European Commission

Werbung
EUROPEAN COMMISSION
Karel De Gucht
EU Trade Commissioner
Die transatlantische Handels- und
Investitionspartnerschaft: Wo stehen wir in der
Debatte?
Atlantikbrücke, Düsseldorf
22. Januar 2014
SPEECH/14/52
Sehr geehrte Damen und Herren!
„Manchmal kommt mir in den Sinn,
nach Amerika zu segeln,
nach dem großen Freiheitsstall,
der bewohnt von Gleichheitsflegeln“,
sagte der große Dichter Heinrich Heine, der lange vor der Gründung der Atlantik-Brücke
hier in Düsseldorf geboren wurde. Freiheit, Gleichheit und Demokratie waren seine
Themen – er wollte dem Volk eine Stimme geben.
Einen Politiker von heute berühren Heines Vorstellungen noch immer. Deshalb danke ich
Ihnen, dass Sie hierhergekommen sind, um sich meine Überlegungen zum aktuellen
Stand der Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über die transatlantische Handelsund Investitionspartnerschaft anzuhören.
Für die Verhandlungen zwischen der EU und den USA interessieren sich europaweit –
und insbesondere in Deutschland – mehr Menschen als für alle anderen
Handelsgespräche in den letzten zehn Jahren. In der gesamten Union wird das Thema in
Presse, Fernsehen, Internet und bei Veranstaltungen wie dieser diskutiert. Viele
Menschen haben viele verschiedene Meinungen von den unterschiedlichsten
Gesichtspunkten aus geäußert.
Ich kann dieses Interesse nur begrüßen: Es ist sehr gut für unsere europäische
Demokratie.
Meine Rolle als politischer Hauptverhandlungsführer in Sachen transatlantische Handelsund Investitionspartnerschaft besteht darin, zuzuhören, zu überzeugen, und
erforderlichenfalls zu informieren, damit die Debatte auf Fakten und nicht auf Ängsten
oder Übertreibungen beruht.
Aus der Vielzahl der Dossiers und Aspekte, die diese Verhandlungen prägen, habe ich
vier ausgesucht, auf die ich mich heute Abend konzentrieren möchte, weil es die
Bereiche sind, die im Anfangsstadium der Gespräche am heftigsten diskutiert wurden:
1. unsere Arbeiten in Bezug auf regulatorische Schranken für den Handel;
2. was wir in Bezug auf Investitionen erreichen wollen;
3. wie wir die Menschen bei den Verhandlungen einbeziehen
4. und warum wir das alles überhaupt machen.
***
Erstens, die Regulierung: Manche Menschen haben Angst, dass durch ein
Handelsabkommen mit den Amerikanern die Unternehmen unsichere Nahrungsmittel
und umweltschädliche Produkte verkaufen oder dass Banken die Ersparnisse der
Menschen verspielen könnten. In Europa wurden Vorschriften eingeführt, um uns gegen
diese Risiken zu schützen.
2
Wenn die EU – als Ergebnis der Verhandlungen – ihre Schutzstandards für die
Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Nahrungsmittel oder die Umwelt senken würde…,
wenn wir unsere Politik in Bezug auf genetisch veränderte Nahrungsmittel oder
hormonbehandeltes Rindfleisch aufgeben würden…,
wenn wir in Bezug auf die Regulierung der Finanzmärkte weiche Maßnahmen einführen
und den Banken freie Hand bei der Spekulation mit den Ersparnissen der Menschen
lassen würden…,
wäre das in der Tat nicht akzeptabel.
Aber so wahr ich hier stehe, kann ich nur sagen:
Nichts davon wird die EU
Investitionspartnerschaft tun.
aufgrund
der
transatlantischen
Handels-
und
Wir werden zwar über die bestehenden und zukünftigen Schranken zwischen Europa und
Amerika im Zusammenhang mit der Regulierung sprechen. Aber wir werden nicht alle
diese Schranken abschaffen. In vielen Bereichen sprechen gute Gründe für unsere
unterschiedlichen Regelungen. Es geht nicht um die Frage, wer Recht hat und wer nicht
oder wer besser oder schlechter ist. Manchmal sind die politischen Präferenzen auf
beiden Seiten des Atlantiks sehr unterschiedlich aus kulturellen Gründen,
Überzeugungen oder gesellschaftlichen Differenzen.
Aber wo es möglich ist, wollen wir Lösungen finden, die im Interesse beider Seiten
liegen, ohne dabei unsere Werte aufzugeben und ohne unser Schutzniveau zu senken.
