit der wirkungsmächtigen politikwissenschaftlichen Analyse Alexis de Tocquevilles wurde deutlich, dass das amerikanische
Demokratiemodell ein gelungenes politisches Vorbild für eine massendemokratische
Ordnung sein konnte. Insoweit sind die calvinistische Ethik und das Machiavellian
Moment unter dem an die Vorsicht appellierenden Experimentalcharakter eine fruchtbare Symbiose eingegangen. Denn nur durch ein dauerhaftes politisches Experiment
kann man dem Verfall, dem programmierten Niedergang, entgehen.
Damit allein aber ist Amerika erst teilweise erklärt. Denn gegen diese Tradition des
Experiments entwickelte sich von Beginn an eine Gegentradition, ein Verständnis
Amerikas als destiny, als Schicksal und Verheißung. Auch dieses Konzept basierte auf
einem traditionellen religiösen und calvinistischen Ethos. Dies war die Überzeugung,
dass man das von Gott auserwählte Volk sei. Die Calvinisten schienen berufen, das
„neue Jerusalem“, das „neue England“ zu schaffen. Allein die Tatsache, dass Gott bis
nach der Reformation gewartet, und erst dann sein neues Volk in das neue Gelobte
Land geschickt hatte, war schließlich der Beweis für diese Trost spendende Perspektive.
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Die Unabhängigkeit der früheren Kolonien verstärkte diese Überzeugung noch, die
geradezu mystische Idee eines Amerikas als Schicksal schob sich zunehmend in den
Vordergrund des politisch-kulturellen Selbstverständnisses und wurde damit zur Konkurrenz für das Konzept Amerikas als Experiment. Das auserwählte Volk der Bibel
war schließlich ebenfalls den schlimmsten Prüfungen ausgesetzt gewesen, wurde am
Ende aber bekanntlich belohnt. Dieses Verständnis eines Sonderweges und einer
Avantgarde der Weltvölker setzte sich in der Politischen Kultur fest und wurde durch
die geografische kontinentale Position und die entsprechende Sicherheit sowie den
Reichtum des Landes nur begünstigt. Die Größe des Kontinents und der Prozess seiner
Erschließung haben geholfen, die amerikanische Machbarkeitsphilosophie sowie die
damit zusammenhängende Ausschließung des Fremden und seine Verlagerung hinter
die Grenze, in die frontier, als vereinheitlichendes und legitimierendes Rahmenkonzept
zu begründen. In keinem anderen vergleichbar entwickelten Staat hat die Logik kapitalistischen Handelns die Politische Kultur so durchdrungen, wie in den USA. Eine
politisch mobilisierbare Arbeiterklasse hatte in diesem Zusammenhang nie eine ernsthafte Chance.
Der letztlich stabile Charakter dieses politischen Modells führte innen- wie außenpolitisch zur Herausbildung einer Mission und damit der Überzeugung, dass Amerika die
Welt erlösen müsse, wenn nicht durch konkrete politische Aktion, so doch in jedem
Falle durch die Überlegenheit seines politisch-kulturellen und auch ökonomischen
Modells. Gegentradition und Tradition, Verheißung und Experiment, wurden so gemeinsam zur Essenz Amerikas. Wichtig ist dabei die Dialektik zwischen beiden politisch-kulturellen Grundkonstanten, wonach das Experiment den eher pessimistischen,
die schicksalhafte Verheißung den eher optimistischen Teil der Gesamtkonstellation
einnimmt. Es mag hier durchaus zu wechselnden Aktualisierungen und Phasen kommen, die eher durch die jeweils eine oder andere Dimension geprägt sind. Entscheidend
ist, dass der ständige Widerstreit erklärt, warum das politische Handeln Amerikas so
schwer kalkulierbar ist. Die einzige klar vorhersehbare Konstante ist das Wechselspiel
zwischen diesen beiden Tiefendimensionen des amerikanischen politischen Lebens.
Über und unter allem schlummert jedoch ein ungebrochener Stolz auf das Erreichte,
der in dieser Grundsätzlichkeit in keiner anderen der entwickelten Demokratien des
Westens und wohl schon gar nicht in den jüngeren Schwellen- und Entwicklungsländern in vergleichbarem Ausmaß auffindbar ist.
Zur weiteren Lektüre empfohlen
Filzmaier, Peter; Plasser, Fritz (1999): Die amerikanische Demokratie. Regierungssystem und
politischer Wettbewerb in den USA. Bern.
Fraenkel, Ernst (1981): Das amerikanische Regierungssystem. Eine politologische Analyse.
4. Aufl. Opladen.
Greene, Jack P. (1988): Pursuits of Happiness. The Social Development of Early Modern British
Colonies and American Culture. Chapel Hill.
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1. Staatswerdung und -konsolidierung
Hartz, Louis (1955): The Liberal Tradition in America. New York.
Heideking, Jürgen; Mauch, Christof (2008): Geschichte der USA. 6. Aufl. Stuttgart.
Hübner, Emil (2007): Das politische System der USA. Eine Einführung. 6. Aufl. München.
Jäger, Wolfgang; Haas, Christoph M.; Welz, Wolfgang (2007): Regierungssystem der USA. Lehrund Handbuch. 3. Aufl. München.
Lipset, Seymour M. (1979): The First New Nation. The United States in Historical and Comparative Perspective. New York.
Lösche, Peter; Loeffelholz, Hans Dietrich von (2004): Länderbericht USA. Geschichte, Politik,
Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. 4. Aufl. Frankfurt am Main.
Sautter, Udo (2006): Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. 7. Aufl. Stuttgart.
Schlesinger Jr., Arthur M. (1998): The Disuniting of America. Reflections on Multicultural Society. New York.
Tocqueville, Alexis de (1976): Über die Demokratie in Amerika. Stuttgart [1835/40].
Turner, Frederick J. (1996): The Frontier in American History. New York [1893].
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