Quantitative BWL [Teil Finanzwirtschaft]

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Quantitative BWL [Teil Finanzwirtschaft]
Themenübersicht
1. Portfoliotheorie und Portfoliomodelle
1.1. Grundbegriffe: Rendite, Risiko, Wahrscheinlichkeitstheorie
1.2. Erwartungswert-Varianz-Portfoliotheorie
1.3. CAPM
1.4. Evaluierung von Finanzinstrumenten basierend auf CAPM
2. Optionen
2.1. Optionsbegriff
2.2. Bewertung von Optionen
2.2.1. Binomialbäume (Arbitragestrategien, AF-Bedingungen)
2.2.2. Black-Scholes Modell
2.3. Simulationen (plus möglicherweise Hedging)
1
Optionsbegriff
Option ist im Grunde ein Vertrag, welches das Recht verkörpert, ein bestimmtes Gut,
underlying, (z.B. Ware, Wertpapiere, etc.) zu bestimmten Vertragsbedingungen zu kaufen
(Kaufsoption – Call Option) bzw. zu verkaufen (Verkaufsoption – Put Option). Die
Vertragsbedingungen beziehen sich vor allem auf die Zeitperiode, in der das Recht besteht,
auf den Preis, zu dem der Kauf bzw. Verkauf durchzuführen ist, sowie natürlich die Menge
des unterliegenden Gutes, auf deren Kauf bzw. Verkauf das Recht besteht, etc.. In der Folge
werden sog. stock options behandelt, d.h. Optionen auf den Kauf bzw. Verkauf von Aktien
bzw. Firmenanteilen. Die Parallele zu anderen Optionsverträgen ist jedoch ganz eindeutig.
Außer der Unterscheidung, ob ein Kauf- bzw. Verkaufsrecht besteht, gibt es eine weitere
wichtige Unterscheidung, und zwar aus der Sicht der Zeitperiode, in der das Recht ausgeübt
werden kann. Dementsprechend gibt es sog. europäische Optionen (European options),
welche nur zu einem bestimmten Zeitpunkt T, und andererseits sog. amerikanische Optionen
(American options), welche in einem bestimmten Zeitintervall bis zu einem Zeitpunkt T
ausgeübt werden können. Beide Optionsarten werden sowohl in Europa als auch in Amerika
gehandelt. Die Bezeichnung hat im Grunde nichts mit der geografischen Anwesenheit der
Optionen zu tun.
Eine Option ist also im Grunde auch ein Wertpapier, welches entsprechend einen bestimmten
Wert hat. Daher kann die Option als solche selbst gekauft bzw. verkauft werden. Primär wird
ein Optionsvertrag zwischen dem Ausgeber (Writer) der Option und deren Käufer
abgeschlossen. Der Writer verkauft an den Käufer das Recht, zu bestimmten Bedingungen
eine bestimmte Menge von Aktien von ihm zu kaufen (Call) bzw. ihm zu verkaufen (Put).
Dabei geht er also eine Verpflichtung ein, dem Käufer (Optionsinhaber) die vereinbarte
Menge von Aktien zu den vereinbarten Vertragsbedingungen ihm zu verkaufen bzw. von ihm
zu kaufen. Hingegen treffen den Käufer (Optionsinhaber) keine Verpflichtungen. Dieser hat
gemäß seinem Willen die Möglichkeit das in der Option verkörperte Recht entweder
auszuüben (exercise the option) oder nicht. Daher kann die Option keinen negativen Wert
einnehmen, denn entweder ist die Ausübung des Rechtes für ihren Inhaber günstig
(gewinnbringend), dann übt er es wohl aus, oder es wäre für ihn ungünstig, so lässt er das
Recht einfach verfallen. Die Option kann daher ständig nur einen positiven Wert haben
2
(solange die Zeitperiode ihrer Ausübung noch nicht ganz verlaufen ist), daher muss der
Käufer bei dem Vertragsabschluss dem Writer der Option einen Preis zahlen.
Um eine höhere Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit zu verschaffen, wird nun eine klare
Notation definiert, die in weiterer Folge verwendet wird. Der in dem Optionsvertrag
festgelegte Preis, zu dem (European Option) bzw. bis zu dem (American Option) die Aktie zu
einem vereinbarten Zeitpunkt T gekauft werden kann (aus der Sicht von K) bzw. verkauft
werden muss (aus der Sicht von W), d.h. der Basispreis (exercise price), wird mit X
bezeichnet. Der Aktienwert (oder allgemein Wert des Unterlyings) zu einem beliebigen
Zeitpunkt t sei St bezeichnet. Der aktuelle Wert der Aktie ist daher S0 und deren Preis zum
Zeitpunkt T entsprechend ST. Für Preis der Option verwenden wir den Buchstaben C (call
option) bzw. P (put option).
Dementsprechend lassen sich die Zahlungsströme der beiden Vertragspartner, die aus der
Option resultieren, folgendermaßen darstellen.
Tabelle 1: Zahlungsströme einer Kaufsoption
3
Tabelle 2: Zahlungsströme einer Verkaufsoption
In der Grafik 10 sind die Erträge (Optionswerte zum Zeitpunkt T) von beiden
Vertragspartnern sowohl für den Fall einer Kaufs- als auch für den Fall einer Verkaufsoption
in Abhängigkeit von ST veranschaulicht. Dabei wurden die Werte X = 50 bzw. 70 und C = P
= 10 verwendet. 1
Call Option Payoffs
Put Option Payoffs
40
60
buyer
buyer
40
writer
writer
20
20
0
0
30
40
50
60
70
80
90
30
100
40
50
60
70
80
90
100
-20
-20
-40
-60
-40
Grafik 10: Optionserträge zum Zeitpunkt T in Abhängigkeit von ST
Es ist offensichtlich, dass der Writer einer Kaufsoption ein unbeschränktes Risiko eingeht, da
ja ST keine Oberschranke hat. Andererseits ist der potenzielle Verlust des Writers einer
1
Beachte bitte, dass in der Grafik 9 die Zahlungsströme für die Entrichtung des Preises beim Kauf bzw. Verkauf
der Option bereits einkalkuliert sind.
4
Verkaufsoption mit X eingeschränkt. Der Käufer kann außer dem für die Option entrichteten
Preis C bzw. P keinen Verlust mehr erleiden.
Die wahrscheinlich meist behandelte Frage bei Optionen ist die Bestimmung ihres Preises.
Wie viel ist das Recht überhaupt wert? Dies ist im Grunde keine triviale Frage. Aus Grafik 9
ist nämlich ersichtlich, dass der Ertrag, den der Optionsinhaber mit der Option erwirtschaften
kann, unendlich viele Werte einnehmen kann, in Abhängigkeit von ST. Daher sind für die
Ermittlung
des
Preises
wahrscheinlichkeitstheoretische
Überlegungen,
vor
allem
Informationen über die Verteilung des künftigen Aktienpreises, von Bedeutung. Zur
Ermittlung des Optionspreises wurden bereits einige Verfahren entwickelt. In der Folge
werden zwei davon präsentiert: a) Binomialbäume; b) Black-Scholes Modell. Bevor jedoch
diese beiden Methoden behandelt werden, machen wir uns einige Gedanken über die
Gegebenheiten von Optionspreisen.
