Funktion des Wiedereinstellungsanspruchs im Kündigungsschutzrecht Entwurf zum gesamten Themenkomplex Entwurf.doc Kim-Thorben Bülow -I- Inhaltsübersicht INHALTSÜBERSICHT ..........................................................I INHALTSVERZEICHNIS ................................................... VII LITERATURVERZEICHNIS ............................................XXX A. PROBLEMSTELLUNG ...................................................1 I. Die Prognose als Grundlage der Arbeitgeberkündigung.......................................................1 II. Der Wiedereinstellungsanspruch als wertender Interessenausgleich bei Widerlegung der Prognose ............................................................................2 III. Abgrenzung des prognosebedingten Wiedereinstellungsanspruchs von sonstigen Wiedereinstellungsansprüchen ........................................3 IV. Praktische Relevanz in der Rspr. des BAG ......................6 V. Begrifflichkeiten............................................................... 15 VI. Gang der Untersuchung .................................................. 17 B. ABGRENZUNG KÜNDIGUNGSRELEVANTER UND WIEDEREINSTELLUNGSRELEVANTER UMSTÄNDE ..................................................................18 I. Dogmatik zum Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung............................................ 18 - II - II. Anwendung auf problematische Fälle............................ 43 C. DOGMATISCHE GRUNDLAGE EINES WIEDEREINSTELLUNGSANSPRUCHS...................... 71 I. Entwicklung der Rechtsprechung .................................. 71 II. Prinzipielle Einwände gegen einen Wiedereinstellungsanspruch .......................................... 72 III. Ansätze aus dem allgemeinen Vertragsrecht ................ 74 IV. Ansätze aus dem Arbeitsrecht im allgemeinen ........... 100 V. Ansätze aus dem Kündigungsschutzrecht .................. 114 VI. Ansätze aus dem Betriebsübergangsrecht bei vermeintlichen Betriebsstillegungen ........................... 124 VII. Ansätze aus dem Bereich der Verdachts- und Druckkündigung ............................................................ 144 VIII.Vorschlag für eine kündigungsschutzrechliche Begründung D. ERFORDERNIS EINER BESTANDSSCHUTZVERNICHTENDEN ARBEITGEBERKÜNDIGUNG .................................... 177 I. Einwendung fehlenden Kündigungsschutzes ............. 177 II. Prognosekorrektur bei befristetem Arbeitsverhältnis? ......................................................... 180 III. Prognosekorrektur nach anderen Beendigungstatbeständen?.......................................... 184 172 - III - E. REICHWEITE DER WIEDEREINSTELLUNGSPFLICHT ...........................201 I. Unerwartet erhalten gebliebener, frei gewordener und neu entstandener Arbeitsplatz .............................. 201 II. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit entspr. § 1 II 2 Nr. 1 b) und Nr. 2 b) KSchG .................................. 201 III. Zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen entspr. § 1 II 3 KSchG ......... 208 F. FALLGRUPPEN DES WIEDEREINSTELLUNGSANSPRUCHS ....................211 I. Prinzipielle Korrekturmöglichkeit bei allen Kündigungsgründen...................................................... 211 II. Betriebsbedingte Kündigung ........................................ 212 III. Verhaltensbedingte Kündigung .................................... 260 IV. Personenbedingte Kündigung ...................................... 277 G. GRENZEN DER WIEDEREINSTELLUNGSPFLICHT ...........................296 I. Sachliche Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs ...................................... 297 II. Zeitliche Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs ...................................... 360 III. Besondere Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs nach Sonderkündigungsgründen .......................................... 455 - IV - IV. Anspruchsverzicht durch Eingehung bzw. Nichtaufgabe eines Zwischenarbeitsverhältnisses..... 464 H. WAHRUNG DER BESITZSTÄNDE ............................ 467 I. Inhalt des Anschlussarbeitsverhältnisses................... 467 II. Zeitpunkt der Entstehung des neuen Arbeitsverhältnisses durch den Vollzug des Wiedereinstellungsanspruchs ...................................... 471 III. Ansprüche für die Zeit zwischen der Entstehung des Wiedereinstellungsanspruchs und seiner Verwirklichung............................................................... 477 I. BESCHRÄNKTER WIEDEREINSTELLUNGSANSPRUCH ...................... 484 I. Wiedereinstellungsanspruch zu geänderten Arbeitsbedingungen...................................................... 484 II. Anspruch auf befristete Wiedereinstellung ................. 486 J. PROZESSUALE DURCHSETZUNG .......................... 490 I. Verhältnis von Kündigungsschutzklage und Wiedereinstellungsklage............................................... 490 II. Klageantrag.................................................................... 494 III. Keine Klagefrist ............................................................. 512 IV. Abgestufte Darlegungs- und Beweislast...................... 514 K. ZUSAMMENFASSUNG DER WESENTLICHEN ERGEBNISSE............................................................. 519 -V- SACH- UND PARAGRAPHENVERZEICHNIS.................543 - VI - - VII - Inhaltsverzeichnis INHALTSÜBERSICHT ..........................................................I INHALTSVERZEICHNIS ................................................... VII LITERATURVERZEICHNIS ............................................XXX A. PROBLEMSTELLUNG ...................................................1 I. Die Prognose als Grundlage der Arbeitgeberkündigung.......................................................1 II. Der Wiedereinstellungsanspruch als wertender Interessenausgleich bei Widerlegung der Prognose ............................................................................2 III. Abgrenzung des prognosebedingten Wiedereinstellungsanspruchs von sonstigen Wiedereinstellungsansprüchen ........................................3 IV. Praktische Relevanz in der Rspr. des BAG ......................6 1. Entwicklung der Rspr. 6 2. Beispielhafte Entscheidungen aus jüngerer Zeit 7 3. Fazit 14 V. Begrifflichkeiten............................................................... 15 VI. Gang der Untersuchung .................................................. 17 B. ABGRENZUNG KÜNDIGUNGSRELEVANTER UND WIEDEREINSTELLUNGSRELEVANTER UMSTÄNDE ..................................................................18 - VIII - I. Dogmatik zum Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung ........................................... 18 1. Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung als alleiniger Beurteilungszeitpunkt – Rspr. und h.L. 19 2. Rückwirkung der weiteren Entwicklung auf die Wirksamkeit der Kündigung – M.M. 20 a) Ex-Post-Beurteilung der Kündigungswirksamkeit 20 b) Begrenzung auf innerhalb der Kündigungsfrist neu auftauchende Umstände 21 c) Praktische Auswirkungen gegenüber der Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs 22 3. Kritische Würdigung a) Überlegungen aus der Rechtsgeschäftslehre 24 24 (1) Wirksamwerden von Willenserklärungen im Zeitpunkt ihres Zugangs 24 (2) Bedingungsfeindlichkeit der Kündigung als Gestaltungsrecht 25 (3) Verhältnis von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht 28 (4) Ausnahmecharakter zivilrechtlicher Sonderregelungen 30 b) Überlegungen aus dem Arbeitsrecht 31 (1) Vorgaben der §§ 4, 7 KSchG 31 (2) Ambivalenz eines verschobenen Beurteilungszeitpunktes 32 (3) Anhörungsrecht des Betriebsrats 32 c) Alternative Überlegungen 35 (1) Rechtsmissbrauch bei Berufung auf die wirksame Kündigung? 35 (2) Widerrufliche bedingte Kündigung? 37 (a) Verschiebung des Beurteilungszeitpunktes (b) Unvereinbarkeit mit dem Prognoseprinzip d) Schlussfolgerung 37 40 42 - IX - 4. Konsequenz – Unterscheidung zwischen kündigungsbeachtlichen und unbeachtlichen Umständen 42 II. Anwendung auf problematische Fälle ............................ 43 1. Abgrenzung der Stillegungskündigung von der Kündigung wegen des Betriebsübergangs a) Ausgangspunkt 43 44 (1) Prüfungsmaßstab bei inner- und außerbetrieblichen Kündigungsgründen 44 (2) Soziale Rechtfertigung der Kündigung durch die bloße Absicht der Realisierung einer Unternehmerentscheidung 46 b) Rspr. von den „greifbaren Formen“ 47 c) Stellungnahme 48 2. Nachträgliche Erkenntnisse bei der krankheitsbedingten Kündigung 49 a) Ausgangspunkt: Wirksamwerden der Kündigung als Beurteilungszeitpunkt 50 b) Maßgeblichkeit der objektiven Sachlage unter Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse – 2. Senat 51 c) Maßgeblichkeit des subjektiven Kenntnisstandes des Arbeitgebers – LAG Hamm 53 (1) Maßgeblichkeit einer Fehlzeitenprognose anstelle einer Gesundheitsprognose 54 (2) Maßgeblichkeit des subjektiven Erkenntnisstandes des Arbeitgebers im Kündigungszeitpunkt 55 d) Revisionsentscheidung des 2. Senats 57 e) Stellungnahme 59 (1) Maßgeblichkeit einer Fehlzeitenprognose aus Arbeitgebersicht anstelle einer künstlich objektivierten negativen Gesundheitsprognose 59 (2) Beachtlichkeitkeit nachträglicher Erkenntnisse – keine Sonderstellung der Fehldiagnosekündigung 59 -X- 3. Nachträgliche Erkenntnisse bei der Verdachtskündigung 62 a) Nachschieben erst im Kündigungsschutzprozess gewonnener Erkenntnisse über die im Kündigungszeitpunkt vorliegenden objektiven Verdachtsmomente – 2. Senat 62 b) Alleinige Maßgeblichkeit der zum Kündigungszeitpunkt dem Arbeitgeber bekannten objektiven Verdachtsmomente 65 c) Stellungnahme 68 C. DOGMATISCHE GRUNDLAGE EINES WIEDEREINSTELLUNGSANSPRUCHS...................... 71 I. Entwicklung der Rechtsprechung .................................. 71 II. Prinzipielle Einwände gegen einen Wiedereinstellungsanspruch .......................................... 72 III. Ansätze aus dem allgemeinen Vertragsrecht ................ 74 1. Parallelen zur Neubegründung von Vertragsverhältnissen aus Treu und Glauben 74 2. (Nachwirkende) Fürsorgepflicht / Interessenwahrungspflicht 76 a) Begrifflichkeiten vertragsrechtlicher Ansätze 76 b) Begrenzung auf den Ablauf der Kündigungsfrist 77 c) Neubegründung vertraglicher Hauptpflichten als Rechtsfolge einer bloßen Nebenpflichtverletzung 81 d) Stellungnahme 85 3. Verletzung einer allgemeinen Unterstützungs- und Zusammenarbeitspflicht während laufender Kündigungsfrist 86 4. Verbot widersprüchlichen Verhaltens - Venire contra factum proprium 88 5. Rechtsmissbrauch und Reuerechtsausschluss 92 - XI - a) Fehlendes schutzwürdiges Eigeninteresse 92 b) Parallele zum Anfechtungsrecht 95 c) Stellungnahme 98 6. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung – § 826 BGB 99 7. Stellungnahme 99 IV. Ansätze aus dem Arbeitsrecht im allgemeinen ........... 100 1. Vertrauensschutz und Sphärengedanke 100 a) Auffassung des 2. Senats 100 b) Differenzierung nach Kündigungsgründen 101 c) Kritik 102 d) Stellungnahme 104 2. Freie Wahl des Arbeitsplatzes - Art. 12 I GG 105 a) Begründungsmuster der Rspr. 105 b) Schutzpflichtfunktion und Interessenkollision 106 c) Stellungnahme 109 (1) Keine Verletzung des Untermaßverbots 109 (2) Arbeitsplatzwahlfreiheit der externen Bewerber 110 3. Gleichbehandlungsgrundsatz 112 4. Fazit 114 V. Ansätze aus dem Kündigungsschutzrecht .................. 114 1. Praktische Konkordanz von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit 114 2. Korrektur der prognosebedingten Risikoverteilung oder Prinzip der Rechtssicherheit 115 a) Korrekturbedürftigkeit des Prognoserisikos – Sphärengedanke 115 b) Korrekturbelastetes prognosebedingtes Kündigungsrecht? 117 c) Parallele zur Korrektur der prognosebedingten Risikoverteilung beim Aufhebungsvertrag nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage 118 - XII - 3. Schutzzweck des Kündigungsschutzgesetzes 120 4. Systemimmanente Rechtsfortbildung des Kündigungsschutzgesetzes 121 5. Fazit 123 VI. Ansätze aus dem Betriebsübergangsrecht bei vermeintlichen Betriebsstillegungen ........................... 124 1. Ausgangspunkt 124 a) Reichweite des Kündigungsverbots aus § 613a IV 1 BGB 124 b) Verhältnis von § 613a IV 1 BGB und § 1 KSchG 126 c) Wirksamkeit der Kündigung und unerwarteter Betriebsübergang 127 2. Richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB – 8. Senat 128 3. Schrifttum 130 a) Fürsorge- / Interessenwahrungspflicht 130 b) Venire contra factum proprium 131 c) Richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB 132 d) Teleologische Extension des § 613a BGB 133 4. Stellungnahme a) Keine Vorgaben der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG für einen Wiedereinstellungsanspruch 135 135 (1) Zielsetzung der Richtlinie 135 (2) Keine Grundlage für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB 137 b) Teleologische Extension des § 613a BGB als tauglicher Erklärungsansatz dieser Fallgruppe 139 (1) Schutzzweckzusammenhang bei Erhaltenbleiben des Arbeitsplatzes 139 (2) Keine Anwendbarkeit bei bloß anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit 143 - XIII - VII. Ansätze aus dem Bereich der Verdachts- und Druckkündigung ............................................................ 144 1. Verdachtskündigung a) Grundlagen der Kündigungsbefugnis 144 144 (1) Voraussetzungen der Verdachtskündigung 144 (2) Kündigungsanforderung: Verdacht der Tatbegehung 146 (3) Kündigungsrechtfertigung: verdachtsbedingter Vertrauenswegfall 146 (4) Inhalt des Prognoseprinzips bei der Verdachtskündigung 148 (a) Prognose über den späteren Tatnachweis gegen den in Verdacht geratenenen Arbeitnehmer? (b) Prognose über die Wiederholungsgefahr? (c) Prognose über die Haltbarkeit der wesentlichen Verdachtsmomente? (d) Stellungnahme b) Dogmatische Begründungsansätze für den Wiedereinstellungsanspruch 148 149 150 150 152 (1) Nachwirkende Fürsorgepflicht 152 (2) Sittenwidrigkeit der Nichtwiedereinstellung - §§ 826, 249 S. 1 BGB 154 (3) Aufopferungsanspruch - § 904 S. 2 BGB entspr. 155 (4) Rechtsmissbrauch bei Nichtachtung des Rehabilitationsinteresses 156 (5) Schutzwürdiges Vertrauen auf die Nichtausnutzung einer überschiessenden Rechtsmacht 157 (6) Gedanke der Wiedergutmachung: Menschenwürde, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Sozialstaatsprinzip – Artt. 1 I, 2 I, 20 I GG 158 (7) Kritische Würdigung der Wiedereinstellungspflicht 159 c) Ausgestaltung des Wiedereinstellungsanspruchs 162 (1) Anforderungen an die Rehabilitierung – „Reinigungsbeweis“ und Einstellung eines Ermittlungsverfahrens 162 (2) Verhalten des verdächtigen Arbeitnehmers 165 (3) Ehrenerklärung und Wiedereinstellungsanspruch 165 - XIV - 2. Druckkündigung 167 3. Stellungnahme 169 a) Rehabilitierungsanspruch auf der Grundlage von Artt. 1 I, 2 I GG 169 b) Anlehnung der Fehldiagnosekündigung an die Verdachtskündigung? 171 VIII.Vorschlag für eine kündigungsschutzrechliche Begründung 1. Prognosebedingter Wiedereinstellungsanspruch 172 2. Ergänzende Überlegungen nach prognosewidrigem Betriebsübergang 174 3. Ergänzende Überlegungen nach Verdachts- und Druckkündigung 176 D. ERFORDERNIS EINER BESTANDSSCHUTZVERNICHTENDEN ARBEITGEBERKÜNDIGUNG .................................... 177 I. Einwendung fehlenden Kündigungsschutzes ............. 177 II. Prognosekorrektur bei befristetem Arbeitsverhältnis? ......................................................... 180 III. Prognosekorrektur nach anderen Beendigungstatbeständen?.......................................... 184 1. Problemstellung 184 2. Allgemeiner Rechtsgedanke einer Gleichbehandlung auf individualrechtlicher Ebene? 185 3. Aufhebungsverträge im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang 186 a) Wiedereinstellungsanspruch beim bestandskräftigen echten Aufhebungsvertrag trotz unerwarteten Betriebsübergangs? 186 (1) Begrenzter Schutzzweck des § 613a BGB 186 (2) Parallele zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers 189 172 - XV - b) Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) beim echten Aufhebungsvertrag 190 (1) Voraussetzungen 190 (2) Rechtsfolge 192 c) Sonderproblem des vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrages bzw. der von ihm veranlassten Eigenkündigung - § 123 BGB 194 (1) Informationsasymmetrie 194 (2) Entsprechende Anwendung von § 613a BGB? 195 (a) Gleichbehandlung von „veranlasster“ Eigenkündigung bzw. „veranlasstem“ Aufhebungsvertrag mit der Arbeitgeberkündigung? 195 (b) Parallele zur Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Hinblick auf differenzierende Sozialplanansprüche? 196 (c) 197 Vertragsfreiheit in den Grenzen des § 123 BGB (d) Objektive Gesetzesumgehung - §§ 613a, 134 BGB? (3) Fazit 198 199 E. REICHWEITE DER WIEDEREINSTELLUNGSPFLICHT ...........................201 I. Unerwartet erhalten gebliebener, frei gewordener und neu entstandener Arbeitsplatz .............................. 201 II. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit entspr. § 1 II 2 Nr. 1 b) und Nr. 2 b) KSchG .................................. 201 III. Zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen entspr. § 1 II 3 KSchG ......... 208 F. FALLGRUPPEN DES WIEDEREINSTELLUNGSANSPRUCHS ....................211 I. Prinzipielle Korrekturmöglichkeit bei allen Kündigungsgründen...................................................... 211 - XVI - II. Betriebsbedingte Kündigung........................................ 212 1. Fehlprognose und widerlegte Prognose 212 a) Fehlprognose 212 b) Neue Unternehmerentscheidung trotz zutreffender Prognose 213 c) Widerlegte Prognose 216 2. Anforderungen an die Widerlegung der Prognose Gewissheit einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit 216 3. Wiedereinstellung nach Betriebsübergang 217 a) Klassischer Betriebsübergang 217 (1) Ausgangspunkt – Kenntnis der Vertragsparteien 218 (2) Zeitpunkt der Widerlegung der Prognose 218 b) Betriebsübergang durch Übernahme des wesentlichen Teils des Personals 219 (1) Rechtsprechung zur willentlichen Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals in den Fällen der Funktionsnachfolge 219 (2) Gestreckter Tatbestand des Betriebsübergangs 221 (3) Willentliche Übernahme von Arbeitnehmern und Kontrahierungszwang 223 (4) Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit durch Übernahme des wesentlichen Teils des Personals im Anschluss an eine Funktionsnachfolge 224 (5) Prozessuale Besonderheiten 227 (a) Prozessvarianten (b) Parteiwechsel im laufenden Kündigungsschutzverfahren (6) Kritische Würdigung des Betriebsübergangs in den Fällen der Funktionsnachfolge c) Sanierungsnotwendigkeit und Wiedereinstellungspflicht 227 228 229 232 (1) Beurteilungszeitpunkt für das Kündigungsverbot aus § 613a IV 1 BGB 232 (2) Verwirklichung von Rationalisierungskonzepten i.S.v. § 613a IV 2 BGB durch den Veräußerer oder den Erwerber - Parallelbetrachtung 233 - XVII (a) Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts (b) Rationalisierungskonzept nach unerwartetem Betriebsübergang (c) Vergleich zwischen beiden Konstellationen (3) Stellungnahme d) Geltendmachung gegen den Erwerber 233 235 237 241 250 (1) Fortsetzungs- / Wiedereinstellungsanspruch gegen den Erwerber 250 (2) Wiedereinstellungsanspruch gegen den Veräußerer 250 e) Wiedereinstellungsanspruch bei übertragender Sanierung durch den Insolvenzverwalter 253 (1) Geltung der Betriebsübergangsrichtlinie und des § 613a BGB in der Insolvenz 253 (2) Geltung des § 613a BGB in der Insolvenz 254 (3) Bedeutung des § 613a IV 1 BGB in der Insolvenz 255 (4) Konsequenzen für den Wiedereinstellungsanspruch im Falle der Betriebsveräußerung in der Insolvenz 255 (a) Rspr. - Kein Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz 255 (b) Schrifttum 257 (c) 259 Stellungnahme III. Verhaltensbedingte Kündigung .................................... 260 1. Geltung und Inhalt des Prognoseprinzips 260 2. Abmahnung und Prognoseprinzip 261 3. Verfehlungen im Bereich vertraglicher Hauptpflichten – Störungen im Leistungsbereich 264 4. Verfehlungen im Bereich vertraglicher Nebenpflichten – Störungen im Ordnungs- und Vertrauensbereich 265 a) Unbeachtliches Wohlverhalten während der Kündigungsfrist 265 b) Schwere Verfehlung und widerlegte Wiederholungsgefahr 267 (1) Prognoseprinzip, Sanktionsprinzip, Prinzip der Zukunftsbezogenheit 269 (2) Unwiderlegbarkeit der kündigungsbegründenden Prognose 271 - XVIII (3) Nichtgeltung des Prognoseprinzips für die Tatkündigung – Kein Wiedereinstellungsanspruch 274 c) Schwere der zu fordernden Tat – Missbrauchsprävention mittels Ausklammerung von Alltagserscheinungen 275 d) Fazit 276 IV. Personenbedingte Kündigung...................................... 277 1. Wirksamkeit der Kündigung 277 2. Entwicklung der Rechtsprechung zum Wiedereinstellungsanspruch 280 3. Sphärenbezogenheit der Kündigung und Wiedereinstellungsanspruch 282 4. Entbehrlichkeit der Prognose wegen vergangener Vertragsverletzung? 284 5. Voraussetzungen des Wiedereinstellungsanspruchs nach krankheitsbedingter Kündigung 285 a) Entkräftung der negativen Fehlzeitenprognose 286 b) Widerlegung der negativen durch eine positive Fehlzeitenprognose 286 c) Stellungnahme 287 d) Anforderungen an die Widerlegung der Fehlzeitenprognose am Beispiel der Kündigung wegen Alkoholsucht 289 G. GRENZEN DER WIEDEREINSTELLUNGSPFLICHT ........................... 296 I. Sachliche Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs ...................................... 297 1. Eingeschränkte Dispositionsfreiheit 297 a) Zumutbarkeit und Interessenabwägung 298 b) Freie Unternehmerentscheidung und Wegfall von Arbeitsplätzen 299 - XIX - c) Dispositionen vor dem Ablauf der Kündigungsfrist 300 d) Genereller Vorrang arbeitgeberseitiger Dispositionen oder Pflicht zur Freikündigung bei mangelnder Schutzwürdigkeit? 301 e) Schutzwürdigkeit arbeitgeberseitiger Dispositionen 304 (1) Schutzwürdigkeit von Dispositionen vor der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose 304 (2) Eingeschränkte Schutzwürdigkeit von Dispositionen nach der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose 305 (a) Schutzwürdigkeit gutgläubiger Dispositionen des Arbeitgebers (b) Maßstab für den guten Glauben an den Fortbestand des Kündigungsgrundes i) ii) (c) 306 Keine Bösgläubigkeit schon bei (grob) fahrlässiger Unkenntnis vom Wegfall des Kündigungsgrundes – Keine Anwendung von §§ 122 II, 932 II BGB entspr. 306 Bösgläubigkeit erst bei positiver Kenntnis des Arbeitgebers - §§ 892, 162 II BGB entspr. 306 Schutzwürdigkeit von Dispositionen nach betriebsbedingter Kündigung oder generelle Bösgläubigkeit? (d) Vorrang „bösgläubiger“ Rationalisierungskonzepte f) 305 Pflicht zur „umfassende Interessenabwägung“? 2. Betriebsbedingte Kündigung mehrerer Arbeitnehmer Wiedereinstellung nach sozialen Gesichtspunkten? 308 310 311 313 a) Problemstellung 313 b) Entwicklung der Rspr. 314 c) Maßstab der §§ 315, 242 BGB 318 d) Maßstab des § 1 III KSchG analog 318 e) Kein freies Ermessen 320 f) 321 Vergleichsgruppe der Sozialauswahl g) Stellungnahme 322 (1) Sozialauswahl analog § 1 III KSchG 322 (2) Regelmäßig keine Einbeziehung der Gesamtbelegschaft in die Sozialauswahl – Vergleich unter den für eine Wiedereinstellung in Betracht kommenden Arbeitnehmern 323 - XX (3) Ausnahmsweise Einbeziehung der Gesamtbelegschaft in die Sozialauswahl bei zunächst beabsichtigter Betriebsstillegung mit der Konsequenz einer fehlenden Sozialauswahl im Kündigungszeitpunkt 324 (4) Gegenausnahme in den Fällen des Betriebsübergans durch willentliche Einstellung eines wesentlichen Teils der Belegschaft des Funktionsvorgängers 325 (5) Sozialauswahl ohne Rücksicht auf unterschiedliche Entgeltansprüche oder Sozialanwartschaften 326 h) Darlegungs- und Beweislast 327 3. Fehlerhafte Disposition und Austauschkündigungsbefugnis 327 a) Konsequenzen fehlerhafter Dispositionen 327 b) Recht zur Austauschkündigung 328 c) Rechte des von der Austauschkündigung betroffenen Arbeitnehmers 332 4. Mitbestimmung nach § 99 I BetrVG? 333 5. Wiedereinstellung trotz Abwicklungsvertrag / Abkehrvereinbarung / Abfindungsvergleich 337 a) Bedeutung für den Wiedereinstellungsanspruch 337 b) Verzichtswirkung des wirksamen Abwicklungsvertrages 339 c) Anwendung von § 779 BGB? 341 d) Wegfall der Geschäftsgrundlage 342 (1) Auslegung des Abwicklungsvertrages (a) Risikozuweisung an den Arbeitnehmer (b) Risikozuweisung an den Arbeitgeber (c) Einbeziehung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten in die Geschäftsgrundlage (d) Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag und Abfindungshöhe (e) (f) 342 343 345 347 348 Keine wertende Gesamtabwägung – Stufenverhältnis zwischen den Voraussetzungen für eine Beseitigung des Abwicklungsvertrages und den Voraussetzungen des Wiedereinstellungsanspruchs 349 Vorrang einer Vertragsauslegung nach den Umständen des Einzelfalls anstelle einer Regelvermutung 351 - XXI (2) Beseitigung des Abwicklungsvertrags als Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage – Wiedereinstellungsanspruch nach allgemeinen Regeln 352 (3) Keine zeitliche Begrenzung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf den Lauf der Kündigungsfrist 353 (4) Keine Wiedereinstellung ohne Rückabwicklung des Abwicklungsvertrages 354 (5) Darlegungs- und Beweislast 356 6. Sachliche Grenzen im Überblick 357 II. Zeitliche Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs ...................................... 360 1. Problemstellung – Reichweite der dogmatischen Grundlage 360 2. Frist für die Entstehung des Anspruchs 361 a) Entwicklung der Rechtsprechung des BAG 361 b) Anspruchsentstehung nur innerhalb laufender Kündigungsfrist – h.M. 364 (1) Anspruchsentstehung vor Ablauf der Kündigungsfrist – Gleichlauf von Kündigungsfrist und Wiedereinstellungsoption entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1 III KSchG 364 (2) Unbeachtlichkeit der Widerlegung der Prognose nach Ablauf der Kündigungsfrist 366 (a) Überblick (b) Begründung über vertragsrechtliche Ansätze (c) Reichweite des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses (d) Kritik c) Anspruchsentstehung auch nach Ablauf der Kündigungsfrist – M.M. 366 366 367 369 370 (1) Überblick 370 (2) Dauer des Kündigungsschutzprozesses bzw. Frist nach § 4 KSchG 372 (3) Keine zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung 373 d) Unterscheidung zwischen Veränderungs- und Stabilitätsprognose – Ansatz von Meinel/Bauer 374 - XXII (1) Wiedereinstellungsanspruch nur als Konsequenz einer widerlegten Veränderungsprognose 374 (2) Unbeachtlichkeit der Widerlegung der Prognose bereits nach dem Zeitpunkt ihrer prognostizierten Verwirklichung 376 (3) Stellungnahme 377 (a) Nebeneinander von Stabilitäts- und Veränderungsprognose 377 (b) Prognoseinhalt hinsichtlich anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten 378 (c) 379 Unzumutbarkeit des Abwartens der Veränderung (d) Keine prinzipielle Abhängigkeit der Wiedereinstellung von nur graduellen Unterschieden zwischen den Prognosearten e) Stellungnahme (1) Ungeeignetheit der Kündigungsfrist (a) Beispiel Klassischer Betriebsübergang (b) Beispiel Betriebsübergang durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft des Funktionsvorgängers (c) Beispiel Betriebsfortführung durch den bisherigen Betriebsinhaber (2) Vermeidung einer uferlosen Anspruchsentstehung (a) Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Betriebsübergang und Betriebsstillegung (b) Keine zeitlich unbegrenzte Anspruchsentstehung auch nach anderen Kündigungsgründen (3) Anspruchsentstehung innerhalb der zeitlichen Reichweite der kündigungsbegründenden Prognose (a) Zeitliche Ausrichtung des Wiedereinstellungsanspruchs an der Reichweite der kündigungsbegründenden Prognose (b) Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose mit festem Bezugspunkt (c) Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognosen ohne festen Bezugspunkt 380 381 381 382 384 386 386 386 389 390 390 391 392 i) Widerlegung innerhalb der Kündigungsfrist 392 ii) Widerlegung nach dem Entlassungstermin 393 (4) Nach dem Prognosehorizont zu unterscheidende Prognosearten (a) Betriebsbedingte Kündigung 393 393 - XXIII i) Kombination einer Prognose mit und einer ohne festen Bezugspunkt 393 ii) Widerlegung der Prognose des Wegfalls des Arbeitsplatzes 395 iii) Widerlegung der Prognose mangelnder anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten 395 (i) Widerlegung innerhalb der Kündigungsfrist 395 (ii) Widerlegung nach Ablauf der Kündigungsfrist – Ermittlung des zumutbaren Überbrückungszeitraums nach dem Entlassungstermin 396 iv) Lösung der Ausgangsfälle zu Betriebsübergang und Betriebsfortführung 398 (b) Alle übrigen Prognosen – Prognosen ohne festen Bezugspunkt und ohne zeitliche Erstreckung über den Entlassungstermin 399 (5) Fazit – Unterscheidung dreier zeitlicher Reichweiten der kündigungsbegründenden Prognose 402 3. Frist und Form der Geltendmachung des Anspruchs 402 a) Ausschlussfrist entsprechend §§ 4 S. 1, 7 KSchG 403 (1) Rechtsgedanke der §§ 4 S. 1, 7 KSchG 403 (2) Fristbeginn, Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose 404 b) Kürzere Frist nach Maßgabe des Einzelfalls 405 c) Dauer des Kündigungsschutzprozesses 407 d) Nichtgeltung einer Ausschlussfrist 407 e) Heranziehung des Verwirkungseinwands im bis zum 31.03.2002 geltenden Betriebsübergangsrecht 408 (1) „Gleichklang“ der zeitlich begrenzten Ausübung des Wiedereinstellungsanspruchs und des Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers 411 (a) Auffassung des 8. Senats zum Betriebsübergang nach Ablauf der Kündigungsfrist in den Sonderfällen der Funktionsnachfolge (b) Verallgemeinerung der Rechtsprechung des 8. Senats auf den klassischen Fall des Betriebsübergangs nach § 613a BGB (2) Anwendung der zum Wiedereinstellungsanspruch entwickelten Grundsätze auf den Weiterbeschäftigungsanspruch gegen den Erwerber nach unwirksamer Veräußererkündigung 411 416 417 - XXIV - f) Stellungnahme 421 (1) Beschränkung auf den allgemeinen Grundsatz der Verwirkung von Rechten 421 (2) Struktur des materiellrechtlichen Verwirkungseinwands 422 (3) Konkretisierung des Zeitmoments der Verwirkung 423 (a) Dreiwochenfrist entsprechend den §§ 4 und 7 KSchG (b) Keine Monatsfrist entsprechend § 613a VI 1 BGB im Betriebsübergangsrecht (c) Kenntnisnahme von den anspruchsbegründenden Umständen als Ausgangspunkt des Zeitmoments der Verwirkung 423 425 428 (4) Konkretisierung des Umstandsmoments der Verwirkung 429 (5) Sphärenbezogene Rechtspflicht zur Aufklärung über eine prognosewidrige Entwicklung nach Kündigungszugang 432 (a) Sphärenbezogene Aufklärungsnotwendigkeit 432 (b) Echte Rechtspflicht des Arbeitgebers zur Aufklärung über prognosewidrige Veränderungen aus seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich 433 (c) 435 Differenzierung nach Kündigungsgründen i) Personenbedingte Kündigung 435 ii) verhaltensbedingte Kündigung 435 iii) betriebsbedingte Kündigung 436 iv) Klassischer Betriebsübergang 436 v) Betriebsübergang durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft 438 (6) Parallele zur fristauslösenden Aufklärungspflicht gemäß § 613a V und VI BGB (a) Gegenstand der Neuregelung (b) Modell der fristauslösenden Aufklärungspflicht innerhalb und außerhalb des Betriebsübergangsrechts (7) Anwendung des Verwirkungseinwands auf den Wiedereinstellungsanspruch (a) Verwirkung bei Aufklärungspflicht 440 440 442 442 442 (b) Verwirkung ohne Aufklärungspflicht 443 (8) Rechtsfolge – Anspruchsvernichtung 445 g) Form der Geltendmachung – Kein Klageerfordernis, Vertragsangebot 446 - XXV - h) Keine Anwendung von § 270 III ZPO 4. Zeitliche Grenzen im Überblick 449 450 III. Besondere Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs nach Sonderkündigungsgründen .......................................... 455 1. Dispositionsschutz und Rehabilitierungsnotwendigkeit 455 a) Keine Entschädigung nach den §§ 9, 10 KSchG entspr. bei gutgläubiger Disposition 456 b) Rehabilitierung durch generellen Wiedereinstellungsvorrang? 458 2. Anspruchsentstehung nach widerlegter Verdachtskündigung 459 3. Stellungnahme 462 a) Keine sachlichen und zeitlichen Entstehungsgrenzen für den Wiedereinstellungsanspruch nach widerlegten Sonderkündigungsgründen 462 b) Geltung des Verwirkungseinwands nach allgemeinen Regeln 463 IV. Anspruchsverzicht durch Eingehung bzw. Nichtaufgabe eines Zwischenarbeitsverhältnisses ..... 464 H. WAHRUNG DER BESITZSTÄNDE ............................467 I. Inhalt des Anschlussarbeitsverhältnisses ................... 467 II. Zeitpunkt der Entstehung des neuen Arbeitsverhältnisses durch den Vollzug des Wiedereinstellungsanspruchs ...................................... 471 1. Sichtweise des BAG 471 2. Rückwirkung auf den Zeitpunkt der außergerichtlichen Geltendmachung? 472 - XXVI - 3. Stellungnahme – Anspruch auf Begründung eines Vertragsverhältnisses nur für die Zukunft 474 III. Ansprüche für die Zeit zwischen der Entstehung des Wiedereinstellungsanspruchs und seiner Verwirklichung............................................................... 477 I. BESCHRÄNKTER WIEDEREINSTELLUNGSANSPRUCH ...................... 484 I. Wiedereinstellungsanspruch zu geänderten Arbeitsbedingungen...................................................... 484 II. Anspruch auf befristete Wiedereinstellung ................. 486 J. PROZESSUALE DURCHSETZUNG .......................... 490 I. Verhältnis von Kündigungsschutzklage und Wiedereinstellungsklage............................................... 490 1. Praktische Durchsetzung mittels Eventualklagehäufung 490 2. Keine Auslegung eines singulären Kündigungsschutzantrags als hilfsweisen Wiedereinstellungsantrag 491 II. Klageantrag.................................................................... 494 1. Von der Rspr. akzeptierte Antragsformulierungen 494 2. Zulässigkeit eines unmittelbar auf tatsächliche Beschäftigung gerichteten Leistungsantrags? 495 a) Verneinende Auffassung – Keine Fiktion der tatsächlichen Beschäftigung durch § 894 ZPO, Vollstreckung nach § 888 ZPO 496 b) Bejahende Auffassung – Parallele zum kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht und zum Vorvertrag 497 c) Stellungnahme 498 - XXVII - 3. Kein Kündigungsbeseitigungsanspruch 503 a) Privatautonome Vereinbarung über die Aufhebung der Kündigungsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit 503 b) Anerkennung der Voraussetzungen des Annahmeverzugs i.S.v. § 615 BGB 504 c) Kündigungsbeseitigungsanspruch auf die Annahme eines arbeitnehmerseitigen Angebots auf Aufhebung der Kündigungswirkungen 504 d) Zulässigkeit eines Leistungsantrags auf Beschäftigung zur Durchsetzung des Kündigungsbeseitigungsanspruchs 505 e) Abgrenzung zum Wiedereinstellungsanspruch 506 f) Stellungnahme – Kündigungsbeseitigungsanspruch nicht begründbar 507 (1) Aushöhlung der Gestaltungswirkung der Kündigung 507 (2) Verstoß gegen die Ex-Nunc-Wirkung einer Gestaltungsklage nach § 894 I 1 ZPO 508 4. Zulässigkeit eines Feststellungsantrags nur im Ausnahmefall 509 5. Hinreichende Bestimmtheit des Antrags – Auslegung 510 6. Auslegung eines auf die ununterbrochene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Antrags 511 III. Keine Klagefrist.............................................................. 512 IV. Abgestufte Darlegungs- und Beweislast...................... 514 1. Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast 514 2. Anwendung auf den Wiedereinstellungsanspruch 515 K. ZUSAMMENFASSUNG DER WESENTLICHEN ERGEBNISSE .............................................................519 - XXVIII - SACH- UND PARAGRAPHENVERZEICHNIS ................ 543 - XXIX - - XXX - Literaturverzeichnis Adam, Roman F. Welcher Zeitpunkt sollte für die Beurteilung der Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Kündigungen de lege ferenda maßgebend sein?, DZWiR 1997, 522 ff derselbe Sanktion, Prognoseprinzip und Vertragsstörung bei der verhaltensbedingten Kündigung im Arbeitsrecht, NZA 1998, 284 ff derselbe Die zweifelhafte Wirkung der Prognose im Kündigungsrecht, ZTR 1999, 113 ff derselbe Anmerkung zu BAG (7 AZR 904/98), MDR 2000, 1440 ff, MDR 2000, 1442 f Alp, Mustafa Die Berücksichtigung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes, Diss. Tübingen 1998, Annuß, Georg Der Betriebsübergang nach "Ayse Süzen", NZA 1998, 70 ff derselbe Appel, Clemens / Gerken, Doris Der Betriebsübergang in der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, BB 1998, 1582 ff Pro und contra Verdachtskündigung, AuR 1995, 201 ff - XXXI Arbeitsrecht-Blattei Systematische Darstellungen Ordner 1 A - Arbeitsk (10-170) Stand: Oktober 2001 (zitiert: AR-Blattei SD - Bearbeiter) Systematische Darstellungen Ordner 2 Arbeitspl - Az (180-360) Stand: Oktober 2001 (zitiert: AR-Blattei SD - Bearbeiter) Systematische Darstellungen Ordner 6 Kra - L (980-1170) Stand: Oktober 2001 (zitiert: AR-Blattei SD - Bearbeiter) Ascheid, Reiner derselbe Beweislastfragen im Kündigungsschutzprozess, Diss. Giessen 1989, Pfaffenweiler 1989 (zitiert: Ascheid Diss.) Kündigungsschutzrecht, Stuttgart 1993 (zitiert: Ascheid KSchR) Bader, Peter Kündigungsprozesse richtig führen typische Fehler im Kündigungsprozess, NZA 1997, 905 ff Bar, Christian von "Nachwirkende" Vertragspflichten, AcP 179 (1979), 452 ff Bartel, Hans-Jürgen Anmerkung zu BAG (7 AZR 557/96), SAE 1998, 317 f, SAE 1998, 318 f Bauer, Jobst-Hubertus Befristete Arbeitsverträge unter neuen Vorzeichen, Teil 2: Sachgrundbefristung und allgemeine Befristungsprobleme, BB 2001, 2526 ff - XXXII Bayer, Christian Anforderungen an den Arbeitgeber bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer Kündigung, DB 1992, 782 ff Becker, Michael Gestaltungsrecht und Gestaltungsgrund, AcP 188 (1988), 24 ff Beckschulze, Martin Der Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung, DB 1998, 417 ff Belling, Detlev W. Die Kündigung wegen verdachtsbedingten Vertrauenswegfalls, RdA 1996, 223 ff Belling, Detlev W. / Künster, Marion Anmerkung zu BAG (2 AZR 164/94), AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdachts strafbarer Handlung, Bengelsdorf, Peter Die Verdachtskündigung, AuA 1995, 196 ff Bergwitz, Christoph Betriebsübergang und Insolvenz nach der neuen EG-Richtlinie zur Änderung der Betriebsübergangsrichtlinie, DB 1999, 2005 ff Berkowsky, Wilfried Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, Eine umfassende Darstellung unter Berücksichtigung des Betriebsverfassungsrechts und des Arbeitsgerichtsverfahrens, 2. Auflage, München 1995, (zitiert: Berkowsky Kündigung) derselbe Berscheid, Ernst-Dieter Die personenbedingte Kündigung Teil 2, NZA-RR 2001, 449 ff Interessenausgleich mit Namensliste, - Wiedereinstellungsanspruch bei Betriebsveräußerung im Konkurs -, MDR 1998, 1129 ff - XXXIII derselbe Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen nach § 113 InsO (Teil II), ZInsO 1998, 159 ff derselbe Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, 1. Auflage, Herne/Berlin 1999, (zitiert: Berscheid Insolvenz) Bichlmeier, Wilhelm / Oberhofer, Hermann Neues Arbeitsrecht im Konkurs, AiB 1997, 161 ff Binder, Martin Die österreichische Betriebsübergangsregelung - eine geglückte Bedachtnahme auf die europarechtlichen Vorgaben?, DRdA 1996, 1 ff derselbe Anmerkung zu OGH (9 ObA 160/99s), DRdA 2000, 311 ff, DRdA 2000, 313 ff Bitter, Walter / Kiel, Heinrich 40 Jahre Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Sozialwidrigkeit von Kündigungen, RdA 1995, 26 ff Blomeyer, Wolfgang Kurzkommentar zu BAG (7 AZR 904/98), EWiR 2000, 1067, EWiR 2000, 1067 f Boeddinghaus, Rütger Die alte und neue Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung, AuR 2001, 8 ff Boewer, Dietrich Der Wiedereinstellungsanspruch - Teil 1, NZA 1999, 1121 ff derselbe Der Wiedereinstellungsanspruch - Teil 2, NZA 1999, 1177 ff derselbe Ausgewählte Aspekte des Kündigungsschutzprozesses, RdA 2001, 380 ff - XXXIV Boudon, Ulrich Kurzkommentar zu BAG (7 AZR 557/96), EWiR 1998, 323 ff, derselbe Kurzkommentar zu BAG (7 AZR 557/96), BB 1998, 538, EWiR 1998, 323 f Bram, Rainer / Rühl, Werner Praktische Probleme des Wiedereinstellungsanspruchs nach wirksamer Kündigung, NZA 1990, 753 ff Brenneis, Dieter Der Maßstab der sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung im Lichte legislativen Wollens und kündigungsschutzrechtlicher Prinzipien, Diss. Bonn 1998, Brox, Hans Allgemeiner Teil des bürgerlichen Gesetzbuchs, 25. Auflage, München 2001 (zitiert: Brox BGB AT) Brox, Hans / Rüthers, Bernd Arbeitskampfrecht Ein Handbuch für die Praxis 2. Auflage, Stuttgart 1982 (zitiert: Brox/Rüthers ArbeitskampfR Bearbeiter) dieselben Buchner, Herbert derselbe Arbeitsrecht, 15. Auflage, Stuttgart 2002 (zitiert: Brox/Rüthers ArbR) Die Rechtslage zur betriebsbedingten Kündigung, DB 1984, 504 ff Die Betriebsübertragung i.S.v. § 613a BGB im Spannungsfeld von Arbeitsplatzschutz und unternehmerischer Gestaltungsmöglichkeit, JZ 1999, 593 ff - XXXV Busch, Mathias Die Verdachtskündigung im Arbeitsrecht, MDR 1995, 217 ff Busche, Jan Privatautonomie und Kontrahierungszwang, Habil. Tübingen 1999, (zitiert: Busche Privatautonomie) Canaris, Claus-Wilhelm Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München 1971 (zitiert: Canaris Vertrauenshaftung) derselbe Schadensersatz wegen Pflichtverletzung, anfängliche Unmöglichkeit und Aufwendungsersatz im Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes , DB 2001, 1815 ff Choi, Yooncheol Die Pflicht des Gesetzgebers zur Beseitigung von Gesetzesmängeln, Diss. Hamburg 2002 (zitiert: Choi Diss.) Coen, Martin Anmerkung zu BAG (2 AZR 15/82) AuR 1984, 315 ff, AuR 1984, 319 f Däubler, Wolfgang /Kittner, Michael / Klebe, Thomas Betriebsverfassungsgesetz, 8. Auflage, Frankfurt a.M. 2002 (zitiert: DKK BetrVG - Bearbeiter) Dieterich, Thomas Grundgesetz und Privatautonomie im Arbeitsrecht, RdA 1995, 129 ff derselbe Die Arbeitsgerichte zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof, NZA 1996, 673 ff - XXXVI Dörner, Klemens derselbe Die Verdachtskündigung im Spiegel der Methoden zur Auslegung von Gesetzen, NZA 1992, 865 ff Abschied von der Verdachtskündigung, NZA 1993, 873 ff Dörner, Klemens Maria / Luczak, Stefan / Wildschütz, Martin Arbeitsrecht in der anwaltlichen und gerichtlichen Praxis, 2. Auflage, Neuwied 1999 (zitiert: DLW - Bearbeiter) Dornieden, Michael Anmerkung zu BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701 ff, AiB 1998, 410 Dudenbostel, Karl Vergleichbarkeit und Leistungsbeurteilung bei der sozialen Auswahl nach § 1 III KSchG, DB 1984, 826 ff Dütz, Wilhelm Arbeitsrecht, 7. Auflage, München 2002 (zitiert: Dütz ArbR) Edenfeld, Stefan Der neue Betriebs(teil)begriff des BAG zu § 613a BGB, AuA 1998, 161 ff Eich, Rolf-Achim Anmerkung zu BAG (2 AZR 109/86) SAE 1988, 75 ff, SAE 1988, 78 ff Erfurter Kommentar Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2. Auflage München 2001 (zitiert: ErfK - Bearbeiter) - XXXVII Erman Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band I (§§ 1-853), 10. Auflage, Münster 2000 (zitiert: Erman - Bearbeiter) Fischer, Lorenz Individualarbeitsrechtliche Probleme beim Betriebsübergang nach § 613a BGB, Diss. Mainz 1980, (zitiert: Fischer Diss.) Fischer, Ulrich Individualrechtliche Probleme des verdeckten bzw. (zunächst) unerkannten Betriebsübergangs, DB 2001, 331 ff Fitting, Karl / Kaiser, Heinrich / Heither, Friedrich / Engels, Gerd Betriebsverfassungsgesetz Handkommentar, 20. Auflage, München 2000 (zitiert: FKHE BetrVG) Fleddermann, Cristoph Kurzkommentar zu BAG (2 AZR 514/99), EWiR 2001, 739, EWiR 2001, 739 f Franzen, Martin Anmerkung zu LAG Hamm (Westfalen) (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240 ff, DZWIR 2000, 247 ff Furier, Manfred-Theo Wiedereinstellungsanspruch, AiB 1999, 246 ff Gahleitner, Sieglinde Der praktische Fall, Betriebsschließung oder Betriebsübergang, DRdA 2000, 426 ff Gamillscheg, Franz Die Grundrechte im Arbeitsrecht, AcP 164 (1964), 385 ff - XXXVIII derselbe Kollektives Arbeitsrecht Band I Grundlagen, Koalitionsfreiheit, Tarifvertrag, Arbeitskampf und Schlichtung, München 1997 (zitiert: Gamillscheg KollektArbR I) derselbe Arbeitsrecht, Band I, Arbeitsvertrags- und Arbeitsschutzrecht, 8. Auflage, München 2000, (zitiert: Gamillscheg ArbR I) Gaul, Björn Die Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen, BB 1995, 2422 ff Gaul, Björn / Otto, Björn Unterrichtungsanspruch und Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang und Umwandlung, DB 2002, 634 ff Gaul, Dieter Missbrauch einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, NZA 1993, 865 ff Gemeinschaftskommentar BetrVG Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, Band II (§§ 74-132), mit Kommentierung des BetrVG 1952 und des Sozialplangesetzes, 5. Auflage, Neuwied 1995 (zitiert: GK-BetrVG - Bearbeiter) Gemeinschaftskommentar KSchR Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 6. Auflage, Neuwied 2002 (zitiert: KR - Bearbeiter) - XXXIX Gentges, Peter Prognoseprobleme im Kündigungsschutzrecht, Diss. Düsseldorf 1994, Baden-Baden 1995, (zitiert: Gentges Diss.) Götz, Volkmar Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien - Zusammenwirken von Gemeinschaft und Staat, NJW 1992, 1849 ff Grobys, Marcel Die Neuregelung des Betriebsübergangs in § 613a BGB, BB 2002, 726 ff Grunsky, Wolfgang Die Verdachtskündigung, ZfA 1977, 167 ff Günzel, Eric Der Wiedereinstellungsanspruch bei Fortführung des Betriebes nach Ablauf der Kündigungsfrist, DB 2000, 1227 ff Hambitzer, Ulrich Max Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer betriebsbedingter Kündigung, NJW 1985, 2239 ff derselbe Hanau, Peter Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers nach wirksamer Kündigung, Diss. Bonn 1987 (zitiert: Hambitzer Diss.) Zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen wegen Betriebsübergangs, ZIP 1984, 141 ff derselbe Perversion und Prävention bei § 613a BGB, ZIP 1998, 1817 ff derselbe Anmerkung zu BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320 ff, ZIP 1999, 324 ff - XL Hanau, Peter / Adomeit, Klaus Arbeitsrecht, 12. Auflage, Neuwied 2000 (zitiert: Hanau/Adomeit ArbR) Heidelberger Kommentar Heidelberger Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz, Dorndorf, Eberhard / Weller, Bernhard / Hauck, Friedrich / Höland, Armin / Kriebel, Volkhart / Neef, Klaus, 4. Auflage, Heidelberg 2001 (zitiert: HK KSchG - Bearbeiter) Hergenröder, C.W. Anmerkung zu BAG (2 AZR 140/97), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 3, Herschel, Wilhelm Neue Tatsachen nach Verdachtskündigung des Arbeitsvertrages, BlStSozArbR 1977, 113 ff derselbe Gedanken zur Theorie des arbeitsrechtlichen Kündigungsgrundes, in: Festschrift für Gerhard Müller 1982, 191 ff (zitiert: Herschel FS Müller) Herzberg, Rolf Kritik der teleologischen Gesetzesauslegung, NJW 1990, 2525 ff Hess, Harald Maßregelungsklauseln in Tarifverträgen, DB 1976, 2469 ff Hess, Harald / Schlochauer, Ursula / Glaubitz, Werner Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage, Neuwied 1997 (zitiert: Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG - Bearbeiter) - XLI Hillebrecht, Wilfried Dringende betriebliche Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 KSchG) zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen durch den Konkursverwalter, ZIP 1985, 257 ff Hinrichs, Werner Anmerkung zu BAG (2 AZR 160/96), AiB 1997, 612 ff, AiB 1997, 615 ff Hoß, Axel Die verhaltensbedingte Kündigung, MDR 1998, 869 ff Hoyningen-Huene, Gerrick von Anmerkung zu BAG (2 AZR 242/94), EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77, Hromadka, Wolfgang Möglichkeiten und Grenzen der Änderungskündigung, NZA 1996, 1 ff Huber, Ulrich Savignys Lehre von der Auslegung der Gesetze in heutiger Sicht, JZ 2003, 1 ff Hueck, Alfred Anmerkung zu BGH (VI ZR 88/55), AP Nr. 2 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht derselbe Die Pflicht des Arbeitgebers zur Wiedereinstellung entlassener Arbeitnehmer, in: Festschrift für Justus Wilhelm Hedemann zu seinem 80. Geburtstag am 24. April 1958, S. 131 ff, Berlin 1958 (zitiert: Hueck FS Hedemann) Hueck, Alfred / Hueck, Götz / Kündigungsschutzgesetz Kommentar, Hoyningen-Huene, Gerrick von / Linck, 13. Auflage, Rüdiger München 2002 (zitiert: Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG) Hümmerich, Klaus Acht aktuelle Vorteile beim Abwicklungsvertrag, BB 1999, 1868 ff - XLII Hunold, Wolf Die Rechtsprechung zur Befristung von Arbeitsverträgen, NZA-RR 2000, 505 ff Imping, Andreas Aktuelle Entwicklungen im Individualarbeitsrecht, MDR 1999, 125 ff Jauernig Bürgerliches Gesetzbuch mit Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen, Kommentar, 10. Auflage, München 2002 (zitiert: Jauernig - Bearbeiter) Joachim, Hans G. Zur Problematik der Verdachtskündigung, AuR 1964, 33 ff Joussen, Jacob Arbeitsrecht und Schuldrechtsreform, NZA 2001, 745 ff Junker, Abbo / Schnelle, Sylvia Kurzkommentar zu BAG (2 AZR 160/96), DB 1997, 1414, EWiR 1997, 781 f Kaiser, Dagmar Wegfall des Kündigungsgrundes Weder Unwirksamkeit der Kündigung noch Wiedereinstellungsanspruch, ZfA 2000, 205 ff Kania, Thomas Anmerkung zu BAG (2 AZR 160/96), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1 Kasper, Franz Die Kunst forensischer Prophetie als Darlegungs- und Beweismittel bei krankheitsbedingten Kündigungen des Arbeitgebers, Ein Beitrag zur Auslegung des § 1 II 1, 4 KSchG 1969 durch den 2. Senat des BAG, NJW 1994, 2979 ff - XLIII Kasseler Handbuch Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, 2. Auflage, Neuwied 2000 (zitiert: Kasseler Handbuch I Bearbeiter) Kiel, Heinrich Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutz, Zugleich ein Beitrag zur "konzerndimensionalen Weiterbeschäftigung" im Individualarbeitsrecht, Diss. Kiel 1990, Frankfurt am Main 1990 (zitiert: Kiel Diss.) Kiel, Heinrich / Koch, Ulrich Die betriebsbedingte Kündigung, 1. Auflage, München 2000, (zitiert: Kiel/Koch) Kindscher, Reinhard Die Kündigung wegen Betriebsübergangs, Diss. Bremerhaven 1999, (zitiert: Kindscher Diss.) Kittner, Michael / Däubler, Wolfgang Kündigungsschutzrecht, Kommentar für die Praxis zu Kündigungen und anderen Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 5. Auflage, Frankfurt/Main 2001 (zitiert: Kittner/Däubler/Zwanziger Bearbeiter) Zwanziger, Bertram, Kleinknecht/Meyer-Goßner Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen, erläutert von Lutz Meyer-Goßner, 45. Auflage, München 2001, (zitiert: Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO) - XLIV Knöringer, Dieter Die Assessorklausur im Zivilprozess, 8. Auflage, München 2000, (zitiert: Knöringer ZPO) Knorr, Gerhard / Bichlmeier, Gerd / Kremhelmer, Hans Handbuch des Kündigungsrechts, 4. Auflage München 1998, (zitiert: Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer) Kölner Praxiskommentar Kölner Praxiskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, Hans-Harald Sowka / Peter Bengelsdorf, 2. Auflage, Köln 2000, (zitiert: KPK KSchG - Bearbeiter) Konzen, Horst Übernahme und Unterstützung wilder Streiks durch Gewerkschaften, ZfA 1970, 159 ff Kort, Michael Anmerkung zu BAG (7 AZR 904/98), SAE 2001, 125 ff, SAE 2001, 131 ff Kraft, Alfons Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses; Lohn ohne Arbeit - Überlegungen zur Reduzierung der Regelungsdichte des Arbeitsrechts und zur Wiederherstellung der Äquivalenz im Arbeitsverhältnis, ZfA 1994, 463 ff derselbe Anmerkung zu BAG (10 AZR 885/94), SAE 1996, 236 ff, SAE 1996, 240 ff Krasshöfer, Horst-Dieter Kurzkommentar zu BAG (2 AZR 140/97), EWiR 1998, 773, EWiR 1998, 773 f Krause, Rüdiger Die tatsächliche Betriebsfortführung als konstitutives Erfordernis des Betriebsübergangs, ZfA 2001, 67 ff - XLV Kukat, Klaus Anmerkung zu BAG (7 AZR 904/98), BB 2001, 573 ff, BB 2001, 576 ff Lammermann, Rolf Aktuelle Probleme im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen und sozialen Auswahl, Diss. Bielefeld 1996, Langenbucher, Katja Anmerkung zu BAG (8 AZR 295/95), SAE 1998, 143 ff, SAE 1998, 145 ff dieselbe Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers beim Betriebsübergang, ZfA 1999, 299 ff Langer, Karl A. Anspruch auf Wiedereinstellung ?, NZA 1991, Beil. 3, 23 ff Larenz, Karl Anmerkung zu BAG AP Nr. 3 (1 AZR 29/55) und 4 (2 AZR 345/56) zu § 611 BGB Fürsorgepflicht derselbe Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 14. Auflage, München 1987 (zitiert: Larenz BGB SchR I) derselbe Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin 1992, (zitiert: Larenz Methodenlehre) derselbe Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 8. Auflage, München 1997 (zitiert: Larenz BGB AT) - XLVI Lieb, Manfred Arbeitsrecht, 7. Auflage, Heidelberg 2000 (zitiert: Lieb ArbR) Liebig, Detlef Die Krankheit des Arbeitnehmers als Kündigungsgrund, Diss. Nürnberg 1988, (zitiert: Liebig Diss.) Lindemann, Viola Neuerungen im Arbeitsrecht durch die Schuldrechtsreform, AuR 2002, 81 ff Lipinski, Wolfgang Reichweite der Kündigungskontrolle durch § 613a IV 1 BGB, NZA 2002, 75 ff Loritz, Karl-Georg Aktuelle Probleme des Betriebsübergangs nach § 613a BGB, RdA 1987, 65 ff Löwe-Rosenberg Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Großkommentar, Zweiter Band §§ 112-197, 25. Auflage, Berlin 1999, (zitiert: Löwe-Rosenberg StPO Bearbeiter) Löwisch, Manfred Zweifelhafte Folgen des geplanten Leistungsstörungsrechts für das Arbeitsvertragsrecht, NZA 2001, 465 ff Löwisch, Manfred / Bernards, Kordula Anmerkung zu BAG (2 AZR 294/97), EzA § 2 KSchG 1969 Nr. 6 Lücke, Oliver Unter Verdacht: Die Verdachtskündigung, BB 1997, 1842 ff Lutter, Marcus Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, 593 ff - XLVII Manske, Wolfgang Wiedereinstellungsanspruch in der Rechtsprechung des BAG, FA 1998, 143 ff Mathern, Friedrich W. Die krankheitsbedingte Kündigung, NJW 1996, 818 ff Mayer, Udo R. Abbau finanzieller Sonderzuwendungen, Betriebsräte unter Anpassungsdruck und Möglichkeiten der Gegenwehr, AiB 1998, 441 ff Medicus, Dieter Bürgerliches Recht, 18. Auflage, Köln 1999, Ozitiert: Medicus BR) Meinel, Gernod / Bauer, Thorsten Der Wiedereinstellungsanspruch, NZA 1999, 575 ff Meyer, Cord Arbeitsvertragsänderungen bei Betriebsübergang, NZA 2002, 246 ff derselbe Der Fortsetzungsanspruch bei Betriebsübergang, BB 2000, 1032 ff derselbe Anmerkung zu BAG (8 AZR 324/97), SAE 2000, 35 ff, SAE 2000, 39 ff derselbe Sozialplangestaltung bei nachträglichem Betriebsübergang, NZA 2000, 297 ff Mohnen, Heinz Nachwirkungen des Arbeitsverhältnisses, RdA 1957, 405 ff Molitor, Erich Anmerkung zu BGH (VI ZR 88/55) SAE 1957, 1 ff, SAE 1957, 5 ff Moll, Wilhelm / Reufels, Martin Anmerkung zu LAG Hamm (2 Sa 1111/98), EWiR 1999, 995, EWiR 1999, 995 ff - XLVIII Monjau, H. Nachwirkende Treuepflichten, BB 1962, 1439 ff Moos, Peter Nachwirkende Vertragspflichten aus Arbeitsverhältnissen, RdA 1962, 301 ff Moritz, Klaus Grenzen der Verdachtskündigung, NJW 1978, 402 ff Müller-Glöge, Rudi Bestandsschutz beim Betriebsübergang nach § 613a BGB, NZA 1999, 449 ff Mummenhoff, Winfried Anmerkung zu BAG (2 AZR 24/83) SAE 1985, 302 ff, SAE 1985, 305 ff derselbe Münchener Handbuch für Arbeitsrecht Arbeitsrecht: Flaute im Baugeschäft, JuS 1987, 893 ff Band 1, Individualarbeitsrecht I, 2. Auflage, München 2000 (zitiert: MünchArbR I - Bearbeiter) Band 2, Individualarbeitsrecht II, 2. Auflage, München 2000 (zitiert: MünchArbR II - Bearbeiter) Band 3, Kollektives Arbeitsrecht, 2. Auflage, München 2000 (zitiert: MünchArbR III - Bearbeiter) Münchener Kommentar Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, Allgemeiner Teil (§§ 1-240, AGBGesetz), 4. Auflage, München 2001 (zitiert: MünchKomm - Bearbeiter) - XLIX Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, Schuldrecht Allgemeiner Teil (§§ 241432, FernAbsG), 4. Auflage, München 2001 (zitiert: MünchKomm - Bearbeiter) Münchener Kommentar zum BGB, Band 3, erster Halbband, Schuldrecht Besonderer Teil (§§ 607704), 4. Auflage, München 2001 (zitiert: MünchKomm - Bearbeiter) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 6, Sachenrecht (§§ 854-1296), 4.Auflage, München 2001, (zitiert: MünchKomm - Bearbeiter) Nägele, Stefan Die Renaissance des Wiedereinstellungsanspruchs, BB 1998, 1686 ff Naujok, Volker Das Spannungsverhältnis zwischen Verdachtskündigung und Unschuldsvermutung, AuR 1998, 398 ff Nicolai, Andrea Die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Arbeitsrecht im Jahre 1998, ZfA 1999, 617 ff dieselbe Nicolai, Andrea / Noack, Stefanie Anmerkung zu BAG (2 AZR 639/98), SAE 2000, 93 ff, SAE 2000, 98 ff Grundlagen und Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs nach wirksamer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ZfA 2000, 87 ff -LOetker, Hartmut Anmerkung zu LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457 ff, DZWIR 2000, 461 ff derselbe Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers bei nachträglichem Wegfall des Kündigungsgrundes, ZIP 2000, 643 ff derselbe Anmerkung zu BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781 ff, ZIP 2000, 1787 ff Otto, Hansjörg Anmerkung zu BAG (2 AZR 140/81), EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 10, derselbe Grünes Licht für die Wiedereinstellung bei betriebsbedingten Entlassungen?, in: Festschrift für Alfons Kraft zum 70. Geburtstag am 29.10.1998, S. 451 ff, Neuwied 1998, (zitiert: Otto FS Kraft (1998)) Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage, München 2002 (zitiert: Palandt - Bearbeiter) Papenheim, Heinz-Gert Anmerkung zu BAG (7 AZR 557/96), ZMV 1998, 241 = NZA 1998, 254 f, ZMV 1998, 241 f Pawlowski, Hans-Martin Methodenlehre für Juristen: Theorie der Norm und des Gesetzes, 3. Auflage, Heidelberg 1999, (zitiert: Pawlowski Methodenlehre) Peters, Harald / Thüsing, Gregor Anmerkung zu BAG (8 AZR 295/95), EzA § 613a BGB Nr. 154, Pietzko, Joachim Der Tatbestand des § 613a BGB, Diss. Köln 1987, Berlin 1988, (zitiert: Pietzko Diss.) - LI Pollmann, Michael Die Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung, - Ein Vergleich der Auswahlkriterien von Beendigungs- und Änderungskündigung -, Diss. Münster 1996, (zitiert: Pollmann Diss.) Preis, Ulrich Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, Eine Untersuchung zum Recht des materiellen Kündigungsschutzes, insbesondere zur Theorie der Kündigungsgründe, Diss. Köln 1986, München 1987, (zitiert: Preis Prinzipien) derselbe Anmerkung zu LAG Köln (4 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1, LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1 , 15 ff derselbe Neuere Tendenzen im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz (I), DB 1988, 1387 ff derselbe Die verhaltensbedingte Kündigung, DB 1990, 630 ff derselbe Autonome Unternehmerentscheidung und "dringendes betriebliches Erfordernis", NZA 1995, 241 ff derselbe Aktuelle Tendenzen im Kündigungsschutzrecht, NZA 1997, 1073 ff derselbe Der Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, NZA 1997, 1256 ff - LII derselbe Arbeitsrecht, Praxis-Lehrbuch zum Individualarbeitsrecht, Köln 1999 (zitiert: Preis ArbR) Preis, Ulrich / Steffan, Ralf Neue Konzepte des BAG zum Betriebsübergang nach § 613a BGB, - Bemerkungen zu den BAG-Urteilen vom 11.09.1997 – 8 AZR 555/95, DB 1997 S. 2540 – und vom 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, DB 1998 S. 316 - , DB 1998, 309 ff Raab, Thomas Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers bei Wegfall des Kündigungsgrundes, RdA 2000, 147 ff derselbe Anmerkung zu BAG (7 AZR 904/98), RdA 2001, 243 ff, RdA 2001, 248 ff Reuter, Dieter Die freie Wahl des Arbeitsplatzes - ein nicht realisierbares Grundrecht?, RdA 1973, 345 ff Richardi, Reinhard / Dietz, Rolf Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 7. Auflage, München 1998 (zitiert: Richardi BetrVG) Ricken, Oliver Grundlagen und Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs, NZA 1998, 460 ff derselbe Rieble, Volker Anmerkung zu BAG (7 AZR 662/99), AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung Flexible Gestaltung von Entgelt und Arbeitszeit im Arbeitsvertrag, NZA Sonderbeilage zu Heft 3 / 2000, 34 ff - LIII Ring, Gerhard Arbeitsrecht, 1. Auflage, Baden-Baden 1998 (zitiert: Ring ArbR) Rolfs, Christian Die Entwicklung des arbeitsrechtlichen Schrifttums im Jahre 1998, ZfA 1999, 403 ff Rüthers, Bernd Arbeitsrecht und ideologische Kontinuitäten ?, NJW 1998, 1433 ff Rüthers, Bernd / Müller, Gregor Anmerkung zu BAG (2 AZR 604/90), EzA § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 41, Sack, Rolf Das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und die Moral als Bestimmungsfaktoren der guten Sitten, NJW 1985, 761 ff Sandmann, Bernd Anmerkung zu BAG (8 AZR 127/94), SAE 1997, 154, SAE 1997, 157 ff derselbe Anmerkung zu BAG (8 AZR 774/98), SAE 2000, 293 ff, SAE 2000, 295 ff Schaub, Günter Arbeitsrechtshandbuch, Systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 9. Auflage, München 2000 (zitiert: Schaub) Schiefer, Bernd Beendigung des Arbeitsverhältnisses Aktuelle Entwicklungen, DB 2000, 669 ff Schirge, Barbara Anmerkung zu BAG (9 AZR 194/99), AP Nr. 2 zu § 11 KSchG 1969, Scholz, Rupert Die Berufsfreiheit als Grundlage und Grenze arbeitsrechtlicher Regelungssysteme, ZfA 1981, 265 ff - LIV derselbe Anmerkung zu EuGH von 10.04.1984 14/83 (ArbG Hamm 06.12.1982) und zu EuGH von 10.04.1984 - 79/83 (ArbG Hamburg 05.07.1982), SAE 1984, 237 ff, 244 ff, SAE 1984, 250 ff Schrader, Peter Anmerkung zu BAG (2 AZR 514/99), AP Nr. 115 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Schreiber, Klaus Anmerkung zu BAG (7 AZR 536/82), SAE 1986, 70 ff, SAE 1986, 74 f Schubert, Claudia Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers nach betriebsbedingter Kündigung in der Insolvenz, ZIP 2002, 554 ff Schütte, Reinhard Die Verdachtskündigung, NZA 1991, Beil. 2, 17 ff Schwerdtner, Peter Rücknahme der Kündigung und Kündigungsschutzprozess, ZIP 1982, 639 ff Seier, Jürgen Kündigungsbetrug durch Verschweigen des Wegfalls von Eigenbedarf, NJW 1988, 1617 ff Senne, Holger Der Wiedereinstellungsanspruch von Arbeitnehmern, AuA 1992, 301 ff Sibben, Ralf Anmerkung zu ArbG Düsseldorf (7 Ca 4497/99), DB 2000, 2022 f, DB 2000, 2023 f Sieger, Jürgen / Hasselbach, Kai Veräußererkündigung mit Erwerberkonzept, DB 1999, 430 ff - LV Soergel Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, Allgemeiner Teil 2 (§§ 104 240), 13. Auflage, Stuttgart 1999 (zitiert: Soergel - Bearbeiter) Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 4/1, Schuldrecht III/1 (§§ 516651), 13. Auflage, Stuttgart 1999 (zitiert: Soergel - Bearbeiter) Stahlhacke, Eugen / Preis, Ulrich / Vossen, Reinhard Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Auflage, München 1999 (zitiert: Stahlhacke/Preis/Vossen) Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, Einleitung zu den §§ 241 ff, §§ 241 243, 13. Bearbeitung , Berlin 1995, (zitiert: Staudinger - Bearbeiter) Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 255 - 314, Neubearbeitung 2001, Berlin 2001, (zitiert: Staudinger - Bearbeiter) - LVI Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 611 - 615, 13. Bearbeitung , Berlin 1999 (zitiert: Staudinger - Bearbeiter) Stebut, Dietrich von Der Wegfall von Kündigungsgründen des Vermieters, NJW 1985, 289 ff Stege, Dieter / Weinspach, F. K. Betriebsverfassungsgesetz, Handkommentar für die betriebliche Praxis, 8. Auflage, Köln 1999 (zitiert: Stege/Weinspach BetrVG) Stein, Jürgen vom Fehleinschätzungen bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen, Dissertation Köln 1989 (zitiert: vom Stein Diss.) derselbe Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers bei Fehlprognose des Arbeitgebers?, RdA 1991, 85 ff Stein, Peter Freiheit und Dringlichkeit der unternehmerischen Entscheidung im Kündigungsschutzrecht, BB 2000, 457 ff Stoffels, Markus Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Jahre 1997, ZfA 1999, 49 ff Thannheiser, Achim Anmerkung zu BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311 ff, AiB 1999, 653 - LVII Thomas, Heinz / Putzo, Hans Zivilprozessordnung, 23. Auflage, München 2001, (zitiert: Thomas/Putzo ZPO Bearbeiter) Tretow, Lars Die Betriebsveräußerung in der Insolvenz, ZinsO 2000, 309 ff Tschöpe, Ulrich Betriebsbedingte Kündigung, BB 2000, 2630 ff derselbe Personenbedingte Kündigung, BB 2001, 2110 ff derselbe Verhaltensbedingte Kündigung - Eine systematische Darstellung im Lichte der BAG-Rechtsprechung, BB 2002, 778 ff Vossen, Reinhard Die betriebsbedingte Kündigung durch den bisherigen Arbeitgeber aus Anlass des Betriebsübergangs, BB 1984, 1557 ff Waas, Bernd Rechtsfragen des Annahmeverzugs bei Kündigung durch den Arbeitgeber, NZA 1994, 151 ff Walker, Wolf-Dietrich Anmerkung zu BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = SAE 1998, 98 ff, SAE 1998, 103 ff Wank, Rolf Anmerkung zu BAG (2 AZR 24/83), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl derselbe Tendenzen der BAG-Rechtsprechung zum Kündigungsrecht, RdA 1993, 79 ff derselbe Anmerkung zu BAG (2 AZR 494/99), SAE 2002, 1 ff, SAE 2002, 7 ff - LVIII Warschkow, Sigurd Anmerkung zu BAG (9 AZR 194/99), AiB 2001, 183 ff, AiB 2001, 184 f Weber, Christoph Anmerkung zu BAG (2 AZR 799/93) und BAG (2 AZR 164/94), SAE 1996, 49 ff, 52 ff, SAE 1996, 57 ff Weber, Hansjörg Die Nebenpflichten des Arbeitgebers, RdA 1980, 289 ff Weiss, Manfred Anmerkung zu BAG (2 AZR 30/81), EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10 Welslau, Dietmar Rechtsprobleme des Wiedereinstellungsanspruchs, BuW 1998, 953 ff Weng, Rudolf Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit langer Bindung aus wichtigem Grund, Diss. Freiburg 1980, Willemsen, Heinz Josef Die Kündigung wegen Betriebsübergangs, ZIP 1983, 411 ff derselbe Die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 613a BGB, ZIP 1986, 477 ff derselbe Der Grundtatbestand des Betriebsübergangs nach § 613a BGB, RdA 1991, 204 ff derselbe Kündigungsschutz - vom Ritual zur Rationalität, NJW 2000, 2779 ff Willemsen, Heinz Josef / Lembke, Mark Die Neuregelung von Unterrichtung und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer beim Betriebsübergang, NJW 2002, 1159 ff - LIX Wollenschläger, Michael / Pollert, Dirk Rechtsfragen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB unter Berücksichtigung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen und des Rechts der europäischen Union, ZfA 1996, 547 ff Worzalla, Michael Neue Spielregeln bei Betriebsübergang - Die Änderungen des § 613a BGB, NZA 2002, 353 ff Ziemann, Werner Die Klage auf Wiedereinstellung oder Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, MDR 1999, 716 ff Zöller ZPO Zivilprozessordnung, 23. Auflage, Köln 2002, (zitiert: Zöller ZPO - Bearbeiter) Zöllner, Wolfgang / Loritz, Karl-Georg Arbeitsrecht, 5. Auflage, München 1998 (zitiert: Zöllner/Loritz ArbR) Zwanziger, Bertram Betriebsbedingte Kündigungen im Lichte der Rechtsprechung, NJW 1995, 916 ff derselbe Neue Tatsachen nach Zugang einer Kündigung, BB 1997, 42 ff - LX ANMERKUNGEN ZUR ÜBERARBEITUNG: Die Überarbeitung berücksichtigt alle mit Randbemerkungen versehenen Textstellen. Ich bin die Arbeit noch einmal vollständig durchgegangen. Redundanzen habe ich so gut es mir möglich war abgestellt. Querverweise nach unten sind beseitigt. Lange Fußnoten sind mit Absätzen gegliedert. Die Begriffsdifferenzierungen zum WEA sind beseitigt; dafür erfolgt die Klarstellung deutlicher in der Einleitung. Eine kurze Einleitung habe ich neu gefasst. Die Fallbeispiele sind nun (etwas ausführlicher) zusammenhängend besprochen und mit einem kurzen Fazit abgerundet. Neugeordnet sind die Gliederungen in den Teilen B. und C. Dort werden wie besprochen übergeordnete Kategorien gebildet. Stellungnahmen / Fazits werden nun unmittelbar angeschlossen. Inhaltliche Änderungen: Für den Beurteilungszeitpunkt bei der Fehldiagnosekündigung kommt es allein auf die objektiven Tatsachen im Kündigungszeitpunkt an. Es liegt also keine der Verdachtskündigung vergleichbare besondere Fallgestaltung vor. Die Rspr. von den „greifbaren Formen“ für die Abgrenzung der Stillegungskündigung von der Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist nun in den Teil B. zum Beurteilungszeitpunkt eingeordnet. Dies ist die einzige inhaltliche Erweiterung des insgesamt gekürzten ersten Teils. Der WEA nach Verdachtskündigung wird dogmatisch nun als Unterfall des prognosebedingten WEA verstanden. Die Prognose bezieht sich dabei allein auf das Bestehenbleiben der Verdachtsmomente. Dementsprechend können im abschließenden Vorschlag die Gemeinsamkeiten betont werden, während der Rehabilitationsansatz für die Verdachtskündigung sowie § 613a für die Stillegungskündigung beim Betriebsübergang in die gleiche Richtung weisen und damit die allgemeinen Überlegungen bestätigen. - LXI Die Voraussetzungen der teleologischen Reduktion im Verhältnis zur Analogie werden erörtert. Die wichtigsten inhaltlichen Änderungen mit Seitenzahl: THEMA FUNDSTELLE Einleitung „Problemstellung“ Seite 1 ff Beurteilungszeitpunkt „Beachtlichkeitkeit Fehldiagnosekündigung Erkenntnisse – keine Sonderstellung nachträglicher der Fehldiagnosekündigung“ Seite 59 ff Beurteilungszeitpunkt Abgrenzung bei der Stillegungskündigung Kündigung wegen / des der Stillegungskündigung Kündigung von wegen der des Betriebsübergangs“ Seite 43 ff Betriebsübergangs prognosebedingter „Abgrenzung WEA nach „Inhalt des Prognoseprinzips bei der Verdachtskündigung Verdachtskündigung“ Seite 148 ff Vorschlag zur Anspruchsdogmatik „Vorschlag für kündigungsschutzrechliche Begründung“ Seite 172 ff eine -1- A. Problemstellung I. Die Prognose Arbeitgeberkündigung als Grundlage der Erhält ein Arbeitnehmer gegen seinen Willen die Kündigung, bedeutet dies für ihn in der Regel nicht nur einen schweren Schicksalsschlag, sondern nicht selten auch den Beginn einer juristischen Auseinandersetzung mit höchst ungewissem Ausgang. Selbst geschulte Juristen sehen sich in der Regel nicht in der Lage, den Ausgang solcher Verfahren sicher zu prognostizieren.1 Wesentlicher Grund für die Unwägbarkeiten ist das im Kündigungsschutzrecht inzwischen allgemein anerkannte Prognoseprinzip. Nach ständiger Rspr. des BAG hängt die Kündigungsberechtigung für den Arbeitgeber im Anwendungsbereich des KSchG von einer zutreffenden Prognosestellung ab.2 Die Prognose besteht in einer Wahrscheinlichkeitsthese über den späteren Eintritt oder Nichteintritt je nach Kündigungsgrund unterschiedlicher Umstände, wie das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, zukünftige Belastungen betrieblicher Interessen oder die Gefahr einer Wiederholung des Fehlverhaltens. So muss der Arbeitgeber z.B. für die betriebsbedingte Kündigung im Kündigungszeitpunkt prognostizieren, dass sich für den Arbeitnehmer auch in Zukunft eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen nicht mehr wird finden lassen. Nur eine stimmige Prognose rechtfertigt eine wirksame Kündigung. Das Prognoseprinzip wurde von Preis3 herausgearbeitet und ergänzt das wegen der dem Arbeitsrecht innewohnenden sozialen Komponente ebenfalls zu beachtende 1 2 3 Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Als Entdecker des Willemsen, NJW 2000, 2279, 2279. BAG (2 AZR 215/88), AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung (unter II 2 d bb der Gründe); BAG (2 AZR 357/95), NZA 1997, 487, 490; BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 758. Preis Prinzipien, S. 454 ff. -2kündigungsschutzrechtlichen Herschel5 benannt. Prognoseprinzips Inzwischen misst die Preis4 wird von fast einhellige Wilhelm Lit. dem Prognoseprinzip eine große Bedeutung bei.6 Seine Grundlage findet es im Wortlaut des § 1 II 1 und 2 KSchG, der insoweit unmissverständlich auf die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers abstellt und damit eine zukunftsorientierte Aussage enthält.7 II. Der Wiedereinstellungsanspruch als wertender Interessenausgleich bei Widerlegung der Prognose Ausgangspunkt für die Frage nach einem Wiedereinstellungsanspruch ist stets eine widerlegte kündigungsbegründende Prognose. Wie jede Prognose ist auch die kündigungsbegründende Prognose mit dem Risiko verbunden, dass sie durch die weitere Entwicklung nicht bestätigt, sondern widerlegt wird. Wird eine Prognose nach Zugang der Kündigung widerlegt, so verliert sie nicht automtisch ihre rechtfertigende Wirkung für die Kündigung. Maßgeblich bleibt, dass die Prognose zum Kündigungszeitpunkt zutreffend war. Dem Arbeitgeber kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn er zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung alles bedacht hat, was zu bedenken war. 8 Aus diesem Grund und weil die Kündigungsbefugnis des Arbeitgebers als Gestaltungsrecht ausgelegt ist, verwundert es nicht, dass die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose vom Standpunkt der h.M. an der Wirksamkeit der Kündigung nichts mehr zu ändern vermag. Gleichwohl erscheint der Verlust des Arbeitsplatzes 4 Preis, DB 1990, 630, 634. 5 Herschel FS Müller, S. 191 ff. 6 vgl. nur Preis NZA 1997, 1073, 1076; Adam, NZA 1998, S. 284, 284 m.w.N. 7 8 Auch für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB ist das Prognoseprinzip anerkannt. Der wichtige Grund wird insoweit den drei Grundarten der vom KSchG als sozial gerechtfertigt akzeptierten Kündigungsgründe zugeordnet (BAG (2 AZR 357/95), NZA 1997, 487, 487 ff). Zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung bestehen damit nur graduelle Unterschiede ohne prinzipielle Auswirkungen auf das Prognoseprinzip. Zwanziger, BB 1997, 42, 42. -3aus der Sicht einer abschließenden Sachverhaltsbewertung nicht zwingend erforderlich und könnte möglicherweise sogar als willkürlich und nicht gerechtfertigt angesehen werden. Dies ist der Anknüpfungspunkt für die Frage nach einem Wiedereinstellungsanspruch. Ein solcher Wiedereinstellungsanspruch könnte den endgültigen Arbeitsplatzverlust verhindern, wenn im Ausnahmefall der im Kündigungszeitpunkt noch gegebene Kündigungsgrund schon bald ins Wanken gerät. Der in den letzten Jahren wieder in den Blickpunkt des Interesses gerückte Wiedereinstellungsanspruch dient damit vor allem der Billigkeit im Ergebnis. Ziel ist ein gerechter Interessenausgleich, der die Beschränkungen des starren Kündigungsschutzes im Einzelfall überwinden soll, ohne die durch die Kündigungsbefugnis vermittelte Rechtssicherheit zu sehr zu beeinträchtigen. Das Arbeitsrecht lebt in vielen Fragen von solchen Billigkeitsüberlegungen. Sie alle sind ihrer Natur nach dogmatischen Bedenken ausgesetzt. Für echte Ansprüche gilt das in besonderer Weise, weil sie ohne eine Anspruchsgrundlage nicht auskommen. Es wird ihnen daher i.d.R. auch nur um eine Korrektur atypischer Ausnahmefälle gehen. So verhält es sich auch mit dem Wiedereinstellungsanspruch, dessen praktische Relevanz entgegen zahlreicher Befürchtungen nach wie vor gering ist. Aus Arbeitgebersicht ist die Möglichkeit eines Wiedereinstellungsanspruchs zwar ein Quell von Unsicherheit. Das gilt allerdings auch und wegen der weitergehenden Rechtsfolge noch mehr für das häufig kaum näher begründete Nachschieben von im Kündigungszeitpunkt noch unbekannten Umständen im Kündigungsschutzprozess. III. Abgrenzung des Wiedereinstellungsanspruchs Wiedereinstellungsansprüchen prognosebedingten von sonstigen Seit jeher anerkannt ist der Wiedereinstellungsanspruch nur in Sonderfällen, insbesondere für die sich später als unberechtigt herausstellende -4Verdachtskündigung.9 Seit Ende der 80er Jahre haben sich zunächst mehrere Instanzgerichte10 für die Anerkennung eines ausgesprochen, wenn sich die Wiedereinstellungsanspruchs kündigungsbegründende Prognose des Arbeitgebers später als nicht mehr haltbar herausstellt. Schließlich hat sich auch der 2. Senat des BAG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 27.02.199711 dem angeschlossen und einen Wiedereinstellungsanspruch für unterschiedliche Fallgestaltungen nach betriebsbedingter Kündigung seitdem in ständiger Rspr.12 befürwortet. Im Schrifttum wird ein Wiedereinstellungsanspruch ebenfalls 9 10 11 12 BGH (VI ZR 88/55), DB 1956, 944; BAG (1 AZR 29/55), DB 1958, 869. LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; LAG Hamburg (2 Sa 90/89), LAGE § 611 Einstellungsanspruch Nr. 2; LAG Köln (12 Sa/ 403/96), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 5. Erstmals für einen Fall der betriebsbedingten Kündigung BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 757. BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251 ff; BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254 f; BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701 ff; BAG (8 AZR 282/97), NZA 1999, 311 ff. -5mehrheitlich befürwortet13, andererseits aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt.14 Nicht in diesen Problemkreis Wiedereinstellungsansprüche15, die aus gehören dagegen verschiedenen spezielle außerhalb des Kündigungsschutzrechts liegenden Umständen abgeleitet werden und in Einzelfällen immer schon eine Rolle spielten. So ist beispielsweise ein Wiedereinstellungsanspruch nach (inzwischen überkommener16) lösender Aussperrung im Arbeitskampf17 oder auf der Grundlage eines vom Arbeitgeber 13 14 15 16 17 Neben weiteren: Hambitzer, NJW 1985, 2239 ff; Mummenhoff, JuS 1987, 893, 895; Loritz, RdA 1987, 65, 71; Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; Bram/Rühl, NZA 1991, 753 ff; vom Stein, RdA 1991, 85 ff; Senne, AuA 1992, 301 ff; Mathern, NJW 1996, 818 ff; Junker/Schnelle, EWiR 1997, 781 f; Zwanziger, BB 1997, 42 ff; Berscheid, MDR 1998, 1129 ff; Beckschulze, DB 1998, 417 ff; Dornieden, AiB 1998, 410, 410; Manske, FA 1998, 143 ff; Nägele, BB 1998, 1686 ff; Peters/Thüsing, Anm. zu BAG (8 AZR 295/95), EzA § 613a BGB Nr. 154; Bartel, SAE 1998, 318 f; Papenheim, ZMV 1998, 241 ff; Preis/Steffan, DB 1998, 309 ff; Walker, SAE 1998, 103 ff; Welslau, BuW 1998, 953 ff; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575 ff; Stoffels, ZfA 1999, 49, 114; Boewer, NZA 1999, 1121ff, 1177 ff; Furier, AiB 1999, 246 ff; Kania, Anm. zu BAG (2 AZR 160/96), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1; Langenbucher, ZfA 1999, 299 ff; Ziemann, MDR 1999, 716 ff; Günzel, DB 2000, 1227 ff; Nicolai, SAE 2000, 98 ff; Nicolai, ZfA 1999, 617 ff; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 102 ff; Oetker, ZIP 2000, 643, 648; Oetker, ZIP 2000, 1787 ff; Raab, RdA 2000, 147, 154 f; Schrader, Anm. zu BAG (2 AZR 514/99), AP Nr. 115 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Bauer, BB 2001, 2526 ff; Boewer, RdA 2001, 380 ff; Fleddermann, EWiR 2001, 739, 740; Kukat, BB 2001, 576 ff; Schubert, ZIP 2002, 554 ff; MünchArbR II – Berkowsky, § 134 Rn 120 ff; ErfK – Ascheid, § 1 KSchG Rn 179, 473; ErfK – Preis, § 613a BGB Rn 111; MünchKomm – Schwerdtner, § 622 Anh. Rn 259; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG § 1 Rn 156a ff; HK KSchG – Weller/Dorndorf, § 1 Rn 946; Kittner/Däubler/Zwanziger – Kittner/Däubler, § 1 KSchG Rn 56a ff; KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 729 ff; KPK – Ramrath, Teil H, § 4 KSchG Rn 151; Preis Prinzipien, S. 349 ff; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 645; Lieb ArbR, Rn 296, 381; Gamillscheg ArbR I, S. 629 ff, 642 ff. AR-Blattei SD – Boemke, 220.10 Arbeitsvertrag Arbeitsverhältnis X, Rn 171 f; Erman – Hanau, § 626 Rn 32; Gentges Diss., S. 354 ff; KPK KSchG – Meisel, § 1 KSchG Rn 475; Kasper, NJW 1994, 2979, 2980; Otto FS Kraft (1998), 451 ff; Ricken, NZA 1998, 460 ff; Rüthers, NJW 1998, 1433 ff; Kaiser, ZfA 2000, 205 ff; Zöllner/Loritz ArbR, § 16 II 2 c. Ausführlich hierzu Wank, Anmerkung zu BAG (2 AZR 24/83), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. AR-Blattei SD – Boemke, 220.10 Arbeitsvertrag - Arbeitsverhältnis X Rn 174; Gamillscheg KollektArbR I § 20 I 1. b) (2) (S. 915). BAG Gr.S. AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. -6im Einzelfall zurechenbar gesetzten Vertrauenstatbestandes18 bejaht worden. Darüber hinaus sind Wiedereinstellungsklauseln tarifliche19 auch möglich. oder Schließlich einzelvertragliche20 kommen auch eine Betriebsvereinbarung21 oder betriebliche Übung22 als Anspruchsgrundlagen in Betracht. Diese Wiedereinstellungsansprüche sind nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, weil sie nicht auf dem kündigungsschutzrechtlichen Prognoseprinzip Umständen des beruhen, sondern Einzelfalles. Im auf nicht verallgemeinerungsfähigen Folgenden wird der Begriff „Wiedereinstellungsanspruch“ nur im Sinne eines solchen Anspruchs gebraucht, der auf der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose beruht. IV. Praktische Relevanz in der Rspr. des BAG 1. Entwicklung der Rspr. Bereits im Urteil vom 14.12.195623 hat das BAG im Anschluss an die Entscheidung des BGH vom 13.07.195624 bei einer Kündigung wegen angeblicher nationalsozialistischer Betätigung in der Zuerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs eine gerechtfertigte Rehabilitierung aufgrund der nachwirkenden Fürsorgepflicht gesehen, wenn der Arbeitnehmer in Wahrheit im Entnazifizierungsverfahren als nicht belastet bezeichnet worden war. Auch bei beendeten Arbeitsverhältnissen könnten sich aus der beiderseitigen Treuepflicht und vor allem aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, von denen das 18 BAG (2 AZR 24/83), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Hunold, NZA-RR 2000, 505, 514. 19 AR-Blattei SD – Boemke, 220.10 Arbeitsvertrag - Arbeitsverhältnis X Rn 175. 20 AR-Blattei SD – Boemke, 220.10 Arbeitsvertrag - Arbeitsverhältnis X Rn 185. 21 GK-BetrVG - Kreuz § 77 Rn 175. 22 Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 22 Rn 11. 23 BAG (1 AZR 29/55), DB 1958, 869 = AP Nr 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht = BAGE 3, 332. 24 BGH (VI ZR 88/55), DB 1956, 944 = AP Nr. 1 zu § 242 BGB. -7Arbeitsverhältnis beherrscht werde, in besonderen Fällen Nachwirkungen der vertraglichen Bindung ergeben. Insbesondere könne aus diesen Gründen ein Arbeitnehmer u. U. unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber einen Anspruch auf Wiedereinstellung haben. Schon damals sollte der Wiedereinstellungsanspruch in engen Grenzen an eine wertende Abwägung gebunden sein.25 Abgesehen von Kündigungsfällen, in denen sich ein Verdacht letztlich nicht bestätigte, wurden Wiedereinstellungsansprüche lange Zeit nicht erwogen. Das änderte sich mit der Entscheidung des 2. Senats vom 27.02.199726, die zwar den besonderen Fall eines Betriebsübergangs betraf, in der aber prinzipiell für einen Wiedereinstellungsanspruch plädiert wurde, falls sich nach Ausspruch der Kündigung die für diese maßgebenden Umstände ändern. Die seitdem ergangenen Entscheidungen betrafen ebenfalls vor allem den in der Praxis häufigsten Fall eines Wiedereinstellungsanspruchs nach betriebsbedingter Kündigung. 2. Beispielhafte Entscheidungen aus jüngerer Zeit Die grundlegende Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 27.02.199727 betraf eine Klägerin, die seit 14 Jahren als Maschinenarbeiterin bei einer insolvent gewordenen Arbeitgeberin beschäftigt war. Ein mit dem Betriebsrat vereinbarter Interessenausgleich und Sozialplan sah vor, dass der Betrieb in naher Zukunft stillgelegt werden sollte und über diesen Zeitpunkt hinaus nur noch die zur Konkursabwicklung benötigten Arbeitnehmer weiterbeschäftigt 25 Auch das Schrifttum billigte einen Wiedereinstellungsanspruch seit jeher, in den Entnazifizierungsfällen u.a. mit dem Hinweis, es sei „in hohem Maße anstößig..., wollte ein Deutscher sich die völkerrechtswidrigen Willkürakte der Besatzer gegen einen Landsmann zunutze machen.“ (Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 394 m.w.N.). 26 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. 27 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1997, 757. -8werden. Daraufhin kündigte der beklagte Konkursverwalter der Klägerin fristgerecht wegen beabsichtigter Betriebsstillegung. Zugleich kündigte er auch den übrigen Arbeitnehmern Kündigungsfrist erwarb ein der Gemeinschuldnerin. anderes Unternehmen Vor das Ablauf der Anlage- und Betriebsvermögen der Gemeinschuldnerin und setzte ohne Unterbrechung die Produktion fort. Der Betriebsübernehmer bot der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den bevorstehenden Ablauf der Kündigungsfrist hinaus an, allerdings zu deutlich verschlechterten Arbeitsbedingungen. Die Klägerin lehnte dies ab und nahm den Konkursverwalter erfolgreich u.a. auf Feststellung in Anspruch, dass er zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme verpflichtet war, sie auf der Grundlage der bisherigen Vertragsbedingungen auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen. Als maßgeblich sah der 2. Senat den Umstand an, dass die kündigungsbegründende Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist widerlegt wurde und der Arbeitgeber noch keine Dispositionen getroffen hatte, weshalb ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar war. Zur Herleitung des Anspruchs wird auf eine Vielzahl von Einzelüberlegungen abgestellt. Im der Entscheidung des 7. Senats vom 06.08.199728 zugrunde liegenden Fall betrieb der Arbeitgeber ein Autohaus mit zwei Betriebsstätten. Er legte eine Betriebsstätte, in der der Kläger als Wagenpfleger beschäftigt war, still und kündigte dem Kläger daher fristgemäß. