Kurzfassungen Meeresumwelt-Symposium 2009

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MeeresumweltSymposium
2009
19. Symposium
9. bis 10. Juni 2009
Empire Riverside Hotel
Bernhard-Nocht-Straße 97
20359 Hamburg
Kurzfassungen
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt
und dem Bundesamt für Naturschutz
im Auftrag des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
© Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)
Hamburg und Rostock 2009
www.bsh.de
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne ausdrückliche schriftliche
Genehmigung des BSH reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Die Kurzfassungen wurden in unveränderter Form übernommen und abgedruckt.
Inhalt
Dienstag, 9. Juni 2009
Meere und Klima
Graßl, Hartmut
Eröffnungsvortrag: Meere und Klima .............................................................................................................. 7
Hans von Storch, Hans Jörg Isemer, Marcus Reckermann und das BACC Autoren-Team
BACC: Bestandsaufnahme zum Klimawandel im Ostseeraum....................................................................... 9
Lochte, Karin
Wo liegen die nächsten Herausforderungen für die Meereswissenschaften? . ........................................... 11
Lehmann, Harry
Elemente der deutschen Anpassungsstrategie . ......................................................................................... 13
Schifffahrt und Umwelt
Mouat, John
Marine Litter: A Global Challenge.................................................................................................................. 17
Fleet, David
Litter on the Wadden Sea Coast ................................................................................................................. 19
Franeker, Jan van
Seabirds as ecological indicators of litter in the marine environment............................................................ 21
Trümpler, Kai
Herausforderungen bei der Behandlung von Ballastwasser ....................................................................... 23
Trieschmann, Olaf
Identification of oil spills by satellite . ........................................................................................................... 25
Mittwoch, 10. Juni 2009
Fischerei und Umwelt
Markus, Till
Die gemeinsame Fischereipolitik der EU: Status Quo -Defizite und Reformperspektiven ......................... 29
Bellebaum, Jochen
Beifang von Seevögeln in Stellnetzen – Probleme in marinen Vogelschutzgebieten ................................. 31
Morizur, Yvon
Cetacean Bycatch in European Fisheries in the North-East Atlantic .......................................................... 33
Jansen, Wolfgang
Küstenfischmonitoring in ausgewählten Gebieten der Küste Mecklenburg-Vorpommerns ....................... 35
Anthropogener Unterwasserschall
Brensing, Karsten
Anthropogene Schallquellen im Meer – mögliche Effekte auf die marine Fauna ........................................ 39
Lucke, Klaus
Anthropogene Schallquellen im Meer – mögliche Effekte auf die marine Fauna ....................................... 41
Tanja Grießmann, Jörg Rustemeier, Raimund Rolfes
Forschungsplattform FINO3 - Einsatz des großen Blasenschleiers ............................................................ 43
Jokat, Jürgen
Technische Möglichkeiten zur Reduzierung der Wasserschallabstrahlung von Handelsschiffen . ............ 45
Meeresüberwachung
H. Nies, I. Goroncy, J. Herrmann, L. Tosch, A. Daraoui, M. Gorny, D. Jakob, R. Sachse,
R. Michel, V. Alfimov, H.-A. Synal, S.P. Nielsen, A.L. Rudjord, M. Dwadall, T. Gävert
Kartierung von Radionukliden in der Nordsee – Aktuelle Konzentration der Radionuklide Tritium,
Sr-90, Tc-99, I-129, Cs-137, Pu-Isotope und Am-241 ................................................................................. 49
Uwe Hentschke, Birgit Schubert
Ergebnisse des Monitorings an der Umlagerungsstelle Tonne E3 nordwestlich
von Scharhörn ............................................................................................................................................. 51
Fürhaupter, Karin
BALCOSIS – Ökologische Zustandsbewertung von Makrophyten in den äußeren
Küstengewässern der Ostsee . ................................................................................................................... 53
Bastian Schuchardt, Tim Bildstein, Dieter Boedecker, Peter Rückert
„Marine Landscapes“: ein sinnvoller Ansatz zur flächenhaften Typisierung der deutschen
Nord- und Ostsee? ...................................................................................................................................... 55
Garthe, Stefan
Seevogelpopulationstrends in Nord- und Ostsee ....................................................................................... 57
Meere und Klima
Meere und Klima
Eröffnungsvortrag: Meere und Klima
Hartmut Graßl
Der Weltozean spielt eine große Rolle im Klimasystem. Er bestimmt die maritimen, küstennahen Klimate an
Land, dämpft Temperaturgegensätze im Laufe eines Jahres, transportiert fast wie die Atmosphäre Energie
polwärts, macht die Erde wegen seiner niedrigen Reflexionsfähigkeit für Sonnenenergie warm genug für
vielfältiges höheres Leben, ist der größte der in Jahrtausenden umwälzenden Kohlenstoffspeicher, moderiert
zusammen mit dem Leben auf dem Land die Zusammensetzung der Atmosphäre, liefert das Wasser für
einen Großteil des Niederschlages an Land, etc. Von den einzelnen Ozeanbecken oder Teilmeeren spielt
der Atlantik eine Sonderrolle, denn er bildet den größten Teil des Tiefenwassers in allen drei großen Ozeanbecken, weil er wegen seines überdurchschnittlichen Salzgehaltes im Spätwinter einer jeden Erdhälfte in
hohen Breiten sehr dichtes Wasser bilden kann, das tief absinkt.
Einige zentrale Fragen für das Klimasystem, die mit dem Ozean zusammenhängen, können jedoch noch
nicht beantwortet werden, so z.B. die nach der Schwankung des Kohlendioxidgehaltes der Atmosphäre von
ca. 190 Millionstel Volumenanteilen (ppmv) bei intensiver Vereisung zu ca. 280 ppmv in Zwischeneiszeiten.
Dennoch ist die Rolle des Ozeans für den von uns kräftig gestörten globalen Kohlenstoffkreislauf grob bekannt: Seine prinzipiell hohe Speicherfähigkeit von etwa 85% des Kohlendioxidüberhangs in der Atmosphäre
wird durch zu langsame vertikale Mischung im Verhältnis zur Anstiegsrate der Emissionen in die Atmosphäre
nicht ausgeschöpft. Sie beträgt zur Zeit mit etwa 2,2 Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr (GtC/a) nur etwa ein
Viertel der weltweiten anthropogenen Emissionen von über 8 GtC/a. Das ist sogar etwas weniger als die
gegenwärtige Zwischenspeicherung von 2,6 GtC/a in der terrestrischen Biosphäre und den Böden, deren
zukünftige Stärke bei zunehmender globaler Erwärmung noch nicht abgeschätzt werden kann.
Der Weltozean hat zur Zeit den größten Anteil an der unumstritten stärksten positiven Rückkopplung im globalen Wasserkreislauf, wenn Meereis mit bis zu 85% Reflexionsfähigkeit für Sonnenstrahlung (Pulverschnee
auf Meereis fast bis zur Sommersonnenwende) durch die dunkelste aller natürlichen Oberflächen (Ozeanwasser) ersetzt wird. Dadurch lässt noch mehr absorbierte Sonnenenergie das Meereis weiter schrumpfen,
wie seit 1978 mit dem Beginn der ausreichend genauen Satellitenbeobachtungen belegt: - 11% pro Jahrzehnt für das mehrjährige arktische Meereis.
Aber auch ohne Klimaänderungen hat allein die erhöhte Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre
wegen der dadurch erhöhten Kohlenstoffmenge im oberfächennahen Ozean wesentliche Folgen für das
Leben in ihm: Der abnehmende pH-Wert des Ozeanwassers bedroht alle Warmwasserkorallen und verschiebt
wahrscheinlich die Zusammensetzung des Phytoplanktons. Eine globale, stringente Klimapolitik ist auch zum
Schutz des Lebens im Ozean unabdingbar.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. Hartmut Graßl
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Bundesstraße 53
20146 Hamburg
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Meere und Klima
BACC: Bestandsaufnahme zum Klimawandel
im Ostseeraum
Hans von Storch, Hans Jörg Isemer, Marcus Reckermann und das BACC Autoren-Team
Das Ziel von BACC (BALTEX Assessment of Climate Change for the Baltic Sea Basin) besteht darin,
Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit das konsensuale, wissenschaftlich abgesicherte derzeitige Wissen
der Folgen des gegenwärtigen und künftigen globalen Klimawandels in der Ostseeregion darzustellen. „Konsensual“ beschreibt Einvernehmen im positiven wie negativen Sinne, nämlich Einvernehmen über Konsens
und Dissens. Zu diesem Zweck wurden die publizierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen über den Klimawandel in der Ostseeregion gesichtet und deren Ergebnisse zusammengefasst. Das Buch mit dem Report
und einer ausführlichen Zusammenfassung wurde im Januar 2008 veröffentlicht:
The BACC author team, 2008: Assessment of Climate Change in the Baltic Sea Basin.
Berlin: Springer, ISBN 978-3-540-72785, 473 pp.
Dieses BACC-Buch bietet einen Überblick über die wissenschaftlichen Ergebnisse der regionalen Klimaforschung im Ostseeraum sowie eine Abschätzung der Folgen des Klimawandels auf terrestrische und aquatische Ökosysteme. Es beschreibt Wissen über sowohl Klimaänderungen in der jüngsten Vergangenheit als
auch Klimaszenarien bis ins Jahr 2100. Der Bericht wurde von einem Konsortium von über 80 Wissenschaftlern aus 13 Ländern verfasst.
BACC zeichnet sich aus durch die Beschreibung des Klimawandels in der jüngeren Vergangenheit und in der
absehbaren Zukunft mit den damit zusammenhängenden Folgen für Ökosysteme in der Ostsee und ihrem
Einzugsgebiet. BACC ist der erste systematische Versuch, auf wissenschaftlicher Basis das Wissen über die
Folgen des Klimawandels im Ostseeraum zusammen zu fassen. Ein anderes herausragendes Merkmal von
BACC ist es, dass politische und ökonomische Interessen keinen Einfluss auf das Ergebnis dieser Arbeit
hatten.
