Newsletter ArbG Frankfurt/Main vom 17.06.2009 – 7 Ca 1692/09 Eine als Kassiererin in einer Tankstelle angestellte Arbeitnehmerin muss nicht putzen Sachverhalt: Die Arbeitnehmerin arbeitete als Kassiererin in einer Tankstelle. Der Tankstellenbesitzer, der offenbar die Kosten für eine Reinigungskraft einsparen wollte, beauftragte die Arbeitnehmerin, den Boden des Geschäftsraumes und die Kundentoilette vollständig und regelmäßig zu reinigen. Der Arbeitgeber verwies darauf, dass die Arbeitnehmerin in der Vergangenheit schließlich bereits aushilfsweise Putztätigkeiten verrichtet habe. Außerdem, begründete der Arbeitgeber weiter, würden die Putztätigkeiten nur etwa 5 % der Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Die übrigen 95 % der Arbeitszeit werde die Arbeitnehmerin tatsächlich auch als Kassiererin beschäftigt. Die Arbeitnehmerin wendete sich mit einer Klage gegen die Arbeitsanweisung des Arbeitgebers, die Tankstelle zu putzen. Verfahrensgang: Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Aus den Entscheidungsgründen: Das Arbeitsgericht befand, die Arbeitnehmerin könne vom Arbeitgeber nicht zu Reinigungsdiensten kraft Ausübung des Direktionsrechts herangezogen werden. Vertraglich geschuldet sei laut Arbeitsvertrag ausschließlich eine Tätigkeit als Kassiererin, nicht hingegen auch andere Dienste. Reinigungsleistungen seien nicht vom typischen Tätigkeitsbild einer Kassiererin erfasst. Solange dies nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag bestimmt sei, könne die Arbeitnehmerin nicht verpflichtet werden, zu reinigen. Dass sie vormals auch Reinigungstätigkeiten verrichtet habe, sei unerheblich, da sie nunmehr ausschließlich als Kassiererin beschäftigt werde. Ebenso unerheblich sei der voraussichtliche zeitlich nur untergeordnete Umfang einer Reinigungstätigkeit. Fazit und Kommentar: Der Arbeitgeber kann bei der Ausübung seines Direktionsrechts in dem vereinbarten Rahmen die Verrichtung von Tätigkeiten in seinem Betrieb zuweisen, ggfs. auch durch Konkretisierung der Umschreibung oder auch durch Zuweisung von Nebentätigkeiten, die zwar nicht unter die Beschreibung der Tätigkeit fallen, aber typischerweise mit der geschuldeten Arbeit im Zusammenhang stehen. Darüber hinaus ist eine einseitige Zuweisung anderer Tätigkeiten in der Regel nicht möglich, jedenfalls nicht ohne Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen, etwa durch eine Änderungskündigung. Newsletter Q3/2009 1 Will der Arbeitgeber also ohne das Erfordernis einer Änderungskündigung (deren Wirksamkeit im Rahmen der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung unterliegt) den Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers ändern, muss er bei Abschluss des Arbeitsvertrags die Funktionsbezeichnung des Arbeitnehmers entsprechend weit gefasst formulieren. Zu beachten ist allerdings, dass sich dies später auch nachteilig auswirken kann: Will der Arbeitgeber nämlich eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen und muss er eine Sozialauswahl durchführen, kann sich diese durch unklar formulierte Funktionsbezeichnungen und weit formulierte Versetzungsvorbehalte wesentlich erweitern. Arnd Hüsch, LL.M. oec. Rechtsanwalt Associate LAG Niedersachsen vom 06.04.2009 – 9 Sa 1303/08 Keine Verpflichtung einer Küchenhilfe zur Reinigung der Sanitärbereiche einer Großküche Sachverhalt: Die Arbeitnehmerin arbeitete als Küchenhilfe in einer Großküche. Zu dieser gehörten neben dem Küchentrakt auch ein Sozialraum mit Sanitärbereich und Toiletten für die Beschäftigten. Der Arbeitgeber traf aus Kostengründen die unternehmerische Entscheidung, den Sanitärbereich nicht mehr durch eine externe Reinigungsfirma säubern zu lassen und ordnete an, dass die Reinigung des Sanitärbereichs turnusmäßig nun durch die Beschäftigten selbst zu erfolgen habe, was etwa täglich 45 Minuten Arbeitszeit in Anspruch nahm. Entgegen dieser Anordnung reinigte die Arbeitnehmerin den Sanitärbereich