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig abgewiesen. Knapp drei Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist schied ein in der anderen Betriebsstätte des Arbeitgebers beschäftigter Fahrer auf eigenen Wunsch mit sofortiger Wirkung aus, woraufhin der Kläger den Arbeitgeber auf Wiedereinstellung als Fahrer in Anspruch nahm. Der Arbeitsplatz war vom Arbeitgeber zuvor mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer besetzt worden. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Hier wurde die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs nach 28 BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254 = DB 1998, 423 = BB 1998, 538 = EWiR 1998, 323. -9Ablauf der Kündigungsfrist mit dem Hinweis auf das Fehlen einer Rechtsgrundlage generell abgelehnt. Sofern der Arbeitgeber nicht eine besondere Vertrauensgrundlage geschaffen habe, könne der Arbeitnehmer jedenfalls für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung eine Wiedereinstellung wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände nicht verlangen. In der Entscheidung vom 04.12.199729 befasste sich der 2. Senat mit einem Arbeitnehmer, der in einem Unternehmen der Maschinenbaubranche als gewerblicher Arbeitnehmer, zuletzt in der Glockenmesserfertigung, zu einem monatlichen Bruttogehalt von 5634,- DM tätig war. Der Arbeitgeber beschloss, die Glockenmesserfertigung wegen mangelnder Rentabilität stillzulegen und die Glockenmesser durch ein anderes Unternehmen im Ausland fertigen zu lassen. Es kam zu einem Interessenausgleich mit dem Betriebsrat, der den Abbau aller 11 Arbeitsplätze der Glockenmesserfertigung vorsah. Außerdem wurde ein Sozialplan vereinbart, wonach dem Kläger eine Abfindung von 27.700,- DM zustand. Im Kündigungsschutzprozess kam es zu einem Prozessvergleich, in dem sich die Parteien zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Tag der geplanten Betriebsstillegung und die Zahlung einer Gesamtabfindung von 40.000,- DM verständigten. Nachdem es dem Arbeitgeber doch gelungen war, durch Reduzierung der Schleifzeiten die Herstellungskosten zu senken, beschloss er noch vor Ablauf der Kündigungsfrist die Glockenmesserfertigung mit 5 Arbeitnehmern fortzusetzen. Zu einer Unterbrechung der Betriebstätigkeit kam es nicht. 4 Kündigungen gegenüber langjährig beschäftigten Mitarbeitern der Glockenmesserfertigung wurden nicht mehr ausgesprochen, einem bereits gekündigten Arbeitnehmer, der tariflich unkündbar war, bot der Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist an. Der Kläger nahm den Arbeitgeber erfolglos auf Weiterbeschäftigung, hilfsweise auf Wiedereinstellung in Anspruch. Die Entscheidung des 2. Senats führte – ohne dass es auf den Prozessvergleich und eine mögliche Anwendung der Grundsätze des Wegfalls 29 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701 = NJW 1998, 2379 = BB 1998, 1108 = DB 1998, 1087. - 10 der Geschäftsgrundlage angekommen wäre – schon deshalb nicht zu einer Wiedereinstellung, weil nach dem geänderten unternehmerischen Konzept eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nur noch für 5 von ehedem 11 Arbeitnehmern bestand und die vom Arbeitgeber zu treffende soziale Auswahl der wiedereinzustellenden Arbeitnehmer nicht rechtsfehlerhaft war. Das zum Wegfall von Arbeitsplätzen führende unternehmerische Konzept sollte also den Vorrang haben. Der 2. Senat ließ dabei offen, ob bei nicht zu beanstandener Sozialauswahl der wieder einzustellenden Arbeitnehmer für die übrigen dem Grunde nach ein Wiedereinstellungsanspruch überhaupt entstanden (und sodann wegen vorrangiger Disposition des Arbeitgebers wieder erloschen) war oder nicht. Die Entscheidung des 8. Senats vom 12.11.199830 betraf einen Arbeitnehmer, der als Schlosser bei der Beklagten zu 1 (Arbeitgeber), einem Rohrleitungs- und Montageunternehmen, beschäftigt war. Einziger Auftraggeber der Beklagten zu 1 war die Beklagte zu 2 (Auftraggeber), auf deren Betriebsgelände der Arbeitgeber aufgrund eines Werkvertrages Reparatur- und Wartungsarbeiten durchführte. Der Arbeitgeber schloss sich mit der Beklagten zu 3 (Übernehmer) zu einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) zusammen. Der Arbeitgeber beendete die Arge und kündigte den Beschäftigten wegen Geschäftsaufgabe. Fünf Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist bot der Übernehmer den Beschäftigten an, sie nach Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab. Er war der Ansicht, dass die Kündigung rechtswidrig sei, da ein Betriebsübergang vorliege. Außerdem bestehe ein Arbeitsverhältnis mit dem eigentlichen Auftraggeber, da nämlich sonst illegale Arbeitnehmerüberlassung gegeben wäre und letztlich machte er hilfsweise geltend, dass sein Arbeitsverhältnis auf den Übernehmer übergegangen sei. Der diesbezügliche Schriftsatz wurde dem Arbeitgeber dreieinhalb Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist zugestellt. ArbG und LAG hielten die Kündigung wegen § 613a 30 BAG (8 AZR 265/97) (Tatbestand stark vereinfacht), NZA 1999, 311 = MDR 1999, 551-552 = NJW 1999, 1132 = DB 1999, 485 = BB 1999, 589 = ZIP 1999, 670. - 11 IV 1 BGB für unwirksam und gingen von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Übernehmer aus. Die Revision von Arbeitgeber und Übernehmer hatte Erfolg. Der 8. Senat vertrat die Auffassung, dass die angegriffene Kündigung rechtswirksam sei, weil im allein maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ausspruchs der Betriebsübergang durch Übernahme der organisierten Hauptbelegschaft noch nicht stattgefunden und auch noch keine „greifbaren Formen“ angenommen hatte. Der Arbeitnehmer könne statt dessen zwar grundsätzlich einen Fortsetzungsanspruch gegenüber dem Auftragsnachfolger (Übernehmer) geltend machen, da dieser den wesentlichen Teil der Belegschaft wieder eingestellt und dadurch den Betriebsübergang ausgelöst hatte. Hierfür sei jedoch die unverzügliche Geltendmachung des Anspruchs erforderlich. Nicht ausreichend sei das vom Kläger in den Kündigungsschutzprozess später eingeführte und erst dreieinhalb Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist dem Übernehmer zugestellte Fortsetzungsverlangen. In dem vom 2. Senat am 17.06.199931 entschiedenen Fall ging es um einen seit 1990 bei der Beklagten – einer Kaffeerösterei – beschäftigten Arbeitnehmer, der seit Jahren alkoholkrank war. 1993 ergab sich ein krankheitsbedingter Ausfall von 42 Arbeitstagen. Im Jahre 1994 waren es 38 Arbeitstage, im Jahr 1995 43 Arbeitstage und im Jahr 1996 15 Arbeitstage bis zum Ausspruch der Kündigung am 24.04.96. Für diese Fehlzeiten leistete die Beklagte (ohne anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld) insgesamt 32.347,24 DM Entgeltfortzahlung einschließlich Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung. Sie führte an 4 Terminen Gespräche über die Ausfallzeiten, in deren Verlauf der Kläger versprach, zu ihrer Minderung beizutragen. Darüber hinaus verneinte er, dass sie durch betriebliche Gründe veranlasst gewesen seien, ohne seine Alkoholkrankheit zu offenbaren. Die Beklagte kündigte schließlich mit Zustimmung des Betriebsrats wegen häufiger Kurzerkrankungen. Von der seit 16 Jahren bestehenden Alkoholabhängigkeit des Klägers erfuhr sie erstmals 31 BAG (2 AZR 639/98), SAE 2000, 93 = NZA 1999, 1328 = AP Nr 37 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NJW 2000, 2762 = MDR 1999, 1511. - 12 anlässlich des Gütetermins kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist. Der Kläger unterzog sich noch vor Ausspruch der Kündigung einer Gesprächstherapie, die er vorzeitig abbrach. Innerhalb der Kündigungsfrist unterzog er sich einer 4wöchigen stationären Entziehungskur im Allgemeinen Krankenhaus. Seine unter anderem auf Wiedereinstellung gerichtete Klage begründete er mit der seiner Auffassung nach erfolgreichen Entziehungskur. Er sei heute durch Selbstkontrolle und den Besuch von Selbsthilfegruppen ein „trockener Alkoholiker“, und es sei nicht zu erwarten, dass er aufgrund seiner Alkoholsucht erneut arbeitsunfähig werde. Er gab zu, den Alkoholmissbrauch gegenüber seinem Hausarzt verschleiert zu haben. Angesichts der Krankheitsentwicklung könne jedoch nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass weiterhin Entgeltfortzahlungskosten im bisherigen Umfang entstünden. Da er während der Erkrankung die zur Behandlung seiner Alkoholabhängigkeit erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, habe er selbst dann, wenn die Kündigung wirksam sei, einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu den Bedingungen des bisherigen gehabt. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Die Entscheidung fiel deshalb zu Ungunsten des Klägers aus, weil es dem 2. Senat nicht genügte, dass der darlegungs- und beweispflichtige Arbeitnehmer Tatsachen vortrug, die die negative Gesundheitsprognose erschütterten; vielmehr komme ein Wiedereinstellungsanspruch allenfalls dann in Betracht, wenn nach dem Vorbringen des Arbeitnehmers von einer positiven Gesundheitsprognose auszugehen sei.32 Der Kläger sollte also nicht nur die Krankheitsbedenken entkräften, sondern das Gegenteil dessen vortragen, was die Arbeitgeberkündigung ursprünglich gerechtfertigt hatte. Der vom 7. Senat am 28.06.200033 entschiedene Fall betraf einen 1952 geborenen Arbeitnehmer, der bei der Beklagten seit 1969, zuletzt als Debitorenbuchhalter für den Bereich der Kabinenschifffahrt zu einem Gehalt von 5634,- DM beschäftigt war. Die Beklagte, 32 BAG (2 AZR 639/98), SAE 2000, 93, 97 f. 33 BAG (7 AZR 904/98), NZA 2000, 1097 = ZIP 2000, 1781 = DB 2000, 2171. die ein - 13 Personenschifffahrtsunternehmen mit 300 Arbeitnehmern betrieb, beschloss aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten mehrere Sanierungsmaßnahmen, darunter auch die Ausgliederung des Vertriebs Kabinenschifffahrt in eine neu zu gründende Vertriebsgesellschaft als Maßnahme eines Interessenausgleichs. Der zugleich geschlossene Sozialplan sah für die aus diesem Anlass betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer Abfindungszahlungen vor. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass sämtliche Vertriebsaktivitäten für den Kabinendienst im Wege eines Betriebsteilübergangs von der D. mbH übernommen würden und sein Anstellungsverhältnis künftig von dieser fortgeführt werde, wenn er nicht widerspreche. Nachdem die Beklagte ihm mitgeteilt hatte, dass für ihn bei der Vertriebsgesellschaft kein gesicherter Arbeitsplatz zur Verfügung stehe und man zur Zahlung einer Abfindung nach dem Sozialplan bereit sei, widersprach der Kläger. Die Beklagte kündigte darauf fristgerecht und teilte die Zahlung einer Sozialplanabfindung von 66.347,- DM mit. Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage wurde vergleichsweise dahin erledigt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristgerechte betriebsbedingte Kündigung gegen Zahlung einer Gesamtabfindung von 74.000,- DM sein Ende finden sollte. Zwei Monate nach seinem Ausscheiden erfuhr der Kläger, dass die 1962 geborene und 1993 eingestellte Mitarbeiterin B bei der Beklagten weiterhin als Kreditorenbuchhalterin zu einem Gehalt von 3700, - DM beschäftigt wurde, nachdem die Beklagte die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung zu einem Zeitpunkt „zurückgenommen“ hatte, zu dem weder ihre noch seine Kündigungsfrist abgelaufen war. Der Kläger verlangte seine Wiedereinstellung mit der Begründung, der Arbeitsplatz der Kreditorenbuchhalterin B sei unerwartet erhalten geblieben, womit sich der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt geändert habe. Da zwischen Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung keine ins Gewicht fallenden Unterschiede bestünden und er sozial wesentlich schutzwürdiger sei als Frau B, hätte ihm deren Arbeitsplatz angeboten werden müssen. Die Gehaltsdifferenz zwischen ihm und Frau B beruhe auf deren geringerem Lebensalter und ihrer kürzeren Betriebszugehörigkeit. Die Geschäftsgrundlage für den Vergleich sei entfallen. Er nahm die Beklagte in allen Instanzen erfolglos in Anspruch, ihn Zug um Zug gegen Rückzahlung der Abfindungszahlung von 74.000,- DM mit Wirkung für den Tag nach seiner Entlassung zu den Konditionen und mit den Sozialbesitzständen wieder einzustellen, die er bis zu seinem Ausscheiden erworben hatte. Der 7. Senat verwehrte dem Kläger die von ihm angestrebte Wiedereinstellung mit dem - 14 Hinweis, die Beklagte habe schon vor dem Wiedereinstellungsverlangen des Klägers über den Arbeitsplatz anderweitig disponiert. Die Beklagte handele insoweit weder „treuwidrig“, noch sei sie zuvor verpflichtet gewesen, den (ahnungslosen) Kläger von sich aus über ihre Entscheidung zu unterrichten, den Arbeitsplatz eines Kreditorenbuchhalters beizubehalten. Es sei nicht treuwidrig, wenn die Beklagte bei ihrer Entscheidung, den Arbeitsplatz mit einer sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmerin wieder zu besetzen und den Kläger nicht von sich aus zu informieren, den mit dem Kläger geschlossenen Abfindungsvergleich berücksichtige. Der Kläger habe nicht behauptet, dass sowie gegebenenfalls warum für ihn ein Festhalten an dem zwischen ihm und dem Arbeitgeber geschlossenen Vergleich unzumutbar sein sollte. Die Unzumutbarkeit ergebe sich auch nicht aus den vorgetragenen Gesamtumständen, da insbesondere die Höhe der in dem Vergleich vereinbarten Abfindung zu berücksichtigen sei. Diese mache mehr als 13 Monatsverdienste des Klägers aus und liege damit oberhalb der Höchstgrenze von 12 Monatsverdiensten, die der Gesetzgeber in § 10 I KSchG für Arbeitnehmer vorgesehen hat, die – wie der Kläger – das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.34 3. Fazit Die kurz vorgestellten Entscheidungen sind für die Handhabung des Anspruchs durch das BAG nicht untypisch. Wohl auch aus Sorge vor einem übermächtigen Korrektiv der Kündigung stellt das BAG an den Wiedereinstellungsanspruch und seine Durchsetzung hohe Anforderungen. In der Auseinandersetzung mit dem Wiedereinstellungsanspruch fällt ein sehr starkes Überwiegen der verneinenden Entscheidungen auf. Die praktische Relevanz des Instituts ist daher zur Zeit gering. Eine nach der Grundkonzeption des Wiedereinstellungsanspruchs in vielen Fällen denkbare Prognosekorrektur findet in der Praxis oft gerade nicht statt. Sie scheitert an den Anforderungen an die Prognosewiderlegung, 34 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1787. - 15 vorrangigen unternehmerischen Dispositionen, allgemeinen Zumutbarkeitserwägungen oder schlicht daran, dass der Arbeitnehmer von der weiteren Entwicklung der kündigungsbegründenden Umstände zu spät erfahren oder darauf nicht rechtzeitig reagiert hat. Schließlich fehlt es oft schon an einem geeigneten (selbstständigen) Klageantrag. V. Begrifflichkeiten Im Zusammenhang mit einer möglichen Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers tauchen drei Begriffe auf, die in Rspr. und Lit. nicht immer einheitlich verwendet werden: Der Begriff „Wiedereinstellungsanspruch“ dient als Oberbegriff für sämtliche Fallgruppen, in denen eine Pflicht des Arbeitgebers zur Neubegründung der vertraglichen Hauptpflichten diskutiert wird. Im Betriebsübergangsrecht wird von einem Wiedereinstellungsanspruch einerseits dann gesprochen, wenn es um einen Anspruch gegen den Betriebsveräußerer Widerspruchsrechts geht, und beispielsweise (einstweiliger) nach Fortführung Ausübung einer des betrieblichen (Teil)Einheit durch den Veräußerer, um den Betrieb übergangsfähig zu machen. Andererseits spricht man immer dann von einer Wiedereinstellung, wenn ein neues Vertragsverhältnis mit dem Betriebserwerber nur noch nach dem Entlassungstermin zustande vorhergehendes anschließen kommen, kann.35 es also nicht nahtlos an ein Der Begriff „Fortsetzungsanspruch“ bezeichnet den innerhalb laufender Kündigungsfrist, also im noch bestehenden Arbeitsverhältnis, entstehenden Wiedereinstellungsanspruch. Der Arbeitnehmer setzt sein Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist ohne Unterbrechung mit dem alten bzw. neuen Vertragspartner fort.36 Das BAG trifft insoweit keine 35 BAG (2 AZR 160/96), DB 1997, 1414, 1414. 36 BAG (8 AZR 295/95), DB 1998, 316, 316. - 16 klare Unterscheidung. In der Entscheidung vom 04.12.199737 gebraucht der 2. Senat die Begriffe Fortsetzungs- und Wiedereinstellungsanspruch synonym, während sonst für einen Anspruch auf Wiedereinstellung im unmittelbaren Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis eher von einem Fortsetzungsanspruch, bei einer Unterbrechung zwischen der Beendigung des alten und der Einstellung in das neue Arbeitsverhältnis eher von Wiedereinstellung die Rede ist.38 Mit „Weiterbeschäftigungsanspruch“ wird mitunter ebenfalls der noch vor Ablauf der Kündigungsfrist entstandene Fortsetzungsanspruch bezeichnet. Dieser Begriff soll hier nicht verwendet werden, da die gebräuchlichen Begriffe „allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch“ „betriebsverfassungsrechtlicher und Weiterbeschäftigungsanspruch“ anderen Instituten vorbehalten sind. Im Folgenden wird stets der Begriff Wiedereinstellungsanspruch verwendet, und zwar auch dann, wenn der Anspruch noch vor Ablauf der Kündigungsfrist entsteht. Zwar braucht der Arbeitnehmer, der den Betrieb nicht verlassen hat, nicht im wörtlichen Sinne wieder eingestellt zu werden, weshalb vereinzelt auch von einem Anspruch auf „Vertragserneuerung“39 die Rede ist. Ein übereinstimmender Begriff bietet sich jedoch an, um nicht den Eindruck zu erwecken, es handele sich um verschiedenartige Ansprüche. Allein beim Betriebsübergang wird zur besseren Unterscheidbarkeit von einem Fortsetzungsanspruch gegen den Erwerber gesprochen, soweit der Anspruch noch vor Ablauf der Kündigungsfrist entsteht, sich also auf die ununterbrochene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Betriebserwerber richtet. 37 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701 = NJW 1998, 2379 = BB 1998, 1108 = DB 1998, 1087. 38 Boewer, NZA 1999, 1177, 1178. 39 Hueck FS Hedemann, S. 131. - 17 - VI. Gang der Untersuchung Zunächst wird die Frage behandelt, welche Umstände in Abhängigkeit von der zeitlichen Abfolge der Ereignisse in die Beurteilung der Kündigungswirksamkeit einfließen. Das ist in vielen Fällen unklar, aber Grundlage der Wiedereinstellungsdiskussion. Umstände, die in die Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung einzubeziehen sind, erfordern nicht die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs und können für diesen auch nicht von Belang sein (hierzu B.). Im Anschluss sind die rechtskonstruktiven Ansätze zu erörtern, die den Wiedereinstellungsanspruch dogmatisch erklären wollen (C.). Sodann werden die positiven Tatbestandsmerkmale des Anspruchs beleuchtet und einer kritischen Überprüfung unterzogen (D. und E.). Im Hinblick auf die unterschiedliche Bedeutung des Prognoseprinzips für die einzelnen Kündigungsgründe erfolgt im Anschluss eine nach Kündigungsgründen und Fallgruppen getrennte Auslotung des praktischen Anwendungsbereichs des Anspruchs (F.). Der so umrissene Anspruch wird an sachliche und zeitliche Grenzen als negative Tatbestandsmerkmale gebunden. Dabei werden auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Rechtsprechung Möglichkeiten für eine Harmonisierung der in den einzelnen Fallgruppen sehr unterschiedlich ausgestalteten Grenzen eines Wiedereinstellungsanspruchs aufgezeigt, um die Handhabbarkeit der Fallgruppen zu verbessern und beliebigen Ergebnissen vorzubeugen (G.). Schließlich werden die Rechtsfolgen konkretisiert (H. und I.), um die Unterschiede zwischen Kündigungsunwirksamkeit einerseits und Relativierung der Kündigungsfolgen mittels Wiedereinstellung andererseits sichtbar zu machen. Die Untersuchung wird schlussendlich durch Fragen der prozessualen Rechtsdurchsetzung abgerundet (J.). - 18 - B. Abgrenzung kündigungsrelevanter und wiedereinstellungsrelevanter Umstände I. Dogmatik zum Beurteilungszeitpunkt Wirksamkeit der Kündigung für die Um die Prognose überhaupt einer Überprüfung zugänglich zu machen, wird sie auf einen festen Beurteilungszeitpunkt bezogen, den Zugang der Kündigungserklärung. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, welcher Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung gelten soll. Denn auch wenn die Prognose nur im Hinblick auf einen festen Bezugspunkt angestellt werden kann, so kann doch der weitere Verlauf der sie tragenden Umstände für die Kündigung und die durch sie geschaffene Rechtslage weiterhin relevant sein. Mit anderen Worten: Es ist denkgesetzlich nicht ausgeschlossen, für die kündigungsbegründende Prognose einerseits und die Wirksamkeit der Kündigung andererseits auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen, die Parteien des Kündigungsrechtsstreits also nicht an den begrenzten Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Prognoseerstellung festzuhalten. Die mit dem Prognoseprinzip verbundenen Unbilligkeiten für den kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses weisen damit keineswegs zwangläufig auf einen kompensatorischen Wiedereinstellungsanspruch. Naheliegender erscheint zunächst die Frage, ob nicht bereits die Kündigung unwirksam ist, wenn die kündigungsbegründende Prognose im Verlauf der weiteren Entwicklung widerlegt wird. - 19 - 1. Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung als alleiniger Beurteilungszeitpunkt – Rspr. und h.L. Eines der tragenden Prinzipien des Kündigungsrechts besteht nach ganz h.M. in Rspr.40 und Lit.41 aus Gründen der Rechtsicherheit darin, die Rechtmäßigkeit der Kündigung nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung i.S.v. § 130 I BGB zu beurteilen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Stimmigkeit der kündigungsbegründenden Prognose ist damit ebenfalls der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung.42 War die Prognose im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung aufgrund der damals bestehenden objektiven Sachlage zutreffend, so ist die auf ihr beruhende Kündigung wirksam. Die Kündigung bleibt wirksam, selbst wenn die Prognose sich im Verlauf der weiteren Entwicklung als nicht mehr haltbar erweist.43 Der 2. Senat des BAG hat seine früher anders lautende Rspr.44 für Fälle der krankheitsbedingten Kündigung, wonach die spätere Entwicklung einer Krankheit nach Ausspruch der Kündigung bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zur Bestätigung oder Korrektur der Prognose verwertet 40 41 42 43 44 BAG (2 AZR 596/87), AP Nr. 75 zu § 613a BGB; BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 757; BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 255; BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 702; BAG (2 AZR 477/95), BB 1997, 212, 212. Ascheid Diss., S. 88; Ricken, NZA 1998, 460, 460; Walker, SAE 1998, 103, 104; Kleinebrink, FA 1999, 138, 138; Sibben, DB 2000, 2023, 2023; Meyer, NZA 2000, 297, 299; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 617; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 1 KSchG Rn 277 e, 320 a; KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 232, 428, 544; ErfK – Ascheid, § 1 KSchG Rn 146, 206, 329; MünchArbR II – Berkowsky, § 130 Rn 70 f m.w.N.; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 1 Rn 43; HK KSchG - Weller/Hauck, § 1 Rn 945; KPK – Ramrath, Teil H, § 1 KSchG Rn 75 und § 4 KSchG Rn 151. BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 978. BAGE 59, 12, 26; BAG, NZA 1989, 461, 463; BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 758; BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 255; BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 702; KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 235; MünchArbR II – Berkowsky, § 130 Rn 70 f m.w.N.; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 1 Rn 43; Ricken, NZA 1998, 460, 460; HK KSchG Weller/Hauck, § 1 Rn 945. BAG (2 AZR 291/82), AP Nr 11 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit. - 20 werden konnte, mittlerweile ausdrücklich aufgegeben45 und dies in ständiger Rspr. bestätigt.46 Wann die letzte mündliche Tatsachenverhandlung stattfindet, richtet sich nach dem Terminkalender der Arbeitsgerichte. Der Ausgang des Kündigungsrechtsstreits würde auf solche Weise von Zufallsergebnissen abhängig gemacht.47 Der 2. Senat hat auch für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung entschieden, dass die Wirksamkeit einer Kündigung, die im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ausspruchs durch dingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, nicht durch eine Änderung dieser Umstände nach ihrem Zugang an den Arbeitnehmer in Frage gestellt wird.48 2. Rückwirkung der weiteren Entwicklung Wirksamkeit der Kündigung – M.M. auf die a) Ex-Post-Beurteilung der Kündigungswirksamkeit Nach einer nur vereinzelt geäußerten Ansicht sollen Umstände, die sich erst nach dem Ausspruch der Kündigung ergeben, auf die Wirksamkeit der Kündigung zurückwirken. Gamillscheg49 hat die Auffassung vertreten, es erscheine nicht sachgerecht, die Wirksamkeit der Kündigung nach dem Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen, wenn der Kündigungsgrund bis zu ihrem Wirksamwerden wieder entfallen sei, beispielsweise weil Rationalisierungsmaßnahmen 45 46 neue Aufträge zurückgestellt worden hereingekommen, seien oder einem BAG (2 AZR 118/89), AP Nr 22 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit. BAG (2 AZR 160/96), BAGE 85, 194 = AP Nr 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 978. 47 Adam, DZWiR 1997, 522, 523. 48 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 758. 49 Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 393 f. - 21 Schwerhörigen während des Laufs der Kündigungsfrist ein Hörgerät bewilligt werde. Es wäre doch sehr anstößig, wenn etwa einem älteren Arbeitnehmer mit längerer Kündigungsfrist in einer Zeit des Rückgangs der Aufträge gekündigt werde und er nun in den letzten Tagen seiner Tätigkeit erleben müsse, dass ein anderer für seine bald freiwerdende Stelle eingestellt werde. Gamillscheg erkennt dabei auch das Problem mangelnder Rechtssicherheit für den Arbeitgeber und führt weiter aus, seine Ansicht solle nicht bedeuten, dass bei einem Streit um die Rechtfertigung der Kündigung hellseherische Zukunftsvoraussagen zu machen seien, sondern nur, dass ein während des Laufs der Kündigungsfrist eingetretener Wechsel der Lage bis zu ihrem Ablauf zu berücksichtigen sei. Voraussetzung sei dabei allerdings, dass die Kündigung nicht wegen Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG inzwischen unanfechtbar geworden sei. In diesem Fall könne man den Arbeitgeber jedoch aus seiner Fürsorgepflicht für verpflichtet halten, die Kündigung zurückzunehmen. b) Begrenzung auf innerhalb der Kündigungsfrist neu auftauchende Umstände Diese Auffassung Gamillschegs soll hier nur insoweit betrachtet werden, als es um eine Rückwirkung von innerhalb der Kündigungsfrist neu auftauchenden Umständen geht. Umstände, die erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eintreten, berühren die Wirksamkeit der Kündigung in keinem Fall. Wollte man anders entscheiden, so könnte sich der Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist vom Arbeitnehmer nicht trennen, ohne gleichzeitig ein unkalkulierbares Risiko für Annahmeverzugslohnansprüche gemäß § 615 BGB in Kauf zu nehmen. Das kann nicht sein. Das Arbeitsverhältnis muss im Hinblick auf Lohnansprüche zumindest als unterbrochen gewertet werden, wenn die Kündigung wirksam war und sich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist und Ausscheiden des Arbeitnehmers ein Wegfall des Kündigungsgrundes ergibt. War die Kündigung gemessen an den hohen an sie zu stellenden Anforderungen rechtmäßig und hat sie das Arbeitsverhältnis tatsächlich aufgelöst, so verwirklicht sich für den Arbeitnehmer das allgemeine Lebensrisiko einer wirksamen Kündigung und der damit verbundenen Nachteile. Nichts spricht dafür, dieses Risiko mit der Rechtsfolge des § 615 BGB auf den Arbeitgeber abzuwälzen. Eine Rückwirkung nachträglicher Umstände auf die Kündigungswirksamkeit kann daher allenfalls - 22 für solche Umstände angenommen werden, die sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einstellen. Annahmeverzugslohnansprüche können auch nach dieser Auffassung entstehen, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist über die Kündigungsschutz- / Weiterbeschäftigungsklage des Arbeitnehmers noch nicht rechtskräftig entschieden ist und der Arbeitgeber sich im Hinblick auf die von ihm für rechtswirksam erachtete Kündigung weigert, dem Arbeitnehmer für die Dauer des Rechtsstreits einen Arbeitsplatz zuzuweisen. Dabei handelt es sich um das jeder Kündigung immanente Risiko, das im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber auch dann jedenfalls grob abschätzbar ist, wenn man den zwischenzeitlichen Wegfall des Kündigungsgrundes zum Gegenstand der Kündigungsschutzklage macht. Hat er Zweifel, ob der Kündigungsgrund zu diesem Zeitpunkt (noch) besteht, so kann er dem Arbeitnehmer die vorübergehende Weiterbeschäftigung anbieten. Folgerichtig ist es dann, den Arbeitnehmer zur Erhebung der Kündigungsschutzklage innerhalb der Dreiwochenfrist für verpflichtet zu halten, um das Nichtvorhandensein des Kündigungsgrundes zum dann allein maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, dem Ende der Kündigungsfrist, geltend zu machen. Als völlig unpassend erweist sich dabei aber der Beginn der Klageerhebungsfrist entsprechend § 4 KSchG, nämlich der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Ein solcher Fristbeginn würde den Arbeitnehmer zur Erhebung einer vorsorglichen Klage zwingen, allein um sich die Möglichkeit der Überprüfung späterer Umstände noch offen zu halten. c) Praktische Auswirkungen gegenüber der Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs Eine Beurteilung der Kündigungswirksamkeit nach Umständen, die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eintreten, hätte wesentlich weitreichendere Folgen - 23 als die von der Rspr. und dem Großteil der Literatur bevorzugte Lösung50 über die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs. Der Wiedereinstellungsanspruch muss nach h.M.51 vom Arbeitnehmer durch selbstständigen Klageantrag besonders verfolgt werden, ist also kein Produkt einer Selbstexekution.52 Im Unterschied dazu führt die nachträgliche Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung zu einem automatischen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen, insbesondere der Pflicht zur Zahlung des Verzugslohns.53 Auch ein Vorrang schutzwürdiger Dispositionen zugunsten des Arbeitgebers, namentlich die vorrangige Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes mit einem externen Arbeitnehmer, könnte nicht anerkannt werden, weil er sich vor dem Hintergrund des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses rechtskonstruktiv nicht begründen ließe. Bestünde der Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb nicht mehr, so müsste zunächst eine erneute Kündigung ausgesprochen und der Ablauf der Kündigungsfrist abgewartet werden. Die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs stellt daher ein Weniger gegenüber der Unwirksamkeit der Kündigung dar.54 Der Arbeitnehmer wird dabei auch nicht zwangsläufig an seinem alten Arbeitsverhältnis festgehalten, sondern kann nach seinem freien Willen die Wiedereinstellung fordern oder darauf verzichten. Nicht selten wird er sich nach Ausspruch der wirksamen Kündigung nach einer Anschlussbeschäftigung umsehen und zum Zeitpunkt des 50 Dass diese Problematik überhaupt einer „Lösung“ bedarf, verlangt freilich nach einer eigenständigen Begründung. Findet sich nicht wenigstens im Wege der Rechtsfortbildung eine Anspruchsgrundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch, dann muss es bei der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Kündigung sein bewenden haben. 51 Coen, AuR 1984, 319, 319; vom Stein Diss. 1989, 162; Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757. 52 Thannheiser, AiB 1999, 653, 653. 53 Boewer, NZA 1999, 1121, 1123. 54 Kaiser, ZfA 2000, 205, 217. - 24 Wegfalls des Kündigungsgrundes bereits ein neues Arbeitsverhältnis begründet haben. 3. Kritische Würdigung a) Überlegungen aus der Rechtsgeschäftslehre (1) Wirksamwerden von Willenserklärungen im Zeitpunkt ihres Zugangs Zunächst sprechen allgemeine Grundregeln der Rechtsgeschäftslehre dafür, dass es für die Wirksamkeit der Kündigung allein auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ankommt. Die Kündigung wird wie jede andere einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 130 I 1 BGB in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem empfangszuständigen Adressaten zugeht. Mit dem Wirksamwerden entfaltet sie ihre Gestaltungswirkung. Die Kündigung führt (gegebenenfalls nach Ablauf der Kündigungsfrist) zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung ex-nunc. Es ist auch nicht so, dass die Gestaltungswirkung bei der ordentlichen Kündigung erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eintritt. Ob die Gestaltungswirkung eintritt oder nicht, entscheidet sich bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung, auch wenn sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hinausgeschoben ist.55 Die Kündigungsfrist ist eine reine Abwicklungsfrist, die die Suspendierung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes durch wirksame Kündigung voraussetzt, also an den Gestaltungsakt als Rechtsfolge anknüpft. Das geltende Recht trägt dabei dem Umstand durchaus Rechnung, dass sich Rechtsgeschäfte als nicht beständig oder anpassungsbedürftig erweisen. Hierfür stellt das Gesetz eigene Regelungen bereit, die auf der getrennten Beurteilung der Wirksamkeit der Willenserklärung zum Zeitpunkt ihres Zugangs und ihrer Beständigkeit im Verlauf der weiteren Entwicklung beruhen. So wird die 55 Walker, SAE 1998, 103, 104. - 25 wirksame Willenserklärung durch ergänzende Vertragsauslegung inhaltlich modifiziert, nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) an veränderte Bedingungen angepasst oder durch Anfechtungsrechte verschiedener Art nachträglich vernichtet. Eine Ex-Post-Betrachtung würde beide Aspekte unzulässig vermengen und so einer vom Gesetz nicht gewollten Rechtsunsicherheit Vorschub leisten.56 (2) Bedingungsfeindlichkeit der Kündigung als Gestaltungsrecht Würde man das Fortbestehen des Kündigungsgrundes als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ansehen, dann stünde die Kündigung unter einer auflösenden Bedingung. Eine solche Annahme wäre aber unvereinbar mit der Natur der Kündigung als Gestaltungserklärung. Das Gestaltungsrecht wird nach einmaliger Ausübung verbraucht. Mit dieser Konsumtion des Gestaltungsrechts durch die Gestaltungserklärung hängt auch die allgemein angenommene Bedingungsfeindlichkeit der einmal abgegebenen Gestaltungserklärung zusammen.57 Die Kündigung ist eine einseitige unmittelbar rechtsgestaltende Erklärung. Da sie auf die Rechtstellung des Erklärungsempfängers ohne dessen Zutun einwirkt, muss sich die beabsichtigte Rechtsänderung klar und unzweideutig aus der Erklärung ergeben. Die für die Aufrechnungserklärung gemäß § 388 S. 2 BGB (und für die Annahme/Ausschlagung des Vermächtnisses gemäß § 2180 II 2 HS 2 BGB) angeordnete Bedingungsfeindlichkeit ist ein allgemeiner Rechtsgedanke, der ebenso auf die übrigen Gestaltungsakte, die Anfechtung, den Rücktritt, den Widerruf, die Genehmigung, die Ausübung des Vorkaufsrechts und auch die Kündigung zu beziehen ist.58 Gegen die Bedingungsfeindlichkeit spricht auch nicht etwa, dass die prozessuale Möglichkeit der Eventualaufrechnung allgemein anerkannt ist. 56 Langenbucher, SAE 1998, 145, 146. 57 Palandt – Heinrichs, Einf v § 158 Rn 12 f m.w.N. 58 Palandt – Heinrichs, Überbl v § 104 Rn 17 und § 388 BGB Rn 1. - 26 Erklärt der Beklagte die Aufrechnung hilfsweise für den Fall, dass die Forderung des Klägers entgegen der primär vorgebrachten Verteidigung doch bestehen bzw. durchsetzbar sein sollte, so handelt es sich nicht um eine Aufrechnung unter einer Bedingung, da hierfür die Abhängigkeit der Rechtsfolge vom Eintritt oder Nichteintritt eines ungewissen zukünftigen Ereignisses erforderlich wäre, sondern lediglich um eine Abhängigkeit von der späteren Aufklärung der bereits im Erklärungszeitpunkt bestehenden Rechtslage, also um eine unechte Prozessbedingung.59 Eine Ausnahme von der Bedingungsfeindlichkeit ist allenfalls dort zu machen, wo der Bedingungseintritt ausschließlich vom Willen des Erklärungsempfängers abhängt und daher ein Schwebezustand bedenklicher Rechtsunsicherheit nicht zu befürchten ist.60 Möglicherweise schützt die Bedingungsfeindlichkeit nämlich nur den Erklärungsempfänger61, also den Arbeitnehmer, der auf diesen Schutz in den hier beschriebenen Fällen mitunter gern verzichten würde, handelt es sich doch um den bequemsten Weg, ohne materielle Einbußen in den Schutz des Bestandsschutz eines Arbeitsverhältnisses zurückzugelangen. Die Bedingungsfeindlichkeit dient in erster Linie dem Erklärungsgegners, der, wenn er schon die Rechtsgestaltung durch den Erklärenden gegen sich gelten lassen muss, wenigstens auch wissen soll, woran er ist. Im Falle einer auflösend bedingten Kündigung bliebe der Arbeitnehmer im Ungewissen über den durch die Erklärung geschaffenen Rechtszustand. Der Sinn der Kündigungsfrist liegt dagegen allein darin, dem Arbeitnehmer die Vorbereitung auf die bevorstehende sichere 59 Zöller ZPO – Greger, § 145 Rn 13; Kaiser, ZfA 2000, 205, 211 m.w.N. 60 Palandt – Heinrichs, Einf v § 158 Rn 13. 61 Beendigung des In diese Richtung Palandt – Heinrichs, Einf v § 158 Rn 13; OLG Hamburg (1 U 78/90), NJWRR 1991, 1199, 1201. - 27 Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen.62 Er soll insbesondere in die Lage versetzt werden, sich nach einer Anschlussbeschäftigung umzusehen.63 Die Bedingungsfeindlichkeit dient darüber hinaus aber auch dem Schutz des Erklärenden. Gerade die arbeitsrechtliche Kündigungserklärung zeigt anschaulich, dass die Schutzrichtung keine einseitige ist, denn auch der Arbeitgeber bedarf der Rechtssicherheit, wenn er das Gestaltungsrecht ausübt. Das KSchG stellt beträchtliche Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung, für die der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess gemäß § 1 II 4 KSchG darlegungs- und beweispflichtig ist. Gelingt dem Arbeitgeber dieser Nachweis nicht, beispielsweise weil er bei der betriebsbedingten Kündigung die organisatorische Unternehmerentscheidung und ihre konkreten Auswirkungen auf den Beschäftigungsbedarf nicht substanziiert genug darzulegen vermag, so kann das vom Gericht festgestellte Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses erhebliche Nachteile für ihn zur Folge haben. Hat er den Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist während des Kündigungsschutzprozesses nicht mehr beschäftigt, so muss er auch für diesen Zeitraum das Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs gemäß § 615 BGB nachzahlen. Ein Arbeitgeber wird daher vor dem Ausspruch einer Kündigung sehr sorgfältig prüfen, ob diese Kündigung sich im Prozess als rechtsbeständig erweisen wird. Hat er diesbezüglich jede erdenkliche Sorgfalt walten lassen, so ist es ein Gebot der Rechtssicherheit, die stimmige Kündigungsentscheidung im Hinblick auf die zum Kündigungszeitpunkt nicht vorhersehbare weitere Entwicklung nicht in Frage zu stellen.64 Will man die Risikozuweisung, die das kündigungsschutzrechtliche Prognoseprinzip vornimmt, also korrigieren (was einer eigenständigen Begründung bedarf), so erscheint die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs gegenüber der Annahme einer Rückwirkung späterer Ereignisse auf die Kündigungswirksamkeit 62 Kaiser, ZfA 2000, 205, 212. 63 Langenbucher, SAE 1998, 145, 145. 64 Raab, RdA 2000, 147, 151 f. - 28 als das mildere Mittel, um die gegenläufigen Interessen schonend auszugleichen. (3) Verhältnis von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht Kaiser65 führt schließlich auch einen Vergleich zwischen Gestaltungsrechten und Gestaltungsklagerechten an. Das Gestaltungsrecht ermöglicht anders als der bloße Anspruch auf Rechtsänderung die Selbstvollstreckung. Anstatt seinen Anspruch einzuklagen, titulieren und vollstrecken zu lassen, kann der Inhaber des Gestaltungsrechts sein Begehren selbst vollstrecken. Das Gestaltungsrecht ist damit ein Akt privater Zwangsvollstreckung.66 Dem Gestaltungsrechtsinhaber sei in der Konsequenz eine größere Rechtsmacht eingeräumt als in den Fällen, in denen dem Gläubiger lediglich ein Gestaltungsklagerecht zugestanden wird, z.B. nach § 133 HGB. Wenn aber beim Gestaltungsklagerecht niemand ernsthaft auf die Idee komme, das rechtskräftige Gestaltungsurteil wegen nachträglicher Änderungen der Sachlage anzuzweifeln, dann könne nichts anderes gelten, wenn dem Rechtsinhaber mit dem Gestaltungsrecht ein Mehr an Rechtsmacht eingeräumt werde.67 Käme es für die Wirksamkeit der Kündigung auf die Situation bei Ablauf der Kündigungsfrist an, so würde nicht mehr der Arbeitgeber darüber entscheiden, wem unter Berücksichtigung der kündigungsschutzrechtlichen Vorgaben zu kündigen ist, sondern der die Entscheidung des Arbeitgebers kontrollierende Richter. Dies werde besonders deutlich am Beispiel der Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung. Die Entscheidung darüber, welchen Arbeitnehmern nach sozialen Gesichtspunkten gekündigt werden dürfe, sei aus der Perspektive des Kündigungsschutzprozesses eine ganz andere. Diejenigen Arbeitnehmer, die wegen der zur Zeit des Zugangs unzweifelhaft wirksamen 65 Kaiser, ZfA 2000, 205, 212, 216. 66 Becker, AcP 188 (1988), 24, 28. 67 Kaiser, ZfA 2000, 205, 212. - 29 Kündigung auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet haben, fallen, da ihr Arbeitsverhältnis wirksam beendet worden ist, aus der Sozialauswahl heraus. Schon wegen der Änderungen des zu berücksichtigenden Personenkreises müsste durch den Richter ständig eine neue Auswahlentscheidung getroffen werden. Das mache aus dem Gestaltungsrecht Kündigung eine vom Gesetz gerade nicht vorgesehene Gestaltungsklage.68 Einen so weitreichenden Einwand könnte man indes nur erheben, wenn man als maßgeblichen Zeitpunkt den Abschluss des Kündigungsrechtsstreits ansehen würde, was noch bedenklicher sein dürfte als die Berücksichtigung der Entwicklung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.69 Problematisch ist auch die Grundannahme, wenn der Gesetzgeber durch das Gestaltungsrecht dem Rechtsinhaber ein Mehr an Rechtsmacht einräume als beim Gestaltungsklagerecht, könne der Gestaltungsrechtsinhaber auch hinsichtlich nachträglich eintretender Umstände jedenfalls nicht schlechter stehen als der Inhaber eines bloßen Gestaltungsklagerechts. Ebenso gut könnte man umgekehrt behaupten, wenn schon dem Rechtsinhaber durch das sofortige Recht zur Rechtsgestaltung ein Mehr an Rechtsmacht eingeräumt werde, dann müsse man wenigstens diese Rechtsmacht unter den Vorbehalt nachträglicher Veränderungen stellen, was man bei einem richterlichen Gestaltungsakt nicht notwendig annehmen müsse. Zutreffend ist aber der Einwand, nicht mehr allein dem Arbeitgeber obliege die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer, sondern auch dem Arbeitsgericht. Das Maß an Unsicherheit, das durch die Verschiebung des Beurteilungszeitpunktes auf einen Zeitpunkt jenseits des Kündigungszugangs eintritt, entfernt die Entscheidung von der Ausübung eines Gestaltungsrechts und rückt sie in die Nähe eines – vom Gesetz gerade nicht vorgesehenen – 68 Kaiser, ZfA 2000, 205, 216. 69 Siehe oben unter B.I.2.a) „Ex-Post-Beurteilung der Kündigungswirksamkeit“ auf Seite 20. - 30 Gestaltungsklagerechts. Letzteres bietet von vornherein in Abhängigkeit von den Entwicklungen bis zur gerichtlichen Entscheidung nur eine relative Rechtsposition. (4) Ausnahmecharakter zivilrechtlicher Sonderregelungen Die Unwirksamkeit der Kündigung wegen nach Zugang der Kündigungserklärung eintretender Umstände normiert lediglich § 569 III Nr. 2 BGB70 (§ 554 II Nr. 2 S. 1 BGB a.F.) für das Mietrecht: Nimmt der Vermieter das Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Zahlungsverzug wahr, so kann der Mieter die Kündigung noch dadurch unwirksam werden lassen, dass er den Vermieter bis zum Ablauf zweier Monate nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich des fälligen Mietzinses befriedigt. Die zunächst wirksame Kündigung wird also als Rechtsfolge der Vorschrift nachträglich unwirksam.71 Neben Zweifeln an der Analogiefähigkeit72 dieser Sondervorschrift des sozialen Mieterschutzes73 spricht auch sachlich wenig für eine vergleichende Übertragung auf das Kündigungsschutzrecht. Der Regelung im Mietrecht geht es gerade auch darum, den Folgekosten einer nicht hinnehmbaren Wohnungslosigkeit für die öffentlichen Haushalte vorzubeugen („... oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet.“). Dagegen bewirkt die Kündigung des einen Arbeitnehmers bei fortbestehendem oder wiederentstehenden Beschäftigungsbedarf die Einstellung des anderen. Ein öffentliches Interesse an der Vermeidung des individuellen Arbeitsplatzverlustes ist nicht in gleicher Weise vorhanden. Im Übrigen ließe sich ebenso gut betonen, dass für das Kündigungsschutzrecht eine ausdrücklich Normierung ja gerade fehlt. Eine vergleichbare Handhabung der arbeitsrechtlichen Kündigung müsste 70 Neugefasst durch das Mietrechtsreformgesetz zum 01.09.2001. 71 BGH (VIII ZR 200/59), NJW 1960, 2093, 2093; KG (8 WRE Miet 97/84), WuM 1984, 93, 94. 72 Staudinger – Emmerich, § 554 BGB Rn 62; Kaiser, ZfA 2000, 205, 214 m.w.N. 73 Näher Stebut, NJW 1985, 289, 290. - 31 unter den zivilrechtlichen Gestaltungsrechten zudem als nicht systemgerecht angesehen werden. b) Überlegungen aus dem Arbeitsrecht (1) Vorgaben der §§ 4, 7 KSchG Auch die Klageerhebungsfrist weist in diese Richtung. Die Rechtsnatur der Kündigungsschutzklage als Feststellungsklage gemäß § 4 KSchG spricht für die Gestaltungswirkung und gegen eine Sonderstellung der arbeitsvertraglichen Kündigungserklärung.74 Eine sozial gerechtfertigte Kündigung löst das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist auf, hat also dieselbe Wirkung wie jede andere Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses. Die Feststellungsklage schafft Klarheit darüber, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Kündigungserklärung eingetreten ist, oder ob das Arbeitsverhältnis wegen Rechtsunwirksamkeit der Kündigung fortbesteht. Die Abhängigkeit der Kündigungswirksamkeit von nachträglichen Umständen wäre daher mit der Regelung des § 4 S. 1 KSchG, wonach die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage mit dem Zugang der Kündigungserklärung beginnt, unvereinbar. Kann nämlich sofort nach Zugang der Kündigung Klage erhoben werden, so muss auch die Wirksamkeit der Kündigung schon zu diesem Zeitpunkt festgestellt werden können.75 Die Berücksichtigung nachträglicher Umstände bis zum Ende der Kündigungsfrist würde dagegen dazu führen, dass faktisch das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt überprüft würde.76 Dies ist weder mit dem Lauf der Klageerhebungsfrist noch mit dem punktuellen Streitgegenstandsbegriff des § 4 KSchG vereinbar. 74 Adam, ZTR 1999, 113, 113. 75 Raab, RdA 2000, 147, 152. 76 Kaiser, ZfA 2000, 205, 214. - 32 - (2) Ambivalenz eines verschobenen Beurteilungszeitpunktes Als weiterer Gesichtspunkt wird die Doppelwertigkeit eines verschobenen Beurteilungszeitpunktes zugunsten wie zulasten des Arbeitnehmers angeführt. Wenn nachträgliche Umstände zugunsten des Arbeitnehmers noch auf die Kündigungswirksamkeit durchschlagen, dann müsste es konsequenterweise auch zugunsten des Arbeitgebers wirken, wenn erst nach Ausspruch der Kündigung eintretende Umstände einen Kündigungsgrund bestätigen, der zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs fraglich war. Dies wird aber nirgends vertreten.77 Vielmehr sind nachträgliche Umstände gegebenenfalls Sachgrund für eine weitere Kündigung. Insoweit handelt es sich in der Tat um einen gewichtigen Einwand. Die bloße Verschiebung des Beurteilungszeitpunktes bewirkt nicht allein, die als einseitig empfundene Risikoverteilung zulasten des Arbeitnehmers zu korrigieren, sondern sie würde sich auch gegen den Arbeitnehmer richten, der zwar nach Ausspruch der Kündigung klagen müsste, zu diesem Zeitpunkt aber das Prozessrisiko nicht übersehen könnte, weil das letzte Wort in Sachen Kündigungswirksamkeit noch nicht gesprochen wäre. (3) Anhörungsrecht des Betriebsrats Ein weiteres Argument betriebsverfassungsrechtlichen soll Verbot aus des dem grundsätzlichen Nachschiebens von Kündigungsgründen ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats gewonnen werden. Demnach sollen die Konsequenzen einer Verlagerung des Beurteilungszeitpunktes auf das Anhörungsrecht nicht zu bewältigen sein. Gemäß § 102 I BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat zu den Gründen, die ihn subjektiv zur Kündigung bewogen haben (subjektive Determinierung78), vor Ausspruch der Kündigung zu hören. Unterrichtet er den Betriebsrat nicht vollständig, so ist die Kündigung nach § 102 I 3 BetrVG 77 So zu Recht Adam, ZTR 1999, 113, 113; Boewer, NZA 1999, 1121, 1124. 78 BAG (2 AZR 920/93), AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG. - 33 unwirksam. Ein Nachschieben von Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozess wird nur zugelassen, wenn sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung zwar vorlagen, dem Arbeitgeber aber erst später bekannt werden und er die Anhörung des Betriebsrats nachholt.79 Wollte man auch später eintretende Umstände berücksichtigen, so müsste ebenfalls der Betriebsrat angehört werden, gleich, ob es sich um Umstände zugunsten oder zulasten des Arbeitnehmers handelt. Die für die hier untersuchte Frage maßgeblichen Umstände zugunsten des Arbeitnehmers dürften nicht berücksichtigt werden, solange der Betriebsrats nicht angehört worden sei und der Arbeitgeber keine erneute Entscheidung über die Kündigung getroffen habe. Andernfalls würden die Beteiligungsrechte des Betriebsrats entgegen der Intention des BetrVG erheblich verkürzt, da er keine Möglichkeit mehr hätte, Argumente gegen die Kündigung zu Gehör zu bringen und auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Dagegen lasse sich jedenfalls für die betriebsbedingte Kündigung nicht einwenden, der Arbeitnehmer bedürfe des Schutzes durch den Betriebsrat nicht, soweit ihn Änderungen während der Kündigungsfrist lediglich begünstigen. Maßgeblich sei, dass der Betriebsrat nicht allein die Interessen des gekündigten Arbeitnehmers, sondern gerade auch die der übrigen Belegschaft vertreten, insbesondere die ordnungsgemäße Sozialauswahl überwachen solle (§ 102 III Nr. 1 und 2 BetrVG). Stehe die unterbliebene Anhörung des Betriebsrats der Berücksichtigung nachträglicher Änderungen im Kündigungsschutzprozess entgegen, so bestätige dies, dass Änderungen der Sachlage nach Zugang der Kündigung keinen Einfluss auf deren Wirksamkeit haben können.80 Dieses Argument überzeugt jedoch nicht. Bei dem grundsätzlichen Verbot des Nachschiebens von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung zwar bekannt waren, die er dem Betriebsrat aber vorenthalten 79 FKHE BetrVG, § 102 Rn 18a. 80 Kaiser, ZfA 2000, 205, 215 f; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 90. - 34 hat, handelt es sich bereits um eine Konsequenz der Grundannahme, die Kündigungswirksamkeit sei allein nach den Umständen zu beurteilen, die im Kündigungszeitpunkt schon vorlagen. Aus dieser Schlussfolgerung für das Anhörungsrecht des Betriebsrats lässt sich nicht auf die Frage nach dem Beurteilungszeitpunkt der Kündigung rückschließen. Die vor dem Ausspruch der Kündigung liegende Anhörung des Betriebsrats kann sachlogisch nur solche Gründe erfassen, die zu diesem Zeitpunkt schon vorlagen. Nur insoweit handelt es sich auch um Gründe, die in kausalem Zusammenhang mit der Kündigungserklärung stehen, also für die Entscheidung des Arbeitgebers ursächlich waren. Wenn es in § 102 I 1 BetrVG heißt, der Arbeitgeber sei vor Ausspruch der Kündigung zu hören, so ist auch klar vorgegeben, dass es hierbei nur um die für den Ausspruch der Kündigung kausalen Gründe geht. Dies entspricht auch der subjektiven Determinierung. Selbst wenn nachträgliche Umstände für die Wirksamkeit der Kündigung von Einfluss sein sollten, wird man daher nicht annehmen müssen, der Arbeitgeber sei vor Geltendmachung dieser Umstände im Kündigungsrechtsstreit gezwungen, erneut den Betriebsrat einzuschalten und die Kündigung noch einmal zu überdenken. Kündigungserklärung Umstände, eintreten, die werden erst vom nach dem subjektiv Zugang der determinierten Schutzzweck des § 102 I BetrVG gar nicht umfasst, denn § 102 I BetrVG will im Vorfeld einer Kündigung eine den kündigungsschutzrechtlichen Vorgaben und betrieblichen Notwendigkeiten entsprechende Entscheidung des Arbeitgebers fördern. Diese Problematik stellt sich hinsichtlich nachträglicher Umstände nicht. Dass zum Kündigungszeitpunkt vorliegende aber dem Arbeitgeber erst später bekannt gewordene Umstände erst nach Anhörung des Betriebsrats nachgeschoben werden können, dient allein der Missbrauchsprävention. Die Anhörung kann auch hier ihren Zweck nicht mehr erfüllen81, sie ist aber notwendig, um klarzustellen, dass der Betriebsrat als Mitwirkungsinstanz auch dann nicht ausgeschaltet werden kann, wenn sich der Arbeitgeber im 81 Ausführlich hierzu DKK BetrVG – Kittner, § 102 Rn 116 m.w.N. - 35 Kündigungsrechtsstreit unangreifbar auf die fehlende eigene Kenntnis zum Kündigungszeitpunkt beruft. So wird sichergestellt, dass sich der Arbeitgeber im Hinblick auf die dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe einerseits und die vor dem Arbeitsgericht vertretenen Kündigungsgründe andererseits kongruent verhält. Darüber hinaus ist auch die Zulässigkeit eines Nachschiebens von Kündigungsgründen an sich umstritten. So wird angeführt, die Möglichkeit des Nachschiebens sei unvereinbar mit der subjektiven Determinierung der mitzuteilenden Gründe. Es werde sonst ein Kündigungsgrund zugelassen, der die subjektiven Beweggründe des Arbeitgebers zum Ausspruch der Kündigung gerade nicht beeinflusst habe.82 Im Übrigen würde eine Kündigung zugelassen, vor deren Ausspruch der Betriebsrat entgegen dem gesetzlichen Modell nicht angehört wurde.83 c) Alternative Überlegungen (1) Rechtsmissbrauch bei Berufung auf die wirksame Kündigung? Vereinzelt wurde obergerichtlich84 auch vertreten, dem Arbeitgeber die Berufung auf die wirksame Kündigung, die sich im Verlauf der weiteren Entwicklung als überflüssig erweist, wegen Rechtsmissbrauchs nach Treu und Glauben zu verwehren. Der „dolo-agit“-Grundsatz sei von Amts wegen bereits bei der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu berücksichtigen. Die Lit. ist dem teilweise gefolgt.85 82 Bayer, DB 1992, 782, 786. 83 DKK BetrVG – Kittner, § 102 Rn 116. 84 85 LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; LAG Düsseldorf von 28.11.1995 (6 Sa 858/95), unveröffentlicht, siehe nachfolgend BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 758. Wank, Anm. zu BAG (2 AZR 24/83), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Otto, Anm. zu BAG (2 AZR 140/81), EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 10, der die spätere Entwicklung sowohl - 36 Zu Recht weist der 2. Senat des BAG darauf hin, dass es sich hier nur um einen Umweg handelt, um den Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung doch wieder zu verschieben und zur Beurteilung Gründe heranzuziehen, die erst nach Zugang der Kündigung entstanden sind.86 Der Arbeitgeber braucht sich auf die Wirksamkeit der Kündigung schon gar nicht zu berufen, er ist nicht einmal ohne weiteres in der Lage, die Kündigung nach ihrem ordnungsgemäßen Zugang zurückzunehmen.87 Beruft er sich trotzdem ausdrücklich auf die Kündigung, so stellt dies lediglich einen Hinweis auf den rechtmäßig eingetretenen Status Quo da.88 Die Kündigung kann zwar in rechtsmissbräuchlicher Weise erklärt werden, etwa bei Kündigung zur Unzeit.89 Trifft den Arbeitgeber bezogen auf den Kündigungszeitpunkt aber kein solcher Vorwurf, so hat die Kündigung unabhängig von der weiteren Entwicklung als solche eine vertragsbeendigende Wirkung. Die Berücksichtigung nachträglich eintretender Umstände für den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ist auch dann abzulehnen, wenn man die weitere Entwicklung nur in engen zeitlichen Grenzen, etwa beschränkt auf den Ablauf der Kündigungsfrist, heranzieht. Denn bis zu diesem Zeitpunkt bliebe die Wirksamkeit der einmal ausgesprochenen Kündigung in der Schwebe und erst am letzten Tage der Kündigungsfrist stünde ihre gestaltende Wirkung für die Parteien fest. zugunsten als auch zulasten des Arbeitnehmers – und zwar auch über die Kündigungsfrist hinaus – berücksichtigen möchte. 86 So auch Belling, RdA 1996, 223, 239; Gentges Diss., S. 366; Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1. 87 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1997, 757, 758. 88 vom Stein, RdA 1991, 85, 91. 89 BGH (II ZR 44/58), BGHZ 30, 195, 202; BGH (II ZR 128/86), BGHZ 101, 113, 120. - 37 - (2) Widerrufliche bedingte Kündigung? (a) Verschiebung des Beurteilungszeitpunktes Einen anderen Lösungsansatz, der den Beurteilungszeitpunkt auf den Ablauf der Kündigungsfrist verschiebt, wählt Adam90 und greift damit eine von Gentges91 kritisch erörterte Überlegung auf. Die h.M. müsse sich fragen lassen, warum die Kündigung nach den Verhältnissen zur Zeit ihres Zugangs beurteilt wird, obwohl über das „Phantom“ des Wiedereinstellungsanspruchs letztlich doch Ergebnisse erzielt würden, die den Verhältnissen bei Ablauf der Kündigungsfrist oder am Ende der mündlichen Tatsachenverhandlung gerecht werden. Dann sei es nämlich unverständlich, warum nicht gleich auf diesen späteren Zeitpunkt abgestellt werde. Die Berechtigung der Kündigung im Kündigungszeitpunkt erscheine bedeutungslos und ihre Prüfung überflüssig. Kein Arbeitgeber habe ein schutzwürdiges Interesse daran, einen Mitarbeiter zu entlassen, obwohl Gründe hierfür im besagten Zeitpunkt nicht mehr vorliegen oder (möglicherweise) erst in einer ferneren Zukunft entstehen.92 Der Wiedereinstellungsanspruch löse das Problem nicht wirklich, sondern verkompliziere es. Gerade das von der h.M. bemühte Argument der Rechtssicherheit greife letztlich nicht durch, denn die auf den Kündigungsschutzprozess bezogene Rechtssicherheit werde ja durch den Wiedereinstellungsrechtsstreit entwertet. Adam schlägt daher vor, die Kündigung als aufschiebend bedingt anzusehen durch den Fortbestand der sie tragenden Gründe bei Ablauf der Kündigungsfrist. 90 Adam, DZWiR 1997, 522, 523 f; Adam, ZTR 1999, 113, 114 f; Adam, MDR 2000, 1442, 1442. 91 Gentges Diss., S. 311 f und 378 f. 92 Adam, DZWiR 1997, 522, 523. - 38 Dagegen ist zwar zunächst einzuwenden, dass das Abstellen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist mit dem Sinn und Zweck der Klageerhebungsfrist nach den §§ 4 und 7 KSchG nicht zu vereinbaren ist, da die §§ 4 und 7 KSchG zu einer materiellen Präklusion schon nach drei Wochen führen und der spätere Bedingungseintritt oder Nichteintritt bei Ablauf der Kündigungsfrist keine Funktion mehr haben könnte. Die durch § 7 KSchG bezweckte schnelle Klärung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung lässt es folglich nicht zu, deren soziale Rechtfertigung nach Ablauf der Kündigungsfrist noch einmal in Frage zu stellen.93 Die von der h.M. vertretene „Zugangstheorie“ ist also in den §§ 4, 7 KSchG gesetzlich verankert und deshalb vom Standpunkt des geltenden Rechts auch nicht anzuzweifeln. Dies erkennt indes auch Adam94, der seinen Ansatz aber de lege ferenda als den besseren Weg ansieht. Es entstünden erhebliche Probleme bei der Rechtsanwendung, die eine vom geltenden Recht abweichende Beurteilung erforderten. Zunächst werde ein Rechtsstreit über die Kündigungswirksamkeit erforderlich, um nach der Klärung dieser ohnehin zweitrangigen Frage noch einen eigenständigen Wiedereinstellungsanspruch zu diskutieren. Muss nach dem KSchG die weitere Entwicklung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unberücksichtigt bleiben, so entwerte dies zudem den Bestandsschutz, weil die Verlängerung der Kündigungsfrist mit zunehmender Dauer der Betriebszugehörigkeit (vgl. § 622 BGB) bei der Beurteilung des Kündigungsgrundes nicht berücksichtigt wird. Somit fehle es an einer Harmonisierung von BGB und KSchG. Außerdem sei es schon grundsätzlich wünschenswert, dass die Prognose des Arbeitgebers durch die Lage am Ende der Kündigungsfrist Bestätigung findet. Prognosen seien stets ein Quell von Meinungsverschiedenheiten, wenn man ihre Bestätigung oder Widerlegung nicht abwartet, bevor man über die Kündigungswirksamkeit entscheidet. Es könne nicht richtig sein, trotz Wegfalls der zugrunde liegenden Tatsachen an der Bestandskraft der Kündigung festzuhalten und den Arbeitnehmer mit der Geltendmachung des Wiedereinstellungsbegehrens zu 93 Gentges Diss., S. 311 f. 94 Adam, MDR 2000, 1442, 1442. - 39 belasten, obwohl es doch Sache des Arbeitgebers sein müsse, die von ihm geschaffenen Fakten aus der Welt zu schaffen.95 De lege ferenda ergebe sich damit die Forderung, die Verankerung der Zugangstheorie im KSchG zu beseitigen. Bei den zu überwindenden Unbilligkeiten des Prognoseprinzips handele es sich um ein Kumulationsproblem. Es werde dadurch verursacht, dass der Schutz des Kündigungsbeschränkungen Arbeitnehmers verwirklicht durch werde, zwei Arten einerseits von mittels Kündigungsgründen, andererseits mittels Kündigungsfristen.96 Aus dieser Zweigleisigkeit folge die Notwendigkeit einer Harmonisierung beider Bereiche. Dies lasse sich nur erreichen, wenn das Gesetz die Wirksamkeit der Kündigung von den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Ablaufs der maßgeblichen Kündigungsfrist abhängig mache. Hierzu bedürfe es der Anerkennung der bedingten Kündigung. Diese müsse einerseits vom Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei widerrufen werden können, und dürfe andererseits vom Arbeitnehmer erst nach diesem Zeitpunkt angegriffen werden.97 Die Kündigung würde demnach erst wirksam, wenn der Kündigungsgrund zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist (noch) vorliegt, sich die Arbeitgeberprognose also bestätigt habe. Nach Ablauf der Kündigungsfrist habe der Arbeitnehmer innerhalb der Dreiwochenfrist die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung anzustrengen, um die Unwirksamkeit geltend zu machen und die materielle Präklusion zu verhindern. Im Unterschied zum Wiedereinstellungsmodell würden so gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden, da man im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist mehr wisse als im Zugangszeitpunkt und bei klarem Sachverhalt bereits der Anlass einer Klage entfiele. Auch verminderten sich so Manipulationsmöglichkeiten für den Arbeitgeber erheblich, der nicht mehr die Möglichkeit hätte, sich z.B. nach einer Kündigung wegen beabsichtigter 95 Adam, DZWiR 1997, 522, 524. 96 Adam, MDR 2000, 1442, 1442; Gentges Diss., S. 142. 97 Adam, DZWiR 1997, 522, 523 f; Adam, ZTR 1999, 113, 114. - 40 Betriebsstillegung darauf zu berufen, die letztlich nicht durchgeführte Stillegung habe aber damals schon „greifbare Formen“ angenommen und ihre Nichtrealisierung sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen. Die Ungewissheit, ob ein Widerruf der Kündigung durch den Arbeitgeber erfolgt, könne der Arbeitnehmer durch eine eigene Kündigung beseitigen und so Rechtssicherheit erlangen. Dem Arbeitgeber müsse die Möglichkeit gegeben werden, durch den Widerruf der Kündigung die Folgen einer Fehlprognose in Gestalt eines sinnlosen kostenträchtigen Kündigungsrechtsstreits um den „Schnee von Gestern“ zu vermeiden.98 (b) Unvereinbarkeit mit dem Prognoseprinzip Dieser Weg ist nach der hier vertretenen Auffassung aber auch dann nicht gangbar, wenn man die Hindernisse des geltenden Rechts außer Acht lässt. Die Annahme einer widerruflichen bedingten Kündigungsbefugnis läuft auf die Negation des Prognoseprinzips hinaus und opfert die Rechtssicherheit zulasten des Arbeitnehmers. Eine widerrufliche bedingte Kündigungsbefugnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist als Beurteilungszeitpunkt würde die Kündigungsfrist in eine Ankündigungsfrist umdefinieren. Zwar würde die Kündigung als Gestaltungserklärung formalrechtlich den Lauf der Kündigungsfrist auslösen. Die faktisch-tatsächliche Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses würde der Arbeitgeber jedoch erst am Ende der Kündigungsfrist dadurch treffen, dass er sich eines Widerrufs enthielte. Damit handelt es sich faktisch um eine Kündigungsentscheidung gegen Ablauf der Kündigungsfrist mit vorheriger Ankündigungspflicht. Diese „Ankündigung“ in Gestalt der Kündigungserklärung wäre für den Arbeitgeber jederzeit – auch grundlos – ohne Rücksicht auf ein Prozessrisiko möglich, da er den Gestaltungsakt jederzeit durch Widerruf suspendieren könnte. Durch jede 98 Adam, ZTR 1999, 113, 114 f. - 41 weitere „Präventivkündigung“ würde sich die Rechtsstellung des Arbeitgebers tendenziell verbessern, die des Arbeitnehmers verschlechtern. Die Kündigung wäre eine Option auf die wahlweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum jeweiligen Kündigungstermin. Nur eine Kündigung, die als echter Gestaltungsakt ernst zu nehmen ist, gibt dem Arbeitnehmer aber Rechtssicherheit, da der Arbeitgeber sie nicht widerrufen kann und mit einem Prozessrisiko belastet wird. Wollte man eine Widerrufsbefugnis nur für den Fall annehmen, dass sich die Prognose (insbesondere nach betriebsbedingter Kündigung) als falsch erweist, so hieße das keineswegs, einen unnötigen Prozess über „den Schnee von gestern“ zu vermeiden. Denn anstatt die Kündigung zu widerrufen, steht es dem Arbeitgeber bereits nach geltendem Recht frei, dem Arbeitnehmer ein neues Vertragsangebot (z.B. auf einverständliche „Aufhebung“ der Kündigung) zu unterbreiten und damit einem Wiedereinstellungsrechtsstreit die Grundlage zu entziehen. Wer das nicht tut, widerruft auch keine Kündigung, solange nicht die Rechtslage nach Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose klar und überschaubar ist. Die vom Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt anzustellende Prognose, von deren Richtigkeit99 die Wirksamkeit der Kündigung nach geltendem Recht abhängt, würde sich schließlich als überflüssig erweisen. Wozu eine Prognose stellen, wenn der Eintritt oder Nichteintritt der zu prognostizierenden Entwicklung ohnehin abgewartet werden müsste und in Abhängigkeit davon die Kündigung bis kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist widerrufen werden könnte? Die Kündigung wäre nicht mehr prognosebedingt, sondern tatsachenbedingt. Der Nachteil, dem Arbeitgeber die Möglichkeit der (insbesondere betriebsbedingten) Prognosekündigung zu verweigern, würde durch die Möglichkeit einer risikolosen „Präventivkündigung“ mit anschließender Widerrufsbefugnis mehr als ausgeglichen. Weder das Prognoseprinzip, noch das Prinzip der Rechtssicherheit ließen sich so bewahren. 99 Die Richtigkeit der Prognose ist freilich von ihrer Haltbarkeit zu unterscheiden. Die Richtigkeit betrifft die Stimmigkeit in bezug auf die Prognosegrundlage. Die Haltbarkeit beschreibt das Wiedereinstellungsproblem. - 42 - d) Schlussfolgerung Für eine Sonderstellung der arbeitsrechtlichen Kündigung gegenüber anderen zivilrechtlichen Gestaltungsakten ist rechtsdogmatisch nichts durchgreifendes ersichtlich. Die Notwendigkeit einer „schneidigen“ Kündigung, die den Parteien Rechtssicherheit vermittelt, kann auch im Arbeitsrecht nicht bestritten werden. Die Wirksamkeit der Kündigung Praktikabilitätsgesichtspunkten nicht darf von schließlich nachträglich auch unter hinzutretenden Umständen abhängen, ansonsten würde man den Arbeitgeber bei der von ihm anzustellenden Prognose vor eine unlösbare Aufgabe stellen und die Wirksamkeit der Kündigung letztlich vom Zufall abhängig machen. Der Arbeitgeber käme damit völlig unverschuldet in eine missliche Lage bedenklicher Rechtsunsicherheit. Damit entstünde ein Schwebezustand, der eine vorausschauende Personalplanung unmöglich machen würde. Der Gedanke der Rechtssicherheit, der im Kündigungsschutzrecht mit den §§ 4, 7 KSchG eine besondere Ausprägung erfahren hat, ist damit nicht vereinbar. Es ist mithin ein zwingendes Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, in Übereinstimmung mit allgemeinen zivilrechtlichen Regeln die Wirksamkeit der arbeitsrechtlichen Kündigung als Gestaltungsakt von den Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung freizustellen. Die mit der Anerkennung des kündigungsschutzrechtlichen Prognoseprinzips verbundenen Unbilligkeiten lassen sich jedenfalls durch eine Verschiebung des Beurteilungszeitpunktes für die Wirksamkeit der Kündigung nicht korrigieren. 4. Konsequenz – Unterscheidung zwischen kündigungsbeachtlichen und unbeachtlichen Umständen Zwischen kündigungsbeachtlichen und unbeachtlichen Umständen ist sorgfältig zu unterscheiden, um den Vorrang der Rechtssicherheit zu gewährleisten. Andererseits können allenfalls solche Umstände, die nach der Kündigung neu aufgetaucht bzw. bekannt geworden sind, für einen möglichen Wiedereinstellungsanspruch herangezogen werden, nicht aber solche, die bei sorgfaltsgerechtem Verhalten bereits zum Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses hätten gemacht werden können. Ein Anspruch auf - 43 Wiedereinstellung darf nicht dazu dienen, den Kündigungsschutzprozess neu oder erstmals zu führen.100 Ist bereits die Kündigung unwirksam weil sozialwidrig, so kommt ein Wiedereinstellungsanspruch unter keinem Gesichtspunkt mehr in Betracht. Rechtsschutz gewährt dem Arbeitnehmer in diesem Fall allein der Kündigungsschutzprozess. Dabei ist völlig gleichgültig, ob dieser überhaupt noch erfolgreich geführt werden kann, etwa weil nach Versäumung der Klageerhebungsfrist (§ 4 S. 1 KSchG) das Bestehen eines die Kündigung rechtfertigenden Grundes unwiderleglich vermutet wird (§ 7 KSchG).101 Es wäre auch nicht denkbar, einen Kündigungsgrund widerlegen zu wollen, der faktisch nicht besteht, sondern gemäß § 7 KSchG lediglich unwiderlegbar fingiert wird. II. Anwendung auf problematische Fälle 1. Abgrenzung der Stillegungskündigung Kündigung wegen des Betriebsübergangs von der Für die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung maßgebend sind wie sonst auch allein die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.102 Es sollen sich also keine Besonderheiten ergeben. Schwierig wird aber insbesondere die Prognosestellung bei der Frage, ob im Kündigungszeitpunkt noch mit der prognostizierten Betriebsstillegung oder bereits mit einem Betriebsübergang zu rechnen war, wenn letzterer später eintritt. 100 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 755. 101 Boewer, NZA 1999, 1121, 1131. 102 BAG (2 AZR 309/83), NZA 1985, 493, 493. - 44 - a) Ausgangspunkt (1) Prüfungsmaßstab bei inner- und außerbetrieblichen Kündigungsgründen „Dringende betriebliche Erfordernisse“ i.S. des § 1 II KSchG können sich aus innerbetrieblichen Umständen (Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel, Umsatzrückgang) ergeben.103 Um einen außerbetrieblichen Kündigungsgrund handelt es sich, wenn der Wegfall des Beschäftigungsinteresses unmittelbar auf Faktoren zurückgeht, die von außen auf den Betrieb einwirken. Der Unternehmer handelt in diesem Fall gewissermaßen aus einer Zwangslage heraus. Seine Kündigungsentscheidung ist als schlichte Reaktion mit konservativem Inhalt darauf gerichtet, die Konsequenzen aus der neuen Sachlage zu ziehen, beispielsweise die Produktion an die verringerte Nachfrage anzupassen.104 Begründet der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung allein mit außerbetrieblichen Kündigungsgründen, insbesondere einem Auftragsmangel, so stellt er einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Auftragsmenge und Beschäftigung her. In der Konsequenz bindet er sich für den Fall eines nachfolgenden Kündigungsschutzprozesses selbst an diesen Zusammenhang. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob und in welchem Ausmaß sich der Umsatzrückgang auf die Arbeitsmenge und damit auf die notwendige Zahl von Arbeitnehmern auswirkt. Nur in diesem Rahmen sind betriebsbedingte Kündigungen gerechtfertigt.105 103 Instruktiv zur Unterscheidung von inner- und außerbetrieblichen Kündigungsgründen Boeddinghaus, AuR 2001, 8, 8 ff; siehe auch Brenneis Diss., S. 99 ff. 104 Boeddinghaus, AuR 2001, 8, 8. 105 BAG (2 AZR 600/88), BB 1989, 2190, 2190 f; Tschöpe, BB 2000, 2630, 2631. - 45 Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Die innerbetriebliche Kündigung ist zwar regelmäßig auch durch außerbetriebliche Umstände veranlasst, jedoch nicht erzwungen. Zwischen den äußeren Veränderungen und dem partiellen Fortfall des Beschäftigungsinteresses steht als Bindeglied die (grundsätzlich freie) unternehmerische Entscheidung. Die Grenzen zwischen außer- und innerbetrieblichen Kündigungsgründen sind fließend, vor allem in dem Sinne, dass eine Kündigungsentscheidung aus außerbetrieblichen Gründen auch mit einer freien Unternehmerentscheidung begründet werden kann. Für den materiellrechtlichen Prüfungsmaßstab ergibt sich dabei ein Unterschied im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, denn außerbetriebliche Gründe prüft die Rspr. als Sachzwänge auf ihr Vorliegen und ihre Konsequenzen für das einzelne Beschäftigungsverhältnis voll nach, während die innerbetriebliche Unternehmerentscheidung in dem Sinne frei ist, dass der davor liegende Teil der Kündigungshistorie von der arbeitsgerichtlichen Prüfung gänzlich ausgeschlossen ist.106 Gerichtlicher Überprüfung unterliegt dennoch, ob eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer ihre Umsetzung das dauerhaft entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich107 106 Boeddinghaus, AuR 2001, 8, 9. 107 Kritisch hierzu Stein, BB 2000, 457, 458. ist.108 Aus der Nachprüfung - 46 ausgenommen ist insbesondere die Überlegung, ob die vom Arbeitgeber aufgrund seiner Unternehmerentscheidung erwarteten Vorteile in einem vernünftigen Verhältnis zu den Nachteilen stehen, die der Arbeitnehmer durch die Kündigung erleidet.109 (2) Soziale Rechtfertigung der Kündigung durch die bloße Absicht der Realisierung einer Unternehmerentscheidung Der inner- oder außerbetriebliche Kündigungsgrund braucht zum Zeitpunkt der Kündigung nicht wirklich vorzuliegen. Der Arbeitgeber kann bereits aufgrund einer Prognose über künftige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten kündigen, darf also eine betriebliche Entwicklung vorweg nehmen, die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eintreten soll. Das gilt aufgrund des Prinzips der freien Unternehmerentscheidung besonders für innerbetriebliche Kündigungsgründe. Dieses Recht der prognosebedingten Kündigung gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, schon wegen beabsichtigter Betriebseinschränkung oder -stillegung so rechtzeitig zu kündigen, dass er alle Kündigungsfristen einhalten kann und den ansonsten zu zahlenden Annahmeverzugslohn einspart.110 Der Arbeitgeber ist also nicht gehalten, die Kündigung erst nach tatsächlich weggefallener Beschäftigungsmöglichkeit auszusprechen und sich so mit einem Arbeitsverhältnis zu belasten, das ihn zur Lohnfortzahlung ohne Arbeitsleistung verpflichten würde. Gerade bei langen Kündigungsfristen kann sich die Prognose als anfällig erweisen, muss sie doch den Zeitraum zwischen dem Ausspruch der Kündigung und der Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis überbrücken.111 108 109 110 111 BAG (2 AZR 155/77), AP Nr. 6 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG (2 AZR 184/86), AP Nr. 42 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG (2 AZR 180/95), RzK 5 c Nr. 68; LAG Berlin (11 Sa 141/96), BB 1999, 1877, 1877 f (st. Rspr.). BAG (2 AZR 184/86), NZA 1987, 776, 776. BAG (2 AZR 623/87), NZA 1989, 265, 266; BAG (2 AZR 127/91), NZA 1991, 891, 891; BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 758 (st. Rspr.). Boewer, NZA 1999, 1121, 1124. - 47 - b) Rspr. von den „greifbaren Formen“ In zeitlicher Hinsicht kann der Arbeitgeber die Kündigung nach der gängigen Formel112 bereits dann Beschäftigungsmöglichkeit aussprechen, führenden wenn die Umstände zum Wegfall „greifbare der Formen“ angenommen haben. Dies ist der Fall, wenn aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben. Gerade im Zusammenhang mit einer zunächst geplanten, schließlich aber nicht realisierten Betriebs(teil)stillegung erlangt diese st. Rspr. besondere Bedeutung. Auch hierbei wird eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung verlangt, die die Prognose rechtfertigt, „dass bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Stillegung durchgeführt sein wird“. Die "greifbaren Formen'' können demnach je nach den Umständen des Einzelfalles die Gründe für die Stillegungsabsicht oder auch ihre Durchführungsformen betreffen. Hat die beabsichtigte Betriebs(teil)stillegung zum Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen, kann die Wirksamkeit der Kündigung später nicht mehr in Zweifel gezogen werden. „Greifbare Formen“ soll dabei im Kündigungszeitpunkt nicht nur die beabsichtigte Betriebs(teil)stillegung annehmen können (um die Wirksamkeit der Kündigung zu belegen), sondern ebenso der sich bereits abzeichnende Betriebs(teil)übergang (um die Unwirksamkeit der Kündigung zu belegen). Es wird also einerseits die Kündigungsbefugnis umschrieben (greifbare Formen der beabsichtigten Betriebsstillegung), andererseits das Eingreifen des Kündigungsverbots nach § 613a IV 1 BGB dazu abgegrenzt (greifbare Formen 112 BAG (2 AZR 596/87), NZA 1989, 461, 461; BAG (2 AZR 127/91), NZA 1991, 891, 891; BAG (8 AZR 295/95), AP Nr. 169 zu § 613 a BGB = NZA 1998, 251, 251; BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 757; Sibben, DB 2000, 2023, 2023. - 48 des beabsichtigten Betriebsinhaberwechsels bzw. der den Betriebsübergang ausmachenden Umstände)113: „Ein bevorstehender Betriebsübergang kann nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung gem § 613a IV BGB führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits feststehen oder zumindest „greifbare" Formen angenommen haben“.114 Da die Formel mit Anwendungsunsicherheiten behaftet ist, wird im Wege einer „tatsächlichen Vermutung“ bezüglich des Kündigungszeitpunktes u.U. auch das Nachschieben der weiteren Entwicklung zugelassen: „Deshalb spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebs durch den Erwerber eine tatsächliche Vermutung gegen die ernsthafte Absicht des Veräußerers, den Betrieb endgültig stillzulegen. In Anbetracht der gesetzlichen Höchstkündigungsfrist in der Insolvenz von drei Monaten zum Monatsende (§ 113 I 2 InsO) kann von einer "alsbaldigen" Wiedereröffnung, die auf einen Betriebsübergang rückschließen ließe, keine Rede sein, wenn ein (zunächst einmal) geschlossener Betrieb erst drei Monate nach Ablauf dieser Höchstfrist wiedereröffnet wird.“115 c) Stellungnahme Nicht ganz überzeugend ist die von der Rspr. praktizierte doppelte Anwendung der Formel von den „greifbaren Formen“. Sollte sich im Kündigungsschutzprozess nicht erweisen lassen, dass im Kündigungszeitpunkt bereits mit einer Betriebs(teil)stillegung gerechnet werden durfte, so bedeutet das nicht automatisch, dass bereits der später eingetretene Betriebsübergang 113 BAG (8 AZR 306/98), NZA 1999, 706, 706; LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 246; Sandmann, SAE 2000, 295, 298. 114 BAG (8 AZR 306/98), NZA 1999, 706, 706 = ZinsO 1999, 483, 483 = ZIP 1999, 1223, 1223. 115 LAG Hamm (4 Sa 1220/99), ZInsO 2000, 292, 292 ff. - 49 vorherzusehen war. Offen bleibt, was gelten soll, wenn sich aus der Perspektive des Kündigungsschutzprozesses weder die eine noch die andere positive Feststellung treffen lässt, also weder eine Betriebsstillegung noch ein Betriebsübergang erweislich „greifbare Formen“ angenommen hatte. Mit dem Beurteilungszeitpunkt für die betriebsbedingte Kündigung ist es zudem nicht vereinbar, den Umstand, ob der Betrieb alsbald wieder eröffnet wird, im Rahmen einer tatsächlichen Vermutung zurückwirken zu lassen. Das gilt einmal mehr für die negative Aussage. Aus dem Umstand, dass der Betrieb nicht alsbald wieder eröffnet worden ist, kann schon gar keine Schlussfolgerung für den Kündigungszeitpunkt gezogen werden. Solche Betrachtungen werden dem Beurteilungszeitpunkt nicht gerecht und bergen die Gefahr von Fehlern. Bei fehlenden Anhaltspunkten von hinreichender Sicherheit kann nur die Beweislast entscheiden. Die Beweislast für die Behauptung, im Kündigungszeitpunkt sei eine Betriebsstillegung bereits beschlossene Sache gewesen, liegt beim Arbeitgeber. Er hat hierfür nachprüfbare Umstände zu benennen, damit sich das seine Kündigungsentscheidung überprüfende Gericht eine eigene Überzeugung bilden kann. Die Kündigung kann also auch dann unwirksam sein, wenn sich kein Hinweis auf einen bevorstehenden Betriebsübergang zum Zeitpunkt der Kündigung finden lässt. Eine „alsbaldige Wiedereröffnung“ kann nur für eine Wiedereinstellung von Interesse sein; auch ihr Fehlen ist umgekehrt kein Indiz für die Kündigungswirksamkeit. 2. Nachträgliche Erkenntnisse bei der krankheitsbedingten Kündigung Auch bei der krankheitsbedingten Kündigung ist in zeitlicher Hinsicht der Maßstab nicht wirklich klar, an dem ihre Wirksamkeit zu messen ist. - 50 - a) Ausgangspunkt: Wirksamwerden der Kündigung als Beurteilungszeitpunkt Die bis zum Urteil vom 10.11.1983116 vom 2. Senat vertretene Auffassung, die spätere Entwicklung einer Krankheit nach Ausspruch einer Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses könne zur Bestätigung oder Korrektur der Prognose verwertet werden, hat dieser durch Urteil vom 29.04.1999117 ausdrücklich aufgegeben. Die Begründung, es wäre sachlich unvertretbar und für die Parteien nicht einsehbar, wenn sie aufgrund einer solchen ärztlichen Prognose den Prozess verlören, die im Widerspruch zur tatsächlichen späteren gesundheitlichen Entwicklung des Arbeitnehmers stünde, hielt der 2. Senat zu Recht nicht mehr für stichhaltig. Auch für die Beurteilung einer krankheitsbedingten Kündigung ist demnach allein auf den Kündigungszeitpunkt abzustellen. Die objektiven Kriterien, nach denen der Arbeitgeber seine Prognose zur weiteren Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzustellen hat, müssen beim Zugang der Kündigungserklärung vorliegen. Andernfalls kann der Arbeitgeber bei Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung deren Rechtmäßigkeit kaum noch einigermaßen zuverlässig beurteilen und der Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses wird nicht nur für den Arbeitgeber, sondern wegen der möglichen Berücksichtigung einer späteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auch für den Arbeitnehmer immer weniger vorhersehbar.118 Das heißt, bei Vorliegen einer negativen Prognose im Kündigungszeitpunkt hilft dem Arbeitnehmer eine positive Änderung seines Gesundheitszustandes im Kündigungsschutzprozess nicht. Andererseits kann auch der Arbeitgeber sich nicht auf Umstände berufen, die seine zum Zeitpunkt der Kündigung nicht haltbare Prognose nachträglich bestätigen. Solche Umstände können lediglich Sachgrund für eine erneute 116 BAG (2 AZR 291/82), AP Nr 11 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit. 117 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 978 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46. 