Die Ergebnisse wurden in vier Kapiteln dargestellt; zwei Kapitel behandeln die geophysikalische Seite
(Atmosphäre, Ozean, Meereis), die anderen beiden beschäftigen sich mit den ökologischen Auswirkungen
auf die terrestrische und marine Umwelt.
Im letzten Jahrhundert wurde in der Region ein deutlicher Anstieg der Temperatur von mehr als 0,7°C beobachtet. Gleichzeitig mit diesem Anstieg der mittleren und Extremtemperaturen zeigen auch andere Variablen Änderungen, so beispielsweise der Anstieg des winterlichen Abflusses, sowie in vielen Gebieten kürzere
Eisperioden und dünnere Eisschichten auf Flüssen und Seen. Diese Trends sind statistisch signifikant, aber
bisher wurde nicht gezeigt, dass sie größer wären als das, was im Rahmen natürlicher Variabilität zu erwarten
ist. Außerdem wurde bisher kein Zusammenhang mit den erhöhten atmosphärischen Konzentrationen von
Treibhausgasen herausgearbeitet, wie dies für größere Gebiete (z.B. die ganze Hemisphäre) in „Nachweisund Zuordnungs-Studien“ („detection and attribution studies“) in der Vergangenheit insbesondere für die
Lufttemperatur gelungen ist.
Was aber gezeigt wurde ist, dass die genannten Trends in der Lufttemperatur und damit zusammenhängenden Variablen konsistent sind mit den regionalen Klimaänderungs-Szenarien, die mit Hilfe von Klimamodellen erstellt wurden. Daher ist es plausibel, dass wenigstens ein Teil der derzeitigen Erwärmung des
Ostseebeckens durch die stetige Erhöhung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre verursacht
wurde.
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Meere und Klima
Hinsichtlich des Niederschlags ist die Situation weit weniger klar: in der Vergangenheit wurden räumlich
ungleichförmige Muster von Auf- und Abwärtstrends beobachtet, die man kaum mit einer anthropogen hervorgerufenen Erwärmung in Beziehung setzen kann. Künftig könnte im Verlauf dieses Jahrhunderts in der gesamten Region ein verstärkter Winterniederschlag auftreten, während die Sommer im südlichen Teil trockener
werden – aber diese Voraussage ist zur Zeit noch unsicher. In der Ostsee wird tendenziell eine Verringerung
des Salzgehalts erwartet. Ebenso sind keine klaren Signale gefunden worden, was die Windverhältnisse angeht, weder in der Vergangenheit noch in den Zukunfts-Szenarien.
Angesichts der großen Unsicherheit in unserem Wissen über die sich verändernden klimatischen Verhältnisse
ist es nicht überraschend, dass unser Wissen über ökologische Auswirkungen jetziger und künftiger Klimaänderungen unvollständig ist. Die in der Vergangenheit beobachteten Temperaturänderungen wurden mit
entsprechenden Änderungen im Bereich terrestrischer Ökosysteme in Verbindung gebracht, zum Beispiel
dem Auftreten eines immer früher einsetzenden Frühlings, der Wanderung bestimmter Arten nach Norden
oder einem vermehrten und stärkeren Pflanzenwachstum. In Seen wurden im Sommer höhere Konzentrationen von Algenbiomasse gefunden. Es ist zu erwarten, dass diese Trends sich in Zukunft fortsetzen; die Artenwanderung könnte langsamer vonstatten gehen als die Erwärmung, die sie hervorgerufen hat. Im marinen
Ökosystem der Ostsee ist die Einschätzung der „Konkurrenz“ durch andere vom Menschen hervorgerufene
und damit nicht klimabedingten Stressoren (Eutrophierung, Fischerei, Freisetzung von Umweltschadstoffen)
besonders schwierig zu analysieren. Die sich verändernden Temperaturen wurden zu verschiedenen Effekten in Beziehung gesetzt, insbesondere dem Artenspektrum. Es wird erwartet, dass ein sinkender Salzgehalt
einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung, das Wachstum und die Reproduktion der Ostseefauna
haben würde. Ebenso wird erwartet, dass in der Vergangenheit fremde Arten aus wärmeren Gewässern (wie
beispielsweise die Zebramuschel Dreissena polymorpha oder die Meerwalnuss Mnemiopsis leidyi, eine nordamerikanische Qualle) ihr Verbreitungsgebiet vergrößern werden; auch die Verbreitung von Frischwasserarten könnte zunehmen. Die zu erwartenden Veränderungen im Bereich des Niederschlags (und damit auch
die Einleitungen der Flüsse) können zusätzliche negative Auswirkungen auf das Problem der Eutrophierung
haben.
Ein zweiter BACC Report wird gegenwärtig vorbereitet; er folgt der Philosophie des ersten Berichts. Ein
neues wissenschaftliches Lenkungsgremium wurde geschaffen, neue führende Autoren werden gegenwärtig ausgewählt. Ergebnisse werden für 2012 erwartet. Für weitere Informationen verweisen wir auf
http://www.baltex-research.eu/organisation/bwg_bacc2.html.
Anschrift der Verfasser:
Prof. Dr. Hans von Storch
Vorsitzender von BACC@BALTEX
Institut für Küstenforschung
GKSS Forschungszentrum
Max-Planck-Straße 1
21502 Geesthacht
Hans Jörg Isemer
Marcus Reckermann
Internationales BALTEX Sekretariat*
GKSS Forschungszentrum
Geesthacht
http://www.baltex-research.eu/BACC/index.html
Meere und Klima
Wo liegen die nächsten Herausforderungen
für die Meereswissenschaften?
Karin Lochte
Die globale Umwelt mit ihren eng verknüpften Einflüssen von Geo-, Hydro-, Atmos- und Biosphäre bestimmt
die Lebensbedingungen und ökonomischen Grundlagen unserer Gesellschaft. Sie verändert sich zurzeit
schnell, vielleicht schneller als je zuvor und hauptsächlich wohl unter dem Einfluss des Menschen. Die Eigendynamik dieser Veränderungen wird zumindest in einigen Regionen der Erde zu massiven Problemen
für die Bevölkerung führen. Es ist daher zur Zukunftssicherung von höchster Priorität, Ursachen, Raten und
Ausmaß der globalen Umweltveränderungen zu erfassen, zu verstehen und vorherzusagen. Um dieses zu
erreichen, müssen die Gebiete untersucht werden, die am empfindlichsten und schnellsten auf globale Umweltveränderungen reagieren und die es erlauben, die kausalen Zusammenhänge dieser Veränderungen
zu entziffern. Die Weltmeere und die Polargebiete umfassen solche „Schaltstellen“. Sie sind empfindliche
Anzeiger von Veränderungen und archivieren die „globalen“ Eigenschaften des Lebensraumes „Erde“. Die
Herausforderungen, die sich daraus ergeben, beziehen sich in erster Linie auf die Rolle der Ozeane im Klimawandel in der Vergangenheit und in der Zukunft, sowie auf die Probleme des Schutzes der Meere. Einige
wichtige Fragen wären zum Beispiel:
• Wie beeinflusst der Klimawandel und die menschliche Nutzung die Biodiversität im Meer und die Funktion des
Ökosystems?
• Welche Rolle spielen die Methanhydrate für die zukünftige Klimaentwicklung?
• Ist Sauerstoffmangel ein zunehmendes Problem für bestimmte Meeresregionen?
• Welche Auswirkungen wird die starke Reduktion des Meereises haben?
• Welche Regionen des Meeres müssen zum Erhalt wichtiger Funktionen und Habitate geschützt werden?
• Wie können die Ressourcen der Meere nachhaltig und schonend genutzt werden?
Die weiteren globalen und regionalen Entwicklungen werden sich aber nicht nur mit naturwissenschaftlichen
Werkzeugen vorhersagen lassen. Die Erweiterung in eine Erdsystemforschung unter Einbeziehung der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaften untersucht, wird unbedingt notwendig werden.
Die naturwissenschaftliche Forschung muss sich strategisch auf diese Problemstellung ausrichten müssen,
um diese sich rasch wandelnde Umwelt verlässlich zu beobachten und präzise, insbesondere auch regionale
Vorhersagen zu machen. Diese Vorhersagen müssen dann in einem iterativen Prozess kommuniziert werden,
um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reaktionen über die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
mit zu berücksichtigen. Dazu bedarf es einer Reihe von Maßnahmen:
• Weitergehende Integration der „Humanities“
• Gemeinsame strategische Planung (z.B. innerhalb der Europäischen Union) für die Erforschung und den
Schutz der Meere - Koordinierte Programme für die Meeresforschung (national und international, auch über die
EU hinaus)
• Gemeinsame Nutzung der nationalen Infrastrukturen und die Kombination von Expertise und Infrastrukturen
(länder- und fächerübergreifend)
• Langfristige weltweite Beobachtungsaktivitäten, die neue Ansätze umfassen, aber laufende Langzeit-Beobachtungen erhalten und verbessern
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Meere und Klima
• Gemeinsame Nutzung von Daten, die den freien und zeitnaher Zugang zu qualitativhochwertigen Daten voraussetzt
• Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Rahmen internationaler Zusammenarbeit
• Stärkere Verknüpfung von Forschungsvorhaben aus dem öffentlichen und privaten Sektor
Anschrift der Verfasserin:
Prof. Dr. Karin Lochte
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
Am Handelshafen 12
27570 Bremerhaven
Meere und Klima
Elemente der deutschen Anpassungsstrategie
Harry Lehmann
Die Bundesregierung hat im Dezember 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel beschlossen und schafft damit einen Rahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Deutschland.
Die Anpassungsstrategie stellt vorrangig den Beitrag des Bundes dar und bietet auf diese Weise eine Orientierung für andere Akteure. Sie legt den Grundstein für einen mittelfristigen Prozess, in dem schrittweise mit
den Ländern und den gesellschaftlichen Gruppen die Risiken identifiziert, der mögliche Handlungsbedarf
benannt, die entsprechenden Ziele definiert sowie mögliche Anpassungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden.