Es ist ganz offensichtlich, dass der Ertrag, welchen der Optionsinhaber erwirtschaften kann,
linear abhängig von dem künftigen Wert der zugrundeliegenden Aktie ST ist. Aus diesem
Grund lassen sich aus Optionen und den ihnen zugrundeliegenden Aktien unter bestimmten
Bedingungen in geeigneter Weise risikolose Portfolios bilden, indem sich die Schwankungen
des künftigen Aktienpreises gemeinsam mit den daraus resultierenden Schwankungen des
Optionspreises gegenseitig kompensieren. Um mögliche Arbitragegewinne auszuschließen,
müssen risikolose Portfolios im Grunde eine dem risikolosen Zinssatz entsprechende Rendite
bieten. Basierend auf diesen simplen Überlegungen lässt sich bereits Einiges über die
Optionspreise aussagen. Gehen wir dies also näher an!
Um die Nebenbedingungen zu bestimmen, welche mögliche Arbitragegewinne ausschließen,
repliziert man üblicherweise eine risikolose Investmentstrategie. Anschließend kann man die
entsprechenden Schranken ableiten, die die Strategie arbitragefrei stellen. Schauen wir uns
nun eine von möglichen Strategien an:
Zum Zeitpunkt t = 0:
•
Kaufe eine Aktie
•
„Schreibe“ (gebe heraus) eine Kaufsoption
•
Nehme einen Kredit in der Höhe des Kapitalwertes von dem Basispreis der Option X
5
Zum Zeitpunkt t = T
•
Zahle den Kredit zurück
•
Verkaufe die Aktie
•
Erfülle die Verpflichtungen, falls der Optionsinhaber die Option ausübt
Tabelle 3: Struktur von Strategie 1
Da der Cash Flow zum Zeitpunkt T stets nicht positiv ist, muss in einer arbitragefreien Welt
der Cash Flow zum Zeitpunkt 0 nicht negativ sein, daher muss also gelten:
− S 0 + Xe − rT + C ≥ 0 ⇔ C ≥ S 0 − Xe − rT
(1)
Außerdem darf der Wert der Option nicht negativ sein, da diese ein Recht darstellt, welches
für den Optionsinhaber schließlich nur zu nicht negativen Cash Flows führen kann. Daher
muss also für eine Kaufsoption im allgemeinen gelten:
C ≥ max(S 0 − Xe − rT , 0)
(2)
Allein basierend auf dem Arbitrageargument kann man also leicht eine Unterschranke für den
Preis einer Kaufsoption bestimmen. Die Bedingung (62) ist besonders interessant bezüglich
der Beurteilung von dem Preis von amerikanischen Kaufsoptionen, d.h. solchen, welche nicht
nur zu T sondern auch vor T ausgeübt werden können. Würde man nämlich die Option zu
einem Zeitpunkt t < T ausüben, wäre der entsprechende Gewinn St – X. Nun lässt sich die
Ungleichung (62) für ein beliebiges t folgendermaßen erweitern
6
Ct ≥ max(S t − Xe − r (T −t ) , 0)
(3)
Aus (63) ist nun ersichtlich, dass der aktuelle Wert einer Kaufsoption bei t < T ständig höher
ist als der Gewinn, den man durch das Ausüben der Option erzielen könnte. Daher ist es
günstiger die Option zu verkaufen, als sie auszuüben. Optimalerweise wird also eine
Kaufsoption immer erst zu T, falls überhaupt, ausgeübt. Aus diesem Grund ist der Wert eines
amerikanischen Calls äquivalent mit dem eines europäischen Calls und kann somit in der
gleichen Weise bewertet werden.
Basierend auf dem No-Arbitrage-Argument kann man leicht auch die Unterschranke für eine
Verkaufsoption bestimmen. Nehmen wir nun folgende Strategie an:
Zum Zeitpunkt t = 0:
•
Borge eine Aktie aus und verkaufe sie (short selling of one share of stock)
•
„Schreibe“ (gebe heraus) eine Verkaufsoption
•
Lege den Kapitalwert von dem Basiswert der Option auf ein Konto in der Bank
Zum Zeitpunkt t = T
•
Kaufe eine Aktie und gebe sie zurück
•
Hebe das Geld von dem Konto ab
•
Erfülle die Verpflichtungen, falls der Optionsinhaber die Option ausübt
Tabelle 4: Struktur von Strategie 2
7
Davon lässt sich nun leicht die Unterschranke für den Wert einer Verkaufsoption ableiten:
P ≥ max( Xe − rT − S 0 , 0)
( 4)
Kombiniert man geeignet eine Kaufs-, eine Verkaufsoption und die Aktie selbst in einer
Strategie, resultiert daraus ein interessanter und bedeutender Zusammenhang, welches in der
Finanzwelt als Put-Call-Parity bezeichnet wird. Die entsprechende Strategie ist die folgende:
Zum Zeitpunkt t = 0:
•
Borge eine Aktie aus und verkaufe sie (short selling of one share of stock)
•
„Schreibe“ (gebe heraus) eine Verkaufsoption
•
Lege den Kapitalwert von dem Basiswert der Option auf ein Konto in der Bank bzw.
kaufe eine Anleihe in dieser Höhe
•
Kaufe eine Kaufsoption
Zum Zeitpunkt t = T
•
Kaufe eine Aktie und gebe sie zurück
•
Hebe das Geld von dem Konto ab
•
Übe das Recht aus der Kaufsoption aus und erfülle die Verpflichtungen, falls der
Optionsinhaber die Verkaufsoption ausübt
Tabelle 5: Struktur von Strategie 3
8
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die Strategie künftige Cash Flows von Null hat,
unabhängig von dem künftigen Aktienpreis ST. Daher muss auch der Cash Flow zum
Zeitpunkt t = 0 einen Wert von Null betragen.
− C − Xe − rT + P + S 0 = 0 ⇔ P = C + Xe − rT − S 0
( 5)
Die Gleichung (64) verkörpert ein eindeutiges Verhältnis zwischen dem Preis einer Kaufsund dem einer Verkaufsoption. Daher lässt sich P als eine Funktion von C ausdrücken.
Es ist nun offensichtlich, dass sich basierend auf dem No-Arbitrage-Argument durch die
Bildung unterschiedlicher geeigneter Investmentstrategien wertvolle Aussagen über die
Gegebenheiten der Optionspreise treffen lassen. Von Bedeutung ist auch die Konvexität der
Optionspreise, sowohl von einem Call als auch von einem Put, im Bezug auf den Basispreis
(exercise price), solange alle anderen Bedingungen identisch bleiben. Für den Beweis dieser
Eigenschaft basierend auf dem No-Arbitrage-Argument siehe bitte Benninga, Seiten 248 und
249.