118 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980. - 51 Kündigung sein.119 Auf diese Weise wird das Gebot der Rechtssicherheit bei Gestaltungserklärungen optimal verwirklicht. Neue, nach dem Kündigungszeitpunkt in Gang gesetzte Kausalverläufe berühren die Wirksamkeit der im Kündigungszeitpunkt begründeten krankheitsbedingten Kündigung somit nicht.120 Nun stellt sich aber auch hier – wie bei der Verdachtskündigung – die Frage, ob auf den objektiven Gesundheitszustand im Kündigungszeitpunkt abzustellen ist oder auf die im Kündigungszeitpunkt bekannten Umstände, auf die der Arbeitgeber seine Prognose stützen musste.121 Für die Stimmigkeit der Prognose und damit für die Kündigungswirksamkeit macht es einen Unterschied, ob der objektive Gesundheitszustand im Kündigungszeitpunkt unter Einbeziehung nachträglicher Erkenntnisse hierüber oder der subjektive Erkenntnisstand des Arbeitgebers zur Grundlage der negativen Gesundheitsprognose gemacht wird. Die Antwort hierauf zeigt die exakte Grenzlinie zwischen dem Kündigungsschutz und einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch auf. b) Maßgeblichkeit der objektiven Sachlage unter Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse – 2. Senat Die Auffassung des 2. Senats zur krankheitsbedingten Kündigung entspricht exakt der zur Verdachtskündigung. Lediglich die weitere objektive Entwicklung des Krankheitsbildes bleibt außer Betracht, was der 2. Senat als das Entstehen eines neuen Kausalverlaufs bezeichnet. Nachträgliche Erkenntnisse über den objektiven Gesundheitszustand zum Kündigungszeitpunkt werden dagegen auch hier zur Widerlegung der negativen Gesundheitsprognose zugelassen, so 119 120 121 Schiefer, DB 2000, 669, 671. BAG (2 AZR 210/86), NZA 1987, 811, 812; BAG (2 AZR 118/89), DB 1990, 431, 431; Mathern, NJW 1996, 818, 819. Ascheid (Ascheid Diss. S. 89) weist zutreffend darauf hin, dass es sich hier nicht um eine Frage der Beweislast, sondern um eine solche des materiellen Rechts handelt. - 52 wie bei der Verdachtskündigung die weitere Sachverhaltsaufklärung in den Kündigungsschutzprozess mit einfließt. Der 2.122 wie auch der 7.123 Senat betonen in diesem Zusammenhang ausdrücklich, maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung seien die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung, was auch für eine aus Anlass einer langandauernden Krankheit ausgesprochene ordentliche Kündigung gelte; die objektiven Kriterien, nach denen der Arbeitgeber seine Prognose zur weiteren Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzustellen habe, müssten beim Zugang der Kündigungserklärung vorliegen.124 Die – insoweit von der einhelligen Auffassung vertretene – Nichtberücksichtigung der weiteren gesundheitlichen Entwicklung kann sich dabei konsequenterweise nicht allein zulasten, sondern auch zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Bestätigt sich durch die weitere Entwicklung eine im Beurteilungszeitpunkt noch unzutreffende negative Prognose, so wird der Arbeitgeber auf den Ausspruch einer erneuten Kündigung verwiesen: Ein Rückschluss von der späteren Entwicklung – in der Entscheidung des 2. Senats vom 29.04.1999125 ging es um die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente für einen Zeitraum von mehr als 24 Monaten – auf das Vorliegen des krankheitsbedingten Kündigungsgrundes zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist unzulässig. Eine Einbeziehung der weiteren gesundheitlichen Entwicklung würde zu der misslichen Situation führen, dass der Arbeitgeber bei Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung deren Rechtmäßigkeit kaum noch einigermaßen zuverlässig beurteilen könnte. Der Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses wäre daher nicht nur für den Arbeitgeber, sondern 122 BAG (2 AZR 210/86), AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG (2 AZR 118/89), AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980. 123 BAG (7 AZR 536/82), AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit. 124 Hervorhebungen des Verf. 125 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980. - 53 wegen der möglichen Berücksichtigung einer späteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auch für den Arbeitnehmer kaum vorhersehbar. Der 2. Senat hält es daher im Anschluss an die Überlegungen des 7. Senats im Urteil vom 15.08.1984126 für richtiger, bei unzutreffender negativer Prognose auch im Falle einer nachträglichen weiteren Verschlechterung oder auch nur Fortdauer der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Arbeitnehmers den Arbeitgeber darauf zu verweisen, eine erneute Kündigung auszusprechen; er hält dies für vertretbarer als die nachträgliche positive oder – wie im vorliegenden Fall – negative Entwicklung mit allen Unwägbarkeiten für beide Parteien bei der Beurteilung der ausgesprochenen Kündigung zu berücksichtigen.127 Es bleibt also festzuhalten, dass sich demnach sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer im Prozess am besseren Wissen über den Beurteilungszeitpunkt messen lassen müssen, denn hierdurch soll kein neuer Kausalverlauf begründet werden. Die weitere gesundheitliche Entwicklung soll dagegen – insoweit besteht Einigkeit – einen neuen Kausalverlauf auslösen und daher nicht zum Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses werden. c) Maßgeblichkeit des subjektiven Kenntnisstandes des Arbeitgebers – LAG Hamm In seinem Urteil vom 24.06.1999 hat das LAG Hamm128 im Unterschied dazu entschieden, dass die Kündigung wirksam bleiben und dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Wiedereinstellung Kündigungsschutzprozesses zustehen durch soll, wenn im Zuge Einholung des eines Sachverständigengutachtens die auf den Feststellungen des behandelnden 126 BAG (7 AZR 536/82), AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = SAE 1986, 70, 70 ff. 127 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980. 128 LAG Hamm (8 Sa 2071/98), NZA 2000, 320, 320. - 54 Arztes beruhende Fehlzeitenprognose entkräftet wird, weil ihr eine Fehldiagnose zugrunde lag.129 Der Rspr. des 2. Senats hätte es dagegen entsprochen, die nachträglichen Erkenntnisse über den Gesundheitszustand im Kündigungszeitpunkt für die Beurteilung der Kündigungswirksamkeit heranzuziehen. Die nachträgliche Aufdeckung einer ärztlichen Fehldiagnose hätte also die negative Gesundheitsprognose als von Anfang an falsch erscheinen lassen. Konsequenz hätte die Unwirksamkeit der Kündigung und nicht die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs sein müssen. (1) Maßgeblichkeit einer Fehlzeitenprognose anstelle einer Gesundheitsprognose Das LAG Hamm geht zunächst davon aus, Gegenstand der negativen Prognose bei der Kündigung wegen langanhaltender Krankheit sei nicht die künftige objektive Entwicklung des Krankheitsbildes (negative Gesundheitsprognose), sondern die Dauer der zu erwartenden Fehlzeiten (Fehlzeitenprognose). Da letztere von der konkreten Diagnosestellung, dem Behandlungsplan und dem Akt der "Krankschreibung" abhänge, sei auch bei einer Fehlbeurteilung durch den behandelnden Arzt für die Prognose nicht darauf abzustellen, ob der erkrankte Arbeitnehmer bei fachgerechter Behandlung alsbald arbeitsfähig geworden wäre. Vielmehr sei entscheidend, ob der behandelnde Arzt eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit attestiert hätte. Auch die auf einer Fehldiagnose beruhende Arbeitsunfähigkeit kann demnach zur sozialen Rechtfertigung der krankheitsbedingten Kündigung genügen. 129 Für die Kündigungswirksamkeit in diesem Fall auch Schreiber, SAE 1986, 74, 74 f. - 55 - (2) Maßgeblichkeit des subjektiven Erkenntnisstandes des Arbeitgebers im Kündigungszeitpunkt Das LAG Hamm gesteht zu, es handele sich zwar lediglich um das nachträgliche Bekanntwerden von Tatsachen, die schon im Kündigungszeitpunkt vorlagen. Gleichwohl sei aber an der Wirksamkeit der Kündigung festzuhalten. Maßgeblich hierfür sei die Überlegung, dass es sich durchweg - und zwar auch bei der Aufdeckung einer Fehldiagnose - sämtlich um nachträglich entstandene Umstände handele. Erst durch den Ausspruch der Kündigung und die hierdurch veranlasste Begutachtung ergebe sich die maßgebliche Änderung des Kausalverlaufs. Ohne Berücksichtigung der nachträglichen tatsächlichen Entwicklung wäre es nämlich bei der fehlerhaften Diagnosestellung, der hierauf gestützten unzureichenden Heilbehandlung und der sich hieraus ergebenden negativen Fehlzeitenprognose geblieben. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass ein anderer Arzt mit einer anderen Therapie eine erfolgversprechende Behandlung durchführen könnte, ändere nichts an der auf objektive Tatsachen gestützten Prognose, dass solange, wie der behandelnde Arzt eine entsprechende Änderung der Heilbehandlung oder die Konsultation eines Spezialisten nach seinem Behandlungsplan nicht einmal in Erwägung zieht, auch in Zukunft Arbeitsunfähigkeit diagnostiziert und bescheinigt werde. Die Konstellation nachträglich gewonnener Erkenntnisse unterscheide sich damit in rechtlich erheblicher Weise von Fallgestaltungen, in denen erst durch eine nachträgliche Verhaltensänderung in der Person des Arbeitnehmers (z.B. Änderung der Lebensführung, Operationseinwilligung) die im Kündigungszeitpunkt maßgebliche Krankheitsprognose - u.U. erst nach Ablauf der Kündigungsfrist - auf eine neue Grundlage gestellt werde. Vielmehr gehe es hier um die Korrektur einer Fehlzeitenprognose, welche etwa auf einem Erkenntnisdefizit des behandelnden Arztes, einer Fehldiagnose oder der mangelnden Ausschöpfung bekannter Heilungsmethoden beruht. Da unter Berücksichtigung des erst später gewonnen Erkenntnisstandes bereits zum Kündigungszeitpunkt ein Kündigungsgrund nicht vorgelegen habe, handele es sich wie auch bei der Verdachtskündigung um eine besondere Fallgestaltung. Das Urteil über die Rechtmäßigkeit der Kündigung knüpfe allein deshalb an die - 56 Diagnose und den Behandlungsplan des zuständigen Arztes an, weil der Arbeitgeber bei der Einplanung des Arbeitnehmers letztlich an dessen Urteil und nicht an eine objektive Beurteilung des Gesundheitszustandes - gebunden sei. Der so begründete "Vertrauensschutz" rechtfertige aber den endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes nicht. Vielmehr sei dem Gesichtspunkt der Fehlprognose durch einen Wiedereinstellungsanspruch Rechnung zu tragen, welcher in Anlehnung an den Anspruch auf Wiedereinstellung nach berechtigter Verdachtskündigung zu begründen sei. Anders als der vom BAG in der Entscheidung vom 17.06.1999130 geprüfte Wiedereinstellungsanspruch, welcher nicht der Korrektur einer Fehldiagnose dient, sondern an eine (vor Ablauf der Kündigungsfrist durchgeführte) Therapie anknüpft, die nunmehr eine positive Gesundheitsprognose rechtfertigt, gehe es bei der vorliegenden Fallgestaltung um die Berücksichtigung von Erkenntnissen, welche im Kündigungszeitpunkt dem für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit zuständigen Arzt unbekannt waren. Nicht anders als bei der Verdachtskündigung setze dementsprechend der Wiedereinstellungsanspruch hier nicht den vollen Nachweis einer positiven Gesundheitsprognose voraus. So wie schon bei der Verdachtskündigung die Entkräftung des Verdachts durch Freispruch mangels Beweises genügt, der Nachweis der Unschuld hingegen nicht gefordert wird131, müsse es auch bei der vorliegenden Fallgestaltung ausreichen, dass die auf das Urteil des behandelnden Arztes gestützte Fehlzeitenprognose bei objektiver Beurteilung entkräftet werde. 130 BAG (2 AZR 639/98), NZA 1999, 1328, 1328. 131 BAG (2 ABR 14/91), RzK II 3 Nr. 20. - 57 - d) Revisionsentscheidung des 2. Senats Nachgehend zur Entscheidung des LAG Hamm vom 24.06.1999 hat der 2. Senat mit Urteil vom 21.02.2001132 die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Dabei hat er seine bisherige Rechtsprechungslinie allerdings nicht fortgeschrieben und etwa die nachträgliche Aufdeckung der Fehldiagnose des behandelnden Arztes auf die Kündigungswirksamkeit zurückbezogen. Statt dessen folgt er der Berufungsinstanz mit der Aussage im Leitsatz, der Arbeitnehmer trage grundsätzlich das Risiko einer Fehldiagnose des behandelnd Arztes. Auch in den Gründen stimmt er dem Landesarbeitsgericht ausdrücklich zu. Die Unwirksamkeit der Kündigung begründet der 2. Senat mit einer Besonderheit des zur Entscheidung stehenden Falles: Sprächen bei einer ordentlichen Kündigung wegen langanhaltender Erkrankung schon im Zeitpunkt der Kündigung objektive Umstände dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit von absehbarer Dauer sein werde, so fehle es an der erforderlichen negativen Gesundheitsprognose im Kündigungszeitpunkt.133 Solche bereits im Kündigungszeitpunkt auch für den Arbeitgeber erkennbaren objektiven Umstände findet der 2. Senat in einer anderen Sicht des zugrunde liegenden Sachverhalts, nämlich in einem bereits vor dem Ausspruch der Kündigung vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten. Sprächen bereits im Zeitpunkt der Kündigung objektive Umstände dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit unabhängig von einer solchen Fehldiagnose voraussichtlich oder möglicherweise von absehbarer Dauer sein wird, könne keine negative Prognose gestellt werden.134 132 BAG (2 AZR 558/99), NZA 2001, 1071 ff = AR-Blattei ES 1010.9 Nr 94 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr 48. 133 BAG (2 AZR 558/99), NZA 2001, 1071, 1071. 134 BAG (2 AZR 558/99), NZA 2001, 1071, 1072 f. - 58 Der 2. Senat war also nicht gezwungen, sich inhaltlich mit den Ausführungen des LAG Hamm auseinander zu setzen und die Frage zu erörtern, ob bei der nachträglichen Aufdeckung einer ärztlichen Fehldiagnose von einer besonderen Fallgestaltung auszugehen ist, die in Anlehnung an die Rspr. zur Verdachtskündigung die Gewährung eines Wiedereinstellungsanspruchs fordert. Die Feststellung, der Arbeitnehmer trage grundsätzlich das Risiko einer Fehldiagnose des behandelnden Arztes, wird man jedoch so zu verstehen haben, dass nun auch der 2. Senat die Aufdeckung einer Fehldiagnose, die zur Grundlage der negativen Fehlzeitenprognose geworden war, nicht mehr auf die Kündigungswirksamkeit zurückwirken lassen will. Dem widerspricht es aber, wenn der 2. Senat die gleiche Entscheidung für eine formelhafte Wiedergabe seiner bisherigen Rspr.135 nutzt und weiter ausführt, maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung seien die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Das gelte auch für die bei einer krankheitsbedingten Kündigung anzustellende Gesundheitsprognose. Aus diesem Grund könne ein neuer Kausalverlauf, der nach Zugang der Kündigung eingetreten ist, nicht berücksichtigt werden. Ein neuer Kausalverlauf besage nichts über die objektive Richtigkeit der zum Kündigungszeitpunkt erstellten Prognose.136 135 136 BAG (2 AZR 210/86), AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 18; BAG (2 AZR 118/89), AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 27;BAG (2 AZR 154/90), AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 32. Hervorhebungen des Verf. - 59 - e) Stellungnahme (1) Maßgeblichkeit einer Fehlzeitenprognose aus Arbeitgebersicht anstelle einer künstlich objektivierten negativen Gesundheitsprognose Zunächst ist der Auffassung des LAG Hamm in seinem Urteil vom 24.06.1999137 zu folgen, dass es sich bei der vom Arbeitgeber anzustellenden sog. „negativen Gesundheitsprognose“ um eine Fehlzeitenprognose handelt. Für das Arbeitsverhältnis maßgebend ist allein die Dauer der künftig zu erwartenden Fehlzeiten. Der Gesundheitszustand ist nur ein wichtiger von mehreren Indikatoren für die Fehlzeitenprognose. Der Arbeitgeber ist kein Arzt. Er prognostiziert nicht den zukünftigen Gesundheitszustand, sondern macht allenfalls die hierauf bezogenen ärztlichen Feststellungen über künftige Arbeitsunfähigkeitszeiten zur Grundlage seiner betrieblichen Folgenbetrachtung. Ob der Arbeitgeber mit Auswirkung auf die Kündigungswirksamkeit in vorwerfbarer Weise falsch prognostiziert, ist folglich von der Diagnosestellung des Arztes unabhängig, denn dabei handelt es sich nur um die Grundlage der von ihm anzustellenden Fehlzeitenprognose. Auf diese darf er sich verlassen. Für die Wirksamkeit der Kündigung darf es deshalb nicht darauf ankommen, ob eine stimmige oder eine irrige Diagnose des Arztes vorliegt und zur Grundlage der Fehlzeitenprognose wird. (2) Beachtlichkeitkeit nachträglicher Erkenntnisse – keine Sonderstellung der Fehldiagnosekündigung Der Arbeitgeber prognostiziert künftige Fehlzeiten richtig, wenn er die Sachlage, so wie sie sich zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv darstellt, zutreffend würdigt. Würdigt er hingegen tatsächlich nicht vorliegende Umstände, so muss er sich im Kündigungsschutzrpozess mit der tatsächlichen Sachlage im Kündigungszeitpunkt auch insoweit auseinandersetzen, wie er diese nicht hat 137 LAG Hamm (8 Sa 2071/98), NZA 2000, 320, 320. - 60 erkennen können. Nachgeschoben werden hier lediglich Beweisumstände, die der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch nicht erlangen konnte. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine Besonderheit der vorliegenden Fallgestaltung. Denn dass der Kündigungssachverhalt in allen Einzelheiten erst aus Anlass des Kündigungsschutzprozesses diskutiert und abgewogen wird, entspricht der betrieblichen und gerichtlichen Praxis. Vor Überraschungen sind daher beide Vertragspartner nicht sicher. Die Fehlzeitenprognose stützt sich in aller Regel lediglich Krankheitsgeschichte, Heilungsaussichten auf die wenn die vergangenen Diagnosestellung überhaupt erst Fehlzeiten, durch im den während Arzt und die die Kündigungsschutzprozess thematisiert werden. Obwohl die Fehldiagnosekündigung Ähnlichkeiten mit der Verdachtskündigung aufweist, muss man dennoch differenzieren: Das Nachschieben später gewonnener Erkenntnisse läuft nicht wie bei der Verdachtskündigung auf die Negierung der Kündigungsbefugnis als solcher hinaus. Insoweit ist der u.a. von Walker geäußerten Gegenansicht zuzugeben, dass der Fehlzeitenprognose das subjektive fehlt.138 Die Element Kündigungszeitpunkt krankheitsbedingten abstellende Kündigung der Verdachtskündigung auf die Auffassung ungleich mehr objektive hat für Sachlage daher sich immanente als bei bei zum der der Verdachtskündigung. So kommt auch Walker zu der Schlussfolgerung, der Arbeitgeber müsse anders als bei der Verdachtskündigung das Risiko tragen, dass sich die Prognose aufgrund nachträglich bekannt werdender oder anders gewürdigter Umstände, die zur Zeit der Prognose schon vorlagen, als falsch erweise. Zwar ist das Ergebnis ärztlicher Begutachtung eine objektive Tatsache. Der Arbeitgeber wird diese aber, da sie ihm zunächst regelmäßig nicht bekannt ist, 138 Walker, SAE 1998, 103, 105. - 61 nicht zur Grundlage seiner Fehlzeitenprognose machen. Tut er dies ausnahmsweise doch, so kann er hierauf nicht auch als Maßstab für die gerichtliche Überprüfung vertrauen. Es wäre unbillig, die Unkenntnis beider Vertragsteile über die wirkliche Sachlage als Argument für oder wider die Wirksamkeit der Kündigung gelten zu lassen. Auch im Fall der Fehldiagnose entscheidet nicht der Artzt oder der Zufall über die Wirksamkeit der Kündigung, sondern die Fehlzeitenprognose, die ihrerseits auf objektiven und nicht subjektiven Umständen beruht. Insoweit ist die Sachlage eine andere als bei der Verdachtskündigung. Grund für die Verdachtskündigung ist der verdachtsbedingte Vertrauensfortfall. Dabei handelt es sich um eine subjektive Tatsache aus der Sphäre des Arbeitgebers. Ist das Vertrauen erst einmal entfallen und eine Weiterbeschäftigung unzumutbar geworden, so sind die Voraussetzungen des subjektivierten Kündigungsgrundes „Verdacht“ erfüllt. Die nachträgliche Aufklärung des Tatverdachts im Prozess kann den Vertrauensfortfall weder heilen noch eintreten lassen. Mit den zu erwartenden Fehlzeiten wird dagegen eine objektive Tatsache prognostiziert. Die damit einhergehenden Unsicherheiten belasten beide Parteien. Es spielt dabei letztlich keine entscheidende Rolle, ob – wie meist – ohne die Kenntnis der bis in die Einzelheiten sorgsam ermittelten ärztlichen Diagnosestellung gekündigt wird oder auf der Basis eines (naturgemäß beiderseitigen) Irrtums hierüber. Damit bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass nachträgliche Erkenntnisse über die für die Fehlzeitprognose wichtigen Umstände für die Wirksamkeit der Kündigung beachtlich sind. Die Fehldiagnosekündigung macht dabei keine Ausnahme. - 62 - 3. Nachträgliche Erkenntnisse Verdachtskündigung bei der a) Nachschieben erst im Kündigungsschutzprozess gewonnener Erkenntnisse über die im Kündigungszeitpunkt vorliegenden objektiven Verdachtsmomente – 2. Senat Keineswegs klar ist, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit der Verdachtskündigung maßgebend ist. Zwar will der 2. Senat auch für die Verdachtskündigung auf den Kündigungszeitpunkt abstellen, also gerade keine Ausnahme von seiner ständigen Rechtsprechung machen. Das Nachschieben erst im Prozess gewonnener Erkenntnisse über die zum Kündigungszeitpunkt objektiv bestehenden Verdachtsmomente wird dabei aber in ständiger Rspr. zugelassen.139 Demnach ist die Kündigung nur dann rechtsbeständig, wenn der Verdacht gegen den Arbeitnehmer im Laufe des Kündigungsschutzprozesses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz fortbesteht. Es entscheidet der im Prozess gewonnene Eindruck unter Berücksichtigung der sich zugunsten oder zuungunsten des Arbeitnehmers ergebenden Tatsachen über die Wirksamkeit der Kündigung.140 Dies wird damit begründet, wenn der Verdacht später ausgeräumt oder abgeschwächt werde, habe die Unschuld oder der geringere Verdacht bereits im Zeitpunkt der Kündigung objektiv vorgelegen. Diese Tatsache könne und müsse das Gericht der Tatsacheninstanz berücksichtigen, und zwar auch entlastende Umstände, die der Arbeitnehmer bei der Anhörung nicht erwähnt hat. Soweit der Arbeitnehmer zu seiner Entlastung Tatsachen vortrage, die im Zeitpunkt der Kündigung vorlagen, seien diese unabhängig davon zu 139 140 BAG (2 AZR 118/74), AP Nr 3 zu § 103 BetrVG 1972; BAG (2 AZR 164/94), NZA 1995, 269, 269; BAG (2 AZR 587/94), NZA 1996, 81, 81. BAG, EzA § 626 BGB Nr. 5; BAG, EzA § 103 BetrVG 1971 Nr. 8. - 63 berücksichtigen, ob sie dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannt waren oder bekannt sein konnten.141 Tatsachen oder Kausalverläufe dagegen, die erst nach diesem Zeitpunkt entstanden bzw. in Gang gesetzt worden seien, müssten außer Betracht bleiben.142 Vorgehend zu dieser Entscheidung des 2. Senats vom 14.09.1994143 hatte das LAG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 01.09.1993144 noch angenommen, bei der Verdachtskündigung sei der Entlastungsbeweis des Arbeitnehmers nur hinsichtlich der zum Kündigungszeitpunkt vorliegenden Verdachtsmomente zu erheben. Sich aus dem weiteren Geschehensablauf ergebendem Entlastungsvorbringen sei nicht nachzugehen. Die nachträgliche Reinigung vom Verdacht begründe lediglich einen Wiedereinstellungsanspruch. Das LAG war damit vom Leitsatz 4 der Entscheidung des 2. Senats vom 04.06.1964145 abgewichen. Einem im Kündigungsschutzprozess angebotenen Entlastungsbeweis sei nicht nachzugehen, weil er allenfalls geeignet sei, den Arbeitnehmer vom Vorwurf der behaupteten Tat zu entlasten, nicht aber die zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Verdachtsmomente auszuräumen. Für die Glaubhaftigkeit eines Zeugen komme es ebenfalls allein auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an. Maßgeblich für die Kündigungswirksamkeit sei der Informationsstand des Arbeitgebers im Kündigungszeitpunkt. Die abweichende Ansicht des BAG sei nicht mit dem anerkannten Grundsatz vereinbar, maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit einer Kündigung sei der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. 141 BAG (2 AZR 164/94), NZA 1995, 269, 271 f. 142 BAG (2 AZR 164/94), NZA 1995, 269, 272. 143 BAG (2 AZR 164/94), NZA 1995, 269, 269 ff. 144 145 LAG Frankfurt (2 Sa1274/92), LAGE § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4 = BB 1994, 1150, 1150. BAG (2 AZR 310/63), BAGE 16, 72, 72. - 64 Nachfolgend hat der 2. Senat an seiner Auffassung festgehalten und bekräftigt, die ständige Senatsrechtsprechung146, wonach für die rechtliche Beurteilung der Kündigung der Erkenntnisstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz mit der Konsequenz maßgeblich ist, dass auch nachträgliches Be- und Entlastungsvorbringen hinsichtlich bereits im Kündigungszeitpunkt vorliegender Tatsachen zu berücksichtigen ist, sei keine Besonderheit der Verdachtskündigung. So sei etwa die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung von einer negativen Gesundheitsprognose147 abhängig. Es möge ja sein, dass der kündigende Arbeitgeber nach seinen Erkenntnissen im Kündigungszeitpunkt, etwa aufgrund entsprechender Angaben des Arbeitnehmers, eine solch negative Gesundheitsprognose treffen durfte. Gleichwohl sei der Arbeitnehmer im Prozess nicht gehindert, Tatsachen vorzutragen, die - wenn auch unerkannt - im Kündigungszeitpunkt bereits vorgelegen haben und die Prognose als unberechtigt erscheinen lassen. Die Kündigung wegen einer Straftat möge sich auf eine nach dem Erkenntnisstand im Kündigungszeitpunkt absolut eindeutige Beweislage stützen; nichts schütze den Arbeitgeber davor, dass etwa sein Belastungszeuge während des Prozesses seine Rechtfertigungs- Aussage ändert oder oder dass der Arbeitnehmer Entschuldigungsgrund vorbringt, mit einen dem im Kündigungszeitpunkt nicht gerechnet werden konnte und den der Arbeitgeber nicht zu widerlegen vermag. Umgekehrt möge ein Arbeitnehmer aufgrund des zunächst angegebenen Kündigungsgrundes voll darauf vertrauen dürfen, dieser werde sich im Prozess als unhaltbar herausstellen, und er möge seine Dispositionen danach ausrichten; wenn es dem Arbeitgeber im Verlauf des Prozesses gelänge, einen anderen stichhaltigen Kündigungsgrund nachzuschieben, sei die Klage des Arbeitnehmers abzuweisen. Wie der Arbeitgeber durch das Nachschieben von Tatsachen bei einer Verdachtskündigung den zunächst unzureichenden Verdacht erhärten könne, 146 147 BAG (2 AZR 310/63), BAGE 16, 72, 81 = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG (2 AZR 118/74), BAGE 27, 113, 123 = AP Nr. 3 zu § 103 BetrVG 1972. Das LAG Hamm (8 Sa 2071/98), NZA 2000, 320, 320, gebraucht treffender den Begriff Fehlzeitenprognose. - 65 müsse es auch dem Arbeitnehmer möglich sein, den zunächst berechtigt erscheinenden Verdacht durch Tatsachenvortrag zu entkräften. Unberücksichtigt müssten lediglich solche Tatsachen bleiben, die erst nach der Kündigung entstanden sind, etwa weitere Vorfälle der Art, die den Verdacht begründeten, oder umgekehrt eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers, die erneute Vertrauensstörungen unwahrscheinlich macht.148 Nach dieser Rechtsprechung des 2. Senats ist nur der Arbeitnehmer auf einen Anspruch auf Wiedereinstellung zu verweisen, dem seine Rehabilitation erst gelingt, nachdem der Kündigungsschutzprozess rechtskräftig zu seinen Ungunsten entschieden worden ist. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer wegen der zunächst aussichtslosen Lage davon absieht, einen Prozess zu führen.149 b) Alleinige Maßgeblichkeit der zum Kündigungszeitpunkt dem Arbeitgeber bekannten objektiven Verdachtsmomente Die vom BGH in seiner Entscheidung vom 13.07.1956150 und dem überwiegenden Teil der Lit.151 vertretene Gegenauffassung stellt ebenso wie die vorgestellte Auffassung des LAG Frankfurt darauf ab, ob der Verdacht durch die im Zeitpunkt des Ausspruchs dem Arbeitgeber bekannten Belastungsumstände begründet und hinreichend schwerwiegend war.152 148 BAG (2 AZR 164/94), NZA 1995, 269, 272. 149 MünchKomm BGB – Schwerdtner, § 626 BGB Rn 118. 150 BGH (VI ZR 88/55), AP Nr. 2 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht. 151 152 Belling/Künster, Anm. zu BAG (2 AZR 164/94), AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; Dörner, NZA 1992, 865, 870 f; Busch, MDR 1995, 217, 218; Weber, SAE 1996, 57, 61; Belling, RdA 1996, 223, 237 f; Walker, SAE 1998, 103, 105; Hoß, MDR 1998, 869, 872; Berkowsky, NZA-RR 2001, 449, 455 f; KR - Hillebrecht , § 626 BGB Rn 180; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 1 Rn 266; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 582; Ascheid KSchR, Rn 165; Löwisch KSchG, 7. Aufl. 1997, § 1 Rn 210. Kritisch zur Rspr. des BAG schon Grunsky, ZfA 1977, 170, 171; Moritz, NJW 1978, 402, 404. - 66 Diese Stimmen wenden ein, die Wirksamkeit der Verdachtskündigung dürfe nicht davon abhängen, ob es dem Arbeitgeber im Prozess gelingt, erst später bekannt gewordene belastende Umstände nachzuweisen, oder ob der Arbeitnehmer den Verdacht nachträglich ausräumen oder abschwächen kann. Das vom BAG zugelassene Nachschieben von Belastungs- und Entlastungsgründen sei zwar unbestreitbar praktikabel, gebe aber den zutreffenden Ausgangspunkt der Verdachtskündigung auf, wonach materieller Kündigungsgrund in diesem Sonderfall der vom Arbeitgeber sorgfältig ermittelte und begründete zwingende Verdacht ist, der die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört hat. Folgerichtig sei deshalb nur die Frage entscheidend, ob durch das berechtigte Misstrauen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist. Nach dieser Auffassung muss auch die Kündigung derjenigen Arbeitnehmer gerichtlicher Überprüfung standhalten, bei denen im Verlaufe des Prozesses entlastende Momente hervortreten, die das Vertrauensverhältnis zum Teil wiederherstellen. Das gilt gerade auch dann, wenn damit das Misstrauen des Arbeitgebers in dem Sinne außer Kraft gesetzt wird, dass eine hinreichende Grundlage für die Verdachtskündigung rückblickend nicht mehr gegeben ist. Zwar können nach der ständigen Rechtsprechung des BAG153 Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung bereits vorlagen, unabhängig davon nachgeschoben werden, ob sie dem Kündigenden vor oder nach der Kündigung bekannt geworden sind und ob sie mit den bisher geltend gemachten Gründen in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Dieser Grundsatz wird betriebsverfassungsrechtlich lediglich insoweit eingeschränkt, dass der Arbeitgeber Gründe, die ihm bei der Kündigung bekannt waren, die er aber dem Betriebsrat nicht genannt hat, nicht nachschieben darf, weil sonst der Zweck des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 BetrVG 153 BAG (7 AZR 260/78), AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen (2 b der Gründe); BAG (2 AZR 239/84), AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972 (B I 1 der Gründe); BAG (2 AZR 164/94), NZA 1995, 269, 271. - 67 unterlaufen würde.154 Auf die Verdachtskündigung könne diese Rechtsprechung jedoch nicht übertragen werden, ohne den Kündigungsgrund „Verdacht“ materiellrechtlich zu entwerten. Ausgangspunkt der Verdachtskündigung sei nicht die zum Kündigungszeitpunkt vorliegende Tat, über deren Urheberschaft man später streiten mag, sondern der Verdacht selbst, also die zu diesem Zeitpunkt bekannten verdachtsbegründenden Belastungsumstände. Wolle der Arbeitgeber sich die Möglichkeit des Nachschiebens von Belastungsumständen offen halten, so müsse er eine Tatkündigung aussprechen. Der Arbeitgeber sei folgerichtig dann nicht gehindert, erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt gewordene Verdachtsmomente nachzuschieben, wenn er die Kündigung zusätzlich und eigenständig wegen tatsächlicher Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers ausgesprochen hat.155 Spricht er ausschließlich eine Verdachtskündigung aus, so müsse er sich an den im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Verdachtsmomenten messen lassen, könne aber im umgekehrten Fall bei Auftauchen von entlastenden Umständen auch darauf vertrauen, dass die von ihm ausgesprochene Kündigung aus Gründen der Rechtssicherheit sich als wirksam erweisen werde, wenn die damals bekannten Umstände die Kündigung wegen des verdachtsbdingten Vertrauensfortfalls rechtfertigten. Diese Sichtweise erweitert den Anwendungsbereich für einen möglichen Wiedereinstellungsanspruch zugunsten der Rechtssicherheit im Kündigungszeitpunkt. Stellt sich im Laufe des Kündigungsschutzprozesses die Unschuld des Arbeitnehmers heraus, so bleibt die Kündigung wirksam und es stellt sich lediglich die Wiedereinstellungsfrage.156 154 Dütz ArbR, Rn 361, 403. 155 BAG (2 AZR 587/94), NZA 1996, 81-84. 156 Busch, MDR 1995, 217, 222; MünchKomm BGB – Schwerdtner, § 626 Rn 118; Erman – Küchenhoff, § 620 BGB Rn 73. - 68 - c) Stellungnahme Die Ausnahme, die das BAG für den Fall der Verdachtskündigung macht, ist in sich nicht stimmig. Der Verdachtskündigung wäre ihre Bedeutung als qualitativ eigenständiger abgesprochen.157 Kündigungsgrund Überprüft würde demgemäß eine Tatkündigung, die unwirksam wäre, wenn sich die Tatbegehung durch den Arbeitnehmer nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen ließe.158 Das BAG richtet sich damit gegen die Verdachtskündigung an sich. Die Verdachtskündigung würde auf der Ebene gerichtlicher Prüfung in eine Tatkündigung umdefiniert. Der Arbeitgeber ist nach Auffassung des BAG frei, eine unwirksame Verdachtskündigung auszusprechen, wirksam könnte dagegen nur die Tatkündigung sein. Nur sie hielte gerichtlicher Überprüfung stand. Die Kündigungsbefugnis wegen bloßen Verdachts müsste in der Konsequenz als auflösend bedingt durch den späteren Unschuldsbeweis angesehen werden.159 Das will nicht einleuchten. Der Eigenständigkeit der Kündigungsbefugnis wegen des bloßen Verdachts der Tatbegehung entspricht auch ein eigenständiger gerichtlicher Prüfungsmaßstab. Legt man die zum Kündigungszeitpunkt objektiv bestehenden Verdachtsmomente der Überprüfung zugrunde und nicht allein die bekannten Verdachtsmomente, wie sie sich für den Arbeitgeber nach sorgfältiger Ermittlung im Kündigungszeitpunkt darstellen, so sind Maßstab der Prüfung letztlich objektive Beweisumstände, die in ihrer Gesamtheit den Tat- oder Unschuldsnachweis ermöglichen. Der qualitative Unterschied zwischen Tat- und Verdachtskündigung würde in ein quantitatives Mehr oder Weniger der zu ermittelnden 157 Beweistatsachen umgedeutet. Das wird dem Wesen der So i.E. auch Herschel, BlStSozArbR 1977, 113, 114; Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 754; Belling, RdA 1996, 223, 239; Walker, SAE 1998, 103, 107; Kaiser, ZfA 2000, 205, 210 f. 158 So i.E. auch Walker, SAE 1998, 103, 105. 159 Busch, MDR 1995, 217, 222. - 69 Verdachtskündigung nicht gerecht, das das BAG so beschreibt, es handele sich bei dem Verdacht um einen eigenständigen Kündigungsgrund, der nicht im Vorwurf der begangenen Tat enthalten sei. Maßgeblich muss also der vom Arbeitgeber selbst ermittelte Sachverhalt sein, sein rein subjektiver Wissensstand. Dass er dabei jede zumutbare Sorgfalt walten lassen muss, ist ein Gemeinplatz und Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verdachtskündigung. An darüber hinausgehenden Erkenntnissen, deren Ermittlung im Kündigungszeitpunkt noch nicht möglich oder jedenfalls nicht zumutbar war, muss der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss auch später nicht messen lassen. Wer bei der Sachverhaltsermittlung jede zumutbare Sorgfalt beachtet und die gleichwohl verbliebene Unsicherheit in zulässiger Weise selbst zum Kündigungsgrund macht, braucht sich durch die spätere Sachverhaltsaufklärung nicht eines Besseren belehren zu lassen. Schließlich weisen auch der Gedanke der Rechtssicherheit und der Praktikabilität der Kündigungsbefugnis in diese Richtung. Die Wirksamkeit der Verdachtskündigung darf nicht dem Zufall der nachfolgenden Sachverhaltsaufklärung preisgegeben werden. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass der Kündigungsgrund allein in den zum Zeitpunkt der Kündigung objektiv bestehenden und dem Arbeitgeber nach sorgfältiger Sachverhaltsaufklärung auch bekannten Umständen der Tatbegehung liegt, die für bzw. gegen die Urheberschaft des Arbeitnehmers sprechen und in ihrer Gesamtheit auf den Wegfall des zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens schließen lassen. Daran allein ist die Wirksamkeit der Kündigung zu messen. Der besonderen Härte, dass einem Unschuldigen gekündigt wird, kann nicht durch einem Rückgriff auf die Kündigungswirksamkeit begegnet werden. Der Wiedereinstellungsanspruch ist daher gerade für die Verdachtskündigung ein bedeutsames Korrektiv. Die gegen - 70 die Verdachtskündigung bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken160 können mit Hilfe angepasster Voraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruchs gemildert werden, worauf noch einzugehen sein wird. 160 Schütte, NZA 1991, Beil. 2, 17 ff; Dörner, NZA 1992, 865; Dörner, NZA 1993, 873; Naujok, AuR 1998, 398, 399 ff. - 71 - C. Dogmatische Grundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs I. Entwicklung der Rechtsprechung Grundlegend für universelle – wenn auch vielkritisierte – Begründungsansätze eines Wiedereinstellungsanspruchs ist die Entscheidung des 2. Senats vom 27.02.1997161, die in lockerer Folge eine ganze Reihe unterschiedlicher rechtsdogmatischer Erwägungen anführt (Korrektur einer prognosebedingten einseitigen Risikoverteilung, Schutzzweck des § 1 KSchG, rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitgebers, anspruchsbegründende Wirkung des § 242 BGB, Vertrauensschutz, Recht des Arbeitnehmers aus Art. 12 GG, seinen Arbeitsplatz nicht grundlos zu verlieren), welche die spätere Rechtsprechung mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung aufgreift. Da die einzelnen Fallgruppen des Wiedereinstellungsanspruchs erhebliche Unterschiede aufweisen, wird im Schrifttum bezweifelt, dass nur einer dieser Ansätze die Rechtsgrundlage eines alle Fallkonstellationen umfassenden Anspruchs liefern kann.162 Die Rechtsprechung hat sich bis heute nicht von dem Nebeneinander verschiedener dogmatischer Ansätze verabschiedet. So enthält auch die Entscheidung des 7. Senats vom 28.06.2000163 die unterschiedlichen dogmatischen Erwägungen der Fürsorgepflicht, der praktischen Konkordanz von Berufsfreiheit und Privatautonomie, sowie der notwendigen Korrektur einer prognosebedingten einseitigen Risikoverteilung zulasten des Arbeitnehmers. 161 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1997, 757-760 = BAGE 85, 194-207 = NJW 1997, 2257-2260 = DB 1997, 1414-1416 = MDR 1997, 749 = BB 1997, 1953-1955 = SAE 1998, 98-103. Siehe Zusammenfassung des Tatbestandes oben auf Seite 7. 162 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 304. 163 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1784. - 72 Allen Ansätzen gemein ist die Entwicklung der Anspruchsgrundlage aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, der aufgrund seines Wortsinns und seiner Stellung im Gesetz grundsätzlich das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraussetzt164, weshalb überwiegend die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs nach Ablauf der Kündigungsfrist verneint wird.165 II. Prinzipielle Einwände Wiedereinstellungsanspruch gegen einen Ein Teil der Lit. vertritt die Auffassung, dass Prognoserisiko sei allein vom Arbeitnehmer zu tragen. Eine nachträgliche Korrektur über einen wie auch immer gearteten Wiedereinstellungsanspruch müsse generell ausscheiden166 oder sei allenfalls auf Sonderfälle zu begrenzen, etwa den der Verdachtskündigung167 oder den Fall einer vom Arbeitgeber übernommenen Garantie für den Bestand des Kündigungsgrundes, die über den Ausspruch der Kündigung, im Einzelfall auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinausweisen könne.168 Selbst in der Rspr. wird vereinzelt von einer Aufweichung des Beurteilungszeitpunktes für die Wirksamkeit der Kündigung gesprochen.169 Gegen eine Wiedereinstellungspflicht wird im Wesentlichen eingewandt, dass das Arbeitsverhältnis nur zur Leistungserbringung und Leistungssicherung verpflichte, nicht aber dazu, für die Zukunft beendete Leistungspflichten wieder aufleben zu lassen. Der Arbeitgeber verhalte sich weder widersprüchlich, noch verstoße er gegen Treu und Glauben, wenn er sich trotz Veränderung der 164 vom Stein, RdA 1991, 85, 91. 165 BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 254 f. 166 AR-Blattei SD – Boemke, 220.10 Arbeitsvertrag Arbeitsverhältnis X, Rn 170 ff; Zoellner/Loritz, S. 188. 167 So Kaiser, ZfA 2000, 205, 225. 168 Ricken, NZA 1998, 460, 464. 169 LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 247. - 73 tatsächlichen Umstände auf die Wirksamkeit der Kündigung berufe und sich deswegen weigere, den Arbeitnehmer über den Kündigungstermin hinaus zu beschäftigen.170 Müsse der Arbeitgeber seine Kündigungsentscheidung im Ergebnis immer dann korrigieren, wenn der Kündigungsgrund nachträglich entfallen ist, so widerspreche das der Intention des KSchG. Auf dem Umweg über den Wiedereinstellungsanspruch werde die Kündigung von einem das Arbeitsverhältnis beendenden Gestaltungsrecht zu einem Gestaltungsrecht mit bloß suspendierender Wirkung. Das Arbeitsverhältnis wäre in der Konsequenz für die Zeit suspendiert, innerhalb derer der Kündigungsgrund besteht und endete frühestens mit dem Ablauf der Kündigungsfrist oder aber faktisch nie.171 Auch könnten gekündigte Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess durch Hilfsantrag stets die Frage klären lassen, ob ein bestehender Kündigungsgrund bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortbestanden habe. Dadurch würden betriebsbedingte Entlassungen erschwert und es entstehe ein Zustand bedenklicher Rechtsunsicherheit.172 Im Übrigen wird eingewandt, das KSchG selbst kenne – wie die Sonderregelung des § 21 VI SchwbG indirekt zeige – keinen Wiedereinstellungsanspruch.173 170 vom Stein, RdA 1991, 85, 91 ff; von Bar, AcP 179 (1979), 452, 473. 171 Kaiser, ZfA 2000, 205, 225. 172 Ricken, NZA 1998, 460, 465. 173 Oetker, ZIP 2000, 643, 646. - 74 - III. Ansätze aus dem allgemeinen Vertragsrecht 1. Parallelen zur Neubegründung Vertragsverhältnissen aus Treu und Glauben von Auch außerhalb des Arbeitsrechts gibt es Ansätze für die Neubegründung zuvor durch Kündigung beendeter Vertragsverhältnisse auf der Grundlage von Treu und Glauben. Für die strukturell vergleichbare Eigenbedarfskündigung im Wohnraummietrecht gemäß § 573 I und II Nr. 2 BGB174 (§ 564b I und II Nr. 2 BGB a.F.) ist im Grundsatz anerkannt, dass für deren Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung abzustellen ist. Da das durch den Kündigungsschutz anerkannte Bestandsinteresse des Mieters bis zur Beendigung des Mietvertrages fortbestehe, müsse der Vermieter jedoch den Mieter gemäß § 242 BGB auf einen vor der Beendigung entfallenden Eigenbedarf hinweisen und sich zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit erklären.175 Die Verletzung dieser Pflicht führe zu einer Schadensersatzverpflichtung176, es könne sogar ein Prozessbetrug vorliegen, wenn der Vermieter ein Räumungsurteil deswegen erwirkt, weil er im Prozess den zwischenzeitlichen Wegfall des Eigenbedarfs nicht angezeigt hat177. Der Schutz des Mieters geht sogar soweit, dass ein Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Ende des Räumungsrechtsstreits Berücksichtigung findet.178 Die Eigenbedarfskündigung des Vermieters ist strukturell mit der betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers vergleichbar. Im einen wie im anderen Fall geht es um die sozialen Belange des Mieters bzw. des Arbeitnehmers vor dem Hintergrund der Zwecksetzung des Kündigungsschutzes, der den Mieter bzw. 174 175 Neugefasst durch das Mietrechtsreformgesetz zum 01.09.2001. OLG Karlsruhe (3 Re-Miet 6/81), NJW 1982, 54, 55 f; OLG Zweibrücken, (2 Ss 159/82), NJW 1983, 694, 694; Seier, NJW 1988, 1617, 1622. 176 OLG Karlsruhe (3 Re-Miet 6/81), NJW 1982, 54, 55 f. 177 OLG Zweibrücken, (2 Ss 159/82), NJW 1983, 694, 694. 178 OLG Karlsruhe (11 U 60/92), NJW-RR 1994, 80, 80. - 75 den Arbeitnehmer vor dem ungerechtfertigten Verlust der Wohnung bzw. des Arbeitsplatzes schützen soll. Dass auch insoweit die Rspr. keineswegs klar ist, darauf hat schon Seier179 hingewiesen. Auch Walker180 macht auf Ungenauigkeiten aufmerksam, die unbeantwortet lassen, ob und inwieweit ein Wegfall des Eigenbedarfs auf die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zurückwirkt oder einen Fortsetzungsanspruch bzw. Anspruch auf Neuabschluss begründet.181 Dass „der Vermieter dem Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses“ anbieten muss, und gleichsam „der weggefallene Kündigungsgrund nicht mehr Grundlage der ausgesprochenen Kündigung“ sein kann182, lässt keinen klaren Schluss zu, wie das Problem rechtsdogmatisch zu lösen ist. Nicht anders entschied der BGH zu dem vergleichbaren Tatbestand des § 9 I Nr. 4 BKleingG, dass die Kündigung nicht mehr gerechtfertigt sei, wenn der ursprünglich vorhandene Kündigungsgrund bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entfalle. Halte der Verpächter trotzdem an der Kündigung fest, dann könne dies eine unzulässige Rechtsausübung sein.183 Der generalklauselartige Charakter von § 242 BGB erlaubt zwar Rechtsfortbildungen jeder Art, droht aber die Unterschiede zwischen den einzelnen Fallgruppen zu nivellieren und die Wertungsmaßstäbe zu verdecken, aus denen sich schließlich die Grenzen des Anspruchs ableiten lassen. Bereits ausgeformtes Gesetzes- oder Richterrecht geht als Grundlage einer neuen Rechtsfortbildung jedenfalls vor.184 Dass sich in anderen Rechtsbereichen 179 Seier, NJW 1988, 1617, 1622. 180 Walker, SAE 1998, 103, 104. 181 Für letzteres Seier, NJW 1988, 1617, 1622. 182 OLG Karlsruhe (11 U 60/92), NJW-RR 1994, 80, 80. 183 BGH (V ZR 116/90), BGHZ 113, 290, 295. 184 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 305. - 76 vergleichbare auf die Neubegründung der vertraglichen Hauptpflichten eines Dauerschuldverhältnisses bezogene Pflichten finden lassen, sagt für sich genommen nichts darüber aus, ob § 242 BGB auch in der hier untersuchten Konstellation die Anerkennung eines auf die Neubegründung vertraglicher Hauptpflichten bezogenen Anspruchs ermöglicht, der andernfalls jedenfalls als Ausprägung von § 242 BGB verneint werden müsste, solange er nicht positivrechtlich anerkannt wird. 2. (Nachwirkende) Fürsorgepflicht Interessenwahrungspflicht / a) Begrifflichkeiten vertragsrechtlicher Ansätze Am naheliegendsten erscheint zunächst die Möglichkeit, dass sich ein Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer Kündigung aus der allgemeinen Fürsorgepflicht ableiten lässt, wie dies vom überwiegenden Teil der Rspr.185 und der Lit.186 vertreten wird. Leicht abweichend wird z.T. auch auf den vertragsrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB187 oder auf die durch die Wertungen des KSchG konkretisierte Fürsorgepflicht abgestellt.188 Schließlich wird auch von einer Interessenwahrungspflicht gesprochen, die nicht anders als die Fürsorgepflicht als Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses auch über den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bis zur endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Inhalt fortbestehen soll, auf die 185 186 187 188 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757 = AP Nr.1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; LAG Köln (7 Sa 60/96), RzK I 9a Nr 118; BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 254 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. Soergel BGB – Kraft, § 611 Rn 214 m.w.N.; Herschel, BlStSozArbR 1977, 113, 114; Langer, NZA 1991, Beil. 3, 23, 28; KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 569. Hueck, Anm. zu BGH AP Nr. 2 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Larenz, Anm. zu BAG AP Nr. 3 (1 AZR 29/55) und 4 (2 AZR 345/56) zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Kiel/Koch, Rn 857. Annuß, BB 1998, 1582, 1587. - 77 berechtigten Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, wobei Umfang und Intensität nicht verbindlich feststünden, sondern aus einer Abwägung zwischen den Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu gewinnen seien.189 Die Fürsorgepflicht ist wie die Interessenwahrungspflicht eine aus der vertraglichen Abrede sich ergebende Nebenleistungspflicht, die als Oberbegriff eine Mehrzahl von klagbaren Pflichten beschreibt, für die ein vertragliches Erfüllungsinteresse erkennbar Hauptleistungsprogramms ist, die aber außerhalb stehen.190 Bei der Fürsorge- des oder Interessenwahrungspflicht handelt es sich um ein durch Schrifttum und Rechtsprechung herausgearbeitetes Institut, das als ein Ausdruck der gegenseitigen Treuepflichten aus dem besonderen Näheverhältnis zweier Vertragspartner resultiert. Die aus dem Wesen und den näheren Umständen des jeweiligen Vertragsverhältnisses entstehenden Nebenpflichten erhalten so lediglich ein besonderen Namen, ohne dass hieraus bereits ein Rückschluss auf ihren Inhalt möglich wäre.191 All diese Ansätze sind trotz unterschiedlicher Begrifflichkeiten vertragsrechtlicher Art und teilen damit den Grundgedanken, dass es sich bei der Wiedereinstellungspflicht um eine den Arbeitgeber treffende vertragliche Nebenpflicht handeln soll. b) Begrenzung auf den Ablauf der Kündigungsfrist Eine arbeitgeberseitige Wiedereinstellungspflicht soll demnach als extensive Ausprägung der Fürsorge- bzw. Interessenwahrungspflicht aus dem in Abwicklung befindlichen Arbeitsverhältnis 189 Oetker, ZIP 2000, 643, 646. 190 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 464. 191 Kaiser, ZfA 2000, 205, 220. 192 LAG Hamburg (2 Sa 90/89), DB 1991, 1180, 1180. verstanden werden.192 Der - 78 Arbeitgeber sei gehalten, auf das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes Rücksicht zu nehmen, wenn ihm ohne Beeinträchtigung seiner eigenen Belange eine Wiedereinstellung möglich sei. Was den Inhalt und die Intensität der Fürsorgepflicht im Anschluss an eine wirksame ordentliche Kündigung anbelangt, muss zwischen zwei Zeiträumen unterschieden werden: Einerseits der Zeitraum vom Zugang der Kündigungserklärung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, in welchem das Arbeitsverhältnis noch mit allen Rechten und Pflichten fortbesteht, weshalb man eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers während dieses Zeitraums zwanglos wird bejahen können. Andererseits die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in der es an einer Vertragsbeziehung und damit grundsätzlich auch an vertraglichen Pflichten fehlt. Insoweit kann allenfalls noch eine Nachwirkung der Fürsorgepflicht aus dem beendeten Arbeitsverhältnis angenommen werden.193 Der 7. Senat des BAG hält eine vertragliche Nebenpflicht aus dem noch fortbestehenden Arbeitsverhältnis, also vor Ablauf der Kündigungsfrist, für anspruchsbegründend. Zu den letztlich auf § 242 BGB beruhenden arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gehöre auch die Pflicht, auf die berechtigten Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen.194 In seiner Entscheidung vom 06.08.1997195, der die obergerichtliche Rspr.196 zum Teil gefolgt ist, betont der 7. Senat, dass die Fürsorgepflicht nur bei Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose vor Ablauf der Kündigungsfrist einen Wiedereinstellungsanspruch rechtfertigen könne. Die Fürsorgepflicht überdauere zwar die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, betreffe aber nur das Weiterbestehen bestimmter Nebenpflichten. Sie könne deshalb einen Anspruch 193 Oetker, ZIP 2000, 643, 645. 194 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1784. 195 196 BAG, (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 254, siehe Zusammenfassung des Tatbestandes oben auf Seite 8. LAG Hamm (18 Sa 2523/97), NZA-RR 2000, 134, 134. - 79 auf Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht erklären. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endeten auch die vertraglichen Interessenswahrungspflichten197 bzw. die (nachwirkende) Fürsorgepflicht198 des Arbeitgebers. Nach Beendigung der Vertragsbeziehung bestünden nur noch nachvertragliche Pflichten, die regelmäßig schwächer und allenfalls in besonderen Ausnahmefällen geeignet seien, einen Wiedereinstellungsanspruch zu begründen.199 Nachvertragliche Nebenpflichten sollten lediglich die endgültige Beendigung der Vertragsbeziehungen der Parteien absichern.200 Teilweise anders sehen das Oetker201 und von Bar202, die für eine Beschränkung der Anspruchsentstehung auf den Ablauf der Kündigungsfrist nicht gelten lassen wollen, dass die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist herangezogenen Interessenwahrungspflichten mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihr Ende finden. Vielmehr gelte für das Arbeitsverhältnis wie für alle Schuldverhältnisse, dass dieses Nachwirkungen entfalte und eine Verletzung nachvertraglicher Pflichten zu einer Schadensersatzpflicht führen könne. Andererseits lasse sich aus der Culpa post pactum finitum lediglich ein Schadensersatzanspruch und damit eine Pflicht zur Naturalrestitution ableiten. Sie sei allein auf die Verletzung von Nebenpflichten zugeschnitten.203 Der konstruktive Ansatz über Interessenwahrungspflicht ziele die nachwirkende demgegenüber Fürsorge- bzw. Sinne einer im Nebenleistungspflicht darauf ab, unmittelbar einen Anspruch des Arbeitnehmers 197 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1785. 198 BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 255. 199 BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f = NJW 2001, 3429, 3429 f. 200 MünchKomm – Schwerdtner, Vorb. § 620 BGB Rn 406. 201 Oetker, ZIP 2000, 643, 648 f. 202 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 452 ff. 203 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 467. - 80 auf den Abschluss des Arbeitsvertrages begründen.204 zu Die Interessenwahrungspflicht reiche jedoch nicht aus, um den Arbeitgeber stets zu verpflichten, den Arbeitnehmer wieder einzustellen, auch wenn der Kündigungsgrund nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt. Die nachvertragliche Komponente der Interessenwahrungspflicht sei auf die Abwicklung des Vertragsverhältnisses ausgerichtet.205 Die Wiedereinstellung erstrebe jedoch das Gegenteil.206 Das LAG Hamburg207 will hingegen einen Wiedereinstellungsanspruch auch nach Ablauf der Kündigungsfrist anerkennen und ihn auf eine Nachwirkung der Fürsorgepflicht stützen. Die Annahme einer nachwirkenden Fürsorgepflicht sei aus einer Verbindung der allgemeinen Fürsorgepflicht mit der Lehre der nachvertraglichen Pflichten bei Dauerschuldverhältnissen entstanden. Obwohl solchen Nachwirkungen regelmäßig nur der Charakter einer Nebenpflicht eingeräumt werde, sei in bezug auf den Wiedereinstellungsanspruch eine Ausdehnung vorzunehmen, um der besonderen sozialen Situation im Arbeitsverhältnis Rechnung zu tragen. Eine den Arbeitgeber unangemessen belastende Ausdehnung seiner Fürsorgepflicht gelte es dadurch zu vermeiden, dass im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen sei, ob der Arbeitnehmer schutzbedürftig sei und tatsächlich ein überwiegendes Interesse an der Wiedereinstellung habe und der Arbeitgeber andererseits nicht schon betriebliche Maßnahmen getroffen habe, die eine Weiterbeschäftigung nahezu unmöglich machen. 204 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 473; a.A. A. Hueck, FS Hedemann 1958, S. 131, 144 ff. 205 Larenz BGB SchR I, S. 141 f. 206 207 So auch Langer, NZA 1991, Beil. 3, 23, 26; Boewer, NZA 1999, 1177, 1778 f; Langbucher, ZfA 1999, 299, 305. LAG Hamburg (2 Sa 90/89), DB 1991, 1180, 1180. - 81 - c) Neubegründung vertraglicher Hauptpflichten als Rechtsfolge einer bloßen Nebenpflichtverletzung Auch wenn man indes eine Anspruchsbegründung über die Fürsorge- bzw. Interessenwahrungspflicht auf den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beschränkt, bleibt die Kernfrage bestehen, ob die Fürsorge- bzw. Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers überhaupt eine Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann oder ob sie als vertragliche Nebenpflicht nach Ausspruch der Kündigung nur noch dessen Abwicklung und gerade nicht die Neubegründung von Hauptpflichten ermöglicht. So wendet sich denn auch ein großer Teil der Lit.208 prinzipiell gegen die Herleitung eines Wiedereinstellungsanspruchs aus vertraglichen Nebenpflichten, gleich ob die Kündigungsfrist zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits abgelaufen ist oder nicht. Die Auflösung eines Rechtsverhältnisses durch wirksame Kündigung beseitige grundsätzlich seine Wirkungen. Zwar könnten in gewissem Umfang Nachwirkungen eintreten, dafür müssten jedoch besondere Gründe vorliegen, in erster Linie vertragliche Vereinbarungen. Wollte man Nachwirkungen allein aus der allgemeinen Treue- und Fürsorgepflicht oder aus § 242 BGB herleiten, so gelange man zu uferlosen, nur auf Billigkeitserwägungen gestützten und jede Rechtssicherheit zerstörenden Folgerungen. Überdies könne eine Pflicht zur Wiedereinstellung, also zur Erneuerung des Vertrages, niemals eine bloße Nachwirkung des Vertrages sein, denn die 208 Larenz, Anm. zu BAG (1 AZR 29/55), AP Nr. 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Mohnen, RdA 1957, 405, 407; Moos, RdA 1962, 301, 303; von Bar, AcP 179 (1979) 452, 472 f; Mummenhoff, SAE 1985, 305, 306 f; Eich, SAE 1988, 78, 80; vom Stein, RdA 1991, 85, 90; Ricken, NZA 1998, 460, 462 f; Walker, SAE 1998, 103, 105; Adam, ZTR 1999, 113, 114; Langenbucher, ZfA 1999, 299, 305; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 89; Kaiser, ZfA 2000, 205, 219 ff; Raab, RdA 2000, 147, 149; MünchKomm BGB - Schwerdtner , Vor § 620 Rn 406; Soergel – Teichmann, § 242 BGB Rn 167 f. - 82 Begründung von Hauptpflichten würde bedeuten, dass der Vertrag eben nicht sein Ende gefunden habe.209 Im ungekündigten Dauerschuldverhältnis gehe es den Nebenpflichten nur darum, die Erfüllung der Hauptleistungspflichten zu sichern und andere Rechtsgüter des Vertragspartners zu schützen. Zwar erkenne der Gesetzgeber nach Erlöschen der Hauptleistungspflichten eines Arbeitsverhältnisses das Weiterbestehen von Nebenpflichten an, wenn er in § 2 I Nr. 3 c ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Streitigkeiten aus Nachwirkungen eines Arbeitsverhältnisses begründet. So wird z.B. der Arbeitgeber für verpflichtet gehalten, Auskünfte über den Arbeitnehmer an Personen weiterzugeben, mit denen dieser in Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages steht.210 Es handele sich dabei aber ausschließlich um nachwirkende Nebenpflichten211, die im Anschluss an eine wirksame ordentliche Kündigung eine ungestörte, endgültige Beendigung der vertraglichen Beziehungen der Parteien absichern sollen.212 Ihre Eigenheit bestehe darin, dass sie als endbezogene Pflichten mit Zeitablauf immer schwächer würden bis sie schließlich nachwirkender Nebenpflichten Arbeitsverhältnisses. Bei allen ist ganz aufhörten. auch keine schuldrechtlichen Die Annahme Besonderheit Verträgen des können nachwirkende Pflichten bestehen, aufgrund derer jeder Vertragsteil Sorge dafür zu tragen hat, dass dem Vertragspartner keine Nachteile für die Zeit nach Beendigung des Vertrages erwachsen.213 So sind auch dem Arbeitsverhältnis, das durch die ihm immanente soziale Komponente stärker als andere 209 210 211 212 213 Mohnen, RdA 1957, 405, 407; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 89. AR-Blattei – Krause, 220.2.1 Arbeitsvertrag Arbeitsverhältnisses, Rn 263 m.w.N. – Arbeitsverhältnis II A, Inhalt des Mummenhoff, SAE 1985, 305, 306 f; Ricken, NZA 1998, 460, 462; Langenbucher, ZfA 1999, 299, 305. Moos, RdA 1962, 301, 303; Larenz, Anm. zu BAG (1 AZR 29/55) AP Nr. 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Soergel – Teichmann, § 242 BGB Rn 167 f. Larenz BGB SchuldR I, § 10 II g. - 83 Vertragstypen geprägt ist, nachwirkende Pflichten nicht prinzipiell abzusprechen.214 Im gekündigten Dauerschuldverhältnis handele es sich nicht um Nachwirkungen im eigentlichen Sinne, sondern um die Fortwirkung des vertraglichen Schuldverhältnisses in dem Sinne, dass noch nicht alle Leistungspflichten erfüllt und damit erloschen Nebenpflichten vertrage seien. sich Die aber Endbezogenheit nicht mit der nachvertraglicher Begründung neuer Hauptleistungspflichten.215 Sie könnten somit nicht als Anspruchsgrundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs fungieren.216 § 242 BGB als Grundlage der Fürsorgepflicht sei Ausdruck der Vertragstreue und verpflichte demgemäß die Beteiligten, sich im Hinblick auf das von ihnen gegebene Leistungsversprechen konsequent zu verhalten. Soweit sich hieraus Nebenpflichten ergäben, dienten diese der Sicherung des geschuldeten Leistungserfolges und Vertragspartners beim dem Schutz der Leistungsaustausch. Rechtsgüter Daher des lasse anderen sich ein Wiedereinstellungsanspruch auch nicht als Ausprägung der Pflicht zur Vertragstreue konstruieren. Es könne schwerlich als Konsequenz der vom Arbeitgeber einmal eingegangenen Vertragstreuepflicht angesehen werden, dem Arbeitnehmer trotz wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Neuabschluss eines Vertrages die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Dies gelte erst recht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.217 214 215 216 217 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2240. LAG Köln (12 Sa/ 403/96), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 5; Adam, ZTR 1999, 113, 114; Langenbucher, ZfA 1999, 299, 305; Raab, RdA 2000, 147, 149. vom Stein, RdA 1991, 85, 90; MünchKomm BGB - Schwerdtner , Vor § 620 Rn 406; Larenz, Anm. zu BAG AP Nr. 3 (1 AZR 29/55) und 4 (2 AZR 345/56) zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; von Bar, AcP 179 (1979) 452, 473; Eich, SAE 1988, 78, 80. So LAG Hamburg (2 Sa 90/89), LAGE § 611 Einstellungsanspruch Nr. 2; Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2240. - 84 Dagegen wendet wiederum Hueck218 ein, dass selbst aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen nach §§ 241 II, 311 II, 280 I, 249 I BGB im Einzelfall im Wege des Schadensersatzes vertragliche Hauptpflichten begründet werden können. Dies ist der Fall, wenn ohne das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten nachweisbar der Vertrag wirksam zustande gekommen wäre. In diesen Fällen ist der andere Teil so zu stellen, wie er bei Erfüllung des Vertrages gestanden hätte. So verhält es sich z.B., wenn der eine Vertragspartner in dem anderen schuldhaft einen Irrtum über die Notwendigkeit einer Form hervorgerufen und so den Abschluss eines formnichtigen Vertrages bewirkt hat.219 Der schuldige Teil haftet dann im Wege der Naturalrestitution auf Erfüllung, oder, wenn die Erfüllung unmöglich ist, auf Schadensersatz statt der Leistung, also auf das positive Interesse.220 Hueck will daraus nun umgekehrt den Schluss ziehen: Wenn ein schuldhaftes Verhalten vor Vertragsschluss dazu führen kann, dass der schuldhaft Handelnde im Wege des Schadensersatzes den Vertrag als zustande gekommen gelten lassen muss oder Mängel des Vertrages nicht geltend machen darf, dass er also auf Erfüllung oder Schadensersatz statt der Leistung haftet, so müsse das erst recht bei einem entsprechenden Verhalten einer Partei vor, bei oder auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses möglich sein. Damit lasse sich feststellen, dass die Annahme einer Wiedereinstellungspflicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine begriffliche Unmöglichkeit bedeute und ebenso wenig mit dem Wesen der Vertragsauflösung oder allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts in Widerspruch stehe.221 Monjau222 will die den Arbeitgeber treffende Wiedereinstellungspflicht zudem nur als Nebenpflicht gelten lassen. Ebenso wie die Nachwirkung von 218 Hueck FS Hedemann, 131, 145. 219 Hueck FS Hedemann, 131, 145; von Bahr, AcP 179 (1979), 452, 473 m.w.N. 220 Larenz BGB AT, § 7 II. 221 Hueck FS Hedemann, 131, 144 ff. 222 Monjau, BB 1962, 1439, 1440. - 85 Nebenpflichten aus dem früheren Schuldverhältnis in Verbindung mit § 242 BGB abgeleitet werde, gelte dies auch für die Verpflichtung zur Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses. In Wirklichkeit würden durch die nachwirkende Fürsorgepflicht die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag, nämlich Dienstleistungs- und Lohnzahlungspflicht, nicht von selbst wieder in Kraft gesetzt. Der Arbeitsvertrag entstehe nicht ohne weiteres neu. Vielmehr begründe die nachwirkende Fürsorgepflicht nur den Anspruch auf Neuabschluss wie aus einem Vorvertrag. Es bestehe eine aus dem früheren Vertrag mit Rücksicht auf Treu und Glauben abzuleitende schuldrechtliche Verpflichtung zum Neuabschluss eines Arbeitsvertrages. Wenn man so wolle sei dies nur eine, wenn auch sehr weitreichende, Nebenpflicht aus dem früheren Arbeitsvertrag, der beispielsweise auch als ausdrückliche Nebenverpflichtung gleichzeitig einen Vorvertrag für einen späteren neuen Vertrag enthalten könnte, wie dies etwa für Saison- und Kampagnearbeiter durchaus üblich sei. Gegen eine bloße Nebenpflicht spricht, dass durch die Wiedereinstellung die Wertung des wirksam beendeten Vertragsverhältnisses im einen wie im anderen Falle wieder aufgehoben wird. Eine Pflicht zur Neubegründung der vertraglichen Hauptpflichten will eben diese Hauptpflichten verwirklichen und ist daher keine bloße Nebenpflicht.223 d) Stellungnahme Das Grundproblem bleibt bestehen: Entweder man sieht in der Fürsorge- bzw. Interessenwahrungspflicht im Hinblick auf ein wirksam gekündigtes Arbeitsverhältnis nur eine bloße Abwicklungspflicht, die auf die Beendigung der Vertragsbeziehung gerichtet ist und daher auch nicht als Rechtsgrundlage einer Neubegründung vertraglicher Hauptpflichten taugt, oder man hält die Interessenwahrungspflicht im Einzelfall für ausreichend, die vertraglichen 223 So auch Kort, SAE 2001, 131, 133. - 86 Hauptpflichten neu zu begründen, wenn letztlich der Kündigungsgrund keinen Bestand hat und dem Arbeitgeber eine Wiedereinstellung zumutbar ist. Dann aber will nicht recht einleuchten, warum der so verstandene Schutzzweck ebenso wie die Interessenwahrungspflicht selbst mit der Beendigung der Vertragsbeziehung stets erreicht bzw. obsolet geworden sein soll, beispielsweise wenn nach betriebsbedingter Kündigung der Arbeitsplatz unerwartet erhalten geblieben ist, allein der Arbeitgeber von diesem Umstand Kenntnis hat, der Arbeitnehmer erst nach Ablauf der Kündigungsfrist hiervon erfährt und der Arbeitgeber eine Wiedereinstellung mit Hinweis auf den Ablauf der Kündigungsfrist ablehnt, obwohl der Arbeitsplatz noch frei ist. Um mit Hilfe der Fürsorge- bzw. Interessenwahrungspflicht hier ein sachgerechtes Ergebnis zu erzielen, müsste man sich einerseits über den Charakter der Nebenpflichten im gekündigten Dauerschuldverhältnis als bloße Abwicklungspflichten hinwegsetzen und eine Pflicht zur Neubegründung des Vertrages annehmen, und andererseits ein Erlöschen einer so weitreichenden Pflicht mit dem Ende der Vertragsbeziehung verneinen. Das erscheint allerdings kaum noch begründbar. 3. Verletzung einer allgemeinen Unterstützungs- und Zusammenarbeitspflicht während laufender Kündigungsfrist Für den Fall, dass die kündigungsbegründende Prognose bereits innerhalb laufender Kündigungsfrist Unterstützungs- und widerlegt wird, wird Zusammenarbeitspflicht224 Wiedereinstellungsanspruchs angeführt. Diese auch zur bestehe die allgemeine Erklärung auch eines innerhalb laufender Kündigungsfrist in vollem Umfang fort. Sie beruhe auf der gegenseitigen Treuepflicht, die jedem Schuldverhältnis immanent sei. Zur 224 vom Stein, RdA 1991, 85, 88. - 87 Treuepflicht gehöre die gegenseitige Unterstützung225 und die Verpflichtung, mit dem Vertragspartner zur Verwirklichung des Vertragsziels zusammenzuwirken.226 Gerade im Dauerschuldverhältnis Arbeitsverhältnis seien die Pflichten besonders intensiv.227 Falls der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber wegen veränderter Umstände, die die Kündigung nun nicht mehr rechtfertigen können, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses antrage, sei eine Ablehnung dieses Angebots mit der den Arbeitgeber treffenden Unterstützungsund Zusammenarbeitspflicht nicht zu vereinbaren. Der Arbeitgeber verhalte sich bei einer Ablehnung treuwidrig. Die Unterstützungspflicht verpflichte ihn, daran mitzuwirken, dass der veränderten Situation Rechnung getragen, d.h. dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde. Verletze der Arbeitgeber ohne besonderen Grund diese Unterstützungspflicht, so stehe dem Arbeitnehmer wegen schuldhafter Nebenpflichtverletzung ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB zu, der in Verbindung mit dem Gebot der Naturalrestitution aus § 249 S. 1 BGB zu einem Anspruch auf Einwilligung in die Vertragsfortsetzung führe. Eines Rückgriffs auf die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht bedürfe es somit nicht. Durch die Fortsetzungsvereinbarung werde ein Anschlussarbeitsverhältnis begründet, dass dem Arbeitnehmer die lückenlose Fortsetzung der Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers ohne jeglichen Rechtsverlust ermögliche.228 Diese mittels schuldhafter Nebenpflichtverletzung zu einem Wiedereinstellungsanspruch gelangenden Auffassungen sind aber nichts anderes als Hilfskonstruktionen, die in anderem Gewand mit der Rspr. übereinstimmende Ergebnisse erzielen möchten229, dabei aber die wesentliche Frage, warum nachträgliche Umstände auf den durch die wirksame Kündigung geschaffenen Rechtszustand einwirken sollen und welchen konkreten Inhalt vor 225 Erman – Hanau, § 611 Rn 482; Staudinger BGB – Schmidt, § 242 Rn 755. 226 Weber, RdA 1980, 289, 297 f. 227 MünchKomm BGB – Roth, § 242 Rn 151. 228 vom Stein, RdA 1991, 85, 88. 229 Boewer, NZA 1999, 1121, 1129. - 88 dem Hintergrund des wirksam ausgeübten Gestaltungsrechts eine bloße Nebenpflicht noch haben kann, nicht beantworten. Die Funktion einer solchen allgemeinen „Pflicht zur Unterstützung“ erscheint überdies angesichts der im Arbeitsverhältnis liegenden Interessengegensätze zweifelhaft, was einmal mehr zu beachten ist, wenn durch die Kündigung die Beendigung des Vertrages bereits eingeleitet ist.230 4. Verbot widersprüchlichen Verhaltens - Venire contra factum proprium Schließlich wird auch versucht, die Wiedereinstellung aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens abzuleiten.231 Es handelt sich dabei um eine Ausprägung des Vertrauensschutzgedankens.232 Auch insoweit liefert die Rspr. des 2. Senats die Grundlage.233 Demnach kann die Berufung des Arbeitgebers auf die Kündigung ein widersprüchliches Verhalten darstellen, dass als Rechtsmissbrauch angesehen werden muss.234 Zu Recht kritisiert Oetker, dass die Argumentation des 2. Senats hier nicht konsistent ist, da einerseits das Verhalten des Arbeitgebers als missbräuchlich stigmatisiert wird, andererseits aber Verhaltensanforderungen für den Arbeitgeber begründet werden. Dies erweckt den Eindruck, dass zwei selbstständige Argumentationsstränge ohne Not miteinander verknüpft werden. So erweist sich der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs als überflüssig, wenn es gelingt, die Verhaltenspflichten des 230 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 304 (dort FN 29). 231 Boewer, NZA 1999, 1121, 1128; Sibben, DB 2000, 2023, 2023. 232 Canaris Vertrauenshaftung, S. 287 ff; Soergel – Teichmann, § 242 BGB Rn 312 ff. 233 234 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung (unter B II 2 der Entscheidungsgründe). Ebenso LAG Köln (4 Sa 860/88), DB 1989, 1475, 1475, 1476; Preis, DB 1988, 1387, 1393. - 89 Arbeitgebers zur Rechtsgrundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch zu erheben.235 Voraussetzung für die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens ist, dass der Arbeitgeber in zurechenbarer Weise gegenüber dem Arbeitnehmer einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat236, zu dem er sich dann in Widerspruch setzt. Ein solches Vertrauen könnte nun in der vom Arbeitgeber veranlassten arbeitnehmerseitigen Erwartung Kündigungsschutzgesetz geschützten bestehen, Rechtsgüter die durch „Arbeitsplatz“ das und „Betriebszugehörigkeit“ nur dann zu verlieren, wenn der Zweck der Kündigung Bestand hat.237 Dabei setzt widersprüchliches Verhalten auf der subjektiven Seite weder unredliche Absichten noch ein Verschulden voraus.238 Ein dahingehendes Vertrauen ist jedoch nur schutzwürdig, wenn der Arbeitgeber es auch zurechenbar hervorgerufen hat, indem er zwei sich ausschließende Verhaltensweisen zeigt. Man könnte diesen Selbstwiderspruch darin sehen, dass der Arbeitgeber einerseits seine Prognoseentscheidung der Kündigung zugrunde legt, was für die betriebsbedingte Kündigung zur Konsequenz hat, dass er bereits vor dem Zeitpunkt der betrieblichen Änderung die Kündigung ausspricht, um den sonst fälligen Verzugslohn zu sparen, obwohl doch die innerund außerbetrieblichen Umstände, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen können, allein aus seiner Sphäre stammen und vom Arbeitnehmer folglich auch nicht nachprüfbar sind. Andererseits verweigert er dem Arbeitnehmer seine Wiedereinstellung, wenn sich das allein von ihm zu durchschauende prognoseimmanente Risiko verwirklicht. Damit verweist er den Arbeitnehmer auf die Bestandskraft einer Kündigung, die er nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Verwirklichung einer eigenen Organisationsentscheidung ausgesprochen 235 Oetker, ZIP 2000, 643, 646. 236 BGH (III ZR 32/59), BGHZ 32, 273, 279. 237 Preis, DB 1988, 1387, 1393. 238 Boewer, NZA 1999, 1121, 1128. - 90 hat, obwohl er seine freie unternehmerische Entscheidung mittlerweile aufgegeben hat und der dauerhafte Verlust des Arbeitsplatzes daher sinnlos erscheint. Die Kündigungserklärung eines Arbeitgebers ist aber nichts weiter als die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Diesen schlichten Rechtsakt als Auslöser eines schutzwürdigen Vertrauens beim Arbeitnehmer anzusehen, erscheint zu weitgehend.239 Auch die Berufung des Arbeitgebers auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht rechtsmissbräuchlich, und sie schafft auch keinen Vertrauenstatbestand, denn eine solche Berufung stellt lediglich einen Hinweis auf den rechtmäßig eingetretenen Status Quo dar.240 Eher schon könnte man umgekehrt annehmen, ein Widerspruch läge vor, wenn der Arbeitgeber an der Kündigung nicht festhielte, sie also durch die Annahme eines neuen Vertragsangebotes „zurücknimmt“.241 Der Arbeitgeber hält mit der Ablehnung der Wiedereinstellung konsequent an seiner einmal getroffenen Kündigungsentscheidung fest. Selbst wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Kündigungsgründe nennt, beinhaltet dies nicht die Erklärung, nur bei Bestehenbleiben dieser Gründe das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen. Ansonsten müsste man auch demjenigen Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch wegen widersprüchlichen Verhaltens zubilligen, der noch keinen Kündigungsschutz genießt, sofern nur der Arbeitgeber – überflüssigerweise – bestimmte Gründe für die Kündigung genannt hat und diese später entfallen.242 Dies wird zu Recht von niemandem vertreten. Schließlich müssen auch im Anwendungsbereich des KSchG die Gründe, die die Kündigung sozial rechtfertigen, nur objektiv vorliegen. Würde man auf 239 240 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 474; Preis, DB 1988, 1387, 1393; vom Stein, RdA 1991, 85, 87. Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757; vom Stein, RdA 1991, 85, 91; Zwanziger, BB 1997, 42, 42; Langenbucher, ZfA 1999, 299, 305, 307; Adam, ZTR 1999, 113, 114; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 94 f; Kaiser, ZfA 2000, 205, 222. 241 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 94. 242 Raab, RdA 2000, 147, 151. - 91 erzeugtes Vertrauen abstellen, so gelänge man zu einem auf rein subjektive Erwägungen gestützten Wiedereinstellungsanspruch.243 Wollte man einen anspruchsbegründenden Selbstwiderspruch des Kündigenden darin sehen, dass er trotz Wegfalls des genannten Kündigungsgrundes an der Kündigung festhält, so müsste man schließlich auch den kündigenden Arbeitnehmer gegen seinen Willen auf eine Fortsetzung seiner Tätigkeit in Anspruch nehmen können.244 Das erscheint jedoch fernliegend.245 Die den Arbeitnehmer treffende Treupflicht ist im Hinblick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses wegen der ihm eigenen sozialen Komponente keineswegs ebenso stark ausgeprägt wie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Beide entsprechen einander nicht spiegelbildlich. Sie verfolgen jeweils unterschiedliche Zwecke. Der Arbeitgeber hat die identitätsstiftende und unterhaltssichernde Funktion des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen, dieser die berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers etwa in bezug auf die Geheimhaltung von Betriebsgeheimnissen und die Bewahrung des Kredits der Firma. Außerdem wäre es neu, allein aus dem Gedanken des Venire contra factum proprium einen Anspruch auf den Abschluss eines neuen Vertrages herzuleiten. Dieses Rechtsinstitut ist klassischerweise in den Bereich der rechtsvernichtenden Einwendungen einzuordnen. Aus dem Vertrauen auf das 243 Kort, SAE 2001, 131, 133. 244 Kaiser, ZfA 2000, 205, 224. 245 Anders sieht das Monjau, BB 1962, 1439, 1440 f, der auch einen Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitgebers anerkennen will. So wie der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ableiten lasse, lasse sich umgekehrt ein entsprechender Anspruch des Arbeitgebers aus der komplementären Treuepflicht des Arbeitnehmers ableiten, allerdings nur in besonders gelagterten Ausnahmefällen. Ein solcher soll z.B. vorliegen, wenn eine Haushälterin zur Betreuung einer älteren Person auf Lebenszeit angestellt sei und wegen des zunächst objektiv begründeten Verdachts einer ansteckenden Krankheit wirksam kündige. Stelle sich nachträglich eine Fehldiagnose des behandelnden Arztes heraus, dann könne ein gegen den Arbeitnehmer gerichteter Wiedereinstellungsanspruch – zumal angesichts des herrschenden Arbeitskräftemangels (!) – durchaus anerkannt werden. - 92 Fortbestehen des Vertragsschluss Vertrages würde ebenfalls selbst entstehen, kein Anspruch sondern auf allenfalls den ein Schadensersatzanspruch.246 Zwar kann im Einzelfall ein vom Arbeitgeber veranlasster Vertrauenstatbestand entstehen, der unter dem Gesichtspunkt des Venire contra factum proprium einen Wiedereinstellungsanspruch begründet. Ein Wiedereinstellungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung ist aber nur anzuerkennen, wenn ein besonderer, über den bloßen Ausspruch der Kündigung hinausgehender, dem Arbeitgeber zurechenbarer Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, und eine umfassende Abwägung des beiderseitigen Vertrauens zugunsten des Arbeitnehmers ausfällt.247 Dabei handelt es sich um besonders gelagerte Fälle, die die grundsätzliche Frage nach der dogmatischen Herleitung eines Wiedereinstellungsanspruchs nicht berühren.248 5. Rechtsmissbrauch und Reuerechtsausschluss a) Fehlendes schutzwürdiges Eigeninteresse Der 2. Senats249 vertritt die Auffassung, der Arbeitgeber verhalte sich rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), wenn er bei Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes noch während der Kündigungsfrist den veränderten Umständen nicht Rechnung trage. Er habe dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über dessen Ende hinaus anzubieten bzw. sich mit einem entsprechenden Vertragsangebot des Arbeitnehmers einverstanden zu erklären. Es sei allgemein anerkannt, dass in derartigen Fällen die Anwendung des § 242 BGB ausnahmsweise anspruchsbegründende Wirkung haben könne. 246 Kaiser, ZfA 2000, 205, 222 m.w.N. 247 vom Stein, RdA 1991, 85, 92. 248 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2240. 249 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. - 93 Nach Walker250 soll es sich dabei inhaltlich um einen Fall handeln, in dem die Geschäftsgrundlage für die Kündigung wegfällt. Dient die Geltendmachung eines Rechts nicht den von Gesetz oder Vertrag geschützten Interessen, so ist die Rechtsausübung rechtsmissbräuchlich.251 Ein Rechtsmissbrauch aus dem Gesichtspunkt des fehlenden schutzwürdigen Eigeninteresses ist einem Vertragspartner dann vorzuwerfen, wenn die Ausübung eines Rechtes lediglich einen Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke darstellt.252 Diese Auffassung beruht auf dem allgemeinen Rechtssatz der unzulässigen Rechtsausübung, wonach Treu und Glauben eine allen Rechten, Rechtsstellungen, Rechtslagen, Rechtsinstituten und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung darstellen (sog. Innentheorie).253 Die Geltendmachung eines an sich gegebenen Rechts, die Ausnutzung einer an sich gegebenen Rechtsstellung im Widerspruch zu Treu und Glauben ist Rechtsüberschreitung und damit rechtsmissbräuchlich und unzulässig.254 Die unzulässige Rechtsausübung genießt keinen Rechtsschutz, d.h. von der an sich bestehenden Rechtslage ist zum Nachteil der sich unzulässig verhaltenden Partei und zugunsten der Gegenpartei abzuweichen. Diese Ausführungen machen auch deutlich, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs dogmatisch nicht mit einem Wiedereinstellungsanspruch gleichgesetzt werden kann. Ersterer verhindert nur negativ die Veränderung des bestehenden Zustandes, während der Wiedereinstellungsanspruch auf die zukünftige Rechtslage verändernd einwirkt.255 250 Walker, SAE 1998, 103, 106. 251 Raab, RdA 2000, 147, 150. 252 Larenz BGB AT, § 20 II c, m.w.N. 253 Jauernig - Vollkommer, § 242 Rn 33. 254 OLG München (6 W 2892/90), MDR 1992, 572, 573. 255 Gentges Diss., S. 383. - 94 Gleichwohl wird angeführt, für einen Wiedereinstellungsanspruch im Zusammenhang mit dem Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens spreche vor allem, dass für den Arbeitgeber in diesen Fällen kein schutzwürdiges Eigeninteresse erkennbar sei, es bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu belassen. Nichts spreche gegen die Wiedereinstellung, wenn sich noch während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses der Prognoseirrtum herausstelle und der Arbeitgeber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen habe.256 Der Arbeitgeber müsse sich vielmehr daran festhalten lassen, dass er das Arbeitsverhältnis aus bestimmten Gründen auflösen wollte. Würde man ihm dagegen zugestehen, auch nach Wegfall des eigentlichen Kündigungsgrundes ohne Bindung an das bestehende Arbeitsverhältnis darüber zu entscheiden, ob die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für ihn vorteilhaft sei, käme dies der Einräumung eines Reuerechts nahe. Der Arbeitgeber könne die Weiterbeschäftigung verweigern, weil ihn der gesamte Vertrag reue und er sich gerade deshalb und nicht um des eigentlichen Kündigungsgrundes willen auf die Wirksamkeit der Kündigung berufe.257 Dagegen wird eingewandt, ein Vorwurf hinsichtlich der Verfolgung vertragsfremder oder sonst unlauterer Zwecke sei dem Arbeitgeber nicht zu machen. Ihm sei allenfalls ein Unterlassen vorzuwerfen, wenn er sich weigere, einen neuen Vertrag abzuschließen. Da es also allein um die negative Vertragsfreiheit des Arbeitgebers gehe, sei ihm mit der Ablehnung eines erneuten Vertragsschlusses auch die Erreichung vertragsfremder Ziele unmöglich. Ein Vertrag zwischen ihm und dem Arbeitnehmer bestehe ja gerade nicht mehr. Mit seiner Weigerung, einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen, verfolge der Arbeitgeber kein Ziel, das von der Rechtsordnung in irgendeiner Form als rechtlich oder moralisch verwerflich angesehen werden könnte. Ihm 256 Boewer, NZA 1999, 1121, 1128. 257 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 759. - 95 stehe im Gegenteil sogar das verfassungsmäßige Recht zu, sich das Personal, mit dem er arbeiten wolle, weitgehend frei auszusuchen.258 b) Parallele zum Anfechtungsrecht Der Gedanke eines fehlenden schutzwürdigen Eigeninteresses findet im Anfechtungsrecht seine Entsprechung im Verbot der Ausnutzung einer Anfechtungsmöglichkeit im Sinne eines Reuerechts. Auch insoweit fehlt es an einem schutzwürdigen Eigeninteresse an der Ausnutzung der formal gegebenen Rechtslage. Der 2. Senat beruft sich ausdrücklich auf eine solche Parallele zwischen dem nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes und dem nachträglichen Entgegenkommen des Anfechtungsgegners im Anschluss an die Ausübung des Gestaltungsrechts. Wer ein Anfechtungsrecht nach § 119 BGB geltend macht, soll sich jedenfalls an seinem ursprünglichen Willen festhalten lassen müssen. Der Anfechtungsgegner hat also bei der Irrtumsanfechtung die Möglichkeit, die angefochtene Erklärung so gelten zu lassen, wie der Anfechtende selbst sie verstanden hatte, um damit die Nichtigkeitsfolge abzuwenden.259 In dergleichen Fällen werde es als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn der Anfechtende eine spätere Änderung der Umstände, auf die der Anfechtungsgegner keinen Einfluss hatte, zum Anlass nehmen wollte, es bei der nur nach dem ursprünglichen Sachverhalt gerechtfertigten Rechtsfolge zu belassen, weil ihn nunmehr das ganze Geschäft reue. Dient die Geltendmachung eines Rechts nicht den von Gesetz oder Vertrag geschützten Interessen, so ist die Rechtsausübung missbräuchlich. Der Ausschluss der Anfechtung ist folglich 258 259 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 94. Larenz BGB AT, § 20 II c, m.w.N.; ebenso Schweizerisches Obligationenrecht Art. 25 Abs. 2; zur Berücksichtigung eines nachträglichen Wegfalls des Eigenbedarfs bei der Kündigung eines Mietverhältnisses OLG Karlsruhe, (3 Re-Miet 6/81), NJW 1982, 54, 54 und OLG Karlsruhe (11 U 60/92), NJW-RR 1994, 80, 80; zur Wandlung trotz inzwischen behobenen Sachmangels BGHZ (VIII ZR 316/82) 90, 198, 198 ff. - 96 innerhalb des § 242 BGB ein Anwendungsfall des Verbots der zweckwidrigen Rechtsausübung.260 Der gleiche Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) sei dem Arbeitgeber vorzuwerfen, der trotz des Wegfalls eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes noch während der Kündigungsfrist eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit seinem Arbeitnehmer ablehne, obwohl inzwischen für eine derartige Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein dringendes betriebliches Erfordernis mehr bestehe und ihm deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei.261 Raab262 wendet dagegen ein, es sei wesensmäßig etwas ganz anderes, ob jemand an einer bereits abgegebenen, wenn auch fehlerhaften Willenserklärung festgehalten, oder ob jemand – wie beim Wiedereinstellungsanspruch gezwungen werden solle, eine ganz neue und anders geartete Willenserklärung abzugeben.263 Die Möglichkeit, ein Vertragsangebot abzulehnen, beruhe auf der Vertragabschlussfreiheit als Teil der Privatautonomie. Sofern nicht ausnahmsweise ein Kontrahierungszwang264 bestehe, sei der Arbeitgeber darin frei, ob und mit wem er ein Arbeitsverhältnis eingehe. Kennzeichnend für die Privatautonomie sei, dass die Entscheidung allein von dem subjektiven Willen abhänge, also zweckfrei getroffen werden könne. Daher könne es auch keine zweckwidrige Ausübung des Rechtes geben. Hierbei werden jedoch unterschiedliche Bezugspunkte gewählt. Einerseits – beim Anfechtungsrecht – wird auf die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgestellt. Andererseits – bei der Frage nach einem Wiedereinstellungsanspruch – wird aber 260 Soergel – Teichmann, § 242 BGB Rn 302 ff. 261 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 759. 