In der Anpassungsstrategie werden die Grundsätze der Strategie, der aktuelle Kenntnisstand zu den erwarteten Klimaänderungen (weltweit und für Deutschland) und den damit verbundenen möglichen Auswirkungen sowie der Umgang mit Unsicherheiten dargelegt. Darüber hinaus werden für 15 Handlungsfelder
und ausgewählte Regionen – u. a. die Küstenregionen Deutschlands – mögliche Klimafolgen konkretisiert
und Handlungsoptionen skizziert, der internationale Kontext und der deutsche Beitrag zur Anpassung in
anderen Teilen der Welt umrissen sowie die nächsten Schritte zur Weiterentwicklung der Deutschen Anpassungsstrategie beschrieben. Ziel der Anpassungsstrategie ist es die Verwundbarkeit gegenüber den
Folgen des Klimawandels zu mindern bzw. die Anpassungsfähigkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme zu erhalten oder zu steigern und mögliche Chancen zu nutzen.
Es bestehen durchaus noch Wissenslücken und Unsicherheiten, wie sich unser Klima zukünftig im Einzelnen
verändern wird. Allerdings zeigen die aktuellen Auswertungen der regionalen Klimamodelle für Deutschland,
dass dort, wo die verschiedenen Modelle zu ähnlichen Ergebnissen kommen, erste belastbare Aussagen
über die Richtung bzw. die Spannbreite der möglichen Änderungen möglich sind. Auf dieser Grundlage
kann aufgebaut werden, um die Folgen für Sektoren und Regionen abschätzen und Handlungserfordernisse
ableiten zu können.
Als zentraler nächster Schritt in der Weiterentwicklung der Strategie wird ein Aktionsplan Anpassung in Zusammenarbeit mit den Ländern und den relevanten Akteuren erarbeitet und dem Bundestag sowie dem
Bundesrat bis März 2011 vorgelegt werden. Dazu wird eine Interministerielle Arbeitsgruppe Anpassung (IMA
Anpassungsstrategie) eingerichtet. Inhalte des Aktionsplans sollen Grundsätze und Kriterien für eine Priorisierung von Handlungserfordernissen, eine daraus abgeleitete Konkretisierung von Maßnahmen des Bundes,
ein Überblick über konkrete Maßnahmen anderer Akteure, Aussagen zur Finanzierung der Anpassung sowie
Vorschläge zur Erfolgskontrolle sein.
In Bezug auf die Küstenregionen von Nord- und Ostsee erwarten die regionalen Klimamodelle aufgrund des
relativ ausgeglichenen und gemäßigten Küstenklimas bis zum Ende des 21. Jahrhunderts einen vergleichsweise geringen Lufttemperaturanstieg. Allerdings könnte sich die Häufigkeit so genannter Temperaturkenntage, also Eis-, Frost- und Sommertage oder Tropennächte, verändern. Es wird davon ausgegangen, dass
die Sommer trockener werden. Die Küstenregionen könnten in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zunehmend durch den Meeresspiegelanstieg und eine Änderung des Sturmklimas gefährdet werden. Durch
die Erhöhung des Meeresspiegels sowie eine Änderung des Sturmregimes kann sich langfristig die Erosion
vor allem an Lockermaterialküsten (derzeit etwa 0,3 bis 0,4 m pro Jahr) sowie das Eindringen von Salzwas-
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Meere und Klima
ser in das Grundwasser verstärken. Ein hohes Niveau der Küstenschutzmaßnahmen bestimmt die aktuelle
sowie künftig möglicherweise zunehmende Verwundbarkeit dieser Region. Es bestehen allerdings große
Unsicherheiten darüber, wie stark sich Meeresspiegelniveaus und Sturmklima verändern. Die norddeutschen Küstenländer und der Bund sind daher intensiv dabei, mögliche Gefährdungen des Küstenraums
durch integrale Ansätze im Küstenschutzmanagement bzw. Küstenzonenmanagement zu verringern. Eine
hervorgehobene Bedeutung spielt dabei die mögliche Gefährdung von Feucht- und Niederungsgebieten
sowie von Regionen mit einem hohen Schadenspotenzial wie dem Hamburger Hafen oder Nutzungen auf
dem offenen Meer.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Harry Lehmann
Umweltbundesamt
Wörlitzer Platz 1
06844 Dessau
Schifffahrt und Umwelt
Schif f fahr t und Umwelt
Marine Litter: A Global Challenge
John Mouat
Whichever sea or coast in the world you visit, whether it is the North Sea coast, a remote beach in Africa,
the Antarctic or even the middle of the Pacific, you will find one thing that remains constant: the presence of
marine litter. It comes in all shapes and sizes ranging from shipping containers to particles that can only be
seen under a microscope.
For many years, this used to be considered a mere nuisance and visual problem on tourist beaches, but in
recent years the problem of marine litter has been generally acknowledged. The three main effects are the
visual and amenity impact of litter on beaches and the coastline, the ecological effect of entanglement and
ingestion by animals, and the economic effect on coastal communities.
When you start to analyse the composition of marine litter, it becomes clear that almost 70% of it is plastics.
In modern life, it is an essential product with a myriad of uses, but when it enters the marine environment it
becomes a serious and persistent problem. It has been estimated that one plastic bottle may take 450 years
to disintegrate, but that it is not the end of the problem.
When plastic breaks down in the marine environment, whether through physical, biological or chemical degradation, it does not disappear but it just gets continuously smaller. These microscopic plastic particles in the
mm - μm range then have another nasty property: they concentrate other hazardous chemicals in the marine
environment onto their surfaces, thus providing a potential route into the food chain.
The main problem in addressing the marine litter problem is its diffuse nature. It has a range of sources including land-based sources such as sewage systems, storm water run-off and tourism, and sea based sources
such as fisheries, shipping, and the leisure industry. This means you need a range of programmes and measures aimed at both the public and industry on local, national and international levels.
One of the main obstacles in the development of more effective measures to reduce marine litter is the lack
of data, as noted by the UN General Assembly in 2005 when it
“noted the lack of information and data on marine litter and encouraged relevant national and international
organisations to undertake further studies on the extent and nature of the problem, also encourages States to
develop partnerships with industry and civil society to raise awareness of the extent of the impact of marine
litter on the health and productivity of the marine environment and consequent economic loss.”
Although this has been addressed within OSPAR by the development of a harmonised voluntary monitoring
programme, most litter data is collected by NGO using a range of different methods. To address this, the
UNEP Regional Sea’s Programme has developed an international protocol for litter monitoring and undertaken a global overview of marine litter in order to obtain data on the scale of this worldwide problem. For the first
time in Europe, marine litter has been directly addressed as a pollutant in Community legislation by including
it in the Marine Strategy Framework Directive. This will require EU Member States to develop programmes
and measures by 2016 to ensure that the “properties and quantities of marine litter do not cause harm to the
coastal and marine environment”.
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Schif f fahr t und Umwelt
Many legislative and practical solutions have been tried, but one thing is clear: the situation is not improving.
The challenge, as always, is changing people’s attitude to litter and promoting good behaviour, a notoriously
difficult task for such a diffuse problem.
Address of lecturer:
John Mouat
Secretariat KIMO International
Grantfield
Lerwick
Shetland ZE 1 ONT (UK)
Schif f fahr t und Umwelt
Litter on the Wadden Sea Coast
David Fleet
Litter in the marine environment is a worldwide problem that does not stop on the borders of the Wadden Sea.
Data on levels and trends of litter pollution in the Wadden Sea region is presented which has been derived
from OSPAR Beach Litter Monitoring and other studies carried out in the Wadden Sea and adjacent waters.
The composition of litter found on the Wadden Sea coast is discussed with regard to its sources. Litter levels
and composition recorded in the Wadden Sea are compared to litter pollution in other regions of the NorthEast Atlantic.
Address of lecturer:
David Fleet
Landesbetrieb für Küstenschutz
Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein
Nationalparkverwaltung
Schlossgarten 1
25832 Tönning
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Schif f fahr t und Umwelt
Seabirds as ecological indicators of litter
in the marine environment
Jan van Franeker
Marine plastic litter is increasingly seen as a serious environmental problem not only affecting birds and mammals directly through entanglement and ingestion, but also as a potential carrier of concentrated chemical
pollutants which will be released after ingestion by an organism. The chemicals will also occur in the form of
microscopically small plastic particles, potentially affecting foodwebs down to filter-feeding organisms. As
a consequence, an increasing number of policies are aimed at reducing marine litter, especially synthetic
materials. Tools to monitor changes in the marine environment are needed. OSPAR‘s Ecological Quality Objectives (EcoQO’s) for the North Sea area include the monitoring of marine litter based on investigations of
the abundance of plastics in the stomach contents of beached fulmars (Fulmarus glacialis). A preliminary
target for acceptable environmental quality has been set at less than 10% of beached fulmars having more
than 0.1g of plastics in their stomachs. Currently, 40% to 80% of all fulmars in the North Sea have more than
0.1g of plastics in their stomachs. Shipping and fisheries are considered the main sources of plastics in the
North Sea area and are thus the first target for new policies. The EcoQO approach may be adopted in the
wider OSPAR area (northeast Atlantic), in the European Union through its Marine Strategy Directive, or in other
parts of the world, where pilot studies will have to be made at in different locations, sometimes using different
seabird species.
Monitoring litter abundance via seabirds is a reliable tool for policy decisions, and at the same time an extremely useful instrument to increase awareness among the general public and stakeholders. It will improve
the acceptance of, and compliance with, policy decisions.
Address of lecturer:
Dr. Jan van Franeker
and the ‘Save the North Sea’ Fulmar-Litter-EcoQO Group
IMARES
PO Box 167
1790 AD Den Burg (Texel)
The Netherlands
E-mail: [email protected]
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Schif f fahr t und Umwelt
Herausforderungen bei der Behandlung
von Ballastwasser
Kai Trümpler
Die Verschleppung invasiver Arten durch das Ballastwasser von Schiffen zu verhindern, ist das Ziel des
“Internationalen Übereinkommens zur Behandlung von Ballastwasser und Sedimenten von Schiffen“ aus
dem Jahr 2004. Zwar ist dieses Übereinkommen noch nicht in Kraft getreten; es hat aber bereits jetzt die
Entwicklung von effektiven Ballastwasserbehandlungssystemen angestoßen. Existierten geeignete Anlagen
noch zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Übereinkommens allenfalls als Idee oder Studie, haben die
Hersteller zwischenzeitlich eine Reihe praxistauglicher Methoden zur Ballastwasserbehandlung entwickelt.