Viele der Schranken, auf die unsere Unternehmen stoßen, bringen überflüssige Kosten
mit sich, die auf unterschiedliche Regelungen, Normen und Konformitätsprüfungen
zurückgehen, die von Europäern und Amerikanern jeweils sozusagen im stillen
Kämmerlein ausgearbeitet worden sind. Regulatorische Zusammenarbeit kann sehr
vorteilhaft sein.
Zum Beispiel:
… können wir die Sicherheitsstandards des jeweils anderen für Autositze anerkennen…,
… können wir ein gemeinsames Konzept erarbeiten, um
Medizinprodukte bis zu ihren Herstellern rückverfolgbar sind…,
sicherzustellen,
dass
… können wir Erfahrungen bei der Evaluierung der Sicherheit von Chemikalien
austauschen – selbst wenn die Entscheidung über das, was sicher ist, in unserer eigenen
Zuständigkeit verbleibt.
Keines dieser Beispiele würde dazu führen, dass das Sicherheits- oder Schutzniveau
gesenkt würde. Im Gegenteil, die Maßnahmen würden es unseren Behörden
ermöglichen, Geld bei der Durchsetzung zu sparen und somit effektiver zu werden. Auch
die Unternehmen könnten dadurch Geld sparen, sie würden rascher expandieren und
mehr Arbeitsplätze schaffen.
Das ist in unser aller Interesse. Und was am Wichtigsten ist: Es ist machbar, wie in
einigen der denkbar heikelsten Bereichen bewiesen wurde, etwa in der Flugsicherheit.
***
Der zweite große Diskussionspunkt heute – in Deutschland und ganz Europa – sind
Investitionsvorschriften, und insbesondere die Art und Weise, wie Streitfälle zwischen
einem ausländischen Investor und der Regierung des Empfängerlandes zu lösen sind.
3
Ich spreche hier über das sogenannte System zur Beilegung von Investor-StaatStreitigkeiten, das es den Unternehmen erlaubt, in Investitionsangelegenheiten vor
internationalen Schiedspanels direkte Ansprüche gegenüber Regierungen geltend zu
machen.
Kritiker des Systems halten das für einen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Für die
Verfechter wiederum ist es ein wesentlicher Beitrag zu einer modernen globalen
Wirtschaft.
Lassen Sie mich in dieser Hinsicht zunächst einige Fakten erwähnen.
Investitionsschutzabkommen sind nichts Neues. Es sind bereits rund 1 400 derartige
Abkommen in Kraft. Alle EU-Mitgliedstaaten außer Irland haben solche Abkommen mit
Ländern auf der ganzen Welt geschlossen, in denen unsere Unternehmen investiert
haben.
Der ISDS-Mechanismus zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten hat neun
unserer neuesten Mitgliedstaaten nicht davon abgehalten, das gesamte EU-Recht zu
übernehmen, darunter etwa unsere sehr strengen Vorschriften über genetisch
veränderte Organismen (GVO), hormonbehandeltes Rindfleisch, chemische Erzeugnisse
oder über gleiches Entgelt und gleiche Rentenansprüche. Alle diese Länder hatten bereits
Investitionsabkommen mit den USA geschlossen, bevor sie der EU beitraten. Und
dennoch legte kein amerikanisches Unternehmen Rechtsmittel gegen eine dieser neuen
Regelungen ein.
Für Investitionsabkommen gibt es auch einen guten Grund. Die Wirtschaft Europas –
und vor allem Deutschlands – profitiert von den Investitionen unserer Unternehmen in
anderen Ländern. Und es ist eine traurige Tatsache, dass die Regierungen dieser Länder
zuweilen ihre Macht nutzen, um ausländische Unternehmen unfair zu behandeln und so
diese Investitionen – und letztlich europäische Arbeitsplätze – zu gefährden.
Investitionsvorschriften, auch der Streitbeilegungsmechanismus – sind ein wichtiger
Schutz gegen solche unlauteren Maßnahmen. Und sie können notwendig sein: Hinter
jeder zweiten 2012 vorgenommenen Investition weltweit stand ein europäisches
Unternehmen!
Trotz allem ist mir jedoch durchaus bewusst, dass die Anwendung von
Investitionsschutzabkommen in der Praxis zuweilen problematisch ist. Ich verstehe – um
nur ein Beispiel zu nennen –, dass die Menschen sich Sorgen machen, wenn sie
erfahren, dass ein Tabakunternehmen die australische Regierung vor ein internationales
Schiedsgericht bringt, weil sie Logos und Markenzeichen auf Zigarettenpackungen
verboten hat.