262 Raab, RdA 2000, 147, 150. 263 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 93. 264 Hierzu näher Busche Privatautonomie, S. 220 ff. die auf Neubegründung der - 97 vertraglichen Hauptpflichten gerichtete Willenserklärung als Ausdruck der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers in den Blickpunkt gerückt. Dies räumt im Ansatz indes auch Raab ein, ohne jedoch für die Frage eines möglichen Rechtsmissbrauchs zwischen der Aufrechterhaltung der Kündigungsfolgen einerseits und der Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses andererseits zu differenzieren.265 Ein stimmiger Vergleich muss daher jeweils an den Vertragsschluss anknüpfen, der die Parteien zusammenbrachte, bevor das Vertragsverhältnis durch Anfechtung bzw. Kündigung, also jeweils durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts, beendet wurde. Der das Gestaltungsrecht ausübende Teil muss sich nun an der Zweckrichtung des Gestaltungsgrundes festhalten lassen. Für das Arbeitsverhältnis würde das bedeuten, den Arbeitgeber auf seine ursprüngliche Willenserklärung zu verweisen, mit der das Arbeitsverhältnis begründet wurde, auch wenn hierzu rechtskonstruktiv die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses erforderlich wird. Aus der anerkannten Rspr. zum Anfechtungsrecht könnte demnach möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke abgeleitet werden, dass das ein Gestaltungsrecht dem Rechtsinhaber nicht um seiner selbst willen zusteht, sondern vielmehr mit dem rechtlich anerkannten Gestaltungsgrund in der Weise verknüpft ist, dass letzterer den Rahmen für die billigenswerte Ausübung des Gestaltungsrechts vorgibt. 265 Raab, RdA 2000, 147, 150 (dort FN 28) räumt ein, allenfalls in bezug auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ließe sich von einer gesetzlich verliehenen Befugnis sprechen (die insoweit also auch zweckwidrig und damit rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden kann), weil die Kündigung durch das KSchG an gesetzliche Voraussetzungen geknüpft ist. Denkbar wäre daher, die Aufrechterhaltung der Kündigung als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Das Bekenntnis des 2. Senats (2 AZR 160/96 – NZA 1997, 757, 758), der Arbeitgeber könne sich ohne den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auf die Wirksamkeit der Kündigung berufen, versteht Raab jedoch als Absage an den Gedanken des Rechtsmissbrauchs bzgl. der Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses, obwohl es sich hier – wie der 2. Senat zutreffend feststellt – um zwei aus grundsätzlichen Erwägungen zu trennende Fragen handelt. - 98 - c) Stellungnahme Es liegt durchaus auf einer Linie, wenn einerseits der Grund für die Anfechtung nachträglich dadurch entfällt, dass der andere Teil die Willenserklärung so gelten lassen will, wie der Erklärende sie (irrig) verstanden hat, und wenn andererseits der Kündigungsgrund nachträglich entfällt und der Kündigungsempfänger die Konsequenzen der Kündigung deshalb für die Zukunft nicht mehr gelten lassen will, worauf sich der Kündigende einlassen müsste. Es fragt sich dann allerdings, ob die Privatautonomie in der Ausprägung der Vertragsabschlussfreiheit nicht einer solchen Lösung entgegensteht. Richtig ist, dass die Begründung eines Vertragsverhältnisses dem Arbeitgeber nicht ohne weiteres aufgezwungen werden kann. Die Entscheidung, ob ein Arbeitsverhältnis begründet wird oder nicht, kann in der Tat zweckfrei getroffen werden, wenn nicht ausnahmsweise ein Kontrahierungszwang eingreift. Ein solcher kann hier aber nur aus der Begrenztheit der Kündigungsbefugnis abgeleitet werden, will man die Parallele zum Reuerechtsausschluss bei der Anfechtung nicht aus den Augen verlieren. Die wirksame Ausübung eines Kündigungsrechts ist stets auch billigenswert und stellt als solche keinen Rechtsmissbrauch dar. Etwas anderes kann für die Aufrechterhaltung der Kündigungswirkung nur gelten, wenn auch hier die Zweckrichtung des Gestaltungsrechts den Rahmen für ein zulässiges Verharren in der erreichten Rechtsposition vorgibt. Gemein ist beiden Fallgestaltungen nämlich, dass der das Gestaltungsrecht ausübende Vertragspartner sein Ziel, die Lösung der vertraglichen Bindung, schon erreicht hat. Ein anderes Ergebnis kann daher nur durch eine Korrektur der erlangten Rechtsposition erreicht werden. Hierfür bedarf es in beiden Fällen einer eigenständigen Begründung, die deutlich macht, warum das Festhalten an der erreichten Rechtslage ausnahmsweise den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründet. - 99 Nicht von der Hand zu weisen ist auch der Einwand, eine Behauptung des Inhalts, man habe es mit der Ausprägung eines allgemeinen Rechtsprinzips zu tun, bedürfe zunächst einer Subsumption unter die abstrakt-generelle Definition des Prinzips. Der Vergleich mit einer anderen Ausprägung desselben Prinzips habe dagegen für sich nur indizielle Bedeutung.266 6. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung – § 826 BGB Wenig überzeugend ist Anspruchsbegründung auch der Vorschlag, heranzuziehen. § Von 826 einer BGB267 zur sittenwidrigen Nichtwiedereinstellung des Arbeitnehmers könnte allenfalls in Extremlagen ausgegangen werden. Voraussetzung wäre mehr als eine bloße Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose, um die es hier geht.268 7. Stellungnahme Die Fürsorgepflicht bzw. Interessenwahrungspflicht und ihre Nachwirkungen können die Neubegründung vertraglicher Hauptpflichten nicht erklären. Nebenpflichten ordnen nicht die Neubegründung von Hauptpflichten an. Das gilt einmal mehr für die Nebenpflichten aus einem bereits wirksam gekündigten und damit in Abwicklung befindlichen Dauerschuldverhältnis. Nichts anderes gilt für die sog. allgemeine Unterstützungs- und Zusammenarbeitspflicht, die sich inhaltlich hiervon nicht unterscheidet. Schließlich überzeugen auch die praktischen Ergebnisse nicht, da vertragsrechtliche Ansätze zu einer generellen Anspruchsbegrenzung auf den Ablauf der Kündigungsfrist zwingen. 266 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 93. 267 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 474; hierzu kritisch auch Busche Privatautonomie, S. 220 f. 268 Boewer, NZA 1999, 1121, 1129. - 100 Auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens liefert keine allgemeine Anspruchsgrundlage, sondern betrifft lediglich Einzelfälle. Die geschilderten zum Teil wenig überzeugenden Versuche, die Anspruchsgrundlage aus den verschiedenen Ausformungen des Prinzips von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB herzuleiten, haben einzelne Stimmen wohl zu recht zu der Überzeugung kommen lassen, dass sich die Suche nach einer Anspruchsgrundlage für den Wiedereinstellungsanspruch aus § 242 BGB letztlich als erfolglos erwiesen habe, weil sich aus den Pflichten des bereits wirksam gekündigten Schuldverhältnisses unter keinem Gesichtspunkt die Begründung eines neuen anderen Schuldverhältnisses erklären lasse.269 IV. Ansätze aus dem Arbeitsrecht im allgemeinen 1. Vertrauensschutz und Sphärengedanke a) Auffassung des 2. Senats Der 2. Senat270 stellt für einen Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung auch auf den Vertrauensschutz des Arbeitnehmers ab, der zu Recht erwarte, dass es nur dann zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme, wenn bei Ablauf der Kündigungsfrist, also dem vorgesehenen Beendigungszeitpunkt, der geltend gemachte betriebsbedingte Kündigungsgrund fortbesteht. Umgekehrt habe der Arbeitgeber, wenn der betriebsbedingte Kündigungsgrund noch während der Kündigungsfrist weggefallen sei, regelmäßig kein schutzwürdiges Interesse daran, es bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu belassen. Das Recht, aufgrund einer im Kündigungszeitpunkt anzustellenden Prognose über die weitere betriebliche Entwicklung Kündigungen auszusprechen, werde ihm nur in seinem eigenen 269 Adam, ZTR 1999, 113, 114. 270 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. - 101 Interesse eingeräumt. Dürfe er beispielsweise nicht erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Betriebsstillegung, sondern schon wegen beabsichtigter Betriebsstillegung so rechtzeitig kündigen, dass er alle Kündigungsfristen einhalten könne, so spare er den sonst fälligen Annahmeverzugslohn. Unter Berücksichtigung des Sphärengedankens verkehre sich diese Interessenlage aber in ihr Gegenteil, wenn sich während des Laufs der Kündigungsfrist herausstellt, dass sich der Arbeitgeber in seiner Prognose geirrt habe, weil ein betriebsbedingter Kündigungsgrund weggefallen ist (z.B. weil ein plötzlich erteilter Großauftrag anstatt der geplanten Betriebsstillegung eine Fortführung des Betriebes ermöglicht). Stammten die inner- bzw. außerbetrieblichen Gründe (Arbeitsmangel, Rationalisierungsmaßnahmen, Betriebsstillegung etc.), die nach der unternehmerischen Prognose zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen sollten, allein aus der Sphäre des Arbeitgebers, so sei nicht einzusehen, warum dieser seinen eigenen Irrtum über das weitere betriebliche Schicksal zu seinen Gunsten ausnutzen und gegen die Arbeitnehmer wenden dürfen sollte. In diesem Fall fehle ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, sich von den betroffenen Arbeitnehmern zu trennen. Unter der Voraussetzung, dass die Kündigungsfristen noch nicht abgelaufen sind, könne er regelmäßig auch keine anderen Dispositionen getroffen haben, die die Interessenabwägung möglicherweise beeinflussen könnten. Erst recht habe der Arbeitgeber kein schutzwertes Interesse, seinen eigenen Irrtum bei der Beurteilung der weiteren betrieblichen Entwicklung entscheiden, ob er für z.B. sich anstatt auszunutzen des zunächst und nunmehr wirksam frei zu gekündigten Arbeitnehmers einen jüngeren Arbeitnehmer zu einem geringen Lohn einstellen oder gar, nachdem er von der Betriebsstillegung Abstand genommen hat, den Betrieb anstatt mit der bisherigen mit einer neuen Belegschaft weiterführen möchte. Ein Arbeitgeber, der ohne schutzwertes Interesse auch nach Wegfall des Kündigungsgrundes auf seiner Kündigung beharrt, handele rechtsmissbräuchlich. b) Differenzierung nach Kündigungsgründen Teilweise wird sogar vertreten, die Kombination aus Vertrauensschutz- und Sphärengedanke erlaube auch nach Ablauf der Kündigungsfrist die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs. Verantwortungsbereich des Für Kündigungsgründe Arbeitgebers schaffe aus dieser dem einen - 102 Vertrauenstatbestand, der mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht automatisch obsolet werde.271 Was den Umfang des Vertrauensschutzes anbelangt empfiehlt sich eine Differenzierung nach den einzelnen Kündigungsgründen deshalb, weil das weitere Schicksal eines Kündigungsgrundes von Umständen abhängt, die nicht in gleicher Weise dem Risikobereich beider Parteien zuzuordnen sind. Je nach Kündigungsgrund trägt der Arbeitgeber eine ganz unterschiedliche Verantwortung für die Haltbarkeit der kündigungsbegründenden Prognose. Er kann daher in ganz unterschiedlichem Maße Vertrauen auf eine mögliche Wiedereinstellung erzeugen. Die Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers und die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber hängen also daran, inwieweit eine Verantwortung oder gar ein Einfluss einer der beiden Vertragsparteien für die Haltbarkeit der kündigungsbegründenden Prognose und die Beständigkeit des Kündigungsgrundes anzunehmen ist. Aus diesem Grund will Preis272 sogar einen Wiedereinstellungsanspruch nur dann anerkennen, wenn die Risikozurechnung für den jeweiligen Kündigungsgrund eindeutig zulasten des Arbeitgebers geht, was namentlich bei der betriebsbedingten und der Verdachtskündigung der Fall sein soll. c) Kritik Bedenklich stimmt zunächst die Formulierung des 2. Senats, der Arbeitgeber nutze seinen eigenen Irrtum aus, indem er ihn gegen den Arbeitnehmer wende. Diese Sichtweise impliziert ein vorwerfbares Verhalten des Arbeitgebers. Wenn sich die weiteren Umstände anders als prognostiziert entwickeln und sich so das der Prognose immanente Risiko verwirklicht, so hat das nichts mit einem Irrtum des Arbeitgebers zu tun.273 Hätte sich der Arbeitgeber zum Prognosezeitpunkt 271 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2240; Hambitzer Diss., S. 136, 137. 272 Preis, Anm. zu LAG (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1. 273 Nägele, BB 1998, 1686, 1688. - 103 geirrt, dann wäre die Prognose falsch und die Kündigung unwirksam. Wie bereits erörtert stellt die Berufung auf die Wirksamkeit der Kündigung auch dann keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn sich die der Kündigung zugrunde liegenden Verhältnisse geändert haben. Gegen den Gedanken des Vertrauensschutzes als Rechtsgrundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs wird angeführt, ein Vertrauenstatbestand könne nicht schon in der angeblichen Selbstbindung des Arbeitgebers und dem angeblichen Vertrauen des Arbeitnehmers auf den Bestand des Kündigungsgrundes gesehen werden. Der Arbeitgeber binde sich hinsichtlich des angegebenen Kündigungsgrundes ja keineswegs freiwillig, sondern erfülle – meist gerade nicht freiwillig – die Vorgaben des KSchG.274 Man könnte sogar umgekehrt das Gebot des Vertrauensschutzes zugunsten des Arbeitgebers heranziehen, der im Grundsatz auf die Beständigkeit der einmal wirksam erklärten Kündigung vertrauen darf.275 Voraussetzung für schutzwürdiges Vertrauen ist zum einen, dass der Arbeitgeber durch ein zurechenbares Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, zum anderen, dass der Arbeitnehmer im Vertrauen auf diesen Tatbestand Dispositionen vorgenommen hat, die sich nunmehr nach Enttäuschung seiner Erwartung für ihn als nachteilig erweisen.276 Es soll also stets eine Vertrauensinvestition erforderlich sein. Nun könnte die Entstehung eines Vertrauenstatbestandes in den Äußerungen gesehen werden, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Kündigung zu deren Begründung anführt. Dann kann ein Vertrauenstatbestand (nur) entstehen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe für die Kündigung nennt. Mache man mit dem Vertrauensschutzargument ernst, 274 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 95. 275 Raab, RdA 2000, 147, 152 f; Kort, SAE 2002, 131, 134. 276 so müsste man einen Canaris Vertrauenshaftung, S. 491 ff; Gentges Diss., S. 385; Soergel – Teichmann, § 242 Rn 316 ff. - 104 Wiedereinstellungsanspruch ablehnen, wenn der Arbeitgeber sich zu den Gründen der Kündigung nicht äußert. Es sei aber nicht einzusehen, warum nur derjenige Arbeitnehmer schutzwürdig sein solle, der von den Gründen der Kündigung Kenntnis hat. Im Übrigen werde der Arbeitnehmer durch das Vertrauen in den Fortbestand der Kündigungsgründe auch nicht zu nachteiligen Dispositionen veranlasst. Der Nachteil sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Kündigung. Dieser Nachteil entstehe dem Arbeitnehmer aber allein deshalb, weil das KSchG hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung den Zeitpunkt den Zugangs für maßgeblich erklärt. Die Entstehung des Nachteils sei also unabhängig davon, wie der Arbeitnehmer sich verhält und ob er auf den Fortbestand des Kündigungsgrundes vertraut und eine Vertauensinvestition vornimmt.277 d) Stellungnahme Über das Vertrauen auf den Kündigungsgrund gelangt man nicht zu einem stimmigen Ergebnis, wenn die Vertrauensinvestition fälschlich auf die Kündigungsentscheidung fixiert wird. Die für den Wiedereinstellungsanspruch maßgebliche Frage ist, ob der Arbeitgeber in der rechtmäßig erlangten Rechtsposition verharren darf oder ob er auf die weitere Entwicklung der Interessenlage und ein mögliches Wiedereinstellungsverlangen reagieren muss. Vertrauenstatbestand sind dann nicht die vom Arbeitgeber genannten Gründe, sondern die Erwartung des Arbeitnehmers, er werde seinen Arbeitsplatz nicht grundlos endgültig verlieren. In der Tat fehlt es dann regelmäßig an einer Vertrauensinvestition, weil der Arbeitnehmer im Hinblick auf den erwarteten dauerhaften Verlust des Arbeitsplatzes keine Dispositionen trifft, die sich nunmehr als nachteilig erweisen und gerade durch die Zuerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs kompensiert werden könnten. 277 Raab, RdA 2000, 147, 151. - 105 - 2. Freie Wahl des Arbeitsplatzes - Art. 12 I GG a) Begründungsmuster der Rspr. Der 2. Senat führt zur Begründung einer Wiedereinstellungspflicht auch das Recht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes an. Es sei fraglich, ob eine Auslegung des geltenden Rechts, die sanktionslos zulasse, dass der Arbeitgeber den betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer nach Wegfall des Kündigungsgrundes innerhalb der Kündigungsfrist nicht wieder einstellt, verfassungsrechtlich unbedenklich und mit dem Recht auf eine freie Wahl des Arbeitsplatzes vereinbar wäre.278 Das letztlich durch Art. 12 I GG geschützte Recht des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz und damit seinen sozialen Besitzstand nicht grundlos zu verlieren, würde in unerträglicher Weise beeinträchtigt, wenn der Arbeitgeber allein im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung bei der Prüfung des Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstellt, nunmehr ohne rechtfertigenden Grund frei über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheiden könnte.279 Dieser Ansatz ist zustimmend von Oetker280 aufgegriffen worden. Schließlich hat sich auch 7. Senat281 neben der Fürsorgepflicht auf Art. 12 I GG berufen. Der Arbeitnehmer habe auch nach Ausspruch einer rechtlich begründeten Kündigung regelmäßig noch ein Interesse daran, seinen Arbeitsplatz nicht mit Ablauf der Kündigungsfrist zu verlieren. Dieses Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes sei durch Art. 12 I GG nicht nur bis zum Ausspruch einer Kündigung, sondern auch noch danach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschützt. Allerdings werde der dem Staat obliegenden Schutzpflicht grundsätzlich durch 278 vgl. BverfG (1 BvR 14/93), RzK I 8 m ee Nr. 36. 279 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. 280 Oetker, ZIP 2000, 643, 646. 281 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1784. das staatliche - 106 Kündigungsschutzrecht hinreichend Rechnung getragen. Der Verlust des Arbeitsplatzes werde daher auch dem Arbeitnehmer regelmäßig von Verfassungs wegen zugemutet, wenn eine Kündigung den Erfordernissen des Kündigungsschutzgesetzes standhalte. Bei der betriebsbedingten Kündigung sei aber eine Ausnahme geboten. Die Vorverlagerung des Prüfungszeitpunktes vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den häufig viele Monate früher liegenden und nicht nur von der Dauer der Kündigungsfrist, sondern auch vom Willensentschluss des Arbeitgebers abhängigen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei zwar sowohl aus methodischen Gründen – die Wirksamkeit einer rechtsgestaltenden Willenserklärung wie der Kündigung müsse zum Zeitpunkt ihres Zugangs feststellbar sein – wie auch aus Gründen der Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Klarheit geboten. Zugleich verlange sie aber nach einem Korrektiv in den Fällen, in denen sich die maßgeblichen Umstände entgegen der Prognose nachträglich ändern. Als geeignetes Korrektiv sieht der 7. Senat die vertragliche Nebenpflicht zum erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrages an. Dabei ergebe sich eine Grundrechtskollision, da nicht nur das durch Art. 12 I GG geschützte Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt am Erhalt seines Arbeitsplatzes zu beachten sei, sondern auch das durch Art. 2 I GG geschützte Interesse des Arbeitgebers, nicht zu einem Vertragsschluss mit einem Arbeitnehmer gezwungen zu werden, den er nicht weiterbeschäftigen wolle. Das sich hiernach stellende Problem der praktischen Konkordanz zweier kollidierender Grundrechtspositionen könne durch eine die konkreten Umstände berücksichtigende Abwägung der beiderseitigen Interessen gelöst werden. Eine Verletzung der aus den Grundrechten erwachsenden Schutzpflicht liege dann vor, wenn der Staat nicht einmal das Mindestmaß an Schutz gewährleiste, das bei der Abwägung mit den kollidierenden Interessen des Gemeinwohls oder anderer Grundrechtsträger zu erwarten sei. Demnach sei Grundlage des Wiedereinstellungsanspruchs eine vertragliche, die Vorgaben des KSchG und der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 12 I GG Rechnung tragende Nebenpflicht. b) Schutzpflichtfunktion und Interessenkollision Dem Wiedereinstellungsanspruch soll nicht entgegenstehen, dass sich die auf zutreffender Grundlage angestellte Prognose ohne ein Verschulden als Fehlprognose herausstellt, denn dies vermöge an der Grundlosigkeit der - 107 Kündigung aus Ex-Post-Sicht nichts zu ändern. Die Kündigung als solche sei ohnehin ihrem Inhalt nach wertfrei.282 Die Widerlegung der Prognose liefere für den Arbeitnehmer keinen ausreichenden Plausibilitätsnachweis dafür, seinen Arbeitsplatz als wirtschaftliche Grundlage seiner Existenzsicherung endgültig zu verlieren, obwohl für ihn nach wie vor eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht.283 Ob Art. 12 I GG als Rechtsgrundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs in Frage kommt, ist indes ein Problem des Untermaßverbots.284 Ist der Gesetzgeber der ihm obliegenden Schutzpflicht durch die positivrechtlichen Regelungen des Kündigungsschutzes bereits ausreichend nachgekommen, so verbietet sich die Ableitung individueller Ansprüche aus Art. 12 I GG. Vertreten wird, aus dieser grundrechtlichen Schutzpflicht lasse sich ableiten, dass das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers zumindest während der Kündigungsfrist zu beachten sei und damit wenigstens gebiete, den Wegfall des Kündigungsgrundes zu berücksichtigen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass sich diese Schutzpflicht Wiedereinstellungsanspruchs nur durch die Anerkennung verwirklichen lasse. eines Ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers sei erst dann durch die grundrechtliche Schutzpflicht zwingend gefordert, wenn andernfalls der vom Grundrecht vorgezeichnete Schutzzweck grundlegend verfehlt würde. Insbesondere in dem Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme dies nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen in Betracht.285 282 BAG (2 AZR 347/88), NZA 1989, 962, 962. 283 Boewer, NZA 1999, 1121, 1123. 284 Dieterich, RdA 1995, 129, 134. 285 Oetker, ZIP 2000, 643, 645; Dieterich, RdA 1995, 129, 134. - 108 Andere Stimmen in der Lit. lehnen Art. 12 I GG als Rechtsgrundlage eines Wiedereinstellungsanspruch generell ab.286 Wenn nach allgemeiner Meinung der Gesetzgeber mit dem Kündigungsschutzgesetz anerkanntermaßen seinen ihm aus der Schutzfunktion der Grundrechte folgenden Obliegenheiten in hinreichendem Maße nachgekommen sei287, so sei für eine weitere Anwendung von Art. 12 I GG kein Raum mehr.288 Zudem lasse sich aus Art. 12 GG eben nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss eines Arbeitsvertrages herleiten. Dem stehe seine Vertragsfreiheit entgegen. Ähnliches habe auch das BVerfG in seiner – sehr umstrittenen – Entscheidung zur Übernahme eines Auszubildenden festgestellt und daher dem Kläger nur wegen der Besonderheiten des Einzelfalles (Verletzung von Art. 5 I GG) einen Übernahmeanspruch zugestanden.289 Außerdem wird darauf geschlechtsbedingten hingewiesen, Diskriminierung dass bei auch im Einstellungen Bereich immer der wieder verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Einstellungsanspruch des wegen seines Geschlechts abgewiesenen Bewerbers geltend gemacht wurden290, weshalb sich der Gesetzgeber in § 611a BGB für einen Entschädigungsanspruch entschieden hat, ja sogar entscheiden musste.291 286 287 Otto FS Kraft (1998), 451, 464; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 91; Kaiser, ZfA 2000, 205, 229; Adam, MDR 2000, 1442, 1443. BVerfG (1 BvR 1341/90), BverfGE 84, 133, 146 f; BVerfG (1 BvR 1341/90) AP Nr. 70 zu Art. 12 GG. 288 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 91; Raab, RdA 2001, 248, 250. 289 BVerfG (1 BvR 126/85), NJW 1992, 2409, 2409 f; dazu Dieterich, NZA 1996, 673, 676. 290 Scholz, SAE 1984, 250, 251. 291 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 91. - 109 - c) Stellungnahme (1) Keine Verletzung des Untermaßverbots Art. 12 I GG schützt zwar den einzelnen Arbeitnehmer auch in seinem Entschluss, den eingenommenen Arbeitsplatz beizubehalten.292 Die Berufswahlfreiheit bedeutet aber weder ein Recht auf die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz.293 In der Situation des entfallenen Kündigungsgrundes kommt Art. 12 I GG zudem - ebenso wie bei der Kündigung - eine Doppelfunktion zu. Einerseits geht es um das geschützte Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes, andererseits um das ebenfalls durch Art. 12 I GG geschützte Interesse des Arbeitgebers, sein Unternehmen nach seinen Vorstellungen mit dem von ihm ausgewählten Personal zu führen.294 Das unternehmerische Interesse kann sich problemlos auf Art. 12 I GG, im Übrigen auch auf Art. 2 I GG als Abwehrrechte gegen staatlichen Zwang stützen. Für den Gesetzgeber stellt sich damit ein Problem praktischer Konkordanz. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.295 Von einer Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann nur in einer Lage gesprochen werden, in der eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, dass in Anbetracht von Bedeutung und Tragweite des Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann.296 Der Bestandsschutz seines Arbeitsverhältnisses hat für den Arbeitnehmer unbestritten eine gewichtige Bedeutung. Der Arbeitsplatz ist wirtschaftliche 292 BVerfG (1 BvR 1341/90), BVerfGE 84, 133, 146 f; BVerfG (1 BvR 1397/93), BVerfGE 92, 140, 150 ff; BVerfG (1 BvL 15/87), EzA § 23 KSchG Nr. 17. 293 BVerfG (1 BvL 15/87), ZIP 1998, 705, 706; Scholz, ZfA 1981, 265, 274 ff. 294 Alp Diss., S. 20 ff, 191. 295 BVerfG (1 BvR 567 und 1044/89), ZIP 1993, 1775, 1780 f. 296 BVerfG (1 BvL 15/87), ZIP 1998, 705, 706. - 110 Existenzgrundlage, von dem Lebenszuschnitt und Wohnumfeld abhängen, ebenso gesellschaftliche Stellung und Selbstwertgefühl. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt dieses ökonomische und soziale Beziehungsgeflecht in Frage.297 Den Bestandsschutz vor unberechtigten Eingriffen zu bewahren, ist aber bereits der Sinn der bestehenden kündigungsschutzrechtlichen Normen. Das Untermaßverbot berücksichtigt den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Das auf staatlichen Schutz gerichtete Bestandsinteresse des Arbeitnehmers wahrt der Gesetzgeber daher hinreichend durch das KSchG und § 626 BGB, weshalb jedenfalls die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 12 I GG keine weitergehenden Ansprüche begründen kann.298 Wer das anders sieht, müsste behaupten, dass ohne einen Wiedereinstellungsanspruch das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum unterschritten wäre. Das ist jedoch nicht begründbar.299 (2) Arbeitsplatzwahlfreiheit der externen Bewerber Neben der ambivalenten Funktion, die Art. 12 I GG für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach einem Wegfall des Kündigungsgrundes hat, ist auch der Kreis der externen Arbeitsplatzbewerber in die Überlegungen mit einzubeziehen. Erreicht der Wiedereinstellungsanspruch ein Mehr an Bestandsschutz und Arbeitsplatzwahlfreiheit für die Beschäftigten, so verringert er in gleicher Weise die Aussicht der einzunehmen.300 externen Bewerber, den Arbeitsplatz ihrer Wahl Wer einen Arbeitsplatz seiner Wahl erlangt und die Voraussetzungen des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes erfüllt, 297 BVerfG (1 BvL 15/87), ZIP 1998, 705, 707. 298 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 473; Kaiser, ZfA 2000, 205, 230. 299 300 Gegen die Heranziehung von Art. 12 GG daher zutreffend Ricken, NZA 1998, 460, 463; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 91; Kaiser, ZfA 2000, 205, 229 ff; Raab, RdA 2001, 248, 250. Reuter, RdA 1973, 345, 353; Schwerdtner, ZfA 1977, 47, 76 f; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 100; Kaiser, ZfA 2000, 205, 230 f. - 111 wird durch den ihm von Gesetzes wegen gewährten Kündigungsschutz gegenüber externen Bewerbern privilegiert. Je weiter die mit dem erreichten Bestandsschutz verknüpfte Rechtsstellung gezogen wird, desto enger ist die Berufswahlfreiheit der Personengruppen schließlich externen Bewerber um beschränkt, dieselben da es Arbeitsplätze beiden geht. Der Wiedereinstellungsanspruch beschränkt den durch Art. 12 I GG grundsätzlich geschützten Nachfragewettbewerb nach Arbeitsplätzen nicht nur zugunsten bestehender, sondern Arbeitsverhältnisse. Eine sogar noch solche zugunsten Ausweitung wirksam des gekündigter durch das KSchG vorgesehenen Bestandsschutzes ist zwar verfassungsrechtlich nicht bedenklich, da sie den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt nicht wesentlich erschwert.301 Nicht überzeugend ist aber eine Heranziehung von Art. 12 I GG zur Erklärung, denn Art. 12 I GG spiegelt eben das Spannungsfeld der verschiedenen beteiligten Interessen wider, ohne für dessen Auflösung ein Präjudiz zu liefern. Dem Grundrecht kann allenfalls entnommen werden, dass sich im Hinblick auf den nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes eine undifferenzierte Lösung verbietet, die den Interessen des einen ungeachtet der Interessen des anderen in seiner Berufsfreiheit Betroffenen den Vorzug gibt. So schwach wie die h.M. den Wiedereinstellungsanspruch durch die Anerkennung zeitlicher und sachlicher Grenzen ausgestaltet hat, stellt er gegenüber einer Verlagerung des Problems in differenzierende den Bereich Lösung dar. der Kündigungswirksamkeit Auf der Suche nach Anspruchsgrundlage hilft Art. 12 I GG indes nicht weiter. 301 Kaiser, ZfA 2000, 205, 231 m.w.N. eine einer solche tragfähigen - 112 - 3. Gleichbehandlungsgrundsatz Schließlich wird auch versucht, aus dem für das Arbeitsrecht bedeutsamen Grundsatz der Gleichbehandlung eine Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers abzuleiten.302 Ein solcher Anspruch kann von vornherein nur Fälle erfassen, bei denen aufgrund einer personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigung mehreren Arbeitnehmern gekündigt worden ist, wenn später vergleichbare Arbeitnehmer wieder eingestellt wurden. Wurde nur einem einzelnen Arbeitnehmer gekündigt, ist eine Gleichbehandlung schon faktisch nicht möglich.303 Die Gleichbehandlung bezieht sich auf Angehörige desselben Betriebes, die durch den Gedanken der Betriebsgemeinschaft innerlich verbunden sind.304 Insoweit wird angeführt, der Arbeitgeber dürfe nicht willkürlich einzelne Arbeitnehmer von der Wiedereinstellung ausnehmen, wenn er seine bisherigen Arbeitnehmer im Wesentlichen wiedereinstellt. Auch in den verbleibenden Fällen der Kündigung mehrerer Arbeitnehmer ergibt sich jedoch sachlich nur ein schmaler möglicher Anwendungsbereich. Nur bei einer kündigungsbegründenden gleichartigen Pflichtverletzung oder betrieblichen Gründen fehlt es nicht an einem kollektiven Bezug, so dass das Problem einer willkürlichen Differenzierung innerhalb der Betriebsgemeinschaft auftaucht, um das es dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geht.305 Dieser Begründungsansatz spräche insoweit für eine Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers bei Wegfall des Kündigungsgrundes 302 BAG (2 AZR 152/54), AP Nr. 3 zu § 242 BGB Gleichbehandlung. 303 vom Stein, RdA 1991, 85, 92. 304 Langer, NZA 1991, Beil. 3, 23, 28 f. 305 Preis, NZA 1997, 1256, 1267. - 113 noch während laufender Kündigungsfrist, wenn der Arbeitgeber willkürlich einzelne Arbeitnehmer wieder einstellt und andere nicht.306 Die Voraussetzung der innerlichen Verbundenheit durch den Gedanken der Betriebsgemeinschaft trifft im Unterschied dazu bei entlassenen Arbeitnehmern nicht mehr zu. Nach Ablauf Gleichbehandlungsgrundsatz nicht der Kündigungsfrist als kann Rechtsgrundlage der eines Wiedereinstellungsanspruchs dienen, denn die Gleichbehandlungspflicht obliegt dem Arbeitgeber nur im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, nicht aber vor Begründung oder nach Beendigung einer derartigen Rechtsbeziehung. Dementsprechend ist der Arbeitgeber weder bei der erstmaligen Einstellung noch bei der Wiedereinstellung Arbeitsverhältnisses zur nach wirksamer Gleichbehandlung Beendigung verpflichtet.307 des Die Einstellungsentscheidung bleibt damit die privatautonome Entscheidung des Arbeitgebers. Auch zur Erklärung einer Wiedereinstellungspflicht des Betriebserwerbers nach einem Betriebsübergang taugt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, da es an einer vertraglichen Beziehung des Arbeitnehmers zum Erwerber fehlt.308 Es bleibt festzustellen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz aufgrund seines engen Anwendungsbereichs Wiedereinstellungsanspruchs als Anspruchsgrundlage ausscheiden muss. eines Der Gleichbehandlungsgrundsatz hilft insbesondere dann nicht weiter, wenn der Arbeitgeber nicht einzelne Arbeitnehmer gleichheitswidrig wieder einstellt, sondern die Wiedereinstellung gekündigter Arbeitnehmer generell ablehnt. 306 Unklar Langenbucher, ZfA 1999, 299, 305, die den Gleichbehandlungsgrundsatz wegen der Voraussetzung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses als dogmatische Grundlage des Wiedereinstellungsanspruchs für generell ungeeignet hält. 307 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2240; vom Stein, RdA 1991, 85, 92. 308 Oetker, ZIP 2000, 643, 650; i.E. auch Langenbucher, ZfA 1999, 299, 305. - 114 - 4. Fazit Auch die aus dem Begründungsansätze Einzelüberlegungen Arbeitsrecht taugen – nicht – als trotz im allgemeinen zum universelle Wiedereinstellungsanspruchs. So sind sowohl der Teil stammenden beachtenswerter Anspruchsgrundlage eines Sphärengedanke und der Rechtsgedanke schutzwürdigen Vertrauens geeignet, die materiellrechtliche Notwendigkeit einer Prognosekorrektur zu verdeutlichen, ohne aber die Qualität einer Anspruchsgrundlage zu gewinnen. Gleiches gilt für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Schließlich ist Art. 12 GG geeignet, den Interessengegensatz zu beschreiben, ohne dabei aber eine Lösung vorzugeben. V. Ansätze aus dem Kündigungsschutzrecht 1. Praktische Konkordanz von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit Meinel/Bauer309 wollen den Wiedereinstellungsanspruch als Frage praktischer Konkordanz zweier gleichrangiger konträrer Rechtsprinzipien ausloten. Durch die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs solle der Interessenkonflikt gelöst werden, der aus dem Widerstreit zweier grundlegender Rechtsprinzipien entstehe, die das Kündigungsschutzrecht beide bestätige, der materiellen Gerechtigkeit in Gestalt des Vertrauensschutzes einerseits und der Rechtssicherheit andererseits. Die Annahme einer Rückwirkung von Umständen, die sich nach Zugang der Kündigungserklärung ergeben haben, auf die Wirksamkeit der Kündigung, würde zwar der materiellen Gerechtigkeit zugunsten des Arbeitnehmers zum Durchbruch verhelfen, der aufgrund der das Arbeitsrecht bestimmenden sozialen Komponente i.d.R. darauf vertrauen dürfe, endgültig nur dann aus dem 309 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 576. - 115 Arbeitsverhältnis ausscheiden zu müssen, wenn der Kündigungsgrund Bestand hat. Jedoch würde das Prinzip der Rechtssicherheit ausgehöhlt, weil die Wirksamkeit der Kündigung dem Zufall der weiteren Entwicklung preisgegeben würde. Nicht anders sei es zu bewerten, wollte man einen unumschränkten Wiedereinstellungsanspruch anerkennen, ohne dabei auch Arbeitgeberinteressen angemessen zu berücksichtigen. Wollte man andererseits nachträglich sich ergebende prognosewidrige Umstände völlig außer Acht lassen, so würde man das Prinzip der Rechtssicherheit, wie es der Normierung eines Gestaltungsrechts durch das KSchG zugrunde liegt, überbewerten und die materielle Gerechtigkeit aus den Augen verlieren. Einen Ausgleich beider Rechtsprinzipien verspreche die eingeschränkte Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs, der den Konflikt im Sinne praktischer Konkordanz der gegeneinander stehenden Rechtsprinzipien lösen könne. 2. Korrektur der prognosebedingten Risikoverteilung oder Prinzip der Rechtssicherheit a) Korrekturbedürftigkeit des Prognoserisikos – Sphärengedanke Der Wiedereinstellungsanspruch wird nach einer auch vom 2. Senat310 vertretenen Ansicht als Kompensation einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Risikoverteilung angesehen.311 Ein solcher Wiedereinstellungsanspruch stelle ein notwendiges Korrektiv dafür dar, dass die Rechtsprechung allein aus Gründen der Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Klarheit bei der Prüfung des 310 311 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 704. So auch LAG Berlin (6 Sa 68/98), ARST 1999, 140, 140. - 116 Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstelle und schon eine Kündigung aufgrund einer Prognoseentscheidung (z.B. "wegen beabsichtigter Betriebsstillegung") zulasse, obwohl der Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem die Arbeitnehmer durch § 1 KSchG geschützt werden sollen, erst mit der Entlassung, also dem Ablauf der Kündigungsfrist eintritt. Das Risiko der Unaufklärbarkeit bei der Verdachtskündigung liege regelmäßig beim Arbeitnehmer. Das Risiko einer Fehlprognose über die weitere betriebliche Entwicklung und die voraussichtlichen Beschäftigungsmöglichkeiten nach Ablauf etwaiger Kündigungsfristen liege aufgrund des Prinzips der freien Unternehmerentscheidung ebenfalls beim Arbeitnehmer.312 Auch das Risiko einer Fehlprognose über künftige Fehlzeiten bei der krankheitsbedingten Kündigung trage stets der Arbeitnehmer, da positive Entwicklungen nach Ausspruch der Kündigung deren Wirksamkeit nicht berühren.313 Somit stelle der Wiedereinstellungsanspruch nach Treu und Glauben eine Korrektur dieser Risikoverteilung für den Fall der Entkräftung der Prognose dar. Damit sei der Wiedereinstellungsanspruch gleichsam die Kehrseite der Anerkennung einer kündigungsbegründenden Prognose des Arbeitgebers.314 Der Wiedereinstellungsanspruch könnte mithin als konsequente Fortsetzung des dem KSchG zugrunde liegenden Prinzips einer materiellen Interessenabwägung erscheinen, welche während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beachten sei und deshalb nicht bereits durch den bloßen Ausspruch einer Kündigung unbeachtlich werde.315 Dagegen wird eingewandt, der Gesetzgeber habe mit dem geltenden Kündigungsrecht eine abschließende gesetzliche Risikoverteilung verbunden, 312 Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 258. 313 BAG (2 AZR 118/89), DB 1990, 431, 431 f. 314 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 755. 315 Annuß, BB 1998, 1582, 1587. - 117 die es rechtfertige, bei nachträglichem Wegfall des Kündigungsgrundes dem Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch zu versagen.316 b) Korrekturbelastetes prognosebedingtes Kündigungsrecht? Prognoseprinzip und Wiedereinstellungsanspruch gehören demnach zusammen. Wo das Prognoseprinzip anerkannt wird, kann dann auch ein Wiedereinstellungsanspruch aus dogmatischer Sicht nicht prinzipiell verneint werden. Z.T. wird dies auf die Formel gebracht, der Arbeitgeber habe den Preis dafür zu zahlen, dass er bereits aufgrund einer im Kündigungszeitpunkt anzustellenden Prognose kündigen dürfe, ohne den Zeitpunkt des tatsächlichen Wegfalls des Arbeitsplatzes abwarten zu müssen und dann mit Lohnansprüchen aus Annahmeverzug belastet zu sein.317 Für die betriebsbedingte Kündigung mag das zutreffen. Für den Bereich der personen- und verhaltensbedingten Kündigung sind daran allerdings Zweifel angebracht, zumal insoweit die kündigungsbegründenden Umstände aus dem Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers stammen und ein weiteres Abwarten für den Arbeitgeber gerade als nicht mehr zumutbar angesehen wird. Zudem ist auch einzuwenden, dass es sich nicht um eine rechtskonstruktive Begründung handelt318, sondern eher um eine Erwägung materieller Gerechtigkeit, die ohne eine dogmatische Einordnung nicht auskommt. Auch wenn man auf das nach heute h.M. anerkannte, dem Kündigungsschutzgesetz immanente Prognoseprinzip319 abstelle, könne daraus keine Begründung für einen gesetzesimmanenten Wiedereinstellungsanspruch gewonnen werden: Wenn man dem Arbeitgeber jedenfalls bei betriebsbedingten Kündigungen das Kündigungsrecht zugestehe, weil seiner Prognose nach eine 316 Ricken, NZA 1998, 460, 463; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 90 f; Kaiser, ZfA 2000, 205, 224. 317 Boewer, NZA 1999, 1121, 1126. 318 Annuß, BB 1998, 1582, 1587. 319 Grundlegend Preis Prinzipien, S. 322 ff. - 118 künftige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer im Betrieb nicht mehr besteht, so folge daraus zwangsläufig eine zu respektierende gesetzliche Risikoverteilung. Gestehe man dem Arbeitgeber aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu, sich auf eine Prognose zu berufen, so bedeute das denknotwendig auch eine Freistellung von dem Risiko, dass sich die Prognose, wie es in ihrer Natur liegt, als falsch herausstellt.320 Die Zubilligung eines Wiedereinstellungsanspruchs wegen nachträglicher Änderung der der Prognose zugrunde liegenden Umstände würde das Prognoseprinzip letztlich konterkarieren und die durch seine prinzipielle Anerkennung gewonnene Rechtssicherheit wieder beseitigen.321 c) Parallele zur Korrektur der prognosebedingten Risikoverteilung beim Aufhebungsvertrag nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage Der 2. Senat zieht Aufhebungsvertrages auch an eine geänderte Parallele zur Verhältnisse. Anpassung Während eines ein Aufhebungsvertrag nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen wäre, bliebe es für den gekündigten Arbeitnehmer bei seiner Entlassung, weil die Rspr. für die soziale Rechtfertigung der Kündigung allein auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstellt. Es würde den Schutzzweck des § 1 KSchG missachten, wollte man allein im Hinblick darauf, dass die Vertragsbeendigung nicht durch einen Aufhebungsvertrag, sondern eine Kündigung, also eine einseitige Willenserklärung erfolgt, dem betroffenen Arbeitnehmer eine solche Anpassung an die veränderten Umstände versagen.322 320 321 322 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 91. Zwanziger, BB 1997, 42, 44; Hergenröder, Anm. zu BAG (2 AZR 140/97), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellung Nr. 3; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 91. BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 759. - 119 Demnach kann für die Prognosekorrektur bei einer Kündigung nichts anderes gelten als für die nachträgliche Korrektur von Aufhebungsverträgen durch das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Der Arbeitnehmer darf nach einem Aufhebungsvertrag, durch den er einverständlich auf seinen Kündigungsschutz verzichtet hat, nicht besser stehen, als nach einer Kündigung. Auch dem Aufhebungsvertrag liegt in den meisten Fällen eine Prognose zugrunde, da hier oft die Vertragsparteien einer notwendigen betriebsbedingten Kündigung zuvorkommen und das Arbeitsverhältnis in Erwartung des baldigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit einverständlich auflösen wollen. Eine Störung der Geschäftsgrundlage begründet sich dann daraus, dass der Arbeitnehmer seinen Willensentschluss auf den baldigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit gestützt hat und den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, dass die Beschäftigungsmöglichkeit wider erwarten fortbesteht. Der Arbeitgeber muss sich redlicherweise auf diese Geschäftsgrundlage einlassen, da sie der gemeinsamen Erwartung entsprach. Dennoch macht es einen Unterschied, ob die Erwartung des Arbeitnehmers bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages sich als falsch herausstellt, oder ob ein einseitiges Rechtsgeschäft des Arbeitgebers die Gestaltungswirkung unabhängig vom Willen des Arbeitnehmers herbeiführt. Im letzteren Fall werden die Vorstellungen des Arbeitnehmers über die arbeitgeberseitigen Gründe für die Kündigung zum Teil schlicht für unerheblich erklärt.323 Der Gedanke des 2. Senats überzeugt insoweit, wie nicht recht einleuchten will, warum die Rechtsposition des Arbeitnehmers im Falle einer vertraglichen Beendigung eine bessere sein soll als im Falle der einseitigen Kündigung. Wer sich seines Kündigungsschutzes freiwillig durch Vertrag begibt, verdient keineswegs mehr Schutz als derjenige, der die arbeitgeberseitige Kündigung 323 Raab, RdA 2000, 147, 150. - 120 abwartet. Das neuerdings auch positivrechtlich anerkannte Institut der Störung der Geschäftsgrundlage ist dabei trotz der systematischen Stellung des § 313 BGB keinesfalls auf Verträge beschränkt; es dient (freilich außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs von § 313 BGB) auch zur Korrektur einseitiger Willenserklärungen. Der Grund für die Aufnahme in den 3. Abschnitt des BGB bestand darin, dass der praktische Anwendungsbereich der Vorschrift vor allem im Vertragsrecht verortet wird. Möglich gewesen wäre allerdings auch eine Einfügung im Anschluss an § 242 BGB, weil der Wegfall der Geschäftsgrundlage einen besonderen Anwendungsfall dieser Bestimmung bildet und nicht nur für Verträge von Bedeutung ist. Mit der ausdrücklichen Aufnahme in das BGB sollten lediglich die zum Rechtsinstitut gewordenen Grundsätze zum Fehlen und zum Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen ihrer erheblichen Bedeutung positiv verankert werden, ohne das Institut inhaltlich zu verändern.324 Der Rechtsgedanke lässt damit prinzipiell auch eine Übertragung auf einseitige Willenserklärungen wie die Kündigung zu. Unklar bleibt auch nach diesem Ansatz, worauf der Wiedereinstellungsanspruch rechtskonstruktiv letztlich beruhen soll. 3. Schutzzweck des Kündigungsschutzgesetzes Oetker325und Preis326 wollen die innere Rechtfertigung des Wiedereinstellungsanspruchs auch aus dem KSchG selbst ableiten. Hieraus lasse sich entnehmen, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz nur unter den dort genannten Voraussetzungen verlieren solle. Da die mit einer ordentlichen Kündigung verbundene Kündigungsfrist dazu führt, dass der Arbeitsplatzverlust nicht mit dem Zugang der Kündigungserklärung deckungsgleich ist, verlange der Zweck der in § 1 II KSchG genannten Rechtfertigungsgründe, dass deren 324 Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040). 325 Oetker, ZIP 2000, 643, 646 f. 326 Preis, DB 1988, 1387, 1393. - 121 Voraussetzungen auch dann noch erfüllt sind, wenn der Arbeitsplatzverlust eintritt. Einer Veränderung der kündigungsbegründenden Umstände bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei deshalb Rechnung zu tragen. Dies bestätigte auch die durch das KSchG konkretisierte grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 12 I GG, der es nicht um den Schutz vor der Kündigung als solcher, sondern um die Absicherung vor dem Verlust des Arbeitsplatzes gehe. Nicht die formale Durchtrennung des Vertragsbandes, sondern der unfreiwillige Arbeitsplatzverlust stehe aus grundrechtlicher Sicht im Vordergrund und gebiete es, den Wegfall des Kündigungsgrundes zumindest bis zum Eintritt des Arbeitsplatzverlustes zu berücksichtigen. Nicolai/Noack327 merken kritisch an, das Kündigungsschutzgesetz bezwecke allein den Schutz des Arbeitnehmers vor einer sachlich nicht gerechtfertigten, einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und keineswegs einen generellen Schutz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Dementsprechend könnte man den Zweck des Kündigungsschutzgesetzes schon dann als erfüllt ansehen, wenn ein Kündigungsgrund i.S.d. § 1 II und III KSchG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv vorliegt. 4. Systemimmanente Rechtsfortbildung Kündigungsschutzgesetzes des Einen weiteren am Schutzzweckzusammenhang des KSchG orientierten Ansatz beschreibt Raab328. Gehe es dem Wiedereinstellungsanspruch darum, im Interesse des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses nachträglichen Änderungen des Kündigungssachverhaltes doch noch zu rechtlicher Relevanz zu verhelfen, so sei der Versuch, hierfür zivilrechtliche, insbesondere vertragsrechtliche Kategorien heranzuziehen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn die Notwendigkeit der Anerkennung 327 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 90. 328 Raab, RdA 2000, 147, 151 ; ihm folgend Kort, SAE 2002, 131, 134. eines - 122 Wiedereinstellungsanspruchs darauf beruhe, dass es nach dem KSchG für die Wirksamkeit der Kündigung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ankommt, nachträgliche Änderungen also nach dem KSchG nicht mehr zur Kenntnis genommen werden, so sei die Ursache demnach im Gesetz selbst zu suchen. Die Lösung lasse sich wiederum nur aus dem KSchG selbst entnehmen, und sei es im Wege der systemgerechten Fortentwicklung des Gesetzes. Es liege eine verdeckte Regelungslücke329 vor, weil der Zweck des Gesetzes, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten, sofern nicht besondere Gründe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, mit den gesetzlichen Instrumenten nicht vollständig erreicht werden könne. Der Wiedereinstellungsanspruch sei in der Lage, diese Lücke zu schließen. Er lasse einerseits die Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Er biete andererseits dem Arbeitgeber die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen sei. Der Wiedereinstellungsanspruch bei nachträglichem Wegfall des Kündigungsgrundes stelle sich demnach als eine systemimmanente Rechtsfortbildung zur Verwirklichung des gesetzlich geschützten Interesses des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dar.330 Ob es sich hier wirklich um eine verdeckte Regelungslücke handelt, die im Wege einer systemimmanenten Rechtsfortbildung geschlossen werden müsste, wird allerdings bezweifelt. Raab selbst macht darauf aufmerksam, dass die richterliche Rechtsfortbildung regelmäßig nur Randkorrekturen ermöglicht. Ihre Anwendung setze die Erforderlichkeit der Vermeidung von Rechtsfolgen voraus, die mit den Grundwertungen der gesetzlichen Regelung schlechthin unvereinbar sind. Lassen sich hingegen aus dem Gesetz keine eindeutigen Wertungen ableiten, sei Zurückhaltung geboten. Dies gelte insbesondere, wenn im 329 Näheres zur verdeckten Regelungslücke Choi Diss., S. 127. 330 Raab, RdA 2000, 147, 152. - 123 Widerstreit zweier Interessen, die beide im Prinzip vom Gesetz geschützt werden, das Gleichgewicht neu justiert werden soll. Den Interessenausgleich neu zu definieren sei in erster Linie Sache des Gesetzgebers.331 Der Richter sollte einem Zustand, den er für sozial ungenügend hält, nicht durch Schaffung neuer Ansprüche abhelfen, wenn für ihren Inhalt und ihre Begrenzung der positivrechtliche Rahmen fehlt. Dem Richterrecht fehle es zudem an einer abstrakt-generellen Verfestigung, so dass der Richter die Stetigkeit seiner Normsetzung unter Berufung auf die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung allein nicht gewährleisten könne.332 Auch Kort333 gibt zu bedenken, es fehle an einem konkreten Nachweis der von Raab behaupteten verdeckten Regelungslücke, hält den Ansatz im Übrigen aber für tragfähig und will den Anspruch daher ebenfalls am ehesten als systemimmanente Rechtsfortbildung des KSchG eingeordnet sehen. 5. Fazit Der Versuch einer Ableitung des Anspruchs im Wege praktischer Konkordanz der widerstreitetenden Interessen ist für sich genommen nicht konkret genug und hat keinen rechtskonstruktiven Charakter. Die Annahme einer systemimmanenten Rechtsfortbildung des KSchG hat die Einsicht für sich, dass das dort verankerte Prognoseprinzip letztlich den Hintergrund für die erörterten materiellen Gerechtigkeitserwägungen bietet. Sieht man den Wiedereinstellungsanspruch als ein Korrektiv für das Prognoseprinzip an, so liegt es nahe, seine Rechtfertigung aus dem KSchG selbst zu entwickeln. So bedarf der Schutzzweck des KSchG einer näheren Betrachtung. Es ist durchaus möglich, die Risikozuweisung durch das Prognoseprinzip nicht als endgültig zu verstehen. Dies ließe Raum für 331 Raab, RdA 2000, 147, 165. 332 In diese Richtung schon Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 388 f. 333 Kort, SAE 2002, 131, 134. - 124 nachträgliche Korrekturen, ohne Überlegungen aus allgemeinen Rechtsquellen zur Ergänzung der speziellen kündigungsschutzrechtlichen Regeln heranzuziehen. VI. Ansätze aus dem Betriebsübergangsrecht vermeintlichen Betriebsstillegungen bei 1. Ausgangspunkt Die Wiedereinstellungsfrage stellt sich auch nach einer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebs(teil)stillegung, wenn der Betrieb(steil) später doch noch veräußert werden konnte. Ein unerwarteter Betriebsübergang kann Ausgangspunkt für Wiedereinstellungsüberlegungen sein, soweit sich die kündigungsbegründende Prognose des Wegfalls von Arbeitsplätzen nicht bestätigt. a) Reichweite des Kündigungsverbots aus § 613a IV 1 BGB § 613a wurde 1972 in das BGB eingefügt334 und schließlich 1980 durch das in Umsetzung der EG-Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14.02.1977335 ergangene EG-Anpassungsgesetz336 um Absatz IV ergänzt. Z. Zt. gilt die Betriebsübergangsrichtlinie in der Neufassung der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.03.2001337. Absatz IV 1 BGB enthält ein eigenständiges Kündigungsverbot i.S.d. §§ 13 III KSchG, 334 335 134 BGB, stellt also nicht bloß einen Unterfall der sozial BGBl. I 1972, 13, 40. RdA 1977, 162, 162 f; geltende Fassung gemäß Richtlinie 98/50/EG, EuGH Slg. 1985, 469, 475 = ZIP 1985, 824. 336 BGBl. I 1980, 1308, 1309. 337 Abl. L 82, von 22.03.2001, S. 16. - 125 ungerechtfertigten Kündigung dar.338 Er zielt auf die Verhinderung von Kündigungen im Vorfeld eines sich abzeichnenden Betriebs(teil)übergangs und ist auch auf solche Arbeitsverhältnisse anwendbar, die (noch) nicht unter das KSchG fallen.339 Das BAG340 geht von der Unwirksamkeit einer Kündigung „wegen des Betriebsübergangs“ nach § 613a IV 1 BGB aus, wenn der Betriebsübergang Beweggrund für die Kündigung war, das Motiv der Kündigung also wesentlich durch den Betriebsinhaberwechsel bedingt war. Eine Kündigung erfolge wegen des Betriebsübergangs, wenn dieser der tragende Grund für die Kündigung gewesen sei, was nicht der Fall sei, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gebe, der aus sich heraus die Kündigung zu rechtfertigen vermöge.341 Wie § 613a IV 2 BGB deutlich macht, steht dieses besondere Kündigungsverbot einer betriebsbedingten Kündigung nicht im Wege, die zwar aus Anlass des Betriebsübergangs erklärt wird, ihre innere Rechtfertigung aber in Umständen findet, die unabhängig vom Betriebsübergang bestehen, die also auch bei fiktiver Fortführung des Betriebs(teils) durch den Veräußerer diesem einen betriebsbedingten Kündigungsgrund nach § 1 KSchG geben würden. Die Funktion des § 613a IV 1 BGB liegt darin, eine Umgehung des durch § 613a I BGB garantierten Bestandsschutzes bei einem Inhaberwechsel zu verhindern.342 Sein Wortlaut stellt zunächst klar, dass der Betriebsübergang als solcher keinesfalls ein betriebsbedingter Kündigungsgrund ist, damit der 338 339 340 BAG (2 AZR 530/83), NZA 1985, 593, 593; Sandmann, SAE 1997, 157, 157; Berscheid, MDR 1998, 1129, 1130; Sandmann, SAE 2000, 295, 297; Fischer, DB 2001, 331, 334; Lipinski, NZA 2002, 75, 76 f. Lipinski, NZA 2002. 75, 76 m.w.N. BAG (2 AZR 127/94), NZA 1997, 148, 149 m.w.N.; BAG (8 AZR 306/97), NZA 1999, 147, 147; So auch: Langenbucher, ZfA 1999, 299, 300 m.w.N.; Lipinski, NZA 2002, 75, 77. 341 Zu anderen Sichtweisen instruktiv Lipinski, NZA 2002, 75, 77 m.w.N. 342 BAG (2 AZR 530/82), AP Nr. 40 zu § 613a BGB; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 2 Rn 36 f. - 126 Erwerber ungekündigte und damit bestandsgeschützte Arbeitsverhältnisse nach § 613a I 1 BGB übernimmt. § 613a BGB wahrt so die Identität von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis unabhängig vom Betriebsinhaberwechsel. b) Verhältnis von § 613a IV 1 BGB und § 1 KSchG Nach dem Vorgesagten erscheint allerdings zweifelhaft, worin die eigenständige Funktion des Kündigungsverbots aus § 613a IV 1 BGB liegen soll, wenn darauf abgestellt wird, ob es unabhängig vom Betriebsübergang einen sachlichen Grund gibt, der aus sich heraus die Kündigung zu rechtfertigen vermag. Der Prüfungsmaßstab, dem die Kündigung im Anwendungsbereich des KSchG unterworfen wird, ist damit die Frage, ob ein dringendes betriebliches Erfordernis die Kündigung im Sinne des § 1 KSchG rechtfertigt oder nicht.343 Dass der Betriebsübergang selbst eine solches Erfordernis nicht darstellt, ist ein Gemeinplatz und bedarf folglich keiner Bestätigung durch § 613a IV 1 BGB.344 Fällt der Arbeitnehmer aber nicht in den Anwendungsbereich des KSchG, weil sein Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate besteht oder weil nicht mehr als fünf Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden (§§ 1 I, 23 I 2 und 3 KSchG), darf der Arbeitgeber also im Prinzip frei von jedem Rechtfertigungszwang kündigen, dann hat § 613a IV 1 BGB die Funktion eines eigenständigen Kündigungsverbots. Eine arbeitgeberseitige Kündigung ist demnach unwirksam, wenn sie der Arbeitgeber subjektiv gerade mit dem objektiv vorliegenden Betriebsübergang begründet, also eine Motivation offenbart, die von § 613a IV 1 BGB nicht toleriert wird. Selbiges gilt, wenn der Arbeitnehmer die Klagefrist des § 4 KSchG verstreichen lässt. Er kann sich danach nur noch mit dem Vortrag an das Arbeitsgericht wenden, der Arbeitgeber habe ihm allein aus Gründen des 343 Kindscher Diss., S. 53 ff und 201. 344 Sandmann, SAE 1997, 157, 158. - 127 Betriebsübergangs gekündigt und verstoße damit gegen § 613a IV 1 BGB (§ 13 III KSchG). § 613a IV BGB kommt mithin eine Funktion als eigenständiges Kündigungsverbot nur insoweit zu, wie die Regelung nicht vom KSchG überlagert wird, und auch dann nur, wenn der Arbeitgeber die sachfremde von § 613a IV 1 BGB missbilligte Motivation offenbart, allein wegen des Betriebsübergangs selbst zu kündigen.345 c) Wirksamkeit der Kündigung und unerwarteter Betriebsübergang Das Kündigungsverbot hilft allerdings dann nicht weiter, wenn sich an die wirksame Kündigung beabsichtigter aus betrieblichen Betriebsstillegung) Gründen unvorhersehbar (insbesondere ein wegen Betriebsübergang anschließt und Arbeitsplätze deshalb prognosewidrig erhalten bleiben. Der Kündigungsgrund entfällt nachträglich, sobald ein nachfolgender unerwarteter Betriebsübergang feststeht und in diesem Sinne „greifbare Formen“ angenommen hat. Bloße Zweifel über die Durchführung der Betriebs(teil)stillgegung reichen nicht aus. In der Lit. wird diesbezüglich schon seit langem das Bestehen eines Wiedereinstellungsanspruchs diskutiert.346 Der Anspruch auf Wiedereinstellung soll in dem Zeitpunkt entstehen, in dem sich die Umstände so ändern, dass eine betriebsbedingte Kündigung wirksam nicht mehr hätte erklärt werden können. 345 Sandmann, SAE 1997, 157, 158 f. 346 Willemsen, ZIP 1986, 477, 484; Loritz, RdA 1987, 65, 71. - 128 - 2. Richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB – 8. Senat Der für Fragen des Betriebsübergangs hauptsächlich zuständige 8. Senat sieht im Betriebsübergang aufgrund der europarechtlichen Vorgaben und des sie umsetzenden § 613a BGB eine besondere Fallgestaltung. Er hat sich insoweit auf eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB berufen. In seiner Entscheidung vom 13.11.1997347 stand der 8. Senat vor dem besonderen Problem, einen Wiedereinstellungsanspruch in einem Sonderfall des Betriebsübergangs im Sinne der Rspr. des EuGH348 zu begründen, der sich der 8. Senat bereits durch Urteil vom 22.05.1997349 angeschlossen hatte. Der EuGH sieht in einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine übernahmefähige wirtschaftliche Einheit im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG350. Demnach liegt ein Betriebsübergang auch dann vor, wenn in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt (z.B. Reinigungs-, Bewachungs-, Betreuungsaufgaben), ein anderer Arbeitgeber sich zur Übernahme eines nach Anzahl und Sachkunde dauerhaft verbundenen wesentlichen Teils der Hauptbelegschaft bzw. einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern des bisherigen Arbeitgebers entschließt.351 Dies geschieht typischerweise im Anschluss an eine rechtsgeschäftliche Neuvergabe eines Dienstleistungsauftrags (Funktionsnachfolge) an einen Wettbewerber des bisherigen Arbeitgebers. Übernimmt der Auftragsnachfolger die zur Abwicklung 347 348 BAG (8 AZR 295/95), AP Nr. 169 zu § 613 a BGB = NZA 1998, 251, 253. EuGH von 11.03.97 – Es. C-13/95, Slg. 1997, I-1259 (Ayse Süzen / Zehnacker Gebäudereinigung) = NZA 1997, 433 ff = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie 77/187 = NJW 1997, 2039 ff = EuZW 1997, 244 ff = DB 1997, 628 ff. 349 BAG (8 AZR 101/96), NZA 1997, 1050, 1050 = ZIP 1997, 1555, 1555. 350 Vormals Richtlinie 77/187/EWG i.d.F. der Richtlinie 98/50/EG. 351 Näher hierzu Annuß, NZA 1998, 70, 71 ff. - 129 des Auftrags bisher eingesetzten Arbeitnehmer, so löst er die Rechtsfolgen des § 613a BGB aus. Nach dieser Rspr. soll ein Anspruch auf Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen unter Wahrung des sozialen Besitzstandes aus dem spezifischen Schutzzweck des § 613a I, IV BGB folgen, der insoweit richtlinienkonform auszulegen sei. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse tritt in diesen Fällen ipso iure ein und ist nicht von einer Willensentschließung des Betriebsübernehmers abhängig. Während die vom bisherigen Arbeitgeber nicht gekündigten Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes auf den Betriebsübernehmer übergehen, haben die gekündigten Arbeitnehmer demnach einen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unveränderten Arbeitsbedingungen und unter Wahrung ihres Besitzstandes. Dieser soll auch den bereits entlassenen Arbeitnehmern zustehen, um ein den europarechtlichen Vorgaben sicherzustellen.352 So will genügendes der 8. Senat Maß an vermeiden, Bestandsschutz dass sich der Funktionsnachfolger allzu leicht aus der ihm nach § 613a BGB erwachsenden Pflichtenstellung befreit, indem er mit dem Abschluss neuer Arbeitsverträge mit der bisherigen Arbeitsverhältnisse Belegschaft zuwartet. einfach Es bis gehört zur im Beendigung Übrigen zum der alten typischen Erscheinungsbild eines Betriebsübergangs durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft, dass der Schwellenwert der einzustellenden Arbeitnehmer (also der „wesentliche Teil“ bzw. eine „organisierte Gesamtheit“) zu einem Zeitpunkt überschritten wird, in dem bereits alle Kündigungsfristen abgelaufen sind. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass der 8. Senat gerade an dieser Fallgruppe eine Erstreckung des Wiedereinstellungsanspruchs auf die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist verdeutlicht hat.353 352 353 BAG (8 AZR 295/95), AP Nr. 169 zu § 613 a BGB = NZA 1998, 251, 251; BAG (8 AZR 729/96), AP Nr. 172 zu § 613 a BGB; BAG (8 AZR 265/97), AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1999, 311, 311 = EzA Nr. 171 zu § 613a BGB. Krause, ZfA 2001, 67, 100. - 130 - 3. Schrifttum Die Lit. ist der Herleitung des Wiedereinstellungsanspruchs aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 613a I 1 BGB teilweise beigetreten354 oder erreicht das gleiche Ergebnis über eine teleologische Extension des § 613a I BGB ohne Zuhilfenahme des Schutzzwecks der Betriebsübergangsrichtlinie355. Daneben werden weitere Ansätze vertreten. a) Fürsorge- / Interessenwahrungspflicht Oetker356 stellt auf die Fürsorge- bzw. Interessenwahrungspflicht aus dem wirksam gekündigten Arbeitsverhältnis ab, mit der Konsequenz, dass der Wiedereinstellungsanspruch in der Konstellation des Betriebs(teil)übergangs keiner eigenständigen dogmatischen Begründung bedarf, sofern der Betriebsübergang noch vor Ablauf der Kündigungsfrist vollzogen wird. Der Erbwerber tritt gemäß § 613a I 1 BGB in alle zum Veräußerer bestehenden Arbeitsverhältnisse ein, also auch in diejenigen, die vor dem Betriebsübergang (aufgrund geplanter Betriebsstillegung) bereits wirksam gekündigt wurden, deren Kündigungsfrist aber erst nach Übergang des Betriebs(teils) abläuft.357 Der gesetzlich angeordnete Vertragspartnerwechsel358 bewirkt, dass der neue Betriebsinhaber Schuldner aller Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis wird, auch hinsichtlich solcher, die vor dem Übergang entstanden sind.359 Da der Erwerber ohne Einschränkungen an die Stelle des bisherigen Arbeitgebers tritt, richten sich gegen ihn auch die gegenüber dem Betriebsveräußerer entstandenen Interessenwahrungspflichten. Hält man diese Pflichten für 354 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 103; Meyer, BB 2000, 1032, 1033. 355 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 317. 356 Oetker, ZIP 2000, 643, 647; Oetker, DZWIR 2000, 461, 461. 357 BAG (5 AZR 800/76), AP Nr. 11 zu § 613a BGB; ErfK – Preis, § 613a Rn 41. 358 359 BAG (10 AZR 937/93), NZA 1995, 742, 742 f, und Müller-Glöge, NZA 1999, 449, 456, sprechen abweichend von einer gesetzlich geregelten Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem gesetzlichen Übergang auf den neuen Betriebsinhaber. ErfK – Preis, § 620 Rn 45; Oetker, ZIP 2000, 643, 647. - 131 anspruchsbegründend, dann muss der Erwerber den gekündigten, aber noch nicht entlassenen Arbeitnehmer, der seine Wiedereinstellung verlangt, in ein neues Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des alten übernehmen. Da keine Unterbrechung eintritt, handelt es sich beim Wiedereinstellungsanspruch um einen sog. Fortsetzungsanspruch. Eines eigenständig auf § 613a I und IV BGB gestützten Fortsetzungsanspruchs bedarf es dann nicht. Dieser – hier für den Regelfall bereits abgelehnte – Ansatz lässt allerdings einen Wiedereinstellungsanspruch für die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits entlassenen Arbeitnehmer nicht entstehen. Die nachvertragliche Interessenwahrungspflicht besteht ja lediglich gegenüber dem Veräußerer als bisherigen Vertragspartner. Sie kann auch nach Beendigung der Vertragsbeziehung mangels Fortbestehens nicht mehr auf den Erwerber übergehen. b) Venire contra factum proprium Der Grundsatz des Venire contra factum proprium kann insoweit nicht herangezogen werden, da sich der Erwerber nicht widersprüchlich verhält, wenn er eine Wiedereinstellung ablehnt. Er muss sich an dem Makel des Wegfalls des betriebsbedingten Kündigungsgrundes nicht festhalten lassen, da er nicht gekündigt, vielmehr ein bereits gekündigtes Arbeitsverhältnis übernommen hat. Damit hat er nur die eine von zwei möglicherweise entgegengesetzten Verhaltensweisen gezeigt. In einem solchen Verhalten liegt kein Widerspruch.360 360 Wenig überzeugend ist dagegen die von Langenbucher, ZfA 1999, 299, 308, gegebene Begründung, der Arbeitgeber verhalte sich nicht widersprüchlich, denn in seinem Betrieb falle der Arbeitsplatz ja nach wie vor weg. Anspruchsgegner ist der Betriebserwerber, für den Veräußerer handelt es sich um einen Fall der Unmöglichkeit. - 132 - c) Richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB Nicolai/Noack361 bemühen im Anschluss an den 8. Senat eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass für eine Eingrenzung dieses Ansatzes auf die Fälle der Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft, wie vom 8. Senat vertreten, keine Notwendigkeit besteht.362 Das von der Betriebsübergangsrichtlinie363 verfolgte Konzept der Erhaltung von Arbeitsverhältnissen, wenn die ihnen zugeordneten Arbeitsplätze von einem Betriebsübergang betroffen sind, lasse sich mit der Gestaltungswirkung der Kündigung gemäß der kündigungsschutzrechtlichen Situation in Deutschland nur unzureichend vereinbaren. Die Betriebsübergangsrichtlinie fordere daher insoweit die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs, wie dies zur Erhaltung der Einheit von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis im Falle des Betriebsübergangs erforderlich sei. Nur so sei eine Harmonisierung von europäischem und nationalem Recht möglich.364 Dieses Ergebnis lasse sich auch aus der Erwägung der notwendigen Gleichbehandlung der jeweiligen Betriebserwerber erschließen. Es sei nicht einzusehen, warum ein Erwerber, der erst nach dem Ausspruch von Kündigungen durch den Veräußerer einen Betrieb übernimmt, besser gestellt werden sollte als der Erwerber, der vor diesem Zeitpunkt mit dem Veräußerer über eine Betriebsübernahme verhandelt, so dass der bevorstehende Betriebsinhaberwechsel schon greifbare Formen angenommen hätte und damit nicht mehr wirksam betriebsbedingt gekündigt werden könnte. Wer eine funktionsfähige unternehmerische Einheit übernehme, müsse damit rechnen und 361 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 98. 362 Oetker, ZIP 2000, 643, 650; Kittner/Däubler/Zwanziger - Zwanziger, § 613a Rn 126. 363 Richtlinie 2001/23/EG, vormals Richtlinie 77/187/EWG i.d.F. der Richtlinie 98/50/EG. 364 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 98. - 133 sich damit abfinden, dass die zum Betrieb gehörenden Arbeitnehmer dann mit übergehen; ein anderes Ergebnis für einige Erwerber würde sonst zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.365 d) Teleologische Extension des § 613a BGB Langenbucher366 will den Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung und unerwartetem Betriebsübergang auf eine teleologische Extension des § 613a BGB stützen. § 613a BGB verwirkliche den Schutz von Arbeitsverhältnissen durch ihren gesetzlichen Übergang auf den Erwerber eines Betriebes, wenn die zugehörigen Arbeitsplätze fortbestehen.367 Für den Arbeitnehmer bedeute dies, dass er sich bei einem Betriebsinhaberwechsel auf die Kontinuität seiner Stelle verlassen könne, wenn diese unter im Wesentlichen gleichen Bedingungen weiter existiert. Für den Erwerber liege hierin eine gesetzlich angeordnete Unternehmen Beschränkung übernimmt, sei seiner zunächst Vertragsfreiheit. einmal den dort Wer ein beschäftigten Arbeitnehmern verpflichtet. § 613a BGB habe dabei nur den Normalfall der Veräußerung eines funktionsfähigen Unternehmens im Auge, nicht den Ausnahmefall der überraschenden Veräußerung eines Unternehmens, welches eigentlich stillgelegt werden sollte. Sind die Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang aber bereits wirksam gekündigt, so können entsprechend auch nur gekündigte Arbeitsverhältnisse als solche auf den Erwerber übergehen. Der Übergang des nicht länger bestandsgeschützten wirksam gekündigten Arbeitsverhältnisses könne die Kontinuität von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis aber nicht sicherstellen. Langenbucher sieht darin eine Schutzlücke, die der Wiedereinstellungsanspruch schließe. Bleiben die Arbeitsplätze der bereits wirksam gekündigten Arbeitnehmer wegen des unerwarteten Betriebsübergangs erhalten, so soll nach Sinn und Zweck der 365 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 98 f. 366 Langenbucher, SAE 1998, 145, 147 f; Langenbucher, ZfA 1999, 299, 303, 309. 367 So auch Pietzko Diss., S. 36. - 134 Vorschrift auch hier die Kontinuität von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis gewahrt bleiben. Für das mit dem erhalten gebliebenen Arbeitsplatz verbundene Arbeitsverhältnis ordne § 613a BGB in diesem Fall zweierlei an: Seine vertragliche Wiederbegründung und die Sicherung der vor der Kündigung bestehenden Arbeitsbedingungen und sozialen Besitzstände. Der Wiedereinstellungsanspruch komplettiere auf diese Weise den Schutz der Arbeitnehmer nach § 613a I, IV BGB.368 Raab369 verfolgt den gleichen Wiedereinstellungsanspruch könne sich nur sachlichen Ansatz. Ein aus einer Fortbildung der gesetzlichen Regelung, also aus § 613a BGB, ergeben. Voraussetzung sei, dass die gesetzliche Regelung den Bestandsschutz bei nachträglichem Betriebsübergang nach ihrer eigenen Teleologie nur lückenhaft gewährleiste und daher der Ergänzung durch einen Wiedereinstellungsanspruch bedürfe. Wenn es nach wirksamer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung unerwartet zu einem Betriebsübergang kommt, trete die Situation ein, die § 613a BGB gerade verhindern wollte: Obwohl der Betrieb als organisatorische Einheit erhalten bleibt und nur die Person des Betriebsinhabers wechselt, verliert der bereits gekündigte Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz. Diese Schutzlücke könne durch einen Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers geschlossen werden. Der Wiedereinstellungsanspruch lasse sich damit aus dem Schutzzweck des § 613a BGB begründen, ohne dass es hierzu der vom 8. Senat herangezogenen europarechtskonformen Auslegung bedürfe. Ähnlich argumentiert auch der 2. Senat, der neben den vorgenannten allgemeinen Begründungsansätzen auf eine mögliche Gesetzesumgehung des § 613a IV 1 BGB aufmerksam macht, wenn der Arbeitgeber einen Betrieb übertragen könnte, dessen Arbeitsverhältnisse sämtlich wirksam gekündigt sind. Komme es zu einer Betriebsübernahme, die nach § 613a IV 1 BGB keine 368 Zustimmend für die Situation nach Ablauf der Kündigungsfrist Schubert, ZIP 2002, 554, 559. 369 Raab, RdA 2000, 147, 159. - 135 Kündigung zulässt, so handele der Arbeitgeber erst recht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich nicht mit dem ihm zumutbaren Weiterbeschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers einverstanden erklärt.370 4. Stellungnahme Klärungsbedürftig bleibt, ob sich aus § 613a BGB eventuell im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung oder aber durch die Anerkennung einer teleologischen Extension ein Ansatz für den Wiedereinstellungsanspruch gewinnen lässt. Ein aus § 613a BGB gewonnener Ansatz wäre zwar nicht verallgemeinerungsfähig, müsste aber als Hinweis darauf zu verstehen sein, dass prognosebedingte Wiedereinstellungsansprüche dem geltenden Arbeitnehmerschutzrecht jedenfalls nicht fremd sind. a) Keine Vorgaben der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG für einen Wiedereinstellungsanspruch (1) Zielsetzung der Richtlinie Zu Recht geht die Lit. davon aus, dass Art. 3 I der Betriebsübergangsrichtlinie (ebenso wie § 613a I BGB) ausdrücklich nur bestimmt, dass die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen.371 Demgegenüber findet sich keine explizite Aussage über einen Wiedereinstellungsanspruch. Greift man auf möglicherweise die Zielsetzung zwei Aspekte der für Richtlinie die zurück, so sprechen Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs in dem Fall, dass sich – wie im deutschen Kündigungsschutzrecht – aufgrund rechtsdogmatischer 370 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. 371 Langenbucher, SAE 1998, 145, 147; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 97. Einwände ein - 136 rückwirkender Einfluss auf die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen verbietet. Zum einen findet sich in der Präambel der Betriebsübergangsrichtlinie die Aussage, es seien Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten. Zum anderen regelt Art. 4 I der Richtlinie ein Kündigungsverbot, wonach der Übergang eines Unternehmens bzw. Betriebsteils als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung darstellt (S. 1). Das Kündigungsverbot soll gleichwohl etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegenstehen (S. 2). Anders gewendet könnte daraus geschlossen werden, dass ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang dann nicht verlieren darf, wenn sein Arbeitsplatz trotz eventueller wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Umstellungen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht wegfällt, sondern erhalten bleibt. Die Rspr. des 8. Senats372 und ein Teil der Lit.373 gehen davon aus, dass diese Zielsetzung der Richtlinie und damit ihre Wirksamkeit erheblich beeinträchtigt würde, wenn man in Anbetracht der besonderen kündigungsschutzrechtlichen Situation in Deutschland keinen Wiedereinstellungsanspruch anerkennt. Denn einerseits werde dem Arbeitnehmer eine Kündigungsmöglichkeit aufgrund einer bloßen Prognose über zukünftige Beschäftigungsmöglichkeiten eingeräumt und andererseits für die Frage nach der Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung allein auf den Zeitpunkt ihres Zugangs abgestellt. 372 373 BAG (8 AZR 295/95), AP Nr. 169 zu § 613 a BGB = NZA 1998, 251, 252; BAG (8 AZR 729/96), AP Nr. 172 zu § 613 a BGB; BAG (8 AZR 265/97), AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1999, 311, 313 = EzA Nr. 171 zu § 613a BGB. Müller-Glöge, NZA 1999, 449, 455; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 98. - 137 - (2) Keine Grundlage für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB in Richtung auf einen Wiedereinstellungsanspruch würde allerdings voraussetzen, dass die nationale Vorschrift das Anliegen der Richtlinie bezogen auf gekündigte Arbeitsverhältnisse nur unzureichend verwirklicht. Zumindest müsste ein Rückgriff auf die Richtlinie erforderlich sein, um Zweifelsfragen zu beseitigen.374 Zwar lässt sich die Kontinuität von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis, die als ratio hinter der Betriebsübergangsrichtlinie und § 613a BGB steckt, in bezug auf zuvor wegen beabsichtigter Betriebsstillegung gekündigte Arbeitsverhältnisse nach dem Wortlaut des § 613a BGB nicht verwirklichen. Eine richtlinienkonforme Auslegung nationaler Vorschriften verlangt aber entweder eine schon dem Wortlaut nach nur unvollständige Umsetzung der Richtlinie, die deshalb mit der nationalen Rechtsordnung in Widerspruch steht, oder einen Zweifel bzw. eine Lücke in der zur Umsetzung erlassenen Norm, die durch Rückgriff auf die Richtlinie beseitigt werden könnte.375 Vorliegend kann es nur um eine Lücke bei der Verwirklichung des Schutzzwecks der Richtlinie durch die Fassung der Umsetzungsnorm gehen. Der Schutzbereich von § 613a IV BGB könnte eine Inkongruenz zu dem der Richtlinie aufweisen und eine Harmonisierung nur durch die Zuerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs zu realisieren sein. Fraglich ist jedoch, ob sich der Richtlinie ein solcher umfassender Schutz entnehmen lässt, der auch auf zuvor aus billigenswerten aber unbeständigen Beweggründen gekündigte Arbeitsverhältnisse zu erstrecken ist. Dies würde voraussetzen, dass sich ein weitergehender Regelungsgehalt der Richtlinie aufgrund der Besonderheiten gerade des deutschen Kündigungsschutzrechts 374 Lipinski, NZA 2002, 75, 76. 375 Götz, NJW 1992, 1849, 1853; Lutter, JZ 1992, 593, 594, 597-98. - 138 nicht durch eine bloße wortlautgetreue Umsetzung, wie sie durch die Schaffung des § 613a BGB erfolgt ist, verwirklichen lässt. Die Betriebsübergangsrichtlinie bestimmt in Art. 3 I, dass nur die Rechte aus einem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis übergehen. Eine Kündigung aus anderen Gründen gestattet ausdrücklich Art. 4 I 2 der Richtlinie. Schließlich regelt Art. 3 IV b) HS 2 der Richtlinie sogar den sozialen Mindestschutz „der Personen, die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits aus dem Betrieb des Veräußerers ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter...“. Nach dem Regelungsziel der Richtlinie ist also die einmal ausgesprochene Kündigung rechtswirksam und die Arbeitnehmer gehen entweder in gekündigter Stellung oder aber gar nicht auf den Erwerber über, wenn dem Betriebsübergang eine wirksame betriebsbedingte Kündigung vorangegangen war. § 613a I, IV BGB enthält daher keine Lücke, die durch richtlinienkonforme Auslegung geschlossen werden könnte. Die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs geht also jedenfalls über das Anliegen der Richtlinie hinaus.376 Dem europäischen Recht lässt sich nur die Selbstverständlichkeit entnehmen, dass vom bisherigen Betriebsinhaber gekündigte Arbeitsverhältnisse auf den Betriebsübernehmer übergehen, wenn die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 613a IV BGB unwirksam ist.377 376 377 Langenbucher, SAE 1998, 145, 147; Peters/Thüsing, Anm. zu BAG (8 AZR 295/95), EzA § 613a BGB Nr. 154. Hanau, ZIP 1999, 324, 325 f. - 139 - b) Teleologische Extension des § 613a BGB als tauglicher Erklärungsansatz dieser Fallgruppe (1) Schutzzweckzusammenhang bei Erhaltenbleiben des Arbeitsplatzes Die teleologische Extension führt – wie auch die Analogie378 – zur Anwendung einer Vorschrift über die Grenzen ihres Wortlauts hinaus. Die Analogie fordert dabei eine wirkliche Lücke im Gesetz. Diese wird geschlossen und der Regelung damit zur Vollständigkeit verholfen, indem eine im Gesetz für einen Tatbestand vorgesehene Regel auf einen ähnlichen ungeregelten Tatbestand übertragen wird. Bei der Analogie soll es sich deshalb noch um Gesetzesauslegung handeln.379 Die teleologische Extension geht dagegen lediglich vom Vorliegen einer verdeckten Regelungslücke aus, ohne deren Schließung aber der Normzweck zumindest teilweise verfehlt würde.380 Bei der teleologischen Extension soll es sich nicht mehr um Auslegung, sondern um Rechtsfortbildung handeln. Diese Rechtsfortbildung soll dazu dienen, den Zweck und Grundgedanken des Gesetzes besser zu verwirklichen, wobei das extensiv interpretierte Gesetz nur als Vorbild herangezogen wird. Von einer solchen Rechtsfortbildung könnte man indes einfach Abstand nehmen, da eine vollständige wenn auch nicht in jeder Hinsicht zweckgerechte Regelung bereits vorliegt. Im Unterschied dazu muss eine echte Regelungslücke beseitigt werden, um die Anwendbarkeit des Gesetzes auf alle Einzelfälle sicherzustellen. Es ist allerdings oftmals schwierig, die Frage zu entscheiden, ob überhaupt eine echte Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie vorliegt.381 378 Palandt – Heinrichs, Einleitung Rn 40. 379 Huber, JZ 2003, 1, 14. 