Noch ist weltweit erst eine relativ geringe Zahl von Behandlungsanlagen zugelassen, es lassen sich aber
bereits Trends erkennen, welche Technologien wohl in Zukunft vermehrt eingesetzt werden, um die hohen
internationalen Anforderungen sowohl an den Umweltschutz als auch an die Wirksamkeit der Behandlung zu
erfüllen.
Der Vortrag stellt aus der Genehmigungspraxis heraus exemplarisch einige Wirkprinzipien von Behandlungsanlagen vor, sowie die Erfahrungen des BSH als der zulassenden Behörde mit diesen Anlagen. Dabei werden verschiedene Probleme des komplexen Zulassungsverfahrens näher besprochen.
Nach einem Blick auf erst im Ansatz geklärte Fragen des Kontrollregimes für Ballastwasserbehandlungsanlagen, bildet eine kurze Vorstellung des vom BSH und dem Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ)
betreuten Interreg Projektes North Sea Ballast Water Opportunity (http://projects.nioz.nl/northseaballast/)
den Abschluss.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Kai Trümpler
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Bernhard-Nocht-Straße 78
20359 Hamburg
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Schif f fahr t und Umwelt
Identification of oil spills by satellite
Olaf Trieschmann
Illegal marine oil discharge is a large threat for the marine environment. With the integrated satellite and
airborne surveillance, based on remote sensing techniques, most of the oil spills can be detected. The information is used by local authorities for decision making processes on clean-up operations and for providing
evidence against potential polluters, which finally shall reduce the rate of illicit oil spilling. This paper will describe the oil spill detection capabilities from satellite and in particular the EMSA CleanSeaNet service. Finally
it will provide an outlook of what could be expected in the future focusing on operational usability.
Address of lecturer:
Dr. Olaf Trieschmann
European Maritime Safety Agency (EMSA)
Av.Dom Joao II
Lote1.06.2.5 1998 -001
Lisbon
Portugal
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Fischerei und Umwelt
Fischerei und Umwelt
Die gemeinsame Fischereipolitik der EU: Status Quo Defizite und Reformperspektiven
Till Markus
Die Europäische Kommission veröffentlichte im April 2009 ihr „Grünbuch zur Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik“. Darin wird der Zustand der durch die Gemeinschaftsfischereien genutzten Bestände wie folgt
skizziert:
„88% der Gemeinschafsbestände werden über den höchstmöglichen Dauerertrag hinaus befischt.
Das heißt, dass sich diese Fischpopulationen vermehren und einen höheren wirtschaftlichen Ertrag
hervorbringen könnten, wenn sie nur einige Jahre weniger stark befischt würden. 30% dieser Bestände
befinden sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen, was bedeutet, dass sie sich möglicherweise
nicht mehr erholen können.“
Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) wurde geschaffen, um genau dieses Szenario zu vermeiden. Von
Anfang an war es ihr Ziel, eine „harmonische Entwicklung der Fischwirtschaft […] und eine rationelle Nutzung
der biologischen Schätze des Meeres“ zu fördern. Weitere Zielsetzungen sind im Laufe der Jahre hinzugetreten, wobei insbesondere die Bestandserhaltung und der Meeresumweltschutz erklärtermaßen an Bedeutung
gewonnen haben.
Zur Erreichung ihrer Ziele hat die Gemeinschaft ein komplexes System von Erhaltungs-, Kontroll- und Durchsetzungsregeln errichtet. Außerdem gibt es weitläufige Struktur- und Marktinterventionen, die ihrerseits auf
die Anpassung der Produktionskapazitäten an die verfügbaren Ressourcen, Marktstabilität, sowie ökonomisches Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit abzielen.
Angesichts des desolaten Zustands der Fischbestände in den Gemeinschaftsgewässern stellt sich die Frage, warum das derzeit existierende gemeinschaftliche Bewirtschaftungssystem für das Erreichen der gesetzten Ziele so offensichtlich ungeeignet ist. Die Kommission identifiziert aktuell in ihrem Grünbuch fünf zentrale
strukturelle und institutionelle Schwächen der GFP. Laut Kommission
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existiere ein tief verwurzeltes Problem der Flottenüberkapazität,
gäben unpräzise politische Ziele unzureichende Leitlinien für Entscheidungen und deren Durchführung,
fördere das bestehende Beschlussfassungssystem kurzfristiges Denken,
werde die Fischereiwirtschaft nicht genügend in die Verantwortung genommen,
mangele es den Mitgliedstaaten und der Fischereiwirtschaft an Willen, GFP-Vorschriften durchzusetzen bzw.
sie zu befolgen.
Im Anschluß an die Defizitanalyse werden Vorschläge zur Lösung der existierenden Probleme vorgetragen.
So wird unter anderem erwogen, Überkapazitäten durch übertragbare Fangrechte abzubauen oder die politischen Ziele in der Grundverordnung zu präzisieren. Außerdem wird eine vertikale Kompetenzverschiebung
zu Gunsten der Kommission vorgeschlagen. Das heißt, dass grundlegende Entscheidungen zukünftig durch
den Rat und – nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zunehmend – durch das Parlament getroffen
werden sollen, wohingegen das konkrete „alltägliche“ Fischereimanagement vermehrt durch die Kommission durchgeführt werden soll. Zudem wird ein Bedeutungszuwachs der sogenannten „Regionalen Beiräte“,
sowie des „Beratenden Ausschusses Fischerei und Aquakultur“ erwogen.
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Fischerei und Umwelt
Grundsätzlicher erscheinen jedoch andere Vorschläge. So wird ein ergebnisbasiertes Management in Erwägung gezogen. Statt detailliert vorzuschreiben, wie der Fisch zu fangen ist, soll ein Ergebnis vorgegeben
werden, z.B. bestimmte Fang- oder Beifangmengen. Die technische Umsetzung wäre nunmehr Sache der
Fischerei und nicht mehr des Gesetzgebers. Weitergehend wird das „Prinzip der Relativen Stabilität“, also
der über viele Jahre ausgehandelte Ressourcenverteilungsschüssel der GFP, kritisiert und zur Disposition
gestellt. Auch werden wichtige Politikbereiche wie die Kontrollpolitik, die Fischereiaußenpolitik und die Einbindung der Fischereipolitik in die allgemeine Meerespolitik kritisch hinterfragt.
Die in dem Grünbuch formulierten Reformvorschläge sind als Angebot der Kommission zum Dialog über die
Reform der GFP zu verstehen. Sie sind in ihrer Form als vage und offen zu charakterisieren. In Bezug auf
den Zeitpunkt der anvisierten Reform im Jahr 2012 mag das sinnvoll erscheinen, angesichts der drängenden
Probleme der Bestände und der Meeresumwelt nicht.
Einige der Kommissionsvorschläge erscheinen bereits auf der Grundlage der aktuell geltenden Regelungen
realisierbar und geboten, also deutlich vor 2012. So irritiert es z.B., wenn die Kommission erst zukünftig
den höchstmöglichen Dauerertrag als Grundsatz für die Bestandsbewirtschaftung verankern will. Würde
die Gemeinschaft die von ihr in der aktuellen Fischereigrundverordnung gesetzten Definitionen der Nachhaltigkeit und der Vorsorge ernst nehmen, wäre der höchstmögliche Dauerertrag bereits seit 2003 zentraler
Referenzpunkt der Bestandsbewirtschaftung. Auch Vorschläge und Fragen zur Reform der Strukturbeihilfen
sind diskussionswürdig. Bedenkt man, dass erfahrungsgemäß die allermeisten der durch die Gemeinschaft
gewährten Subventionen (nicht nur die Subventionen zum Bau oder zur Modernisierung von Schiffen) den
Kapazitätserhalt oder sogar den Ausbau des Fischereisektors begünstigen, wirken viele der aktuellen Vorschläge und Fragen wenig ambitioniert.
Es gilt somit vornehmlich die von der Kommission zur Verfügung gestellte Analyse der GFP und die von ihr
aufgeworfenen Fragen aufzunehmen und mit ihr in den anvisierten Dialog einzutreten. Dabei sollte man nicht
vergessen, dass die letzte Reform der GFP noch nicht allzulange her ist und dass viele der aktuell angesprochenen Fragen und Probleme schon im Rahmen des letzten Reformprozesses existierten und diskutiert wurden. Die meisten der 2002 vielversprechend anmutenden gesetzlichen Neuerungen haben sich aus heutiger
Sicht leider als ineffektiv erwiesen.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Till Markus
Forschungstelle für Europäisches Umweltrecht
Bremen Graduate School for Marine Sciences
Universität Bremen
Universitätsallee GW 1
29359 Bremen
Fischerei und Umwelt
Beifang von Seevögeln in Stellnetzen –
Probleme in marinen Vogelschutzgebieten
Jochen Bellebaum
Die Nord- und Ostsee sind im Winterhalbjahr ein international bedeutendes Rastgebiet für zahlreiche Seevögel. Viele dieser Seevögel ernähren sich tauchend von Fischen (v. a. Seetaucher, Lappentaucher und
Alkenvögel) oder Benthosorganismen (v. a. Tauchenten und Meeresenten). Die Überwinterungsgebiete dieser Arten sind aber meistens auch Fanggebiet der Berufsfischerei. Mit der Ausweisung von Schutzgebieten
nach der EU-Vogelschutzrichtlinie auf See gewinnt die Frage nach Auswirkungen menschlicher Nutzungen
auf Wasservogelbestände eine höhere Bedeutung, weil in diesen Schutzgebieten der günstige Erhaltungszustand gesichert oder wiederhergestellt werden soll.