Bewertung von Optionen
Wie
bereits
angesprochen
steht
die
Bewertung
von
Optionen
im
Kern
der
Optionsproblematik. Zu diesem Zweck werden in der Praxis mehrere Verfahren bzw.
Techniken angewandt. Im Rahmen des Kurses werden zwei bekannteste von diesen verfahren
kurz erläutert und schließlich an realen Beispielen appliziert. Die Bewertung anhand von
Binomialbäumen und das Black-Scholes Modell.
Binomialbäume zur Bewertung von Optionen
Der große Vorteil des Binomialmodells zur Bewertung von Optionen besteht vor allem in
seiner Einfachheit und seiner Anwendbarkeit auch bei der Bewertung von etwas
komplizierteren Finanzkonstrukten. Anstatt die gesamte Verteilung des künftigen
Aktienpreises als stetiger Variable in stetiger Zeit zu betrachten, wird die Zeit diskretisiert
und die möglichen Realisierungen jedes in der nächsten Periode aufzutretenden Preises auf
zwei Werte eingeschränkt. Dadurch entsteht ein leicht handelbares und programmierbares
9
Modell, welches bei kleiner Länge der einzelnen Zeitperioden relativ zufriedenstellende
Ergebnisse liefert.
Schauen wir uns nun ein einfaches Beispiel an! Angenommen es wird nur eine Zeitperiode
betrachtet, zwischen 0 und T. Der aktuelle Aktienpreis S0 ist bekannt, angenommen er liegt
bei 100. Auf den Kauf von einer Aktie wird nun ein europäischer Optionsvertrag
abgeschlossen (Call), wobei der Zeitpunkt der Optionsausübung (exercise date) auf T und der
Basispreis (exercise price) auf X = 100 fixiert wird. Wir nehmen an, dass der Aktienpreis zum
Zeitpunkt T entweder bei 112 (Up-state) oder bei 96 (Down-state) liegen wird. Alle anderen
möglichen Werte werden ausgeschlossen. Dies stellt eine große Vereinfachung der
Problematik dar, jedoch auf Kosten der Repräsentativität des Modells im Bezug auf die
Realität. Wir wollen nun unter diesen vereinfachten Bedingungen die Option bewerten, d.h. C
bestimmen.
Schauen wir uns vorher das Problem grafisch an. Die Grafik 11 liefert einen entsprechenden
Anblick.
Aktienpreis
112
100
96
Optionspreis
12
C
0
Grafik 11: Binomiale Entwicklung des Aktien- und Optionspreises (1 Periode)
Wegen der Vereinfachung auf zwei Fälle kann man nun die Bewertung leicht durchführen,
indem man ein Portfolio aus Optionen und Aktien bildet, welches unabhängig von der
Entwicklung des Aktienpreises in T den gleichen Wert einnimmt, also ein risikoloses
Portfolio. Angenommen das Portfolio enthält eine Option, d.h. das Recht zum Ankauf von
einer Aktie. Die Anzahl von Aktien n, welche das Portfolio risikolos stellt ist einfach
auszurechnen. Zu diesem Zweck braucht man nur die beiden Ausgänge bei „Up“ bzw.
„Down“ gleichsetzen.
max(ST − X ,0) + ST n = max(ST
up
up
down
− X ,0) + ST
3
(112 − 100) + 112n = 0 + 96n ⇒ n = −
4
down
n
(6)
10
Was sind nun die Werte von einem solchen Portfolio zu den Zeitpunkten t = 0 und t = T?
π 0 = C + S0 n
π T = max(ST − X ,0) + ST n = max(ST
up
up
down
− X ,0) + ST
down
n
(7)
Da das Portfolio risikolos ist, muss es laut dem No-Arbitrage-Argument eine der risikolosen
Verzinsung entsprechende Rendite r bieten. In so einem Fall muss also gelten:
π 0 = e − rT π T ⇒ C = e − rT [max(ST − X ,0) + ST n ] − S 0 n
up
up
(8)
Angenommen die stetige Rendite eines risikolosen Finanztitels (etwa einer Staatsanleihe)
beträgt r = 5% p.a. und T = 1 Jahr. Dann gilt für C
⎡
⎛ 3⎞
⎛ 3 ⎞⎤
C = e −0 , 05 ⎢max(112 − 100,0) + 112⎜ − ⎟⎥ − 100⎜ − ⎟ ⇒ C ≈ 6,51
⎝ 4⎠
⎝ 4 ⎠⎦
⎣
(9)
Der Optionspreis müsste hier also 6,51 betragen, um jegliche Arbitragegewinne zu
vermeiden.
Versuchen wir nun das Verfahren etwas verallgemeinern. Angenommen der künftige Preis ST
ist entweder S0(1+u), der „Up“ Zustand oder S0(1+d), der „Down“ Zustand. Der Wert der
Option im „Up“ Zustand bezeichnen wir nun vereinfachend mit Cu und im „Down“ Zustand
mit Cd. Für ein risikoloses Portfolio, welches 1 Option und n Aktien enthält, muss also
folgendes gelten:
Cu + nS 0 (1 + u ) = C d + nS 0 (1 + d )
(10)
Dabei sind Cu und Cd natürlich folgendermaßen bestimmt
Cu = max[S 0 (1 + u ) − X , 0]
und
Cd = max[S 0 (1 + d ) − X , 0]
(11)
Aus (70) lässt sich n leicht bestimmen:
n=
C d − Cu
S 0 (u − d )
(12)
11
Der Wert eines solchen Portfolios zum Zeitpunkt t = 0 beträgt π0 = C + nS0. Da das Portfolio
risikolos ist, muss seine Rendite wiederum der des risikolosen Finanztitels r entsprechen. Bei
stetiger Betrachtung muss also gelten
π 0 = e − rT π T
(13)
Setzt man nun für π0 und πT, siehe (69), ein, kommt folgendes für C heraus:
e rT − (1 + d )
(1 + u ) − e rT
C = Cu rT
+ Cd rT
e (u − d )
e (u − d )
(14)
Hätte man r nicht als stetig betrachtet, dann müsste für C folgender Zusammenhang gelten
C = Cu
u−r
r−d
+ Cd
(1 + r )(u − d )
(1 + r )(u − d )
(15)
Dies entspricht dem Ergebnis in Benninga, Kapitel über „state prices“ ab Seite 254. In der
gleichen Weise könnte man leicht auch den Preis einer Verkaufsoption bestimmen, indem
man ein risikoloses Portfolio aus einer Verkaufsoption und einer geeigneten Anzahl von
Aktien bildet. Dies führt im Grunde zu dem gleichen Ergebnis,
e rT − (1 + d )
(1 + u ) − e rT
P = Pu rT
+ Pd rT
e (u − d )
e (u − d )
(16)
Wobei natürlich die Werte von Pu und Pd ähnlich, wie bei einem Call, jedoch im
umgekehrten Sinn, siehe (71), definiert sind
Pu = max[ X − S 0 (1 + u ), 0]
und
Pd = max[ X − S 0 (1 + d ), 0]
(17)
Das eben behandelte Binomialmodell war offensichtlich nur ein 1-Perioden-Modell, d.h. die
Zeit bis zum Zeitpunkt der Optionsausübung wurde als nur eine einzige Periode betrachtet.