380 Larenz Methodenlehre, S. 216 ff; Pawlowski Methodenlehre, Rn 453, 497 ff. 381 Huber, JZ 2003, 1, 10 f. - 140 Bei der teleologischen Extension muss bedacht werden, dass durchaus auch die im Gesetz verankerte Grenze seines Regelungsbereichs den Zweck haben kann, der Verfolgung des eigentlichen Gesetzeszweckse eine Schranke zu ziehen. Das gilt jedenfalls insoweit, wie sich auch für die Begrenzung des Grundgedankens der Norm Sachgründe finden lassen, die in keinem Wertungswiderspruch zum Hauptanliegen der Regelung stehen. Berücksichtigt man auch solche gegenteleologischen Gesichtspunkte, so kommt meist auch die teleologische Extension nicht ohne eine wertende Interessenabwägung aus.382 Vorliegend deutet nichts auf eine echte Regelungslücke. Gekündigte und bereits beendete Arbeitsverhältnisse bedürfen nicht zwingend einer besonderen Behandlung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang. Es fehlt der Regelung des § 613a BGB jedenfalls äußerlich nicht an Vollständigkeit, wenn ein zunächst unvorhergesehener Betriebsübergang diese Tatbestände unberührt lässt. Der Wortlaut des § 613a I 1 BGB erfasst gekündigte Arbeitsverhältnisse nur als solche und bereits beendete überhaupt nicht. Ob es sich dabei um eine verdeckte Regelungslücke handelt oder um eine gewollte Begrenzung des Wirkungsbereichs der Norm, kann nur im Hinblick auf die Schutzrichtung und den Normzweck des § 613a BGB bestimmt werden. Der Normzweck des § 613a BGB besteht darin, den Bestand der Arbeitsverhältnisse unabhängig vom Übergang des Betriebs(teils) an das Erhaltenbleiben der Arbeitsplätze zu koppeln.383 Das Kündigungsverbot des § 613a IV 1 BGB lässt sich demnach positiv gewendet so verstehen, dass das Erhaltenbleiben des Arbeitsplatzes auch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des auf ihm vor dem Betriebsübergang beschäftigten 382 383 Herzberg, NJW 1990, 2525, 2526. So im Anschluss an Langenbucher, ZfA 1999, 299, 306 ff: Oetker, ZIP 2000, 643, 650; Fischer, DB 2001, 331, 332; Kittner/Däubler/Zwanziger - Zwanziger, § 613a BGB Rn 127. - 141 Arbeitnehmers zur Folge haben muss.384 Wurde ein Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt, so steht dem auf diesem Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch ursprünglichen Prognose zu, wenn unerwartet der Arbeitsplatz erhalten bleibt entgegen und damit der der Kündigungsgrund nachträglich entfällt. Keine Rolle spielt dagegen, ob der Betriebsübergang vor oder nach dem Ablauf der Kündigungsfrist stattfindet. Im Normalfall des § 613a BGB übernimmt der Erwerber einen funktionsfähigen Betrieb ohne gleichsam neue Organisationsentscheidungen mit dem Ergebnis des Wegfalls von Arbeitsplätzen zu treffen. § 613a I BGB verpflichtet ihn dann, in sämtliche Arbeitsverhältnisse einzutreten, die diesem Betrieb zuzuordnen sind. Den besonderen Fall einer zuvor geplanten Betriebsstillegung, die der Veräußerer bereits teilweise verwirklicht hat, hat das Gesetz jedoch nicht im Blick gehabt. Die Funktion der Vorschrift wird daher konsequent zu Ende gedacht, wenn der Erwerber verpflichtet wird, die übernommenen Arbeitsplätze mit den auf ihnen zuvor beschäftigten Arbeitnehmern zu besetzen, um so die vom Gesetz gewollte Kopplung von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis wieder herzustellen. Langenbucher spricht insoweit zu Recht von einer teleologischen Extension des § 613a BGB385, die über den Wortlaut hinaus die Verwirklichung des gesetzlichen Leitbildes auch in einem atypischen Fall verwirklicht. Ob die Arbeitnehmer, denen in Erwartung des Wegfalls ihrer Arbeitsplätze gekündigt wurde, zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits entlassen waren, ist dagegen unerheblich, da unabhängig vom Entlassungstermin die Zwecksetzung des § 613a I 1 und IV 1 BGB noch erreicht werden kann.386 Während § 613a I 1 und IV 1 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nur den Übergang von Arbeitnehmern in ihrem derzeit bestehenden Status ermöglicht, erlaubt seine teleologische Erweiterung, auch solche Arbeitnehmer zu schützen, die 384 So i. E. auch Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 100, die allerdings eine richtlinienkonforme Auslegung bemühen wollen (mit hier abgelehnter Ausweitung auf andere Fallgestaltungen). 385 Siehe oben unter C.VI.3 „Schrifttum“ auf Seite 130. 386 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 317. - 142 sich zum Zeitpunkt eines Betriebsübergangs in gekündigter Stellung befinden oder deren Kündigungsfrist bereits vollständig abgelaufen ist, wenn deren Arbeitsplätze infolge des Betriebsübergangs fortbestehen.387 Ein Unbehagen gegen die Ausformung des § 613a I 1 und IV 1 BGB als Grundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch könnte damit begründet werden, dass – wie erörtert388 – § 613a IV 1 BGB im Anwendungsbereich des KSchG – um den es hier gerade geht – keine eigenständige Funktion als Kündigungsverbot zukommt. Müsste man nicht annehmen, dass eine Vorschrift, die im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes keine (eigenständige) Funktion hat, dann auch nicht zur Begründung einer Wiedereinstellungspflicht herangezogen werden kann? Ein Unterschied ergibt sich aber daraus, dass die Wiedereinstellung dem Arbeitnehmer weniger Rechte vermittelt als der unmittelbare Kündigungsschutz.389 Dass § 613a IV 1 BGB keine eigenständige Kündigungsschutzregelung enthält, sagt für sich genommen noch nichts über die Wiedereinstellungsanspruchs Möglichkeit als ein der Weniger Entstehung gegenüber eines dem Kündigungsschutz. Dem Kündigungsverbot bei Fehlen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses geht es um eine Missbrauchskontrolle bei gleichzeitiger Garantie unternehmerischer Gestaltungsfreiheit. Dabei geht es allein um die Kündigungsbefugnis zum Kündigungszeitpunkt. Demgegenüber will § 613a IV 1 BGB das besondere soziale Bestandsinteresse am Erhaltenbleiben der Arbeitsplätze beim Betriebsübergang betonen. Der Vorschrift geht es um die Herstellung von Ergebnisgleichheit mit dem Fall, dass der Veräußerer selbst den Betrieb fortgeführt hätte. Der Wiedereinstellungsanspruch als Anspruch auf begrenzte Beseitigung der Kündigungsfolgen ist das Instrument, um diese Ergebnisgleichheit auch dann 387 388 389 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 326; so auch Raab, RdA 2000, 147, 159; Oetker, ZIP 2000, 643, 650; Kittner/Däubler/Zwanziger - Zwanziger, § 613a BGB Rn 127. Siehe oben unter C.VI.1.b) „Verhältnis von § 613a IV 1 BGB und § 1 KSchG“ auf Seite 126. Siehe oben unter B.I.2.c) „Praktische Auswirkungen gegenüber der Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs“ auf Seite 22. - 143 praktisch umzusetzen, wenn der prognosebedingte Kündigungsschutz sie wegen der ihm immanenten Schwächen nicht ausreichend sicherstellen kann. Der Wiedereinstellungsanspruch findet neben seiner allgemeinen Rechtfertigung daher in § 613a IV 1 BGB eine besondere Stütze, wenn wider Erwarten Arbeitsplätze im Zuge eines unerwarteten Betriebsübergangs nicht wegfallen, sondern erhalten bleiben. § 613a IV 1 BGB enthält damit nicht nur ein Kündigungsverbot, sondern seiner Schutzrichtung entsprechend auch ein Wiedereinstellungsgebot. Kann der Sachverhalt des Betriebsübergangs vom Kündigungsverbot rechtstechnisch nicht mehr erfasst werden, ist aber der Schutzzweckzusammenhang gegeben, weil der Arbeitsplatz beim Betriebserwerber noch vorhanden ist, so tritt eine Wiedereinstellungspflicht an die Stelle des Kündigungsverbots. § 613a I 1 und IV 1 BGB kann deshalb ergänzend in die dogmatische Herleitung des Wiedereinstellungsanspruchs einbezogen werden. (2) Keine Anwendbarkeit bei bloß anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit Der auf den Erhalt von Arbeitsplätzen begrenzte Schutzzweck des § 613a BGB macht deutlich, dass sich hieraus keine Antwort auf die Frage nach einer Wiedereinstellung gewinnen lässt, wenn zwar der Arbeitsplatz wie zunächst prognostiziert wegfällt, sich aber unerwartet eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit ergibt, was ebenfalls zu einer Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose führt. Oetker spricht insoweit von einem dem § 613a BGB immanenten Defizit.390 § 613a I und IV BGB enthält auch in teleologischer Auslegung für diesen Fall keine positive Aussage. Sein Anwendungsbereich beschränkt sich wie dargelegt auf die Wahrung der Identität von Arbeitsplatz und damit verbundenem Arbeitsverhältnis. Jenseits dessen liegt 390 Oetker, ZIP 2000, 643, 650. - 144 der Fall, dass unerwartet ein anderer funktional gleichwertiger Arbeitsplatz erhalten bleibt oder neu entsteht. Allerdings lässt sich § 613a I, IV BGB die negative Aussage entnehmen, dass sich die Betriebsveräußerung als solche und damit auch der Wechsel in der Inhaberschaft anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten auf den Betriebserwerber kündigungsschutzrechtlich neutral verhält. Einem denkbaren Wiedereinstellungsanspruch auf einen anderen Arbeitsplatz, der unabhängig von einer Sonderverbindung gegen den Veräußerer begründet wäre, dürfte damit auch die Betriebsveräußerung nicht entgegenstehen. Demnach verbietet es sich auch nicht, hinsichtlich anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten eine Wiedereinstellungspflicht nach allgemein Regeln anzuerkennen, zumal es sich auch im Betriebsübergangsrecht um einen Unterfall des Wiedereinstellungsanspruchs handelt. VII. Ansätze aus dem Bereich der Druckkündigung Verdachts- und 1. Verdachtskündigung a) Grundlagen der Kündigungsbefugnis (1) Voraussetzungen der Verdachtskündigung Nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung, sondern bereits der Verdacht, eine strafbare Handlung oder eine sonstige schwere Nebenpflichtverletzung begangen zu haben, kann nach der st. Rspr.391 und der herrschenden Ansicht in der Lit.392 ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein, 391 392 BAG (2 AZR 164/94), DB 1995, 534, 534 f = SAE 1996, 52, 52; BAG (2 AZR 799/93), SAE 1996, 49, 49; LAG Berlin (9 Sa 116/95), ZTR 1996, 329, 329. Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 754; Appel/Gerken, AuR 1995, 201, 203; Bengelsdorf, AuA 1995, 196, 196; Busch, MDR 1995, 217, 217 ff; Belling, RdA 1996, 223, 225; Lücke, BB 1997, 1842, - 145 wenn der Verdacht das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstört oder in anderer Hinsicht eine unerträgliche Belastung des Arbeitsverhältnisses darstellt. Der wegen begangener Tat aufgrund unsicherer Beweislage kündigende Arbeitgeber kann sich auch noch spätestens im Kündigungsschutzprozess zumindest hilfsweise darauf berufen, dass er die Kündigung notfalls auch wegen des verbleibenden dringenden Tatverdachts aufrecht erhalten will. Ist der Tatvorwurf selbst nicht begründet, so hat das Arbeitsgericht dann weiter zu prüfen, ob die Kündigung deswegen gerechtfertigt ist, weil bereits die den Verdacht begründenden und erwiesenen Tatsachen ausreichen, um das Vertrauen in die Redlichkeit bzw. Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers zu zerstören.393 An die Voraussetzungen einer Kündigung wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung werden strenge Anforderungen gestellt, um die Gefahr, dass einem Unschuldigen gekündigt wird, in hinnehmbaren Grenzen zu halten. Der Verdacht muss daher objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet sein.394 Der Verdacht muss dringend sein, d.h. eine Prüfung muss ergeben, dass der verdächtigte Arbeitnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit die Tat begangen hat. Dabei ist u.a. von Bedeutung, ob der Verdächtige durch schuldhaftes Verhalten erhebliche Gründe für den Verdacht gegeben und sich nicht um die Aufklärung der ihm zur Last gelegten Tat bemüht hat. Der Arbeitgeber muss darüber hinaus alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan haben, wozu auch die Anhörung des verdächtigten Arbeitnehmers gehört.395 Die strafbare Handlung, auf die sich der Verdacht bezieht, muss auch selbst schwer sein. Das BAG hat ausdrücklich in seiner Entscheidung vom 26. Februar 1987396 betont, 1845; Zwanziger, BB 1997, 42, 44 f; Ricken, NZA 1998, 460, 464; Dütz, Rn 333; KR – Hillebrecht, § 626 BGB Rn 166 f, Rn 181 f; Schaub, S. 1015; Brox/Rüthers ArbR, Rn 51. 393 Busch, MDR 1995, 217, 221. 394 Bengelsdorf, AuA 1995, 196, 197. 395 396 BAG (2 AZR 283/86), NZA 1987, 699, 700; LAG Rheinl.-Pfalz, NZA 1987, 561, 561; Bengelsdorf, AuA 1995, 196, 197; Ring ArbR, Rn 385. BAG (2 AZR 170/86), RzK I 8c Nr. 13. - 146 dass schwer wiegend nicht nur der Verdacht, sondern auch die strafbare Handlung bzw. die Pflichtverletzung sein müsse, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird.397 (2) Kündigungsanforderung: Verdacht der Tatbegehung Anders als bei den übrigen verhaltensbedingten Kündigungsgründen kommt es nicht auf den objektiven Kündigungssachverhalt an, sondern auf den durch sorgfältige Ermittlungen gewonnenen subjektiven Wissenstand des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Kündigung398, dessen tatsächliche Umstände dieser wie bei den anderen Kündigungsgründen auch im Prozess mit beweiskräftiger Plausibilität darzulegen hat, da nur objektive Tatsachen den Verdacht begründen und die Vertrauenskrise auslösen können.399 Ist trotz aller zumutbaren Aufklärungsbemühungen keine Gewissheit darüber zu erzielen, ob der verdächtige Arbeitnehmer die Tat begangen hat, so verzichtet man auf einen wirklichen Kündigungsgrund. Die Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Kündigungsgrundes wird selbst zum Kündigungsgrund erhoben. Darin liegt die Besonderheit der Verdachtskündigung.400 Ihre äußere Rechtfertigung erlangt die Verdachtskündigung durch den bloßen Verdacht der Tatbegehung selbst. Ihre Problematik liegt in der Nichtaufklärbarkeit des Tatvorwurfs im Zeitpunkt der Kündigung. (3) Kündigungsrechtfertigung: verdachtsbedingter Vertrauenswegfall Eine andere Frage ist aber, worin letztlich der eigentliche Kündigungsgrund zu sehen ist. Das BAG äußert sich hierzu nicht klar. Teilweise wird auf den Verdacht im Sinne der objektiv zum Kündigungszeitpunkt vorliegenden 397 Busch, MDR 1995, 217, 217; KR-Fischermeier, § 626 BGB Rn. 210 ff. 398 Joachim, AuR 1964, 38; Grunsky, ZfA 1977, 170-171; Herschel, BlStSozArbR 1977, 113, 113. 399 BAG (2 AZR 587/94), NZA 1996, 81, 82 f; Boewer, NZA 1999, 1121, 1123. 400 Zwanziger, BB 1997, 42, 45. - 147 Verdachtsmomente abgestellt401, teilweise auch auf den Fortfall des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauens, oft werden beide Aspekte nebeneinander gestellt.402 Die außerordentliche Kündigungsbefugnis setzt gemäß § 626 I BGB voraus, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht einmal mehr bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Der auf objektiven Umständen beruhende Verdacht ist ein Minus zur Gewissheit der Tatbegehung. Die Verdachtskündigung ist demnach eine Tatkündigung mit verminderten Anforderungen an die Überzeugung des Gerichts von der Tatbegehung.403 Vor diesem Hintergrund wird die Verdachtskündigung als Ausnahmefall innerhalb des Kündigungsschutzrechts begriffen.404 Belling405 bestreitet eine solche Sonderrolle der Verdachtskündigung mit dem Hinweis, nicht der Verdacht selbst, sondern allein der verdachtsbedingte Vertrauenswegfall auf Arbeitgeberseite mache den Kündigungsgrund aus. Um nichts anderes gehe es auch bei der Tatkündigung. Nicht die objektive Tatbegehung, sondern der mit ihr typischerweise einhergehende Vertrauensverlust sei der wahre Kündigungsgrund. Die objektive Tatbegehung rechtfertige den zwangsläufigen Schluss auf den subjektiven Vertrauenswegfall. Diese Automatik habe letztlich die Funktion einer Beweiserleichterung in Gestalt einer auf Erfahrung beruhenden Vermutung. 401 402 Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es wie erörtert auf diese objektiv vorliegenden Verdachtsmomente nur insoweit an, wie sie dem Arbeitgeber zum Kündigungszeitpunkt bereits bekannt waren, siehe oben unter B.II.3.c) „Stellungnahme“ auf Seite 68. Siehe nur BAG (2 AZR 164/94), AP Nr. 24 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = NZA 1995, 269, 269; BAG (2 AZR 587/94), NZA 1996, 81, 83 f. 403 Belling, RdA 1996, 223, 224. 404 Gentges Diss., S. 259, 261. 405 Belling, RdA 1996, 223, 224 ff. - 148 - (4) Inhalt des Prognoseprinzips bei der Verdachtskündigung Zumindest oberflächlich betrachtet ist der Wiedereinstellungsanspruch nach Verdachtskündigung eines später rehabilitierten Arbeitnehmers eine Fallgruppe des auf der Widerlegung einer Prognse beruhenden Wiedereinstellungsanspruchs. Es geht hier ebenfalls darum, dass ein objektiv gegebener Kündigungsgrund – wenn man den bloßen durch objektive Tatsachen belegten Verdacht mit der ganz h.M. als solchen ausreichen lässt – im Verlauf der weiteren Entwicklung entfällt. Problematisch ist jedoch, ob das spätere Entfallen des Kündigungsgrundes, also die Verdachtsentkräftung bzw. Rehabilitierung des Arbeitnehmers, auch hier auf der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose beruht und mit ihr zusammenfällt. Andernfalls läge hier ein Sonderfall vor. Diese Frage lässt sich nur mit Blick auf den Inhalt der kündigungsbegründenden Prognose bei der Verdachtskündigung beantworten. (a) Prognose über den späteren Tatnachweis gegen den in Verdacht geratenenen Arbeitnehmer? Verschiedene in der Lit.406 vertretene Auffassungen nehmen an, dass sich die vom Arbeitgeber anzustellende Prognose auf den späteren Nachweis der Tatbegehung durch den Arbeitnehmer bezieht. Verdachtskündigung und betriebsbedingte Kündigung gehörten in eine gemeinsame Gruppe. Auch bei der betriebsbedingten Kündigung gehe es darum, dass der Arbeitgeber aufgrund der Prognose des zukünftigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit so rechtzeitig kündigen dürfe, dass er die Kündigungsfrist bis zum Wegfall dieser Beschäftigungsmöglichkeit einhalten kann 406 und damit den ansonsten nach § 615 BGB zu zahlenden Schütte, NZA 1991, Beil. 2, 17, 21; Weber, SAE 1996, 57, 60; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 577; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 626 BGB Rn 230; Gentges Diss., S. 59, 217 ff, 250 ff. - 149 Annahmeverzugslohn einspart. Verdachts- und betriebsbedingte Kündigung haben demnach gemein, dass der Arbeitgeber aufgrund einer Prognose vorzeitig kündigt, obwohl er auch die Sachverhaltsaufklärung bzw. den tatsächlichen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit abwarten könnte. Insoweit wird teilweise von einer Veränderungsprognose gesprochen, weil die zukünftige Veränderung der Tatsachen Gegenstand der Prognose und alleiniger Kündigungsgrund sei.407 Bei der Verdachtskündigung brauche der Arbeitgeber nicht abzuwarten, bis sich der Verdacht bestätige, sondern er dürfe bereits aufgrund eines Kündigungsgrund dahingehenden sei der Wahrscheinlichkeitsurteils Verdacht im Sinne der kündigen. prognostizierten Tatbegehung.408 (b) Prognose über die Wiederholungsgefahr? Denkbar erscheint es auch, die Prognose auf die Gefahr einer Wiederholung des Fehlverhaltens zu beziehen. Darf der Arbeitgeber den in Verdacht geratenenen Arbeitnehmer mangels besserer Erkenntnisse im Kündigungszeitpunkt praktisch für den Täter halten, so spricht er eine im Kern verhaltensbedingte Kündigung verhaltensbedingten ankommt, ist indes aus. Kündigung unklar. auf Das Ob die es bei dem Grundfall Wiederholungsgefahr müsste dann einmal mehr der überhaupt für die Verdachtskündigung gelten, weil einerseits der Verdacht eben bloß ein Verdacht ist und andererseits die vorgeworfene Tat meist so schwerwiegend sein wird, dass bereits das einmalige Fehlverhalten die Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit der Vertragspartner zerstört. 407 408 Gentges Diss., S. 59, 217 ff; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 577. Schütte, NZA 1991, Beil. 2, 17, 21; Gentges Diss., S. 250 ff; Weber, SAE 1996, 57, 60; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 626 BGB Rn 230. - 150 (c) Prognose über die Haltbarkeit der wesentlichen Verdachtsmomente? Weiterer möglicher Anknüpfungspunkt für das Prognoseprinzip bei der Verdachtskündigung ist das Bestehenbleiben der im Kündigungszeitpunkt vom Arbeitgeber sorgfältig ermittelten wesentlichen Verdachtsmomente. Dabei wird nicht auch gleichzeitig die Tatbegehung prongostiziert. Stellt man wie erörtert den durch den Verdacht selbst bedingten Vertrauensfortfall in den Mittelpunkt, dann darf der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt aufgrund der eigenen sorgfältigen Ermittlungen davon ausgehen, dass die wesentlichen Verdachtsmomente Bestand haben werden. Entfallen die Verdachtsmomente später aber aufgrund weiterer (für die Kündigungswirksamkeit unbeachtlicher) Erkenntnisse, so wird diese Prognose widerlegt. Die Vertrauensgrundlage ist wieder hergestellt, eine weitere Zusammenarbeit erscheint trotz Wirksamkeit der Verdachtskündigung möglich. (d) Stellungnahme Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Würde man dem Arbeitgeber für die Verdachtskündigung eine Prognose über den zukünftigen Tatnachweis abverlangen, so würde die Tatbegehung indirekt selbst zum Kündigungsgrund. Nicht der bloße Verdacht und der schon mit ihm verbundene Vertrauenswegfall würde dann die Kündigung tragen, sondern nur die Erwartung, dass sich in Zukunft ein Tatkündigungsgrund herausstellt. Im Übrigen folgt das Prognoseprinzip aus den kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen selbst. Bei der Verdachtskündigung handelt es sich lediglich um einen Unterfall der verhaltensbedingten Kündigung. Der verhaltensbedingte Kündigungsgrund unterfällt aber dem Prognoseprinzip in der Weise, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber unzumutbar sein würde. So braucht der Vorwurf eines schweren vertragswidrigen Verhaltens vom Arbeitgeber nicht bewiesen zu werden, sofern jedenfalls das Vertrauensverhältnis bereits durch den Verdacht als solchen in der Weise gestört ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber letztlich unzumutbar geworden ist. Das Prognoseelement kann bei der - 151 Verdachtskündigung also nicht anders als bei den anderen Kündigungsgründen bestimmt werden. Es geht auch hier darum, dass die Kündigungsbefugnis aus § 1 II 1 und 2 KSchG an das Fehlen einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bzw. im Falle der entfristeten Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 I BGB an die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geknüpft ist. Die Kündigungsbefugnis bei der Verdachtskündigung setzt auch nicht voraus, dass die Verdachtsmomente einem Wahrheitsbeweis zugänglich sein werden. Es geht hier gerade auch um die häufigen Fällen, in denen ein Tatnachweis endgültig nicht gelingen kann. Die Prognose eines späteren Tatnachweises wäre daher oft schon gar nicht möglich. Der verdachtsbedingte Verlust der Vertrauenswürdigkeit verlangt eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat oder entsprechende Pflichtverletzung begangen hat. Der Verdacht muss mithin nicht nur möglich, sondern dringend und schwer wiegend sein.409 Darauf, ob später der Tatnachweis gelingt und daher auch eine Tatkündigung sich als rechtsbeständig erwiesen hätte, kann es nicht ankommen. Die Gegenauffassung verwischt die Grenzen von Verdachts- und Tatkündigung.410 Hier gilt also, was bereits gegen das Nachschieben von Belastungsumständen im Kündigungsschutzprozess festzustellen war. Auch die Rspr. geht daher zutreffend davon aus, dass sich die Prognose bei der Verdachtskündigung auf die Unzumutbarkeit einer Vertragsfortsetzung für den Arbeitgeber bezieht411 und nicht auf einen späteren Tatnachweis. 409 LAG Hamburg (4 Sa 18/98), n.v., nachgehend BAG (2 AZR 454/99), RzK I 8c Nr. 54. 410 So i.E. auch Belling, RdA 1996, 223, 226; Zwanziger, BB 1997, 42, 44 f. 411 LAG Hamburg (4 Sa 38/97), NZA-RR 1999, 469, 470. - 152 Da die Verdachtsmomente selbst bereits das notwendige Vertrauen zerstört haben, kann es auch auf eine Wiederholungsgefahr nicht ankommen, selbst wenn man das für die verhaltensbedingte Kündigung im allgemeinen bejahen sollte. Gegenstand der Prognose ist daher allein der zukünftige Fortbestand der wesentlichen kündigungsbegründenden Verdachtsmomente. Diese Prognose ist stimmig und rechtfertigt die Kündigung, wenn der Arbeitgeber die strengen Anforderungen an seine Aufklärungsarbeit erfüllt hat. Wird er trotzdem später eines Besseren belehrt, stellt sich die Wiedereinstellungsfrage. Erkennt man den Wiedereinstellungsanspruch an, so beruht er ebenfalls auf der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose. b) Dogmatische Begründungsansätze für den Wiedereinstellungsanspruch Die Besonderheiten der Verdachtskündigung, die die Rspr. seit jeher dazu veranlasst haben, Wiedereinstellungsansprüche anzuerkennen, haben zu eigenständigen Überlegungen auf der Suche nach einer dogmatischen Begründung geführt. Die wichtigsten Ansätze werden im Folgenden dargestellt. (1) Nachwirkende Fürsorgepflicht Die Rehabilitierung eines schuldlos in Verdacht geratenen Arbeitnehmers mit Hilfe seiner Wiedereinstellung wird von der Rspr. vor allem aus einer den Arbeitgeber treffenden nachwirkenden Fürsorgepflicht abgeleitet.412 Dass hier allein auf die Nachwirkung der Fürsorgepflicht abgestellt wird, erklärt sich aus dem nach Auffassung der Rspr. zulässigen – hier abgelehnten – Nachschieben erst im Kündigungsschutzprozess gewonnener Erkenntnisse über die Tatbegehung, weshalb es bei der Wiedereinstellungsproblematik dann nur noch 412 BAG (3 AZR 329/76), AP Nr. 1 zu § 611 BGB Einstellungsanspruch; BAG (2 AZR 24/83), NZA 1984, 226, 227; LAG Frankfurt (2 Sa1274/92), LAGE § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr 4 = BB 1994, 1150, 1150. - 153 um solche Umstände geht, die nach Abschluss des Kündigungsschutzprozesses bekannt geworden sind und deshalb auch nach Auffassung der Rspr. die Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr berühren. Bei der außerordentlichen Verdachtskündigung fehlt es im Übrigen schon an einer Kündigungsfrist, weshalb ausschließlich Nachwirkungen der Fürsorgepflicht in Betracht kommen. Entscheidend für diese Rspr. ist der Umstand, dass der Arbeitgeber ein besonderes Kündigungsrecht für sich beansprucht, dessen Voraussetzungen später entfallen. Anstatt die Aufklärung des Verdachts abzuwarten und dann gegebenenfalls eine Kündigung wegen erwiesener Straftat vorzunehmen, kündigt er allein aufgrund des bloßen Verdachts und weist damit das Risiko der Unaufklärbarkeit dem Arbeitnehmer zu. Als Ausgleich soll dem Arbeitnehmer eine Rückkehr auf den verlorenen Arbeitsplatz zugebilligt werden, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat oder nicht. Die Lit. ist dem teilweise gefolgt.413 Nach der hier vertretenen Auffassung, die Wirksamkeit der Verdachtskündigung allein nach den zum Kündigungszeitpunkt bekannten Umständen zu beurteilen, stellt sich das Wiedereinstellungsproblem u.U. bereits im noch bestehenden Arbeitsverhältnis, also vor Ablauf der Kündigungsfrist, weshalb hier sowohl die Fürsorgepflicht als auch deren Nachwirkungen als Anspruchsgrundlage in Betracht kämen. Im Wege der Nachwirkung kann eine aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers resultierende Wiedereinstellungsverpflichtung indes nur begründet werden, wenn sie schon während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu bejahen war. Wenn der Arbeitgeber im noch bestehenden Arbeitsverhältnis aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht nicht zur Wiedereinstellung verpflichtet ist, dann kann nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nichts anderes gelten. Die vorangestellten allgemeinen Einwände gegen die Heranziehung der 413 vom Stein Diss., S. 98 ff; Hueck/v.Hoyningne-Huene KSchG, § 1 Rn 266; Dütz ArbR, Rn 100. - 154 Fürsorgepflicht treffen indes auch auf den Fall der letztlich unberechtigten Verdachtskündigung zu. So kann die Verletzung einer Nebenpflicht auch hier aus prinzipiellen Gründen keinen Anspruch auf die Neubegründung der Hauptpflichten erklären. Zudem müsste man im Regelfall der außerordentlichen Verdachtskündigung eine derart weitreichende Nebenpflicht dort behaupten, wo ein Schuldverhältnis schon gar nicht mehr besteht. (2) Sittenwidrigkeit der Nichtwiedereinstellung - §§ 826, 249 S. 1 BGB Im Zusammenhang mit der Ausräumung des Verdachts Verdachtskündigung wird die Auffassung vertreten, dass bei einer dann, wenn der Arbeitsplatz noch frei ist, die Nichtwiedereinstellung des Arbeitnehmers sittenwidrig sei und damit aus § 826 BGB i.V.m. § 249 S. 1 BGB ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers begründet werden könne.414 Die Annahme eines vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzanspruchs, der nach § 249 S. 1 BGB im Wege der Naturalrestitution Wiedereinstellungsanspruch begründet, ist grundsätzlich möglich.415 einen Die entscheidende Frage liegt aber darin, ob die Wiedereinstellung eines Arbeitnehmers nach Verdachtsentkräftung einem sittlichen Gebot entspricht. Ein sittliches Gebot setzt allgemeine, ethisch fundierte Verhaltensnormen voraus.416 Gegen die Annahme eines solchen sittlichen Gebotes spricht aber, dass die Kündigung wirksam war und daher der Status Quo der Rechtsordnung entspricht. Ein bloßes Verharren in dieser Rechtsposition stellt keinen Verstoß gegen ethische Verhaltensnormen dar.417 Nun kann man hier ebenfalls mit der dem Arbeitgeber eingeräumten überschießenden Rechtsmacht argumentieren. Stellt sich die Unbegründetheit des Verdachts heraus, so könnte man das 414 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 474. 415 Hueck FS Hedemann, S. 136 f m.w.N. 416 Sack, NJW 1985, 761, 765 m.w.N. 417 vom Stein, RdA 1991, 85, 93. - 155 korrekturlose Verharren in der eingetretenen Rechtslage als ein illoyales Verhalten ansehen. Entsteht mit der Entkräftung des Verdachts eine Situation, die bei der Verdachtskündigung zwar gedanklich ohne weiteres auftreten kann, die aber nicht dem Leitbild der Kündigungsbefugnis entspricht, so kann sich hieraus möglicherweise ein sittliches Gebot entwickeln. Die Annahme eines Wiedereinstellungsgebots verträgt sich aber nicht mit der Annahme eines ohne weiteres bestehenden Wiedereinstellungsanspruchs als Rechtsfolge eines sittenwidrigen Verhaltens. Hierfür wäre zunächst die Verletzung des Gebots notwendig, Anwendung also des die § Ablehnung 826 BGB des Wiedereinstellungsverlangens. setzt damit die Verletzung Die eines Kontrahierungszwanges voraus, begründet aber nicht dessen Bestehen. (3) Aufopferungsanspruch - § 904 S. 2 BGB entspr. Zwanziger418 verweist auch auf den Aufopferungsgedanken. Muss ein Unbeteiligter wegen höherrangiger privatrechtlicher Interessen Anderer Eingriffe in höchstpersönliche Rechtsgüter hinnehmen und erleidet er einen Schaden, so muss der Begünstigte Ersatz leisten. Dieser allgemeine Rechtsgedanke lasse sich aus § 904 S. 2 BGB herleiten und betreffe auch den Arbeitsplatz, der zwar nicht als absolutes Recht anerkannt, aber durch das KSchG gegenüber dem Arbeitgeber besonders geschützt sei. Müsse der Arbeitnehmer aufgrund eines unzutreffenden Vorwurfs auf seinen Arbeitsplatz verzichten, so rechtfertige dies die Gewährung eines Aufopferungsanspruchs, der auf Wiedereinstellung gerichtet sei. Der so verstandene Aufopferungsgedanke müsste folgerichtig auch auf andere Fallgestaltungen des Wegfalls des Kündigungsgrundes anwendbar sein, denn nicht nur im Fall des letztlich haltlosen Verdachtskündigungsgrundes muss sich der Arbeitnehmer wegen anderer privatrechtlicher Interessen einen Eingriff in 418 Zwanziger, BB 1997, 42, 45. - 156 sein „Recht am Arbeitsplatz“ gefallen lassen. Der dabei eintretende Rechtsverlust ist jedoch ein ganz anderer als der, den § 904 BGB beschreibt. § 904 BGB schützt allein absolute Rechtsgüter, die gegen jedermann verteidigt werden können. Muss ein Unbeteiligter ausnahmsweise einen Eingriff in eines seiner Rechtsgüter hinnehmen, verschuldensunabhängiger so wird dem Eingreifenden419 Schadensersatzanspruch auferlegt. ein Auf obligatorische Rechtspositionen wie die des Arbeitnehmers ist die Vorschrift nicht übertragbar. Die Stellung des Vertragspartners besteht von vornherein nur in dem Umfang, wie sie Vertrag und Gesetz gewähren. Interessenkollisionen kann nicht durch eine quasi-Verdinglichung der Rechtsposition des einen Vertragspartners abgeholfen werden, ohne die Rechtsstellung des anderen zu unterlaufen. § 904 S. 2 BGB ist damit als Anspruchsgrundlage ungeeignet. (4) Rechtsmissbrauch bei Nichtachtung des Rehabilitationsinteresses Auch der Gedanke der Wiedergutmachung und Rehabilitation wird zur Begründung der Wiedereinstellungspflicht angeführt.420 Die Nichtbeachtung eines Rehabilitationsinteresses durch Verweigerung einer Wiedereinstellung kann demnach als rechtsmissbräuchlich verstanden werden. Der unberechtigterweise in den Verdacht einer schweren Verfehlung geratene Arbeitnehmer hat tatsächlich zu keinem Zeitpunkt eine Vertragsverletzung begangen und dennoch seinen Arbeitsplatz verloren. Ein solcher unschuldiger Arbeitnehmer, der selbst die Unbegründetheit des Verdachts genau kennt, könne berechtigterweise darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber nach Entkräftung des Verdachts die aus seiner zutreffenden Sicht unberechtigte Kündigung revidiert und ihn so rehabilitiert. Auch sei ein solches Vertrauen in die Wiedereinstellung vom Arbeitgeber zurechenbar hervorgerufen: Durch die 419 420 MünchKomm – Säcker, § 905 BGB Rn 18. Langer, NZA 1991, Beil. 3, 23, 27; Walker, SAE 1998, 103, 105; Ricken, NZA 1998, 460, 464; Raab, RdA 2000, 147, 148; Zöllner/Loritz ArbR, § 16 II 2 c. - 157 Inanspruchnahme des Kündigungsrechts wegen bloßen Verdachts bei unklarem Sachverhalt verzichte er bewusst darauf, dem Arbeitnehmer eine Vertragsverletzung nachzuweisen und folgerichtig eine Sachverhaltsaufklärung abzuwarten. Damit schaffe er erst die Möglichkeit, dass ein völlig unschuldiger Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliere und deshalb auf eine Rehabilitierung angewiesen sei. (5) Schutzwürdiges Vertrauen auf die Nichtausnutzung einer überschiessenden Rechtsmacht Schließlich wird auch darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Verdachtskündigung dem Arbeitgeber eine überschießende Rechtsmacht einräumt.421 Der Arbeitgeber verlagert das Risiko der Unaufklärbarkeit auf den Arbeitnehmer, weil er die Verdachtsbestätigung nicht abwarten mag (und ihm dies auch nicht zumutbar ist). Damit könnte ein entsprechendes schutzwürdiges Rehabilitationsinteresse des Arbeitnehmers verbunden sein. Der gegen den Arbeitnehmer gerichtete Verdacht, einen schweren Vertragsbruch begangen zu haben und die Wirksamkeit der damit begründeten Kündigung beeinträchtigt seine Ehre und sein berufliches Fortkommen ebenso wie der Nachweis der begangenen Tat. Diesen hat der Arbeitgeber jedoch nicht erbringen können. Mit der Verdachtsentkräftung ist ein Tatnachweis gänzlich unmöglich geworden. Vor diesem Hintergrund könnte es als illoyal angesehen werden, wenn der Arbeitgeber eine Rehabilitierung schuldig bleibt. Wenn der Arbeitnehmer schon hinnehmen muss, dass ein bloßer Verdacht, also ein naturgemäß vorübergehender Zustand, ein wichtiger Grund zur Kündigung ist, dann könnte auch ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründet sein, dass sein Vertragspartner die diskriminierenden Folgewirkungen ausgleicht, soweit der arbeitgeberseitige Interessenvorrang, Verdachtskündigungsbefugnis eingeräumt um dessentwillen wurde, sich ihm nachträglich die als unberechtigt herausstellt. Das Wiedereinstellungsvertrauen des Arbeitnehmers 421 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 474; Kaiser, ZfA 2000, 205, 225. - 158 wäre dem Arbeitgeber somit berechtigterweise zurechenbar. Die Kündigung aufgrund des bloßen Verdachts gibt den Interessen des Arbeitgebers auf Kosten der Interessen des Arbeitnehmers den Vorzug. Diese Wertung kann demnach nach Verdachtsentkräftung keinen Bestand mehr haben. Eine solche Sichtweise würde jedoch zu der Schlussfolgerung zwingen, die Ausübung der Sonderkündigungsbefugnis sei dem Arbeitgeber nicht möglich, ohne gleichzeitig einen Vertrauenstatbestand mit dem Inhalt zu setzen, dass der endgültige Verlust des Arbeitsplatzes an den Bestand der Verdachtsmomente gebunden sein soll. Dabei handelt es sich streng genommen jedoch um eine reine Fiktion. Man müsste dem Arbeitgeber konsequenterweise das Recht einräumen, im Einzelfall keinen Vertrauenstatbestand zu schaffen, nämlich durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer, keine Wiedereinstellung vornehmen zu wollen, wenn sich der Verdacht nicht bestätigen sollte. Das ist aber nicht sachgerecht, weil die Pflicht zur Rehabilitierung nicht in das Belieben des Arbeitgebers gestellt werden kann. (6) Gedanke der Wiedergutmachung: Menschenwürde, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Sozialstaatsprinzip – Artt. 1 I, 2 I, 20 I GG Nach einem ähnlichen Ansatz lässt sich die Wiedereinstellungsverpflichtung des Arbeitgebers auf verfassungsrechtliche Wertungen stützen. Neben dem Sozialstaatsprinzip wird insbesondere die Menschendwürde, jedenfalls aber herangezogen. das Der allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmer werde durch Arbeitnehmers eine wirksame Verdachtskündigung ebenso stigmatisiert wie durch eine Tatkündigung oder eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung. Stelle sich im Nachhinein seine Unschuld heraus, so habe er ein Recht auf Rehabilitierung. Da reiner Geldersatz - 159 dem kaum genügen könne, müsse dem Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch zugestanden werden.422 Daneben wird auch vertreten, es sei ein zwingendes Gebot sozialstaatlicher Erwägungen (Artt. 20 I, 28 I GG), dem unberechtigt wegen Verdachts einer schweren Verfehlung Gekündigten einen Wiedereinstellungsanspruch zuzubilligen. Bei der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung müsse die Sozialstaatsklausel noch hinter dem Prinzip der Rechtssicherheit zurückstehen. Erweise sich der Verdacht aber als unbegründet, so kehre sich diese Rangfolge um.423 Die Bedeutung der Sozialstaatsklausel für den Arbeitnehmer wird jedoch vorwiegend so beschrieben, sie solle vor allem die existenziellen Bedürfnisse des Arbeitnehmers angemessen und würdig sichern. Sie sei daher Auslegungshilfe in Fragen des Lohnes, der Sicherung bei Krankheit, Mutterschaft und Alter, des Schutzes vor Überbeanspruchung und vor leiblichen und sittlichen Gefahren, kurz der Wahrung der Menschenwürde und Beseitigung von Lebensangst und Not. Daher kommt ihr nur in sehr engen Grenzen eine anspruchsbegründende Kraft zu, wenn der Gesetzgeber den aus ihr folgenden Schutzauftrag nicht ausreichend wahrgenommen, mithin das Untermaßverbot verletzt hat.424 (7) Kritische Würdigung der Wiedereinstellungspflicht Auch gegen die Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers nach wirksamer Verdachtskündigung und Verdachtsentkräftung werden zum Teil, obwohl es sich um die erste und am weitesten akzeptierte Fallgruppe handelt, prinzipielle Einwände erhoben. 422 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 101 f. 423 Belling, RdA 1996, 223, 238. 424 Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 389 m.w.N. - 160 Kaiser425 führt an, die Wiedereinstellungspflicht erscheine nur auf den ersten Blick plausibel. Dass der Arbeitgeber einer Straftat verdächtigt werde, habe nicht der Arbeitgeber Lebensrisiko, zu nicht verantworten, anders, als sondern wenn der gehöre zum Arbeitnehmer allgemeinen Opfer eines Verkehrsunfalls oder eines Raubes und infolgedessen erwerbsunfähig werde. Der Wiedereinstellungsanspruch lasse sich auch zeitlich und sachlich kaum begrenzen, könne andererseits jedoch keineswegs unbeschränkt bestehen. Die arbeitsrechtliche Verdachtskündigung sei dem Fall426 vergleichbar, dass wegen des Verdachts der Gefährdung der Rückerstattung durch den Darlehensnehmer das Darlehensversprechen nach § 490 BGB (§ 610 BGB a.F.)427 außerordentlich gekündigt wird.428 Diesbetreffend habe der BGH jedoch zutreffend entschieden, dass spätere Umstände, die die Gefährdung der Rückerstattung ausschließen, die endgültige Darlehensverhältnisses nicht berühren.429 Auch Auflösung des das aufgrund Widerrufs erloschene Darlehensversprechen lebt nicht wieder auf, wenn der Verdacht der Vermögensgefährdung wegfällt.430 § 490 BGB regelt indes keinen der arbeitsrechtlichen Wiedereinstellungsproblematik vergleichbaren Fall. Es handelt sich lediglich um eine Zweifelsregel, die Vertragsauslegung geht vor. Zudem geht es auch nicht um den bloßen Verdacht, sondern um den objektiven Tatbestand der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse und einer darauf beruhenden Gefährdung der Rückerstattung des Anspruchs. Auch liegt die außerordentliche 425 Kaiser, ZfA 2000, 205, 228. 426 BGH (III ZR 297/88), NJW-RR 1990, 110, 111. 427 Neugefasst durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. 2001 I 3138 ff) zum 01.01.2002. 428 Kaiser, ZfA 2000, 205, 229. 429 BGH (III ZR 213/84), WM 1985, 1493, 1493 (unter 2 b). 430 Staudinger – Hopt/Mühlberg, § 609 BGB Rn 112; MünchKomm – Westermann, § 610 BGB Rn 8. - 161 Kündigung des ausbezahlten Darlehens auf einer anderen Ebene und enthält keinen allgemeinen Rechtsgedanken, den man auf die besondere kündigungsschutzrechtliche Situation im Arbeitsrecht übertragen könnte. Des weiteren wird die Befürchtung geäußert, eine arbeitsrechtliche Wiedereinstellungspflicht – auch wenn sie nur den Fall der Verdachtskündigung betreffe – könnte zu weitergehenden Annahmen für die Beendigung anderer Dauerschuldverhältnisse und damit zu einer schweren Gefährdung der Rechtssicherheit führen. So sei die Argumentation geeignet, auch in anderen Fällen des nachträglichen Wegfalls eines Kündigungsgrundes, z.B. der Ausheilung einer Krankheit oder der Verbüßung einer Freiheitsstrafe, wegen der gekündigt worden sei, einen Anspruch auf Erneuerung des früheren Vertragsverhältnisses einzuräumen. Folgerichtig müsste dann auch bei Auflösung einer Gesellschaft aus wichtigem Grund, etwa wegen des Verdachts der unredlichen Geschäftsführung durch einen Gesellschafter (§ 133 I HGB), ein Anspruch auf Wiedererrichtung der Gesellschaft bestehen.431 Gegen die Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum entkräfteten Verdacht auf Fallgestaltungen außerhalb des Kündigungsschutzrechts spricht aber, dass auf besondere Problemlagen Rücksicht nehmende Ausnahmeregelungen allenfalls durch den Rückgriff auf ein gemeinsames Prinzip auch in einem anderen Rechtsgebiet Geltung beanspruchen könnten. Zudem bestehen andere Kündigungsgründe wie Krankheit oder Freiheitsstrafe im Zeitpunkt der Kündigung als Tatsachen und können daher erst im späteren Verlauf (Ex nunc) entfallen. In den Entscheidungen des BGH und des BAG dagegen liegt zur Zeit der Kündigung lediglich ein Verdacht vor, also die bloße Annahme eines Sachverhalts. Die Rechtfertigung für die Wiedereinstellung liegt nicht im späteren Fortfall unbestritten eingetretener Tatsachen, sondern in der Falschheit der Annahme, der Entkräftung des Verdachts. Man könnte vielleicht 431 Molitor, SAE 1957, 5, 6 f; Hueck FS Hedemann, 131, 132. - 162 einwenden, auch der Verdacht sei eine Tatsache, wenn auch nur eine subjektive, und diese subjektive Tatsache habe eben damals die Kündigung gerechtfertigt, weshalb die Kündigung wirksam ist und nicht durch eine Wiedereinstellungspflicht entwertet werden dürfe. Es bleibt aber der Unterschied, dass in den einen Fällen die Kündigung auch bei vollständiger Kenntnis des objektiven Sachverhalts zulässig gewesen wäre, während in den Fällen der Verdachtskündigung nur die mangelnde Aufklärung des Sachverhalts die Kündigung ermöglichte, bei voller Kenntnis der Tatsachen dagegen die Kündigung nicht hätte erfolgen dürfen. Tritt nachträglich diese vollständige Kenntnis ein, so stellt sich heraus, dass dem Arbeitnehmer durch die Kündigung ein objektives Unrecht zugefügt worden ist. Dem Arbeitgeber ist daraus kein Vorwurf zu machen, denn die Verdachtskündigung ist nur zulässig, nachdem arbeitgeberseits alle zumutbaren Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung genutzt wurden, ohne dass sich die wahre Sachlage erweisen ließ. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Kündigung objektiv betrachtet ein Unrecht darstellt, das nur aufgrund des mangelnden menschlichen Erkenntnisvermögens zu entschuldigen ist. Es handelt sich also bei der Wiedereinstellung um eine Wiedergutmachung dieses objektiv geschehenen Unrechts, das rechtliche Geltung beanspruchen kann und muss.432 c) Ausgestaltung des Wiedereinstellungsanspruchs (1) Anforderungen an die Rehabilitierung – „Reinigungsbeweis“ und Einstellung eines Ermittlungsverfahrens Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung, so führt die Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Arbeitnehmer (§ 170 II 1 StPO) nach Auffassung des 2. Senats allein weder zur Unwirksamkeit der Kündigung noch 432 Mohnen, RdA 1957, 405, 407; Hueck FS Hedemann, 131, 142 f. - 163 zu einem Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers.433 Damit revidiert der 2. Senat seine frühere Auffassung434, wonach insbesondere ein strafgerichtlicher Freispruch zur Verdachtsentkräftung führen könne. Eine Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach § 170 II 1 StPO begründe keine, erst recht keine im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht widerlegbare Vermutung für die Unschuld des Arbeitnehmers. Sie beruhe im Wesentlichen auf der Prognose des Staatsanwalts, ob er selbst nach dem derzeitigen Sachstand wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen würde. Auch eine Einstellung nach dem Opportunitätsprinzip sei möglich. Ein Strafklageverbrauch trete durch die Einstellung nach § 170 II 1 StPO nicht ein. Das Ermittlungsverfahren könne vielmehr jederzeit auch bei gleicher Sach- und Rechtslage wieder aufgenommen werden.435 Ein Vertrauensschutz auf den Bestand der Einstellungsverfügung bestehe nicht. Eine irgendwie geartete Rechtskraftwirkung komme der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 II 1 StPO nicht zu. Gehe die Staatsanwaltschaft bei einem bestimmten Verfahrensstand davon aus, die Straftat sei dem verdächtigten Arbeitnehmer jedenfalls nicht beweisbar, so hindere dies den Arbeitgeber nicht, im Arbeitsgerichtsverfahren den Beweis für eine vollendete Straftat oder zumindest einen entsprechenden Tatverdacht zu führen. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 II 1 StPO sei damit auch nicht annähernd einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld vergleichbar und keinesfalls geeignet, den Verdacht einer strafbaren Handlung auszuräumen.436 Diese Ausführungen verdienen Zustimmung. 433 BAG (2 AZR 620/96), NZA 1997, 1340, 1340 = RdA 1998, 62, 63. 434 BAG (2 AZR 14/91), RzK I 8 c Nr. 24. 435 Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, § 170 Rn 9; Löwe/Rosenberg StPO – Rieß, § 170 Rn 45. 436 BAG (2 AZR 620/96), NZA 1997, 1340, 1342; Busch, MDR 1995, 217, 223. - 164 Es stellt sich nur noch die Frage, ob der wegen des Verdachts einer schweren Verfehlung gekündigte Arbeitnehmer den vollen Beweis seiner Unschuld antreten muss, um einen Wiedereinstellungsanspruch zu erlangen. Nach dem 2. Senat kann ein Anspruch auf Wiedereinstellung in Betracht kommen, wenn dem Arbeitnehmer wegen Verdachts einer strafbaren Handlung gekündigt worden ist und sich später seine Unschuld herausstellt oder zumindest nachträglich Umstände bekannt werden, die den bestehenden Verdacht beseitigen.437 Demnach bedarf es nicht zwingend eines Unschuldsbeweises.438 Zum Teil wird in der Lit. aber auch ein voller Unschuldsbeweis gefordert.439 Will man nicht der Verdachtskündigung als solcher ihre Berechtigung absprechen, so dürfen an die Voraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruchs, der die Grundlage für eine Rehabilitierung darstellt, keine Kündigungsgrund überhöhten Verdacht Anforderungen auf Seiten des gestellt werden. Arbeitgebers Dem entspricht spiegelbildlich die Entkräftung des Verdachts auf Seiten des Arbeitnehmers. Die Entkräftung eines Verdachts ist aber etwas anderes als der Beweis des Gegenteils. Es muss gerade auch bei der Kündigung ohne wirklichen (Tat)Kündigungsgrund ausreichen, dass die kündigungsbegründenden Umstände entfallen, der Verdacht also entkräftet wird.440 Die Entkräftung des Verdachts muss allerdings die maßgeblichen Verdachtsmomente wirklich ausräumen. Sie bloß zu erschüttern oder in Zweifel zu ziehen reicht nicht aus. Der Reinigungsbeweis ist daher der praktische Regelfall einer Verdachtsentkräftung. Eine genauere Differenzierung wird nur in Sonderfällen notwendig. 437 438 BAG (2 AZR 14/91), RzK II 3 Nr. 20; BAG (2 AZR 620/96), NZA 1997, 1340, 1342. So auch BAG (1 AZR 29/55), AP Nr. 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Bengelsdorf, AuA 1995, 196, 199; Belling, RdA 1996, 223, 238, m.w.N. 439 Kittner/Däubler/Zwanziger – Zwanziger, Einleitung Rn 390d. 440 Belling, RdA 1996, 223, 238. - 165 - (2) Verhalten des verdächtigen Arbeitnehmers Für die Verdachtskündigung besonders wichtig ist der allgemeine Grundsatz, dass eine nachvertragliche Pflicht zur Wiedereinstellung wegen Wegfalls des Kündigungsgrundes nur dann entstehen kann, wenn der Arbeitnehmer unter keinem Gesichtspunkt seine Kündigung zu vertreten hat.441 Hat bei der Verdachtskündigung der Arbeitnehmer den Verdacht letztlich selbst verursacht oder den bestehenden Verdacht durch sein Verhalten bestärkt, so kann er sich u.U. nicht auf eine Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers berufen, wenn er sich damit widersprüchlich verhalten würde.442 Unter Umständen kann die Kündigung dann sogar als verhaltensbedingte Kündigung wegen Verletzung der dem Arbeitnehmer obliegenden Pflichten erklärt werden. Das ist z.B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich weigert, an der Aufklärung von angeblich im Betrieb begangenen Straftaten oder Pflichtverletzungen mitzuwirken.443 Überlegungen zur Verdachtskündigung haben sich dann erledigt.444 Zu weit geht es demgegenüber, wenn behauptet wird, im Regelfall habe der Arbeitnehmer die Tatumstände geschaffen, aus denen der Arbeitgeber zu Recht auch unter kritischer Wertung der Begleitumstände die Kündigung ausgesprochen habe und aussprechen durfte.445 Eine dahingehende Vermutungsregel gibt es nicht. Ebenso gut könnte man grundsätzlich dem Arbeitgeber den Vorwurf mangelnder Sachverhaltsaufklärung machen. (3) Ehrenerklärung und Wiedereinstellungsanspruch Andere Stimmen sehen den Wiedereinstellungsanspruch als überschiessende Rechtsfolge an und wollen den Arbeitnehmer statt dessen auf einen Anspruch auf Zeugniskorrektur und gegebenenfalls auf Abgabe einer Ehrenerklärung 441 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2240. 442 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 754; Zwanziger, BB 1997, 42, 45. 443 Joachim, AuR 1964, 33, 33; Schütte, NZA 1991, Beil. 2, 17, 17. 444 Naujok, AuR 1998, 398, 398. 445 So Gaul, NZA 1993, 865, 872. - 166 verweisen.446 Die Rehabilitierung des Arbeitnehmers erfordere nicht zwingend seine Wiedereinstellung, oftmals reiche schon aus, dass der Arbeitgeber das bereits erteilte Zeugnis ändere.447 Die einzig überzeugende und wirksame Ehrenerklärung ist indes die Wiedereinstellung. Wo sie vorgenommen wird, erübrigt sich in der Regel jede verbale Ehrenerklärung. Ohne einen Anspruch auf Wiedereinstellung ist eine wirkliche Rehabilitierung des Gekündigten im Arbeitsleben und insbesondere bei den ehemaligen Kollegen nicht zu erreichen. Der Verdacht ist erst dann vom Tisch, wenn die auf ihn gestützte überschießende Rechtsmacht des Arbeitgebers ihr Ende findet, der Arbeitnehmer also die Möglichkeit hat, aus eigener Rechtsmacht an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Ob der Arbeitnehmer davon Gebrauch macht, obliegt seiner freien Entscheidung. Er kann die Sache – im Hinblick etwa auf ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis und eine Anschlussbeschäftigung – mit einer schriftlichen Ehrenerklärung auf sich beruhen lassen, er muss es aber nicht. Einer Ehrenerklärung kann eine zusätzliche Funktion zukommen, wenn eine Wiedereinstellung nicht möglich oder vom Arbeitnehmer nicht gewünscht ist oder wenn die Rehabilitierung des Arbeitnehmers eine Erklärung gegenüber einem größeren Kreis verlangt, etwa gegenüber der Belegschaft oder Geschäftspartnern, u.U. sogar gegenüber der Presse.448 Die Rehabilitierung stellt die Kehrseite der aus Anlass des Verdachts eingeleiteten rechtlichen und tatsächlichen Schritte dar. Keineswegs kann daher eine bloß verbale Erklärung als Rehabilitierung ausreichen. 446 447 448 von Bar, AcP 179 (1979), 452, 473. Larenz, Anm. zu BAG (1 AZR 29/95), AP Nr. 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Kaiser, ZfA 2000, 205, 228. Herschel, BlStSozArbR 1977, 113, 115. - 167 - 2. Druckkündigung Die Druckkündigung eines Arbeitnehmers erhält ihre soziale Rechtfertigung dadurch, dass Dritte (etwa die Belegschaft oder Kunden) unter Androhung von Nachteilen (Androhung von Eigenkündigungen, Verweigerung der Zusammenarbeit, Abbruch der Geschäftsbeziehungen) die Entlassung eines Arbeitnehmers verlangen.449 Ist der so erzeugte Druck durch einen verhaltensbedingten oder einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund objektiv gerechtfertigt, so liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung aussprechen.450 Es handelt sich dann nicht wirklich um eine besondere Fallgruppe, da der Druck nur den äußeren Anlass für die Kündigung darstellt, die der Arbeitgeber unter verhaltens- bzw. personenbedingten Aspekten voll zu verantworten hat. Liegen solche personen- oder verhaltensbedingten Gründe nicht vor, kommt nur eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht.451 Diese (betriebsbedingte) Druckkündigung im engeren Sinne ist nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber sich schützend vor den Arbeitnehmer gestellt452 und alles ihm sonst mögliche erfolglos versucht hat. Die Kündigung muss für ihn die einzige Möglichkeit zur Abwendung unzumutbarer eigener Nachteile sein.453 Ob die Druckkündigung Kündigungsgrund i.e.S. überhaupt ordentlicher anerkannt 449 Ring ArbR, Rn 386. 450 Berkowsky, NZA-RR 2001, 449, 452. 451 als werden oder außerordentlicher kann, ist noch nicht BAG (2 AZR 563/85), AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.; BAG (2 AZR 201/90), NZA 1991, 468, 468. 452 Berkowsky, NZA-RR 2001, 449, 452 m.w.N. 453 Lipinski, NZA 2002, 75, 79 m.w.N.; KR – Becker, § 1 KSchG Rn 270. - 168 abschließend geklärt.454 Das vorausgeschickt kommen als mögliche Anspruchsgrundlagen eines Wiedereinstellungsanspruchs im Wesentlichen die gleichen Ansätze in Betracht, wie sie auch für die Verdachtskündigung diskutiert werden. Beide Fälle haben gemein, dass bereits das Kündigungsrecht dem Arbeitgeber nur ausnahmsweise zugestanden wird, um einem zerstörten Vertrauensverhältnis oder einer besonderen Zwangslage Rechnung zu tragen, obwohl die Voraussetzungen des naheliegenden „normalen“ Kündigungsrechts aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen nicht vorliegen. Auch die Druckkündigung zeichnet sich wie die Verdachtskündigung dadurch aus, dass der Arbeitnehmer im Interesse des Betriebes die Lösung des Arbeitsverhältnisses hinnehmen muss, obwohl er sich nicht vertragswidrig verhalten hat. Auch hier könnte man daher den Arbeitgeber als zur Wiedereinstellung des Arbeitnehmers verpflichtet ansehen, wenn der Druck aufhört und damit der besondere Kündigungsgrund seine rechtfertigende Kraft verliert.455 Auch hier geht es – nicht anders als bei der Verdachtskündigung – um die Prognose des Bestehenbleibens der besonderen Umstände, die eine Weiterbeschäftigung ausnahmsweise unzumutbar machen. Der Arbeitgeber prognostiziert im Kündigungszeitpunkt, dass die Zwangslage bestehen bleibt und sich daher für den betroffenen Arbeitnehmer auch in Zukunft keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr wird finden lassen. Diese Prognose erweist sich als haltlos, wenn die Zwangslage aufhört, womit Wiedereinstellungsanspruch denkbar wird.456 454 Ablehnend Berkowsky, NZA-RR 2001, 449, 452 f. 455 MünchKomm – Emmerich, Vor § 275 Rn 319 m.w.N; MünchArbR I – Buchner, § 37 Rn 112 456 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 306. der - 169 - 3. Stellungnahme a) Rehabilitierungsanspruch auf der Grundlage von Artt. 1 I, 2 I GG Der nachträgliche Rechtfertigungsfortfall für Verdachts- und Druckkündigung liegt aus den erörterten Gründen strukturell auf einer Ebene. Eine überzeugende Handhabung für die Wiedereinstellungspflicht in diesen Fällen kann nur unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten gelingen. Der betroffene Arbeitnehmer muss hier auch Umstände gegen sich gelten lassen, die sich nicht zweiflsfrei in seine Sphäre einordnen lassen. Die im Ergebnis unberechtigte Verdachtskündigung beeinträchtigt die Ehre des Arbeitnehmers und sein berufliches Fortkommen letztlich grundlos. Ebenso stellt die Druckkündigung eine Kränkung für den Arbeitnehmer dar, der über den Umweg einer betrieblichen Zwangswirkung Umstände als Kündigungsgrund akzeptieren muss, die für sich genommen ohne diese Zwangswirkung keinen Kündigungsgrund abgeben würden. So wird nach letztlich unberechtigter Verdachtskündigung wegen Diebstahls von Arbeitgebereigentum dem Arbeitnehmer die Entkräftung des Verdachts nichts nützen, wenn er trotzdem aufgrund des unverrückbaren Beurteilungszeitpunkts an der wirksamen Kündigung festgehalten wird. Auch bleibt er in seinem beruflichen Fortkommen behindert. Ebenso stellen die kündigungsbegründenden tatsächlichen Umstände bei der Druckkündigung nicht selten eine das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen berührende Diskriminierung dar, z.B. wenn aus völlig sachfremden Gründen Kunden das Geschäft Zusammenarbeit ablehnen. meiden oder Arbeitskollegen eine weitere - 170 Zu Recht wird daher auch von einem Wiedergutmachungsanspruch für objektives Unrecht gesprochen.457 Die Sonderkündigung beinhaltet zwangsläufig auch einen stigmatisierenden Vorwurf gegen den Arbeitnehmer. Diese diskriminierende Folgewirkung muss sich der Arbeitgeber zurechnen lassen, wenn er von der Sonderkündigungsbefugnis Gebrauch macht, auch wenn er die Kündigung nicht beabsichtigt, sondern bedauert. In diesen Fällen ist das bloße Verharren in der erlangten Rechtsposition ausnahmsweise illoyal, wenn der Arbeitgeber eine Rehabilitierung schuldig bleibt, nachdem der Verdacht entkräftet oder die betriebliche Zwangswirkung überwunden ist. Der Rehabilitierungsgedanke baut auf der Einsicht auf, dass Sonderkündigungsgründe dem Arbeitgeber eine überschießende Rechtsmacht verleihen, die aufgrund ihrer Zweckbindung nicht unabhängig von der weiteren Entwicklung bestehen bleiben kann. Die Wiedereinstellungspflicht konkretisiert also die Pflicht zur Rehabilitierung des Arbeitnehmers. Sie ergibt sich insoweit aus dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht (Artt. 1 I, 2 I GG). Die auf die Ausübung der Sonderkündigungsbefugnis zurückgehenden diskriminierenden Folgewirkungen berühren den Arbeitnehmer in seiner Individualsphäre, zu der auch das berufliche Wirken gehört.458 Eine Grundrechtsverletzung wird daraus, wenn dem besonderen Kündigungsrecht nachträglich die Grundlage entzogen wird, der Arbeitgeber sich aber weigert, den Arbeitnehmer in angemessener Weise, also durch seine Wiedereinstellung, zu rehabilitieren. Anders gewendet lässt sich aus dem Untermaßverbot hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Anerkennung des Wiedereinstellungsanspruchs in diesen Fällen ableiten. Aufgrund der Anwendung des Prognoseprinzips ist andererseits die Heranziehung eines fallgruppenübergreifenden Ansatzes auch hier nicht ausgeschlossen. 457 Mohnen, RdA 1957, 405, 407; Hueck FS Hedemann, 131, 142 f. 458 Palandt – Thomas, § 823 Rn 178 m.w.N. - 171 - b) Anlehnung der Fehldiagnosekündigung an die Verdachtskündigung? Zu weit geht es aber, wenn das LAG Hamm den Fall der nachträglichen Aufdeckung einer Fehldiagnose mit der entkräfteten Verdachtskündigung in der Weise gleichsetzen will, dass es behauptet, es handele es sich wie auch bei der Verdachtskündigung um eine besondere Fallgestaltung, die eines besonderen Korrektivs bedürfe.459 Das würde nämlich den Schluss nahe legen, auch in diesem Fall habe unter Berücksichtigung des erst später gewonnen Erkenntnisstandes bereits zum Kündigungszeitpunkt ein Kündigungsgrund nicht vorgelegen. Prinzipielle Unterschiede zur Verdachtskündigung sind aber nicht von der Hand zu weisen: Der Verdacht ist ein Sonderkündigungsgrund, weil es sich um einen – nicht unbedenklichen – Vorgriff zur Tatkündigung handelt. Insoweit ist das Kündigungsrecht des Arbeitgebers von vornherein mit einer möglichen Rehabilitierungsnotwendigkeit belastet. Die krankheitsbedingte Kündigung hat bewiesene vergangene Fehlzeiten zur Grundlage. Sie stellt damit keinen Sonderkündigungsgrund dar. Der Rehabilitierungsgedanke versagt. Dem Arbeitnehmer wird nichts vorgeworfen, dessen er sich erwehren müsste. Es ist nicht etwa so, dass dem Arbeitnehmer sein eigentlicher Gesundheitszustand und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bekannt gewesen wären, er den Arbeitgeber jedoch nicht hätte überzeugen können. Vielmehr haben sich beide Vertragsteile auf die Fehldiagnose verlassen. Hier waren beide Vertragsteile über die „IstSituation“ im Kündigungszeitpunkt im Irrtum. Stellt sich später eine andere 459 Siehe hierzu bereits oben unter B.II.2.c) „Maßgeblichkeit des subjektiven Kenntnisstandes des Arbeitgebers – LAG Hamm“ auf Seite 53. - 172 Sachlage heraus, so hat keiner der Vertragspartner das bessere Recht auf seiner Seite. Von einer Rehabilitierungsnotwendigkeit, die sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und seiner Menschenwürde ableiten ließe, kann insoweit keine Rede sein. Schließlich stammt die Fehldiagnose aus der Sphäre des Arbeitnehmers. Ihm ist dieses Risiko daher eher zuzuordnen als dem Arbeitgeber. Ganz anders bei der Verdachtskündigung. Insoweit beruft sich der Arbeitgeber auf einen Sonderkündigungsgrund, weil er eine weitere Sachverhaltsaufklärung für äußerst unwahrscheinlich hält und halten darf. Wer aber die Voraussetzungen einer Tatkündigung nicht abwartet, schafft in seiner eigenen Sphäre ein kündigungsimmanentes Risiko. VIII. Vorschlag für eine kündigungsschutzrechliche Begründung 1. Prognosebedingter Wiedereinstellungsanspruch Die Anspruchsgrundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch muss sich entsprechend seiner Grundlage, dem kündigungsschutzrechtlichen Prognoseprinzip, aus dem KSchG selbst gewinnen lassen. Die Versuche einer anderen – insbesondere vertragsrechtlichen Begründung – basieren wie erörtert auf wenig überzeugenden Annahmen und zwingen zu einer Begrenzung des Anspruchs auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses, was zu wenig sachgerechten Ergebnissen führen kann und den Anspruch der Willkür gezielter Unternehmensplanung aussetzt. Die als Voraussetzung für eine Rechtsfortbildung erforderliche Regelungslücke im Gesetz ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen dem normativen Ziel des sozialen Rechtfertigungszwangs einerseits und der verwendeten prognosegestützten Rechtfertigungstechnik andererseits. § 1 II KSchG formuliert die Kündigungsgründe objektiv und mit Blick auf die Zukunft: „bedingt ist“ / „weiterbeschäftigt werden kann“. Ein Hinweis auf die jeweilige Perspektive bzw. die Erkenntnisgrundlage fehlt dagegen. Die Vorstellung des Gesetzes ist die eines mit idealem Wissen ausgestatteten - 173 objektiven Dritten. Diese Annahme ist aber mit der Rechtsgestaltungsbefugnis, die das Gesetz dem Arbeitgeber durch sein Kündigungsrecht einräumt, nicht vereinbar. Die Anerkennung eines in Voraussetzungen und Rechtsfolgen begrenzten Wiedereinstellungsanspruchs löst diesen Konflikt mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen beider Vertragspartner. Die Rechtsgrundlage des Wiedereinstellungsanspruchs sind daher die prognoseabhängigen Kündigungsschutzbestimmungen selbst. Es ist letztlich der in § 1 II KSchG angelegte Widerspruch, der nicht anders als durch eine rechtstechnisch korrekt erreichte Relativierung der Kündigungsfolgen gelöst werden kann. Durch die dem Arbeitgeber eingeräumte Gestaltungsbefugnis nimmt das KSchG nur eine vorläufige Risikozuweisung an den Arbeitnehmer vor, die zwar das Prinzip der Rechtssicherheit in den Vordergrund stellt, nach ihrer eigenen Terminologie aber den endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes nicht zu rechtfertigen vermag. Denn ob eine Kündigung durch objektive Gründe wirklich „bedingt ist“, die einer „Weiterbeschäftigung“ tatsächlich „entgegenstehen“, lässt sich im Kündigungszeitpunkt aufgrund des dem Kündigungsschutzrecht immanenten Prognoseprinzips noch nicht abschließend beurteilen. Die in § 1 II KSchG festgeschriebene Objektivierung und Zukunftsausrichtung der Kündigungsrechtfertigung verlangt daher nach einem Korrektiv insoweit, wie die rechtsgestaltenden Folgen des Gestaltungsaktes (wirksame Kündigung) die Haltbarkeit des Gestaltungsgrundes (Kündigungsrechtfertigung) überdauern. Das vom Gesetz mit der Anerkennung eines Gestaltungsrechts in den Vordergrund gestellte Prinzip der Rechtssicherheit verlangt andererseits eine Begrenzung dieses Korrektivs in der Weise, dass die Korrektur hinter dem ohne die Kündigung hypothetisch bestehenden Rechtszustand zurückzubleiben hat. § 1 II KSchG gewährt damit einen durch das vorrangige Prinzip der Rechtssicherheit begrenzten Anspruch auf begrenzte Beseitigung der Kündigungsfolgen. Nichts anderes ist der Wiedereinstellungsanspruch. Durch ihn gelingt die Lösung des Konflikts zwischen dem unbedingten Gestaltungsrecht des Arbeitgebers im Kündigungszeitpunkt einerseits und der objektivierten Zukunftsgebundenheit der Kündigungsgründe andererseits. - 174 Das Prinzip der Rechtssicherheit verlangt dabei zunächst die Anerkennung sachlicher und zeitlicher Grenzen für die Anspruchsentstehung. Der dennoch entstandene Anspruch ist wiederum insoweit einer inhaltlichen Begrenzung unterworfen, wie die Anspruchsvoraussetzungen erst nach Eintritt der Kündigungswirkung entstehen, weshalb der Anspruch nicht auf die Vergangenheit zurückwirken kann. Mit dem Wiedereinstellungsanspruch wird damit für den Ausnahmefall eines nachträglichen Wegfalls des Kündigungsgrundes durch Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose ein Mittelweg beschritten zwischen materiellrechtlich-faktischer Wirksamkeit und Unwirksamkeit der Kündigung, gleich so, wie das KSchG mit der objektivierten Zukunftsgebundenheit der Kündigungsgründe dem Arbeitgeber einen im Kündigungszeitpunkt nicht nachzuweisenden Rechtfertigungszwang auferlegt und ihm dennoch um der Rechtssicherheit willen ein Gestaltungsrecht einräumt. Damit ergibt sich der Wiedereinstellungsanspruch aus dem Schutzzweck des § 1 II KSchG; Anspruchsgrundlage ist eine rechtsfortbildende teleologische Extension der Vorschrift. Da das Korrektiv erst eingreift, sobald die Rechtfertigung der Kündigung im Verlauf der weiteren Entwicklung keinen Bestand mehr hat, sind Ansprüche (insbesondere auf Entgeltzahlung) ausgeschlossen, die vor diesem Zeitpunkt aufgrund der Wirksamkeit der Kündigung nicht zur Entstehung gelangen konnten. Die Wiedereinstellung kann daher für die Vergangenheit nicht auf die Herstellung des „Status Quo Ante“ gerichtet sein. Soweit der Wiedereinstellungsanspruch in der Rechtsfolge den Zustand nicht erreicht, wie er bei hypothetischer Unwirksamkeit der Kündigung bestünde, kommen allenfalls Sekundäransprüche in Betracht, die aus dem allgemeinen Schuldrecht des BGB eigenständig zu begründen sind. Hierauf wird noch einzugehen sein. 2. Ergänzende Überlegungen Betriebsübergang nach prognosewidrigem Auch der zusätzlich in § 613a BGB verankerte Wiedereinstellungsanspruch nach unerwartetem Betriebsübergang ist ein prognosebedingter Anspruch auf Wiederbegründung der vertraglichen Hauptpflichten. - 175 Nach einem Betriebsübergang kann sich der Wiedereinstellungsanspruch nur gegen den Erwerber richten, weil der Veräußerer den Anspruch mangels Beschäftigungsmöglichkeit nicht erfüllen kann. Mit vertragsrechtlichen Kategorien kann das nicht erklärt werden, weil zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber keine Sonderverbindung besteht. Eine Extension des § 1 II KSchG kann aber auch hier die Anspruchsgrundlage für einen Wiedereinstellungsanspruch liefern. Maßgeblich ist dabei nur das Entstehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, womit die Prognose widerlegt wird. Der Umstand, dass die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht beim ursprünglichen Vertragspartner, sondern beim Betriebserwerber auftaucht, steht dem nicht entgegen. Dies ergibt sich als negative Aussage aus dem Schutzzweck des § 613a I 1 und IV 1 BGB.460 Der Betriebsübergang als solcher ist damit kündigungsschutzrechtlich bedeutungslos und steht daher auch einem aus § 1 II KSchG gewonnenen Wiedereinstellungsanspruch auf einen anderen Arbeitsplatz nicht entgegen. Bleibt der Arbeitsplatz des Gekündigten dagegen prognosewidrig erhalten, so ergibt sich aus § 613a I 1 und IV 1 BGB eine weitere eigenständige Anspruchsgrundlage, die ihrer eigenen Zwecksetzung folgt. Der Schutzzweck des § 613a I 1 und IV 1 BGB, den Bestand der Arbeitsverhältnisse unabhängig vom Übergang des Betriebs(teils) an den Erhalt der Arbeitsplätze zu koppeln, wird mit der Anerkennung des Wiedereinstellungsanspruchs auch in den Fällen konsequent verwirklicht, in denen nach § 613a I 1 BGB nur noch ein wirksam gekündigtes Arbeitsverhältnis als eben solches bzw. nach dem Entlassungstermin kein Arbeitsverhältnis mehr auf den Erwerber übergehen kann. § 613a I 1 und IV 1 BGB überlagert insoweit die allgemeine aus § 1 II KSchG gewonnene Anspruchsgrundlage bei prognosewidrigem Erhaltenbleiben des Arbeitsplatzes nach unerwartetem Betriebsübergang. 460 Siehe oben unter C.VI.4.b)(2) „Keine Beschäftigungsmöglichkeit“ auf Seite 143. Anwendbarkeit bei bloß anderweitiger - 176 Man wird den Wiedereinstellungsanspruch im Betriebsübergangsrecht - soweit es um das prognosewidrige Erhaltenbleiben des Arbeitsplatzes geht - daher auf beide Normen stützen können. 3. Ergänzende Überlegungen Druckkündigung nach Verdachts- und Gleiches gilt für die den Arbeitgeber treffenden Wiedereinstellungspflichten nach wirksamer aber im Ergebnis haltloser Verdachts- und Druckkündigung. Die Wiedereinstellungspflicht beruht hier auf der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose mit dem Inhalt, die Verdachtsmomente bzw. die betriebliche Zwangswirkung werde in Zukunft fortbestehen und sei daher nur im Wege der Kündigung abwendbar. Zu dem allgemeinen Gedanken eines Korrektivs für die die Unwägbarkeiten des Prognoseprinzips tritt hier der Rehabilitierungsgedanke auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artt. 1 I, 2 I GG) hinzu. Damit kann auch erklärt werden, warum ein Wiedereinstellungsanspruch in diesen Fällen etwa in Bezug auf seine sachlichen und zeitlichen Grenzen großzügiger gehandhabt werden muss als in den übrigen Fällen. Auf die Einelheiten wird noch einzugehen sein. - 177 - D. Erfordernis einer bestandsschutzvernichtenden Arbeitgeberkündigung Das Prognoseprinzip als Grundlage des Wiedereinstellungsanspruchs ist indes nur bei einer Arbeitgeberkündigung zu beachten, durch die ein unter den Anwendungsbereich des KSchG fallendes Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Wird das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch Aufhebungsvertrag oder Auslaufen einer Befristungsregelung beendet, spielt das kündigungsschutzrechtliche Prognoseprinzip dagegen keine Rolle, was wegen der inneren Verknüpfung von Prognoseprinzip und Wiedereinstellungsanspruch nicht ohne Folgen bleiben kann. I. Einwendung fehlenden Kündigungsschutzes Die Prognose muss die Kündigung tragen, d.h. das Arbeitsverhältnis muss vor der Kündigung in seinem Bestand geschützt sein. So gehen Rspr.461 und Lit.462 zutreffend davon aus, dass die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes stets Voraussetzung Wiederaufleben eines des Anspruchs auf Wiedereinstellung Bestandsschutzes mit ist. Hilfe Ein eines Wiedereinstellungsanspruchs setzt also voraus, dass das Arbeitsverhältnis überhaupt in seinem Bestand geschützt war, bevor dieser Bestandsschutz durch wirksame arbeitgeberseitige Kündigung überwunden wurde. Das Kündigungsschutzgesetz, das durch das ihm immanente Prognoseprinzip die Grundlage 461 462 für den Wiedereinstellungsanspruch liefert, schützt das LAG Frankfurt (9 Sa 1077/99), ZInsO 2000, 625, 625; LAG Hamm (8 Sa 878/00), LAGE § 824 BGB Nr 1. Otto FS Kraft (1998), S. 451, 453; Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 756; Senne, AuA 1992, 301, 303; Beckschulze, DB 1998, 417, 418; Boewer, NZA 1999, 1121, 1128, 1130; Raab, RdA 2000, 147, 153; Oetker, ZIP 2000, 643, 647. - 178 Arbeitsverhältnis innerhalb seines Anwendungsbereichs allein gegen die arbeitgeberseitige Kündigung, nicht gegen Beendigungstatbestände anderer Art. Rechtliche Relevanz kann stets auch nur die nachträgliche Widerlegung einer kündigungsbegründenden Prognose erlangen. Die Falsifizierung einer Prognose, auf die es mangels Rechtfertigungsnotwendigkeit gar nicht ankam, gibt dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Wiedereinstellung. Durch den Vollzug des Wiedereinstellungsanspruchs wird dem Arbeitnehmer folglich ein Rechtszustand wieder eingeräumt, den er zuvor bereits innehatte und unter Anwendung des kündigungsschutzrechtlichen Prognoseprinzips verloren hat. Vereinzelt wird angenommen, dass Nichtbestehen des allgemeinen oder besonderen Kündigungsschutzes gebe dem Arbeitgeber gegen die Geltendmachung des Anspruchs lediglich die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung (dolo-agit bzw. dolo-petit).463 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Da in diesen Fällen die Begleitumstände der Kündigung für das Gestaltungsrecht nicht von Belang sind, kann auch die weitere Entwicklung dieser Begleitumstände keine Relevanz erlangen. Auf die Geltendmachung einer Einrede kann es dabei nicht ankommen. Kann der Arbeitgeber ohne jeden Rechtfertigungszwang frei kündigen, so ist kein Grund denkbar, warum er zur Wiedereinstellung verpflichtet sein sollte und ein hierauf gerichtetes Verlangen eigens durch Erhebung einer Einrede abwehren müsste. Dagegen ist es keineswegs erforderlich, dass sich der Arbeitnehmer zuvor gegen die ausgesprochene Kündigung mit der Kündigungsschutzklage zur Wehr setzt, denn es will nicht einleuchten, warum man vom Arbeitnehmer die Anstrengung eines aussichtslosen Prozesses fordern sollte. Vereinzelt wird jedoch die Auffassung vertreten, eine Kündigungsschutzklage sei deshalb sinnvoll, weil der Arbeitgeber andernfalls im berechtigten Vertrauen auf die 463 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 756. - 179 Wirksamkeit der Kündigung über den Arbeitsplatz disponieren könnte.464 Dem ist jedoch nicht so. Der Arbeitgeber wird durch die Erhebung einer aussichtslosen Kündigungsschutzklage sein grundsätzlich schutzwürdiges Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht einbüßen, denn diese bleibt wirksam. Er kann deshalb grundsätzlich auch über den freien Arbeitsplatz disponieren, nachdem der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage erhoben hat, solange er im Vertrauen auf den Fortbestand des Kündigungsgrundes handelt. Zu beachten ist schließlich, dass auf die Nachwirkungen des in seinem Bestand geschützten Arbeitsverhältnisses ebenso wenig im Vorwege verzichtet werden kann wie auf den Kündigungsschutz selbst. Der zwingende Charakter des Kündigungsschutzgesetzes strahlt auch auf den mit ihm zusammenhängenden Wiedereinstellungsanspruch aus.465 So wie auf den noch nicht entstandenen Kündigungsschutz antizipiert nicht verzichtet werden kann, um unbillige Ergebnisse privatrechtlicher Gestaltungsmacht in bezug auf strukturell unterlegende Vertragspartner zu vermeiden, so kann auch auf einen Wiedereinstellungsanspruch nicht schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages verzichtet werden.466 Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann sich der Arbeitnehmer durch Aufhebungsvertrag467 oder nach einer Arbeitgeberkündigung durch Abwicklungsvertrag den Bestandsschutz bzw. Kündigungsschutz als Grundvoraussetzung für einen Wiedereinstellungsanspruch – regelmäßig gegen eine Abfindung – „abkaufen“ lassen. Hiergegen bestehen ebenso wenig Bedenken wie gegen eine freiwillige Eigenkündigung. 464 Boewer, NZA 1999, 1121, 1131. 465 Oetker, ZIP 2000, 643, 647. 466 467 Anders Rolfs, ZfA 1999, 403, 465 f, der einen Verzicht außerhalb von vorformulierten Vertragstexten für zulässig hält. Siehe hierzu gleich unter D.III „Prognosekorrektur nach anderen Beendigungstatbeständen“ auf Seite 184. - 180 - II. Prognosekorrektur Arbeitsverhältnis? bei befristetem Der Wiedereinstellungsanspruch wurde von der Rspr. indes nur nach wirksamer Kündigung anerkannt. Einer Ausweitung auf die Konstellation des Wegfalls des sachlichen Grundes für eine wirksame Befristung nach deren Ablauf lehnt die Rspr. dagegen ab: Auch die mehrfach nicht eingetretene Prognose, dass ein bislang freigestelltes Betriebsratsmitglied an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, rechtfertige ohne besondere zusätzliche vertrauensbildende Umstände keinen Einstellungsanspruch seines Vertreters mit befristetem Arbeitsvertrag. Die von der Rechtsprechung zum Wiedereinstellungsanspruch bei einem Prognoseirrtum nach betriebsbedingter Kündigung entwickelten Rechtsgrundsätze seien bei wirksamer Befristung eines Arbeitsvertrages nicht entsprechend anzuwenden.468 Dem ist zuzustimmen.469 Für eine Parallele zum Wiedereinstellungsanspruch im Kündigungsfall spricht zwar, dass es in beiden Fallgestaltungen um eine bloße Prognoseentscheidung geht. Auf den ersten Blick scheint daher eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf befristete Arbeitsverhältnisse nahe zu liegen.470 Nach § 14 I TzBfG ist für die Befristung ein sachlicher Grund erforderlich, dem regelmäßig ebenso wie der betriebsbedingten Kündigung eine Prognose zugrunde liegt, beispielsweise der vorübergehende Vertretungsbedarf (§ 14 I 2 Nr. 2 TzBfG). Diese Prognose kann ebenso wie die der Kündigung zugrunde liegende Prognose nachträglich widerlegt werden, insbesondere dann, wenn sich statt eines vorübergehenden ein dauerhafter Bedarf ergibt und damit der sachliche 468 469 470 LAG Düsseldorf (11 Sa 469/99), DB 2000, 222, 222; LAG Niedersachsen (5 Sa 289/00), LAGE § 620 BGB Nr. 64. So auch LAG Düsseldorf (3 Sa 1781/99), NZA-RR 2000, 456, 456; Hunold, NZA-RR 2000, 505, 514; Bauer, BB 2001, 2526, 2527. Bejahend daher Manske, FA 1998, 143, 144. - 181 Grund für die Befristung wegfällt. Eine solche Widerlegung der Befristungsprognose berührt die Wirksamkeit der Befristung nicht, denn Beurteilungszeitpunkt des Befristungsgrundes ist der Zeitpunkt der Befristungsabrede.471 Danach eintretende Umstände müssen unberücksichtigt bleiben.472 Nun könnte man sogar argumentieren, bei Zeitverträgen mit mehrjähriger Laufzeit sei das Risiko eines Prognosefehlers für den Arbeitnehmer erheblich schwerwiegender, da es - anders als bei in der Regel überschaubaren Kündigungsfristen - um Zeiträume erheblichen Umfangs gehe. Von daher seien die der Rechtsprechung zum Wiedereinstellungsanspruch zugrunde liegenden Erwägungen umso mehr am Platze und stelle sich die Prognose zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit ebenso wie bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages als Geschäftsgrundlage der Zeitbefristung dar. Rechtlicher Ausgangspunkt der Betrachtung ist indes nicht die weitgehende Parallelität der Prognoseentscheidungen, sondern der ihnen jeweils zugrunde liegende Rechtsstatus des Beschäftigten.473 Im Falle rechtswirksamer Befristung ist der Bestandsschutz von Anfang an einer zeitlichen Beschränkung unterworfen, ein das Befristungsende überdauernder Bestandsschutz besteht nicht. Zu keiner Zeit befindet sich der Arbeitnehmer in einer auf die unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zielenden und von der Rechtsordnung insoweit geschützten Position, sondern in einem Bestand "auf Zeit". Mehr wird ihm kraft Individualvereinbarung in Anwendung des § 620 I BGB nicht eingeräumt, soweit es sich nicht um einen Umgehungstatbestand mit der Folge des § 16 TzBfG handelt. Will der Wiedereinstellungsanspruch bei Prognosefehlern im wirksam gekündigten Arbeitsverhältnis den Arbeitnehmer unter den gegebenen Voraussetzungen 471 ErfK – Müller-Glöge, § 620 BGB Rn 46. 472 Boewer, NZA 1999, 1177, 1180. 473 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 577 f. wieder in den ursprünglichen - 182 Rechtszustand – Bestehen eines unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnisses – zurückführen, so kann eine solche Korrektur im Falle der wirksamen Befristungsabrede zu keinem weitergehenden Rechtsstatus führen, als dem Arbeitnehmer vertragsgemäß zustand, nämlich dem Arbeitsverhältnis auf Zeit.474 Die Überführung des zeitlich wirksam befristet eingestellten Arbeitnehmers in ein neues, unbefristetes Arbeitsverhältnis stellt sich von daher nicht als korrigierende Wiederherstellung des ursprünglichen Vertragszustandes, sondern als ein "aliud" dar, auf welches zu keiner Zeit in Anbetracht der Wirksamkeit der Befristungsabrede ein von der Rechtsordnung gewährter Anspruch bestand. Bei anderer Betrachtungsweise wäre dem Arbeitgeber die Entscheidung über das "Ob" sowie den geeigneten Vertragspartner eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses aus der Hand genommen.475 Zutreffend geht das BAG476 daher davon aus, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Verlängerung eines wirksam befristeten Arbeitsvertrages nur ausnahmsweise, nämlich bei Vorliegen eines besonderen Rechtsgrundes anzuerkennen ist. Der bloße Wegfall des Befristungsgrundes reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages oder während seiner Laufzeit bei dem Arbeitnehmer die berechtigte Erwartung geweckt haben, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Lehnt er dennoch eine anschließende unbefristete Einstellung ab, so setzt er sich in Widerspruch zu seinem Vorverhalten und dem von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestand. Insoweit handelt es sich lediglich um eine Selbstbindung des Arbeitgebers im Einzelfall. Ein Verstoß hiergegen führt gegebenenfalls nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß §§ 474 475 476 LAG Düsseldorf (3 Sa 1781/99), NZA-RR 2000, 456, 458 = AR-Blattei ES 380 Nr 66 = LAGE § 620 BGB Nr 63. LAG Düsseldorf (11 Sa 469/99), DB 2000, 222, 222 f; LAG Düsseldorf (3 Sa 1781/99), NZARR 2000, 456, 458. BAG (2 AZR 325/88), NZA 1989, 719, 719; BAG (7 AZR 936/94), NZA 1996, 87, 89 f. - 183 241 II, 311 II Nr. 1, 280 I, 249 BGB. Dieser ist auf den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages gerichtet.477 Eine völlig andere Sichtweise vertritt Kaiser.478 Ein Wiedereinstellungsanspruch könne dem Arbeitnehmer im befristeten Arbeitsverhältnis nicht mit der Begründung vorenthalten werden, er habe nie eine rechtlich geschützte Position in bezug auf den Arbeitsplatz besessen. Die Frage des Bestandsschutzes hänge gerade vom Bestehen oder Nichtbestehen des sachlichen Grundes für die Befristung ab. Sei ein sachlicher Grund Voraussetzung für die Befristung, weil ansonsten der Bestandsschutz nach dem KSchG umgangen würde, so sei der Bestand des Arbeitsverhältnisses nur deshalb nicht geschützt, weil die Befristung sachlich gerechtfertigt war. Ob dies bei Änderung der die Befristung tragenden Umstände gelten solle, sei dann gerade die Frage. Hinsichtlich der Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsvertrages kann aber nichts anderes gelten als für die Wirksamkeit einer Kündigung. Auch insoweit kommt es auf die Umstände zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts an. War zum damaligen Zeitpunkt ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund nach § 14 I TzBfG gegeben oder nach § 14 II TzBfG nicht erforderlich, so handelt es sich um eine wirksame Befristung, die nur einen eingeschränkten Bestandsschutz vermittelt, der durch Zeitablauf suspendiert wird. Entfällt später der Grund für die Befristung, so kann das nicht nachträglich dem Arbeitnehmer zu einer Rechtsposition verhelfen, die er nie innehatte. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kommt nur zustande, wenn die Voraussetzungen für eine wirksame Befristung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorlagen (§ 16 TzBfG). Wollte man das anders sehen, so wäre der wirksam befristete Arbeitsvertrag in Wirklichkeit ein durch den Wegfall des Befristungsgrundes auflösend bedingter unbefristeter Arbeitsvertrag. 477 Boewer, NZA 1999, 1177, 1180. 478 Kaiser, ZfA 2000, 205, 227 f (dort FN 91). - 184 - III. Prognosekorrektur nach Beendigungstatbeständen? anderen 1. Problemstellung Denkbar ist auch eine Ausweitung des Wiedereinstellungsanspruchs auf andere Beendigungstatbestände als die arbeitgeberseitige Kündigung. Aufhebungsvertrag und Arbeitnehmerkündigung können aus verschiedenen Erwägungen für korrekturbedürftig gehalten werden, wobei sich die Frage stellt, inwieweit hierfür der Wiedereinstellungsanspruch eine probate Problemlösung sein kann und darf. Ein Beispiel hierfür liefert der unvorhergesehene Betriebsübergang, bei dem die Privatautonomie der Vertragsparteien und das zwingende Recht des § 613a BGB gegeneinander stehen: Selbstverständlich steht es dem Arbeitnehmer auch im Hinblick auf einen späteren Betriebsübergang grundsätzlich jederzeit frei, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag abzuschließen und sich damit auch einer möglichen Wiedereinstellungsoption zu begeben.479 Damit könnte jedoch der Schutzzweck des § 613a BGB in Konflikt geraten, die Kontinuität von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis bei einem Betriebsübergang gegen eine Arbeitgeberkündigung und möglicherweise sogar gegen einen Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu verteidigen. Werden beide Vertragspartner im Anschluss an die Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages wegen beabsichtigter Betriebsstillegung von einem unerwarteten Betriebsübergang überrascht, so könnte Wiedereinstellungsanspruch als Rechtsfolge Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) eingreifen. 