Mit Stellnetzen oder Langleinen betriebene Fischerei zählt weltweit zu den bedeutenden Gefährdungsfaktoren für tauchende Seevögel. In Nord- und Ostsee ist hauptsächlich die Stellnetzfischerei für Vogelverluste
verantwortlich. Eine Auswertung von 30 lokalen Studien ergab, dass in diesem Raum jedes Jahr wenigstens
90.000 Vögel in Stellnetzen ertrinken. Da die ausgewerteten Studien nur Teile von Nord- und Ostsee abdecken, dürften die tatsächlichen Verluste bei 100.000 bis 200.000 Vögeln pro Jahr liegen (Žydelis et al.
[2009]). Beifänge von diesem Umfang haben möglicherweise erhebliche negative Auswirkungen auf die
Rastbestände einiger Arten. Für diesen Fall verlangt die Vogelschutzrichtlinie, dass Schutzmaßnahmen für
die betroffenen Bestände ergriffen werden.
Aus der deutschen AWZ und den Küstengebieten der Ostsee liegen aktuelle Ergebnisse zum Ausmaß und
zur Zusammensetzung des Vogelbeifangs vor. In einem vom BfN geförderten Vorhaben wurden seit 2007 ein
„passives“ Monitoring und ein erstes Observer-Programm mit ausgewählten Fischereibetrieben verwirklicht,
um international vergleichbare Beifangschätzungen zu erhalten. Daneben werden auf der Insel Usedom seit
1989 die Beifänge von Stellnetzfischern systematisch gesammelt (Schirmeister [2003]). Diese Untersuchung
lässt auch zeitliche Veränderungen erkennen. Die jährlichen Beifänge der Eisente Clangula hyemalis, die hier
das häufigste Fischereiopfer ist, haben erkennbar abgenommen, dafür wurden seit 2002 vermehrte Beifänge
von Sterntauchern Gavia stellata festgestellt.
Die Ergebnisse des EMPAS-Projektes haben gezeigt, dass insbesondere im Vogelschutzgebiet Pommersche
Bucht ein erhebliches Konfliktpotential durch die räumliche und zeitliche Überlagerung von Fischereiaktivitäten (insbesondere mit grundgestellten Kiemennetzen) und der Verbreitung von Seevögeln besteht, das
Managementmaßnahmen erforderlich macht..
Trotz dieser Untersuchungen sind unsere Kenntnisse zum Umfang des Beifangproblems unbefriedigend. Um
die wichtigsten Erkenntnislücken zu schließen, und zugleich die Notwendigkeit und Wirkung von Schutzmaßnahmen zu prüfen, sind drei Dinge nötig:
1.ein (international) standardisiertes Beifangmonitoring durch freiwillige Mitarbeit ausgewählter Fischer und den
Einsatz wissenschaftlicher Beobachter
2.eine wesentlich verbesserte Erfassung des Fangaufwandes auch kleiner Fischereifahrzeuge, mit denen ein
großer Teil der Stellnetzfischerei betrieben wird und die nicht der VMS bzw. Logbuchpflicht unterliegen
3.ein integriertes Monitoring von Rastvogelpopulationen, das auch demographische Parameter einschließt.
Zugvögel können ebenso wie die Fischerei nur länderübergreifend betrachtet werden, deshalb ist langfristig
auch eine Betrachtung auf europäischer Ebene erforderlich.
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Fischerei und Umwelt
Literatur
Schirmeister, B., 2003: Verluste von Wasservögeln in Stellnetzen der Küstenfischerei – das Beispiel der Insel
Usedom. Meer und Museum, 17, 160-166.
Žydelis, R., J. Bellebaum, H. Österblom, M. Vetemaa, B. Schirmeister, A. Stipniece, M. van Eerden, M. Dagys, S.
Garthe, 2009: Bycatch in gillnet fisheries – an overlooked threat to waterbird populations. Biol. Conserv.,
142, 1269-1281; doi:10.1016/j.biocon.2009.02.025.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Jochen Bellebaum
Institut für Angewandte Ökologie GmbH
Alte Dorfstr. 11
18184 Neu Broderstorf
Fischerei und Umwelt
Cetacean Bycatch in European Fisheries in the
North-East Atlantic
Yvon Morizur
Bycatch of cetaceans is a rare event in fisheries; so the expression “incidental bycatch” is often used. As it
is a rare event (<10% of fishing operations), it is not easy to study and requires high observational effort on
board.
Several European projects have focused on bycatch of cetaceans in fisheries. Petracet and Necessity have
focused on pelagic trawl fisheries. Set nets have been studied by Member States because shipboard observations are also used for fish discard assessment. Pelagic trawls and set nets are the fisheries gear involved
most often in incidental bycatches of cetaceans in the North-East Atlantic.
EC Regulation 812/2004 focuses on such gears: there are some weak points in the Regulation which have
to be improved. A pilot study of an acoustic deterrent has to be done by each Member State, and it would
be more efficient to have one study at the European level. Observations at sea have to be extended also to
fleets using gears equipped with pingers in order to obtain an unbiased estimate of the number of cetaceans
caught by fisheries gear. The sampling scheme should be carefully established and should be certified by a
scientific institution.
Observation at sea requires good collaboration with the fishing industry. The quantity of bycatch is not yet well
known for all fleets, especially for set nets. Good sampling schemes are required to obtain reliable results,
and some difficulties exist for small vessels and recreational fisheries. In some cases, strandings may also
help to study bycatch in fisheries.
The species concerned are the harbour porpoise Phocoena phocoena and common dolphin Delphinus delphis; some other dolphins may be caught but in smaller numbers.
Mitigation using acoustic deterrents exist for set net and trawl fisheries. Commercially available systems for
porpoise protection are expensive and not always efficient on set nets. This induces some difficulties in the
implementation of point 2 of the EC Regulation. Other mitigation systems for set nets are being studied but
do not yet seem to be a realistic solution (acoustic alarms, traps instead of nets). Several mitigation devices
(mechanical and acoustical) on pelagic trawls have been tested within the framework of the European project
Necessity, and the best system was the acoustic deterrent for the common dolphin. The European Necessity project studied the behaviour of common dolphin groups in the Bay of Biscay in the presence of several
acoustic deterrents. Two systems were found efficient, and one of them is a pinger which emits a directional
beam restricting the exclusion area to the trawl inside.
Cetacean population assessments are made every 10 years;. This provides a rough idea on the status of
populations that are involved in interactions with fisheries. However, management units and biological safe
limits of removals are not well clarified. Even if some bycatches are biologically acceptable, the fishing industry should use mitigation measures for ethical reasons. Ecolabelling will probably encourage some owners of
fishing vessels to use selective gears or systems in order to improve the selectivity of their fishing operations
and limit incidental bycatches of cetaceans.
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Fischerei und Umwelt
How cetaceans are caught by trawls and set nets is not well known. Better understanding of this issue may
also help to find mitigation solutions or to enforce mitigation measures.
Address of lecturer:
Dr. Yvon Morizur
Département Sciences & Technologies Halieutiques (STH)
IFREMER
Centre de Brest
BP 70
29280 Plouzane
France
Fischerei und Umwelt
Küstenfischmonitoring in ausgewählten Gebieten
der Küste Mecklenburg-Vorpommerns
Wolfgang Jansen
Während der Jahre 2001 bis 2006 wurde in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns ein Klein- und
Jungfischmonitoring durchgeführt, in dem verschiedene Fangsysteme (Jungfischreusen, Aalkörbe, Multimaschennetze) zum Einsatz kamen.
Insgesamt wurden 51 Fischarten im Küstenbereich nachgewiesen, mit Schwankungen in den einzelnen Jahren von 27 bis 44 Arten. Die einzelnen Standorte zeigten dabei deutliche Unterschiede in der Artenzahl. Die
höchste Anzahl Fischarten wurde vor Nienhagen mit 39 Arten und die niedrigste mit 27 am Zickerschen Höft
aufgenommen. Die Anzahl der Fischarten vom westlichsten Standort (Wismar-Bucht) bis zum östlichsten
(Zickersches Höft) war salinitätsbedingt rückläufig, wobei der Anteil der Süßwasser- und Wanderfischarten
von rund 12 auf rund 40 % anstieg.
Die jährliche Häufigkeit der einzelnen Arten in den verwendeten Fangsystemen zeigte, dass 18 Fischarten
(35,3 %) in jedem Jahr nachgewiesen werden konnten. Bei den Arten die mindestens 2 bis 6 Mal registriert
wurden, waren es immerhin 82,4 % der Fischfauna des Küstenbereiches. Man könnte diese Zahl als normal
(regelmäßig) vorhandene Artendiversität der Küstengewässer des Landes betrachten.
Während die Schwimmgrundel in den Jahren als häufigste Fischart registriert werden konnte, erreichten die
Fischarten Dorsch und Flunder im Jahr 2003 die mit Abstand höchsten Biomassen (rund 47 bzw. 14 %) im
Fanganteil. In den anderen Jahren sah es ähnlich aus. Ein Vergleich der Fängigkeit der einzelnen Fanggeräte
in den Jahren 2001 und 2002 zeigte, dass die verwendete Kleinfischreuse in beiden Fangjahren die höchsten
Artenzahlen erreichte.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Wolfgang Jansen
Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft
und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern
Institut für Fischerei
Fischereiweg 408
18069 Rostock
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Anthropogener
Unterwasserschall
Anthropogener Unter wasserschall
Anthropogene Schallquellen im Meer – mögliche
Effekte auf die marine Fauna
Karsten Brensing
Anthropogen verursachte Geräuschemissionen haben unter bestimmten Vorraussetzungen eine nachteilige
Wirkung auf die Umwelt. Insbesondere können Tiere, die auf ihren akustischen Sinn zur Orientierung, Nahrungssuche, Kommunikation oder Räubervermeidung angewiesen sind, beeinträchtigt werden. Nach Maßgabe der EU- Meeresstrategierahmenrichtlinie (EG-MSRL 2008/56/EG) bedarf diese Beeinträchtigung einer
qualitativen Erfassung und einer Quantifizierung. Im Rahmen dieser Richtlinie sind die Mitgliedsstaaten der
EU angehalten, bis 2012 den gegenwärtigen Ist-Zustand ihrer Meeresgebiete zu erfassen und Qualitätsziele
für die Erreichung eines guten Umweltzustandes zu definieren. Der Umweltzustand wird dazu anhand verschiedener Deskriptoren beschrieben. Der Deskriptor Nr. 11 betrifft den Eintrag von Energie wie z.B. Lärm.