Nehmen wir an, die Zeit zwischen 0 und T wird in zwei Perioden der gleichen Länge geteilt.
Dabei wird angenommen, dass sich der Aktienpreis in jeder der beiden Perioden entweder mit
dem Faktor 1 + u („Up“ Zustand) oder mit dem Faktor 1 + d („Down“ Zustand) verändert.
Gleichzeitig nehmen wir nun zur Vereinfachung für beide Perioden den gleichen risikolosen
12
Zinssatz r an. Der Zeitpunkt der Optionsausübung sei nun wiederum T, hier also der
Endzeitpunkt der zweiten Periode. Der Einfachheit halber wird das Modell anhand einer
europäischen Kaufsoption erklärt. Für eine amerikanische Kaufsoption gilt, wie bereits
erklärt, der gleiche Preis. Die Bewertung eines europäischen Puts müsste basierend auf dem
folgenden Modell für den europäischen Call leicht abzuleiten sein. Die spezifischen
Gegebenheiten des einzig unterschiedlichen Falls eines amerikanischen Puts werden später
etwas näher erläutert.
Laut Annahen kann die Entwicklung des Aktienpreises und des Optionspreises von 0 zu T für
einen europäischen Call folgendermaßen dargestellt werden (siehe Grafik 12).
Aktienpreis
So(1+u)^2
So(1+u)
So
So(1+u)(1+d)
So(1+d)
So(1+d)^2
Optionspreis
Cuu
Cu
C
Cud = Cdu
Cd
Cdd
Grafik 12: Binomiale Entwicklung des Aktien- und Optionspreises (2 Perioden)
Nun, da für die Option der Basispreis X bekannt sein muss, sind die Optionswerte zum
Zeitpunkt der Ausübung (t = T), also Cuu, Cud bzw. Cdu und Cdd bekannt. In jedem der Fälle ist
der Optionspreis folgendermaßen bestimmt
Cij = max(ST ,ij − X ,0)
(18)
Dabei steht die Notation von i und j für die sich in den Perioden ergebenden Zustände „Up“
bzw. „Down“, die im Einzelfall aufgetreten sind. Der Optionspreis am Ende der zweiten
Periode ist also für jedes mögliche Szenario bekannt. Um den Optionspreis (bzw.
Optionspreise für alle mögliche Szenarien) für eine Periode zuvor d.h. Ende der ersten
Periode, zu bestimmen, kann man das gleiche Verfahren wie bei dem 1-Perioden-Modell
anwenden. Falls nämlich die Option morgen entweder den Wert Cu oder den Wert Cd haben
13
wird, falls der Aktienpreis von heute sich mit dem Faktor 1 + u oder mit dem Faktor 1 + d
verändert, so muss der heutige Optionspreis laut dem bereits besprochenen No-ArbitrageArgument die Gleichung (74), bzw. (75) bei nicht stetiger Betrachtung von r, erfüllen.
Dadurch ist also z.B. der Preis Cu folgendermaßen bestimmt:
e rT / 2 − (1 + d )
(1 + u ) − e rT / 2
Cu = Cuu rT / 2
+ Cud rT / 2
e (u − d )
e (u − d )
(19)
Gleichfalls lässt sich also auch der Wert Cd ausrechnen. Falls beide möglichen Optionswerte
für das Ende der ersten Periode bekannt sind, kann man auf die gleiche Weise gemäß (74) den
heutigen Optionspreis, zu t = 0, bestimmen.
Eine wichtige Tatsache in diesem Zusammenhang ist es wohl, dass der aktuelle Optionspreis
nur über die möglichen Optionspreise der Folgeperiode von dem aktuellen Aktienpreis
abhängig ist. Sind diese bekannt, dann ist für die Bewertung der Option nur die prozentuelle
Änderung des Aktienpreises für beide mögliche Szenarien und der risikolose Zinssatz
ausschlaggebend, nicht aber direkt der aktuelle Aktienpreis selbst. Dies ist im Grunde ganz
plausibel, denn seitdem das risikolose Portfolio nur aus Aktien und den
zugehörigen
Optionen besteht, und die Rendite des Aktienanteils in den zwei möglichen Fällen allein
durch u und d bestimmt ist, muss die Rendite des Optionsanteils in beiden Fällen solche
Werte betragen, so dass schließlich die Rendite des gesamten Portfolios in beiden Fällen
gleich ist und gleichzeitig der risikolosen Rendite r entspricht. Ist die Rendite klar definiert, so
ist durch die Bekanntheit des künftigen Optionspreises automatisch der aktuelle Optionspreis
bestimmt.
Nun muss man sich natürlich keineswegs auf zwei Perioden beschränken, da stückweise für
jede einzelne Periode das gleiche Verfahren zur Bestimmung des je früheren Optionspreises
verwendet werden kann und somit durch „backward induction“ von dem Zeitpunkt T (Ende
der letzten Periode) bis zu dem Zeitpunkt 0 (Anfang der ersten Periode, also heute) der
aktuelle Optionspreis bestimmt werden kann, wobei man das Zeitintervall von 0 zu T auf
beliebig viele n Perioden der Länge T/n teilen kann.
Selbstverständlich kann man die gesamte Berechnung weitaus simplifizieren. Von der ersten
bis zu der n-ten Periode kann entweder 0, 1, 2, … oder n Mal der Zustand „Up“ auftreten und
14
mit umgekehrter Anzahl n - # „Up“ Zustände der Zustand „Down“ auftreten. Da wegen der
Kommutativeigenschaft (xy = yx) der Multiplikation die Reihenfolge des Auftretens der
Zustände keine Rolle spielt, kommt es für die Anzahl der möglichen Ausgänge am Ende der
n-ten Periode (t = T) nur auf die Anzahl der „Up“-s bzw. „Down“-s, daher gibt es also n + 1
mögliche Ausgänge. Jeder der Ausgänge, der bei der Anzahl von „Up“-s gleich i resultiert,
wird dabei in
⎛⎜ n ⎞⎟
⎝i⎠
der insgesamt
2 n Fälle erreicht. Angenommen, wir bezeichnen die
Faktoren mit denen die sich in der je folgenden Periode ergebenden Optionspreise Cu und Cd
im Rahmen der Gleichung (74) multipliziert werden, entsprechend mit qu und qd. 2 Jeder
mögliche Ausgang fließt, multipliziert bei der sukzessiven Anwendung von (74) i Mal mit
dem entsprechenden Faktor qu und n – i Mal mit dem Faktor qd, wegen dessen mehrfachen
Auftretens,
⎛⎜ n ⎞⎟
⎝i⎠
Mal in den aktuellen Optionspreis hinein. Daher lässt sich der Optionspreis
vereinfachend mit folgender Gleichung ausdrücken:
n ⎛n⎞
i
n −i
C = ∑ ⎜⎜ ⎟⎟qu qd max[S 0 (1 + u ) i (1 + d ) n −i − X , 0]
i =0
⎝i⎠
(20)
Es folgt automatisch für den Wert einer Verkaufsoption
⎛ n ⎞ i n −i
P = ∑ ⎜⎜ ⎟⎟qu qd max[X − S 0 (1 + u ) i (1 + d ) n−i , 0]
i =0
⎝i⎠
n
(21)
Bei der Bewertung einer amerikanischen Option dürfte man im Grunde die sukzessive
Methode von „backward induction“ nicht durch diese aggregierte Variante ersetzen. Denn
man müsste ja in jeder einzelnen Periode, auf jeder einzelnen Stufe die Möglichkeit der
Optionsausübung betrachten. Wäre nämlich der mögliche Gewinn von der sofortigen
Optionsausübung höher als der aktuelle Optionspreis, würde man in der entsprechenden
Periode die Option ausüben. Daher müsste der Optionspreis für den entsprechenden Knoten
des Baumes also in der Höhe des möglichen sofortigen Ausübungsgewinns und nicht in der
Höhe des im Falle einer künftigen Ausübung bestehenden Wertes angesetzt werden. Auf eine
amerikanische Kaufsoption hat diese Überlegung im Grunde keine Auswirkung, da der
2
Diese Notation entspricht genau der in Benninga. Hinweis: Benninga behandelt die risikolose Rendite zuerst in
diskreter (nicht stetiger Form)!