nicht, woraufhin sie abgemahnt und in der Folge gekündigt wurde. Hiergegen wendete sich die Klage der Arbeitnehmerin. Verfahrensgang: Die Klage der Arbeitnehmerin hatte in beiden Instanzen Erfolg. Aus den Entscheidungsgründen: Das Landesarbeitsgericht befand sowohl die Abmahnungen und in der Konsequenz auch die Kündigung der Arbeitnehmerin für unwirksam, weil diese zu Recht die Durchführung der Reinigungsarbeiten verweigert habe. Der Arbeitgeber habe dahingehend keine wirksame Anordnung erteilen können, dass der Sanitärbereich turnusmäßig durch die Mitarbeiter selbst zu reinigen sei. Bei der Ausübung des Direktionsrechts habe sich der Arbeitgeber im Rahmen des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsfeldes, hier also nach dem üblichen Tätigkeitsbereich einer Küchenhilfe zu richten. Zu deren Berufsbild gehören Spül- und Aufräumarbeiten sowie auch Reinigungsdienste. Dies beschränke sich aber auf die Küche. Die Toilettenreinigung könne der Arbeitgeber nicht von den Küchenhilfen verlangen. Ein mittelbarer Zusammenhang, der hierin bestehe, dass es sich um die zu der Großküche gehörenden Toiletten handele, reiche nicht aus. Newsletter Q3/2009 2 Fazit und Kommentar: Auch in dieser Entscheidung stellt das Landesarbeitsgericht klar, dass dem Direktionsrecht des Arbeitgebers Grenzen gesetzt sind. Interessant an der Entscheidung ist, dass es hier schwerpunktmäßig nicht auf das „Ob“ sondern auf das „Wo“ der angeordneten Tätigkeit ankam: Während die Arbeitnehmerin dem Grunde nach als Küchenhilfe zur Leistung von Reinigungsarbeiten verpflichtet war, konnte der Arbeitgeber dennoch deren Durchführung nur im unmittelbaren Küchenbereich selbst anordnen. Die Entscheidung macht deutlich, dass Arbeitgeber also selbst dann, wenn sie Reinigungsarbeiten dem Grunde nach anordnen dürfen, bei der Arbeitsvertragsgestaltung zusätzlich berücksichtigen müssen, ob nicht auch der räumliche Einsatzbereich des Mitarbeiters präzisiert und ggfs. ausdrücklich erweitert werden muss. Arnd Hüsch, LL.M. oec. Rechtsanwalt Associate LAG Düsseldorf vom 01.04.2009 – 4 TaBV 83/08 Keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Vereinbarung zum "Teamdress", wenn Filialen auch andere Farben vereinbaren können Sachverhalt: Die Arbeitgeberin betreibt eine Warenhauskette mit Filialen im gesamten Bundesgebiet und möchte in ihren Filialen unternehmenseinheitlich eine Arbeitskleidung einführen. Im Rahmen einer hierzu gebildeten Einigungsstelle schloss sie dazu am 01.02.2007 mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Teamdress“, die u.a. Regelungen zur Beschaffenheit, Ausgestaltung und Farbe der Kleidung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie hinsichtlich der Reinigungskosten enthält. Vereinbart wurde im Rahmen der Gesamtbetriebsvereinbarung „Teamdress“ aber auch, dass die jeweilige Filialgeschäftsführung und der jeweilige örtliche Betriebsrat einvernehmlich auch andere Farben für bestimmte Kleidungsstücke vereinbaren können. Die örtlichen Betriebsräte der Arbeitgeberin hielten die beschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung mit dem Hinweis für unwirksam, dass nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen nach dem in Frage stehenden Zweck der Maßnahme das begehrte Teamdress nicht auf örtlicher Ebene hätte vereinbart werden können. Der Arbeitgeber und der Gesamtbetriebsrat vertraten demgegenüber die Auffassung, Sinn und Zweck des Teamdresses sei der einheitliche Auftritt aller Mitarbeiter in sämtlichen Filialen. Die Mitarbeiter sollten für den Kunden sofort erkennbar sein und das Unternehmen im Sinne eines unternehmensweiten Wiedererkennungseffektes repräsentieren. Daher könne die Entscheidung für die Gestaltung der unternehmenseinheitlichen Arbeitskleidung nur zwingend einheitlich erfolgen, wodurch die sachliche Notwendigkeit einer Regelung auf Unternehmensebene und damit durch den Gesamtbetriebsrat gegeben sei. Newsletter Q3/2009 3 Verfahrensgang: Während das Arbeitsgericht Essen grundsätzlich von einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zur Regelung der Kleiderordnung in der erfolgten Weise ausging, stellte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf auf die Beschwerde der örtlichen Betriebsräte die Unwirksamkeit der abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung mangels Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fest. Die dagegen bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgenommen. Aus den Entscheidungsgründen: Das Landesarbeitsgericht führte aus, dass in Anwendung der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in dem vorliegenden Fall ausweislich des Zwecks und des konkreten Inhalts der in der Gesamtbetriebsvereinbarung “Teamdress“ enthaltenen Regelungen gerade keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates besteht. Es gehe vorliegend überhaupt nicht um das Recht des Arbeitgebers, durch die Anordnung des Tragens einer einheitlichen Arbeitskleidung das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens im Sinne der Gesichtspunkte des Corporate Identity bzw. des Corporate Design zu begründen bzw. zu fördern. Der Zweck eines unternehmenseinheitlichen Erscheinungsbilds in der Bekleidung wird nämlich durch die in der Gesamtbetriebsvereinbarung bestehende Möglichkeit aufgeweicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur unterschiedliche Farben in den einzelnen Warenhäusern, sondern danach sogar in den einzelnen Abteilungen desselben Warenhauses durch entsprechende Vereinbarungen auf örtlicher Filialebene tragen können. Mit fast schon nicht zu überbietender Deutlichkeit zeigt diese Möglichkeit, dass ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung nicht besteht. Fazit und Kommentar: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf stärkt hier die Rechte der örtlichen Betriebsräte ohne aber den Bedürfnissen des Arbeitgebers an einer unternehmenseinheitlichen Regelung unter den Gesichtspunkten Corporate Identity bzw. Corporate Design eine grundsätzliche Absage zu erteilen. Vielmehr wurde von Seiten des Gerichts zutreffend anhand des konkreten Inhalts der von dem Arbeitgeber selbst vereinbarten Regelungen ermittelt, ob tatsächlich eine Vereinbarung auf Ebene des Gesamtbetriebsrates getroffen werden muss. Gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat (nur) dann zuständig, wenn der Sachverhalt das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden kann. Sobald es aber möglich ist, den Sachverhalt auch auf der Ebene der örtlichen Betriebsräte zu regeln, ist der Gesamtbetriebsrat nicht mehr zuständig; eine Betriebsvereinbarung, die der Gesamtbetriebsrat abschließt, ist unwirksam. Jeder Betriebsrat kann allerdings gem. § 50 Abs. 2 BetrVG durch einen Beschluss den Gesamtbetriebsrat damit beauftragen, einen Sachverhalt für ihn zu regeln. Marcus Portz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Partner Newsletter Q3/2009 4 Hessisches LAG vom 22.04.2009 – 2 Sa 1689/08 Unwirksamkeit einer tarifvertraglichen Staffelung der Vergütungshöhe nach Lebensaltersstufen Sachverhalt: Der 1976 geborene Arbeitnehmer war bei dem Land Hessen beschäftigt. Die Höhe der Vergütung des Arbeitnehmers richtete sich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem Bundesangestelltentarifvertrag. Dieser sieht eine Vergütung gestaffelt nach dem Lebensalter des Arbeitnehmers vor; die Vergütung steigt mit dem Lebensalter. Durch ein Versehen des Arbeitgebers wurde der Arbeitnehmer statt wie zutreffend nicht mit der für ihn altersmäßig zutreffenden Vergütungsstufe bezahlt, sondern nach der Lebensaltersstufe „nach vollendetem 45. Lebensjahr“. Als dies bei dem Arbeitgeber auffiel, zog dieser dem Arbeitnehmer das (vermeintlich) zu viel ausbezahlte Entgelt bei künftigen Zahlungen ab und kürzte das Gehalt für die Zukunft entsprechend. Hiergegen richtete sich die Klage des Arbeitnehmers. Verfahrensgang: Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes Hessen ist bei dem Bundesarbeitsgericht anhängig. Aus den Entscheidungsgründen: Das Landesarbeitsgericht befand, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Zahlung von Vergütung nach der von ihm begehrten Lebensaltersstufe „nach Vollendung des 45. Lebensjahrs“. Denn die nach Lebensaltersstufen gestaffelte Vergütung sei wegen unmittelbarer Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, die auch nicht sachlich gerechtfertigt sei, unwirksam. Eine allein altersabhängige Entlohnung, die nicht an eine typisierte Berufserfahrung oder zumindest an ein fortschreitendes Dienstalter anknüpfe, sei vor dem Hintergrund des Verbots der Ungleichbehandlung aus Altersgründen nicht gerechtfertigt. Diese Betrachtung gelte auch vor dem Hintergrund sozialer Aspekte: Es gebe keine Erfahrungswerte, dass in höheren tariflichen Altersstufen besondere finanzielle Bedürfnisse der Arbeitnehmer auszugleichen wären und dass ein pauschaler Ansatz wie das Lebensalter ein objektiv geeignetes Differenzierungskriterium sei. Zudem würde dieses Kriterium bereits berücksichtigt, da verheiratete und unterhaltspflichtige Arbeitnehmer ohnehin besser gestellt seien. Rechtsfolge sei, so das Landesarbeitsgericht, dass der Arbeitnehmer gemäß der höheren Leistungsstufe zu vergüten sei. Nur eine Anpassung der Vergütung des klagenden Arbeitnehmers „nach oben“ sei geeignet, den Gleichbehandlungsanspruch des Arbeitnehmers zu gewährleisten. Fazit und Kommentar: Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Marburg hat das Hessische Landesarbeitsgericht das Altersstufensystem des BAT als unzulässige Ungleichbehandlung im Sinne des AGG bewertet. Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hierzu steht aus. Mit jüngstem Urteil vom 26.05.2009 (Az.: 1 AZR 198/08) hat das Newsletter Q3/2009 5 Bundesarbeitsgericht bezogen auf eine nach Alter gestaffelte Zahlung von Abfindungen aus einem Sozialplan im Übrigen entschieden, dass diese dort zulässig sei. Es entspreche einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden könnten, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohten, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlören. Ältere Arbeitnehmer hätten schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, seien also schutzwürdiger als jüngere Arbeitnehmer. Wie das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Fall entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Arnd Hüsch, LL.M. oec. Rechtsanwalt Associate ArbG Cottbus vom 11.03.2009 – 7 Ca 1499/08 Der Teufel steckt im Detail! Ohne Klarstellung bezieht sich ein Urlaubsantrag des Arbeitnehmers automatisch auf den Urlaubsanspruch aus dem laufendem Kalenderjahr Sachverhalt: Der langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger beantragte bei ihr Anfang des Jahres 2008, ihm für die Zeit vom 17.03.2008 bis zum 20.03.2008 Erholungsurlaub zu gewähren. Die Beklagte genehmigte umgehend den Urlaubswunsch. Ende Februar beendete der Kläger das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung, wobei zwischen den Parteien Streit hinsichtlich der einzuhaltenden Kündigungsfrist bestand. Mit seiner im Oktober 2008 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage verfolgte der Kläger u.a. noch die Abgeltung seines gesamten Jahresurlaubsanspruchs für das Kalenderjahr 2008 im Gesamtumfang von 30 Arbeitstagen. Zur Begründung seiner Klage führte der Kläger an, dass der volle Jahresurlaubsanspruch für das Jahr 2008 entstanden sei, den die Beklagte abzugelten habe. Soweit die Beklagte darauf verweise, dem Kläger im Kalenderjahr 2008 bereits Urlaub gewährt zu haben, habe es sich hierbei um den Resturlaub aus dem Kalenderjahr 2007 gehandelt, welcher in das Kalenderjahr 2008 übertragen und ihm auf seinen Antrag hin gewährt worden sei. Verfahrensgang: Die Klage hatte in Bezug auf den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch nur hinsichtlich eines Urlaubstages