Das grundlegende Ziel unserer Investitionspolitik weltweit ist es, die Rechtmäßigkeit und
Transparenz dieser Vorschriften zu verbessern. Das heißt wir sorgen dafür, dass gegen
nichtdiskriminierende regulierungspolitische Maßnahmen nicht erfolgreich geklagt
werden kann. Gleichzeitig wollen wir den Wert des derzeitigen Systems erhalten.
Mit anderen Worten: Ich bin von allen EU-Mitgliedstaaten beauftragt worden, auf die
Verbesserung des Systems hinzuarbeiten, damit potenzielle juristische Schlupflöcher, die
für unbegründete Forderungen gegen den Staat genutzt werden könnten, gestopft
werden und gleichzeitig ein fairer und ausgewogener Investitionsschutz für Unternehmen
gewahrt bleibt – nicht zuletzt für KMU. Wir wollen – ein für alle Mal – potenziellen
Missbrauch des Investitionssystems in der Zukunft verhindern, indem wir neue,
moderne,
transparente
und
dem
letzten
Stand
entsprechende
Investitionsvereinbarungen schließen.
Dies ist unser Ziel. Die Öffentlichkeit widmet diesem Punkt große Aufmerksamkeit, und
in der Tat ist der Umfang unserer Investitionsbeziehungen mit den USA enorm.
4
Deshalb bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir ein öffentliches Nachdenken über
die Ziele der EU bei diesen Verhandlungen brauchen.
Deswegen habe ich gestern meinen Beschluss bekannt gegeben, dass eine öffentliche
Konsultation zum Thema Investitionsschutz in den Verhandlungen mit den USA
durchgeführt werden soll.
Lassen Sie mich kurz klarstellen, was die öffentliche Konsultation in der Praxis bedeutet.
Ich habe die Entscheidung getroffen, dass wir in der EU die breite Öffentlichkeit
konsultieren müssen, um die Verhandlungsposition der EU im Bereich Investitionsschutz
klar zu stellen - mit einem besonderen Schwerpunkt auf Investor-Staat-Streitbeilegung
(ISDS). Diese Konsultation unterstreicht die Entschlossenheit der Europäischen
Kommission, die TTIP-Verhandlungen so offen und transparent wie möglich zu gestalten.
Es gibt zwei Gründe, warum wir dies im Bereich Investitionsschutz machen: wegen des
enormen öffentlichen Interesses an diesem Thema und auf Grund der spezifischen
technischen Herausforderungen, die dieser komplexe Bereich mit sich bringt: zum
Beispiel, die richtige Rechtssprache zu finde. Damit wollen wir die notwendige Balance zu
schaffen zwischen einerseits der Notwendigkeit von Gesetzgebung zum Schutz von
Mensch und Umwelt, und andererseits der Notwendigkeit, Anreize und Schutz für
Investitionen zu schaffen – und damit auch für Arbeitsplätze und Wachstum.
Dies ist eine wichtige Gelegenheit, die Meinung und Reaktion der breiten Öffentlichkeit
und von allen, die ein Interesse an einem erfolgreichen Ausgang der TTIPVerhandlungen haben, zu bekommen. Die Schlussfolgerungen aus der öffentlichen
Konsultation werden dann in den Prozess einfließen und helfen, die EUVerhandlungsposition im Bereich ISDS vor den eigentlichen Verhandlungen mit den USA
in diesem Bereich klarzustellen.
Dieser dreimonatige Zeitraum der Reflexion wird im März beginnen und mein Team
arbeitet derzeit an den Details und den praktischen Aspekten einer solchen öffentlichen
Konsultation.
Ich lese heute jedoch Schlagzeilen, die behaupten, dass die TTIP-Verhandlungen - oder
zumindest ein Teil der Verhandlungen - ausgesetzt werden sollen. Das ist nicht richtig.
Der Verhandlungsprozess läuft parallel auf Hochtouren weiter, die nächste
Verhandlungsrunde steht Mitte März an. Nur beim Thema ISDS drücken wir auf den
"Pause-Knopf".
***
Damit komme ich zu meinem dritten Punkt: die Einbeziehung der Menschen in die
transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft.
Die Menschen möchten gern wissen, wohin die Entwicklung geht. Sie machen sich
Sorgen, dass wichtige Entscheidungen, die ihre Zukunft betreffen, möglicherweise hinter
ihrem Rücken getroffen werden.