15
aktuelle Wert der Option immer höher ist als der potentielle Gewinn durch ihre sofortige
Ausübung. Daher gilt für den Preis eines amerikanischen Calls die Gleichung (80),
entsprechend dem Preis eines europäischen Calls. Bei der Bewertung eines amerikanischen
Puts müsste man jedoch dieses sukzessive Vergleichen der beiden Werte (intrinsischer Wert
der künftigen Ausübung und potentieller Gewinn aus sofortiger Ausübung) auf jeder
einzelnen Stufe des Binomialbaumes mitbetrachten. Daher gilt die vereinfachte Formel (81)
für den Preis einer amerikanischen Verkaufsoption nicht.
Das Verfahren zur Bewertung von Optionen anhand des eben vorgestellten Binomialmodells
kann leicht programmiert werden. Siehe die Kapitel 14.5 und 14.6 in Benninga.
Noch eine kurze Erläuterung zur richtigen Implementierung von u und d
Es stellt sich nun die Frage, welche Werte von u bzw. d man bei der Bewertung einer Option
heranziehen sollte. Hiefür gibt es im Grunde mehr Möglichkeiten. Da wir bereits bei der
Messung der Rendite von Finanztiteln eine stetige Änderung des Aktienpreises angenommen
haben, würde ich nun gerne bei dieser Ansicht bleiben. Außerdem scheint diese Annahme im
Bezug auf die reale Welt besonders gut zuzutreffen. Entsprechend haben wir bei der Messung
der Performance von Finanztiteln die durchschnittliche stetige Rendite sowie ihre Volatilität
ermittelt. Nun kann man diese beiden Werte nutzen, um u und d möglichst plausibel zu
wählen. Meiner Meinung nach ist wohl die am meisten geeignete Variante die Folgende:
u = e ( μ −σ
d =e
2
/ 2 ) Δt +σ
Δt
( μ −σ 2 / 2 ) Δt −σ
Δt
−1
−1
(22)
Dabei entspricht Δt der Länge einer Periode (entsprechend dem Binomialmodell), d.h. falls
die gesamte Dauer von t = 0 (heute) bis t = T (Zeitpunkt der Optionsausübung) in n gleiche
Perioden geteilt wird dann Δt = T/n. μ und σ repräsentieren hier die erwartete stetige Rendite
der Aktie und die Volatilität der Rendite pro eine Zeiteinheit (üblicherweise 1 Jahr)
entsprechend. Diese Werte werden also gemäß der eigentlichen Periodenlänge Δt angepasst.
Die genaue Herleitung der Ausdrücke in (82) unterliegt der Annahme, dass der Aktienpreis
einem geometrischen Wiener Prozess folgt. Dies scheint der Realität besonders nah zu
entsprechen (diese Eigenschaft wird in der Folge vor allem im Zusammenhang mit der
16
Lognormalverteilung von Aktienpreisen sowie dem darauf beruhenden Black-Scholes-Modell
näher diskutiert).
Black-Scholes-Modell
Lognormalverteilung von Aktienpreisen
Die Entwicklung des Aktienpreises ist unsicher und daher auch jeder künftige Wert, den der
Aktienpreis annimmt. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist nun die folgende:
Wie ist der künftige Aktienpreis verteilt? In der Praxis wird meistens angenommen, dass der
Aktienpreis einer Lognormalverteilung gehorcht. Diese Eigenschaft stammt im Grunde
automatisch aus einer anderen ganz elementaren Annahme, welche im Grunde die Realität
besonders gut widerspiegelt und zwar, dass der Aktienpreis einen geometrischen Wiener
Prozess verfolgt, d.h.
dS = μSdt + σSdz
(23)
Dabei ist z eine normalverteilte Variable mit Erwartungswert 0 und Varianz dt. Die
stochastische Differentialgleichung impliziert, dass die erwartete Rendite (einfach gemessen
und nicht stetig!) von S in dem Zeitintervall dt einen Erwartungswert μdt und die Varianz σ2dt
hat, d.h. die μ und σ repräsentieren den Erwartungswert der einfachen Rendite pro eine
Zeiteinheit (üblicherweise 1 Jahr) und ihre Standardabweichung, entsprechend. Dies wird
ganz offensichtlich, falls man die Gleichung (83) in folgender Form schreibt
dS
= μdt + σdz
S
(24)
Unter der Annahme, dass der Aktienpreis einen geometrischen Wiener Prozess verfolgt, kann
nun gezeigt werden, dass der künftige Aktienpreis im Grunde lognormalverteilt ist bzw., dass
der natürliche Logarithmus des künftigen Aktienpreises normalverteilt ist. Diesen Beweis
kann leicht über einen kleinen Trick durchführen. Führen wir erstens eine Variable ein,
welche im Grunde eine deterministische Funktion des Aktienpreises ist, konkret ihr
natürlicher Logarithmus, also
G = ln S .