des Jahresurlaubsanspruchs 2008 Erfolg. Aus den Entscheidungsgründen: Das Arbeitsgericht Cottbus stellte fest, dass der Kläger aufgrund des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 31.03.2008 einen Teilurlaubsanspruch von insgesamt acht Urlaubstagen erworben hat, der ihm von der Beklagten im Umfang eines noch zu gewährenden Urlaubstages gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten ist, da eine weitere Urlaubsgewährung unmöglich geworden ist. Dem kann der Kläger Newsletter Q3/2009 6 nicht mit Erfolg entgegenhalten, es habe sich bei den von der Beklagten gewährten Urlaubstagen um Resturlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr 2007 gehandelt, denn grundsätzlich ist der Urlaubsanspruch auf das Kalenderjahr bezogen. Ob der Kläger Resturlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr 2007 in das Kalenderjahr 2008 mit hinübergenommen hat, kann damit im Ergebnis dahinstehen, denn der Arbeitnehmer, der die Freistellung von der Arbeitspflicht unter Anrechnung auf seinen Alturlaubsanspruch begehrt, muss als Gläubiger dieses Anspruchs dem Schuldner, also seinem Arbeitgeber gegenüber, eine Tilgungsbestimmung treffen, damit dieser zum einen prüfen kann, ob tatsächlich eine Übertragung des Urlaubsanspruchs stattgefunden hat und im Übrigen einzuschätzen weiß, auf welchen Anspruch hin er leistet. Wird eine solche Tilgungsbestimmung - wie im vorliegenden Fall - nicht getroffen, gilt der Urlaub als auf den aktuellen Anspruch hin beantragt und die Urlaubsgewährung auf den Jahresurlaubsanspruch des laufenden Kalenderjahres hin bezogen. Fazit und Kommentar: Diese Entscheidung verdeutlicht, dass bei dem Urlaubsantrag von Seiten des Arbeitnehmers Genauigkeit gefragt ist. Er muss deutlich machen, dass er erst seinen Resturlaub aufbrauchen möchte, bevor er die neu entstandenen Jahresurlaubstage in Anspruch nimmt. Im Übrigen stellt die Übertragung des Resturlaubs in das Folgejahr keinen Automatismus dar, sondern besteht nur unter der Voraussetzung eines Übertragungstatbestandes gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG (dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe), einer Vereinbarung oder der betrieblichen Übung. Tanja Becker Rechtsanwältin Associate BAG vom 05.08.2009 – 10 AZR 666/08 Gleichbehandlung von Arbeitnehmern bei freiwilligen Sonderzahlungen Sachverhalt: Auf eine Sonderzahlung für das Jahr 2005 i.H.v. € 300,00 brutto geklagt hatte ein in einer Druckerei beschäftigter Facharbeiter. Die beklagte Arbeitgeberin hatte ihren ca. 360 Arbeitnehmern im Rahmen ihres Standortsicherungskonzepts eine Änderung der Arbeitsbedingungen angetragen. Das Änderungsangebot sah u.a. eine unbezahlte Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden und den Entfall von Freischichten vor. Mit Ausnahme des Klägers und sechs weiteren Arbeitnehmern nahmen alle Arbeitnehmer das Änderungsangebot an. In einem Schreiben von Dezember 2005 teilte die beklagte Arbeitgeberin mit, dass alle Arbeitnehmer, mit denen sie Änderungsverträge geschlossen habe und die sich am 31.12.2005 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, eine einmalige Sonderzahlung i.H.v. € 300,00 brutto erhalten. Der Newsletter Q3/2009 7 Kläger hat gemeint, seine Arbeitgeberin habe ihm die Sonderzahlung nicht vorenthalten dürfen. Dies verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Verfahrensgang: Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Aus der Pressemitteilung: Ist ein Arbeitgeber weder vertraglich noch aufgrund kollektiver Regelungen zu Sonderzahlungen verpflichtet, kann er frei entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen er seinen Arbeitnehmern eine zusätzliche Leistung gewährt. Allerdings ist er an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden. Er darf einzelnen Arbeitnehmern nur aus sachlichen Kriterien eine Sonderzahlung vorenthalten. Stellt er sachfremd Arbeitnehmer schlechter, können diese verlangen, wie die begünstigten Arbeitnehmer behandelt zu werden. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber gegen das Maßregelungsverbot in § 612 a BGB verstößt und Arbeitnehmer von einer Sonderzahlung ausnimmt, weil diese in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt haben. Dem Kläger steht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz die beanspruchte Sonderzahlung zu. Zwar durfte die beklagte Arbeitgeberin bei der Sonderzahlung an sich die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen berücksichtigen, der Zweck der Sonderzahlung erschöpfte sich jedoch nicht in einer teilweisen Kompensation der mit den Änderungsverträgen für die Arbeitnehmer verbundenen Nachteile. Aus der Ausnahme von Arbeitnehmern, die sich am 31.12.2005 in einem gekündigten Arbeitsverhältnis befanden, wird deutlich, dass die beklagte Arbeitgeberin mit der Sonderzahlung auch vergangene und zukünftige Betriebstreue honorieren wollte. Fazit und Kommentar: Entsprechend hatte das Bundesarbeitsgericht erst kürzlich zu Lohnerhöhungen entschieden (Urteil vom 15.07.2009, Az: 5 AZR 486/08). Damals hatte das Unternehmen 14 Mitarbeiter von einer Lohnerhöhung ausgenommen, die ebenfalls ein Sanierungskonzept nicht mitgetragen hatten. Nach dem Urteil war dies rechtmäßig, weil der Arbeitgeber der sanierungsbereiten Mehrheit der Belegschaft ihren Verlust zumindest teilweise wieder ausgleichen wollte. Tanja Becker Rechtsanwältin Associate Newsletter Q3/2009 8 BAG vom 23.04.2009 – 6 AZR 189/08 Ein zufällig durch Zeugen mitgehörtes Telefongespräch ist im Prozess verwertbar Sachverhalt: Das beklagte Zeitarbeitsunternehmen kündigte der Klägerin innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Klägerin arbeitsunfähig. Die Klägerin hält die Kündigung für sittenwidrig und hat geltend gemacht, sie sei unmittelbar vor der Kündigung von der Personaldisponentin der Beklagten angerufen worden. Diese habe ihr gesagt, sie solle trotz der Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit kommen, andernfalls müsse sie mit einer Kündigung rechnen. Die Beklagte hat die behauptete Äußerung der Personaldisponentin bestritten. Für die Richtigkeit ihrer Behauptung hat sich die Klägerin auf das Zeugnis einer bei dem Telefonat anwesenden Freundin berufen, welche das Gespräch zufällig ohne ihr Wissen mitgehört habe. Das Arbeitsgericht hat die Personaldisponentin als Zeugin vernommen; eine Vernehmung der Freundin der Klägerin hat es abgelehnt, weil insoweit ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Verfahrensgang: Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Die Revision der Klägerin allerdings hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Sache wurde an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen. Aus den Entscheidungsgründen: Unter Zugrundelegung des Prozessvortrags der Klägerin würde die Kündigung eine nach § 612 a BGB unzulässige Maßregelung darstellen. Das Landesarbeitsgericht durfte dabei von der Vernehmung der Freundin der Klägerin als Zeugin nur absehen, wenn die Klägerin dieser zielgerichtet ermöglicht hatte, das Telefongespräch heimlich mitzuhören. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht bislang keine Feststellungen getroffen. Ermöglicht bei einem Telefongespräch einer der Gesprächspartner einer im Raum befindlichen weiteren Person zielgerichtet das Gespräch heimlich mitzuhören, indem er z.B. den Raumlautsprecher des Telefons anstellt oder das Gerät vom Ohr weghält, verletzt er das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung hat in diesen Fällen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, dass der heimlich Mithörende nicht als Zeuge zum Gesprächsinhalt des Telefonats vernommen werden darf. Dagegen besteht dann, wenn der Angerufene nichts dazu beigetragen hat, dass der Dritte das Telefongespräch mithören konnte, kein Beweisverwertungsverbot. Das Interesse des Angerufenen an der Durchsetzung seiner im Einzelfall auch