Ein vergleichbarer Prozess wurde bereits an Land mit der EU-Umgebungslärmrichtlinie (2002/49/EG) eingeleitet. Anhand einiger Beispiele soll verdeutlicht werden, wie die Lärmbelastung des Menschen erfasst wurde
und wie bzw. ob die an Land gemachten Erfahrungen auf das Meer übertragen werden können.
In der anschließenden Diskussion soll erörtert werden, welche Instanzen bei der Erfassung des Deskriptors
Lärm behilflich sein können und welche bereits bestehende Infrastruktur mitgenutzt werden kann. Die Ergebnisse der Diskussion sollen in eine vom Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie
einfließen.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Karsten Brensing
Conservation Manager Germany
WDCS, the Whale and Dolphin Conservation Society (www.wdcs-de.org)
WDCS
Altostr.43
81245 München
E-Mail: [email protected]
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Anthropogener Unter wasserschall
Anthropogene Schallquellen im Meer – mögliche
Effekte auf die marine Fauna
Klaus Lucke
Eine Vielzahl von natürlichen Schallquellen und Geräuschen ist in den Meeren allgegenwärtig. Die zunehmende anthropogene Nutzung der Meere hat jedoch, vor allem in den letzten Jahrzehnten, zu einer zunehmenden Verlärmung der Weltmeere geführt. Diese anthropogenen Geräusche unterscheiden sich untereinander hinsichtlich ihrer akustischen Charakteristika und führen somit zu einem zeitlich und räumlich sehr
variablen Schallfeld.
Marine Säugetiere und Fische weisen die größte akustische Empfindlichkeit innerhalb der marinen Fauna
auf und nutzen Schall zur sozialen Interaktion, Orientierung und zum Aufspüren ihrer Beute. Gleichzeitig
sind sie entsprechend anfällig für schallinduzierte Effekte. In Abhängigkeit von diesen akustischen Charakteristika und der Hörempfindlichkeit können die Schallsignale bei den Tieren Verhaltensreaktionen auslösen,
zu zeitweiligen physiologischen Beeinträchtigungen der Tiere oder sogar zu Verletzungen führen. Aktuelle
Forschungsergebnisse haben einen ersten Belastungsgrenzwert für Schweinswale für eine einmalige Beschallung mit Schallimpulsen geliefert. Die Bedeutung dieser Ergebnisse werden in Relation zu vorhandenen
Erkenntnissen zu anderen Arten sowie zu anderen Schallsignalen diskutiert.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Klaus Lucke
Forschungs- und Technologiezentrum Westküste
Hafentörn 1
25761 Büsum
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Anthropogener Unter wasserschall
Forschungsplattform FINO3 - Einsatz
des großen Blasenschleiers
Tanja Grießmann, Jörg Rustemeier, Raimund Rolfes
Allgemeines
Beim Einbringen von Monopiles oder Pfählen zur Verankerung der Gründungskonstruktionen von OffshoreWindenergieanlagen werden die derzeit vom Umweltbundesamt geforderten Richtwerte der Schalldruckpegel deutlich überschritten. Zur Zeit gibt es noch kein Schallschutzkonzept, welches aus wissenschaftlicher
und wirtschaftlicher Sicht optimiert ist. Die Erforschung wirksamer Schallschutzkonzepte, die einen umweltverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie sichern und insbesondere marine Säugetiere vor schädlichen Hydroschallpegeln schützen, ist aktueller, intensiver Gegenstand der Forschung. Wichtige Konzepte
zur Minderung der Hydroschallpegel sind die Verwendung von Schallschutzmänteln, die Verlängerung der
Impulsdauer und der Einsatz von Blasenschleiern.
Blasenschleier beim Bau der Forschungsplattform FINO3
Luft- oder Gasblasen ändern die hydroakustischen Eigenschaften des Mediums Wasser. Zwischen Wasser
und Luft besteht aufgrund des großen Dichteunterschieds ein erheblicher Impedanzsprung. Die Schallanregung von Luftbläschen nahe ihrer Eigenfrequenz führt zu einer starken Reduktion der Schallamplituden, wobei sowohl Streuungs- als auch Absorptionseffekte wirksam sind. In der Nähe der Resonanzfrequenz beträgt
die akustische Oberfläche der einzelnen Gasblase ein Vielfaches ihrer geometrischen Oberfläche, was die
besondere Effektivität des Blasenschleiers begründet.
Abb. 1: Blasenschleier beim Bau der FINO3
(Quelle: Forschungs- und Entwicklungszentrum
FH Kiel GmbH, http://www.fino3.de)
Im Sommer 2008 wurde in der Nordsee etwa 80 km westlich von Sylt bei den Rammarbeiten zur Erstellung
der Forschungsplattform FINO3 ein Blasenschleier eingesetzt (Abbildung 1). Gerammt wurde ein Monopile,
der einen Durchmesser von 2,70 ÷ 4,70 m und eine Einbindetiefe von 30 m in den Meeresboden aufweist.
Die maximale Rammenergie lag bei ca. 800 kNm. Die Wassertiefe am Standort von FINO3 beträgt ca. 23 m.
Die maximale aus Gezeiten- und Windeinfluss resultierende Strömungsgeschwindigkeit wird am Standort
mit v = 1,2 m/s an der Meeresoberfläche angegeben. Eine mittlere Strömungsgeschwindigkeit liegt etwa bei
v = 0,5 m/s. Um die Rammposition für den Monopile wurde auf dem Meeresboden ein mit Düsenöffnungen
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Anthropogener Unter wasserschall
versehenes Kunststoffrohr eingebaut. Das Rohr wurde im Abstand von 70 m und im geschlossenen Sechseck um die Rammposition verlegt. Dieser relativ große Abstand vom Pfahl musste aus zwei Gründen gewählt
werden. Zum einen durfte die Arbeit der schwimmenden Großgeräte nicht behindert werden, zum anderen
musste sichergestellt sein, dass der infolge der Strömung geneigte Blasenschleier den Rammpfahl über die
gesamte Wassertiefe umschließt. Beim Betrieb des Blasenschleiers konnte das Rohrsystem mit einer maximalen Druckluftmenge von ca. 0,39 m3/min, bezogen auf 1 m Rohrlänge, befüllt werden.
Betrachtet man die ausgewerteten Hydroschallpegel in den Entfernungen 245 und 910 m (Abb. 2 und 3), so
ist deutlich die Frequenzabhängigkeit der Schallpegelreduktion zu erkennen.
Abb. 2: Einzelereignis-Schalldruckpegel in Abhängigkeit der
Frequenz – Entfernung: 245 m
Abb. 3: Einzelereignis-Schalldruckpegel in Abhängigkeit der
Frequenz – Entfernung: 910 m
Demnach liegt bis zu einer Frequenz von ca. 200 Hz nur eine geringe Reduktion vor. Bei einer Frequenz von
1 kHz beträgt die Minderung in Abhängigkeit der Entfernung bereits 20 bis 25 dB re1µPa, bei einer Frequenz
von 2 kHz sogar rund 35 dB re1µPa .
Es ist zu erwarten, dass noch größere Pegelminderungen möglich sind, wenn die mittlere Blasengröße optimal eingestellt ist. Die Kosten für den Einsatz und das Bereitstellen der Kompressoren sind dabei von großer
Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit dieses Schallschutzkonzepts. Es ist daher eine Optimierung des Blasenschleiers im Hinblick auf alle wesentlichen Parameter, wie Blasengröße, Druckluftmenge, Düsenabstand und
Größe der Düsenöffnungen, erforderlich und derzeitig Gegenstand der aktuellen Forschung am Institut für
Statik und Dynamik.
Anschrift der Verfasser:
Tanja Grießmann
Jörg Rustemeier
Prof. Dr.-Ing. habil. Raimund Rolfes
Leibniz Universität Hannover
Institut für Statik und Dynamik
Appelstr. 9A
30167 Hannover
Anthropogener Unter wasserschall
Technische Möglichkeiten zur Reduzierung der
Wasserschallabstrahlung von Handelsschiffen
Jürgen Jokat
Technische Möglichkeiten zur Reduzierung der Schallabstrahlung von Handelsschiffen werden zurzeit in
einer Correspondence Group (CG) des Marine Environment Protection Committee (MEPC) der IMO diskutiert. Ziel der CG ist es eine „Technical Guideline“ zu erstellen die weltweit für Schiffsneu- und Umbauten zur
Anwendung kommen soll, um die Unterwasserschallemissionen der Schiffe zu reduzieren - zum Schutz der
Meeresbewohner.
Ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand der Diskussionen in der CG der MEPC wird vorgestellt. Fragen
des erhöhten Schallschutzes für die Besatzung an Bord von Handelschiffen werden zurzeit parallel in dem
Maritime Safety Committee (MSC) der International Maritime Organization (IMO) beraten. Die Diskussionen in
der MEPC und der MSC können sich hinsichtlich der Reduzierung der Wasserschallabstrahlung von Schiffen
ergänzen. Zusammenhänge werden aufgezeigt und kurz besprochen.
Schallquellen an Bord von Schiffen, die maßgeblich zur Wasserschallabstrahlung von Schiffen beitragen werden vorgestellt sowie technische Möglichkeiten, diese geräuschärmer zu konstruieren. Der Zusammenhang
zwischen der Einhaltung von Schallpegelgrenzwerten in den Unterkünften der Besatzung und der Wasserschallabstrahlung von Schiffen werden kurz diskutiert.