Nach der Anwendung Ito’s Lemma können wir
nach einigen Umformungen über den Prozess der Variable G folgende Aussage treffen
17
σ2⎞
⎛
dG = ⎜ μ − ⎟dt + σdz
2 ⎠
⎝
(25)
Aus der Gleichung (85) folgt dann automatisch
d ln S = ln S t + dt
⎛ S t + dt ⎞ ⎛
σ2⎞
⎟⎟ = ⎜ μ − ⎟dt + σdz
− ln S t = ln⎜⎜
S
2 ⎠
⎝ t ⎠ ⎝
(26)
Dies ist eine wichtige Feststellung, denn es besagt genau die Verteilung des künftigen
Aktienpreises St+dt
ln S t + dt
⎤
⎡
σ2⎞
⎛
2
~ N ⎢ln S t + ⎜ μ −
⎟dt , σ dt ⎥
2 ⎠
⎝
⎦
⎣
(27)
Oder etwa, anders geschrieben, über die Verteilung der stetigen Rendite des Aktienpreises
⎛ S t + dt ⎞
⎡⎛
⎤
σ2⎞
⎟⎟ ~ N ⎢⎜ μ − ⎟dt , σ 2 dt ⎥
ln⎜⎜
2 ⎠
⎣⎝
⎦
⎝ St ⎠
(28)
Aus (87) ist ersichtlich, dass der künftige Aktienpreis lognormalverteilt ist, denn die
Definition einer lognormalverteilten Variable besagt, dass der natürliche Logarithmus der
Variable normalverteilt ist. Gemäß (88) ist die stetige Rendite der Aktie normalverteilt.
Um nun wirklich zu einem Ausdruck für den künftigen Aktienpreis (und nicht nur für seinen
Logarithmus) zu kommen, kann man (86) leicht umformen, so dass
S t + dt
⎤
⎡⎛
σ2⎞
= S t exp ⎢⎜ μ −
⎟dt + σdz ⎥
2 ⎠
⎦
⎣⎝
(29)
Oder etwa in der Form
S t + dt = S t e
Y
wobei
σ2 ⎞
⎛
Y = ⎜μ −
⎟dt + εσ dt
2 ⎠
⎝
und
ε ~ N (0,1)
(30)
18
Dies ist die Grundlage für die Simulation der Entwicklung der Aktienpreise! Es bleibt nur
noch μ und σ für eine konkrete Aktie zu ermitteln (dies wird grundsätzlich anhand der
historischen Entwicklung des entsprechenden Aktienpreises gemacht), um die möglichen
Trajektorien des Aktienpreises S simulieren zu können. Wie bereits erwähnt repräsentiert μ
den Erwartungswert der einfachen Rendite des Aktienpreises, daher sei der Wert auch
entsprechend von den historischen Daten zu ermitteln. Oder man kann direkt den Wert μ –
σ2/2 bestimmen, indem man den Mittelwert der stetigen Rendite des Aktienpreises berechnet. 3
Die Volatilität σ ist gemäß (84) und (88) gleich sowohl bei einfacher als auch bei stetiger
Rendite. Meine Empfehlung ist, zur Vereinfachung immer die stetige Rendite für die
einzelnen historischen Beobachtungen zu ermitteln, und anschließend einfach deren
Mittelwert und Standardabweichung. Selbstverständlich müssen die Werte schließlich an die
gewählte Periodenlänge Δt angepasst werden. Die zwei daraus resultierenden Variablen
repräsentieren dann den Erwartungswert und Standardabweichung der Zufallsvariable Y in
(90), welche dann zur Simulation der Entwicklung von S genutzt wird.
Bevor wir nun tatsächlich eine Simulation der Aktienpreise durchführen, schauen wir uns eine
empirische Entwicklung eines Aktienpreises an und die Verteilung seiner Rendite. Obwohl in
dem File aktienkurse.xls nur 36 Beobachtungen für jede Aktie zur Verfügung stehen, was
eigentlich sehr wenig ist, um die Verteilung in der gesamten Grundgesamtheit zu erahnen,
scheint die empirische Verteilung der stetigen Rendite für einige der Aktientitel besonders
stark auf die Normalverteilung hinzuweisen. Die Grafik 13 enthält z.B. den Histogramm der
stetigen Rendite von der Microsoft Aktie.
3
Dies ist konsistent mit Benninga, Kapitel 15.7! Der Vergleich zu Hull, Seite 240, mag etwas verwirrend
scheinen, denn in Hull wird von der Rendite noch der Term σ2/2 subtrahiert, aber dies ist eigentlich das Gleiche,
denn die Rendite dort ist tatsächlich nur μ (also im Grunde die einfache Rendite). Bestimmt man jedoch direkt
den Mittelwert der stetigen Rendite, so ist dieser Wert automatisch μ - σ2/2, also der Erwartungswert von Y in
(90) und kann daher direkt zur Simulation verwendet werden, ohne zuerst wie im Falle des Mittelwertes der
einfachen Rendite μ.
19
Microsoft - Emp. Verteilung der stetigen Rendite
15
10
5
0
-0,2
-0,05
0,1
0,25
Grafik 13: Histogramm der stetigen Rendite von Microsoft
Versuchen wir nun die Entwicklung des Aktienpreises von Microsoft zu simulieren. Dabei
verwenden wir für die Ermittlung des Erwartungswertes der Zufallsvariable Y den Mittelwert
der stetigen Rendite (≈2,18% p.a.) und deren Standardabweichung (≈24,81% p.a.) zur
Bestimmung der entsprechenden Standardabweichung von Y. Es ist nun jedenfalls die Länge
der zur Simulation verwendeten Zeitperiode zu wählen, auf die anschließend beide Werte
angepasst werden müssen. Angenommen, es sei eine Periode der Länge von einem Tag
gewählt, d.h. ≈ 1/250 des Jahres (denn es gibt ca. 250 Börsentage im Jahr). Der
Erwartungswert der Zufallsvariable Y beträgt in so einem Fall ≈ 0,0087% und die ihre
Standardabweichung ≈ 1,57%. Angenommen, man möchte nun die Preisentwicklung für die
Dauer eines Jahres beginnend mit dem 8. August 2008, an dem der Preis 28,13 USD beträgt.
Mit Hilfe der Funktionen rnd() bzw. zufallszahl() sowie normsdist(), normsinv() kann man
die zufälligen Werte für eine standardnormalverteilte Variable Spreadsheet-basiert
produzieren. Dabei kann man die Werte in die Gleichung (90) implementieren und somit die
ganze zufällige Preisentwicklung der Microsoft Aktie simulieren. Alternativ kann ein VBAMakro schreiben, welches die zufälligen Werte produziert und gleichzeitig die
entsprechenden simulierten Aktienpreise berechnet. Den Ausgang der Simulation kann man
dann leicht in Form eines Diagramms darstellen.
Black-Scholes Modell
Das Black-Scholes Modell wurde entwickelt zum dem Zweck der Bewertung von Optionen.
Dabei beruht das Modell an der Eigenschaft der Lognormalverteilung von Aktienpreisen.
20
Soweit die Verteilung der Aktie bekannt ist bzw. eine Verteilung angenommen wird, so kann
man den Optionspreis relativ leicht bestimmen, basierend unter anderem auch auf dem NoArbitrage-Argument.