grundrechtlich geschützten Rechte in einem gerichtlichen Verfahren sowie das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Rechtspflege und materiell richtigen Entscheidung überwiegen das Interesse des Anrufers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts. Newsletter Q3/2009 9 Fazit und Kommentar: Das Bundesarbeitsgericht bleibt weiterhin zurückhaltend bei der Annahme prozessualer Beweisverwertungsverbote. Zwar sind Beweismittel, die mittels einer bewussten Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Gegenübers erlangt worden sind, im Prozess nicht verwertbar. „Zufallsfunde“, die von dem Beweisführer nicht veranlasst worden sind, können demgegenüber im Prozess aber verwertet werden, ebenso Tatsachen, die zwar auf unzulässige Weise bekannt geworden sind, deren Vorliegen aber unstreitig ist. Das Interesse an einer objektiv richtigen Entscheidung wird demnach tendenziell höher gewichtet als die Persönlichkeitsrechte des Prozessgegners. Dr. Nathalie Oberthür Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht Partnerin BAG vom 25.03.2009 – 7 ABR 2/08 Prokura macht Arbeitnehmer in Stabsfunktion nicht zum „leitenden Angestellten“ Sachverhalt: Die beklagte Genossenschaftsbank hatte die Stelle des Leiters der Revisionsabteilung ausgeschrieben und mit dem Mitarbeiter R neu besetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte die organisatorische und personelle Verantwortung für den gesamten Bereich. Er wurde mit Prokura ausgestattet und war dem Vorstand unmittelbar unterstellt. Der Betriebsrat war der Auffassung, dass die Einstellung mitbestimmungspflichtig gewesen wäre und beantragte die Aufhebung der Einstellung. Verfahrensgang: Der Betriebsrat blieb in zwei Instanzen zunächst erfolglos. Auf die Rechtsbeschwerde hin wurde der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Aufklärung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Aus den Entscheidungsgründen: Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanzen allein die Erteilung der Prokura nicht dazu führte, dass der Revisionsleiter als leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen war. Für den Status eines leitenden Angestellten (im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn) ist neben der Verleihung der Prokura erforderlich, dass der Angestellte unternehmerische Führungsaufgaben wahrnimmt, die regelmäßig einem Prokuristen aufgrund der mit der Prokura verbundenen gesetzlichen Vertretungsmacht vorbehalten sind. Die dem Prokuristen obliegenden Führungsaufgaben dürfen sich nicht in der Wahrnehmung von Stabsfunktionen erschöpfen, da der Einfluss von Angestellten in Stabsfunktionen auf das Innen- Newsletter Q3/2009 10 verhältnis zum Unternehmer beschränkt ist und die Prokura deshalb für die Tätigkeit keine sachliche Bedeutung hat. Angestellte in Stabsfunktionen können allerdings bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen leitende Angestellte sein. Es war deshalb festzustellen, ob der Revisionsleiter insbesondere aufgrund der unternehmerischen Bedeutung der ihm zugewiesenen Aufgaben als leitend anzusehen war. Fazit und Kommentar: Die Eigenschaft als leitender Angestellter ist in der Praxis nur selten gegeben. Zwar werden Führungskräfte oftmals im Arbeitsvertrag als leitender Angestellter bezeichnet und mit formellen Kompetenzen und Vollmachten ausgestattet. Dies allein genügt allerdings nicht. Erforderlich ist zusätzlich, dass der Angestellte echten unternehmerischen Einfluss ausübt und entsprechend zu agieren befugt ist. Fehlt es daran, ist der leitende Status nicht gegeben, der Angestellte unterfällt dann dem uneingeschränkten Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats. Silke Ruttkamp Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Partnerin R | P | O Rechtsanwälte Im Mediapark 6 | 50670 Köln Telefon 02 21-35 50 51-0 Telefax 02 21-35 50 51-35 E-Mail [email protected] Internet www.rpo-rechtsanwaelte.de Newsletter Q3/2009 11