Ich verstehe diese Bedenken. Aber die Kommission verhandelt nie abgeschottet von der
Öffentlichkeit. Wir würden das auch nicht wollen. Verhandlungen wären unmöglich ohne
Beiträge, die viele unterschiedliche Perspektiven und Expertenwissen aus vielen
Bereichen vertreten. Handelsvereinbarungen sind kompliziert und fachbezogen. Mir ist
sehr wohl bewusst, dass die Kommission nicht über alle Antworten verfügt.
Deshalb bitten wir alle Interessenträger, uns Unterstützung und Anregungen auf
verschiedenen Wegen zukommen zu lassen:
5
Zuallererst über die Organe der Europäischen Union – das Europäische Parlament und
der Rat –, in denen Deutschland ebenso wie alle übrigen Mitgliedstaaten vertreten ist.
Die Kommission führt die Verhandlungen über Handelsabkommen, aber unter genauer
Anleitung durch die anderen Organe. Diese beraten uns hinsichtlich der Vorgehensweise
und des Umfangs der Verhandlungen, und vertreten dabei ihre jeweiligen Auftraggeber.
Und diesen Organen kommt die endgültige Entscheidung über das Ergebnis zu.
Handelsabkommen werden erst dann rechtsverbindlich, wenn die Volksvertreter ihnen
zustimmen.
Zusätzlich zu dieser genauen Prüfung berücksichtigt die Kommission auch die Meinung
der Öffentlichkeit unmittelbar:
Bevor wir überhaupt mit diesen Verhandlungen begonnen haben, führten wir drei
offizielle öffentliche Konsultationen darüber durch, was in der Vereinbarung enthalten
sein sollte.
Inzwischen haben wir den ersten Standpunkt der EU über die Schlüsselthemen der
Verhandlungen veröffentlicht, damit die Menschen besser verstehen, über was wir
eigentlich verhandeln.
Und wir haben regelmäßig offene Sitzungen mit Gruppen durchgeführt, die sich für
Arbeitsrechte, Umwelt, Gesundheit und Verbraucherrechte interessieren sowie natürlich
auch mit Gruppen, die Unternehmen vertreten. Unsere Verhandlungsführer haben
während jeder Verhandlungsrunde einen ganzen Nachmittag damit verbracht, die
Ansichten der Interessenträger kennenzulernen.
Unser nächster diesbezüglicher Schritt wird die Einberufung einer stärker strukturierten
beratenden Expertengruppe sein, bei deren Zusammensetzung dieses breite
Interessenspektrum ausgewogen vertreten sein wird. Die Gruppe soll uns praktische
Ratschläge und Expertenwissen zu den Bereichen, über die verhandelt wird, zur
Verfügung stellen, sodass wir sensible Themen besser verstehen. Meine Dienststellen
arbeiten derzeit an den Einzelheiten dieses Prozesses und ich hoffe, dass ich in Kürze
seinen Beginn ankündigen kann.
Ich kann nicht genug betonen, dass Handelsverhandlungen der EU noch nie so offen
geführt worden sind.
Ich gebe jedoch auch zu, dass sie nicht völlig transparent ablaufen, was einige vielleicht
enttäuschen wird. Aber schrankenlose Offenheit ist weder machbar noch wünschenswert.
Bei Verhandlungen aller Art – und bei Handelsverhandlungen erst recht – geht es um
den Aufbau von Vertrauen zwischen den beiden Partnern. Solche Verhandlungen
erfordern ferner eine geschickte Taktik und einen Sinn für Geben und Nehmen. Sie sind
vor Fernsehkameras praktisch unmöglich.
Wenn wir gute Ergebnisse erzielen wollen, ist ein gewisses Maß an Vertraulichkeit
erforderlich.
Aber man darf nicht vergessen, dass am Ende des Prozesses die komplette Vereinbarung
– mit allen technischen Einzelheiten – vollständig zur parlamentarischen Prüfung
offengelegt wird, lange bevor über ihre Annahme oder Ablehnung entschieden wird.
***
Im letzten Punkt meiner Rede möchte ich noch einmal auf das Wesentliche
zurückkommen. Lassen Sie mich zunächst daran erinnern, warum wir die Verhandlungen
überhaupt aufgenommen haben.
6
Der Grund ist einfach – wir wollen die europäische Wirtschaft stärken, damit es den
Europäerinnen und Europäern besser geht und sie leichter Arbeit finden.
Es gibt keinen anderen Grund als diesen: keine dubiosen Unternehmen, die wir
zufriedenstellen wollen; keine naiven Versuche, uns in Washington beliebt zu machen.