Versuchen wir nun anhand der Informationen den Preis einer europäischen Kaufoption zu
bestimmen. Wie bereits erwähnt ist der künftige intrinsische Wert einer Kaufsoption zum
Zeitpunkt ihrer Ausübung folgendermaßen bestimmt
CT = max(ST − X , 0)
(31)
Also in allen Situationen, wo der künftige Aktienpreis über dem in der Option vereinbarten
Basispreis liegen wird, ist die Option zu t = T mit der Differenz ST – X zu bewerten, und
sonst, also falls ST ≤ X, ist die Option zum dem Zeitpunkt ihrer Ausübung Null wert. Da aus
der Option gemeinsam mit einer geeigneten Anzahl von Aktien ein risikoloses Portfolio
gebildet werden kann, ist eine risikoneutrale Bewertung des Optionspreises, also in Form
dessen Erwartungswertes, genau geeignet und ausreichend. Um den Wert zum Zeitpunkt t = 0
zu bestimmen, bedarf es noch einer entsprechenden Abzinsung. Daher müsste für den
aktuellen Optionspreis gelten
C0 = e − rT Ε[max(ST − X , 0)]
(32)
Da ST eine stetige Variable ist, lässt sich der Ausdruck für den Erwartungswert von CT aus
(92) schreiben als
∞
Ε[max(ST − X , 0)] = ∫ ( ST − X )g ( ST )dST
(33)
X
Dabei repräsentiert g(ST) die Dichtefunktion von ST. Nun, wir wissen, dass ST eine stetige
Zufallsvariable ist, deren Logarithmus normalverteilt ist, und daher folgt gemäß (87)
⎤
⎡
σ2⎞
⎛
2
ln ST ~ N ⎢ln S 0 + ⎜ μ −
⎟T , σ T ⎥
2 ⎠
⎝
⎦
⎣
(34)
Wir führen nun eine Variable Y ein, und zwar wie folgt
21
⎡
σ2⎞ ⎤
⎛
ln ST − ⎢ln S 0 + ⎜ μ −
⎟T ⎥
2
⎝
⎠ ⎦
⎣
Y=
σ T
(35)
Der Vorteil von Y ist, dass es standardnormalverteilt ist und in weiterer Folge bei der
Berechnung des Integrals in (93) anstatt von ST genutzt werden kann. Man kann nämlich die
Wahrscheinlichkeit, dass ST unter einem bestimmten Wert A liegt, folgendermaßen mit Hilfe
von Y ausdrücken
2
⎛
⎞
⎧
⎡
σ
⎛
⎞ ⎤⎫
P( ST ≤ A) = P⎜⎜ exp⎨Yσ T + ⎢ln S 0 + ⎜ μ −
⎟T ⎥ ⎬ ≤ A ⎟⎟
2 ⎠ ⎦⎭
⎝
⎣
⎩
⎝
⎠
(36)
Dies kann man leicht umformen in folgende Form
⎛
⎡
σ2 ⎞ ⎤⎞
⎛
⎜
ln A − ⎢ln S 0 + ⎜ μ −
⎟T ⎥ ⎟
2
⎜
⎝
⎠ ⎦⎟
⎣
P( ST ≤ A) = P⎜ Y ≤
⎟
σ T
⎜⎜
⎟⎟
⎝
⎠
(37)
Dementsprechend kann man nun das Integral in (93) aus der Sicht von Y ausdrücken
⎛
⎞
⎧
⎡
σ 2 ⎞ ⎤⎫
⎛
⎜
⎟g (Y )dY
−
=
+
+
−
(
)
(
)
exp
ln
−
S
X
g
S
dS
Y
T
S
T
X
σ
μ
⎜
⎟
⎬
∫X T
∫L ⎜ ⎨
T
T
0
⎢
⎥
⎟
2 ⎠ ⎦⎭
⎝
⎣
⎩
⎝
⎠
∞
∞
⎡
σ2 ⎞ ⎤
⎛
ln X − ⎢ln S 0 + ⎜ μ −
⎟T
2 ⎠ ⎥⎦
1
⎛ Y2 ⎞
⎝
⎣
exp⎜ − ⎟
wobei L =
und g (Y ) =
2π
σ T
⎝ 2 ⎠
(38)
Nach einigen komplizierten bzw. weniger komplizierten Umformungen von (98) kommt man
schließlich zu dem Ergebnis 4
4
Zu einer genauen Herleitung des Ausdrucks (99) siehe bitte Hull, Appendix 11A, Seiten 268 – 270.
22
∞
∫ ( S − X )g ( S )dS = S e N (d ) − XN (d )
rT
T
T
T
0
1
2
X
wobei
σ2⎞
⎛ S0 ⎞ ⎛
ln⎜ ⎟ + ⎜ r +
⎟T
2
X
⎠
d1 = ⎝ ⎠ ⎝
σ T
und
2
⎛ S0 ⎞ ⎛ σ ⎞
ln⎜ ⎟ + ⎜ r −
⎟T
2
X
⎠
d1 = ⎝ ⎠ ⎝
σ T
(39)
Substituiert man nun in (93) bzw. weiters in (92) kommt für den aktuellen Preis einer
Kaufsoption heraus
C0 = S 0 N ( d1 ) − e − rT XN (d 2 )
Dabei
steht
N()
für
die
kumulative
(40)
Wahrscheinlichkeitsfunktion
einer
standardnormalverteilten Variable. 5 Der Ausdruck (100) ist das berühmte Ergebnis von
Black, Scholes und Merton zur Bewertung von Call Options, sowohl europäischer als auch
amerikanischer, da sich der Preis für die beiden Optionsarten voneinander nicht unterscheidet.
Mit Hilfe der sog. Optionsparität, siehe (65), kann man leicht einen Ausdruck zur Bewertung
von europäischen Verkaufsoptionen finden
P0 = e − rT XN (− d 2 ) − S 0 N (− d1 )
(41)
Die Bewertung von amerikanischen Puts kann auf diese Weise nicht explizit ermittelt werden.
Andere Ansätze, die zu diesem Zweck bereits entwickelt wurden, werden im Rahmen des
Kurses nicht diskutiert. Das oben besprochene Binomialmodell ist jedoch diesbezüglich
besonders
gut
geeignet,
sogar
zur
Bewertung
von
eben
mehr
komplizierten
Finanzinstrumenten, und wird auch in der Praxis ziemlich oft angewendet.
Es mag auffallen, dass der Optionspreis laut (100) bzw. (101) unabhängig von μ ist, also von
der eigentlichen erwarteten Rendite der unterliegenden Aktie. Anstatt von μ tritt r anstelle der
tatsächlich erwarteten Rendite der Aktie. 6 Mit Hilfe von Simulation kann man dieses
Ergebnis einer kleinen Probe stellen, indem man Optionspreise (ermittelt mit Hilfe des
5
In Excel ist hiefür die Funktion Normsdist() eingebaut
Im Fall von Interesse siehe bitte zur Begründung das Kapitel 11.6 in Hull zum Thema „Risk Neutral
Valuation“. Dort wird im Grunde folgendermaßen argumentiert: Basierend auf den Gegebenheiten der realen
Welt (wo Risiko besteht) hätte man zwar direkt μ zur des Optionspreises verwenden können, jedoch müsste man
gleichzeitig die Payoffs mit einem risikoangepassten Zinssatz abdiskontieren, wobei sich beide Effekte genau
ausgleichen würden. Dies ist also vollkommen konsistent mit der risikoneutralen Bewertung von Optionen.
