Berufsspezifisches Training Therapie-Zentrum Koblenz (teilstationäre Rehabilitation) Neurologie, Orthopädie Auszug aus: Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation, Praxishandbuch, Herausgeber Deutsche Rentenversicherung Bund, 3. erweiterte Auflage (07/2012) Ziele Ziele des berufsspezifischen Trainings sind (a) der Abgleich des aktuellen individuellen Leistungsprofils mit dem am Arbeitsplatz geforderten Anforderungsprofil durch ein geeignetes Assessment (z. B. Teile des EFL), (b) die Formulierung einer Reha-Prognose hinsichtlich des positiven und negativen Leistungsprofils am Ende der Reha und die daraus abgeleitete Arbeitsplatzprognose, (c) die Steuerung der Reha auf das in der Reha-Prognose festgelegte Reha-Ziel hin und (d) die Erprobung des aktuellen Leistungsprofils im Hinblick auf das Anforderungsprofil. Die Prognose wird hierbei verstanden als Perspektive eines Sinn stiftenden Lebensentwurfes, den der Rehabilitand annehmen kann. Kontextfaktoren im Sinne der ICF werden explizit eingebunden. Das Training selbst ist defizitorientiert, es werden also genau die Einschränkungen, die einen normalen Ablauf des Arbeitsprozesses erschweren oder verhindern, analysiert hinsichtlich Art und Ausmaß: Fehlt es an der richtigen Technik, fehlt es an Kraft, fehlt es an Ausdauer, sind bestimmte Funktionen nur durch andere Techniken oder Umwegstrategien zu erreichen oder auch nur durch Hilfsmittel? Hier ist es von großem Wert, wenn die Rehabilitanden ihr eigenes Werkzeug mitbringen, wodurch sie ihre Kompetenz darstellen und außerdem mit ihrem vertrauten Arbeitsgerät tätig sein können. Der Arbeitsplatz wird genau nachgebaut, sofern er nicht einem der Modellarbeitsplätze entspricht. Es erfolgt eine umfassende Analyse von Ressourcen und Risiken hinsichtlich der beruflichen Teilhabe unter Beteiligung aller Berufsgruppen in allen Therapien. Voraussetzung für das Training ist die ausreichende Wiederherstellung der körperlichen Funktionen, so dass die Belastbarkeit ohne Verletzungsrisiko gesteigert werden kann. Die Maßnahme umfasst im Einzelnen die folgenden Schritte bzw. Elemente: • Das aktuelle Leistungsvermögen in ausgewählten (erforderlichen) Teilen der EFL wird erfasst (als diagnostische Maßnahme zur Steuerung des Verfahrens immer wieder in regelmäßigen (ca. 3-4-wöchigen) Abständen), ergänzend wird der Performance Assessment Capacity Testing (PACT) zur Überprüfung der eigenen Einschätzung der aktuellen körperlichen Leistungsfähigkeit eingesetzt. • Des Weiteren wird die psychische Leistungsfähigkeit erfasst über ein neuropsychologisches Screening (bei positivem Befund durch eine ausführliche neuropsychologische Befunderhebung) sowie den psychologischen Befund (Stressfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Teamfähigkeit, Einschränkungen durch Ängste, Verstimmungen und psychiatrische Komorbiditäten). • Das in der Arbeitsplatzanalyse erhaltene Anforderungsprofil wird nach den Vorgaben der EFL in körperliche Funktionen nach Art, Ausmaß und Anteil an der Arbeitszeit transferiert. Es erfolgt ein Abgleich des aktuellen Leistungsvermögens mit dem beruflichen Anforderungsprofil Inhalte und Ablauf Das arbeitsorientierte Training basiert auf der medizinischen Trainingstherapie, die ihm vorangeht und die eine ausreichende allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit (hinsichtlich HerzKreislauf-System und Bewegungssystem, insbesondere bzgl. Ausdauer, Koordination und hinreichender Kraft) voraussetzt. Therapie-Zentrum Koblenz® & MVZ Koblenz® · Neversstraße 7-11 · D-56068 Koblenz Seite 1 sowie eine Einschätzung der zu den jeweiligen Defiziten gehörenden Reha-Prognose nach den folgenden Kategorien: - derzeit zu leisten - noch nicht zu leisten, aber in der Reha zu erreichen - dauerhaft nicht zu leisten • • Die Ergebnisse des PACT werden genutzt, um die Selbsteinschätzung des Rehabilitanden ggf. zu korrigieren (bei unangemessen hohem PACT (=Überschätzung): Mahnung zur Vorsicht und Hinweis auf das Verletzungsrisiko, Information aller Therapeuten; bei unangemessen niedrigem PACT (=Unterschätzung) Konfrontation mit Leistung und Leistungssteigerung über regelmäßige Messungen und Konfrontation mit Diagrammen, Selbstkonfrontation mit Videoaufnahmen im Work Hardening). Eine umfassende Einbindung des Rehabilitanden wird durch eine Patientenschulung sowie das gemeinsame Entwickeln des Reha-Ziels erreicht. Relevante Kontextfaktoren (Vorgesetzter, Angehörige, …) werden frühzeitig eingebunden und das Reha-Ziel wird mit dem Patienten und den anderen relevanten Protagonisten (Angehörige, Betrieb, Rehazentrum, …) schriftlich abgestimmt/konsentiert (im Sinne eines Gesprächsprotokolls, dem aber Vertragscharakter beigemessen wird). Bei