Anschrift des Verfassers:
Jürgen Jokat
Germanischer Lloyd AG
Vorsetzen 35
20459 Hamburg
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Meeresüberwachung
Meeresüber wachung
Kartierung von Radionukliden in der Nordsee –
Aktuelle Konzentration der Radionuklide Tritium,
Sr-90, Tc-99, I-129, Cs-137, Pu-Isotope und Am-241
H. Nies, I. Goroncy, J. Herrmann, L. Tosch, A. Daraoui, M. Gorny, D. Jakob, R. Sachse, R. Michel,
V. Alfimov, H.-A. Synal, S.P. Nielsen, A.L. Rudjord, M. Dwadall, T. Gävert
In einem vom BMU bzw. BfS geförderten Forschungsvorhaben wurde in Zusammenarbeit des Bundesamtes
für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mit dem Zentrum für Strahlenschutz und Radioökologie an der
Leibniz Universität Hannover, der ETH Zürich, dem Forschungszentrum RISØ in Dänemark und der norwegischen Strahlenschutzbehörde (NRPA) eine aktuelle Bestandaufnahme von I-129, I-127, Tc-99 sowie Tritium,
Sr-90, Cs-137, den Transuranen Plutonium und Americium in der Nordsee vorgenommen. Im August 2005
wurde die gesamte Nordsee einschließlich des Kanals mit dem Forschungsschiff GAUSS beprobt. Diese
Kampagne wurde durch Proben aus der Irischen See und arktischen Gebieten im Rahmen bestehender
Kooperationen des BSH ergänzt.
Technetium-99 und Iod-129 sind langlebige Radionuklide mit einer Halbwertszeit von 2,1x 105 bzw. 15,7 x 106
Jahren. Hauptquellen sind die nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen Sellafield an der Irischen See und La
Hague im Kanal. I-129 wurde mittels AMS, das stabile I-127 mittels ICP-MS bestimmt. Tc-99 in den Wasserproben wurde am Forschungszentrum RISØ und am Norwegischen Strahlenschutzzentrum bestimmt. Alle
anderen Radionuklide wurden im Rahmen der Monitoringaufgaben des BSH im Labor in Hamburg-Sülldorf
bestimmt.
Durch oberirdische Kernwaffenexplosionen, kerntechnische Unfälle und vor allem durch Emissionen aus
Wiederaufarbeitungsanlagen wurden die natürlichen Vorkommen des langlebigen Radionuklids I-129
(T = 15.7 Ma) nachhaltig verändert. In Westeuropa dauern diese Veränderungen an. Zwischen 1992 und
1999 erhöhten sich die I-129/I-127 Isotopenverhältnisse in der Deutschen Bucht um mehr als eine Zehnerpotenz.
I-129 und Tc-99 erweisen sich im Meerwasser als weitgehend konservativer Tracer. Die Ergebnisse werden
im Hinblick auf die relative Bedeutung der Freisetzungen aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield
und La Hague und auf die Transportprozesse in der Nordsee und im Nordostatlantik diskutiert. Es ergeben
sich typische Verteilungsmuster aufgrund der unterschiedlichen Ableitungen und Quellen der untersuchten
Radionuklide.
Die beobachteten I-129/I-127 Isotopenverhältnisse im Untersuchungsgebiet liegen zwischen 10-8 und 2 ×
10-6, d.h. mindestens vier bis sechs Zehnerpotenzen höher als das natürliche Isotopenverhältnis in der marinen Hydrosphäre von etwa 1,5 × 10-12. Werte der I-129/I-127 Isotopenverhältnisse von einigen 10-10, die
heute für die ozeanische Mischungsschicht fernab von Emittenten angenommen werden, konnten in diesem Vorhaben nur in Proben des indischen Ozeans und des Pazifiks vor Hawaii beobachtet werden. Auch
im Nordatlantik lagen die Isotopenverhältnisse deutlich höher und reichten von 1,4 × 10-8 (78° 49,74’ N,
5° 01,44’ O) bis 1,7 × 10-7 (59° 50,52’ N, 4° 13,40’ O). Das niedrigste Isotopenverhältnis im Nordatlantik lag
bei 4,4 × 10-9 (74° 48,39‘ N; 01° 58,84‘ O).
Der Einfluss der Wiederaufarbeitungsanlage von La Hague erweist sich als dominierend in der Nordsee,
nicht zuletzt wegen der Konservativität des I-129 im Meerwasser und der Tatsache, dass die Ableitungen aus
Sellafield stets niedriger als die aus La Hague lagen und im Jahr 2005 signifikant gesenkt wurden.
49
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Meeresüber wachung
Die Ergebnisse der Sr-90, Tc-99 und Cs-137 Analysen zeigen, dass im Allgemeinen die Konzentrationen in
der Nordsee in den letzten Jahren stark zurückgingen. In den Jahren 1994 bis 2003 hatte die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield relativ hohe Ableitungen an Tc-99 in die Irische See, die zu einem signifikanten Anstieg
der Tc-99 in den Folgejahren in der Irischen See, die Nordsee und dem Norwegischen Küstenstrom führten.
Entsprechend des Wassermassentransportes in den europäischen Meeren wurde diese Kontamination verfrachtet. Inzwischen sind in der Nordsee die Konzentrationen jedoch wieder gering. Die Ableitungen an Cs137 aus der Anlage Sellafield und La Hague sind in den letzten Jahren extrem niedrig, so dass auch die Konzentration dieses Radionuklids inzwischen in der Nordsee sehr niedrig ist. Ihre Konzentration liegt zwischen
2 Bq x m-3 im Oberflächenwasser des Atlantik bis 6 Bq x m-3 im Skagerrak, beeinflusst durch den Ausstrom
aus der Ostsee, die stärker durch den Fallout von Tschernobyl beaufschlagt wurde. Beim Tc-99 ist aber nach
wie vor deutlich die hohe Ableitung zwischen 1994 und 2004 aus der Anlage Sellafield zu erkennen.
Anders liegen die Verhältnisse beim Tritium vor. Die Ableitungen an Tritium haben in den letzten Jahren aus
den beiden Wiederaufbereitungsanlagen kaum abgenommen; darüber hinaus wird Tritium auch aus Kernkraftwerken entsprechend der Energieerzeugung abgeleitet. Tritium folgt im Wesentlichen dem Süßwasserkreislauf, so dass vor den großen Flüssen Rhein, Maß und Schelde sowie der Elbe ebenfalls deutliche Konzentrationserhöhungen zu beobachten sind. Der Abfluss salzärmeren Wassers aus der Ostsee ist im Bereich
des norwegischen Küstenstromes zu sehen. Ein Einfluss aus der Ostsee zeigt sich hier auch beim Cs-137
(Tschernobyl) als auch beim Sr-90 (globaler Fallout).
Die Ergebnisse zeigen, dass in verschiedenen Gebieten der Nordsee charakter­is­tische Aktivi­tätsverhältnisse
vorliegen, da die Quellen unterschiedlich sind und infolge des Strö­mungs­systems der Nordsee die Radionuklide zum Teil über weite Strecken verteilt werden.
Die Einleitungen an I-129 und Tc-99 aus den Anlagen Sellafield und La Hague waren sehr unterschiedlich. Infolge ihrer extrem langen Halbwertszeit kann der Driftweg dieses Signals über die nächsten Jahrhunderte (!)
durch den Weltozean verfolgt werden. Sie können damit ein Werkzeug für künftige Klimauntersuchungen in
Zusammenhang mit der Zirkulation des Weltozeans dienen.
Anschrift des Vortragenden:
Dr. Hartmut Nies
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Bernhard-Nocht-Straße 78
20359 Hamburg
Meeresüber wachung
Ergebnisse des Monitorings an der
Umlagerungsstelle Tonne E3 nordwestlich
von Scharhörn
Uwe Hentschke, Birgit Schubert
Ein Teil des Baggergutes aus der Stromelbe im Bereich des Hamburger Hafens, das bei der Fahrwasserunterhaltung anfällt, wurde von Oktober 2005 bis Anfang Januar 2008 in die Deutsche Bucht auf eine Klappstelle mit einem Radius von 1 km bei der Tonne E3 zwischen Scharhörn und Helgoland verbracht. Mit dem
Abschluss der Umlagerungs­kampagne Anfang Januar 2008 wurde die in dem Einvernehmen mit dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein (MLUR, 26.7.2005) maximal
genehmigte Baggergutmenge von 4,5 Mio. m³ aus den Bereichen Köhlbrand sowie Norder- und Süderelbe
vor dem Fristende zum 31.12.2008 erreicht.
Gemäß dem neuen Einvernehmen des MLUR Schleswig-Holstein vom 01.08.2008 können mit Auflagen
befristet bis zum 31.12.2011 weitere 6,5 Mio. m³ Baggergut aus der Stromelbe umgelagert werden. Auf der
Grundlage des Wasser­haus­halts­gesetzes des Landes Schleswig-Holstein wird darüber hinaus eine ebenfalls
bis zum 31.12.2011 befristete Verbringung von maximal 1,5 Mio. m³ Material aus den Dreh­kreisen und Zufahrten zu den Liege­plätzen genehmigt. Es wurde bisher nur in einem zentralen Bereich von 400 m x 400 m
der Klappstelle umgelagert.
Zur Überprüfung kurz- bis mittelfristiger Auswirkungen der Baggergutumlagerung wird seit Juli 2005 im Bereich der Umlagerungsstelle ein Monitoring durchgeführt mit dem Ziel einer Prüfung, ob und in welchem
Ausmaß Änderungen im Ökosystem des Umlagerungsbereiches hervorgerufen werden, und ob sich die Auswirkungen der Umlagerungen auf das vorher­gesagte Gebiet beschränken bzw. wie weit die Auswirkungen
reichen.
Das Monitoringprogramm umfasst Untersuchungen der Sedimente, der Wasserphase, der Bioakkumulation
und der Fauna vor Beginn der Baggergutverbringung sowie regelmäßige Untersuchungen vom Beginn bis
zwei Jahre nach Abschluss der Umlagerungsmaßnahme. In die Bewertung der Ergebnisse werden Analysen
aus langjährigen Zeitreihen bereits implementierter Monitoringprogramme (z.B. Bund/Länder-Messprogramm
Nordsee) einbezogen.
Mit den Untersuchungen wurde vor Beginn der Verklappungen bei Tonne E3 im Juli 2005 begonnen. Bis April
2009 wurden insgesamt neun Monitoringkampagnen mit Untersuchungen der Sedimente, der Wasserphase,
der Bioakkumulation und der Fauna (Makrozoobenthos, Fische) durchgeführt.