6
23
Binomialmodells) mit einem unterschiedlichen μ der unterliegenden Aktie (sonst aber
vollkommen identisch, also ceteris paribus) vergleicht. Eine andere Möglichkeit wäre, dass
man die Trajektorie des Aktienpreises, oder etwa direkt den Aktienpreis ST selbst simulieren
lässt (bei unterschiedlichem μ), und daraus den erwarteten Wert der Option zu T bestimmt
und anschließend entsprechend abdiskontiert, um den aktuellen Optionspreis zu bestimmen.
Sind die Optionswerte tatsächlich unabhängig von μ? Können Sie zeigen, warum das so ist?
Wir haben zwei Methoden zur Bestimmung des Optionspreises besprochen. Nun stellt sich
die Frage, inwieweit sich die Ergebnisse der beiden Methoden voneinander unterscheiden und
welches davon korrekt ist. Die zweite Frage ist besonders einfach zu beantworten, und zwar
da das BS-Modell den Optionspreis explizit herleitet, bietet es stets den korrekten
Optionspreis, unter der Gültigkeit der bestehenden Annahmen selbstverständlich. Obwohl bei
dem Binomialmodell die Eigenschaft eines geometrischen Wiener Prozesses von
Aktienpreisen auch zum Ausdruck kommt, wird wegen der Vereinfachung des künftigen
Preises in zwei mögliche Werte ein gewisser Grad der Normalität der Verteilung verloren.
Wird jedoch die Länge der Simulationsperiode in dem Binomialmodell besonders klein
gewählt, so wird das diskrete Modell zu einer relativ guten Darstellung der Stetigkeit und das
entsprechende Ergebnis müsse besonders nah an dem durch die BS-Formel bestimmten
Optionspreis liegen. 7 Jedenfalls wird der erwartete Fehler bzw. Abweichung des durch das
Binomialmodell ermittelten Optionspreises von dem BS-Wert mit höherem n (bzw. kleinerem
Δt) geringer.
Implied volatility
Es wurde bereits besprochen, wie man die Volatilität der Rendite von einem Finanztitel
anhand der historischen Entwicklung seines Preises ermitteln kann. In der Praxis wird jedoch
die Volatilität, vor allem die von den Investoren erwartete Volatilität einer Aktie, anhand der
Optionspreise der am Markt gehandelten Optionen bestimmt. Sind nämlich C, S0, X, r und T
bekannt, so kann man die entsprechende Volatilität σ berechnen, die gemeinsam mit den
anderen bestehenden Bedingungen zu dem aktuellen Wert des Optionspreise C führt. Man
sucht also σ, so dass die Gleichung (100) bzw. (101) erfüllt ist. Da man jedoch die Funktion
nicht invertieren kann, um direkt den Ausdruck von σ als eine Funktion der restlichen
7
In Wirklichkeit hat die Binomialverteilung bei genug vielen Beobachtungen eine relativ große Ähnlichkeit zur
Normalverteilung
24
Variablen zu erhalten, muss zu dem Zweck der Ermittlung von σ ein alternativer, eher
weniger mathematisch anforderungsreicher, Ansatz verwendet werden.
Man wählt einfach einen beliebigen, plausibel scheinenden, Wert für σ und setzt in die BSFormel ein, um das entsprechende C zu bekommen. Da C eine steigende Funktion von σ ist,
muss bei einem höheren als dem gewünschten Wert von C ein kleinerer Wert für σ bzw.
umgekehrt ein höherer Wert gewählt werden. Am besten, man findet zwei Werte, wobei einer
höher und der andere geringer als der richtige Wert ist. Anschließend kann man sukzessive
neue Werte finden, indem man das Intervall zwischen den aktuellen zwei halbiert und in
Abhängigkeit davon, ob der neue Wert wieder unter bzw. über dem zu ermittelnden korrekten
σ liegt, einen der alten Versuchwerte ersetzt. So kann man das Verfahren fortsetzen, bis man
gemäß einer bestimmten Fehlertoleranz den korrekten Wert von σ erreicht hat. Dieses
Verfahren kann man natürlich besonders leicht programmieren.
Hedging
Wie bereits erwähnt, kann man durch eine geeignete Kombination von Optionen und den
unterliegenden Aktien risikolose Portfolios bilden. Dies wurde etwa auch bei der Anwendung
von korrekten Strategien im ersten Teil des Kapitels über Optionen gezeigt. Dort konnte man
jedoch nur den Wert des Portfolios zu dem Zeitpunkt der Optionsausübung als risikolos
sicherstellen, nicht jedoch die Entwicklung des Optionswertes während der gesamten
Laufzeit. Dazwischen mag das Portfolio eine hohe Volatilität aufweisen. Ist es überhaupt
möglich ein während der gesamten Laufzeit risikoloses Portfolio zusammenzustellen?
Nun, theoretisch ja, nur bedarf es einer ständigen Anpassung des Anteils von Aktien, die auf
eine in dem Portfolio enthaltene Option entfallen. Leitet man nämlich basierend auf Ito’s
Lemma die Änderung des Optionspreises in einem geringen Zeitintervall dt her, wird
ersichtlich, dass der stochastische Teil dieser Änderung den gleichen Ursprung hat wie der
stochastische Teil der Änderung des unterliegenden Aktienpreises. Im Grunde steht er genau
proportional zu dem letzteren. Daher kann man durch eine geeignete Anzahl von Aktien zu
jedem Zeitpunkt t ein bis zum Zeitpunkt t + dt risikoloses Portfolio erstellen, wobei jedoch dt
→ 0, d.h. er wird in stetiger Zeit gehandelt. Der konkrete Anteil liegt bei
− ∂C / ∂S pro eine
Einheit der Option, hier Kaufsoption. Der Anstieg von C in S verändert sich ständig, daher
muss also auch der Anteil der Aktien in dem Portfolio laufend angepasst werden. Ein solches
25
Handeln ist in der Praxis selbstverständlich mit markanten Transaktionskosten verbunden.
Man muss daher ein Trade-off finden, zwischen dem Risiko des Portfolios (welches bei
höherem dt entsprechend höher wird) und den Kosten, die beim Erhalten der dynamischen
Hedgingstrategie entstehen. Die Ableitung des Optionspreises nach S, also
∂C / ∂S
wird in
der Praxis als Delta, Δ, bezeichnet, und die hier geschilderte Hedgingstrategie wird daher
entsprechend mit dem Begriff „Delta Hedging“ bezeichnet. 8 Im Interessensfall schlagen Sie
bitte Hull, Kapitel 13 auf, welches sich großteils den möglichen auf dem BS-Modell
basierenden Hedgingstrategien widmet.
8
Gemäß (100) bzw. (101) betragen die entsprechenden Werte N(d1) für eine Call und N(d1) – 1 für eine Put
Option. Beachte bitte, dass Hull den Akienanteil pro eine negative Einheit von Optionen ausgedrückt hat, daher
entspricht bei ihm der Wert von Δ = δC/δS genau dem geeigneten Anteil von Aktien in dem Portfolio.
26
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