Uneinigkeit hinsichtlich der Reha-Ziele (zwischen Angehörigen, Vorgesetzten, Betriebsärzten, Hausarzt, Patient) gilt es, die Betroffenen rechtzeitig einzubinden und einen Konsens zu finden. Zeitlich und systematisch ist Zielformulierung entsprechend der SMART-Regel strukturiert (spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch, terminiert). Beispiele für Reha-Ziele sind: - Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz - Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz mit Einschränkungen - Innerbetriebliche Umsetzung - Umsetzung beim gleichen Arbeitgeber - Vorbereitung auf eine berufliche Reha - Bei Arbeitslosigkeit: Herstellen einer guten körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit für mindestens mittelschwere körperliche Arbeit, Bewer- bungstraining, Bemühen um Eingliederungshilfen • Hierauf aufbauend wird ein berufsspezifisches adaptives EFL-gesteuertes Work Hardening durchgeführt. Der RehaPlan wird kontinuierlich im Team aktualisiert, es erfolgt eine Abstimmung mit dem Rehabilitanden und allen betroffenen Personen und Institutionen (Rehaträger, Angehörige, Arbeitgeber, ggf. BEM-Beauftragter, Betriebsarzt und anderen Kontextfaktoren). • Die Eigenkompetenz (insbesondere in Form der Entwicklung von Problemlösekompetenzen) wird als Reha-Ziel mit besonderer Bedeutung für die Zeit nach der Reha herausgestellt. Gemeinsam wird ein Aktivitätenplan entwickelt (i. S. eines Programms für zuhause) und die Wiedereingliederung vorbereitet. • Ggf. wird ein Praktikum in der Nähe zum Reha-Ort mit dem Ziel eines positiven Zeugnisses durch die Praktikumsstelle durchgeführt, und zwar dann, wenn Fehlleistungen oder Leistungseinschränkungen des Rehabilitanden zu Problemen am Arbeitsplatz führen können (etwa bei Rehabilitanden in Führungsfunktionen). Auf diese Weise kann nach einer Vor-Ort-Analyse durch das Reha-Team nachgebessert werden, indem der Reha-Plan den nachträglichen Informationen gemäß angepasst wird. Der Rehabilitand entwickelt mehr Selbstvertrauen, auch dadurch, dass ein Scheitern ohne Nachteile erlebt werden kann. • Die Nachsorge nach der Reha umfasst regelmäßige ärztliche, eventuell auch noch therapeutische Kontakte (ambulante Heilmittel), die Überwachung des Heimprogrammes durch schriftliche Protokolle per Fax oder Mail, ggf. die Kontrolle des vereinbarten möglichen Leistungsprofils und Intervention bei Überforderungen. Abb. 1: Berufsspezifisches Training Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 2 zusammenfassend dargestellt. Therapie-Zentrum Koblenz® & MVZ Koblenz® · Neversstraße 7-11 · D-56068 Koblenz Seite 2 Abb. 2: Maßnahme „Berufsspezifisches Training“ im Therapie-Zentrum Koblenz Die Maßnahme findet täglich und ganztägig statt und umfasst in der Regel 2 bis 4 Wochen, kann aber in Ausnahmefällen, z. B. bei sehr schwerer körperlicher Arbeit, deutlich länger dauern. Das geforderte Leistungsprofil muss sicher, das heißt regelmäßig und im Überschuss, geleistet werden können. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung Arzt; Krankengymnast/Physiotherapeut; Diplom- Psychologe; Ergotherapeut; Diplom-Sozialarbeiter; sonstige: medizinischer Trainingstherapeut, Work Hardening-Therapeut, EFL-Therapeut. Erforderliche Ausstattung: Modellarbeitsplätze, gegebenenfalls muss der Arbeitsplatz nachgebaut werden. Zielgruppe Zielgruppe sind alle Rehabilitanden (Neurologie, Orthopädie, Psychotraumatologie, chronische Schmerzen) mit dem RehaZiel einer wie auch immer gearteten beruflichen Eingliederung, wenn die Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht als problemlos zu erwarten ist, wenn also das in einem geeigneten Assessment abgebildete geforderte Leistungsprofil nach Qualität und Quantität nicht sicher, d. h. mit Leistungsüberschuss, geleistet werden kann. Wenn das Angebot einer medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation nicht zielführend ist, sind Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im weiteren Sinne zu erwägen. Die Maßnahme ist grundsätzlich indikationsübergreifend konzipiert, wird jedoch individuell maßgeschneidert in Bezug auf die vorhandenen Teilhabedefizite nach ICF. Die Maßnahme ist berufsgruppenübergreifend konzipiert, wird jedoch berufsspezifisch umgesetzt. Ausgeschlossen sind Rehabilitanden, deren gesundheitliche Situation keine Auswirkungen auf den Beruf hat. Therapie-Zentrum Koblenz® & MVZ Koblenz® · Neversstraße 7-11 · D-56068 Koblenz Ansprechpartner Dr. med. Bernhard Kügelgen, Leitender Arzt Cecilija Kügelgen, Leitende Therapeutin Therapie-Zentrum Koblenz® Zentrum für Rehabilitation Anschrift Neversstr. 7-11 D-56068 Koblenz Telefon 0261-30 33 00 Telefax 0261-30 33 033 E-Mail [email protected] Webwww.tz-mvz-koblenz.de Seite 3