Anschrift der Verfasser:
Dr. Uwe Hentschke
Dr. Birgit Schubert
Bundesanstalt für Gewässerkunde
Am Mainzer Tor 1
56068 Koblenz
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Meeresüber wachung
BALCOSIS – Ökologische Zustandsbewertung
von Makrophyten in den äußeren Küstengewässern
der Ostsee
Karin Fürhaupter
Mit in Kraft treten der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie wurde ein harmonisiertes, europäisches
Wasserrecht für den Schutz aller Gewässer (Grundwasser und Oberflächengewässer) geschaffen, in dem
das Erreichen eines guten ökologischen Zustandes für alle Seen, Flüsse und Küstengewässer bis zum Jahre
2015 gefordert wird. Erstmalig steht damit nicht nur der chemische Gewässerschutz, sondern vielmehr der
Schutz der darin enthaltenen Gewässerbiologie und –struktur im Vordergrund. Alle Mitgliedsstaaten mussten
Klassifizierungssysteme entwickeln, die eine Einstufung der Gewässer in fünf Zustandsklassen (sehr guter,
guter, mäßiger, unbefriedigender und schlechter ökologischer Zustand) ermöglichen. Eine zentrale Rolle bei
der ökologischen Beurteilung der Gewässer kommt somit den biologischen Qualitätskomponenten Phytoplankton, Makrophyten und Makrozoobenthos zu. Die Bewertung dieser Komponenten sollte dabei im Wesentlichen auf den Faktoren Artenzusammensetzung, Häufigkeit sowie dem Vorhandensein bzw. Fehlen toleranter bzw. sensitiver Arten beruhen.
Das Bewertungssystem BALCOSIS (Baltic ALgae COmmunity analySIs System) wurde speziell für die ökologische Einstufung von Makrophyten in den äußeren Küstengewässern der Ostsee entwickelt. Das System
kombiniert dabei die Bewertung von Weich- und Hartbodenpflanzengemeinschaften und beinhaltet die drei
wesentlichen Vegetationselemente der Ostsee: Seegras (Zostera marina), Brauntange (Fucus spp.) und
mehrjähriges Rotalgenphytal.
Innerhalb dieser Vegetationselemente stehen insgesamt sieben unterschiedliche Bewertungsparameter für
die ökologische Einstufung zur Verfügung:
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Untere Verbreitungsgrenze von Zostera marina
Untere Verbreitungsgrenze von Fucus spp.
Biomasseanteil von opportunistischen Makroalgen im Seegrasphytal
Biomasseanteil von opportunistischen Makroalgen im Rotalgenphytal
Biomasseanteil von Furcellaria lumbricalis im Rotalgenphytal
Ausfall charakteristischer Arten des Rotalgenphytals
Häufigkeit (ausgedrückt als Bedeckungsgrad) von Fucus spp. im Flachwasserbereich
Methodisch werden die unteren Verbreitungsgrenzen durch den Einsatz von UW-Videotechnik erfasst. Die
übrigen Parameter werden dagegen durch tauchergestützte quantitative Rahmenbeprobung in definierten
Tiefenstufen (0 - 2 m und 5 -7 m Tiefenbereich) untersucht.
Alle Einzelparameter werden unabhängig voneinander mit einer fünfstufigen Skala bewertet. Die Klassengrenzen der verschiedenen Skalen wurden anhand historischer Daten, Modellierung oder Expertenwissen
festgelegt. Die unabhängige Bewertung der Einzelparameter ermöglicht es, genau nachzuvollziehen, wie die
Endbewertung zu Stande kommt und welche Faktoren oder Vegetationselemente dafür verantwortlich sind
(Verbreitungsgrenzen, Artenausfall, etc.). Dies kann Hinweise über eventuell erforderliche Sanierungsmaßnahmen geben.
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Meeresüber wachung
Die Endbewertung erfolgt durch Verrechnung der sieben Einzelparameter miteinander. Die Bewertungsergebnisse der unteren Verbreitungsgrenzen gehen dabei als sogenannte Basisparameter mit einer höheren
Gewichtung in die Bewertung, da diesbezüglich eine bessere historische Datenlage vorliegt als für die übrigen fünf Parameter (Begleitparameter). Da die Einzelparameter über verschiedene Wertebereiche und
Klassengrenzen verfügen, müssen die einzelnen Bewertungsergebnisse erst normiert werden, bevor der
Endwert als Median der Einzelwerte berechnet wird.
Anschrift der Verfasserin:
Karin Fürhaupter
MariLim Gesellschaft für Gewässeruntersuchung mbH
Heinrich-Wöhlk-Str. 14
24232 Schönkirchen
Meeresüber wachung
„Marine Landscapes“: ein sinnvoller Ansatz zur
flächenhaften Typisierung der deutschen Nordund Ostsee?
Bastian Schuchardt, Tim Bildstein, Dieter Boedecker, Peter Rückert
Der Bedarf nach flächenhaften Daten zur Ausprägung und Wertigkeit der ökologischen Situation nicht nur
im Küstenbereich sondern auch in der AWZ ist in den letzten Jahren aufgrund des zunehmenden Nutzungsdrucks und auch aufgrund internationaler Entwicklungen deutlich angestiegen. International kommt dazu das
Konzept der „Marine Landscapes“ vermehrt zur Anwendung.
Im Rahmen eines vom Bundesamt für Naturschutz geförderten F&E-Vorhabens ist ein Ansatz zur Definition
und Abgrenzung mariner Landschaftstypen in der deutschen Nord- und Ostsee entwickelt und eine entsprechende Karte auf der Grundlage vorhandener Daten generiert worden. Entsprechend des Konzeptes der
„Marine Landscapes“ basiert die Definition und Abgrenzung der marinen Landschaftstypen auf abiotischen
Schlüsselparametern wie Tidehub, Sedimentstruktur, Salinität, Wassertiefe und anderen. Insgesamt wurden
für die Nordsee 9 und für die Ostsee 11 Typen abgegrenzt.
Mit der Karte der marinen Landschaftstypen wird erstmals ein konsistenter flächendeckender Überblick über
die naturräumliche Situation des Küstenmeeres und der AWZ der Nord- und Ostsee präsentiert. Sie kann für
übergeordnete Fragestellungen eine gute Orientierung liefern.
Offen ist allerdings die Frage der möglichen Funktionen, die marine Landschaftstypen in absehbarer Zeit im
deutschen Küsten- und Meeresbereich übernehmen können und sollen. Die Erhebung von Daten auf der Ebene
von (benthischen) Gemeinschaften entwickelt sich derzeit auch im marinen Bereich dynamisch, so dass eine
wesentliche Motivation zur Definition von Landschaftstypen, nämlich damit ökologische Informationen über
ansonsten „weiße Räume“ zu generieren, zumindest für die deutschen Meeresflächen in absehbarer Zeit
obsolet wird. Die Erfahrungen im Küsten- und zunehmend im Meeresbereich zeigen, dass Informationen auf
der Ebene der marinen Landschaftstypen in stärker genutzten Räumen, zu denen in Zukunft auch Teile der
AWZ gehören werden, nicht die Kartierung von Biotoptypen bzw. Gemeinschaften ersetzen können.
Im Rahmen des Vorhabens sind deshalb auch Vorarbeiten für eine flächendeckende Karte der Biotoptypen
entsprechend der Roten Liste der Biotoptypen der deutschen Nord- und Ostsee durchgeführt worden. Dabei
ist deutlich geworden, dass die verschiedenen in Deutschland angewendeten Systeme mariner Biotoptypen
vereinheitlicht und weiterentwickelt, gezielte Kartierungen nur fleckenhaft vorkommender Biotoptypen erfolgen und v.a. die verstreut vorliegenden Daten gesammelt und zusammen geführt werden sollten.
Anschrift der Verfasser:
Dr. Bastian Schuchardt
Tim Bildstein
Peter Rückert
BioConsult Schuchardt&Scholle GbR
Reeder Bischoff-Str. 54
28757 Bremen
Dr. Dieter Boedeker
Bundesamt für Naturschutz
Insel Vilm
18581 Putbus/Rügen
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Meeresüber wachung
Seevogelpopulationstrends in Nord- und Ostsee
Stefan Garthe
Seevögel sind gute Bioindikatoren für Veränderungen in marinen Ökosystemen. Entsprechend ist die Beschreibung und Analyse der Entwicklungen der Bestände brütender, durchziehender und überwinternder
Seevögel von besonderem Interesse und ermöglichet Hinweise auf Veränderungen der Meeresumwelt. Die
mehr als 35 regelmäßig in Nord- und Ostsee vorkommenden Seevogelarten haben unterschiedliche Brutverbreitungen, Wintervorkommen, Lebensraumansprüche und Ernährungsgewohnheiten. Durch die vergleichende Analyse der Bestandstrends der verschiedenen Vogelarten sind Hinweise auf Ursachen der Veränderungen möglich.
Im Vortrag soll vor allem auf Bestandsveränderungen in der Nordsee eingegangen werden. Dabei wird zum
einen auf die gesamte Nordsee, zum anderen kleinräumiger auf die deutsche Nordsee eingegangen. In
der Nordsee gab es in der Mitte des 20. Jahrhundert starke Bestandszunahmen fast aller Seevogelarten.
Spätestens seit den 1990er Jahren ist diese Zunahme bei den meisten Arten jedoch zum Halt gekommen
und einige Arten nehmen inzwischen wieder merklich ab. Bestandsrückgänge sind vor allem in der nördlichen Nordsee erkennbar, besonders auffallend sind zudem fast vollständige Brutausfälle vieler Arten auf
den Shetlands seit dem Jahr 2004. Längerfristige Bestandsrückgänge betreffen vor allem die fischereiabfallfressenden Vogelarten.
Zum Schluss soll ein Ausblick auf die laufenden Arbeiten zur Etablierung von Seevogel-Bestandsindizes für
die deutschen Nord- und Ostseegewässer gegeben werden.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Stefan Garthe
Forschungs- und Technologiezentrum Westküste
Hafentörn 1
25761 Büsum
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