479 Fischer, DB 2001, 331, 333. möglicherweise ein eines Wegfalls der - 185 Abgesehen davon könnte ein wirksamer Aufhebungsvertrag der Arbeitgeberkündigung gleichgeachtet und damit ebenfalls zur Grundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs werden. Schließlich ist auch auf mögliche Probleme im Hinblick auf ein Informationsungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder einer Arbeitnehmerkündigung einzugehen. 2. Allgemeiner Rechtsgedanke einer Gleichbehandlung auf individualrechtlicher Ebene? Denkbar wäre es, eine Wiedereinstellung auch bei wirksamem Aufhebungsvertrag für den Fall, dass der Kündigungsgrund nachträglich entfällt, mit dem Gebot der Gleichbehandlung zu begründen, zumal es dem geltenden Recht nicht fremd ist, die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigungen und Aufhebungsverträge in gleicher Weise zu erfassen, beispielsweise in § 112a I 2 BetrVG und dem nach der Richtlinie 98/59/EG neugefassten § 17 KSchG. Das BAG fordert außerdem eine Gleichbehandlung im Rahmen von Sozialplanabfindungen.480 Diese eine Gleichbehandlung anordnenden Normen reichen aber für sich allein nicht aus, um einen Wiedereinstellungsanspruch begründen, die durch Aufhebungsvertrag und für nicht Arbeitnehmer durch zu Kündigung ausgeschieden sind, denn die Zweckrichtung dieser gesetzlich angeordneten Gleichstellungen ist eine andere. § 112a I 2 BetrVG481 ist wie auch § 17 KSchG482 auf die Wahrung der kollektiven Interessen aller von einer Betriebseinschränkung bzw. einem Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer bezogen. Sie haben vor allem das Ziel, arbeitgeberseitigen Bestrebungen, die 480 BAG (10 AZR 885/94), AP Nr. 96 zu § 112 BetrVG 1972. 481 Kraft, SAE 1996, 240, 241. 482 KR – Weigand, § 17 KSchG Rn 9. - 186 Sozialplanpflicht bzw. Anzeigepflicht für Massenentlassungen zu vermeiden, im Interesse aller Arbeitnehmer den Boden entziehen. Ganz anders verhält es sich mit dem Wiedereinstellungsanspruch, der auf die Wahrung der Interessen des einzelnen Arbeitnehmers abzielt und mit der Wahrung kollektiver Rechte nichts zu tun hat.483 Für eine Gleichbehandlung unterschiedlicher individualrechtlicher Beendigungstatbestände fehlt es daher schon an einem geeigneten Anknüpfungspunkt. 3. Aufhebungsverträge im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang a) Wiedereinstellungsanspruch beim bestandskräftigen echten Aufhebungsvertrag trotz unerwarteten Betriebsübergangs? (1) Begrenzter Schutzzweck des § 613a BGB Der 8. Senat hat für den Fall, dass ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang Aufhebungsvertrages aus dem endgültig Arbeitsverhältnis ausgeschieden aufgrund war, eines keinen Wiedereinstellungsanspruch gegen den Betriebsübernehmer gewährt, solange die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages nicht wegen Anfechtung, Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder aus einem anderen Grunde beseitigt worden ist.484 Dem hat sich das LAG Bremen angeschlossen, weil § 613a BGB bei einem wirksamen Aufhebungsvertrag keinen Anspruch auf Fortsetzung gegen den Betriebserwerber gewähre.485 483 484 485 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 112. BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320, 320 = AP Nr. 185 zu § 613a BGB (unter III 2 der Gründe). LAG Bremen (1 Sa 291/98), AuR 1999, 316, 316 f. - 187 Auch die Lit. erkennt grundsätzlich keinen Wiedereinstellungsanspruch an, wenn der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung einen Aufhebungsvertrag mit sofortiger Beendigungswirkung akzeptiert.486 Für den Regelfall kann dem nicht widersprochen werden. Eine einverständliche Vertragsaufhebung ist etwas anderes als eine einseitige Kündigungserklärung. Durch den Aufhebungsvertrag verzichtet der Arbeitnehmer auf seinen Kündigungsschutz. Dann ist es wertungsgerecht, auch die Wiedereinstellung in diesen Fällen zu verneinen. Auch für den Sonderfall des Betriebsübergangs gilt nichts anders. Durch die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs in den Fällen des § 613a BGB soll der Arbeitnehmer vor den Folgen einer prognosebedingten Kündigung wegen Betriebsstillegung geschützt werden, wenn sich die Prognose im Verlauf der weiteren Entwicklung als nicht mehr haltbar erweist und es zu einem Betriebsübergang kommt. In solchen Fällen ist auch ein Aufhebungsvertrag gegebenenfalls nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage anzupassen (§ 313 I BGB) oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage i.e.S. rückabzuwickeln (§ 313 III BGB). Solange hierfür die Voraussetzungen nicht vorliegen, bleibt es bei der wirksamen einverständlichen Aufhebung des Vertragsverhältnisses. Wer sich seines Kündigungsschutzes wirksam freiwillig entäußert, entzieht damit auch einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch die Grundlage, da hierfür die Aufhebung des Bestandsschutzes durch wirksame Arbeitgeberkündigung vorausgesetzt wird. Ein Arbeitgeber, der den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses nicht durch eigene rechtsgestaltende Erklärung liquidiert hat, kann auch nicht zu seiner Wiederherstellung verpflichtet sein. Da Aufhebungsverträge regelmäßig auch die Zahlung von Abfindungen vorsehen, wird man in der Regel davon ausgehen müssen, dass sich der Arbeitnehmer seinen Kündigungsschutz und damit auch eine mögliche Wiedereinstellung vertraglich hat „abkaufen“ lassen. Unabhängig davon gebietet es die Privatautonomie, für Rechtsgestaltungsakte bestehende 486 Nägele, BB 1998, 1686, 1688; Fischer, DB 2001, 331, 332; Meyer, BB 2000, 1032, 1036; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 112 f. - 188 Schutzregelungen nicht eins zu eins auf vertragliche Übereinkünfte zu übertragen. Für den Arbeitnehmer, dem die Schließung eines Aufhebungsvertrages angeboten wird, ist im Prinzip nichts einfacher, als „nein“ zu sagen, wenn er sich die aus dem Bestandsschutz seines Arbeitsverhältnisses sich ergebenden Ansprüche offen halten will. Auch die Besonderheiten des Betriebsübergangsrechts führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Arbeitsvertragsparteien können ihr Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam durch Aufhebungsvertrag auflösen, wenn die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist.487 Auch von einer Gesetzesumgehung kann dabei folglich keine Rede sein. Kündigungsbeschränkungen werden durch Aufhebungsverträge nicht unzulässig umgangen, sondern zulässig vermieden. Wer nicht stiehlt, umgeht nicht § 242 StGB, sondern vermeidet ihn; wer nicht kündigt, sondern Aufhebungsverträge schließt, umgeht nicht die Kündigungsbeschränkungen, sondern vermeidet sie.488 Für Arbeitnehmer, Arbeitsverhältnis die aufgeben, europarechtlichen Arbeitsverhältnisses Gründen gegen aufgrund eigenen besteht auch einen den Willensentschlusses keine Anspruch auf Betriebserwerber ihr Notwendigkeit, aus Fortsetzung des einzuräumen. Die Betriebsübergansrichtlinie489 und § 613a IV 1 BGB schützen den Arbeitnehmer 487 BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320, 320. 488 So treffend Hanau, ZIP 1998, 1817, 1821. 489 Richtlinie 77/187/EWG idF Richtlinie 98/50/EG. - 189 vor einer Kündigung wegen des Betriebsübergangs; Aufhebungsverträge werden weder untersagt noch in ihrer Wirkung eingeschränkt.490 Für die (u.U. arbeitgeberseitig veranlasste) Eigenkündigung kann es nicht anders sein. Hier betätigt der Arbeitnehmer einmal mehr einen autonomen Willensentschluss. Gelingt es dem Arbeitnehmer nicht, seine Willenserklärung beispielsweise durch Anfechtung zu beseitigen, so muss er sich an dem freiwilligen Verzicht auf das Arbeitsverhältnis festhalten lassen, selbst wenn später ein hypothetischer arbeitgeberseitiger Kündigungsgrund entfallen sollte, auf den es mangels Arbeitgeberkündigung aber nicht ankam. (2) Parallele zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers Ist ein Aufhebungsvertrag im Zusammenhang mit einem bevorstehenden Betriebsübergang auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet, so ist die Vereinbarung auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam, verstößt also nicht gegen die §§ 613a, 134 BGB.491 Dies hat die (nur auf den ersten Blick seltsame) Konsequenz, dass der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis zwar beenden (Privatautonomie), nicht jedoch verschlechtern darf (gesetzliches Verbot).492 Will ein Arbeitnehmer weder beim Betriebsveräußerer noch beim Betriebserwerber weiterarbeiten, so begegnet es keinen Bedenken, wenn er mit dem Betriebsveräußerer einen Aufhebungsvertrag abschließt. So, wie der Arbeitnehmer durch Widerspruch gegen den bevorstehenden Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber dessen Fortbestand in Frage stellen kann, weil beim Betriebsveräußerer dann ein betriebsbedingter Kündigungsgrund entsteht, kann er auch gleich einen Aufhebungsvertrag schließen. Die auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers gerichtete Vereinbarung fällt nicht in den 490 491 492 BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320, 324; LAG Bremen (1 Sa 291/98), AuR 1999, 316, 316 f. BAG (3 AZR 154/95), NZA 1996, 207, 208; BAG (8 AZR 654/95), NZA 1999, 262, 262; BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320, 320 und 323 = AP Nr. 185 zu § 613a BGB. Nicolai, ZfA 1999, 617, 635. - 190 Schutzbereich des § 613a IV BGB, der keinen Schutz vor einer einverständlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund bezweckt, sondern den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses lediglich möglich machen will.493 b) Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) beim echten Aufhebungsvertrag (1) Voraussetzungen Beim Aufhebungsvertrag kann ein Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) eingreifen, wenn Grundlage des Vertrages die beiderseitige Erwartung des bevorstehenden Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit war, die Vertragsparteien also einer arbeitgeberseitigen Kündigung zuvorkommen wollten, die andernfalls unvermeidbar gewesen wäre. Voraussetzung für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage ist dann, dass sich nach Abschluss des Aufhebungsvertrages das Erhaltenbleiben einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit wider Erwarten herausstellt, etwa weil sich für den stillzulegenden Betrieb unerwartet ein Betriebsübernehmer gefunden hat. Zwar kann einem Arbeitnehmer stets zugemutet werden, bei einem sich abzeichnenden Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit eine arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten, also nicht vorschnell das Arbeitsverhältnis aufzugeben. Eine Verstoß gegen diese Obliegenheit kann durchaus (zumindest sozialversicherungsrechtliche494) Konsequenzen haben. 493 494 So im Anschluss an Hanau, ZIP 1998, 1817, 1821 f: BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320, 323; Müller-Glöge, NZA 1999, 449, 455. Nach verschärfter Weisungslage bei der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund Durchführungsanweisung 1.532 Abs. 1 (NZA 1997, 430), sind Eigenkündigung und Aufhebungsvertrag auch dann nicht als wichtiger Grund anzusehen, der dem Eintritt einer Sperrzeit i.S.von § 144 I Nr. 1 SGB III entgegensteht, wenn sich der Arbeitnehmer zutreffend darauf beruft, dass ihm andernfalls arbeitgeberseitig gekündigt worden wäre. Gemäß § 144 III 2 Nr. 1 SGB III tritt folglich eine Sperrzeit von mind. 3 Wochen auch dann ein, wenn der - 191 Damit ist aber die Frage nach einem möglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage noch nicht präjudiziert. Regelmäßig wird es nämlich so sein, dass der Arbeitnehmer beim Abschluss des Aufhebungsvertrages von einem endgültigen Wegfall seines Arbeitsplatzes ausgeht.495 Entscheidend kommt es hier auf die Vertragsauslegung an. Geht der Parteiwille dahin, unabhängig von der weiteren Entwicklung einen endgültigen Schlussstrich unter die vertragliche Beziehung zu setzen, so besteht keine Veranlassung, die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages in Zweifel zu ziehen, wenn sich die betrieblichen Umstände, mit denen der Vertrag gerade nicht stehen und fallen sollte, nachträglich ändern. Wer sich frei von Zwängen zu einer Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses entschließt, weil er z.B. einen anderen Arbeitsplatz gefunden hat oder eine seit langem gehegte Planung verwirklicht, sich selbstständig zu machen, hat keinen Wiedereinstellungsanspruch bei Wegfall eines fiktiven Kündigungsgrundes, weil dieser nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden ist.496 Bezieht sich der Parteiwille jedoch darauf, gerade der gegenwärtigen betrieblichen Situation gerecht zu werden und einer arbeitgeberseitigen Kündigung zuvorzukommen, wofür es verschiedene Gründe geben kann, beispielsweise dass wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung Nachteile für das berufliche Fortkommen befürchtet werden, dann spricht nichts dagegen, sorgsam zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gegeben sind: Es muss sich um Umstände handeln, die nicht Vertragsbestandteil geworden sind und die sich nach Vertragsschluss entscheidend verändert haben. Arbeitslose die bevorstehende Arbeitgeberkündigung nicht abwartet, sondern sein Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag selbst löst und dadurch vorsätzlich die Arbeitslosigkeit herbeiführt. 495 496 Hergenröder, Anm. zu BAG (2 AZR 140/97), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 3. Meyer, BB 2000, 1032, 1036. - 192 Die Parteien müssten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen haben. Das Festhalten am unveränderten Vertrag muss für den einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein.497 In der Regel wird es sich bei der Unabsehbarkeit der weiteren Entwicklung um einen Umstand handeln, der ohnehin in das vertraglich übernommene Risiko des Arbeitnehmers fällt, sofern dieser nach der getroffenen Vereinbarung einen finanziellen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält.498 Dann ist ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen. Diese Regelvermutung hat jedoch allenfalls den Charakter eines ersten Anscheins. Der Einzelfall kann anders liegen. Auch wenn rechtstechnisch eine Lösung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage problematisch erscheint, so überzeugt doch das Ergebnis, die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages, dessen Abschluss im Einzelfall durch die Erwartung zukünftiger Umstände und die mit ihnen nach der Vorstellung der Parteien einhergehenden Zwänge motiviert war, nicht unabhängig von der weiteren Entwicklung dieser Umstände zu beurteilen, soweit die Voraussetzungen einer Geschäftsgrundlage gegeben sind. (2) Rechtsfolge Für die Wiedereinstellungsproblematik kommt es nun darauf an, welche Rechtsfolge der Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Aufhebungsvertrag herbeiführt, und inwieweit davon der Erwerber betroffen ist. Beim noch zu erörternden Parallelproblem des Abwicklungsvertrags nach wirksamer Kündigung muss das Arbeitsverhältnis in jedem Fall neu begründet werden, 497 Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040). 498 Moll/Reufels, EWiR 1999, 995, 996. - 193 denn auch bei Unwirksamkeit des Abwicklungsvertrages bleibt die zuvor erklärte wirksame Kündigung bestehen. Beim Aufhebungsvertrag ist dagegen eine Wiedereinstellung gar nicht erforderlich, wenn sich dessen Unwirksamkeit im noch bestehenden Arbeitsverhältnis herausstellt, das dann problemlos über das zunächst vereinbarte Ende hinaus fortgesetzt werden kann. Hierzu bedarf es nach § 313 III 1 BGB einer Erklärung, durch die der Arbeitnehmer das ihm zustehende gesetzliche Rücktrittsrecht ausübt. Eine vorrangige Vertragsanpassung (§ 313 I und II BGB) kommt hier nicht in Betracht, da sich anders die letztlich grundlos verloren gegangene Existenzgrundlage des Arbeitnehmers nicht wieder herstellen lässt. Würde die Unwirksamkeit auf den Zeitpunkt der Vornahme des Aufhebungsvertrages zurückwirken, ginge es stets um eine bloße Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage lässt Rechtsfolgen allerdings stets erst Ex nunc eintreten. Wenn mit dem Betriebsübergang sich zeitgleich der Rückgewährschuldverhältnis umwandelt, Aufhebungsvertrag weil in ein dessen Geschäftsgrundlage entfällt, kann die Rechtsfolge des § 613a I 1 BGB für den Betriebserwerber nur dann noch eingreifen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon beendet ist. Der Erwerber tritt dann „ipso iure“ in das zum Veräußerer bestehende Arbeitsverhältnis ein, es handelt sich um einen gesetzlich angeordneten Vertragspartnerwechsel.499 Der Aufhebungsvertrag kann die von ihm angestrebte Rechtsfolge in diesem Fall gar nicht erst herbeiführen, wenn er mit einer Auslauffrist verbunden worden ist und vor seinem Wirksamwerden durch einen unvorhergesehenen Betriebsübergang überholt wird. In diesem Fall bewirkt der Wegfall der Geschäftsgrundlage, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern mit dem Erwerber fortgesetzt wird. 499 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 253. - 194 Hat der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis aber bereits beendet, bevor es unvorhergesehen zu einem Betriebsübergang kommt, so bedarf es eines Wiedereinstellungsanspruchs, um die vertraglichen Hauptpflichten mit Wirkung Ex nunc neu zu begründen. Diesen als Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu sehen, bereitet allerdings Schwierigkeiten, denn die erforderliche Neubegründung vertraglicher Hauptpflichten ist etwas anderes als die in §§ 313 III 1, 346 I BGB vorgesehene Rückgewähr empfangener Leistungen. Die Wiederherstellung des „Status Quo Ante“ ließe sich schon eher über einen Schadensersatzanspruch begründen. Der Besonderheit, dass es beim Aufhebungsvertrag nicht um den „Normalfall“ eines Leistungsaustausches geht, sondern um die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses, muss folgerichtig auch in der Ausgestaltung der Rechtsfolge Rechnung getragen werden, weshalb ein Wiedereinstellungsanspruch nach arbeitsrechtlichem Aufhebungsvertrag über den Wegfall der Geschäftsgrundlage mit Rücksicht auf die Entwicklung des Instituts aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) wohl vertretbar sein dürfte. c) Sonderproblem des vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrages bzw. der von ihm veranlassten Eigenkündigung - § 123 BGB (1) Informationsasymmetrie Neben dem Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen nachträglicher Veränderung der maßgeblichen Umstände Gesetzesumgehung i.S.v. § ist auch 134 BGB die oder Annahme eine einer objektiven Anfechtbarkeit des Aufhebungsvertrages gemäß § 123 I BGB denkbar, wenn zwischen den Vertragspartnern eine Informationsasymmetrie besteht. Ausgangspunkt ist folgender: Der Arbeitgeber weiß im Unterschied zum Arbeitnehmer vom bevorstehenden Betriebsübergang oder dessen Rechtsfolgen und nutzt diesen Informationsvorsprung, um einen Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung zu erreichen und so die Rechtsfolgen des § 613a BGB zu umgehen. - 195 - (2) Entsprechende Anwendung von § 613a BGB? Es ist vorgeschlagen worden, echte (also auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers gerichtete) Aufhebungsverträge am Schutzzweck des § 613a BGB zu messen, wenn sie auf Druck des Arbeitgebers geschlossen werden.500 Man könnte diesen Gedanken ebenso auf vom Arbeitgeber veranlasste Eigenkündigungen anwenden und mit Hilfe von § 613a I 1 und IV 1 BGB einen Wiedereinstellungsanspruch rechtfertigen. (a) Gleichbehandlung von „veranlasster“ Eigenkündigung bzw. „veranlasstem“ Aufhebungsvertrag mit der Arbeitgeberkündigung? Eine Ausdehnung der den Arbeitgeber treffenden Wiedereinstellungspflicht auf den Fall der vom Arbeitgeber „veranlassten“ Eigenkündigung oder des von ihm „veranlassten“ Aufhebungsvertrages könnte mit dem Argument verteidigt werden, der Arbeitgeber dürfe sich nicht durch die Art und Weise der rechtstechnischen Gestaltung des Beendigungstatbestandes einer Wiedereinstellungspflicht entziehen. Im Anwendungsbereich zwingenden Rechts sei Umgehungstatbeständen wirksam vorzubeugen.501 Wenn und soweit bei Arbeitgeberkündigung ein Wiedereinstellungsanspruch anzuerkennen ist, dürfe auch bei vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen nichts anderes gelten.502 Es komme jeweils auf die Motive an, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben und nicht auf die Form.503 Der arbeitgeberseitigen Kündigung stehe es daher gleich, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund der Mitteilung des Arbeitgebers, den Betrieb oder einen Teil hiervon zu schließen, im Hinblick auf den bevorstehenden Wegfall des Arbeitsplatzes von sich aus das Arbeitsverhältnis kündigt. Gleiches 500 KR – Pfeiffer, § 613a BGB Rn 115a; Erman – Hanau, § 613a BGB Rn 71, 120; Hanau, ZIP 1999, 324, 325. 501 So Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 576. 502 Nägele, BB 1998, 1686, 1687; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 577. 503 Nägele, BB 1998, 1686, 1689. - 196 müsse gelten, wenn der Arbeitnehmer im Vorfeld einer angekündigten betriebsbedingten Kündigung der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustimmt.504 (b) Parallele zur Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Hinblick auf differenzierende Sozialplanansprüche? Hierfür könnte auch eine ähnliche Argumentation des BAG im Hinblick auf eine unterschiedliche Behandlung bei Sozialplanansprüchen streiten. Werden Arbeitnehmer Abfindungszahlungen im Hinblick unterschiedlich auf behandelt, Sozialplanansprüche je nachdem, ob auf das Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung oder durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet wurde, so soll nach dem 10. Senat ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber diese Beendigungstatbestände veranlasst hat. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder einer Eigenkündigung in der Weise „veranlasst“ werden, dass der Arbeitgeber final auf die Entschließung des Arbeitnehmers einwirkt, mit dem Ziel, ihn zu einer solchen Willenserklärung zu bestimmen.505 Eine Veranlassung soll nur dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendige Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügen nicht.506 Der 10. Senat geht mithin davon aus, dass die „Veranlassung“ bzw. das „Bestimmen“ zu einer Eigenkündigung oder der Zustimmung zu einem 504 Nägele, BB 1998, 1686, 1687. 505 Kraft, SAE 1996, 240, 242. 506 BAG (10 AZR 885/94), SAE 1996, 236, 236. - 197 Aufhebungsvertrag die an sich gegebene sachliche Differenzierung beseitige und sie deshalb gleichheitswidrig und damit unwirksam mache. In Übertragung dieser Rspr. könnte man annehmen, auch für den Wiedereinstellungsanspruch dürfe nicht zwischen einer Arbeitgeberkündigung und diesen Beendigungstatbeständen differenziert werden, wenn sie nur auf Veranlassung des Arbeitgebers zur Vermeidung einer arbeitgeberseitigen Kündigung zustande kamen und der Arbeitnehmer hierzu bestimmt worden ist. (c) Vertragsfreiheit in den Grenzen des § 123 BGB Dabei handelt es sich jedoch um einen besonderen Problemkreis. Die „Veranlassung“ des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages oder einer Eigenkündigung kann unter dem Gesichtspunkt des § 123 I BGB ein Anfechtungsrecht begründen, wenn eine arglistige Täuschung (beispielsweise über die Ernsthaftigkeit der Stillegungsabsicht / das Bevorstehen eines Betriebsübergangs) oder eine widerrechtliche Drohung (mit einer unberechtigten Kündigung, die ein verständiger Arbeitgeber nicht ernsthaft erwogen hätte) vorliegt.507 Auch an der Berechtigung einer Gleichbehandlung von arbeitgeberseitig „veranlassten“ Aufhebungsverträgen und Eigenkündigungen mit Arbeitgeberkündigungen im Hinblick auf Sozialplanansprüche werden schließlich Zweifel erhoben. Denn wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung normalerweise keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer zu einer Eigenkündigung oder zum Abschluss von Aufhebungsverträgen zu zwingen oder auch nur Druck auf ihn auszuüben, ist nicht einzusehen, warum z.B. der Hinweis auf eine Verschlechterung der betrieblichen Situation und auf möglicherweise erforderlich werdende Kündigungen, verbunden mit der Anregung 507 von Eigenkündigungen So auch Hanau, ZIP 1999, 324, 325. oder des Abschlusses von - 198 Aufhebungsverträgen ein Verhalten darstellen soll, dass eine Gleichbehandlung ganz unterschiedlicher Beendigungsformen rechtfertigt.508 Um die Grenzen zulässiger und unzulässiger Gestaltungsformen auszuloten, stehen andere Korrektive bereit. Neben einer Anfechtungsmöglichkeit ist auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage denkbar. Beide treffen den Regelsachverhalt sicherlich nicht.509 Innerhalb dieser Grenzen sind die Vertragspartner gerade frei in ihrer Entscheidung, das Arbeitsverhältnis einverständlich aufzuheben und die damit möglicherweise verbundenen Nachteile für den Arbeitnehmer finanziell auszugleichen oder dies nicht zu tun. Im Falle einer Eigenkündigung darf zudem der Arbeitgeber regelmäßig davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer bereits einen anderen Arbeitsplatz gefunden hat. Eine Rechtsfortbildung, die auch den echten Aufhebungsvertrag oder gar die (vom Arbeitgeber veranlasste) Arbeitnehmerkündigung in den Anwendungsbereich des § 613a BGB mit einbezöge, lässt sich weder auf § 613a BGB, noch auf die Betriebsübergangsrichtlinie stützen und würde von dem allgemeinen Prinzip abweichen, dass zwingende Kündigungsschutzvorschriften nicht für Aufhebungsverträge gelten, letztere vielmehr Ausdruck der Vertragsfreiheit und daher allenfalls anfechtbar sind.510 (d) Objektive Gesetzesumgehung - §§ 613a, 134 BGB? Fischer511 schlägt vor, eine objektive Umgehung des § 613a BGB anzunehmen, wenn allein der Arbeitgeber von dem nahenden Betriebsübergang weiß, den Arbeitnehmer hierüber nicht informiert und unter Hinweis auf den baldigen Wegfall des Arbeitsplatzes wegen angeblicher Stillegung des Betriebes den Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder eine Eigenkündigung erreicht. Insoweit handele es sich um einen mit dem Normzweck unvereinbaren 508 Kraft, SAE 1996, 240, 242. 509 So auch Moll/Reufels, EWiR 1999, 995, 996. 510 Hanau, ZIP 1999, 324, 325. 511 Fischer, DB 2001, 331, 333. - 199 Gestaltungsmissbrauch. Der Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes wird zunächst nur dem Arbeitgeber bekannt sein. Nutzt er diesen Informationsvorsprung aus, um die Rechtsfolgen des § 613a BGB zu umgehen, so sei der Aufhebungsvertrag bzw. die Eigenkündigung gemäß § 134 i.V.m. § 613a I 1 BGB nichtig. Eine i.S.v. § 613a V BGB ordnungsgemäße Unterrichtung beseitige das Risiko einer Umgehung von § 613a BGB, da hiernach der Arbeitnehmer frei entscheiden könne, ob er auf den durch die Vorschrift vermittelten Schutz verzichten wolle oder nicht. Angesichts der objektiven Umgehung des § 613a BGB solle man den Arbeitnehmer nicht allein auf ein Anfechtungsrecht verweisen. Gegen die Annahme einer objektiven Gesetzesumgehung spricht jedoch die bereits vertiefte Überlegung, dass § 613a BGB und die ihm zugrunde liegende Betriebsübergangsrichtlinie im Hinblick auf echte Aufhebungsverträge keine positive Aussage enthalten, und zwar auch dann nicht, wenn die Umstände des Zustandekommens des Aufhebungsvertrages zweifelhaft sind. Ist der Aufhebungsvertrag selbst mit einem Mangel behaftet, so ist dem Arbeitnehmer als Vertragspartner auch zuzumuten, sich darauf im Wege der Anfechtung zu berufen. Erweist sich dann der Aufhebungsvertrags dennoch als wirksam, so kann auch keine Gesetzesumgehung vorliegen. Erweist er sich als nichtig (§ 142 I BGB), so greift unmittelbar § 613a I 1 BGB ein. Im Übrigen würde die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB sonst auch dann eingreifen, wenn der Arbeitnehmer bereits nicht mehr an einer Weiterbeschäftigung interessiert ist, während ihm ein Anfechtungsrecht ebenso wie das Widerspruchsrecht des § 613a VI BGB ein Wahlrecht einräumt. (3) Fazit Abschließend bleibt festzuhalten, dass die arbeitgeberseitige „Veranlassung“ des Arbeitnehmers zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder zu einer Eigenkündigung nicht die Anwendung des § 613a BGB, auch nicht in der Ausformung eines Willenserklärung des Wiedereinstellungsanspruchs, Arbeitnehmers unter rechtfertigt. Berücksichtigung Hat die allgemeiner zivilrechtlicher Regeln Bestand, so stehen die Beendigungstatbestände „Aufhebungsvertrag“ und „Eigenkündigung“ der Entstehung eines - 200 Wiedereinstellungsanspruchs entgegen. Hat die Willensäußerung des Arbeitnehmers keinen Bestand, so kann entweder § 613a I 1 BGB noch direkt eingreifen oder nach dem Vorgesagten auch ein Wiedereinstellungsanspruch entstehen. - 201 - E. Reichweite der Wiedereinstellungspflicht I. Unerwartet erhalten gebliebener, frei gewordener und neu entstandener Arbeitsplatz Für den Anwendungsbereich des Anspruchs von Bedeutung sind schließlich die sachlichen Anforderungen an den Fortfall des Kündigungsgrundes. In Ergänzung zu den drei Grundarten der sozial gerechtfertigten Kündigung nennt § 1 II KSchG in seinen Sätzen 2 und 3 weitere sog. absolute Kündigungsgründe. So kann ein grundsätzlich gegebener betriebs-, personen- oder verhaltensbedingter Grund, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, den Arbeitnehmer auf seinem Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, trotzdem keine soziale Rechtfertigung beanspruchen, wenn sich eine anderweitige zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit auf Betriebs- oder Unternehmensebene finden ließe oder zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen ermöglichen und der Arbeitnehmer sich mit der Veränderung einverstanden erklärt. Entfällt nun der einmal gegebene Kündigungsgrund allein dann, wenn sich das Arbeitsverhältnis genau so wieder herstellen ließe, wie es vor der Kündigung bestand? Kann der Arbeitnehmer auch die Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz verlangen? Richtet sich der Wiedereinstellungsanspruch damit auch auf die Herstellung eines anderen Arbeitsverhältnisses? Praktisch ist vor allem der Fall, dass der Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz eingestellt werden möchte, der erst nach seiner Kündigung unvorhergesehen frei geworden ist oder aber völlig neu geschaffen wurde. II. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit entspr. § 1 II 2 Nr. 1 b) und Nr. 2 b) KSchG Die klassischen Fälle des Wiedereinstellungsanspruchs betrafen stets Fallgestaltungen, in denen ein Arbeitnehmer auf „seinen“ Arbeitsplatz wieder einsgestellt werden wollte, der entgegen der arbeitgeberseitigen Prognose im - 202 Kündigungszeitpunkt doch erhalten geblieben war, etwa, weil der Betrieb nicht wie beabsichtigt stillgelegt, sondern unerwartet fortgeführt worden war oder sich unerwartet ein Betriebsübernehmer fand. Die Verknüpfung des Wiedereinstellungsanspruchs mit dem durch § 1 KSchG intendierten Bestandsschutz lässt aber auch eine Wiedereinstellung auf einen anderen als den vom Arbeitnehmer vormals besetzten Arbeitsplatz zu. Wenn wegen § 1 II 2 Nr. 1 b) bzw. Nr. 2 b) KSchG die Kündigung sich auch deshalb als unwirksam erweisen kann, weil sich eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens ergibt, dann will nicht einleuchten, die Wiedereinstellungspflicht auf den Fall des erhalten gebliebenen Arbeitsplatzes zu beschränken, zumal das Prognoseprinzip auch die Nichtabsehbarkeit anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten mit einbezieht.512 Eine solche anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit entsteht beispielsweise dann, wenn unvorhergesehen ein sozial schutzwürdigerer Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch aus dem Betrieb ausscheidet und der freigewordene Arbeitsplatz für einen der Gekündigten funktional in Frage kommt.513 Entscheidend muss es darauf ankommen, dass in diesen Fällen die Kündigung unter Berücksichtigung der nachträglich sich ergebenden Umstände wirksam nicht mehr hätte erklärt werden können.514 So hat auch der 7. Senat in der Entscheidung vom 06.08.1997515 die Wiedereinstellungsklage zu geänderten Vertragsbedingungen (Beschäftigung des vormals als Wagenpfleger tätigen Arbeitnehmers als Fahrer516) nicht 512 So auch Furier, AiB 1999, 246, 247. 513 Hinrichs, AiB 1997, 615, 616. 514 BAG (2 AZR 369/89), AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung (B II 5 der Gründe m.w.N.); Berkowsky Kündigung, § 3 Rn 42 ff. 515 BAG (7 AZR 557/96), MDR 1998, 422 ff = NZA 1998, 254 ff. 516 Siehe Zusammenfassung des Tatbestandes oben auf Seite 8. - 203 beanstandet. Die Klage erwies sich nach Auffassung des Senats schließlich nur deshalb als unbegründet, weil die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit sich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist ergeben hatte. In seiner Entscheidung vom 28.06.2000517 hat der 7. Senat im Anschluss an Boewer518 schließlich feststellt, dass ein Wiedereinstellungsanspruch nicht nur dann anzunehmen ist, wenn wider Erwarten der bisherige Arbeitsplatz doch erhalten bleibt, sondern auch, wenn sich eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem unvorhergesehen frei gewordenen oder neu geschaffenen Arbeitsplatz ergibt, auf den der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Änderung des Arbeitsvertrages einseitig könnte.519 umsetzen Eine derartige anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit hätte nämlich, sofern sie bei Ausspruch der Kündigung bereits vorhanden gewesen wäre, der Wirksamkeit der Kündigung gemäß § 1 II 2 Nr. 1 b KSchG entgegengestanden. Für die kündigungsbegründende Prognose kommt es darauf an, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht oder nicht. Bezogen auf die Wirksamkeit der Kündigung ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorhandensein eines geeigneten freien Arbeitsplatzes der Zugang der Kündigungserklärung. Gegenstand des Wiedereinstellungsanspruchs sind auch solche Beschäftigungsmöglichkeiten, die bis zum entstehen.520 Zeitpunkt Auf der letzten welchem mündlichen Arbeitsplatz Tatsachenverhandlung diese zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit entsteht, darf dagegen folgerichtig keine Rolle spielen. 517 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1784. 518 Boewer, NZA 1999, 1121, 1132. 519 520 So i.E. auch Beckschulze, DB 1998, 417, 419, der zu Recht die theorätische Möglichkeit der Wiedereinstellung auf einen anderen Arbeitsplatz zu anderen Arbeitsbedingungen, die sich nicht in den Grenzen des Direktionsrechts bewegen, ablehnt. BAG (7 AZR 891/98), NZA 2000, 894, 897. - 204 Die Gegenansicht mahnt zur Zurückhaltung, um die dem Arbeitgeber nach wirksamer Kündigung zu gewährende Rechtssicherheit nicht zu weit einzuschränken, und weist auf praktische Probleme hin. Es gibt in einem größeren Unternehmen nicht „den Arbeitgeber“, sondern unterschiedlich strukturierte Formen der Personalverwaltung mit verschiedenen Entscheidungsträgern, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass der Wegfall eines Kündigungsgrundes durch die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose überhaupt stets demjenigen Entscheidungsträger bewusst wird, dem die Kündigungsentscheidung oblag. Bleibt ein Arbeitsplatz nach betriebsbedingter Kündigung unerwartet erhalten, so wird das dem die Kündigungsentscheidung verantwortenden Entscheidungsträger regelmäßig problemlos auch bewusst werden, weshalb er dem zuvor gekündigten Arbeitnehmer seine Wiedereinstellung anbieten kann. Anders verhält es sich aber mit unerwarteten anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens (vgl. § 1 II 2 KSchG). Insoweit werden erhebliche Informationsprobleme befürchtet, die sich wohl bei einer zentralen Personalabteilung im Unternehmen noch beherrschen ließen, wenn diese sicherstellt, dass ihr alle im Unternehmen frei werdenden und neu geschaffenen Stellen gemeldet werden, damit sie überprüfen kann, ob diese Arbeitnehmern angeboten werden müssen, denen zuvor betriebsbedingt gekündigt wurde. Eine kaum zu bewältigende Situation entstehe jedoch, wenn es sich um ein dezentral organisiertes Unternehmen handele, das seinen Betriebsleitern eine selbstständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis einräume. Die Rechtsprechung könne dazu zwingen, an dieser Verselbstständigung von Betrieben erhebliche Abstriche vorzunehmen, wenn sich „der Arbeitgeber“ nicht vorhalten lassen wolle, er habe einen freien Arbeitsplatz bösgläubig bzw. in Kenntnis des Wiedereinstellungsverlangens treuwidrig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt. Um dieses Problem zu vermeiden, sei zumindest in diesen Unternehmen ein zentrales - 205 Informationssystem erforderlich, das Auskunft über die in anderen Betrieben gekündigten Arbeitnehmer sowie die freien Arbeitsplätze gibt.521 In größeren Unternehmen würden sich zudem durch Personalfluktuation nahezu stets freie Stellen finden, zumal hierbei auch freie Stellen in anderen Betrieben desselben Unternehmens zu berücksichtigen sind (§ 1 II 2 Nr. 1 b) und Nr. 2 b) KSchG). Es würde zu weit gehen, wenn der Arbeitgeber gezwungen würde, sich auch in bezug auf nach Zugang der Kündigung überraschend frei werdende Stellen mit dem Arbeitnehmer darüber auseinander zu setzen, ob der Arbeitnehmer auf diesem Arbeitsplatz – unter Umständen nach entsprechender Umschulung – beschäftigt werden könnte. Der Arbeitgeber habe vielmehr ein berechtigtes Interesse daran, die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nur punktuell, nämlich zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, mit der vom KSchG geforderten Intensität prüfen zu müssen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn sich die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers auf dem frei gewordenen Arbeitsplatz dem Arbeitgeber geradezu aufdrängen müsste, also Wiedereinstellungsanspruch in Evidenzfällen. des Allein Arbeitnehmers insoweit im Hinblick könne ein auf eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit begründet sein.522 Die Außerachtlassung nicht evidenter anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten für die Wiedereinstellung ist nach der hier vertretenen Auffassung weder praktikabel noch vor dem Hintergrund des Prognoseprinzips begründbar oder aus dem Prinzip der Rechtssicherheit ableitbar. Eine andere Möglichkeit bestünde indes darin, das beschriebene Informationsproblem, das sich ja nur bei dezentral organisierten Unternehmen größeren Zuschnitts im Falle einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit 521 Oetker, ZIP 2000, 1787, 1788 f. 522 Raab, RdA 2000, 147, 154. - 206 ergeben kann, durch eine Berücksichtigung der Interessen des Einzelfalls im Rahmen einer wertenden Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Im Ausnahmefall könnte dann auch eine die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit vernichtende Disposition als schutzwürdig anerkannt werden, die nach (pauschalierter) Kenntnisnahme des Arbeitgebers vom Wegfall des Kündigungsgrundes bzw. nach dem Wiedereinstellungsverlangen des Arbeitnehmers in einem anderen Betrieb des Unternehmens vorgenommen wird als dem, aus dem der seine Wiedereinstellung verlangende Arbeitnehmer stammt. Dispositionen in anderen Betrieben wären also generell gutgläubig, wenn man davon ausginge, dass der entlassende Betrieb anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben nicht beachten bräuchte. Diese Sichtweise widerspricht aber der unternehmensbezogenen Prüfungspflicht aus § 1 II 2 Nr. 1 b) KSchG. Eine solche die Unternehmensgröße und –struktur berücksichtigende Gesamtabwägung wäre auch nicht sachgerecht. Sie würde dem Arbeitgeber erlauben, die eigenen Informations- und Organisationsdefizite gegen den Arbeitnehmer zu wenden. Das aufgezeigte Informationsproblem wird zudem oft schon gar nicht praktisch. Zunächst ist zu bedenken, dass der für seinen Wiedereinstellungsanspruch darlegungs- und beweispflichtige Arbeitnehmer diesen auch für ihn schwer zu durchschauenden Zusammenhang vor Gericht darzulegen und nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast auch zu beweisen hat. Um eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens aufzuzeigen, die dem Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung in zumutbarer Weise erlaubt, müsste der Arbeitnehmer über Informationen verfügen bzw. sich solche verschafft haben, deren Berücksichtigung für den Arbeitgeber auf der anderen Seite unzumutbar wäre, weshalb die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen würde. Das ist kaum vorstellbar. Man wird daher feststellen müssen, dass dem Arbeitnehmer die Berufung auf eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb eines dezentral organisierten Unternehmens ohnehin nur äußerst selten gelingen wird. Wenn dies ausnahmsweise doch vorkommt, er also in der Lage sein sollte, eine Beschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmers zu - 207 benennen, dann war es auch „dem Arbeitgeber“ zumutbar, diese Umstände, die schließlich seinem Verantwortungsbereich entstammen, nicht unberücksichtigt zu lassen. Der Einwand, in größeren Unternehmen würden sich durch Personalfluktuation nahezu stets freie Stellen finden, verkennt, dass die bloß abstrakte Wahrscheinlichkeit Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Wiedereinstellungsanspruchs nicht einer für anderen die ausreicht. zumutbaren Geltendmachung Bei der des betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitnehmer vielmehr nach den Grundsätzen über die abgestufte Darlegungs- und Beweislast dem Beweis zugängliche Anhaltspunkte vortragen, die eine fortbestehende oder neu entstandene zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit plausibel machen. Seiner Substanziierungspflicht genügt der Arbeitnehmer dabei nur, wenn er hierfür klare Anhaltspunkte liefert. Der Arbeitgeber hat auch kein berechtigtes Interesse, die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung nur punktuell zu überprüfen. Durch die Erwägung anderer zumutbarer Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt, die regelmäßig im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgen sollte, ist der Kreis möglicher Alternativen abgesteckt. Inwieweit es zumutbar erscheint, die Entwicklung solcher Alternativen nach dem Ausspruch der Kündigung weiter zu verfolgen, ist eine Frage der zeitlichen Grenzen des Anspruchs. Die Auffassung, unerwartete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten seien nur in Evidenzfällen für die Entstehung von Wiedereinstellungsansprüchen relevant, ist nicht praktikabel. Ob eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung evident ist oder nicht, wird sich gerade am Wiedereinstellungsverlangen des Arbeitnehmers zeigen. Weist ein Arbeitnehmer auf eine unerwartete Beschäftigungsmöglichkeit hin, so spricht nichts dafür, dem Arbeitgeber den Einwand der angeblichen Unzumutbarkeit der Berücksichtigung dieser Beschäftigungsmöglichkeit zu gewähren, will man nicht den arbeitsrechtlichen Sphärengedanken in sein Gegenteil verkehren. Schließlich wird die Berücksichtigung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten noch mit dem Hinweis darauf abgelehnt, in dieser Konstellation sei nicht der Kündigungsgrund entfallen, sondern eine weitere - 208 Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung.523 Eine Unterscheidung zwischen Kündigungsgrund und sonstiger sozialer Rechtfertigung der Kündigung ist jedoch verfehlt. Wie schon aufgezeigt wurde, achtet das Gesetz den betriebsbedingten Wegfall des Arbeitsplatzes und das Nichtvorhandensein anderer zumutbarer Beschäftigungsmöglichkeiten gleich (§ 1 II 1 und 2 KSchG). Entscheidend kommt es darauf an, ob „betriebliche Erfordernisse“ einer Nichtvorhandensein einer „Weiterbeschäftigung“ entgegenstehen. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit macht Das den Kündigungsgrund aus. Allein hierauf bezieht sich die vom Arbeitgeber anzustellende Prognose.524 Das Entstehen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit führt damit ebenso zur Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose wie der Erhalt des Arbeitsplatzes. Daher macht es für den seine Wiedereinstellung fordernden Arbeitnehmer im Rahmen der funktionalen Austauschbarkeit von Arbeitsplätzen keinen prinzipiellen Unterschied, ob sein Arbeitsplatz seiner Identität nach erhalten geblieben ist oder nicht. III. Zumutbare Umschulungsoder Fortbildungsmaßnahmen entspr. § 1 II 3 KSchG Nicht ganz unproblematisch ist die Einbeziehung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten schließlich deshalb, weil es bei ihrer Anerkennung nicht zwangsläufig sein Bewenden haben muss. Die Verknüpfung der Wiedereinstellungspflicht mit dem durch § 1 KSchG intendierten Bestandsschutz könnte zu der Schlussfolgerung zwingen, dass auch eine sich nachträglich herausstellende 523 524 Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbaren Oetker, ZIP 2000, 643, 643, 650. Siehe oben unter F.I „Prinzipielle Korrekturmöglichkeit bei allen Kündigungsgründen“ auf Seite 211. - 209 Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen525 (§ 1 II 3 KSchG) einen Wiedereinstellungsanspruch auslöst. Ebenso kann auch die soziale Auswahl (§ 1 III KSchG) nach Zugang der Kündigungserklärung aufgrund nachträglicher Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen bei dem auswahlrelevanten Personenkreis in einem neuen Licht erscheinen.526 Da es dem Wiedereinstellungsanspruch um den durch § 1 KSchG intendierten Bestandsschutz nur insoweit geht, wie er durch eine Prognose (über den zukünftigen Beschäftigungsbedarf, zukünftige Belastungen der betrieblichen Abläufe, Wiederholungsgefahr) und die mit ihr notwendig verbundenen Risiken gefährdet wird, sind die Grenzen jedoch vorgezeichnet. Die Kündigung verlangt vom Arbeitgeber auch die Negativprognose, dass in absehbarer Zeit nach Zugang der Kündigung keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Daher ist die Einbeziehung solcher anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten konsequent. Vom Prognoseprinzip nicht erfasst wird dagegen die soziale Auswahl nach § 1 III Wiedereinstellungsanspruch KSchG, weshalb ausscheiden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach muss. ein hierauf Eine zumutbaren bezogener Einbeziehung Umschulungs- von oder Fortbildungsmaßnahmen könnte aber geboten sein. Da die Prognosekorrektur das Spiegelbild der Prognose ist und die Überwindung des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes auch die Prognose fehlender Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen verlangt, muss man diese folgerichtig in den Wiedereinstellungsanspruch mit einbeziehen. Das mit dieser Feststellung verbundene Wiedereinstellungspotential dürfte jedoch kaum ins Gewicht fallen. Denn wenn eine zumutbare Fortbildungsmöglichkeit gegeben ist, dann bestand sie meist auch schon im Kündigungszeitpunkt und gehört dementsprechend allein in den Kündigungsschutzprozess. Für eine Wiedereinstellung kommen aber ebenfalls 525 Vgl. die eingehende Erörterung bei Gaul, BB 1995, 2422 ff. 526 Kaiser, ZfA 2000, 205, 231 f; Oetker, ZIP 2000, 1787, 1788. - 210 solche neu entstandenen Beschäftigungsmöglichkeiten in Frage, für die der Arbeitnehmer erst nach einer zumutbaren Qualifizierung funktional geeignet erscheint. - 211 - F. Fallgruppen des Wiedereinstellungsanspruchs I. Prinzipielle Korrekturmöglichkeit Kündigungsgründen Es fragt sich zunächst, ob nach allen einem bei allen Rechtfertigungszwang unterliegenden Kündigungen durch den Arbeitgeber die Möglichkeit eines nachträglichen Anspruchs auf Wiedereinstellung anzuerkennen ist, oder ob bereits grundsätzliche Erwägungen gegen die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs sprechen. Wie erörtert sieht die Rspr. seit langem die Verdachtskündigung und seit 1997 auch die betriebsbedingte Kündigung als Fallgruppen eines Wiedereinstellungsanspruchs an. Auch bei der krankheitsbedingten Kündigung ist der Wiedereinstellungsanspruch erwogen worden.527 Im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung werden Geltung und Reichweite des Prognoseprinzips sowie eine mögliche Wiedereinstellungsoption kontrovers diskutiert.528 Geht man wie gezeigt zutreffend davon aus, dass der Wiedereinstellungsanspruch den Schutzzweck des KSchG verwirklicht, indem das vorrangige Prinzip der Rechtssicherheit zugunsten des kündigungsschutzrechtlichen Prognoseprinzips relativiert wird, so ist der so verstandene prognosebedingte Wiedereinstellungsanspruch auf einen allgemeinen Grundgedanken bezogen, der wie auch das Prognoseprinzip selbst nicht von vornherein auf bestimmte Fallgruppen begrenzt werden kann.529 Die unterschiedlichen Funktionen, die das Prognoseprinzip für die einzelnen Kündigungsgründe erfüllt, machen im Folgenden eine nach Fallgruppen 527 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 757; BAG (2 AZR 639/98), NZA 1999, 1328, 1328. 528 Preis Prinzipien, S. 328 ff; MünchArbR II – Berkowsky, § 130 Rn 78-80. 529 So auch Hinrichs, AiB 1997, 615, 616; Nägele, BB 1998, 1686, 1687; Furier, AiB 1999, 246, 248. - 212 differenzierte Betrachtung des Anwendungsbereichs des Wiedereinstellungsanspruchs erforderlich. II. Betriebsbedingte Kündigung 1. Fehlprognose und widerlegte Prognose Die Rspr. stellt den Unterschied zwischen falscher und widerlegter Prognose keineswegs immer klar heraus. So hat das LAG Düsseldorf530 beispielsweise formuliert: „Das Bundesarbeitsgericht hat dem Arbeitnehmer einen solchen (Wiedereinstellungs-)Anspruch zuerkannt, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer von ihm getroffenen Prognose wirksam betriebsbedingt kündigt, sich aber noch im Verlauf der Kündigungsfrist herausstellt, dass die Prognose falsch war.“ Bei der abschließenden Bewertung von kündigungsbegründenden Prognosen ergibt sich eine Dreiteilung: a) Fehlprognose Eine Fehlprognose liegt vor, wenn die Unternehmerentscheidung aus ihrer eigenen Logik heraus nicht zum Wegfall des betroffenen Arbeitsplatzes führt, dem Arbeitgeber also von Anfang an klar sein müsste, dass die von ihm beabsichtigte Betriebsänderung die Kündigung nicht rechtfertigt. Der Arbeitgeber hat sich also entweder von Anfang an geirrt oder die betrieblichen Veränderungen für die Kündigung nur vorgeschoben. In diesem Fall ist die Prognose (von Anfang an) falsch und die auf sie gestützte Kündigung unwirksam. Um eine Fehlprognose handelt es sich auch dann, wenn sich der Arbeitgeber zur Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer wegen eines sich abzeichnenden 530 LAG Düsseldorf (7 Sa 1329/99), LAGE § 620 BGB Nr. 62a. - 213 Auftragsmangels entschließt, sich aber den jederzeitigen Abruf von Arbeitskräften auch vor dem Ablauf des erwarteten Stillegungszeitraums vorbehält und von dieser Regelung auch Gebrauch macht. In diesem Fall spricht eine tatsächliche Vermutung gegen das Vorliegen der unternehmerischen Entscheidung, den Betrieb für eine nicht unerhebliche Zeit einzustellen. In einem solchen Falle versucht der Arbeitgeber bei bestehendem Willen zur Betriebsfortführung lediglich, das unternehmerische Risiko unzulässig auf die Belegschaft abzuwälzen.531 b) Neue Unternehmerentscheidung trotz zutreffender Prognose Die prognostizierten Auswirkungen der betrieblichen Veränderungen wären tatsächlich eingetreten, der Arbeitgeber entscheidet sich aber nach Ausspruch der Kündigung anders, ohne dass sich die der Prognose zugrunde liegenden Umstände seitdem verändert hätten. Er unterlässt also die Maßnahme grundlos. Beispiel: Die Absicht zur Stillegung des Betriebes wird aufgegeben, der Betrieb weitergeführt. In diesem Fall ist die Kündigung unwirksam, da sich der Arbeitgeber widersprüchlich, gegebenenfalls sogar rechtsmissbräuchlich verhält. Die Kündigung kann nur auf zukünftige betriebliche Veränderungen gestützt werden, deren Verwirklichung feststeht und diesem Sinne greifbare Formen angenommen hat. Man könnte statt dessen davon ausgehen, die Prognose sei ja seinerzeit richtig gewesen und die Unternehmerentscheidung frei, also Sache des Arbeitgebers. Es bleibt aber dabei, dass die Prognose nur dann die Kündigung zu rechtfertigen Unternehmerentscheidung vermag, nicht völlig wenn der grundlos Arbeitgeber die revidiert. Ein Wiedereinstellungsanspruch kann dem Grunde nach nur entstehen, wenn die unternehmerische Entscheidung wegen neu hinzutretender Umstände, die zum 531 LAG Berlin (11 Sa 141/96), BB 1999, 1877, 1877 f. - 214 Zeitpunkt der Kündigung noch nicht absehbar waren, an die veränderte Situation angepasst wird.532 Verwirft der Arbeitgeber sein unternehmerisches Konzept, auf das er die Kündigung gestützt hat, grundlos, so verhält er sich widersprüchlich. Objektiv ist diese Situation nicht von der zu unterscheiden, in der der Arbeitgeber ein scheinbar neues unternehmerisches Konzept zur Rechtfertigung der Kündigung nur vorschiebt, es aber zu keinem Zeitpunkt ernsthaft verwirklichen will. In letzterem Fall verhielte er sich sogar rechtsmissbräuchlich. Die Kündigung muss in solchen Fällen unwirksam sein, weil sich herausgestellt hat, dass die geplante Betriebsänderung zum Kündigungszeitpunkt noch keine greifbaren Formen angenommen hatte. Hierdurch wird der Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung nicht verschoben. Die weitere Entwicklung dient nur dazu, den inneren Tatbestand des greifbaren unternehmerischen Konzepts im Zeitpunkt der Kündigung zu ermitteln. Mit dem Prognoseprinzip hat das nichts zu tun, weil die Prognose über zukünftige Beschäftigungsmöglichkeiten ein abgesichertes unternehmerisches Konzept voraussetzt, an dem es hier gerade fehlt. So stellt auch Boewer richtig heraus, es sei für den Ausgangspunkt des Wiedereinstellungsanspruchs stets davon auszugehen, dass sich wegen einer Veränderung der tatsächlichen Umstände nach Ausspruch der Kündigung eine Prognosekorrektur als notwendig erweise, was nicht der Fall sei, wenn sich im Nachhinein ohne Veränderung der Umstände eine unrichtige Prognosebeurteilung herausstelle. In diesem Fall sei die Kündigung bereits sozialwidrig und damit unwirksam.533 Die obergerichtliche Rspr. sieht das z.T. anders, wenn sie undifferenziert bei einem unternehmerischen Sinneswandel eine Wiedereinstellungspflicht annimmt. So geht das LAG Hamm im Grundsatz noch zutreffend davon aus, es bestehe ein Anspruch auf Wiedereinstellung dann, wenn sich während des 532 Berscheid, ZinsO 1998, 159, 171. 533 Boewer, NZA 1999, 1121, 1130. - 215 Laufs der Kündigungsfrist eine bei Ausspruch der Kündigung noch nicht absehbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt. Eine solche Fallgestaltung sieht das LAG Hamm allerdings unzutreffend bereits dann als gegeben an, wenn der Arbeitgeber zunächst einen Entschluss zur Betriebsstillegung fasst, dann betriebsbedingt kündigt und sich anschließend noch während des Laufs der Kündigungsfrist auf eine Fortführung des Betriebes besinnt. Sei eine betriebsbedingte Kündigung wegen eines allgemeinen Personalabbaus "Stellenstreichung" - erfolgt, so setze ein Wiedereinstellungsanspruch voraus, dass der Arbeitgeber den Beschluss zur Stellenstreichung wieder aufgebe und sich zu einer Neubesetzung der zunächst gestrichenen Stelle entscheide.534 Nicht weniger problematisch äußert sich das LAG Bremen. Es geht davon aus, ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers bestehe nicht nur dann, wenn innerhalb laufender Kündigungsfrist sich die einer Prognose zugrunde liegenden Tatsachen ändern, sondern auch dann, wenn in dieser Zeit der Arbeitgeber aus anderen Gründen an seiner unternehmerischen Entscheidung, die zur Kündigung geführt hat, nicht festhält, z.B. wenn er seine Entscheidung, nur noch mit Entleihkräften zu arbeiten, nicht aufrechterhält und wieder eigene Arbeitnehmer einstellt.535 Diese undifferenzierte Sicht hat sich auch ein Teil des Schrifttums zu eigen gemacht. Auf den Grund für das Unterbleiben der prognostizierten betrieblichen Auswirkungen soll es demnach gar nicht ankommen: „Das strikte Abstellen auf den Zugang der Kündigung wird vielfach als ungerecht empfunden, wenn die ursprünglichen Planungen – aus welchem Grund auch immer – nicht verwirklicht werden und der jeweilige Arbeitsplatz auch nach Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehen wird“.536 534 LAG Hamm (19 Sa 658/99), BB 2000, 308, 310. 535 LAG Bremen (4 Sa 114/97 + 117/97), DB 1998, 1338, 1338 f. 536 Annuß, BB 1998, 1582, 1586. - 216 Es muss aber dabei bleiben, dass die Freiheit zur willkürlichen Änderung eines unternehmerischen Konzepts dem Arbeitgeber keine Narrenfreiheit für betriebsbedingte Kündigungen gewährt. Vielmehr muss sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess an der Ernsthaftigkeit seines eigenen Konzepts messen lassen. Gibt er es grundlos auf, so ist bereits die Kündigung unwirksam, weil die greifbaren Unternehmerentscheidung Formen angenommen im Kündigungszeitpunkt hatte. Insoweit stellt noch sich keine ein Wiedereinstellungsproblem nicht. c) Widerlegte Prognose Schließlich bleibt für den Wiedereinstellungsanspruch nur die Variante, in der die auf zutreffender Grundlage angestellte (stimmige) Prognose durch nach Ausspruch der Kündigung prognosewidrig neu hinzutretende oder nicht eintretende Tatsachen widerlegt wird. Die Unternehmerentscheidung wird wegen dieser neuen Umstände korrigiert. Dieser Fall liegt etwa vor, wenn sich nach der Entscheidung zur Stillegung einer Betriebsabteilung unerwartet ein Betriebsübernehmer meldet oder der geplante Stellenabbau wegen nachhaltig verbesserter Auftragslage unterbleibt. In diesem Fall ist die Kündigung wirksam. Dem Arbeitgeber ist hier im Unterschied zu den ersten beiden Fällen kein Vorwurf zu machen. Dem Arbeitnehmer kann ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen. 2. Anforderungen an die Widerlegung der Prognose Gewissheit einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Bei betriebsbedingten Kündigungen wird eine Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers angenommen, wenn sich die betrieblichen Verhältnisse nach Ausspruch der Kündigung so ändern, dass nunmehr die Prognose des Wegfalls des Arbeitsplatzes oder die Prognose des Nichtentstehens einer anderweitigen - 217 zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeit widerlegt wird.537 Wie auch bei den anderen Kündigungsgründen stellt sich die Frage, welche qualitativen Anforderungen an eine Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose zu stellen sind. Für den Normalfall der betriebsbedingten Kündigung ist die Widerlegung der Prognose regelmäßig an äußeren Umständen, beispielsweise die unerwartete Fortführung einer nach ursprünglicher Planung stillzulegenden Betriebsabteilung oder einen unerwarteten Betriebsübergang festzumachen. Der Wiedereinstellungsanspruch wird erst ausgelöst, wenn die Widerlegung der Prognose bewiesen ist.538 Ein bloßes Wahrscheinlichkeitsurteil reicht nicht aus, da sonst eine Gegenkorrektur des Wiedereinstellungsanspruchs notwendig werden könnte, wenn sich die Prognose doch als richtig erweist, also einen Wiederbeendigungsanspruch.539 Die so entstehende Rechtsunsicherheit wäre nicht zu verantworten. 3. Wiedereinstellung nach Betriebsübergang a) Klassischer Betriebsübergang Beim klassischen Betriebsübergang wird eine wirtschaftliche (Teil-)Einheit durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit dem Veräußerer in der Weise auf ihn übertragen, dass alle materiellen und immateriellen Betriebsmittel der Wirtschaftseinheit veräußert werden. Es macht dabei keinen Unterschied, ob es sich um einen Produktionsbetrieb handelt, dessen Identität aufgrund der wesentlichen materiellen Betriebsmittel wie Maschinen, Grundstücke und Moblilien bestimmt wird oder um einen 537 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 760; BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703. 538 Preis Prinzipien, S. 356. 539 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 578. - 218 Handels- oder Gewerbebetrieb, dessen Identität sowohl durch materielle als auch immaterielle Betriebsmittel wie den Kundenstamm geprägt wird.540 Aus Arbeitgebersicht verursacht die klassische Veräußerung des Betriebs(-teils) keine größeren Probleme, da aufgrund der Verhandlungen mit dem Erwerber das Vorliegen eines Betriebsübergangs unmittelbar beurteilt werden kann. (1) Ausgangspunkt – Kenntnis der Vertragsparteien In den klassischen Fällen der Veräußerung eines Betriebs(-teils) wird der Veräußerer schon aus eigenem Interesse die Mitarbeiter regelmäßig über den bevorstehenden Betriebsübergang informieren. Nur so kann er bereits im Vorfeld die Anzahl der dem Betriebübergang widersprechenden Arbeitnehmer abschätzen und damit auch Schlussfolgerungen für seine Pflicht zum Abschluss eines Interessenausgleichs bzw. Sozialplans ziehen, falls die Widersprüche zu einer Überschreitung des Schwellenwertes nach § 112a I BetrVG führen würden. Dazu kommt noch, dass auch der Erwerber ein Interesse an der rechtzeitigen Information der Mitarbeiter hat, um zu erfahren, welche Arbeitsverhältnisse auf ihn übergehen und welche aufgrund von Widersprüchen nicht.541 Die neu geregelte Unterrichtungspflicht von Veräußerer und Erwerber nach § 613a V BGB greift diese Interessenlage auf. (2) Zeitpunkt der Widerlegung der Prognose Der unerwartete Betriebsübergang widerlegt die Prognose nicht erst mit seinem Vollzug. Es reicht aus, dass der Übergangstatbestand greifbare Formen angenommen hat.542 Korrespondierend zur Kündigungsbefugnis wegen beabsichtigter Betriebs(teil)stillegung muss es ausreichen, dass es nach neuer Sachlage nunmehr sicher zu einem in seinen Grundzügen bereits feststehenden 540 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 312 f m.w.N. 541 Meyer, NZA 2000, 297, 302. 542 Kleinebrink, FA 1999, 138, 139. - 219 Betriebs(teil)übergang kommen wird. Dies ist konsequent, weil die kündigungsbegründende Prognose, es werde zu einer Stillegung und nicht zu einem Betriebsübergang kommen, schon im Kündigungszeitpunkt als falsch zu beurteilen gewesen wäre, wenn der Betriebsübergang zu diesem Zeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hätte. Gleiches muss dann auch für die Frage nach der Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs gelten. Der Anspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in dem erstmals eine arbeitgeberseitige Kündigung rechtmäßig nicht mehr hätte erklärt werden können, weil ein Betriebübergang nunmehr aus objektivierter Arbeitgebersicht greifbar ist. b) Betriebsübergang durch Übernahme des wesentlichen Teils des Personals (1) Rechtsprechung zur willentlichen Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals in den Fällen der Funktionsnachfolge Die Fallgruppe des Betriebsübergangs durch die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals ist in der Rspr. des 8. Senats inzwischen anerkannt.543 Der 8. Senat hat bekanntlich die Obersätze des EuGH zu den Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12.03.2001544 auch für die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a I BGB übernommen545, nachdem der EuGH durch die Ayse-SüzenEntscheidung546 deutlich gemacht hat, dass es den bislang in der Rspr. des 543 544 545 546 BAG (8 AZR 676/97), NZA 1999, 420, 420; BAG (8 AZR 500/97), ZinsO 1999, 420, 420. Abl. L 82, von 22.03.2001, S. 16, zuvor Richtlinie 77/187/EWG in der Neufassung der Richtlinie 98/50/EG. BAG (8 AZR 101/96), AP Nr. 154 zu § 613a BGB = NZA 1997, 1050 ff. = NJW 1997, 3188 ff = ZIP 1997, 1555 ff ; Buchner, JZ 1999, 593, 594 f; Müller-Glöge, NZA 1999, 449, 449. EuGH von 11.03.97 – Es. C-13/95, Slg. 1997, I-1259 (Ayse Süzen / Zehnacker Gebäudereinigung) = NZA 1997, 433 ff = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie 77/187 = NJW 1997, 2039 ff = EuZW 1997, 244 ff = DB 1997, 628 ff. - 220 BAG zu § 613a BGB vorherrschenden Betriebsbegriff als zu eng547 ansah, um den Anforderungen der Betriebsübergangsrichtlinie gerecht zu werden. Seitdem bezieht das BAG auch das Personal in die Prüfung einer nach § 613a BGB übergangsfähigen Wirtschaftseinheit mit ein.548 Bedeutung für die Frage nach dem Vorliegen eines Betriebsübergangs gewinnt damit neben der Art des Betriebes und dem Übergang der materiellen und immateriellen Betriebsmittel auch die Übernahme der Hauptbelegschaft und Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Betriebsübergang verrichteten Tätigkeiten. Im Dienstleistungsbereich, wo es im Wesentlichen auf den Einsatz der menschlichen Arbeitskraft ankommt, kann daher auch schon die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals, der durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, einen Betriebsübergang auslösen.549 Es handelt sich dabei um mehr als eine bloße Funktionsnachfolge, welche allein nicht die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs erfüllt.550 Nach vormaliger Ansicht des BAG durften bei der Bestimmung des für § 613a BGB maßgeblichen Betriebs(teil)begriffs die Arbeitnehmer und die mit ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisse für den Betriebsbegriff nicht berücksichtigt werden. Dies begründete das BAG mit dem Argument, der Übergang der Arbeitsverhältnisse sei nicht Tatbestandsmerkmal, sondern Rechtsfolge des § 613a BGB, weshalb es bei Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Definition des übergangsfähigen Betriebs(teils) zu einer nach allgemeinen Grundsätzen unzulässigen Konfusion von Tatbestand 547 und Rechtsfolge kommen müsse Zunächst war durch die zu weit gehende (hierzu Buchner, JZ 1999, 593 ff) Christel-SchmidtEntscheidung des EuGH vom 14.04.1994 (Rs C-392/92, AP Nr. 106 zu § 613a BGB) eine erhebliche Diskrepanz zwischen EuGH- und BAG-Rechtsprechung aufgreten. Der EuGH hatte die Auffassung vertreten, eine bloße Funktionsübernahme müsse als Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG gelten, was mit dem Betriebsbegriff des BAG zu § 613a BGB völlig unvereinbar war. Beide Gerichte trafen sich in den folgenden Entscheidungen auf einer mittleren Linie unter Anerkennung der abgemilderten EuGH-Rechtsprechung. 548 Zuerst BAG von 11.12.1997 (8 AZR 729/96), NZA 1998, 534, 534. 549 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 252. 550 BAG (8 AZR 156/96), NZA 1996, 869, 869 f. - 221 (Konfusionsargument).551 Folglich musste das BAG nach materiellen oder immateriellen Betriebsmitteln suchen, um einen Betrieb oder Betriebsteil annehmen zu können, was im betriebsmittelarmen Dienstleistungsbereich zu erheblichen Problemen führte und das BAG mitunter zwang, selbst belanglosen Betriebsmitteln „betriebswesentliche Bedeutung“ zuzuerkennen.552 Mittlerweile wird das Konfusionsargument als überholt angesehen, geht es doch auf der Tatbestandsseite allein um eine durch eine gemeinsame Tätigkeit verbundene organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern bzw. einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Rechtsfolgenseite individualrechtlichen das Teil der Belegschaft, Arbeitsverhältnis Bedeutung, erfasst als während solches, wird.553 In also auf in der seiner betriebsmittelarmen Dienstleistungsunternehmen erweist sich die Suche nach einem materiellen oder immateriellen „Substrat“ des Übergangs als Spiel mit wenig überzeugenden Fiktionen. Einerseits greift es zu kurz, nur auf materielle Betriebsmittel abzustellen, wenn Arbeitnehmer ihre Leistung mit problemlos austauschbaren Betriebsmitteln erbringen oder letztere gar entbehrlich sind. Andererseits überzeugt es ebenso wenig, das „Know-how“ als immaterielles Betriebsmittel in den Vordergrund zu rücken, sofern keine Spezialkenntnisse erforderlich sind, was bei den Reinigungstätigkeiten der entschiedenen Fälle deutlich wurde.554 (2) Gestreckter Tatbestand des Betriebsübergangs Im Zuge dieses Rechtsprechungswandels kommt im betriebsmittelarmen Dienstleistungsbereich auch der Übernahme der Arbeitnehmer Gewicht für das Vorliegen eines Betriebsüberganges zu. Ein Betriebsübergang kann sich somit zu einem gestreckten Tatbestand entwickeln, dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht vorliegen müssen, aber später 551 BAG (5 AZR 30/84), AP Nr. 42 zu § 613a BGB = BB 1986, 193, 193; BAG (7 AZR 519/86), AP Nr. 69 zu § 613a BGB. 552 BAG (2 AZR 781/93), AP Nr. 104 zu § 613a BGB. 553 Annuß, BB 1998, 1582, 1583. 554 Langenbucher, SAE 1998, 143, 148. - 222 eintreten können, wenn nämlich ein Teil der ursprünglich wegen Betriebsstillegung wirksam gekündigten Arbeitnehmer wieder eingestellt wird. Damit ist nachträglich der Tatbestand eines Betriebsübergangs gegeben, wenn durch die Einstellung eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals von einer Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ausgegangen werden muss. In dieser Situation soll nach dem 8. Senat ein Wiedereinstellungsanspruch eingreifen, wofür eine richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB angeführt wird.555 Es wurde bereits gezeigt, dass auch in diesen Fällen eine richtlinienkonforme Auslegung in Richtung auf einen Wiedereinstellungsanspruch nicht möglich ist. Auch insoweit ergibt sich die Anspruchsgrundlage aus einer teleologischen Extension des § 613a I 1, IV 1 BGB i.V.m. § 1 II KSchG.556 Bei der Funktionsnachfolge handelt es sich um Fälle der rechtsgeschäftlichen Neuvergabe von Aufträgen im Dienstleistungsbereich durch einen Dritten (Auftraggeber) an einen Wettbewerber des bisherigen Arbeitgebers. Der Auftragsverlust Arbeitnehmer rechtfertigt wegen zunächst betriebsbedingte Nichtfortführbarkeit des Kündigungen Betriebs(-teils). der Endet ein Dienstleistungsauftrag und liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass der neue Auftragnehmer eine durch die gemeinsame Tätigkeit verbundene organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern bzw. einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft übernehmen und damit einen Betriebsübergang auslösen wird, so kann der alte Auftragnehmer grundsätzlich denjenigen Arbeitnehmern Auftragsverlustes kündigen, wirksam für die betriebsbedingt er mangels wegen des Neuaufträgen keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr hat.557 555 BAG (8 AZR 295/95), AP Nr. 169 zu § 613a BGB (unter II. 3c); BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 311. 556 Siehe oben unter C.VI.4 „Stellungnahme“ auf Seite 135. 557 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 251 = MDR 1998, 420, 420 = ZIP 1998, 344, 344. - 223 Entschließt sich in einem zweiten Schritt der neue Auftragnehmer zur Übernahme eines nach Anzahl und Sachkunde dauerhaft verbundenen wesentlichen Teils der Hauptbelegschaft558 bzw. einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern559 des bisherigen Auftragnehmers, so kann es nach der Rspr. von EuGH und BAG dadurch nachträglich zu einem Betriebsübergang kommen. Für den Fall einer durch die willentliche Übernahme der Hauptbelegschaft und nicht durch die Übernahme materieller und / oder immaterieller Betriebsmittel begründeten Übernahme des Betriebes oder Betriebsteiles im Anschluss an den Wechsel des beauftragten Unternehmens löse der tatbestandliche Betriebsübergang einen Fortsetzungsanspruch der gekündigten und auch der bereits entlassenen Arbeitnehmer aus. Vor dem Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen trete der Übergang der übrigen Arbeitsverhältnisse in diesem Falle „ipso iure“ ein, weshalb ein entsprechender Willensentschluss des Betriebsübernehmers nicht erforderlich sei. Den bereits entlassenen Arbeitnehmern stehe ein gegen den Erwerber gerichteter „Fortsetzungsanspruch“ zu, der auf die vertragliche Neubegründung des Arbeitsverhältnisses gerichtet sein soll.560 (3) Willentliche Übernahme von Arbeitnehmern und Kontrahierungszwang Der Willensentschluss des Betriebsübernehmers betrifft allein die Voraussetzungen des Betriebsüberganges selbst und nicht seine Rechtsfolgen. Ebenso wie es dem Unternehmer freisteht, ob er materielle und / oder immaterielle Betriebsmittel des Veräußerers übernimmt und damit einen Betriebsübergang auslöst, steht es dem Auftragsnachfolger frei, ob er willentlich die Hauptbelegschaft des früheren Auftragnehmers übernimmt oder nicht. 558 EuGH von 11.03.97 – Es. C-13/95, Slg. 1997, I-1259 (Ayse Süzen / Zehnacker Gebäudereinigung) = NZA 1997, 433 ff = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie 77/187 = NJW 1997, 2039 ff = EuZW 1997, 244 ff = DB 1997, 628 ff. 559 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 251. 560 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 253. - 224 Entscheidet er sich für die Übernahme der Hauptbelegschaft, so gehen nicht nur alle ungekündigten Arbeitsverhältnisse der im Betrieb oder Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer des früheren Auftragnehmers auf ihn über, sondern er löst damit auch den Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsanspruch der gekündigten bzw. entlassenen Arbeitnehmer aus. Ein Beispiel hierfür kann die Neuvergabe eines Reinigungsauftrags sein, wenn sich der neue Dienstleister zu einer Weiterbeschäftigung einer großen Zahl der bisher beim Konkurrenzanbieter beschäftigen Arbeitnehmer entschließt.561 Folglich hat es der neue Auftragnehmer grundsätzlich in der Hand, ob er selbst die Rechtsfolge des § 613a BGB auslösen will oder nicht. Dies gilt zumindest für alle einfach gelagerten Tätigkeiten (Reinigung, Wartung, Bewachung, Versorgung) bei denen es für die alsbaldige Auftragsübernahme nicht darauf ankommt, sich das Know-how der bisher mit der Aufgabe betrauten Arbeitnehmer durch deren Übernahme anzueignen. Insoweit wird dem Arbeitgeber zu raten sein, auf die Übernahme der mit den Arbeiten bisher beschäftigten Arbeitnehmer zu verzichten und statt dessen neue Arbeitskräfte einzustellen, womit er einen Betriebsübergang ausschließt. Diese Einflussmöglichkeit wird vereinzelt als bedenklich angesehen, da die Intention des § 613a BGB, den (Fort-)Bestand der Arbeitsverhältnisse zu sichern, in ihr Gegenteil verkehrt werde.562 (4) Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit durch Übernahme des wesentlichen Teils des Personals im Anschluss an eine Funktionsnachfolge Ein Betriebsübergang setzt nach der Rechtsprechung des EuGH563 zu Art. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie, der sich das BAG kurz danach in mehreren 561 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 252 f. 562 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 315. 563 EuGH von 11.03.1997 (Rs. C-13/95), NZA 1997, 433 = ZIP 1997, 516. - 225 Entscheidungen564 und seitdem fortlaufend565 angeschlossen hat, die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität ist auch anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber einerseits die betreffende Tätigkeit weiterführt, und andererseits einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße 564 565 BAG (8 AZR 197/94), NZA 1995, 1155 ff = ZIP 1995, 1540 ff; BAG (8 AZR 198/94), BuW 1995, 738 ff; BAG (8 AZR 199/94), WiPra 1996, 168 ff; BAG (8 AZR 200/94), WiPra 1996, 184 ff. BAG (8 AZR 159/98), NZA 1999, 704 ff = ZInsO 1999, 483 ff = ZIP 1999, 1318 ff. - 226 Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar. Es hängt von der Struktur eines Betriebes oder Betriebsteils ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft gegebenenfalls übernommen werden muss, um von der Übernahme einer bestehenden Arbeitsorganisation ausgehen zu können.566 Haben die übernommenen bzw. später wieder eingestellten Arbeitnehmer einen geringeren Qualifikationsgrad und sind sie mithin leicht austauschbar, so kommt deren „Know-how“ keine entscheidende Bedeutung für die Identität der wirtschaftlichen Einheit zu.567 Dann muss eine hohe Zahl von ihnen beschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom bisherigen Arbeitgeber geschaffenen Arbeitsplatzorganisation und mithin auf einen Betriebsübergang schließen zu können. Sind die Arbeitsplätze dagegen durch Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt, so kann wegen ihrer Sachkunde die Übernahme eines geringeren aber unter „Know-how“-Gesichtspunkten wesentlichen Teils der Belegschaft zur Annahme eines Betriebsübergangs ausreichen.568 Voraussetzung ist stets, dass sich der neue Auftragnehmer durch die Übernahme von Personal die beim bisherigen Auftragnehmer bestehende Arbeitsorganisation zunutze macht. Verändert er hingegen die Arbeitsorganisation derart, dass die bisherige Aufgabenzuweisung nicht erhalten bleibt und die Arbeitnehmer ihr angesammeltes Erfahrungswissen nicht 566 BAG (8 AZR 729/96), NZA 1998, 534, 535; BAG (8 AZR 676/97), NZA 1999, 420, 421 f; BAG (8 AZR 500/97), ZInsO 1999, 420, 420 f. 567 BAG (8 AZR 676/97), NZA 1999, 420, 421 f; BAG (8 AZR 500/97), ZInsO 1999, 420, 420 f. 568 BAG (2 AZR 781/93), NZA 94, 612, 612 f. - 227 verwerten können, so kann auch die Erhaltung der Identität des Personals keinen Betriebsübergang begründen.569 (5) Prozessuale Besonderheiten (a) Prozessvarianten Der Arbeitnehmer könnte eine Kündigungsschutzklage gegen den alten Auftragnehmer erheben, um die Rechtmäßigkeit der Kündigung feststellen zu lassen. Die Kündigungsschutzklage wäre jedoch abzuweisen, wenn der alte Auftragnehmer aus der Ex-Ante-Sicht des Kündigungszugangs auf zutreffender tatsächlicher Grundlage prognostizieren durfte, es werde nach der Übernahme des Dienstleistungsauftrags durch den Wettbewerber nicht zur Einstellung eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals kommen, sondern vielmehr zur Stillegung seines Betriebs(teils). In diesem Fall hat der Betriebs(teil)übergang aus der objektvierten Arbeitgebersicht zum Zeitpunkt der Kündigung noch keine greifbaren Formen angenommen, weshalb das Kündigungsverbot aus § 613a IV 1 BGB nicht einschlägig, vielmehr das allgemeine Kündigungsrecht aus § 613a IV 2 BGB gegeben war. Der Arbeitnehmer könnte zum andern neben dem Kündigungsschutzantrag hilfsweise einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den mutmaßlichen Betriebs(teil)erwerber geltend machen. Dessen Erfolg hinge davon ab, ob es dem Arbeitnehmer behaupteten gelingt, die Betriebsübergangs tatbestandlichen darzulegen und Voraussetzungen im Bestreitensfalle des zu beweisen, was ihn vor erhebliche praktische Problem stellen dürfte. Auf der sicheren Seite steht der Arbeitnehmer nur, wenn er sowohl Kündigungsschutzklage gegen seinen bisherigen Arbeitgeber erhebt als auch den Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages gegen den mutmaßlichen 569 Betriebsübernehmer geltend macht. Dabei steht der BAG (8 AZR 101/96), AP Nr. 154 zu § 613a BGB (unter II 2); BAG (8 AZR 729/96), AP Nr. 172 zu § 613a BGB; BAG (8 AZR 676/97), NZA 1999, 420, 421 f. - 228 Arbeitnehmer in einem Dilemma: In einem Verfahren unterliegt er bestimmt. Unter Umständen verliert er beide Prozesse, wenn der vermeintliche Übernehmer doch keinen wesentlichen Teil der früheren Belegschaft übernommen hat.570 (b) Parteiwechsel im laufenden Kündigungsschutzverfahren Beruft sich der Arbeitnehmer im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses auf den Betriebsübergang und will er den Rechtsstreit gegen den mutmaßlichen Betriebsübernehmer weiterführen, so stellt sich die Frage, ob hinsichtlich des Klagegegners ein echter Parteiwechsel stattfindet. Nach Auffassung des BAG kann der Betriebsübernehmer entsprechend § 265 II 2 ZPO nur mit Zustimmung des alten Arbeitgebers den Prozess übernehmen.571 Das LAG Hamm geht dagegen davon aus, dass im Anwendungsbereich des § 613a BGB ein vollständiger Austausch der Vertragsparteien stattfindet, weshalb der Betriebsübernehmer einer Einbeziehung in den Prozess nicht widersprechen könne und an die bisherigen Prozessergebnisse prozessökonomischen Gründen sollte sich gebunden bleibe.572 Aus der materiellrechtliche Vertragspartnerwechsel auch prozessual auswirken mit der Konsequenz, den Betriebserwerber in den Prozess mit einzubeziehen. Der Eintritt des Betriebserwerbers in den Arbeitsvertrag bezieht sich auch auf den gekündigten Zustand und die sich daraus ergebenden Rechtsfragen. Deshalb ist es auch nicht erforderlich, dass der alte Arbeitgeber im Prozess verbleibt.573 570 571 572 573 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 310. Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation im Zusammenhang mit dem AÜG BAG (7 AZR 437/97), NZA 2000, 102 ff. LAG Hamm (4 Sa 1258/94), LAGE § 613a BGB Nr. 60; LAG Hamm (4 Sa 141/96), LAGE § 91a ZPO Nr. 6. Instruktiv hierzu Fischer, DB 2001, 331, 334. - 229 - (6) Kritische Würdigung des Betriebsübergangs in den Fällen der Funktionsnachfolge Gegen die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs nach Funktionsnachfolge und Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft wird eingewandt, die freiwillige privatautonome Übernahme einzelner Arbeitnehmer des bisherigen Auftragnehmers durch den Auftragsnachfolger werde nachträglich aufgehoben, wenn dieser am Ende – augrund des von der Rspr. fingierten Betriebsübergangs – doch gezwungen wäre, diese Arbeitnehmer zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, obwohl bereits andere Arbeitsbedingungen vereinbart worden sind.574 Diese Ausstrahlungswirkung auf bereits neu begründete Arbeitsverhältnisse ist in der Tat die logische Konsequenz aus der Anerkennung der Fallgruppe des Betriebsübergangs durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft. Schließlich wird in diesem Zusammenhang sogar von einer Perversion des § 613a BGB und der Betriebsübergangsrichtlinie gesprochen. Ein im Dienstleistungsbereich sinnvolles Angebot des Auftragsnachfolgers an einen Teil der beim Konkurrenten beschäftigen Belegschaft zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses Betriebsübergang birgt auszulösen, stets sobald ein die Gefahr nach Zahl in und sich, einen Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft freiwillig und zu anderen (schlechteren) Arbeitsbedingungen übernommen wird. Tritt der Auftragsnachfolger in der Konsequenz mit einem Mal auch in die Arbeitsverhältnisse mit denjenigen Arbeitnehmern ein, die er gar nicht übernehmen will und für die er gar keine Verwendung hat, so müsse er erst wieder kündigen, wobei er den Restriktionen des KSchG unterliegt. Schließlich bliebe es auch bei den unwirtschaftlichen Arbeitsbedingungen des Auftragsvorgängers, so dass der Betrieb eventuell sogar wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit wieder aufgegeben werden müsste. Will der Auftragsnachfolger dies sicher verhindern, so könne ihm nur geraten 574 Hanau, ZIP 1998, 1817, 1817 f; Fischer, DB 2001, 331, 333. - 230 werden, überhaupt keine Arbeitnehmer des bisherigen Auftragnehmers zu übernehmen. Ist der Auftragsnachfolger einerseits auf die Übernahme eines Teils der bisherigen Belegschaft aus wirtschaftlichen Gründen angewiesen, weil nur sie durch die schon vorhandenen Kenntnisse über die Aufgabenerledigung eine von Anfang an wirtschaftliche Abwicklung ermöglichen, will er aber andererseits das Risiko der Anwendung des § 613a BGB nicht eingehen, so könne dies in der Konsequenz sogar zu einer völligen Betriebsstillegung führen, die Auftragsübernahme also von Anfang an unmöglich machen. Die eigentlich auf den Erhalt der Arbeitsplätze angelegte Vorschrift des § 613a BGB bewirke so das genaue Gegenteil.575 Der Schutz der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang könne deshalb zu einer Alles-oder-Nichts-Situation führen. Entweder finde sich ein Betriebserwerber, der bereit sei, alle Arbeitnehmer einschließlich ihrer erworbenen Rechte und Forderungen zu übernehmen, oder es finde sich gar kein Übernehmer, und der Betrieb, den der bisherige Inhaber nicht weiterführen will, werde geschlossen. Interessenten, die zwar an einem großen Teil der Belegschaft interessiert seien, aber nicht die volle Konsequenz des § 613a BGB tragen könnten oder wollten, kämen nicht zum Zuge, und zwar auch dann nicht, wenn als Alternative nur die Entlassung aller Arbeitnehmer in Betracht kommt.576 Auch die vom EuGH gewählte rechtstechnische Begründung für die Annahme eines Betriebsübergangs durch die bloße Übernahme von Personal durch einen Mitbewerber im Dienstleistungsbereich wird als geradezu fiktive Ausweitung des Begriffs des „Know-how“ kritisiert, mit dessen Hilfe man ein immaterielles Substrat definiere, das dann einen Betriebsübergang begründen solle. Stelle man dagegen auf das tatsächlich vorhandene „Know-how“ ab, so müsse das sachlich ungerechtfertigte Ergebnis akzeptiert werden, dass ein solches Team, 575 Hanau, ZIP 1998, 1817, 1818; Edenfeld, AuA 1998, 161, 165; Raab, RdA 2000, 147, 164. 