Die Schaffung einer ehrgeizigen transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft
würde beweisen, dass sowohl die Europäische Union als auch die Vereinigten Staaten
weiter an offene Märkte glauben, selbst in den turbulenten Zeiten, in denen wir heute
leben. Damit wird eine Quelle der Unsicherheit für die Wirtschaft beseitigt und das
Vertrauen gestärkt.
Wie
viel
zusätzliches
Wachstum
die
transatlantische
Handelsund
Investitionspartnerschaft in den kommenden zehn Jahren bringen wird, lässt sich nicht
allzu genau sagen.
Aber die Wirtschaftswissenschaftler können relativ zuverlässige Vorhersagen darüber
machen, was Handelsvereinbarungen für eine Volkswirtschaft bedeuten, indem sie
wirtschaftliche Simulationsmodelle erstellen, bei denen andere Faktoren gleich bleiben.
Aus diesem Grund hat die Kommission vor Beginn der Verhandlungen das Centre for
European Policy Reform – ein renommiertes gesamteuropäisches Netz von
Wirtschaftswissenschaftlern – um eine Simulation der transatlantischen Handels- und
Investitionspartnerschaft gebeten.
Die Wissenschaftler stellten einige Annahmen über die Verhandlungen auf, basierend auf
den Auffassungen der Kommission über das, was im Rahmen der transatlantischen
Handels- und Investitionspartnerschaft möglich ist. Wir haben ihnen mehrere Szenarien
vorgegeben, die alle plausibel sind – auch die ehrgeizigsten.
Die Forscher haben ein wirtschaftswissenschaftliches Modell auf dem neuesten Stand
benutzt. Verglichen mit anderen Versuchen, den Wert dieser Vereinbarung
einzuschätzen, liegen ihre Ergebnisse in der Mitte. Es sind bei weitem nicht die höchsten
Zahlenwerte, aber auch nicht die niedrigsten.
Wenn wir unsere Ziele für die Vereinbarung erreichen – bei Zöllen, Dienstleistungen,
regulatorischen Schranken und Auftragsvergabe – führt sie zu einer stetigen Expansion
der EU-Wirtschaft.
Die Analyse deutet auf Produktionszuwächse von etwa einem halben Prozent des BIP
hin, sobald sich alle Auswirkungen der Vereinbarung bemerkbar machen. Das würde
bedeuten, dass das Jahreseinkommen jedes privaten Haushalts in Europa um etwa 545
Euro steigen würde - was doch sehr erfreulich wäre.
Nun handelt es sich bei einem Modell per definitionem um eine Annäherung an die
Realität, und es können nicht alle direkten und indirekten Vorteile einer transatlantischen
Handelsvereinbarung erfasst werden. Vielleicht liegt der größte Wert einer solchen
Vereinbarung in unseren Beziehungen zur übrigen Welt. Warum? Weil die EU und die
USA die weltweit größten Märkte und die einflussreichsten Regulierungsinstanzen sind.
Ein gemeinsames Konzept wird diesen Einfluss verdoppeln. Und dadurch wird
möglicherweise auch die Regulierung in der ganzen Welt beeinflusst, auch in Ländern
wie Brasilien, Indien, China und Russland, wo derzeit viel niedrigere Standards üblich
sind als in den USA und der EU.
Das wäre ein enormer Vorteil für Europa – schließlich sind wir der größte Exporteur und
Importeur und der größte Empfänger und Geber von Direktinvestitionen der Welt.
7
***
Sehr geehrte Damen und Herren!
Als öffentlich Bediensteter muss ich für 500 Millionen Europäerinnen und Europäer
Entscheidungen treffen. Manche sind schwierig. Manchmal wird es knapp.
Aber als ich beschloss, mich um ein Mandat für die Verhandlungen über die
transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zu bemühen, gab es keinen
Zweifel: Die Vorteile werden eindeutig sein.
Diese Vorteile werden allerdings nur dann eintreten, wenn wir die richtige Vereinbarung
schließen: eine Vereinbarung, die die Menschen für unterstützenswert halten; eine
Vereinbarung, die unsere Interessen verfolgt und unsere Werte bewahrt.
Als Heine im 19. Jahrhundert nach Amerika blickte, sah er Werte, die die Menschen in
Europa damals noch nicht erreicht hatten. Zum Glück können wir sie heute im 21.
Jahrhundert gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden anstreben. Lassen Sie
uns eine weitere, noch stärkere Brücke über den Atlantischen Ozean bauen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
8
Herunterladen