576 Hanau, ZIP 1998, 1817, 1818; Sandmann, SAE 2000, 295, 301. - 231 wenn sich ihm ein eindeutiges „Know-how“ nicht zuordnen lässt, nicht in den Schutzbereich des § 613a BGB fällt.577 Langenbucher578 schlägt vor, die Vertragsabschlussfreiheit des Auftragsübernehmers dadurch vor Schaden zu bewahren, dass dieser bei einer Neuausschreibung der zur Erledigung des Dienstleistungsauftrags benötigten Stellen regelmäßig nicht zur Wiedereinstellung verpflichtet sein soll. In diesem Fall habe der Auftragsnachfolger auch dann nicht willentlich einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernommen, wenn sich bei ihm aufgrund der freien Ausschreibung zufällig der wesentliche Teil der früheren Belegschaft melde, um seiner bisherigen Tätigkeit nachzugehen. Wer einen neuen Auftrag akquiriere, habe ein schutzwertes Interesse daran, ihn nach seinen eigenen Vorstellungen erfüllen zu können. Zur Freiheit des Vertragsschlusses gehöre auch die Möglichkeit, unter Bewerbern auszuwählen und sich ungebunden für diejenigen zu entscheiden, die geeignet erscheinen. Ein Kontrahierungszwang sei bloß in besonderen Ausnahmesituationen anzuerkennen. Wenn der Auftragsnachfolger eine Übernahme der Belegschaft (durch die externe Stellenausschreibung) aber abgelehnt habe, würde ein Wiedereinstellungsanspruch den endgültig gekündigten Arbeitnehmern einen unangemessenen Vorteil gegenüber solchen Bewerbern verschaffen, die sich erstmalig um die ausgeschriebene Stelle bewerben. Anders müsse man nur entscheiden, wenn dem Auftragsübernehmer eine Umgehungsabsicht nachzuweisen sei, er die Stellenausschreibung also nur vorgeschoben und auf anderem Wege Kontakt mit den gekündigten Arbeitnehmern aufgenommen hätte. Damit würde jedoch ein völlig atypischer Verlauf zum Regelfall erhoben. Denn dass der neue Auftragnehmer einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals seines Konkurrenten praktisch unwissend unter Beibehaltung 577 Dieterich, NZA 1996, 673, 680. 578 Langenbucher, ZfA 1999, 299, 324 f. - 232 der bisherigen Arbeitsplatzorganisation wieder einstellt, dürfte kaum vorstellbar sein. Sein Wissen um die vorhergehende Beschäftigung der von ihm neu eingestellten Arbeitnehmer allein führt bereits zur willentlichen Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft im Sinne der EuGH-Rspr., auch wenn die Eigenschaft als „wesentlicher Teil“ vom Auftragsnachfolger ebenso wenig erkannt wird wie die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs. Selbst wenn es einmal vorkommen sollte, dass sich der Auftragsnachfolger nach einer externen Neuausschreibung sämtlicher Stellen unversehens mit dem wesentlichen Teil der alten Belegschaft konfrontiert sähe, so würde es doch immer noch auf seiner freien Entscheidung beruhen, ob er die erprobte Arbeitsplatzorganisation beibehält oder verändert. Verändert er sie nicht, so sind die Voraussetzungen erfüllt, die tatbestandlich den Betriebsübergang auslösen. Die möglichen negativen Folgen für die Fortführbarkeit des Betriebes aufgrund der Rechtsfolge bisheriger Arbeitsbedingungen und übergegangenen Kündigungsschutzes muss der Auftragsnachfolger dann gegen sich gelten lassen. In diesem Fall den Nachweis einer eigenständigen Umgehungsabsicht zu fordern liefe auf die Forderung nach einem negativen Rechtsfolgewillen hinaus, auf den es – wie sonst auch – bei Kenntnis aller objektiven Umstände nicht ankommen kann. Zuzugeben ist allerdings den Bedenken einer möglichen Unwirtschaftlichkeit und Nichtfortführbarkeit des Dienstleistungsbetriebs, wenn der Auftragsübernehmer auch nach Abschluss anderslautender Verträge durch die von ihm sicher nicht erwarteten Rechtsfolgen der Betriebsübernahme vollumfänglich auf die alten Arbeitsbedingungen zurückgeworfen wird. Diese Konsequenz ist aber als Folge des Rechtsprechungswandels zum Betriebsübergang nicht zu vermeiden. c) Sanierungsnotwendigkeit und Wiedereinstellungspflicht (1) Beurteilungszeitpunkt für das Kündigungsverbot aus § 613a IV 1 BGB Ein nachträglicher Betriebsübergang steht einer wirksamen Kündigung zur Verfolgung eines Rationalisierungskonzepts oder wegen beabsichtigter Betriebsstillegung nicht entgegen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung eine ernsthafte Stillegungsabsicht bestand und der nachfolgende Betriebsübergang zu diesem Zeitpunkt noch keine greifbaren Formen angenommen hatte (§ 613a IV 2 BGB). - 233 Stand aber die Übernahme des Betriebes zum Zeitpunkt der Kündigung schon fest oder hatte der Betriebsübergang in Gestalt von Verhandlungen zwischen Veräußerer und Erwerber bereits „greifbare Formen“ angenommen und kommt es nach Ausspruch der Kündigung dann tatsächlich zu einer völlig unveränderten Übernahme des Betriebes, so handelt es sich grundsätzlich um eine unwirksame Kündigung „wegen des Betriebsübergangs“ gemäß § 613a IV 1 BGB.579 (2) Verwirklichung von Rationalisierungskonzepten i.S.v. § 613a IV 2 BGB durch den Veräußerer oder den Erwerber Parallelbetrachtung (a) Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts Ein besonderer Fall liegt dann vor, wenn der Betriebsübergang zum Zeitpunkt der Kündigung schon greifbare Formen angenommen hat, der Veräußerer aber aufgrund einer mit dem Erwerber getroffenen Absprache gleichwohl kündigt, weil – nach erklärter Ansicht von Veräußerer und Erwerber – sich eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit nur mit Hilfe einer personellen Sanierung herstellen lässt und der Betrieb andernfalls stillgelegt werden müsste. Die ganz h.M. lässt als Kündigungsgrund im Sinne von § 613a IV 2 BGB genügen, dass der Veräußerer im Vorfeld eines Betriebsübergangs ein Sanierungskonzept auf Geheiß des Betriebserwerbers verwirklicht, um den Betrieb veräußerungsfähig zu machen, wenn der Gekündigte in dem neuen unternehmerischen Konzept des Erwerbers keinen Platz mehr findet (sog. „Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts“).580 579 580 BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 312; Raab, RdA 2000, 147, 159. BAG (2 AZR 477/81), AP Nr. 34 zu § 613a BGB; Meyer, BB 2000, 1032, 1035; Raab, RdA 2000, 147, 160; Lipinski, NZA 2002, 75, 79; Hanau, ZIP 1984, 141, 143; - 234 Tragender Grund für die Kündigung in diesen Fällen sei nicht der angestrebte und später auch vollzogene Betriebsübergang. Vielmehr sei der Betriebsübergang nur eine notwendige zusätzliche Voraussetzung für den Erhalt des Betriebes. Der Zweckzusammenhang zwischen Kündigung und Betriebsübergang erscheine demnach zweitrangig. Auch nach Auffassung des 8. Senats genügt das für die Anwendung des § 613a IV 1 BGB nicht.581 Diese Auffassung hat in der Lit. Zustimmung erfahren. Ein Verstoß gegen das Kündigungsverbot aus § 613a IV 1 BGB liege dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber etwaige Kündigungen auf eine soziale Rechtfertigung nach § 1 II 1 KSchG stütze, die betriebsbedingt auch unabhängig vom Betriebsübergang bestehe.582 Voraussetzung für eine Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts ist allein, dass die Person des Erwerbers feststeht und der Erwerber ein Konzept für die Fortführung des Betriebes entwickelt hat, das als unternehmerische Organisationsentscheidung umsetzungsfähig ist, aus dem sich mithin ergibt, ob und in welchem Arbeitnehmer Rahmen entfällt.583 Erwerberkonzepts ist wie die Die Beschäftigungsmöglichkeit Veräußererkündigung jede betriebsbedingte für einzelne aufgrund eines Kündigung einer Missbrauchskontrolle zu unterziehen, wobei insbesondere zu prüfen ist, ob die gekündigten Arbeitnehmer aufgrund des neuen unternehmerischen Konzepts dauerhaft entbehrt werden können. Um Missbrauchsmöglichkeiten zulasten des Arbeitnehmers zu vermeiden, muss die zwischen Veräußerer und Erwerber abgesprochene Umstrukturierung oder Rationalisierung nach dem Erwerberkonzept allerdings schon bei Ausspruch der Kündigung durch den Veräußerer greifbare Formen angenommen haben, damit Erman – Hanau, § 613a BGB Rn 126, Soergel – Raab, § 613a BGB Rn 189; Staudinger – Richardi/Annuß, § 613a BGB Rn 251; KR – Pfeiffer, § 613a BGB Rn 113; Kindscher Diss., S. 141 ff und 203. 581 582 583 BAG (8 AZR 127/94), NZA 1997, 148, 149. Wollenschläger/Pollert, ZfA 1996, 547, 565 (dort FN 115);instruktiv Sandmann, SAE 1997, 157, 158 f. KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 592; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 566d. - 235 überprüft werden kann, ob die Beschäftigungsmöglichkeit mit dem Betriebsübergang auch tatsächlich wegfällt.584 Darüber hinaus ist zu verlangen, dass der geplante Betriebsübergang zum Kündigungszeitpunkt durch rechtsverbindlichen Vorvertrag oder aufgrund eines aufschiebend bedingten Übernahmevertrags rechtlich fixiert ist.585 Das Eingreifen des Kündigungsverbotes aus § 613a IV 1 BGB verlangt demgegenüber, dass der Betriebsübergang, also der Wechsel des Betriebsinhabers, das tragende Motiv und nicht nur äußerer Anlass für die Kündigung ist.586 Demnach greift das Kündigungsverbot erst ein, wenn der bisherige Betriebsinhaber das Arbeitsverhältnis allein587 deshalb kündigt, weil er persönlich den Betrieb nicht weiterführen will, obwohl feststeht, dass ein anderer den Betrieb als intakte Organisationseinheit übernehmen und fortführen wird.588 In diesem Fall beruht die Kündigung nicht auf betrieblichen Notwendigkeiten, sondern ist allein durch den Wechsel in der Person des Betriebsinhabers bedingt. (b) Rationalisierungskonzept nach unerwartetem Betriebsübergang Nun kann auch nach wirksamer Stillegungskündigung und unerwartetem Betriebsübergang der Erwerber ein Sanierungskonzept beabsichtigen, dass nicht die Wiedereinstellung sämtlicher Arbeitnehmer erlaubt, weil ein Teil der ehedem vorhandenen Arbeitsplätze vom Erwerber nicht aufrecht erhalten werden soll. Fraglich ist, ob ein 584 585 Wiedereinstellungsanspruch dann nur im BAG (2 AZR 477/81), NJW 1984, 627, 629 f = AP Nr. 34 zu § 613a BGB; Loritz, RdA 1987, 65, 84; Meyer, BB 2000, 1032, 1035; Lipinski, NZA 2002, 75, 79. Sieger/Hasselbach, DB 1999, 430, 433; Willemsen, ZIP 1983, 411, 414 ff; Vossen, BB 1984, 1557, 1560; Lipinski, NZA 2002, 75, 79. 586 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 251; BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 312. 587 Instruktiv hierzu Lipinski, NZA 2002, 75, 77. 588 BAG (8 AZR 159/98), NZA 1999, 704, 705. - 236 Hinblick auf solche Arbeitsplätze entsteht, die nach den Vorstellungen des Erwerbers erhalten bleiben sollen. In seiner Entscheidung vom 27.02.1997589 benennt der 2. Senat zur Erläuterung einer schutzwürdigen Disposition beispielhaft den Fall, dass nach beabsichtigter Betriebsstillegung und darauf beruhender wirksamer Kündigung eines Teils oder auch der gesamten Belegschaft sich ein potentieller Betriebsübernehmer meldet, der die Übernahme und Fortführung des Betriebes unter der Voraussetzung anbietet, dass Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt oder die Arbeitsbedingungen zuungunsten der Arbeitnehmer verändert werden. Die Kündigungen sind und bleiben wirksam, wenn die Absicht der Betriebsstillegung zum Kündigungszeitpunkt bereits ernsthaft und endgültig bestand.590 Für die Entstehung von Wiedereinstellungsansprüchen können die Pläne des Übernehmers indes nicht außer Betracht bleiben. Insoweit will der 2. Senat für die Wiedereinstellungsfrage die Interessenabwägung ausnahmsweise zugunsten des Arbeitgebers entscheiden. Bei den auf der beabsichtigten Betriebsstillegung beruhenden Kündigungen handele es sich insoweit um vorrangig zu berücksichtigende schutzwürdige Dispositionen, wie geeignete Arbeitsplätze nach dem neuen unternehmerischen Konzept des Erwerbers nicht mehr zu Verfügung stehen. Dem Arbeitgeber könne es aber zumutbar sein, den wirksam gekündigten Arbeitnehmern die Wiedereinstellung zu Arbeitsbedingungen anzubieten, zu denen ein Interessent zum Betriebserwerb bereit ist. Für den Arbeitgeber unzumutbar sei es dagegen, den wirksam gekündigten Arbeitnehmern die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zumindest zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unter Wahrung der sozialen Besitzstände anzubieten, wenn ohne die Rationalisierung 589 590 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760;Vgl. zur Kündigungsmöglichkeit in diesen Fällen: BAG (8 AZR 127/94), NZA 1997, 148, 148. BAG (2 AZR 651/95), NZA 1997, 92, 93. - 237 oder die Absenkung der Arbeitsbedingungen der Verkauf scheitern und es zu der von Anfang an geplanten Betriebsstillegung kommen müsste.591 § 613a IV 1 BGB sei nicht einschlägig, wenn die Kündigung der Rationalisierung (Verkleinerung) des Betriebes zur Verbesserung der Verkaufschancen an einen Betriebsübernehmer diene und der Betrieb ohne die Rationalisierung stillgelegt werden müsste.592 Folgerichtig ist dann auch gegen einen Wiedereinstellungsanspruch zu entscheiden, wenn die Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung wirksam ist, die Stillegung dann aber unterbleibt und der Betriebsübernehmer ein Rationalisierungskonzept verfolgt, in welchem der Gekündigte keinen Platz mehr findet. Beide Aussagen folgen aus § 613a IV 2 BGB. In der selben Entscheidung hat der 2. Senat andererseits im Grundsatz betont, es müsse von einer objektiven Gesetzesumgehung des § 613a IV 1 BGB ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber seinen Irrtum über die Notwendigkeit einer Betriebsstillegung ausnutzen und nach § 613a BGB einen Betrieb übertragen könnte, dessen Arbeitsverhältnisse sämtlich wirksam gekündigt sind. Der Wille des Arbeitgebers, in einem derartigen Fall im Ergebnis praktisch den sozialen Besitzstand des Arbeitnehmers zu „versilbern“, sei nach § 242 BGB unbeachtlich.593 (c) Vergleich zwischen beiden Konstellationen Mit der Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts wird auf der Ebene der Kündigungswirksamkeit das gleiche Problem angesprochen, wie bei einem Rationalisierungskonzept nach unerwartetem Betriebsübergang auf der Ebene des Wiedereinstellungsanspruchs. 591 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. 592 BAG (8 AZR 127/94), NZA 1997, 148, 148. 593 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. - 238 Der erste Fall präjudiziert den zweiten, denn wenn eine Kündigung trotz sicher bevorstehenden Betriebsübergangs aus vorrangigen betriebsbedingten Gründen wirksam ist, dann kann bei nachträglich eintretender gleicher objektiver Sachlage erst recht keine Wiedereinstellung beim Erwerber verlangt werden (Arg. a maiore ad minus). Vorgeschlagen wird daher für die Wiedereinstellungsfrage eine „als-ob“Betrachtung: Hätte der Arbeitgeber die Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung nicht ausgesprochen und würde nun ein potentieller Betriebsübernehmer den Erwerb von Rationalisierungsmaßnahmen abhängig machen, so könnte der Arbeitgeber betriebsbedingt ohne Verstoß gegen § 613a IV 1 BGB kündigen.594 Es würde sich dann um eine nach ganz h.M. bei bevorstehendem Betriebsübergang zulässige Kündigung des alten Betriebsinhabers mit dem Ziel der Verwirklichung eines Sanierungskonzepts des Erwerbers handeln, also eine Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts.595 Ein notwendiger Personalabbau soll nicht allein durch den Betriebsübergang verzögert werden.596 Es kann nämlich keine Rolle spielen, ob die Idee der Sanierung des Unternehmens vom Unternehmer selbst, von einem Dritten oder vom Erwerber entwickelt wurde.597 Wenn nun der Arbeitgeber bereits das unternehmerische Konzept eines späteren Betriebsübernehmers durch rechtsbeständige betriebsbedingte Kündigungen umsetzen kann, dann kann auch kein Wiedereinstellungsanspruch anerkannt werden, wenn es nach einer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung unvorgesehen zu einem Betriebsübergang kommt und nach 594 595 So BAG (8 AZR 127/94), NZA 1997, 148, 148 und 150. BAG (2 AZR 477/81), AP Nr. 34 zu § 613a BGB; Hanau, ZIP 1984, 141, 143; Erman – Hanau, § 613a BGB Rn 126, Soergel – Raab, § 613a BGB Rn 189; Staudinger – Richardi/Annuß, § 613a BGB Rn 251; KR – Pfeiffer, § 613a BGB Rn 113; Meyer, BB 2000, 1032, 1035; Raab, RdA 2000, 147, 160; Lipinski, NZA 2002, 75, 79. 596 BAG (2 AZR 477/81), BAGE 43, 13, 21; Meyer, BB 2000, 1032, 1035. 597 Sandmann, SAE 1997, 157, 160. - 239 dem Konzept des Erwerbers für die betreffenden Arbeitnehmer kein Bedarf mehr besteht.598 Argumentiert wird auch, man würde den Arbeitgeber ansonsten dazu zwingen, zunächst eine Wiedereinstellung vorzunehmen, um den eingestellten Arbeitnehmer sogleich wieder zu kündigen. Eine Wiedereinstellung sei dem Arbeitgeber daher unzumutbar, kündigungsbegründenden wenn Prognose bei er trotz Widerlegung der Fortbestand des unterstelltem Arbeitsverhältnisses erneut wirksam kündigen könnte. Sei der Betriebserwerber zur Übernahme nur unter veränderten Vertragsbedingungen bereit, so müsse auch der Wiedereinstellungsanspruch zu geänderten Vertragsbedingungen entstehen, da bei hypothetischem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses eine entsprechende Änderungskündigung möglich wäre.599 Würde man den rechtswirksam gekündigten Arbeitnehmern einen Anspruch auf Wiedereinstellung einräumen, so würde das Ziel der wirksamen betriebsbedingten Kündigungen, den Betrieb veräußerungsfähig zu machen, vereitelt.600 Folglich würde es zu der von Anfang an geplanten Betriebsstillegung kommen, der Schutzzweck des § 613a IV BGB, den Erhalt der Arbeitsplätze zu sichern, würde in sein Gegenteil verkehrt. Liegt ein vernünftiges Sanierungskonzept vor, so handelt es sich demnach nicht um eine Kündigung „wegen“ des Betriebsübergangs und mithin nicht um einen Verstoß gegen § 613a IV 1 BGB. Die für die Kündigung maßgeblichen Umstände, nämlich die Nichtweiterführbarkeit ohne vorherige personelle Sanierung bleiben unverändert und bedingen die Kündigung weiterhin 598 Hanau, ZIP 1998, 1817, 1820; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 578 f. 599 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 578. 600 Tretow, ZinsO, 2000, 309, 314. - 240 unabhängig vom erfolgten Betriebsübergang. Wollte man anders entscheiden, so liefe auch die gesetzliche Vermutung aus den §§ 125 I, 128 II InsO leer.601 Wie erörtert hält der 2. Senat die „Disposition“ des Erwerbers für schutzwürdig und will so eine Wiedereinstellung nach unerwartetem Betriebsübergang verneinen, wenn im Erwerberkonzept für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kein Platz mehr ist. Zu Recht wird aber bezweifelt, ob in einem solchen Fall überhaupt der Kündigungsgrund weggefallen ist, zumal sowohl hinsichtlich der zunächst prognostizierten „Betriebsstillegung“ als auch hinsichtlich des tatsächlich eingetretenen Betriebsübergangs bei gleichzeitiger „personeller Sanierung“ der eigentliche Kündigungsgrund, nämlich die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus betriebsbedingten Gründen, letztlich bestehen bleibt.602 Eine andere Frage ist, ob der Veräußerer in einem solchen Fall gezwungen sein kann, an denjenigen Interessenten zu verkaufen, der den Betrieb mit den meisten Arbeitnehmern fortführen möchte. Dies kann jedoch nicht verlangt werden.603 Wenn der Betriebsinhaber jede neue Organisationsentscheidung mit der Folge des dauerhaften Wegfalls von Arbeitsplätzen als freie Unternehmerentscheidung verantworten und entsprechend kündigen kann, dann kann ihm auch nicht verwehrt sein, das Unternehmen an einen beliebigen Betriebsübernehmer zu veräußern, um den optimalen wirtschaftlichen Erfolg zu realisieren, gleich welches neue unternehmerische Konzept der Erwerber verfolgt und welche Auswirkungen dies auf den Fortbestand der Arbeitsplätze hat. Der Betriebsübergang verengt nicht die unternehmerischen Möglichkeiten und die Kündigungsbefugnis von Veräußerer und Erwerber, er erweitert sie aber auch nicht. 601 Berscheid, ZinsO 1998, 159, 172; Tretow, ZinsO 2000, 309, 314. 602 Ricken, NZA 1998, 460, 465. 603 So auch Sandmann, SAE 1997, 157, 159. - 241 Schließlich bedarf auch die Annahme einer näheren Überprüfung, ob sich über den Wiedereinstellungsanspruch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen erreichen lässt, etwa, weil der Betriebsübernehmer sie zur Bedingung für die Fortführung des Betriebes macht. Insgesamt kritisch wird angemerkt, ein potentieller Betriebsübernehmer habe es in der Hand, Wiedereinstellungsansprüche dadurch abzuwehren, dass er die Übernahme von der vorherigen Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen abhängig macht. Übernahmeangebote könnten in Zukunft regelmäßig nur noch unter Rationalisierungsvorbehalt abgegeben werden. Auch sei ein konstruierter Betriebsübergang zur Abwehr von Wiedereinstellungsansprüchen durchaus denkbar.604 (3) Stellungnahme Wollte man ein jedes unter der Bedingung eines Rationalisierungskonzepts stehende Übernahmeangebot als rechtshindernde Einwendung gegen die Entstehung von Wiedereinstellungsansprüchen zulassen, so stellt sich die Frage, wie dann noch eine praktikable Abgrenzung eines zulässigen „Rationalisierungskonzepts nach unerwartetem Betriebsübergang“ in Anlehnung an die Figur der „Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts“ von der verbotenen Nichtwiedereinstellung „wegen des Betriebsübergangs“ vorgenommen werden und einem Rechtsmissbrauch vorgebeugt werden kann. Richtig ist aber folgendes: Die Wiedereinstellung darf ihre Grundlage, den mit dem Betriebsübergang einhergehenden Wegfall des Kündigungsgrundes Betriebsstillegung, nicht zerstören. Richtig ist auch, dass der Arbeitgeber nicht schlechter stehen darf, als er stünde, wenn er auf die Kündigung wegen beabsichtigter bevorstehenden 604 Betriebsstillegung verzichtet Betriebsübergangs Ricken, NZA 1998, 460, 465. und gekündigt erst hätte, aus Anlass um den des Betrieb - 242 veräußerungsfähig zu machen. Andererseits können Zahl und Inhalt der wiederzubegründenden Arbeitsverhältnisse nicht in das Belieben eines Interessenten zum Betriebserwerb gestellt werden, obwohl sich an dessen subjektiven Willen die Frage entscheidet, ob der Betrieb stillgelegt werden muss oder nicht. Das gebietet der Schutzzweck des § 613a IV 1 BGB, Bestand und Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse unabhängig vom Betriebsübergang zu gewährleisten. Nicht überzeugen kann deshalb die undifferenzierte Auffassung des 2. Senats, dem Arbeitgeber könne es allenfalls zumutbar sein, den wirksam gekündigten Arbeitnehmern die Wiedereinstellung zu Arbeitsbedingungen anzubieten, zu denen ein Interessent zum Betriebserwerb bereit ist.605 Frühere Entscheidungen hatten dagegen zutreffend festgestellt, ein Kündigungsgrund ergebe sich nicht schon daraus, dass ein Interessent den Erwerb des Betriebes von Kündigungen abhängig mache.606 Gleiches muss dann auch für die Wiedereinstellung gelten. Auch wenn die Betriebsübernahme mit dem Willen des potentiellen Erwerbers steht und fällt, kann dieser sich die mit einem Betriebsübergang verbundenen Rechtsfolgen nicht aussuchen. Kann der Veräußerer grundsätzlich betriebsbedingte Beendigungs- oder Änderungskündigungen vornehmen, um den Betrieb(steil) übergangsfähig zu machen, so kann er bzw. der Betriebserwerber das gleiche unternehmerische Konzept auch mit Wirkung gegen die wegen beabsichtigter Betriebsstillegung gekündigten Arbeitnehmer verfolgen. Der eigentliche Grund dafür, dass die gekündigten Arbeitnehmer das neue unternehmerische Konzept gegen sich gelten lassen müssen, wird man im Fortbestehen des Kündigungsgrundes sehen müssen. Eine Kündigung wegen „beabsichtigter Betriebsstillegung“ bezeichnet die Nichtfortführbarkeit des Betriebes unter den gegenwärtigen Bedingungen als innere Rechtfertigung der Kündigung. Ergibt sich danach eine Fortführbarkeit unter anderen Bedingungen, so entsteht allenfalls ein Wiedereinstellungsanspruch unter den Voraussetzungen dieses geänderten 605 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. 606 BAG (2 AZR 477/81), MDR 1984, 171, 171 f; BAG (8 AZR 127/94), MDR 1997, 174, 174 f. - 243 unternehmerischen Konzepts, ohne dass es darauf ankommt, ob das neue Konzept vom bisherigen Arbeitgeber oder von einem Betriebserwerber verwirklicht wird. Ergibt sich demnach ein verringerter Personalbedarf, so ist der betriebsbedingte Kündigungsgrund für diejenigen Arbeitnehmer, die unter Berücksichtigung ihrer funktionalen Austauschbarkeit auf den noch vorhandenen oder neu entstandenen Arbeitsplätzen nicht weiterbeschäftigt werden können, nicht entfallen, sondern er besteht fort. Ein Wiedereinstellungsanspruch entsteht für diese Arbeitnehmer dem Grunde nach gar nicht erst, ohne dass es auf das Korrektiv der Zumutbarkeit ankäme, wie ein Teil der Lit.607 im Anschluss an den 2. Senat608 meint. Keineswegs ausreichend ist aber, dass der Betriebserwerber in spe die Betriebsübernahme ohne ausreichenden Sachgrund von der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer abhängig macht, denn die Betriebsübernahme selbst darf sich nach der Wertung des § 613a IV BGB nicht nachteilig auf die Arbeitsverhältnisse auswirken. Die Kündigung des Veräußerers ist aufgrund des Prognoseprinzips unter erleichterten Voraussetzungen möglich, da die Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung sich leichter begründen lässt als die aus Ex-Post-Sicht eigentliche angezeigte Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts. Bei beabsichtigter Stillegung bedarf es weder der Darlegung eines neuen organisatorischen Konzepts noch einer Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten. Diese Diskrepanz hat wegen § 613a IV BGB Auswirkungen auf eine mögliche Wiedereinstellungspflicht, die auch der Betriebserwerber gegen sich gelten lassen muss. Der Betriebsübernehmer darf in der Konsequenz den Druck, der von seinem bedingten Übernahmeangebot ausgeht oder ausgegangen ist, nicht auf die vom 607 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 578 f. 608 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. - 244 Veräußerer gekündigten Arbeitnehmer abwälzen. Nicht das bedingte Übernahmeangebot hindert die Entstehung von Wiedereinstellungsansprüchen, sondern nur ein verändertes unternehmerisches Konzept, das bei hypothetischem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch zur Kündigung berechtigen würde. Der Betriebserwerber muss sich für die Wiedereinstellungsfrage nach unerwartetem Betriebsübergang zunächst so behandeln lassen, als habe er selbst und nicht sein Rechtsvorgänger – unter Außerachtlassung des Betriebsübergangs – nach Erklärung wirksamer Stillegungskündigungen wegen veränderter Umstände einen Entschluss zur Betriebsfortführung gefasst, denn der Betriebsübergang darf sich als solcher nicht auswirken. In einem zweiten Schritt muss er dann die Nichtwiedereinstellung von Arbeitnehmern so rechtfertigen, wie er deren Kündigung hätte rechtfertigen müssen, wenn die Fortführung des Betriebes (durch wen auch immer) bereits im Kündigungszeitpunkt festgestanden hätte. Die wirksame Kündigung aufgrund der beabsichtigten Betriebsstillegung war allein aufgrund der Darlegung möglich, die Stillegungsabsicht bestehe endgültig und ihre Umsetzung habe bereits greifbare Formen angenommen. Die Betriebsübernahme schafft nun nachträglich einen anderen Rechtfertigungszwang. Diesem muss sich der Betriebserwerber im Hinblick auf etwaige Wiedereinstellungsansprüche in gleicher Weise stellen, wie es der Betriebsveräußerer schon bei der Kündigung hätte tun müssen, wenn er selbst den Entschluss zur Fortführung des Betriebes mit verringertem Personalbestand gefasst und diesbezüglich gekündigt hätte. Beendigungskündigungen zum Zwecke der Personalreduzierung bzw. Leistungsverdichtung sind an strengen Voraussetzungen zu messen, gleich, ob sie der schlichten Sanierung des Betriebes oder der (übertragenden) Sanierung im Rahmen eines Betriebsübergangs dienen. Nach zutreffender Auffassung des BAG gehört die Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zu den unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können. Eine solche Unternehmerentscheidung ist allerdings zwingend hinsichtlich ihrer - 245 organisatorischen Durchführbarkeit und des Begriffs der „Dauer“ zu verdeutlichen, damit das Gericht u.a. prüfen kann, ob sie nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Keinesfalls ausreichend ist es, wenn der Arbeitgeber den Kündigungsentschluss nur in andere Worte fasst und eine freie unternehmerische Entscheidung behauptet.609 So ist die bloße Entscheidung, die Lohnkosten zu senken, keine von den Gerichten als vorgegeben hinzunehmende, Unternehmerentscheidung. Unternehmerentscheidung grundsätzlich Durch die (Kündigungsursache) bindende Gleichsetzung und von Personalabbau (Kündigungsfolge) wäre praktisch das Kausalitätserfordernis zwischen der Unternehmerentscheidung und dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses aufgehoben.610 Erst wenn der Arbeitgeber aufgrund des Motivs, Lohnkosten einzusparen, konkrete Maßnahmen unternehmerische im betrieblichen Entscheidung vor, Bereich die beschließt, entweder den liegt eine Wegfall des Arbeitsplatzes oder die Änderung der Arbeitsbedingungen rechtfertigen kann.611 Andernfalls würde man dem Arbeitgeber die Befugnis einräumen, die Kündigung praktisch mit sich selbst zu begründen. Daher gilt folgendes: Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den bloßen Kündigungsentschluss rückt, um so mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer tatsächlich entfallen ist.612 Der Arbeitgeber darf sich nicht auf die Entscheidung zur Leistungsverdichtung allein berufen. Er muss die Auswirkungen dieser Entscheidung auf den Betrieb 609 Sandmann, SAE 1997, 157, 159; Bader, NZA 1997, 905, 914. 610 Boeddinghaus, AuR 2001, 8, 10. 611 LAG Düsseldorf (3 Sa 641/00), ZMV 2001, 90, 90 f. 612 BAG (2 AZR 141/99), DB 1999, 1399, 1399; BAG (2 AZR 522/98), DB 1999, 1910, 1910 f. - 246 und auf das Beschäftigungsbedürfnis des zu entlassenden Arbeitnehmers im einzelnen darlegen, so dass der Arbeitnehmer hierzu vortragen und das Gericht eine Überprüfung vornehmen kann. Dabei sollte gegebenenfalls auch ein entsprechender Beschluss – der nicht notwendigerweise den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen genügen muss613 – vorgelegt werden können.614 Für Änderungskündigungen zum Zwecke der Entgeltabsenkung gilt nichts anderes. Eine grundsätzlich freie unternehmerische Entscheidung liegt nach der Rspr. dann nicht vor, wenn sich der Arbeitgeber allein zum Abbau von Arbeitsentgelten oder betrieblichen Sozialleistungen mit Entgeltcharakter entschließt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Änderungs- oder eine Beendigungskündigung handelt.615 Andernfalls könnte der Arbeitgeber die ausgesprochene Kündigung, abgesehen von Fällen offensichtlichen Rechtsmissbrauchs stets erfolgreich mit dem Hinweis verteidigen, sie stelle eine nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung dar.616 Deshalb nimmt die ständige Rechtsprechung im Anschluss an Hillebrecht617 an, dass eine Änderungskündigung zur Entgeltkürzung nur in Betracht kommt, wenn sonst der Betrieb stillgelegt oder die Belegschaft reduziert werden müsste.618 In der Lit. vertretene Gegenansichten halten eine Änderungskündigung zur Entgeltanpassung dagegen bereits dann für rechtens, wenn sachliche Gründe 613 BAG (2 AZR 414/97), DB 1998, 1568, 1569. 614 Schiefer, DB 2000, 669, 672. 615 LAG Berlin (9 Sa 14/98), NZA-RR 1998, 498, 499; kritisch Brenneis Diss., S. 98 ff. 616 LAG Berlin (9 Sa 56/97), LAGE Nr. 27 zu § 2 KSchG m.w.N. 617 Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 260. 618 BAG (2 AZR 84/98), NZA 1999, 255, 256; BAG (2 AZR 91/98), NZA 1999, 471, 473. - 247 vorliegen619, eine angemessene Rentabilität erreicht werden soll620 oder das Unternehmen mit Verlust arbeitet621. Dem ist die Rechtsprechung zu Recht nicht gefolgt. Hält man die Änderungskündigung auch dann für sozial gerechtfertigt, wenn sie nicht dazu dient, die Beendigungskündigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall abzuwenden, so gibt man dem Arbeitgeber das Recht, seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer aus rein wirtschaftlichen Motiven nicht zu erfüllen. Finanzielle Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern haben aber grundsätzlich keine andere Qualität als Verpflichtungen gegenüber Lieferanten oder Banken bzw. Drittunternehmen. Der Zwang zu sparen ist ebenso wenig ein Grund zur Entgeltkürzung wie zur Kürzung von Forderungen anderer Vertragspartner. Der Arbeitnehmer hat nicht versprochen, je nach den wirtschaftlichen Erfordernissen des Unternehmens zu unterschiedlichem Entgelt zu arbeiten.622 Die Änderungskündigung kann daher nur gerechtfertigt sein, wenn ein verständig denkender Unternehmer sonst das Unternehmen nicht weiterführen würde oder konkrete Tätigkeiten mit der Folge von Beendigungskündigungen aufgäbe.623 Insbesondere reicht es also nicht aus, dass das Unternehmen Verluste gemacht hat.624 Vor diesem Hintergrund ist eine Änderungskündigung mit dem Primärziel der Entgeltabsenkung i.d.R. sozial nicht gerechtfertigt. Auf der anderen Seite kann die Unrentabilität jedoch ein dringendes betriebliches Erfordernis darstellen, wenn so nach dem Ultima-Ratio-Prinzip625 andernfalls 619 620 Lieb ArbR, Rn 404; Mayer, AiB 1998, 441, 455. Löwisch/Bernads, Anm. zu BAG (2 AZR 294/97), EzA § 2 KSchG 1969 Nr. 6; Preis, NZA 1995, 241, 249; Rieble, NZA 2000, Sonderbeilage zu Heft 3, 34, 36 f. 621 Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 779. 622 LAG Berlin (14/98), NZA-RR 1998, 498, 499. 623 Hromadka, NZA 1996, 1, 10; Schiefer, DB 2000, 669, 674; Boeddinghaus, AuR 2001, 8, 11. 624 LAG Berlin (9 Sa 14/98), NZA-RR 1998, 498, 499. 625 Zur Kritik am ultima-ratio-Prinzip siehe Rüthers, NJW 1998, 1433, 1434. - 248 unvermeidbare Beendigungskündigungen vermieden werden.626 Dabei ist immer auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes und nicht auf die eines unselbstständigen Betriebsteils abzustellen.627 Wenn aber ein verständig denkender Unternehmer das Unternehmen nur weiterführen oder zum Zwecke der Weiterführung übernehmen würde, wenn zugleich eine personelle Sanierung mittels nach diesen Grundsätzen wirksamen Änderungs- und / oder Beendigungskündigungen vorgenommen wird, so kann darin ein verändertes und von den Arbeitsgerichten zu billigendes unternehmerisches Konzept liegen, das zwar von dem ursprünglichen Konzept der Betriebsstillegung abweicht, aber insoweit diesem gleichzuachten ist und damit auch insoweit nicht zu einer Widerlegung der Prognose des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten führt, wie sich für einen Teil der Arbeitnehmer auch hiernach keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eröffnet. Der eigentliche Kündigungsgrund ist in diesen Fällen nicht die beabsichtigte Betriebsstillegung, sondern der mit ihr notwendig einhergehende Wegfall einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Ergibt sich auch nach dem geänderten unternehmerischen Konzept keine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, so bleibt der Kündigungsgrund letztlich trotz des unerwarteten Betriebsübergangs bestehen, weshalb es schon an der Grundvoraussetzung für einen Wiedereinstellungsanspruch fehlt. Auch wenn sich so die mit einer fingierten oder tatsächlichen Betriebsübernahme verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten nicht ausschließen lassen, muss zumindest klar sein, dass die mit einem Übernahmeangebot verbundenen personellen Sanierungswünsche allein keine Auswirkungen auf die Kündigungsbefugnis bzw. Wiedereinstellungsverpflichtung des Veräußerers und Erwerbers haben. Die mit der subjektiven Determinierung des unternehmerischen Konzepts verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten sind 626 Schiefer, DB 2000, 669, 674. 627 BAG (2 AZR 91/98), DB 1999, 536, 536 f. - 249 zwar jeder betriebsbedingten Kündigung eigen. Bei der unerwarteten Betriebsübernahme verschärft sich das Problem jedoch. Die erste wichtige Frage ist dabei schon im Kündigungsschutzprozess zu klären: War die Kündigung wirklich durch eine im Kündigungszeitpunkt noch ernsthaft beabsichtigte Betriebsstillegung bedingt, die, obgleich sie nicht verwirklicht wurde, schon damals greifbare Formen angenommen hatte, so wird meist auch einleuchten, dass eine unvorhergesehene Betriebsübernahme ein unternehmerisches Konzept voraussetzt, das auch eine personelle Sanierung mit einbezieht. Der insoweit beweisbelastete Betriebsübernehmer muss im Rechtsstreit um die Wiedereinstellung dann darlegen, dass erstens ein schlüssiges unternehmerisches Konzept für die Weiterführung des Betriebes mit geringerem Personalbestand besteht, und dass zweitens gerade der seine Wiedereinstellung verlangende Arbeitnehmer darin keinen Platz mehr findet, sei es auf dem von ihm zuvor besetzten oder einem neu entstandenen Arbeitsplatz, auf dem seine Weiterbeschäftigung dem Erwerber möglich und zumutbar ist. Der Arbeitgeber hat mit Beweiskraft darzulegen, dass die eigentliche Organisationsentscheidung sich nicht im Personalabbau oder der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen erschöpft, dass sie organisatorisch durchführbar ist und den Beschäftigungsbedarf damit dauerhaft senkt und schließlich das neue Konzept auch unter Berücksichtigung sozialer Aspekte der verlangten Wiedereinstellung entgegensteht, so dass der Arbeitnehmer hierzu vortragen und das Gericht prüfen kann, ob die Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist oder gar ein Rechtsmissbrauch vorliegt. Genügt der beklagte Arbeitgeber seiner Substanziierungspflicht nicht, so ist zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass der Kündigungsgrund entfallen und seine Wiedereinstellung grundsätzlich möglich und zumutbar ist. - 250 - d) Geltendmachung gegen den Erwerber (1) Fortsetzungs- / Wiedereinstellungsanspruch gegen den Erwerber Das Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsverlangen ist nach allgemeiner Ansicht gegenüber dem Betriebserwerber zu erklären und soll nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden dürfen, die der Betriebserwerber nicht beeinflussen kann.628 Der Erwerber ist ausschließlich passiv legitimiert, wenn es erst nach Ablauf der Kündigungsfrist unerwartet zu einem Betriebsübergang kommt.629 Nichts anderes gilt dann, wenn es bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist zu einem Betriebsübergang kommt und der Arbeitnehmer erst danach Klage auf Abschluss eines Fortsetzungsarbeitsvertrages erhebt. Die Klage gegen den Erwerber enthält zugleich einen Verzicht auf das Widerspruchsrecht gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses.630 Unzulässig ist dagegen eine bedingte Klageerhebung gegen den möglichen Betriebsübernehmer. Im selben Prozessrechtsverhältnis können Sachanträge in einem Eventualverhältnis stehen, eine bedingte subjektive Klagenhäufung ist jedoch unzulässig.631 (2) Wiedereinstellungsanspruch gegen den Veräußerer Wenn in Rspr.632 und Lit.633 angenommen wird, der Anspruch auf Wiedereinstellung könne sich auch gegen den Veräußerer richten, so ist damit 628 BAG (8 AZR 265/97), MDR 1999, 551 = NZA 1999, 311; BAG (8 AZR 265/97), DB 1999, 485, 485; Dornieden, AiB 1998, 410, 410; Berscheid, ZinsO 1998, 159, 170; Berscheid, MDR 1998, 1129, 1131; Müller-Glöge, NZA 1999, 449, 456; Raab, RdA 2000, 147, 163; Tretow, ZinsO 2000, 309, 314. 629 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 251. 630 Boewer, NZA 1999, 1177, 1183; Moll/Reufels, EWiR 1999, 995, 996. 631 BAG (8 AZR 729/96), NZA 1998, 534, 534; Müller-Glöge, NZA 1999, 449, 456. 632 BAG (2 AZR 160/96), BB 1997, 1953, 1954 f. - 251 allein der begrenzte Zeitraum angesprochen, der zwischen der Widerlegung der ursprünglich gerechtfertigten kündigungsbegründenden Prognose des früheren Arbeitgebers und der tatsächlichen Betriebsübernahme liegt.634 Muss der bisherige Arbeitgeber im Verlauf der weiteren Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung nunmehr zwingend davon ausgehen, dass es zu einem Übergang des nach seiner ursprünglichen Planung stillzulegenden Betriebsteils kommt, so erweist sich damit die kündigungsbegründende Prognose als falsch und es entsteht materiellrechtlich ein Anspruch auf Wiedereinstellung beim früheren Arbeitgeber, solange sich dort noch eine Beschäftigungsmöglichkeit ergibt, weil der absehbare Betriebsübergang noch nicht stattgefunden hat. Der Wiedereinstellungsanspruch beim Veräußerer entsteht, sobald der (unerwartete) Betriebsübergang in dem Sinne greifbare Formen annimmt, dass sein Eintreten und die Person des Erwerbers feststeht. Sobald beim bisherigen Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr vorhanden ist, kann eine Klage auf Wiedereinstellung nur noch gegen den Erwerber gerichtet werden.635 Die vor diesem Zeitpunkt gegen den Veräußerer gerichtete Klage wird durch den nachfolgenden Betriebsübergang nicht berührt. Kommt es während des Prozesses zum Betriebsübergang, so finden die §§ 265, 325 ZPO entsprechende Anwendung.636 Klagt der Arbeitnehmer gegen seinen bisherigen 633 634 635 636 Annuß, BB 1998, 1582, 1586; Kleinebrink, FA 1999, 138, 141. Zu undifferenziert dagegen Langenbucher, ZfA 1999, 299, 323, die einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den bisherigen Arbeitgeber mit dem Ziel der Überleitung des ungekündigten Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber gemäß § 613a I 1 BGB generell als sinnlos ablehnt. Damit verbietet sich nach dem Vollzug des Betriebsübergangs auch eine Wiedereinstellungsklage gegen den Veräußerer unter gleichzeitiger Erklärung eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang. Die Wiedereinstellungsklage ginge nämlich schon tatbestandlich ins Leere, weil es für den betriebsbedingten Kündigungsgrund des Veräußerers keinen Unterschied macht, ob die Beschäftigungsmöglichkeit wegen beabsichtigter Betriebsstillegung oder wegen abgeschlossener Veräußerung des Betriebes entfällt. Die Ausübung des Widerspruchsrechts zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Betriebsveräußerung bereits vollzogen ist, führt zum Erhaltenbleiben des Kündigungsgrundes. Der Kündigungsgrund entfällt durch den unerwarteten Betriebsübergang also nur auflösend bedingt durch die Ausübung des Widerspruchsrechts. Richtet der Arbeitnehmer seine Wiedereinstellungsklage gegen den Veräußerer in Kenntnis des bereits vollzogenen Betriebsübergangs, so wird man darin eine konkludente Ausübung des Widerspruchsrechts erkennen können. Die Klage ist deshalb – entsprechend der Rspr. des BAG – ohne weiteres als unbegründet abzuweisen, mag auch ein Anspruch gegen den Erwerber begründet sein. Boewer, RdA 2001, 380, 403. - 252 Arbeitgeber wegen eines bevorstehenden Betriebsübergangs auf Wiedereinstellung, so bleibt der bisherige Arbeitgeber passiv legitimiert. In entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 ZPO ist der Rechtsnachfolger an die Entscheidung gebunden.637 Die Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung hindert den Betriebserwerber jedoch nicht daran, sich auf den fehlenden Betriebsübergang nach § 613a BGB zu berufen. Dann wird eine weitere Klage gegen den Betriebsübernehmer erforderlich.638 Praktisch wird der gegen den Veräußerer gerichtete Wiedereinstellungsanspruch auch, wenn dieser seine Pläne ändern und den Betrieb länger oder in erweitertem Umfang fortführen muss, um dem Erwerber zum vereinbarten Termin eine intakte organisatorische Einheit übertragen zu können. Will der Veräußerer zunächst stufenweise Personal bis zur geplanten Stillegung abbauen, weil er noch die bereits angenommenen Aufträge abwickeln will, und zeigt sich dann ein Interessent bereit, den Betrieb fortzuführen, so kann sich für den Veräußerer die Notwendigkeit ergeben, den bisherigen Betriebsumfang wieder herzustellen, um einen Wertverlust zu verhindern und den Verkauf nicht zu gefährden. Will er hierzu Einstellungen bis zur alten Personalstärke vornehmen, so ist er verpflichtet, zunächst denjenigen Arbeitnehmern die Wiedereinstellung anzubieten, denen er zuvor wegen beabsichtigter Betriebsstillegung gekündigt hat.639 637 BAG (2 AZR 507/92), NZA 1994, 260, 261 f; Fischer, DB 2001, 331, 334. 638 Boewer, NZA 1999, 1177, 1183. 639 Raab, RdA 2000, 147, 163. - 253 - e) Wiedereinstellungsanspruch bei übertragender Sanierung durch den Insolvenzverwalter Unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob ein Wiedereinstellungsanspruch auch dann in Betracht kommt, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb(steil) nach personeller Sanierung veräußert (sog. "übertragende Sanierung"640). (1) Geltung der Betriebsübergangsrichtlinie und des § 613a BGB in der Insolvenz Fraglich ist zunächst, ob die Betriebsübergangsrichtlinie einerseits und § 613a BGB andererseits bei einer "übertragenden Sanierung" in der Insolvenz überhaupt anwendbar sind. Der EuGH verneint eine Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie in der Insolvenz. Die Nichtanwendung der Betriebsübergangsrichtlinie v. 14.02.1977 im Insolvenzfalle ist vom Gerichtshof mit der "ernsthaften Gefährdung'' der sozialen Ziele des Art. 117 EGV und damit begründet worden, dass eine solche Anwendung sanierungsfeindlich wirken kann. Der europäische Gesetzgeber hat den Bedenken gegen die Anwendung der Betriebsübergangsrichtlinie auf Betriebsübertragungen in der Insolvenz Rechnung getragen und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Anlass genommen, die bisherige Richtlinie zu ändern. Nach Art. 4a641 der Richtlinie 98/50/EG gelten Art. 3 und Art. 4 der Richtlinie 77/187/EWG, also die Vorschriften über die Kündigung, zwingende Eintrittspflicht des Neuinhabers und Haftungsübernahme für Altverbindlichkeiten, generell nicht für Übergänge von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen, bei denen gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle, worunter auch ein von einer 640 641 Begriff eingeführt von Karsten Schmidt, ZIP 1980, 328, 336, der damit ursprünglich nur den Fall beschrieb, dass die nichthaftenden Träger eines insolventen Unternehmens eine neue Gesellschaft allein mit dem Ziel gründen, das insolvente Unternehmen zu erwerben. Inzwischen wird so auch der Erwerb durch ein bereits bestehendes (insbes. Konkurrenz-) Unternehmen beschrieben (BFH, DB 1986, 1803, 1803). entspricht Art. 5 der Richtlinie 2001/23/EG. - 254 zuständigen Behörde ermächtigter Insolvenzverwalter verstanden werden kann, ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde, "sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen''.642 Demnach ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten jedenfalls nicht verpflichtet sind, bei der Veräußerung im Insolvenzverfahren einen Bestandsschutz vorzusehen.643 Der Ausnahmetatbestand für Zahlungsunfähigkeitsverfahren räumt den Mitgliedsstaaten größere Gestaltungsspielräume ein und will dadurch möglichen kontraproduktiven Wirkungen der Richtlinie bei ihrer Anwendung auf notleidende Unternehmen vorbeugen.644 Rspr.645 und Lit.646 stimmen darin überein, dass die Betriebsübergangsrichtlinie insoweit keine Änderungen des geschriebenen Rechts durch den Gesetzgeber fordert und daher die Rspr. des BAG uneingeschränkt aufrechterhalten und im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt werden kann.647 (2) Geltung des § 613a BGB in der Insolvenz Damit stellt sich die Frage, ob § 613a BGB als mögliche Rechtsgrundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs überhaupt zur Anwendung gelangt, wenn die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Diese Frage kann als geklärt gelten. Nach zutreffender ganz h.M. ist § 613a BGB auch bei einer Veräußerung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter anwendbar.648 Über § 128 InsO ist 642 LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 241. 643 Berscheid, ZinsO 1998, 159, 172; Schubert, ZIP 2002, 554, 559. 644 BR-Drs. 896/94, S. 11 f Rn 23.; Franzen, DZWIR 2000, 247, 249. 645 LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 240 f. 646 Bergwitz, DB 1999, 2005, 2008; Franzen, DZWIR 2000, 247, 249. 647 Franzen, DZWIR 2000, 247, 248 f; Tretow, ZinsO 2000, 309, 309. 648 LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 240 f; Tretow, ZinsO 2000, 309, 310; Raab, RdA 2000, 147, 160; Schubert, ZIP 2002, 554, 557; Kittner/Däubler/Zwanziger - Zwanziger, § 613a BGB Rn 159; Soergel – Raab, § 613a BGB Rn 67 m.w.N. - 255 die Anwendung des § 613a BGB in der Insolvenz vom Gesetzgeber vorausgesetzt und damit anerkannt worden. Zur Förderung der übertragenden Sanierung, die als gleichwertige Alternative neben der Liquidation steht, hat der Gesetzgeber mit § 128 InsO eine Vorschrift geschaffen, welche die aus der Weitergeltung des § 613a BGB in der Insolvenz entstehenden Nachteile für übertragende Sanierungen abmildert, so dass diese Vorschrift - trotz der Regelung des Art 4a649 der Richtlinie 98/50/EG - auch unter der neuen Betriebsübergangsrichtlinie für Betriebsveräußerungen in der Insolvenz fortgilt.650 (3) Bedeutung des § 613a IV 1 BGB in der Insolvenz Für die Arbeitgeberinsolvenz bewirkt allerdings § 128 InsO, dass dem Arbeitnehmer die erfolgreiche Berufung auf § 613a IV 1 BGB weitgehend unmöglich gemacht wird, da er die Vermutung des § 125 InsO nicht zu entkräften vermag oder durch den Beschluss nach § 126 InsO im Kündigungsschutzverfahren präjudiziert ist.651 In der Insolvenz gilt für die Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 613a IV 1 BGB darüber hinaus stets eine dreiwöchige Klageerhebungsfrist nach § 113 II InsO. (4) Konsequenzen für den Wiedereinstellungsanspruch im Falle der Betriebsveräußerung in der Insolvenz (a) Rspr. - Kein Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz Legt man die Rechtsprechung des 8. Senats652 zu den Voraussetzungen eines Betriebsübergangs durch die Einstellung eines nach Zahl und Sachkunde 649 650 651 652 entspricht Art. 5 der Richtlinie 2001/23/EG. LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 240 f; Kittner/Däubler/Zwanziger - Zwanziger, § 613a BGB Rn 159; Tretow, ZinsO 2000, 309, 310. Bichlmeier/Oberhofer, AIB 1997, 161, 169; DKK BetrVG – Däubler, § 128 InsO Rn 4; Tretow, ZinsO 2000, 309, 311. BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320, 323 f. - 256 wesentlichen Teils des Personals zugrunde, so wird man die Frage nach einem Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz verneinen müssen. Der 8. Senat stellt entscheidend darauf ab, dass nach Art. 5 der Richtlinie 2001/23/EG keine europarechtlichen Vorgaben bestehen; das Kündigungsverbot der Betriebsübergangsrichtlinie, welches der Sache nach die Grundlage für eine entsprechende Rechtsfortbildung des BAG zum Wiedereinstellungsanspruch darstellt, gilt hier schlicht nicht.653 Damit fehlt es im Insolvenzfall am europarechtlichen Unterbau eines Wiedereinstellungsanspruchs nach unerwartetem Betriebsübergang, wie ihn der 8. Senat zur Begründung herangezogen hat. Eine richtlinienkonforme Extension des § 613a I, IV BGB verbietet sich folgerichtig dort, wo die Richtlinie keine positive Aussage enthält. Die Rspr.654 lehnt es daher generell ab, einen Fortsetzungsanspruch in Fällen der Betriebsübernahme im Insolvenzverfahren des Veräußerers anzuerkennen. Die Rspr. zum Wiedereinstellungsanspruch nach Betriebsübergang beruhe auf der Notwendigkeit, die deutsche Zivilrechtsdogmatik und die europarechtlichen Vorgaben möglichst weitgehend zu harmonisieren. Deshalb habe das BAG einerseits die vom alten Betriebsinhaber ausgesprochenen Kündigungen nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens beurteilt. Zum Ausgleich habe es den Arbeitnehmern Arbeitsverhältnisses zugebilligt, einen wenn Anspruch der auf Fortsetzung Betriebsübergang erst des nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse vollzogen worden sei. Im Falle des im Insolvenzverfahren vollzogenen Betriebsübergangs bestehe jedoch keine Notwendigkeit, einen solchen Fortsetzungsanspruch anzuerkennen. Gemäß Artikel 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG finde die Richtlinie im Insolvenzverfahren nur Anwendung, wenn die Mitgliedstaaten dies vorsähen. Eine solche Regelung zum Fortsetzungsanspruch des wirksam entlassenen Arbeitnehmers habe weder der deutsche Gesetzgeber noch die Rechtsprechung 653 654 St. Rspr. seit EuGH Slg. 1985, 469, 478 – Abels; Franzen, DZWIR 2000, 247, 250. BAG (8 AZR 324/97), ZIP 1999, 320, 324; LAG Bremen (1 Sa 291/98), AuR 1999, 316, 316 f; LAG Frankfurt (11 Sa 908/99), ZinsO 2002, 48, 48. - 257 geschaffen.655 Deshalb bestehe keine Notwendigkeit, einen solchen Fortsetzungsanspruch für Fälle der Betriebsübernahme im Insolvenzverfahren des Veräußerers anzuerkennen. Ein Teil der Lit. ist dem gefolgt.656 (b) Schrifttum Oetker657 führt dagegen aus, während des Insolvenzverfahrens entfalle lediglich ein vermeintlicher Zwang des Gemeinschaftsrechts, den Wiedereinstellungsanspruch über § 613a BGB zu gewähren. Das schließe jedoch nicht aus, einen derartigen Anspruch auch während des Insolvenzverfahrens unabhängig von den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben aus § 613a I 1 und IV 1 BGB abzuleiten oder diesen auf allgemeine Grundlagen, insbesondere die Interessenwahrungspflichten, zu stützen. Berscheid658 bejaht zwar einen Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz, will ihn aber zeitlich auf den Ablauf der Höchstkündigungsfrist des § 113 I 2 InsO begrenzen. Die Bejahung eines Wiedereinstellungsanspruchs nach Fristablauf würde den Vorstellungen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, mit der Kündigungsfrist von höchstens 3 Monaten zum Monatsende für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen in der Insolvenz einen Ausgleich zwischen den sozialen Belangen der Arbeitnehmer und dem Befriedigungsinteresse der Insolvenzgläubiger schaffen zu wollen.659 655 So auch Boewer, NZA 1999, 1177, 1180. 656 Boewer, NZA 1999, 1177, 1180; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 99. 657 Oetker, DZWIR 2000, 461, 462. 658 Berscheid, MDR 1998, 1129, 1131 f. 659 Ebenso Imping, MDR 1999, 125, 130. - 258 Hanau660 geht davon aus, das europäische Recht lasse sich zwar insoweit nicht in allen Einzelheiten zur Grundlage einer richtlinienkonformen Auslegung des § 613a BGB machen, da die Richtlinie 2001/23/EG in Art. 5 I lediglich eine Ermächtigung, aber keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten ausspricht, die übertragende Sanierung zu fördern. Im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung könnten die nationalen Gerichte aber stärker als bisher berücksichtigen, dass die Richtlinie der Erhaltung von Arbeitsplätzen dient und deshalb nicht kontraproduktiv angewendet werden soll. Da sich das BAG seit 1997 bei der Auslegung des § 613a BGB eng an die EuGH-Rspr. zur Richtlinie anlehnt, sei es konsequent, auch die Zielbestimmung der Richtlinie zu übernehmen und auf die Vermeidung kontraproduktiver Wirkungen gerade in der Insolvenz besonders zu achten. Auch sei die Rspr. des EuGH zur Ausweitung des Tatbestandes des Betriebsübergangs in den Fällen der Funktionsnachfolge bei bloßer Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft nur im Zusammenhang damit verständlich, dass die Richtlinie für den Insolvenzfall nicht zwingend gilt, so dass sich dort, wo die Gefahr am größten sei, auch keine kontraproduktiven Wirkungen ergeben könnten. Auch das neue Insolvenzrecht tendiere schließlich dazu, im Interesse der Rechtssicherheit den individuellen Kündigungsschutz zu beschränken und die Kündigung der Arbeitsverhältnisse durch den Insolvenzverwalter zu erleichtern (vgl. §§ 125, 126, 128 InsO). Auch diese Sonderbestimmungen wertet Hanau als Argument gegen einen Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz, weil sonst die durch sie gewonnene Rechtssicherheit wieder preisgegeben würde. Hiergegen wendet Raab661 ein, die genannten Vorschriften der InsO schafften Rechtssicherheit nur insoweit, als die Wirksamkeit der Kündigung, bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, die die Entscheidung des Arbeitgebers gemäß § 126 InsO zugrunde legt, nur noch eingeschränkt angezweifelt werden könne. Nachträgliche Veränderungen fänden gemäß §§ 660 Hanau, ZIP 1998, 1817, 1819 f; ders. ZIP 1999, 324, 325. 661 Raab, RdA 2000, 147, 160. - 259 125 I 2, 127 I 2 InsO durchaus Berücksichtigung. Dem Gesetz lasse sich demnach nicht die Wertung entnehmen, dass der Rechtssicherheit des Erwerbers uneingeschränkt der Vorrang gebühre. Daher werde man einen Wiedereinstellungsanspruch bei einer Veräußerung im Insolvenzverfahren wohl nicht generell ausschließen können. (c) Stellungnahme Wollte man einen Wiedereinstellungsanspruch ablehnen, so entstünde also jedenfalls kein Widerspruch zum europäischen Recht. Andererseits steht das europäische Recht der Annahme eines auf nationaler Rechtsgrundlage basierenden Wiedereinstellungsanspruchs auch nicht entgegen, wie Art. 5 I der Richtlinie ausdrücklich betont („Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen...“). Die Betriebsübergangsrichtlinie verhält sich demnach gegenüber einem auf § 613a I 1 und IV 1 BGB, § 1 II KSchG gestützten Wiedereinstellungsanspruchs neutral. Damit stellt sich die Frage, ob § 613a IV 1 BGB auch bei übertragender Sanierung durch den Insolvenzverwalter die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs fordert. Zunächst überzeugt der Einwand Hanaus, die Sonderbestimmungen der §§ 125 - 128 InsO, die die Kündigungsbefugnis des Insolvenzverwalters durch Beschränkung des individuellen Kündigungsschutzes erleichtern, sprächen tendenziell gegen einen Wiedereinstellungsanspruch, weil die so erreichte Rechtssicherheit durch einen Wiedereinstellungsanspruch nicht wieder zur Disposition gestellt werden dürfe. Es bleibt allerdings bei der Geltung des § 613a BGB in der Insolvenz und – wie Raab zutreffend ausführt – auch dabei, nachträglich hinzutretende Ereignisse nicht an den Vermutungen der Rechtswirksamkeit der Kündigung gemäß §§ 125 – 127 InsO zu messen (§§ 125 I 2, 127 I 2 InsO). Die besseren Gründe sprechen daher für die Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs auch nach übertragender Sanierung durch den Insolvenzverwalter. Wegen §§ 125 I 2, 127 I 2 InsO ist die nachträgliche Änderung von Umständen stets beachtlich. - 260 - III. Verhaltensbedingte Kündigung 1. Geltung und Inhalt des Prognoseprinzips Hinsichtlich der verhaltensbedingten Kündigung662 ist oft überlegt worden, ob überhaupt ein Wiedereinstellungsanspruch denkbar ist. Das erscheint zunächst plausibel, denn auch Anwendungsbereich die des verhaltensbedingte Prognoseprinzips, Kündigung das die fällt Basis in den für die Wiedereinstellungspflicht darstellt. Das BAG hat zumindest seit 1988663 deutlich herausgestellt, dass auch im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung das Prognoseprinzip gilt.664 Der Kündigungszweck sei zukunftsbezogen ausgerichtet, weil mit der verhaltensbedingten Kündigung das Risiko weiterer Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden solle.665 Entscheidend sei, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig weiter belastend auswirkt.666 Letztere Alternative wird im Schrifttum auch auf die Formel gebracht, aufgrund des eingetretenen Vertrauensbruchs dürfe eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter keinen Umständen mehr zu erwarten sein.667 Eine Gegenansicht ist der Auffassung, die verhaltensbedingte Kündigung erhalte ihre Rechtfertigung dadurch, dass dem Arbeitgeber im Hinblick auf die Pflichtverletzungen in der Vergangenheit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Eine Prognose erübrigt sich 662 663 Zu deren Fallgruppen instruktiv Hoß, MDR 1998, 869 ff. BAG (2 AZR 215/88), AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung; BAG (2 AZR 375/90), BAGE 67, 75, 81 = AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG (2 AZR 604/90), AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. 664 Ebenso BverfG (1 BvR 1397/93), AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX. 665 BAG (2 AZR 357/95), NZA 1997, 487, 487. 666 667 BAG (2 AZR 215/88), AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung, (II 2 d bb der Gründe), BAG (2 AZR 604/90), AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 690. Erman – Hanau, § 626 Rn 29; Preis S. 328 f. - 261 damit.668 Eine andere Gegenansicht hält die kündigungsbegründende Prognose in den Fällen der Tatkündigung aus Gründen der Risikozurechnung für unwiderlegbar.669 2. Abmahnung und Prognoseprinzip Im Bereich willensgesteuerten Verhaltens besteht das besondere Problem bei der Anwendung des Prognoseprinzips darin, dass dem Arbeitgeber bei der Kündigung eine Wahrscheinlichkeitsthese über das weitere Verhalten seines Vertragspartners abverlangt wird, obwohl oft schon die eingetretene Vertragsverletzung die Möglichkeit einer zukünftigen Verhaltensänderung nahe legt und damit der Annahme einer Wiederholungsgefahr oder auch nur einer Fortwirkung der Vertragsverletzung entgegensteht. Die Abmahnung hat für die verhaltensbedingte Kündigung daher die Funktion, eine sichere Prognosegrundlage zu schaffen. Abmahnungserfordernis und das allgemein anerkannte Prognoseprinzip bedingen sich in diesem Sinn. Das Prognoseprinzip wiederum verweist auf den Zukunftsbezug der zu beurteilenden Vertragsstörung. Weil "zurückliegende Ereignisse als solche die Kündigung nicht zu rechtfertigen (vermögen), mögen sie an sich noch so schwerwiegend sein ..."670, entscheidet eine Prognose über die Fortwirkung der Vertragsverletzung. Der Arbeitgeber kann die kündigungsbegründende Prognose nur mit dem Vortrag begründen, in Zukunft sei mit weiteren Störungen zu rechnen. I.d.R. liegt diese Voraussetzung nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach einer vorangegangenen Abmahnung ein beanstandetes Verhalten weiter fortsetzt. In der Regel wird erst nach einer Abmahnung die erforderliche Wahrscheinlichkeit 668 Kraft, ZfA 1994, 463, 475 f; Rüthers, NJW 1998, 1433, 1435 ff; Rüthers/Müller, Anm. zu BAG (2 AZR 604/90), EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 41; Wank, Anm. zu BAG (2 AZR 24/83), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Raab, RdA 2000, 147, 153; Zöllner/Loritz ArbR, § 23 V 3. 669 Preis, Anm. zu LAG (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1. 670 Herschel FS Müller, S. 191, 202. - 262 dafür bestehen, dass sich der Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird.671 Durch das Abmahnungserfordernis kann auch ein Ereignis, das allein keinen Kündigungsgrund abgibt, im Zusammenhang mit einer einschlägigen Wiederholung zu der erforderlichen Schwere gelangen, denn die Schwere der Vertragsstörung und die Wiederholungsgefahr ergänzen sich zum Kündigungsgrund. Mit der Abmahnung zeigt der Arbeitgeber, dass ihm eine abschließende negative Prognose noch nicht möglich ist. Hat er das aber selbst zu erkennen gegeben, dann kann er eine spätere negative Prognose nur durch neue Tatsachen belegen.672 Demgemäß ist eine Abmahnung nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer sie als nicht erfolgversprechend angesehen werden konnte.673 Das Abmahnungserfordernis ist dabei nicht auf Kündigungsgründe zu beschränken, die sich als Störungen im Leistungsbereich auswirken. Auch bei Störungen im Ordnungs- und Vertrauensbereich kann eine Abmahnung sinnvoll und daher auch erforderlich sein. Ist von der Regel auszugehen, dass jedes willensbestimmte Verhalten eines Arbeitnehmers für die Zukunft abänderbar und deswegen abmahnungsfähig und -bedürftig ist, so kann grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich eine Abmahnung ihrer Funktion gerecht werden. Da es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen, ist ein grundsätzlicher Ausschluss der Abmahnung bei darauf Störungen im Vertrauensbereich verfehlt. Zu Recht wird in der Lit.674 hingewiesen, dass auch jede Schlechtleistung zu einer Vertrauensstörung führt, weil dadurch die Erwartung des Arbeitgebers 671 672 673 674 Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 1 Rn 284. BAG (2 AZR 563/85), AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.; BAG (2 AZR 201/90), NZA 1991, 468, 471. BAG (3 AZR 5O/75), AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; BAG (7 AZR 75/78), AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. Hoß, MDR 1998, 869, 871; KR-Fischermeier, § 626 BGB Rdn. 279 m.w.N. - 263 enttäuscht wird, der Arbeitnehmer werde seine Arbeit vertragsgemäß erfüllen, so dass nur ein gradueller, nicht aber ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Störungen im Vertrauensbereich und Störungen im Leistungsbereich besteht. Wenn auch bei einer primären Erschütterung der notwendigen Vertrauenslage eher als bei einer schwerpunktmäßigen Störung des Leistungsbereichs die abschließende negative Prognose angebracht sein mag, die Wiederherstellung des notwendigen Vertrauensverhältnisses sei nicht mehr möglich und die Abmahnung sei deswegen nicht die geeignete und folglich eine entbehrliche Maßnahme, ist mithin auch bei Störungen im Vertrauens- oder Ordnungsbereich vor Ausspruch einer Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens zunächst grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. So können schwer wiegende Ereignisse wie Körperverletzungen gegen den Arbeitgeber oder auch schwer wiegende Straftaten zu seinen Lasten einen irreparablen Vertrauensverlust zur Folge haben, der dann auch ohne Wiederholungsgefahr eine Kündigung rechtfertigt; jedoch ist gleichermaßen denkbar, dass durch ein schwer wiegendes Fehlverhalten kein irreparabler Vertrauensverlust eintritt.675 Wenn die herrschende Meinung zu Recht dem Prognoseprinzip der Kündigung eine überragende Bedeutung zumisst und der Kündigung kein Sanktionscharakter zukommen soll, so muss auch bei einer Vertrauensstörung in Folge etwa eines Vermögensdeliktes zu prüfen sein, ob mit Hilfe einer Abmahnung die Grundlage dafür gelegt werden kann, dass in Zukunft vertragskonformes Verhalten zu erreichen ist oder ob das erforderliche Vertrauen unwiederbringlich verloren ist. Vertrauen ist keine feststehende Größe, sondern es kann sich entwickeln und es kann auch neu aufgebaut werden.676 675 676 Herschel FS Müller, S. 191, 202. LAG Hamburg (4 Sa 18/98), n.v., nachgehend BAG (2 AZR 454/99), RzK I 8c Nr. 54; ArbG Ludwigshafen (3 Ca 2096/00), FA 2001, 146, 146. - 264 - 3. Verfehlungen im Bereich vertraglicher Hauptpflichten – Störungen im Leistungsbereich Bei den in der Praxis häufigsten Fällen der verhaltensbedingten Kündigung geht es um Verfehlungen, die die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten des Arbeitnehmers betreffen. Hier liegt die Störungsquelle im Leistungsbereich677, nicht im Ordnungs- oder Vertrauensbereich. Insoweit ist eine Widerlegung der Prognose durch eine Verhaltensänderung nach Zugang der Kündigungserklärung durchaus vorstellbar. Nägele benennt den Fall, dass einem Arbeitnehmer wegen Leistungsdefiziten gekündigt wurde und er noch innerhalb der Kündigungsfrist durch entsprechende Fortbildungsoder Trainingsmaßnahmen seine Fähigkeiten und Kenntnisse so erweitert, das die reklamierten Leistungsdefizite nicht mehr zu befürchten sind.678 Auch Nachlässigkeiten wie häufiges Zuspätkommen können sich später verbessern.679 Dabei mag man allerdings bezweifeln, ob dies verlässlich und dauerhaft geschieht. Regelmäßig wird sich das Leistungsverhalten des Arbeitnehmers nach Ausspruch einer Kündigung gerade nicht verbessern. Ist das ausnahmsweise doch einmal der Fall, so ist für den Arbeitgeber meist nicht erkennbar, worauf dieser plötzliche Sinneswandel beruht, ob hier vielleicht auf eine Verbesserung der eigenen Position im Arbeitsgerichtsverfahren spekuliert wird. Daher wird man kündigungsbegründenden Leistungsbereich die Prognose anerkennen Möglichkeit nur können, bei die einer solchen sich in Widerlegung der Verfehlungen der Nähe im von personenbedingten Kündigungsgründen befinden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich Defizite in den Fähigkeiten und Kenntnissen des Arbeitnehmers, also in seinen persönlichen Eigenschaften, durch Fortbildungsmaßnahmen beheben lassen, und der Arbeitnehmer sich im 677 Hoß, MDR 1998, 869, 869. 678 Nägele, BB 1998, 1686, 1687. 679 Hinrichs, AiB 1997, 615, 616. - 265 Zusammenhang mit der Kündigung hierzu durchringt. Im Übrigen wird es dem Arbeitnehmer nicht gelingen, die Prognose (nach außen erkennbar) zu widerlegen. Eine Wiedereinstellung ist daher regelmäßig ausgeschlossen. 4. Verfehlungen im Bereich vertraglicher Nebenpflichten – Störungen im Ordnungs- und Vertrauensbereich An der Tragweite des Prognoseprinzips sind Zweifel dann berechtigt, wenn eine Verfehlung vorliegt, die sich nicht auf den Leistungsbereich bezieht, sondern den Ordnungs- oder Vertrauensbereich betrifft. Derlei Verfehlungen verwirklichen nicht selten den Tatbestand eines Strafgesetzes (beispielsweise Diebstahl, Spesenbetrug, Missbrauch von Kontrolleinrichtungen).680 Insoweit wird auch von einer Tatkündigung gesprochen. a) Unbeachtliches Wohlverhalten während der Kündigungsfrist Wird durch die Verletzung von Nebenpflichten das Vertrauen in Mitleidenschaft gezogen, so stellt sich zunächst die Frage, ob der Arbeitnehmer durch tadelloses Verhalten zwischen Zugang der Kündigungserklärung und Ablauf der Kündigungsfrist den teilweisen Wegfall des verhaltensbedingten Kündigungsgrundes und in der Folge einen Anspruch auf den Abschluss eines Anschlussarbeitsvertrages erreichen kann. Eine in der Lit. vertretene Ansicht681 verneint dies. Das Fehlverhalten und der eingetretene Vertrauensbruch könnten durch tadelloses Verhalten während der Kündigungsfrist nicht ungeschehen gemacht werden. Nach a.A.682 ist ein Wegfall der kündigungsbegründenden Umstände auf diesem Wege möglich, wenn es dem Arbeitnehmer gelingt, die negative Prognose zu entkräften. 680 681 682 Hoß, MDR 1998, 869, 869. Wank, Anm. zu BAG (2 AZR 24/83), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; Raab, RdA 2000, 147, 153. vom Stein, RdA 1991, 85, 89. - 266 Hierzu bedarf es jedoch gravierender Gründe. Die Prognose noch während laufender Kündigungsfrist durch vorbildliches Verhalten zu widerlegen wird nahezu unmöglich sein. War ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund so scherwiegend, dass er auch ohne eine Abmahnung die Kündigung trägt oder liegt bereits eine einschlägige Abmahnung vor, so wird zutreffend darauf hingewiesen, der Arbeitnehmer hätte früher daran denken müssen, sich vertragsgetreu zu verhalten.683 Denkbar ist aber, dass sich während der längeren Zeitspanne der Weiterbeschäftigung nach § 102 V BetrVG, bei dem das Arbeitsverhältnis kraft fortbesteht684, Gesetz oder während der Zeit eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs nach dem Obsiegen in der ersten Instanz685 ergibt, dass eine Wiederholungsgefahr nicht mehr vorliegt oder dass ein Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber neu aufgebaut wird. Dann entsteht eventuell ein auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichteter Wiedereinstellungsanspruch. Der Korridor für solche Überlegungen dürfte allerdings recht schmal sein, denn Grundlage der wirksamen Kündigung ist ein Vertrauensbruch von einigem Gewicht bzw. ein solcher nach einschlägiger Abmahnung. Hat der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist und innerhalb einer anschließenden Zeit der Weiterbeschäftigung das Ende seines Arbeitsverhältnisses vor Augen, so wird schon deshalb ein demonstratives Wohlverhalten kaum einen verlässlichen Schluss auf die zwanglose Einstellung des Arbeitnehmers zum beanstandeten Verhalten zulassen. Eine Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose durch ein Wohlverhalten während der Zeit des allgemeinen oder betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs kann daher nur im atypischen Ausnahmefall angenommen werden. Der Regelfall lässt auch hier keine Wiedereinstellung zu. 683 Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1. 684 Schaub, § 123 VIII 14 c. 685 Dütz ArbR, Rn 372. - 267 - b) Schwere Verfehlung und widerlegte Wiederholungsgefahr Es liegt auf der Hand, dass die an die Wiederholungsgefahr zu stellenden Anforderungen mit der Schwere der begangenen Verfehlung abnehmen. Ein besonderes Problem entsteht, wenn der Kündigungsgrund eine schwere Verfehlungen im strafbaren Bereich darstellt (z.B. Vermögensdelikte mit großer Schadenshöhe, schwere Beleidigung, vorsätzliche Körperverletzung), die zunächst nicht zu beanstandende Prognose einer nicht ganz unwahrscheinlichen Wiederholungsgefahr aber im weiteren Verlauf widerlegt wird. Zunächst ist festzuhalten, dass ohne den Nachweis der Tatbegehung im Unterschied zur Verdachtskündigung eine Tatkündigung auch dann ausgeschlossen ist, wenn schwerwiegende Verdachtsmomente bestehen. Der Arbeitgeber muss sich entscheiden, ob er die Tat als bewiesen ansieht und deshalb eine Tatkündigung ausspricht, oder ob er sich auf die Verdachtskündigung beruft. Stellt sich im Kündigungsschutzprozess heraus, dass die Tat vom Arbeitnehmer nicht begangen wurde, so führt das nicht wie bei der wirksamen Verdachtskündigung zu einem Anspruch auf Wiedereinstellung, sondern zur Unwirksamkeit der verhaltensbedingten Tatkündigung. Insoweit handelt es sich nicht um ein Problem des Wiedereinstellungsanspruchs. Zur Wiedereinstellungsproblematik gelangt man nur in den Fällen, in denen die Tat begangen wurde, die kündigungsbegründende Prognose – soweit man eine solche auch hier für erforderlich hält – sich aber im Verlauf der weiteren Entwicklung als nicht länger haltbar erweist. Wenn auch ein einwandfreies Verhalten während der Kündigungsfrist (oder bei der entfristeten Kündigung im Privatleben) schwerlich zu einer Erschütterung der Prognose führen dürfte, so handelt es sich dennoch um ein praktisches Problem, da dem Delinquenten auch der Zufall zu Hilfe kommen kann, etwa wenn bei Tätlichkeiten im Betrieb das Tatopfer um seine Versetzung bittet oder - 268 aus dem Betrieb ausscheidet, der Griff in die Kasse zu einer Neuverteilung der Aufgaben im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung führt oder der Arbeitnehmer in Zukunft überwacht wird oder schließlich die schwere Beleidigung ausgesprochen und damit der Konflikt erledigt ist. In diesen Fällen ist der Schluss von vergangenem Verhalten, dem ja nur Indizwirkung686 zukommen soll, auf eine künftige Wiederholungsgefahr keineswegs mehr zwingend. Möglicherweise sind in den schwerwiegenden Fällen der Tatkündigung aber die Grenzen des Prognoseprinzips erreicht. Damit wäre auch einer Wiedereinstellung die Grundlage entzogen. Es wurde schon gezeigt, dass sich das Prognoseprinzip in den Fällen der verhaltensbedingten Kündigung auf den Aspekt der Wiederholungsgefahr reduziert. Bei schweren (typischerweise strafbaren) Verfehlungen ist eine Wiedereinstellung daher schon im Ansatz bedenklich, wenn man die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit – Wiederholungsgefahr hin oder her – als zerstört ansieht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Verfehlung belastende Auswirkungen auf den Betriebsablauf hat oder zumindest betriebliche Interessen beeinträchtigt, denn gewisse Dinge braucht sich der Arbeitgeber um seiner selbst willen nicht bieten zu lassen.687 Man kann das Problem rechtskonstruktiv auf der Ebene des Prognoseprinzips lösen, indem man hier die Notwenigkeit einer kündigungsbegründenden Prognose über eine mögliche Wiederholungsgefahr verneint, die Tatkündigung also aus dem Anwendungsbereich des Prognoseprinzips ausklammert. Stattdessen könnte man die Widerlegung der Prognose generell verneinen, sie also als unwiderlegbar ansehen, sofern nur die Tat eine entsprechende Schwere aufweist (so die h.M.). 686 LAG Hamburg (4 Sa 38/97), NZA-RR 1999, 469, 470 f. 687 Adam, NZA 1998, 284, 286. - 269 Schließlich sprechen Zumutbarkeitserwägungen gegen eine Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers in diesen Fällen. (1) Prognoseprinzip, Sanktionsprinzip, Prinzip der Zukunftsbezogenheit Für Störungen im Ordnungs- und Vertrauensbereich ist noch nicht abschließend geklärt, ob das Prognoseprinzip uneingeschränkt gelten soll, und bejahendenfalls welchen Inhalt es hat. Die h.M. geht davon aus, das Prognoseprinzip setze jedenfalls voraus, dass eine Wiederholung oder zumindest Fortwirkung der Störungen des Arbeitsverhältnisses auch in Zukunft zu erwarten sein müsse.688 Bei einer schweren Vertragsverletzung wird zumindest die Fortwirkung der Störung regelmäßig bejaht. Die M.M. geht dagegen davon aus, dass verhaltensbedingte Kündigungen wegen ihres (von der h.M. bestrittenen) Sanktionscharakters unabhängig von einer arbeitgeberseitigen Prognose Wirksamkeit beanspruchen.689 Eine vermittelnde Ansicht will sowohl das Prognoseprinzip als auch das Sanktionsprinzip heranziehen.690 Demnach bedarf es vor der Kündigung keiner Prognose mehr, wenn ihr eine Abmahnung vorausgegangen ist. Die Abmahnung beinhalte eine Positivprognose, die sich als falsch herausgestellt habe, wenn der Arbeitnehmer danach wieder negativ in Erscheinung trete. Wenn eine Abmahnung ausgesprochen worden ist, sei die Kündigung aufgrund einer deutlich gewordenen Fehlprognose bei der Einstellung des Arbeitnehmers gerechtfertigt.691 688 689 BAG (2 AZR 649/94), NZA 1995, 517, 520; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG – Link, § 1 Rn 130; Preis, DB 1990, 630, 634; MünchKomm – Schwerdtner, Vorb. § 620 BGB Rn 231. Rüthers/Müller, Anm. zu BAG (2 AZR 604/90), EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 41; Kraft, ZfA 1994, 463, 475 f. 690 Gentges Diss., S. 242; Wank, RdA 1993, 79, 83 f (m.w.N. in FN 92). 691 Gentges Diss., S. 242. - 270 Dies ist aber nicht mehr als eine Fiktion. Der eine Abmahnung aussprechende Arbeitgeber stellt keineswegs eine positive Prognose des Inhalts an, eine Vertragsverletzung der vorliegenden Art werde sich nicht wiederholen. Die Abmahnung ist als Vorstufe zur Kündigung eine Notwendigkeit. Sie hat eine Beanstandungs- und eine Warnfunktion.692 Man wird den auf eine spätere Kündigung zusteuernden Arbeitgeber nicht zwingen können, zuvor eine positive Prognose anzustellen. Eher schon könnte man in der Abmahnung eine negative Prognose sehen, da sich der Arbeitgeber die Kündigung gerade offen hält. Zutreffend misst die Rspr. der Abmahnung für das Prognoseprinzip eine andere Bedeutung bei. Das vertragsrechtliche Instrument der Abmahnung dient wie beschrieben dazu, eine sichere Prognosegrundlage für eine spätere Kündigung zu schaffen. Ein weiterer Ansatz will zwischen der Zukunftsbezogenheit und dem Prognoseprinzip unterscheiden. Ein Kündigungsgrund sei stets zukunftsbezogen, aber nicht immer bedürfe es hierzu einer Prognose. Es gebe Vorfälle, die so schwerwiegend seien, dass eine Wiederholungsgefahr oder fortwirkende Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses ohne weiteres unterstellt werden könne, weshalb in solchen Fällen eine Kündigung zu rechtfertigen sei, ohne sich den Vertretern des Sanktionsmodells anschließen zu müssen. In Fällen groben Fehlverhaltens sei bei der Negativprognose nämlich ein strengerer Maßstab anzulegen, nach dem eine Kündigung schon dann möglich sein könne, wenn die Wiederholungsgefahr oder Folgewirkungen nicht auszuschließen seien, wovon stets auszugehen sei, so dass sich eine Prognose erübrige.693 Ein in diesem Sinne zwingender Schluss von vergangenem auf zukünftiges Verhalten spricht aber nicht nur gegen das Prognoseprinzip, sondern ebenso gegen die Zukunftsbezogenheit der 692 Tschöpe, BB 2002, 778, 779. 693 Adam, NZA 1998, 284, 285. Kündigungsentscheidung. Auf eine - 271 Zukunftsbezogenheit der Kündigungsentscheidung wäre dann nur noch zu schließen, wenn man darauf abstellen wollte, dass die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses dieses beendet und damit zwangsläufig auch etwas mit der Zukunft der Beziehungen der Vertragspartner zu tun hat. Die wirksame Kündigung löst das Arbeitsverhältnis für die Zukunft auf. Die These, jede Kündigung sei auf die Zukunft bezogen, ist insoweit banal.694 Auch das Sanktionsprinzip ist mit der h.M. abzulehnen, weil strafrechtliches Denken im Zivilrecht keine Stütze findet. Auch kann von einer arbeitsrechtlichen Kündigung keine spezialpräventive Wirkung ausgehen, weil sich diese auf das künftige Verhalten in ein und demselben Arbeitsverhältnis beziehen müsste.695 Die Möglichkeit, aus verhaltensbedingten Gründen kündigen zu können, ist nicht geschaffen worden, um ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten zu bestrafen. Ein Sühne- oder Strafcharakter der verhaltensbedingten Kündigung ist strikt abzulehnen.696 Unvertretbar ist es auch, mit der Kündigung "ein Exempel statuieren" zu wollen697 oder allgemeine generalpräventive Zwecke zu verfolgen698. Im gewaltenteiligen Rechtsstaat ist nicht der Arbeitgeber berufen, ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu sanktionieren. In Anbetracht des Gewaltmonopols des Staates ist der Ausspruch von Strafen den Strafgerichten vorbehalten.699 (2) Unwiderlegbarkeit der kündigungsbegründenden Prognose Auch schwere Verletzungen vertraglicher Nebenpflichten wie erheblich ehrverletzende Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber, die auch ohne 694 Rüthers, NJW 1998, 1433, 1435. 695 Adam, NZA 1998, 284, 285. 696 LAG Hamm (16 Sa 112/86), LAGE Nr. 26 zu § 626 BGB. 697 Weiss, Anm. zu BAG (2 AZR 30/81), EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10. 698 MünchKomm - Schwerdtner, § 626 BGB Rdnr. 28. 699 ArbG Hamburg (21 Ca 154/98), AiB 1999, 177, 177 f. - 272 Wiederholungsgefahr einen Kündigungsgrund darstellen sollen, können als zukunftsbezogen gesehen werden, wenn man in diesen Fällen von einer unwiderlegbaren Vermutung der Fortwirkung der Vertragsverletzung ausgeht, womit die Zukunftsbezogenheit der Kündigung auch ohne Wiederholungsgefahr bestünde. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Annahme einer unwiderleglichen Vermutung zum gleichen Ergebnis führt wie die These vom Sanktionscharakter. Da der Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht überragende Bedeutung zukomme und eine für den Arbeitnehmer positive Prognose bei einer schweren Verfehlung im Ordnungs- oder Vertrauensbereich ausgeschlossen sei, bedürfe es insoweit auch keiner gesetzlichen Bestimmung. Die Unwiderlegbarkeit der Vermutung einer belastenden Fortwirkung der Verfehlung für das Arbeitsverhältnis ergebe sich aus der Natur der Sache.700 Folgt man diesem Ansatz, ist ein nachträglicher Wegfall des Kündigungsgrundes durch Widerlegung der negativen Prognose in diesen Fällen allerdings ausgeschlossen. Die Kündigung trägt sich dann allein aus den vergangenen Umständen, ist also tatsächlich nicht mehr prognosebedingt. Im Schrifttum wird neben der in diesen Fällen oft gerade fehlenden Wiederholungsgefahr alternativ darauf abgestellt, ob das vorausgegangene Verhalten des Arbeitnehmers erhebliche Belastungswirkungen für den dauernden Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zeitigt. Eine Negativprognose im Vertrauensbereich setze voraus, dass keine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden könne.701 In diese Richtung weist auch die Rspr., wenn zwar die Zukunftsbezogenheit des Kündigungszwecks betont aber dennoch darauf abgestellt wird, „ob eine 700 Adam, NZA 1998, 284, 285. 701 Boewer, NZA 1999, 1121, 1124. - 273 Wiederholungsgefahr besteht oder ob sich das vergangene Ereignis auch zukünftig belastend auswirkt“.702 Was die „zukünftigen belastenden Auswirkungen“ der vergangenen Vertragsverletzungen mit dem Prognoseprinzip zu tun haben, bleibt unklar. Ein auch formales Abrücken vom Prognoseprinzip kommt für die Rspr. gleichwohl nicht in Betracht. Im Gegenteil: Es verbiete sich, die endgültige Zerstörung des für eine weitere Zusammenarbeit notwendigen Vertrauens in derartigen Fällen einfach spekulativ zu unterstellen. Ein solches Vorgehen liefe auf eine Sanktion früheren vertragsverletzenden Verhaltens hinaus. Der Sanktionsgedanke sei dem Vertragsrecht jedoch fremd. Einer vergangenen schuldhaften Vertragsverletzung komme nicht mehr und nicht weniger als eine Indizwirkung für die Gefahr zukünftiger Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses zu.703 Im Ergebnis führt die Formel von den „zukünftigen belastenden Auswirkungen“ allerdings dazu, dass auf eine wirkliche Wiederholungsgefahr verzichtet wird, wenn nur das in der Vergangenheit liegende Ereignis, welches den Anlass für die Kündigung bietet, derart schwerwiegend erscheint, dass auch zukünftig der Arbeitgeber mit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in unzumutbarer Weise belastet würde. Das Prognoseprinzip wird für den Fall schwerer Verstöße im Ordnungs- oder Vertrauensbereich also faktisch aufgegeben. Dass eine vergangene schwere Vertragsverletzung trotz fehlender Wiederholungsgefahr belastend in die Zukunft fortwirkt, ist zwar ein Gemeinplatz, hierzu bedarf es jedoch keiner Prognose. Eine Prognose würde sich in der Frage nach der Wiederholungsgefahr erschöpfen und abhängig von der Antwort müsste der Kündigungsgrund als gegeben oder nicht gegeben angesehen werden. So spricht Adam704 folgerichtig auch nur von der Zukunftsbezogenheit der Kündigung und will das Prognoseprinzip bei schweren Vertragsverstößen nicht 702 BAG (2 AZR 649/94), NZA 1995, 517, 520. 703 LAG Hamburg (4 Sa 38/97), NZA-RR 1999, 469, 471 f. 704 Adam, NZA 1998, 284, 286. - 274 anerkennen. Auch verhaltensbedingte Rüthers705 Kündigung lehnt ab, das wenn Prognoseprinzip die für die Vertragsverstöße des Arbeitnehmers von solcher Schwere und solchen unmittelbaren Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses sind, dass die bereits vorliegenden Ereignisse in Vergangenheit und Gegenwart die fristlose oder fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Das Erfordernis einer zusätzlichen Zukunftsprognose könne dazu führen, die Reste von Privatautonomie bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu beseitigen. Eine Prognose, die unwiderlegbar ist, ist keine Prognose mehr, sondern eine bereits im Beurteilungszeitpunkt feststehende Tatsache. Das Prognoseprinzip hat gerade die Funktion, eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts oder Nichteintritts eines zukünftigen Ereignisses zu treffen, die sich im Bereich der verhaltensbedingten Kündigungsgründe nur auf die Gefahr einer Wiederholung des Fehlverhaltens beziehen kann. Die h.M. ist daher eine wenig überzeugende Fiktion, die die Nichtanwendung des Prognoseprinzips im Bereich der Tatkündigung verschleiern soll, weil hiergegen bzw. gegen das Sanktionsmodell gewichtige Einwände gesehen werden. (3) Nichtgeltung des Prognoseprinzips für die Tatkündigung – Kein Wiedereinstellungsanspruch Geht man also zutreffend davon aus, dass die verhaltensbedingte Tatkündigung bei entsprechender Schwere der Tat keine Prognose erfordert, um die fristgemäße oder fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, so muss auch eine Wiedereinstellungsanspruch ausscheiden, da die Kündigung unabhängig von der weiteren Entwicklung die endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Die Einwände gegen das sog. Sanktionsmodell stehen dem nicht entgegen. Es geht nicht darum, ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des 705 Rüthers, NJW 1998, 1433, 1435. - 275 Arbeitnehmers zu bestrafen und damit wie auch immer geartete präventive Wirkungen zu erzeugen. Zutreffend ist, dass strafrechtliches Denken im Zivilrecht keine Stütze findet. Maßstab der Kündigung ist daher auch bei der Tatkündigung die Perspektive des verständigen Arbeitgebers, der sich um seiner selbst willen nicht jedes Fehlverhalten seines Vertragspartners gefallen lassen muss und die Verbindung lösen darf, wenn ein Grund vorliegt, der eine Weiterbeschäftigung als Verhaltensprognose wird dauerhaft unzumutbar insoweit relativiert, erscheinen als die lässt. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit der Wiederholung des Fehlverhaltens mit ansteigender Schwere der Verfehlung abnimmt. Dann spricht aber nichts dagegen, eine Prognose über die Wiederholungsgefahr für entbehrlich zu halten, wenn schon im Kündigungszeitpunkt die Grenze der Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber erreicht oder überschritten ist. Damit lässt sich festhalten, dass nach einer Tatkündigung bei erheblicher Schwere der Tat ein Wiedereinstellungsanspruch schon aus rechtskonstruktiven Gründen nicht denkbar ist, weil das Prognoseprinzip keine Anwendung findet. Wie schwer die Tat sein muss, ist indes eine Frage des Einzelfalles. c) Schwere der zu fordernden Tat – Missbrauchsprävention mittels Ausklammerung von Alltagserscheinungen Die Tat, die unabhängig von einer arbeitgeberseitigen Prognose die Kündigung rechtfertigt, muss eine erhebliche Schwere aufweisen, um den endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes unabhängig von der weiteren Entwicklung zu rechtfertigen und damit verbundenen Missbrauchsgefahren vorzubeugen. Bei geringfügigen Straftaten handelt es sich oft um sachfremde Kündigungsgründe, die für die auf anderen Beweggründen beruhende Kündigung nur vorgeschoben Alltagserscheinungen (unerlaubtes im Telefonieren, werden. Arbeitsleben Anfertigen Im Übrigen strafrechtliche von Kopien). können zahlreiche Relevanz haben Werden solche Verhaltensweisen vom Arbeitgeber über längere Zeit stillschweigend geduldet, können sie keinen Kündigungsgrund abgeben, solange er nicht die Übung ausdrücklich beendet. - 276 Bei vorsätzlichen Straftaten von einigem Gewicht entscheiden die Umstände des Einzelfalles darüber, ob das objektivierte Vertrauensverhältnis der Vertragspartner bereits durch das in der Vergangenheit liegende Ereignis endgültig zerstört, dem Arbeitgeber mithin eine weitere Zusammenarbeit endgültig nicht mehr zumutbar ist. Dabei spielt der Rang des betroffenen Rechtsguts (Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum) ebenso eine Rolle wie das für eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses erforderliche Maß an Vertrauen und Verantwortung, ebenso die bisherige Dauer der störungsfreien Zusammenarbeit. Bei Eingriffen in höchstpersönliche Rechtsgüter kann i.d.R. ohne weiteres von einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses ausgegangen werden. d) Fazit Da das Prognoseprinzip grundsätzlich auch für die verhaltensbedingte Kündigung gilt, kann die Möglichkeit eines Wiedereinstellungsanspruchs nicht gänzlich verneint werden. Das Prognoseprinzip spielt hier jedoch oftmals nur eine untergeordnete oder sogar keine Rolle, weshalb nur in Ausnahmefällen ein Wiedereinstellungsanspruch anzuerkennen ist. Dabei bestehen bei Verfehlungen im Leistungsbereich, die eine unvorsätzliche steuerbare Minderleistung des Arbeitnehmers betreffen (z.B. fehlende Spezialkenntnisse), noch die besten Chancen auf Wiedereinstellung. Auch hierbei handelt es sich jedoch um den Ausnahmefall. Bei Verfehlungen im Vertrauensbereich, die zwar einen Kündigungsgrund darstellen, aber nicht zu besonderer Schwere gelangen, ist eine Prognosewiderlegung nur ausnahmsweise bei langen Kündigungs- und Weiterbeschäftigungsfristen überhaupt denkbar. Bei schweren Verfehlungen im Bereich des Tatkündigungsrechts gilt das Prognoseprinzip nicht, weshalb ein Wiedereinstellungsanspruch bereits rechtskonstruktiv nicht begründbar ist. Ein Wiedereinstellungsanspruch nach verhaltensbedingter Kündigung spielt daher zu Recht in der Praxis kaum eine Rolle. - 277 - IV. Personenbedingte Kündigung 1. Wirksamkeit der Kündigung Weil die personenbedingte Kündigung die Fähigkeit und Eignung des Arbeitnehmers betrifft, die geschuldete Leistung zu erbringen, kann das Fehlen dieser Fähigkeit oder der Eignung im Kündigungszeitpunkt oder deren erhebliche Beeinträchtigung eine personenbedingte Kündigung dann rechtfertigen, wenn mit der alsbaldigen Wiederherstellung der Fähigkeit und Eignung zur ordnungsgemäßen Erbringung der Arbeitsleistung nicht gerechnet werden kann (erste Stufe des Prognoseprinzips). Darüber hinaus muss die fehlende oder beeinträchtigte Fähigkeit und Eignung zur Erbringung der Arbeitsleistung zu konkreten Störungen des Arbeitsverhältnisses führen, die im Zeitpunkt der Kündigung noch andauern, bzw. auch künftig zu befürchten sind und durch eine Umsetzung nicht beseitigt werden können (zweite Stufe des Prognoseprinzips). In der dritten Stufe ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der zu prüfen ist, ob der Arbeitgeber die aufgrund des personenbedingten Kündigungsgrundes eingetretenen Störungen des Arbeitsverhältnisses (erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen) weiterhin hinnehmen muss, oder ob die Kündigung aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers als billigenswert und angemessen erscheint.706 Dieser dreistufige Prüfungsaufbau gilt grundsätzlich auch für alle Formen der krankheitsbedingten Kündigung, die den mit Abstand wichtigsten Fall der 706 LAG Rheinland-Pfalz (7 Sa 61/99), EzA-SD 1999, Nr 21, 7-9. - 278 personenbedingten Kündigung darstellt. Bei sonstigen personenbedingten Kündigungsgründen handelt es sich dagegen eher um Randprobleme.707 Die krankheitsbedingte Kündigung setzt stets zunächst eine sog. „negative Gesundheitsprognose“708 voraus, die verlangt, dass zum Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen auf weitere Fehlzeiten im bisherigen Umfang schließen lassen (erste Stufe des Prognoseprinzips). Dabei sind vergangene Arbeitsunfähigkeitszeiten insoweit zu berücksichtigen, wie sie tatsächlich indizielle Wirkung auch für künftige Erkrankungen haben können. Das BAG erleichtert dem Arbeitgeber die Darlegung zunächst, indem es häufigen Fehlzeiten in der Vergangenheit eine indizielle Bedeutung für eine negative gesundheitliche Konstitution in der Zukunft beimisst. Eine darüber hinausgehende Beweiserleichterung mit Hilfe eines Anscheinsbeweises auf der Grundlage von Erfahrungssätzen lehnt das BAG jedoch ab.709 Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers müssen weiter zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen.710 Diese kann durch Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen hervorgerufen werden (zweite Stufe des Prognoseprinzips). Schließlich ist eine besonders sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen, die ergeben muss, dass die zu erwartenden erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen 707 708 trotz aller dem Arbeitgeber zuzumutenden Tschöpe, BB 2001, 2110, 2115. Bereits das Erfordernis einer gesicherten negativen Gesundheitsprognose ist nicht völlig unumstritten. Rüthers, NJW 1998, 1433, 1436, weist darauf hin, dass medizinisch gesicherte negative Gesundheitsprognosen seltene Ausnahmen seien. 709 BAG (2 AZR 347/82), NZA 1984, 93, 95; BAG (2 AZR 19/89), BB 1990, 553, 553. 710 Zur Konkretisierungspflicht siehe Liebig Diss., S. 72 ff, 189. - 279 Überbrückungsmaßnahmen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung führen.711 Dabei stellt die Kündigung aus Anlass einer Langzeiterkrankung / dauerhaften Arbeitsunfähigkeit712 wiederum den praktisch wichtigsten Fall der krankheitsbedingten Kündigung dar. Erster Unterfall ist die sichere dauernde Leistungsunfähigkeit, die dann als Kündigungsgrund taugt, wenn sich kein anderer zumutbarer und leidensgerechter freier (oder durch grundsätzlich zumutbare Umsetzung freizumachender) Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer finden lässt. Bei sicherer dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen.713 Zweiter Unterfall ist die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, die dann einer sicheren dauernden Leistungsunfähigkeit gleichsteht, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann.714 Dieser Zeitraum sei in Anlehnung an § 14 II TzBfG in dem Sinne absehbar, dass er gegebenenfalls durch die Einstellung einer Ersatzkraft mit einem befristeten Arbeitsverhältnis überbrückt werden könne.715 Solche festen Zumutbarkeitsgrenzen für die Dauer von Fehlzeiten werden andererseits von der Rspr. im Interesse einer größtmöglichen Einzelfallgerechtigkeit z.T. auch abgelehnt.716 Die Anforderungen an die Kündigungsbefugnis des Arbeitgebers dürfen jedoch auch 711 BAG (2 AZR 62/83), AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Schiefer, DB 2000, 669, 671; kritisch Kasper, NJW 1994, 2979, 2980, mit dem Hinweis, der Arbeitgeber werde von der Rspr. gleich einem delphischen Orakel zur Anstellung dreier Prognosen gezwungen, um seine Kündigungsbefugnis zu rechtfertigen. Es sei nicht angängig, dem Arbeitgeber prozessual eine Zukunftserforschung zu Beweiszwecken aufzuerlegen, und dies zu einem Thema, das typischerweise außerhalb der eigenen Sphäre des Arbeitgebers liege, weil es die künftige Gesundheit seines Vertragspartners betreffe. 712 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 978 f. 713 BAG (2 AZR 431/89), BB 2000, 49, 49. 714 BAG (2 AZR 401/89), AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980. 715 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980. 716 BAG (7 AZR 295/78), BB 1980, 938, 939 f. - 280 nicht überzogen werden, um die Belastung der betrieblichen Organisation in zumutbaren Grenzen zu halten.717 Weitere Fälle der krankheitsbedingten Kündigung sind die Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung und die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, sowie die krankheitsbedingte Minderleistung.718 Maßgeblich ist dabei wie sonst auch allein der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Spätere Entwicklungen können nicht mehr berücksichtigt werden. Die Einzelheiten wurden bereits erörtert.719 2. Entwicklung der Rechtsprechung Wiedereinstellungsanspruch zum Das LAG Hamburg hat am 10.02.1998720 im Anschluss an die grundlegende Entscheidung des 2. Senats vom 27.02.1997721 die dort für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung entwickelten Grundsätze auch auf den Bereich der krankheitsbedingten Kündigung erstreckt. Entfalle bei der krankheitsbedingten Kündigung noch während der Kündigungsfrist die Grundlage für die negative Gesundheitsprognose, so könne dies wie Kündigung, der Grund für den bei der bei einer betriebsbedingten prognostizierten Fortfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers entfällt, zur Folge haben, dass der Arbeitgeber sich rechtsmissbräuchlich verhalte, wenn er eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ablehnt. Das LAG Hamburg verweist dabei auf die Ausführungen des 2. Senats, der – obwohl er es mit einer betriebsbedingten 717 718 719 Rüthers, NJW 1998, 1433, 1436. Instruktiv zu den verschiedenen krankheitsbedingten Kündigungsgründen Tschöpe, BB 2001, 2110 ff. Siehe oben unter B.II.2 „Nachträgliche Erkenntnisse bei der krankheitsbedingten Kündigung“ auf Seite 49. 720 LAG Hamburg (3 Sa 40/97), LAGE § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr 2. 721 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 757. - 281 Kündigung zu tun hatte – als Beispiel für ein Überwiegen der schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers wegen vorrangiger Dispositionen eine Neubesetzung des Arbeitsplatzes nach einer krankheitsbedingten Kündigung in gutem Glauben an die Wirksamkeit der Kündigung angeführt hatte.722 Nachfolgend zur Entscheidung des LAG Hamburg hat der 2. Senat am 17.06.1999723 die Anwendung der Regeln zum Wiedereinstellungsanspruch auf die krankheitsbedingte Kündigung im Grundsatz bestätigt, jedoch auf den Unterschied hingewiesen, dass insoweit der Arbeitnehmer die Verantwortlichkeit für die Entwicklung der kündigungsbegründenden Umstände trage, weil sie aus seiner Sphäre stammen. An die Widerlegung der Prognose sei daher ein verschärfter Maßstab anzulegen, wonach eine Wiedereinstellung allenfalls dann in Betracht komme, wenn nach dem Vorbringen des Arbeitnehmers nunmehr von einer positiven Gesundheitsprognose auszugehen sei.724 Zuvor hatte sich der 2. Senat bereits durch Entscheidung vom 29.04.1999725 zu dem Fall einer medizinisch indizierten Korrektur der zunächst negativen Gesundheitsprognose wegen einer Langzeiterkrankung geäußert und sich darin für die grundsätzliche Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs auch nach krankheitsbedingter Kündigung ausgesprochen. In diesem Sinne ist in der Lit. auch die Entscheidung vom 17.06.1999 verstanden worden.726 Der 7. Senat hat in seiner Entscheidung vom 27.06.01727 dagegen ausdrücklich offengelassen, ob ein Wiedereinstellungsanspruch bei einer krankheitsbedingten Kündigung überhaupt anzuerkennen ist. 722 723 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. BAG (2 AZR 639/98), NZA 1999, 1328, 1328 = EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4. 724 Siehe hierzu die Zusammenfassung des Tatbestandes oben auf Seite 11. 725 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980. 726 Tschöpe, BB 2001, 2110, 2113. 727 BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f. - 282 - 3. Sphärenbezogenheit der Wiedereinstellungsanspruch Möglicherweise muss ein Kündigung und Wiedereinstellungsanspruch bei der krankheitsbedingten Kündigung schon deshalb prinzipiell verneint werden, weil der Kündigungsgrund und die ihn widerlegenden Umstände hier im Unterschied zum Wiedereinstellungsfall nach betriebsbedingter Kündigung nicht aus der Sphäre des Arbeitgebers, sondern aus der des Arbeitnehmers stammen.728 In diese Richtung weisen Stimmen aus dem Schrifttum.729 So will z.B. Preis730 nur dort, wo sich der Arbeitgeber die Widerlegung der Prognose – etwa die seines eigenen Vertrauensarztes – zurechnen lassen muss, einen Wiedereinstellungsanspruch anerkennen. Der 2. Senat konnte die Frage in seiner Entscheidung vom 17.06.1999 offen lassen, da der Vortrag des Arbeitnehmers jedenfalls nicht für die seiner Auffassung nach erforderliche positive Gesundheitsprognose ausgereicht hat.731 Das LAG Hamburg732 hat den Gedanken der Sphärenbezogenheit des Wiedereinstellungsanspruchs aufgegriffen, ihn aber für den Fall der krankheitsbedingten Kündigung relativiert. Insoweit sei zwar zutreffend, dass für die Entscheidung der Frage, ob ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitgebers anzunehmen sei, auch von Belang sei, aus wessen Sphäre die zu prognostizierenden Umstände stammten. So werde bei einer verhaltensbedingten Kündigung eine Änderung der Prognose hinsichtlich künftigen 728 729 730 731 732 Fehlverhaltens grundsätzlich nicht zu einem Anspruch auf Näheres zur Sphärenbezogenheit des krankheitsbedingten Kündigungsgrundes bei Tschöpe, BB 2002, 778, 778. Nicolai, SAE 2000, 98, 101; Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; Boewer, NZA 1999, 1121, 1130; Gentges Diss., S. 342 ff, 374 f; zurückhaltend KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 350. Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1. BAG (2 AZR 639/98), SAE 2000, 93, 97 (Vgl. Zusammenfassung des Tatbestandes oben auf Seite 11). LAG Hamburg (3 Sa 40/97), LAGE § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr 2. - 283 Wiedereinstellung gegen den Arbeitgeber führen können. Krankheiten des Arbeitnehmers seien aber im Arbeitsverhältnis nicht in gleicher Weise wie ein Verhalten des Arbeitnehmers allein dessen Rechtssphäre zuzuordnen, wie sich unmittelbar auch aus der gesetzlichen Regelung der Entgeltfortzahlungspflicht ergebe. Richtig sei deshalb nur, je mehr der Kündigungsgrund der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sei und je schutzwerter das Vertrauen des Arbeitnehmers dahingehend sei, dass er sein Arbeitsverhältnis nur aus Gründen verliert, die auch auf Dauer Gültigkeit haben, um so eher werde einem Wiedereinstellungsanspruch stattzugeben sein. Dies ändere aber nichts daran, dass auch im Falle der krankheitsbedingten Kündigung bei einer Prognosekorrektur ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers aus § 242 BGB in Betracht komme, weil das Risiko von Erkrankungen und auch einer Fehleinschätzung der zukünftigen Entwicklung hinsichtlich weiterer Erkrankungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht allein der Risikosphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen sei.733 In der Lit. wird ebenfalls bezweifelt, ob der Sphärengedanke für die personenbedingte Kündigung überhaupt herangezogen werden und ob dies in der Konsequenz zu einer Verneinung des Wiedereinstellungsanspruchs führen kann.734 Abgesehen davon, dass auch eine mögliche betriebliche Krankheitsursache die krankheitsbedingte Kündigung erforderlich machen kann und somit die für die Kündigung bzw. die Wiedereinstellung relevanten Umstände auch aus der Sphäre des Arbeitgebers stammen können, vermag die Abgrenzung von Risikosphären allein die Wiedereinstellungsfrage nicht zu präjudizieren. Dies würde nämlich voraussetzen, dass es schon bei der Kündigung um die Überwälzung von Risiken aus der Sphäre des anderen Vertragspartners geht, die mit Hilfe der Wiedereinstellung auszugleichen sind. Nicht einmal für den 733 So auch Preis Prinzipien, S. 356 f. 734 Raab, RdA 2000, 147, 153. - 284 Bereich der betriebsbedingten Kündigung ist das zutreffend, denn auch insoweit bürdet nicht etwa der Arbeitgeber sein unternehmerisches Risiko durch eine verfrühte Kündigung dem Arbeitnehmer auf. Vielmehr dient die Kündigung lediglich der unternehmerischen Interessenwahrung, da ihm die Zahlung des Annahmeverzugslohns nach der gesetzlichen Wertung nicht zugemutet wird. Die prognosebedingte Kündigung erfolgt daher nicht verfrüht, sondern rechtzeitig, um eigene unzumutbare Nachteile zu vermeiden. Daher kann es auch nicht darum gehen, den Arbeitgeber nachträglich in die Verantwortung für Risiken zu nehmen, die er zunächst mit der Kündigung auf den Arbeitnehmer abgewälzt hätte. Richtig ist, dass das KSchG die zutreffende Risikoabgrenzung bereits vornimmt. Der Arbeitgeber trägt Risiken lediglich unterhalb der Grenze zum Kündigungsgrund. Auf die Herkunft der Risiken stellt das KSchG nicht ab. Der mit einer Abgrenzung von Risikosphären verbundene Verantwortungsgedanke würde zudem zu der Schlussfolgerung zwingen, nur wenn der Arbeitgeber die tatsächlichen Umstände der Wiedereinstellung verschuldet habe, sei er mit einer Wiedereinstellungspflicht belastet. Das Verschuldensprinzip ist dem KSchG jedoch fremd. Wer ein zulässiges Gestaltungsrecht ausübt, hat weder dessen tatsächliche Voraussetzungen verschuldet noch trägt er für die eintretende Rechtsfolge die Verantwortung im haftungsrechtlichen Sinne. Der Sphärengedanke würde überbewertet, würde man auf ihn den generellen Ausschluss einer Wiedereinstellungspflicht stützen. 4. Entbehrlichkeit der Vertragsverletzung? Prognose wegen vergangener Die Lit. macht allerdings noch einen weiteren Aspekt geltend, der gegen eine Vergleichbarkeit mit der weitgehend anerkannten Wiedereinstellungsfallgruppe nach betriebsbedingter Kündigung sprechen soll: Bei der verhaltens- und der krankheitsbedingten Kündigung sei eben im Unterschied zur betriebsbedingten Kündigung bereits in der Vergangenheit eine erhebliche Störung des - 285 Vertragsverhältnisses eingetreten, die es rechtfertige, den Arbeitgeber von dem Risiko eines Wiedereinstellungsanspruchs zu entlasten.735 Auch hierbei handelt es sich letztlich um den Sphärengedanken in der Form des Verschuldensprinzips. Diese Begründung richtet sich überdies gegen das Prognoseprinzip an Gesundheitsprognose sich. bzw. Wenn die allgemeine Fehlzeitenprognose736 Ansicht zur die negative Grundlage der krankheitsbedingten Kündigung macht, wonach geklärt werden muss, ob mit einer Veränderung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist737, kann die Widerlegung der Prognose nicht mit der Begründung für unerheblich erklärt werden, dass die vergangenen Störungen des Vertragsverhältnisses allein die Beendigungswirkung rechtfertigen würden. Kündigung unterscheiden sich im Krankheits- und betriebsbedingte Hinblick auf die Reichweite des Prognoseprinzips nicht grundlegend. 5. Voraussetzungen des Wiedereinstellungsanspruchs nach krankheitsbedingter Kündigung Die im Kündigungszeitpunkt objektiv gerechtfertigte Fehlzeitenprognose kann sich durch die weitere Entwicklung nach dem Kündigungszeitpunkt als nicht mehr haltbar herausstellen. Dabei ist unklar, welche Anforderungen an die Widerlegung der Prognose zu stellen sind. 735 736 737 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 577; Nicolai, SAE 2000, 98, 102. Siehe oben unter B.II.2.e)(1) „Maßgeblichkeit einer Fehlzeitenprognose aus Arbeitgebersicht anstelle einer künstlich objektivierten negativen Gesundheitsprognose“ auf Seite 59. vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Bitter/Kiel, RdA 1995, 26, 30. - 286 - a) Entkräftung der negativen Fehlzeitenprognose Preis nimmt an, die Widerlegung der Prognose erfordere lediglich, dass sich die Ex-Ante-Beurteilung aufgrund veränderter Umstände als unrichtig erwiesen hat.738 b) Widerlegung der negativen durch eine positive Fehlzeitenprognose Nach der vom 2. Senat in der Entscheidung vom 17.06.1999739 und vom 7. Senat in der Entscheidung vom 27.06.2001740 vertretenen Auffassung reicht die Entkräftung der „negativen Gesundheitsprognose“ durch die beweiskräftige Widerlegung der sie begründenden Umstände alleine nicht aus, um einen Widereinstellungsanspruch auszulösen. Für einen Wiedereinstellungsanspruch nach einer wirksamen krankheitsbedingten Kündigung genüge es nicht, dass der darlegungs- und beweispflichtige Arbeitnehmer Gesundheitsprognose Tatsachen erschüttern; vortrage, vielmehr die die komme negative ein Wiedereinstellungsanspruch allenfalls dann in Betracht, wenn nach dem Vorbringen des Arbeitnehmers von einer positiven Gesundheitsprognose auszugehen sei.741 Es sei erforderlich, dass die Besorgnis der wiederholten Erkrankung ausgeräumt werde. Dafür trage der Arbeitnehmer die Darlegungsund Beweislast.742 738 739 740 741 742 Preis Prinzipien, S. 356 f. BAG (2 AZR 639/98), AP Nr. 37 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit: Siehe Zusammenfassung des Tatbestandes auf Seite 11. BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f = NJW 2001, 3429, 3429 f. BAG (2 AZR 639/98), NZA 1999, 1328, 1328 = SAE 2000, 93, 93 = NJW 2000, 2762, 2762 = AP Nr. 37 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = EzA-SD 1999, Nr. 20, 9-12 = EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4 = ARST 2000, 108, 108 = ZBVR 2000, 106, 106 = ARBlattei ES 1000 Nr. 196 = DB 1999, 1399, 1399 = BB 1999, 1437, 1437. BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f = NJW 2001, 3429, 3429 f. - 287 Diese Umkehrung der kündigungsbegründenden negativen Prognose in ihr positives Gegenteil sei zwingende Voraussetzung des Wiedereinstellungsanspruchs nach wirksamer krankheitsbedingter Kündigung, weil andernfalls dem Arbeitgeber die Annahme des Vertragsangebotes nicht zumutbar sei. Für die wichtigste Fallgruppe der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen sei folgerichtig zu fordern, dass die Besorgnis weiterer Kurzerkrankungen völlig ausgeräumt sei.743 Bei Boewer findet sich die nur scheinbar übereinstimmende Formel, der Arbeitnehmer müsse nunmehr den Nachweis führen, dass der bisherige Arbeitsvertrag auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus störungsfrei und unbelastet fortgesetzt werden könne. Bloße Zweifel an der ursprünglich vertretbaren Prognose reichten keineswegs aus. An anderer Stelle lässt es Boewer genügen, wenn der Arbeitnehmer eine beweiskräftige Grundlage dafür schaffe, die negative Gesundheitsprognose auszuschließen.744 Vereinzelt hat sich die Lit. der Auffassung des 2. Senats angeschlossen. Würde man schon die Widerlegung der negativen Gesundheitsprognose ausreichen lassen, so würde der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt entgegen den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen und unter Missachtung des Gebots der Rechtssicherheit doch nach hinten verschoben. Solange ein – wenn auch vermindertes – Risiko bestehe, dass es im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu Störungen kommt, bestehe das Interesse an der Vertragsbeendigung fort.745 c) Stellungnahme In der eine positive Prognose ablehnenden Lit. wird zu Recht die Frage gestellt, ob hiermit nicht letztlich doch dem Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer 743 BAG (2 AZR 639/98), SAE 2000, 93, 97. 744 Boewer, NZA 1999, 1121, 1130. 745 Raab, RdA 2000, 147, 153. - 288 krankheitsbedingter Kündigung eine Absage erteilt wird.746 Zumindest im Bereich der Suchtkrankheiten verlangt es wohl eine Art „Wunderheilung“747, um dem Arbeitnehmer nach in diesen Fällen niemals absolut sicherer Heilbehandlung zu einem Anspruch auf Wiedereinstellung zu verhelfen.748 Auch für die Fallgruppe der häufigen Kurzerkrankungen wäre dem Arbeitnehmer die Erfüllung der ihm obliegenden Widerlegungspflicht praktisch unmöglich, wenn selbst früher „erlittene Erkältungskrankheiten von einer entsprechenden Krankheitsneigung zeugen“.749 Die Prognose wird nicht erst dadurch widerlegt, dass sich das Gegenteil ereignet. Ausreichend ist ein Abweichen des weiteren tatsächlichen Verlaufs der Dinge von der prognostizierten Entwicklung in der Weise, dass nach neuer Sachlage eine Kündigung rechtmäßig nicht mehr hätte ausgesprochen werden können. Für eine Korrektur des einseitig zulasten des Arbeitnehmers gehenden Prognoserisikos muss es daher ausreichen, dass die Prognose im Laufe der weiteren Entwicklung widerlegt wird. Ist die Prognose in diesem Sinne nicht mehr haltbar und der Kündigungsgrund daher entfallen, so muss der Arbeitgeber das Risiko tragen, dass er zunächst mit der Kündigung gegen den Arbeitnehmer gerichtet hat. Die Bestandskraft der Kündigung und deren alleiniger Beurteilungszeitpunkt im Zugang der Kündigungserklärung steht dem nicht entgegen. Der Wiedereinstellungsanspruch relativiert stets die Wirkung der wirksamen Kündigung, gleich wie hoch die Anforderungen an die Entkräftung der Prognose gestellt werden. Würde man für die Wiedereinstellung verlangen, dass der Arbeitnehmer mit Beweiskraft darlegt, es bestehe auch kein vermindertes Risiko 746 Nicolai, SAE 2000, 98, 101; dieselbe ZfA 2000, 87, 101. 747 Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1. 748 Nicolai, SAE 2000, 98, 101. 749 BAG (2 AZR 639/98), SAE 2000, 93, 96. - 289 mehr, dass es im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu Störungen kommt, so würde man seine Darlegungslast überspannen, denn auch der gesunde Arbeitnehmer kann eine solche Gewähr nicht bieten. Problematisch ist allerdings, welche Anforderungen an die Entkräftung der negativen Prognose zu stellen sind. Hierbei darf man es sich nicht zu einfach machen, ohne aber den zutreffenden Beurteilungsmaßstab aufzugeben, die Entkräftung der Fehlzeitenprognose, die die Kündigung ursprünglich rechtfertigte. d) Anforderungen an die Widerlegung der Fehlzeitenprognose am Beispiel der Kündigung wegen Alkoholsucht Welche Anforderungen im einzelnen an die Widerlegung der Fehlzeitenprognose zu stellen sind, muss einer sorgfältigen Einzelfallprüfung überlassen bleiben. Das schon für die verhaltensbedingte Kündigung bedeutsame Problem, ob bei schwerwiegenden Kündigungsgründen auch mit einer Unwiderlegbarkeitsvermutung gearbeitet werden kann, um Auswüchse des Prognoseprinzips auf der Wiedereinstellungsebene zu vermeiden, lässt sich beispielhaft an der Rspr. zur Kündigung wegen Alkoholsucht verdeutlichen. Bei Vorliegen von Suchtkrankheiten handelt es sich um personenbedingte Kündigungsgründe, da es an einem vorwerfbaren Verhalten fehlt. Eine verhaltensbedingte Kündigung muss daher von vornherein ausscheiden. In manchen Fällen ist die Abgrenzung allerdings schwierig, weshalb dem Arbeitgeber auch geraten wird, die Kündigung gegebenenfalls sowohl auf personenbedingte, als auch auf verhaltensbedingte Gründe zu stützen.750 Die Rspr. zur Kündigung wegen Alkoholsucht wirft die Frage auf, ob bei Suchtkrankheiten nicht die Prognose in der praktischen Konsequenz für unwiderlegbar gehalten wird, was auf eine prognoseunabhängige Kündigungsbefugnis hinausläuft. In diese Richtung argumentiert das LAG 750 Hoß, MDR 1998, 869, 870. - 290 Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 24.07.2001751, wenn es ausführt, es könne sich aus den Besonderheiten der Trunksucht die Notwendigkeit ergeben, an die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Alkoholabhängigkeit geringere Anforderungen zu stellen.752 Es sei Sache des Arbeitnehmers darzulegen, dass nunmehr tatsächlich eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich beim Alkoholismus um eine Dauerkrankheit handele. Selbst wenn es dem Arbeitnehmer gelungen sein sollte, dauerhaft abstinent zu leben, begründe das noch keinen Wiedereinstellungsanspruch. Ein solcher könne sich nur ergeben, wenn der Arbeitgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Damit wird freilich einem Wiedereinstellungsanspruch eine Absage erteilt. Die mögliche Anerkennung eines Wiedereinstellungsanspruchs auf der Grundlage eines vom Arbeitgeber im Einzelfall gesetzten besonderen Vertrauenstatbestandes ist ein Gemeinplatz und geht am Problem vorbei, ob der Antritt einer Therapie verbunden mit fortgesetzter Abstinenz für eine Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose ausreicht oder nicht. Nach a.A. soll bereits die Kündigung unwirksam sein, wenn der Arbeitnehmer zum Kündigungszeitpunkt therapiebereit ist. Da die Kündigung nur das letzte Reaktionsmittel auf Vertragsstörungen ist, müsse der Kündigung z.B. wegen Alkoholsucht stets eine Androhung der Kündigung für den Fall vorausgehen, dass der Arbeitnehmer sich nicht in eine Entziehungskur begibt. Die Folgen der Verweigerung eines Wiedereinstellungsanspruches in diesen Fällen würden durch das Erfordernis der vorherigen Androhung der Kündigung abgemildert. 751 752 LAG Schleswig-Holstein (3 Sa 317/01), EzA-SD 2001, Nr 23; AuA 2001, 516, 516 f. So auch BAG (2 AZR 210/86), AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG ( 2 AZR 123/99), EzA § 626 BGB Krankheit Nr. 2 = NZA 2000, 141, 143. - 291 Für die wirksame, weil zuvor erfolglos angedrohte Kündigung bedürfe es keines Wiedereinstellungsanspruchs.753 Der 2. Senat ist in seiner Entscheidung vom 17.06.1999754 aber davon ausgegangen, dass die in der Kündigungsfrist durchgeführte Entziehungstherapie zwar die ursprünglich gegebene negative Prognose erschüttert, jedoch keine positive Prognose dahin begründet habe, die fortbestehende Alkoholkrankheit des Klägers werde künftig nicht mehr zum Ausbruch kommen und zu Fehlzeiten führen. Dass bei Alkoholikern auch nach einer zunächst erfolgreichen Entziehungskur eine hohe Rückfallquote besteht, sei allgemein bekannt und damit auch gerichtsbekannt. Der für eine geänderte, d. h. positive Gesundheitsprognose als Voraussetzung eines eventuellen Wiedereinstellungsanspruchs darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe nichts dafür vorgetragen, dass in seinem speziellen Fall kein ernstliches Rückfallrisiko (mehr) bestehe. Nach der hier vertretenen Auffassung kann eine positive Gesundheitsprognose wie erörtert nicht verlangt werden; maßgeblich sind die Anforderungen an eine Widerlegung der negativen Gesundheitsprognose, die eigentlich eine Fehlzeitenprognose ist. Nach Boewer soll die Prognose nicht allein damit widerlegt sein, dass der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung signalisiert, sich wegen seiner Alkoholkrankheit therapieren zu lassen.755 Selbst für den seltenen Fall, dass eine Therapie vor Ablauf der Kündigungsfrist bereits abgeschlossen ist, gelte wegen der hohen Rückfallgefahr das gleiche. Richtig ist, dass zumindest während der Kündigungsfrist der Vorgang in den seltensten Fällen einen Abschluss gefunden haben wird, so dass der Erfolg in Richtung auf eine gesundheitliche Stabilisierung weiterhin offen bleibt. So hat 753 BAG (2 AZR 336/90), EzA Nr. 33 zu § 1 KSchG Krankheit; Zwanziger, BB 1997, 42, 43. 754 BAG (2 AZR 639/98), SAE 2000, 93, 97. 755 Boewer, NZA 1999, 1121, 1130. - 292 auch das LAG Hamburg756 in der dem Urteil des 2. Senats vom 17.06.1999 vorgehenden Entscheidung vom 10.02.1998 es für das Bestehen eines Wiedereinstellungsanspruchs ausreichen lassen, dass die negative Gesundheitsprognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist entfällt. Dies gelte auch für den Fall, dass ein bisher nicht therapiewilliger alkoholkranker Arbeitnehmer sich nach Ausspruch einer Kündigung dazu entschließt, sich einer Entzugskur zu unterziehen. Ob der Arbeitgeber tatsächlich zur Wiedereinstellung verpflichtet sei, könne nur anhand aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Zutreffend weist das LAG Hamburg darauf hin, dass allein die nach Zugang der Kündigung getroffene Entscheidung des Alkoholkranken, eine (in diesem Fall dreiwöchige) Entzugskur zu beginnen und deren tatsächliche Durchführung den Kündigungsgrund nicht in einer vergleichbaren Weise entfallen lässt, wie dies z. B. bei einer betriebsbedingten Kündigung wegen Auftragsmangels bei einem plötzlich erteilten Großauftrag oder bei einer betriebsbedingten Kündigung wegen geplanter Betriebsstillegung bei einer sich unvorhergesehen ergebenden und dann auch realisierten Möglichkeit der Betriebsveräußerung der Fall ist. Die Entscheidung für eine Entzugskur und deren Beginn berechtige zwar grundsätzlich zu der Hoffnung, dass der Arbeitnehmer seine Alkoholkrankheit auch auf Dauer unter Kontrolle bringen kann. Andererseits sei dies aber keineswegs gewährleistet und es müsse in einem nicht unerheblichen Prozentsatz der Fälle mit einem Rückfall gerechnet werden. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall einer Prognoseänderung bei einer krankheitsbedingten Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist auch nicht unerheblich etwa von dem Fall, dass ein wegen hoher Fehlzeiten gekündigter Arbeitnehmer sich während der Kündigungsfrist zur Durchführung einer Risikooperation entschließt, die erfolgreich verläuft und unmittelbar zur Ausheilung eines Dauerleidens führt, oder dass aufgrund einer während der Kündigungsfrist getroffenen Diagnose ein Dauerleiden nunmehr kurzfristig erfolgreich medikamentös behandelt werden kann. Dieser Unterschied in der Qualität der Prognoseänderung rechtfertige es allerdings nicht, bei 756 LAG Hamburg (3 Sa 40/97), LAGE § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr 2. - 293 Alkoholkranken generell eine Wiedereinstellungspflicht zu verneinen. Vielmehr sei nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden, ob die Prognose als widerlegt und der Kündigungsgrund als entfallen anzusehen sei. Das LAG Hamburg rekurriert im Rahmen einer wertenden Interessenabwägung auf die vor der Kündigung vom Arbeitgeber hingenommenen Belastungen und nennt beispielhaft das Bemühen des Arbeitgebers, auf den Arbeitnehmer mit der Zielsetzung einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes einzuwirken, die vom Arbeitgeber bereits hingenommenen Fehlzeiten und betrieblichen Belastungen sowie eine möglicherweise gesteigerte Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kommt das LAG Hamburg zu der für den Arbeitnehmer abschlägigen Entscheidung, zu der später auch der 2. Senat gekommen ist, ohne dass es die Darlegung einer positiven Gesundheitsprognose vom Arbeitnehmer forderte. Dem Arbeitgeber könne in Anbetracht des Umstandes, dass er erst unmittelbar vor Ablauf der Kündigungsfrist im Gütetermin von der seit 16 Jahren bestehenden Alkoholkrankheit des Klägers und der begonnenen Entziehungskur erfuhr, kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn er an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses festhalte. Selbst wenn man für die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose auf eine wertende Interessenabwägung757 abstellt, kann das Ergebnis jedoch nicht davon abhängen, wie leicht oder schwer es sich der Arbeitgeber vor Ausspruch der (ohne Zweifel wirksamen) Kündigung gemacht hat. Konsequent wäre es, auf eine wertende Interessenabwägung auch hier zu verzichten, da das Bemühen des Arbeitgebers, die Kündigung zu vermeiden, nach Ausspruch einer wirksamen Kündigung keine Rolle mehr spielen kann und den Arbeitgeber Bestandsschutzes 757 nach des Überwindung des Arbeitsverhältnisses Hierzu näher Berkowsky Kündigung, § 5 Rn 19 ff. kündigungsschutzrechtlichen nur noch eine allgemeine - 294 Verantwortlichkeit für einen (vom Arbeitnehmer trotz aller Schwierigkeiten zu beweisenden) Wegfall des Kündigungsgrundes trifft. Fragt man nur nach solchen Umständen des Einzelfalles, die die ursprünglich gerechtfertigte Fehlzeitenprognose möglicherweise entkräften könnten, so bleibt auch kein Raum mehr für andere Überlegungen, die mit der besonderen Problematik der Suchtkrankheiten zu tun haben. So kann es für einen Alkoholkranken regelmäßig von nicht unerheblicher Bedeutung für eine Stabilisierung des Heilerfolges sein, dass er nach Abschluss der Therapie einen Arbeitsplatz hat. Das LAG Hamburg stellt hierzu fest, die Beklagte hätte Wesentliches für den Kläger getan, wenn sie entsprechend der Anregung des Arbeitsgerichts im Gütetermin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortgesetzt hätte. Sie hätte damit auch ein Stück Verantwortung für die Allgemeinheit übernommen, die neben dem Alkoholkranken die Folgen eines durch Arbeitslosigkeit mit verursachten Rückfalls zu tragen hat. Aus den dargelegten Umständen des vorliegenden Falles und weil der Beginn einer Entzugskur bei einem Alkoholkranken noch keine sichere Heilung bedeutet, sei es aber nicht gerechtfertigt, das Verhalten der Beklagten vorliegend als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Die Ausführungen des 2. Senats lassen dagegen erkennen, dass er die positive Prognose deshalb für erforderlich hielt, weil gerade in den Fällen von Suchtkrankheiten wegen der evidenten Rückfallgefahren Unsicherheiten darüber bestehen, wann die überaus schwer wiegende negative Prognose wirklich als widerlegt anzusehen ist. Vom dogmatischen Ansatz her unzutreffend ist aber die Annahme, man müsse mehr als nur die Widerlegung der negativen Prognose fordern. Die (vollständige) Entkräftung der Fehlzeitenprognose muss auch bei Suchtkrankheiten ausreichen, weil als Voraussetzung anders der eines Wiedereinstellungsanspruchs zutreffende Ausgangspunkt des Wiedereinstellungsanspruchs aufgegeben würde. Da dem Arbeitgeber eine gesteigerte Rücksichtnahme auf die soziale Dimension der Alkoholkrankheit nicht zugemutet werden kann, bleibt es bei der (abgestuften) Darlegungslast des Arbeitnehmers, der zumindest plausibel machen muss, Rückfallgefahr warum weitgehend die begonnene ausschließt. Der Entziehungsbehandlung Hinweis auf eine eine bereits abgeschlossene Maßnahme dürfte dafür regelmäßig nicht ausreichen. Insoweit - 295 kommt es neben den begonnenen Bemühungen auf einen realistischen Behandlungsplan an und darauf, inwieweit die behandelnden Ärzte eine Wahrscheinlichkeit zur dauernden Alkoholkarenz als gegeben ansehen. Gleichwohl trifft eine Widerlegung der Fehlzeitenprognose den Regelfall nicht, da auch das uneingeschränkte Bemühen des Arbeitnehmers die Rückfallgefahr nicht in erheblichem Maße senken dürfte. Ausnahmefälle könnten indes bei überwundenen Lebenskrisen und einer vorbehaltlosen Herangehensweise des Betroffenen bejaht werden. Die Fehlzeitenprognose ist dann widerlegt, wenn der Arbeitnehmer Umstände vorträgt, die die Rückfallgefahr soweit schrumpfen lassen, dass sie in die Nähe eines allgemeinen Lebensrisikos gerät, mit dem ohne weiteres auch bei anderen Arbeitnehmern zu rechnen wäre. Das gilt einmal mehr für Arbeitsplätze, die ein hohes Maß an Stress- oder Frustrationstoleranz voraussetzen oder wenn andere betriebliche Umstände vorliegen, die eine bestehende Krankheitsneigung verstärken könnten, so dass eine auch betriebliche Krankheitsursache nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Wegen der fehlenden Pauschalierbarkeit individueller Krankheitsbilder wäre es dagegen verfehlt, von einer generell unwiderlegbaren Prognose auszugehen oder eine Prognose gleich für entbehrlich zu halten. Sachgerechte Ergebnisse lassen sich nur mit Blick auf den Einzelfall erzielen. - 296 - G. Grenzen der Wiedereinstellungspflicht Der Wiedereinstellungsanspruch ist denknotwendig mit einem Kontrahierungszwang verbunden, stellt also einen Eingriff in die dem Arbeitgeber von Verfassungs wegen garantierte Vertragsabschlussfreiheit dar. Zu beachten ist auch, dass das Arbeitsverhältnis zuvor im Einklang mit der Rechtsordnung beendet wurde. Damit die Wiedereinstellungsverpflichtung nicht die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschreitet, bedarf es einer Einschränkung des Anspruchs in sachlicher und zeitlicher Hinsicht, und zwar vor allem dann, wenn der Arbeitgeber aus Gründen zum Vertragsschluss verpflichtet werden soll, die nicht von ihm in zurechenbarer Weise verursacht wurden bzw. nicht in seinen Verantwortungsbereich gehören oder ihn eine Wiedereinstellung in der praktischen Konsequenz unverhältnismäßig hart treffen würde. Der Arbeitnehmer muss sich hingegen mit seinem Interesse an der Wiederbegründung der vertraglichen Hauptpflichten durchsetzen, wenn seinem Vertragspartner die Wiedereinstellung ohne eigene wesentliche Nachteile möglich wäre und dieser sich demgemäß obliegenheits- oder gar pflichtwidrig verhält, wenn er gleichwohl an dem durch die wirksame Kündigung geschaffenen Rechtszustand festhält.758 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die konkrete Ausgestaltung von Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs zur Vermeidung einer vorbehaltlosen und vollständigen Beseitigung der Kündigung von Bedeutung ist. Entsprechend seiner rechtskonstruktiven Ausrichtung an § 1 II KSchG handelt es sich um einen durch das vorrangige Prinzip der Rechtssicherheit begrenzten Anspruch auf begrenzte Beseitigung der Kündigungsfolgen, weshalb einerseits die Anspruchsentstehung durch ein objektiviertes vorrangiges Interesse des Arbeitgebers gehindert und andererseits der ohne die Kündigung hypothetisch bestehende Rechtszustand als Rechtsfolge des Anspruchs nicht erreicht werden 758 Vgl. Oetker, ZIP 2000, 643, 645. - 297 kann.759 Keinesfalls darf dabei in einem wie hier für das Kündigungsschutzrecht zentralen Bereich die Rechtsfindung allein den „Umständen des Einzelfalles“ preisgegeben werden, ohne zugleich verbindliche Maßstäbe zu schaffen. I. Sachliche Grenzen Wiedereinstellungsanspruchs des 1. Eingeschränkte Dispositionsfreiheit Eine Wiedereinstellung wird für den Arbeitgeber dann zum Problem, wenn er – trotz des Wegfalls des ursprünglichen Kündigungsgrundes – zum Zeitpunkt des Wiedereinstellungsverlangens Beschäftigungsmöglichkeit für nicht den über Arbeitnehmer eine verfügt. geeignete Dies kann verschiedene Gründe haben: Der Arbeitsplatz, auf dem der Arbeitnehmer bis zu seinem Ausscheiden beschäftigt war, ist möglicherweise mit einem externen Arbeitnehmer neu besetzt worden oder die Arbeitsaufgaben wurden nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers so verdichtet, dass sein Arbeitsplatz weggefallen ist. Möglich ist auch, dass der Arbeitgeber durch die Neubesetzung eines anderen zwischenzeitlich freigewordenen oder neu entstandenen geeigneten Arbeitsplatzes in demselben Betrieb oder einem anderen Betrieb desselben Unternehmens einer Wiedereinstellung des Arbeitnehmers auf eben diesem anderen Arbeitsplatz zuvorkommt.760 759 760 Siehe oben unter C.VIII „Vorschlag für eine kündigungsschutzrechliche Begründung“ auf Seite 172. Siehe oben unter E „Reichweite der Wiedereinstellungspflicht“ auf Seite 201. - 298 - a) Zumutbarkeit und Interessenabwägung Der seine Wiedereinstellung verlangende Arbeitnehmer muss die Verfügbarkeit des von ihm vor dem Ausscheiden bekleideten oder eines anderen geeigneten gleichwertigen Arbeitsplatzes behaupten, auf dem seine Wiedereinstellung dem Arbeitgeber möglich und zumutbar ist bzw. im Falle des zwischenzeitlichen (erneuten) Wegfalls des Arbeitsplatzes möglich und zumutbar gewesen wäre. Der entstandene Wiedereinstellungsanspruch ist von der weiteren Entwicklung bis zu seiner Geltendmachung aber nicht unabhängig. Das vom BAG befürwortete Kriterium der Zumutbarkeit lässt Raum für die Berücksichtigung zwischenzeitlicher Dispositionen des Arbeitgebers, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen und damit einer Wiedereinstellung tatbestandlich entgegenstehen.761 Existiert ein geeigneter freier Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Wiedereinstellungsverlangens noch, so ist der Arbeitgeber zu der ihm zumutbaren Wiedereinstellung verpflichtet. Das gleiche gilt, wenn ein geeigneter freier Arbeitsplatz bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entsteht.762 Ist der Arbeitsplatz aber wiederum entfallen oder ist er zwischenzeitlich anderweitig besetzt worden, so muss über die Zumutbarkeit der Wiedereinstellung anhand einer Interessenabwägung entschieden werden, für die es klarer Bezugspunkte bedarf. Der 2. Senat bringt das grundsätzlich auf die Formel, einen Anspruch auf Wiedereinstellung habe der Arbeitnehmer nur, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sein schutzwertes Interesse an der Wiederherstellung des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses vor dem 761 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. 762 BAG (7 AZR 891/98), NZA 2000, 894, 897. - 299 Interesse des Arbeitgebers den Vorrang verdiene, es bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu belassen.763 Ein überwiegendes Interesses des Arbeitgebers aus sachlichen Gründen ist anzunehmen, wenn dieser im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits schutzwürdige Dispositionen getroffen hat.764 Im Übrigen verdient das Interesse des Arbeitnehmers den Vorzug. Hierfür ist wesentlich, dass sich der Wiedereinstellungsanspruch nicht in Widerspruch zu der gesetzlichen Wertentscheidung setzen darf, wonach die wirksame Kündigung ihre Gestaltungswirkung bereits im Zeitpunkt ihres Zugangs entfaltet und daher auch zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Der Arbeitgeber muss demgemäß darauf vertrauen können, dass er mit Ablauf der Kündigungsfrist von seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis frei wird und seine Privatautonomie wieder hergestellt ist. Die vorrangige Berücksichtigung schutzwürdiger Dispositionen stellt sicher, dass die Belastung mit einer Wiedereinstellungspflicht nur in Frage kommt, soweit der Arbeitgeber eines Vertrauensschutzes nicht bedarf.765 b) Freie Unternehmerentscheidung und Wegfall von Arbeitsplätzen Eine schutzwürdige Disposition kann neben der Neubesetzung von Arbeitsplätzen auch in der Rationalisierung von Arbeitsprozessen mit der Folge des Wegfalls von Arbeitsplätzen liegen. 766 763 764 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 760; Belling, RdA 1996, 223, 238; Walker, SAE 1998, 103, 106; Manske, FA 1998, 143, 146. 765 Raab, RdA 2000, 147, 153. 766 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 704. - 300 Wie ein solcher Wegfall von Arbeitsplätzen erreicht wird, ist Sache freier unternehmerischer Entscheidung. Ebenso wie bei der Kündigung selbst das unternehmerische Konzept keiner arbeitsgerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, begegnet es auch keinen Bedenken, wenn sich der Arbeitgeber nach dem Wegfall des ursprünglichen Kündigungsgrundes entschließt, eine beschäftigungswirksame Aufgabe in Zukunft einzustellen, zu rationalisieren oder von einem Dritten wahrnehmen zu lassen. Selbst die Umwandlung von Arbeitsverhältnissen in freie Mitarbeiterverhältnisse ist möglich, solange der Kündigungsgrund entweder Bestand hat oder der Arbeitgeber im Hinblick auf sein Entfallen jedenfalls gutgläubig ist. Ein geändertes unternehmerisches Konzept steht also der Wiedereinstellung von Arbeitnehmern entgegen, die – trotz obsolet gewordenem ursprünglichen Kündigungsgrund – aufgrund dessen entbehrt werden können. Kein geändertes unternehmerisches Konzept liegt dagegen vor, wenn sich der Arbeitgeber nach dem Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes entschließt, die freien unerwartet erhalten gebliebenen Arbeitsplätze nicht wiederzubesetzen, sondern stattdessen Leiharbeitnehmer (§§ 11, 12 AÜG) einzusetzen. Hier wäre auch eine Kündigung als sog. Austauschkündigung sozial ungerechtfertigt. Dann kann es aber nicht hingenommen werden, dass der Arbeitgeber die unerwartete Entwicklung hinsichtlich zukünftiger Beschäftigungsmöglichkeiten ausnutzt, um ein Ergebnis zu erreichen, dass im Wege der Kündigung nicht erreichbar gewesen wäre.767 c) Dispositionen vor dem Ablauf der Kündigungsfrist Ist nach betriebsbedingter Kündigung die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen, so ist mit dem 2. Senat im Grundsatz davon auszugehen, dass der Arbeitgeber regelmäßig keine schutzwürdigen Dispositionen getroffen haben kann, die die 767 Boewer, NZA 1121, 1131. - 301 Interessenabwägung zu seinen Gunsten beeinflussen könnten.768 Vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bleibt der Arbeitsplatz regelmäßig besetzt. Der Arbeitgeber kann jedoch dann bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist über den Arbeitsplatz disponieren, wenn der Arbeitnehmer vor dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses aus dem Betrieb endgültig ausgeschieden ist. Eine rechtliche Disposition über den Arbeitsplatz ist darüber hinaus bereits vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers möglich, wenn der Arbeitgeber einen Vertrag über ein neues Arbeitsverhältnis mit späterem Eintrittstermin abschließt. Der Arbeitgeber betätigt seine Dispositionsfreiheit und ist folglich nicht daran gehindert, im Hinblick auf den baldigen Ersatzbedarf bereits rechtliche Bindungen einzugehen. d) Genereller Vorrang arbeitgeberseitiger Dispositionen oder Pflicht zur Freikündigung bei mangelnder Schutzwürdigkeit? Sind im Unternehmen zum Zeitpunkt des Wiedereinstellungsbegehrens keine gleichwertigen Arbeitsplätze mehr frei, so wird nur vereinzelt davon ausgegangen, dass die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs generell ausgeschlossen sei. Insoweit wird vorgetragen, das wirksam gekündigte Arbeitsverhältnis genieße keinen Bestandsschutz mehr, auch nicht in abgeschwächter Form.769 Demnach könne der Arbeitgeber nach Treu und Glauben nur die Wiedereinstellung auf einen noch oder wieder freien Arbeitsplatz verlangen. Sonst müsste ein anderer Arbeitnehmer entlassen werden, was sich aus keinem Gesichtspunkt rechtfertigen ließe.770 Es sei für den Arbeitgeber unzumutbar, wenn er bei seiner Auswahlentscheidung über die Wiedereinstellung auf unerwartet erhalten gebliebene Arbeitsplätze auch noch bzw. wieder besetzte Arbeitsplätze berücksichtigen und damit u.U. auch einen 768 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 760. 769 AR-Blattei SD – Boemke 220.10 Arbeitsvertrag – Arbeitsverhältnis Rn 170 f. 770 Zwanziger, BB 1997, 42, 45. - 302 Arbeitsplatz freikündigen müsse, um den Wiedereinstellungsanspruch eines bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmers erfüllen zu können. Der Arbeitgeber sehe sich dann möglicherweise zwei Klagen ausgesetzt, die ein und denselben Arbeitsplatz beträfen, nämlich Wiedereinstellungsklage.771 Im einer Kündigungsschutz- Übrigen könnten und einer erhebliche betriebsverfassungsrechtliche Probleme entstehen, wenn der Betriebsrat sich nicht kooperativ zeige und sowohl der Kündigung mit der Rechtsfolge des betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 V BetrVG als auch der Wiedereinstellung gemäß § 99 II Nr. 3 BetrVG nicht zustimme. Die Vorteile der Möglichkeit, schon aufgrund einer Prognose kündigen zu können, würden so teilweise wieder zunichte gemacht. 772 Diese Auffassung richtet sich gegen das Prinzip der Interessenabwägung an sich, da hiernach die Interessen des Arbeitgebers stets den Vorrang genießen. Jede Disposition über einen geeigneten Arbeitsplatz würde den Wiedereinstellungsanspruch vereiteln, ohne dass es auf die Schutzwürdigkeit der Disposition ankäme. Mitunter wird angenommen, dass die Erfüllung des Wiedereinstellungsanspruchs unmöglich geworden sei und der Arbeitnehmer daher nur noch einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen könne, der analog § 611a III BGB auf drei Monatsverdienste begrenzt sei.773 Die damit einhergehende Missbrauchsgefahr ist allerdings nicht hinnehmbar. Erkennt man einen Anspruch auf Wiedereinstellung dem Grunde nach an, so widerspricht es diesem Ergebnis, die Verwirklichung des Anspruchs wiederum in das Belieben des Anspruchsgegners zu stellen, obwohl der Arbeitnehmer u.U. sogar schon ein Wiedereinstellungsverlangen an den Arbeitgeber gerichtet hat oder zumindest dem Arbeitgeber bei Neubesetzung des Arbeitsplatzes der Wegfall des Kündigungsgrundes und die Unkenntnis des Arbeitnehmers hiervon bekannt ist. 771 Hergenröder, Anm. zu BAG (2 AZR 140/97), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanpruch Nr. 3. 772 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 108. 773 KPK KSchG – Meisel, § 1 Rn 470. - 303 Die Rspr.774 und die h. Lit.775 gehen daher zutreffend davon aus, dass eine zwischenzeitlich Arbeitsplatzes vom Arbeitgeber schutzwürdig sein vorgenommene müsse, um den Neubesetzung dem Grunde des nach bestehenden Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers zu vereiteln. Offen bleibt dabei zunächst, welche Kriterien für die Frage nach der Schutzwürdigkeit von Dispositionen herangezogen werden sollen und ob die Kriterien der Schutzwürdigkeit sich vorzugsweise an den Kenntnisstand der Beteiligten anlehnen oder nach einer wertenden Interessenabwägung richten sollen. Verneint man die Schutzwürdigkeit einer Disposition über den Arbeitsplatz, so muss der Umstand, dass keine Beschäftigungsmöglichkeit zur Verfügung steht, für den Anspruch auf Wiedereinstellung außer Betracht bleiben. Damit entsteht für den Arbeitgeber die Notwendigkeit, den vorschnell neubesetzten Arbeitsplatz freizukündigen, um den Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Die dabei auftretenden Probleme dürften sich jedoch kaum als so schwerwiegend darstellen, wie dies in der Lit. teilweise dargestellt wird. Das Arbeitsverhältnis des neu eingestellten Arbeitnehmers ist zum Zeitpunkt der (rechtzeitigen) Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs im Regelfall noch nicht in seinem Bestand geschützt, da die sechsmonatige Wartefrist des § 1 I KSchG noch nicht erfüllt sein dürfte. Die behauptete Gefahr, dass der Betriebsrat sowohl der Kündigung widerspricht als auch der Wiedereinstellung nicht zustimmt, ist eher theoretischer Natur und relativiert sich, wenn man bedenkt, dass ein Widerspruch des Betriebsrats gegen eine Kündigung eine betriebliche Alltagserscheinung darstellt und ein Mitbestimmungsrecht bei der Verwirklichung des Widereinstellungsanspruchs nach § 99 BetrVG möglicherweise gar nicht besteht, was noch zu erörtern sein wird. Die Annahme, dem Arbeitgeber werde die Wiedereinstellung bei Fehlen eines geeigneten Arbeitsplatzes ohne weiteres unmöglich, trifft ebenfalls nicht zu. Der Tatbestand 774 775 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760; BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1785. Hueck FS Hedemann, S. 150; Preis S. 455; Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 755; Meyer, NZA 2000, 297, 307. - 304 der Unmöglichkeit setzt voraus, dass der geschuldete tatsächliche oder rechtliche Leistungserfolg nicht mehr bewirkt werden kann. Der Wiedereinstellungsanspruch richtet sich jedoch auf die Annahme eines Vertragsangebots und damit auf die Abgabe einer Willenserklärung. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages ist aber unabhängig davon möglich, ob der Arbeitnehmer sinnvoll beschäftigt werden kann oder nicht, denn der Arbeitgeber trägt auch sonst das Verwendungsrisiko.776 e) Schutzwürdigkeit arbeitgeberseitiger Dispositionen (1) Schutzwürdigkeit von Dispositionen vor der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose Nimmt der Arbeitgeber kündigungsbegründenden bereits Prognose vor der Widerlegung Dispositionen vor, die der die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit entfallen lassen, indem er z.B. den Arbeitsplatz des krankheitsbedingt Arbeitnehmer neu gekündigten besetzt oder Arbeitnehmers die mit Arbeitsaufgabe einem der externen verbliebenen Beschäftigten so verdichtet, dass der Arbeitsplatz wegfällt, so handelt er stets auch im guten Glauben an den Fortbestand des Kündigungsgrundes. Eine solche Disposition ist schutzwürdig und steht daher einer Wiedereinstellung auf den wiederbesetzten Arbeitsplatz entgegen. Die fort- oder wiederbestehende Beschäftigungsmöglichkeit ist grundsätzlich Voraussetzung eines Wiedereinstellungsanspruches. Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Wegfalls des Kündigungsgrundes nicht mehr vorhanden, so wird die Interessenabwägung regelmäßig zugunsten des Arbeitgebers ausfallen. Der Arbeitgeber kann vor Wegfall des Kündigungsgrundes grundsätzlich von der endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehen und entsprechende Dispositionen treffen, die 776 Raab, RdA 2000, 147, 156. - 305 zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen.777 In diesem Fall entsteht ein Wiedereinstellungsanspruch mit der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose gar nicht erst. Keine Bedeutung hat diese Überlegung indes für die betriebsbedingte Kündigung, bei der es sachlogisch keine Dispositionen vor dem Wegfall des Kündigungsgrundes geben kann. (2) Eingeschränkte Schutzwürdigkeit von Dispositionen nach der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose (a) Schutzwürdigkeit gutgläubiger Dispositionen des Arbeitgebers Nach dem Wegfall des Kündigungsgrundes besteht die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers dagegen nicht mehr unbeschränkt. Für die Schutzwürdigkeit solcher Dispositionen wird in Übereinstimmung mit dem 2. Senat danach zu differenzieren sein, ob der Arbeitgeber in gutem Glauben an den Fortbestand der Kündigungsgründe gehandelt hat oder aber bösgläubig war.778 Die im Grundsatz bestehende Dispositions- und Vertragsabschlussfreiheit des Arbeitgebers genießt nicht mehr den höheren Rang gegenüber dem Wiedereinstellungsinteresse des Arbeitnehmers, sobald sich der Arbeitgeber in Kenntnis des Wegfalls des Kündigungsgrundes bewusst für einen externen Arbeitnehmer und gegen den letztlich grundlos Gekündigten entscheidet. 777 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 755. 778 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997,757, 760; Ricken, NZA 1998, 460, 465. - 306 (b) Maßstab für den guten Glauben an den Fortbestand des Kündigungsgrundes i) Keine Bösgläubigkeit schon bei (grob) fahrlässiger Unkenntnis vom Wegfall des Kündigungsgrundes – Keine Anwendung von §§ 122 II, 932 II BGB entspr. Offengelassen hat der 2. Senat die Frage, welcher Maßstab für die Annahme eines guten Glaubens des anderweitig über den Arbeitsplatz disponierenden Arbeitgebers zugrunde zu legen ist. Möglich wäre eine Anlehnung an § 122 II BGB mit der Folge, dass bereits die fahrlässige Unkenntnis des Arbeitgebers von der Widerlegung der Prognose und dem damit einhergehenden Wegfall des Kündigungsgrundes eine schutzwürdige Disposition unmöglich machen würde. Orientiert man sich dagegen an der Regelung des § 932 II BGB, so führt erst die grob fahrlässige Unkenntnis dazu, dass die arbeitgeberseitige Disposition als nicht vorgenommen und der von ihr betroffene Arbeitsplatz für das nachfolgende Wiedereinstellungsverlangen weiterhin behandelt werden müsste, als sei er noch immer unbesetzt. ii) Bösgläubigkeit erst bei positiver Kenntnis des Arbeitgebers - §§ 892, 162 II BGB entspr. Eine widerspruchsfreie Lösung erfordert wohl aber eine Anlehnung an § 892 BGB mit der Folge, dass der Arbeitgeber erst mit positiver Kenntnis vom Wegfall des Kündigungsgrundes seine Schutzbedürftigkeit verliert. Der Grund ist darin zu sehen, dass bereits bei der Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung nicht entscheidend ist, ob der Arbeitgeber den Kündigungsgrund kennt, sondern nur, ob ein solcher Kündigungsgrund objektiv vorliegt. Wenn die Rspr. aber vom Arbeitgeber nicht die Kenntnis des Kündigungsgrundes verlangt, dann kann sie ihm auch nicht vorhalten, wenn der Kündigungsgrund nachträglich weggefallen ist, dass er dieses fahrlässig nicht zur Kenntnis genommen habe.779 779 Ricken, NZA 1998, 460, 465. - 307 Den gleichen Maßstab für die Bösgläubigkeit wird man dem Rechtsgedanken des § 162 I und II BGB entnehmen können. Der 2. Senat hat in seiner Entscheidung vom 21.09.2000780 unter anderen Vorzeichen betont, dem Arbeitgeber sei die Berufung auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus dem in § 162 I und II BGB normierten Rechtsgedanken verwehrt, wenn er diesen Zustand selbst treuwidrig herbeigeführt habe. Auch der 7. Senat hat in seiner Entscheidung vom 28.06.2000781 den Rechtsgedanken aus § 162 BGB herangezogen. Dem Arbeitgeber könne die Berufung auf das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes aus dem in § 162 I und II BGB normierten allgemeinen Rechtsgedanken verwehrt sein, nachdem niemand aus einem von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten dürfe. Zwar kann das treuwidrige Herbeiführen eines Bedingungseintritts i.S.v. § 162 II BGB bereits bei bloß fahrlässigem oder sogar schuldlosem Verhalten angenommen werden.782 Da es hier jedoch um das Verhältnis zweier Vertragspartner geht, von denen zumindest einer über die Entwicklung im Bilde ist, kann nicht dem einen (Arbeitgeber) die treuwidrige Vereitelung der Wiedereinstellung des anderen vorgeworfen werden, solange ihm nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, während der wegen angeblicher Treuwidrigkeit zu begünstigende Vertragspartner (Arbeitnehmer) positive Kenntnis hat, ohne seinerseits tätig zu werden. Der Wegfall des Kündigungsgrundes tritt nämlich stets in der Sphäre einer der beiden Vertragspartner ein, der daher als erster positive Kenntnis erlangt. Handelt es sich dabei um den Arbeitgeber, so ist er wegen positiver Kenntnis ohne weiteres bösgläubig. Handelt es sich um den Arbeitnehmer, so steht es ihm frei, seinem Vertragspartner positive Kenntnis zu verschaffen, was er in der Regel 780 BAG (2 AZR 440/99), NZA 2001, 255, 255. 781 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1782. 782 Palandt – Heinrichs, § 162 Rn 3. mit der Äußerung eines - 308 Wiedereinstellungsverlangens tut. Unterlässt er dies, kann er daraus zu seinen Gunsten keine treuwidrige Vereitelung einer Wiedereinstellung herleiten. Folglich schadet dem Arbeitgeber für Dispositionen, die er nach der Widerlegung der Prognose trifft, nur die positive Kenntnis von den tatsächlichen Umständen, auf denen der Wegfall des Kündigungsgrundes beruht.783 In einer jüngeren Entscheidung des 7. Senats findet sich denn auch zutreffend der Maßstab der positiven Kenntnis für die Bösgläubigkeit des Arbeitgebers.784 (c) Schutzwürdigkeit von Dispositionen nach betriebsbedingter Kündigung oder generelle Bösgläubigkeit? Versteht man nun zutreffend „Gutgläubigkeit“ im Sinne von „positiver Kenntnis“ für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit von Dispositionen, so führt das im Bereich der betriebsbedingten Kündigung dazu, dass jede Disposition über unvorhergesehen erhalten gebliebene oder neu entstandene Arbeitsplätze nicht schutzwürdig ist und folglich für den Wiedereinstellungsanspruch außer Betracht bleiben muss. Eine Neubesetzung kann erst erfolgen, nachdem wieder Arbeitsplätze vakant werden, nachdem also der betriebliche Grund für die Kündigung entfallen ist. Zu diesem Zeitpunkt besteht der Wiedereinstellungsanspruch aber bereits, denn die Verpflichtung, einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen, entsteht im Zeitpunkt des Wegfalls des Kündigungsgrundes.785 Der Arbeitgeber, der eine Neubesetzung des betriebsbedingt freigekündigten Arbeitsplatzes vornimmt, weiß um die tatsächlichen Voraussetzungen, die den Wegfall des Kündigungsgrundes bedingen, denn er weiß, dass sich entweder die Prognose des Wegfalls des Arbeitsplatzes oder die des Fehlens einer 783 Senne, AuA 1992, 301, 302; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 578. 784 BAG (7 AZR 891/98), NZA 2000, 894, 894. 785 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2241; vom Stein, RdA 1991, 85, 88. - 309 anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht bestätigt hat. Er ist also in bezug auf den Wiedereinstellungsanspruch bösgläubig. Folglich ist die von im vorgenommene Disposition in keinem Fall schutzwürdig.786 Der nach betriebsbedingter Kündigung entstehende Einstellungsbedarf hinsichtlich eines aus der Sicht des Gekündigten funktional gleichwertigen Arbeitsplatzes kann daher nur im Wege der Wiedereinstellung des Gekündigten gedeckt werden.787 So verbietet schließlich die Natur des betriebsbedingten Kündigungsgrundes zwischenzeitlich anderweitige Dispositionen über erhalten gebliebene oder neu entstandene Arbeitsplätze788, wovon erkennbar auch der 2. Senat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 27.02.1997789 ausgeht. Der Arbeitgeber vereitelt damit die Wiedereinstellung des Arbeitnehmers bösgläubig und kann sich auf die Neubesetzung des Arbeitsplatzes nicht berufen, wenn er nach wirksamer betriebsbedingter Kündigung und Wegfall des Kündigungsgrundes einen erhalten gebliebenen geeigneten Arbeitsplatz mit einem externen oder einem weniger schutzbedürftigen gekündigten Arbeitnehmer wieder besetzt, ohne zuvor dem gekündigten Arbeitnehmer die Möglichkeit einer Wiedereinstellung gegeben zu haben. Es bleibt festzuhalten, dass vor dem Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes Dispositionen unmöglich (keine Beschäftigungsmöglichkeit) und nach diesem Zeitpunkt nicht schutzwürdig sind (generelle Bösgläubigkeit des den Beschäftigungsbedarf Wiedereinstellung nach erkennenden betriebsbedingter Arbeitgebers). Kündigung Für spielt die ein Dispositionsschutz durch Einstellung externer Arbeitnehmer folglich keine Rolle. 786 So i.E. auch Furier, AiB 1999, 246, 248. 787 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 578; Raab, RdA 2000, 147, 156. 788 Boewer, NZA 1999, 1121, 1131. 789 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. - 310 (d) Vorrang „bösgläubiger“ Rationalisierungskonzepte Es fragt sich aber, wie im Hinblick auf die Bösgläubigkeit des Arbeitgebers Rationalisierungsmaßnahmen zu beurteilen sind, die dafür sorgen, dass der zunächst entfallene Kündigungsgrund doch wieder eintritt. Auch die positive Kenntnis vom Wegfall des Kündigungsgrundes hindert den Arbeitgeber nicht daran, durch freie unternehmerische Entscheidung ein (neues) Rationalisierungskonzept zu verfolgen, in dem der Gekündigte dauerhaft keinen Platz mehr findet.790 Der Arbeitgeber schafft vor oder nach dem Wegfall des ursprünglichen Kündigungsgrundes so praktisch einen Auffangkündigungsgrund. Ein Wegfall des Kündigungsgrundes tritt dann gar nicht erst ein oder ist lediglich vorläufiger Natur. Nach betriebsbedingter Kündigung wird das eine (gescheiterte) unternehmerische Konzept gegen ein anderes ausgetauscht, das dem Gekündigten ebenfalls keine Weiterbeschäftigung ermöglicht. Denkbar ist ein solches Vorgehen aber auch nach anderen (entfallenen) Kündigungsgründen, bspw. wenn nach Wegfall des krankheitsbedingten Kündigungsgrundes und Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber der geeignete Arbeitsplatz eingespart wird. Es fehlt hier schlicht an einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, weshalb ein Wiedereinstellungsanspruch regelmäßig gar nicht erst zur Entstehung gelangt. An das Vorliegen eines solchen ernst- und dauerhaften Rationalisierungskonzepts sind dabei die gleichen strengen Anforderungen zu stellen wie für die betriebsbedingte Kündigung. Anders liegt es nur, wenn für einen Zwischenzeitraum von einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auszugehen war. Dann ist ein Anspruch auf Wiedereinstellung dem Grunde nach entstanden mit der Konsequenz, dass man den Arbeitgeber für verpflichtet halten könnte, den Arbeitnehmer hierüber zu 790 Die Anforderungen an ein solches Konzept sind für das Betriebsübergangsrecht bereits eingehend erörtert worden unter F.II.3.c) „Sanierungsnotwendigkeit und Wiedereinstellungspflicht“ auf Seite 232. - 311 informieren (Aufklärungspflicht) und sich auf ein Angebot des Arbeitnehmers auf Abschluss eines neuen (Wiedereinstellungspflicht). verwirklicht, so ist Arbeitsvertrages Wird der der auch einzulassen Wiedereinstellungsanspruch Arbeitgeber bei erneutem Wegfall darauf des Kündigungsgrundes auf eine erneute Kündigung verwiesen. Wird der Anspruch bis zum erneuten Wegfall des Kündigungsgrundes nicht verwirklicht, ist aber der Arbeitgeber mit der Aufklärungs- oder der Wiedereinstellungspflicht in Schuldnerverzug geraten, so entstehen Schadensersatzansprüche nach allgemeinen Regeln. Mithin genießen Rationalisierungskonzepte als freie unternehmerische Entscheidungen stets den Vorrang gegenüber einem entgegenstehenden Wiedereinstellungsinteresse des Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber noch gut- oder bereits bösgläubig ist. Der Mangel des guten Glaubens zwingt lediglich zur richtigen Auswahlentscheidung unter verschiedenen Arbeitnehmern, wenn nach dem Willen des Arbeitgebers ohnehin eine Einstellung ansteht. Demgegenüber wird die unternehmerische Freiheit in ihrem Kernbereich nicht angetastet. f) Pflicht zur „umfassende Interessenabwägung“? In Rspr.791 und Lit.792 wird z.T. eine umfassende Interessenabwägung befürwortet, innerhalb derer die für oder gegen die Schutzwürdigkeit einer arbeitgeberseitigen Disposition sprechenden Umstände des Einzelfalles gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben gewichtet werden sollen. Eine den Arbeitgeber unangemessen belastende Ausdehnung seiner Fürsorgepflicht gelte es dadurch zu vermeiden, dass im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen sei, ob der Arbeitnehmer schutzbedürftig sei und tatsächlich ein überwiegendes Interesse an der Wiedereinstellung habe und der 791 792 BAG (1 AZR 29/55), BAGE 3, 332, 338; LAG Köln (4/2 Sa 860/88), DB 1989, 1475, 1476, BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1782. Hambitzer, Diss. S. 84 f; Oetker, ZIP 2000, 1787, 1788 f; Kukat, BB 2001, 576, 578. - 312 Arbeitgeber andererseits nicht schon betriebliche Maßnahmen getroffen habe, die eine Wiedereinstellung nahezu unmöglich machen.793 Auch komme es für die Frage nach einer Informationspflicht über einen erhalten gebliebenen Arbeitsplatz oder eine unvorhergesehen sich ergebende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit gemäß § 242 BGB jeweils auf die Umstände des Einzelfalles an.794 Unabhängig vom Kenntnisstand des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der anderweitigen Disposition könne es stets auch andere legitime Gründe für eine Interessenabwägung zu seinen Gunsten geben.795 In diesen Fällen sei dem Arbeitgeber die Wiedereinstellung unzumutbar. Die Zumutbarkeit wird danach als eigenständige Anspruchsvoraussetzung des Wiedereinstellungsanspruchs begriffen.796 Das für eine Ausrichtung am Einzelfall bemühte Kriterium der Zumutbarkeit ist indes ein unbestimmter Rechtsbegriff von hohem Abstraktionsniveau, aus dem sich keine subsumtionsfähige Aussage ableiten lässt.797 Das Zumutbarkeitskriterium und das Gebot einer umfassenden Interessenabwägung meinen schließlich das gleiche.798 Um der Gefahr einer Abwägung nach bloßen Billigkeitsgesichtspunkten vorzubeugen, bedarf es der Festschreibung konkreter sachlicher und zeitlicher Grenzen, die als negative Anspruchsvoraussetzungen dem Anspruch Kontur geben. So erlauben die dargestellten sachlichen Grenzen eine sachgerechte Entscheidung im Einzelfall, die keines weiteren Korrektivs bedarf. Es ist keine Notwendigkeit ersichtlich, daneben noch eine eigenständige Interessenabwägung zu befürworten, will man nicht die Rechtssicherheit und – 793 LAG Hamburg (2 Sa 90/89), DB 1991, 1180, 1180. 794 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1782. 795 Oetker, ZIP 2000, 1787, 1789. 796 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 757. 797 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 578. 798 Vgl. Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2241. - 313 klarheit für beide Seiten relativieren.799 Auch Überlegungen zu besonderen Fallgestaltungen lassen sich schließlich hinreichend konkretisieren, damit sich eine unbestimmte wertende Gesamtabwägung erübrigt. 2. Betriebsbedingte Kündigung mehrerer Arbeitnehmer Wiedereinstellung nach sozialen Gesichtspunkten? a) Problemstellung Wurde mehreren Arbeitnehmern gekündigt und sind einige vergleichbare und funktional austauschbare Arbeitsplätze weggefallen, andere dagegen bestehen geblieben, so stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber frei entscheiden kann, welchen Arbeitnehmern er die Wiedereinstellung anbietet oder ob er unter den Arbeitnehmern, denen eine Wiedereinstellung dem Grunde nach zusteht, eine sachgerechte Auswahl treffen muss. Für den seine Wiedereinstellung verlangenden Arbeitnehmer sind solche anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten vergleichbar, die ihm arbeitgeberseits in Ausübung des Direktionsrechts durch Um- oder Versetzung zugewiesen werden könnten.800 Nicht gleichwertig sind Arbeitsplätze, auf denen der Arbeitnehmer nur mit Hilfe einer Änderungskündigung beschäftigt werden könnte oder solche höherwertigen Arbeitsplätze, die eine Beförderung erforderlich machen.801 Das Problem der Sozialauswahl wird nach wirksamer betriebsbedingter Kündigung praktisch, wenn das neue unternehmerische Konzept dazu führt, dass nur ein Teil der freigekündigten Arbeitsplätze entgegen der ursprüngliche 799 800 801 Kritisch auch Senne, AuA 1992, 301, 303. BAG (2 AZR 580/88), BAGE 62, 116, 123; BAG (2 AZR 369/89), BAGE 65, 61, 76; LAG Hamm (12 Sa 1150/00), LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 35 m.w.N; BAG (2 AZR 142/99), BB 2000, 1148, 1148; Gaul, BB 1995, 2422, 2422. BAG (2 AZR 327/94), BB 1995, 732, 732; Tschöpe, BB 2000, 2630, 2632; Pollmann Diss., S. 26 ff, 156; Lammermann Diss., S. 71 ff, 244; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 13 Rn 152. - 314 Planung erhalten bleibt und deshalb neu zu besetzen ist. Besetzt der Arbeitgeber die unerwartet erhalten gebliebenen Arbeitsplätze mit zuvor wirksam gekündigten Arbeitnehmern, ohne dass ihm dabei wegen einer nicht sachgerechten Personalauswahl ein Vorwurf zu machen ist, so bleibt der Kündigungsgrund in Gestalt des endgültigen Wegfalls von Arbeitsplätzen für die übrigen nicht berücksichtigten Arbeitnehmer bestehen. Für diese entsteht ein Anspruch auf Wiedereinstellung also gar nicht erst. Bejaht man dagegen die Notwendigkeit einer Sozialauswahl und wird die Wiedereinstellungsentscheidung des Arbeitgebers den mit ihr verbundenen Qualitätsanforderungen nicht gerecht, so kann sich grundsätzlich jeder sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer auf die fehlerhafte Sozialauswahl berufen, solange der Arbeitgeber sie nicht korrigiert hat. Will der Arbeitgeber bei seiner Wiedereinstellungsentscheidung den Anforderungen an eine sachgerechte Sozialauswahl entsprechen, so steht er einerseits vor dem Problem, welchen Anforderungen die Sozialauswahl zu genügen hat, nämlich entweder § 1 III KSchG analog oder lediglich den §§ 315, 242 BGB. Andererseits muss der Arbeitgeber wissen, welche Gruppe von Arbeitnehmern in die Sozialauswahl mit einzubeziehen ist, nämlich entweder nur die für eine Wiedereinstellung in Betracht kommenden Arbeitnehmer oder darüber hinaus auch die im Betrieb verbliebenen Beschäftigten. b) Entwicklung der Rspr. Der 2. Senat hat zunächst durch seine Entscheidungen vom 15.3.1984802 und vom 21.02.1985803 eine analoge Anwendung des § 1 III KSchG auf den Wiedereinstellungsanspruch, allerdings für die Situation nach Ablauf der Kündigungsfrist, abgelehnt. Das geltende Arbeitsrecht kenne weder eine 802 BAG (2 AZR 24/83), NZA 1984, 226, 227. 803 BAG (2 AZR 311/84), DB 1985, 1746, 1746 = JuS 1987, 893, 893. - 315 „sozialwidrige Einstellung“ noch eine „sozial ungerechtfertigte Nichteinstellung“. Anders als bei der Beendigung habe bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses der Grundsatz der Vertragsfreiheit den Vorrang vor der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte. Eine entsprechende Anwendung des § 1 III KSchG bei Einstellungen würde auf eine unzulässige Rechtsfortbildung hinauslaufen, für die es im geltenden Recht keine erweiterungsfähigen Ansätze gebe. Dagegen wurde zu Recht eingewandt, der Arbeitgeber betätige bei der Befriedigung des Wiedereinstellungsanspruchs nicht seine Vertragsfreiheit, sondern erfülle ein rechtliches Gebot, weshalb auch soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien.804 Der Arbeitgeber sei zumindest an das Willkürverbot gebunden.805 Das LAG Köln806 vertritt den Standpunkt, dass der Arbeitgeber bei der Auswahl soziale Gesichtspunkte (Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen) deshalb berücksichtigen müsse, weil seine Fürsorgepflicht bei den sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern stärker ausgeprägt sei. Inzwischen lässt der 2. Senat807 ausdrücklich offen, ob an der Ablehnung einer analogen Anwendung des § 1 III KSchG überhaupt oder unter welchen weiteren Voraussetzungen festgehalten werden könne und betont statt dessen, selbst wenn § 1 III KSchG nicht entsprechend anzuwenden sei, sei der Arbeitgeber in seiner Auswahlentscheidung nicht völlig frei. Er sei verpflichtet, soziale Belange der betroffenen Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen. Erst die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers konkretisiere, welchem Arbeitnehmer ein Wiedereinstellungsanspruch zu versagen sei und welche der vom 804 Mummenhoff, SAE 1985, 305, 308. 805 Mummenhoff, SAE 1985, 305, 307; Mummenhoff, JuS 1987, 893, 896. 806 LAG Köln (4/2 Sa 860/88), DB 1989, 1475, 1476. 807 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 704; BAG (2 AZR 757/98), NZA 2000, 531, 533 f. - 316 Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigungen damit im Ergebnis zur Entlassung der betroffenen Arbeitnehmer führe. Es sei in der Rspr.808 inzwischen anerkannt, dass eine derartige Auswahlentscheidung des Arbeitgebers zumindest entsprechend § 315 I BGB nach billigem Ermessen zu treffen sei und, um nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstoßen, ohne Vorrang der betrieblichen Interessen soziale Belange angemessen berücksichtigen müsse. Soweit die betroffenen Arbeitnehmer für eine Weiterbeschäftigung innerhalb des geänderten Unternehmenskonzepts gleichermaßen geeignet sind, könne der Arbeitgeber nicht frei wählen, welchem der gekündigten Arbeitnehmer er die nach wie vor bestehenden Arbeitsplätze anbiete. Er habe vielmehr, wenn auf derartige Fälle nicht überhaupt § 1 III KSchG analog anzuwenden sei, zumindest unter den betroffenen Arbeitnehmern eine den §§ 242, 315 BGB genügende Auswahlentscheidung anhand betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte vorzunehmen.809 Die jüngere Rspr. des 2. Senats macht deutlich, dass dieser der Frage nach dem Maßstab der Sozialauswahl keine wesentliche Bedeutung beimisst: Bei der Auswahl der wiedereinzustellenden Arbeitnehmer habe Betriebszugehörigkeit der Arbeitgeber und als soziale Unterhaltspflichten Gesichtspunkte der Arbeitnehmer Alter, zu berücksichtigen; es könne dabei dahinstehen, ob die Berücksichtigung sozialer Belange bei der Auswahlentscheidung des Arbeitgebers nur dem Maßstab der §§ 242, 315 BGB genügen müsse oder an den schärferen Anforderungen des § 1 III KSchG zu messen sei.810 Der 7. Senat vertritt die Auffassung, dass der Arbeitgeber bei der von ihm zu treffenden Auswahlentscheidung lediglich an die Generalklauseln gebunden sei. 808 BAG (2 AZR 320/94), AP Nr. 66 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG (2 AZR 1019/94), AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX; BAG (8 AZR 914/93), BAGE 79, 128, 136. 809 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 704. 810 BAG (2 AZR 757/98), ZIP 2000, 676, 678. - 317 Der Arbeitgeber habe anhand betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte eine den §§ 242, 315 BGB genügende Auswahlentscheidung zu treffen. Die Frage, ob aus der Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers die Verpflichtung zur Wiedereinstellung gerade eines bestimmten Arbeitnehmers folge, lasse sich nicht allein nach den Kriterien des § 1 III KSchG, sondern gemäß § 242 BGB nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten.811 Die Grundsätze des § 1 III KSchG ließen sich nicht ohne weiteres auf den Wiedereinstellungsanspruch übertragen, denn es gehe anders als in § 1 III KSchG nicht darum, wem gegenüber die einseitige rechtsgestaltende Kündigungserklärung abzugeben bzw. zu unterlassen ist, sondern mit welchem Arbeitnehmer ein Vertrag zu schließen ist, der nicht nur eine Willenserklärung des Arbeitgebers, sondern auch die des Arbeitnehmers voraussetze, weshalb ohnehin nur die Arbeitnehmer in Betracht kämen, die dem Arbeitgeber gegenüber ihren Willen zur Wiedereinstellung bekundet haben. Für den Sonderfall des Wiedereinstellungsanspruchs nach unvorhergesehenem Betriebsübergang hat sich auch der 8. Senat dem angeschlossen.812 Soweit ersichtlich, hat sich das BAG in keinem Fall die Mühe gemacht, mögliche Unterschiede in der Anwendung von § 1 III KSchG und den §§ 315, 242 BGB für die Wiedereinstellung praktisch aufzuzeigen. Des gleichen wurde auch das Problem der Vergleichsgruppe für die Sozialauswahl noch nicht entscheidungserheblich. Die Auswirkungen dürften dennoch von einigem Gewicht sein, da gerade beim unerwarteten Betriebsübergang nach Ausspruch von Stillegungskündigungen eine erhebliche Zahl von Arbeitnehmern betroffen sein kann. 811 812 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1782 und 1785; nachfolgend auch LAG Berlin (6 Sa 2799/00), LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr 59. BAG (8 AZR 265/97), ZIP 1999, 670, 672. - 318 - c) Maßstab der §§ 315, 242 BGB Auch in der Lit. wird verschiedentlich die Überprüfung anhand der Generalklauseln der §§ 315 und 242 BGB als vorzugswürdig angesehen.813 Als wesentliches Argument wird angeführt, dass das arbeitsvertragliche Band zuvor rechtmäßig gelöst wurde, weshalb eine dem § 1 III KSchG vergleichbare Situation nicht gegeben sei.814 d) Maßstab des § 1 III KSchG analog Im Unterschied zu der aufgezeigten Tendenz der Rspr. und eines Teils des Schrifttums in Generalklauseln Richtung unter auf eine Überprüfung Berücksichtigung der lediglich jeweiligen anhand der Umstände des Einzelfalles will ein beträchtlicher Teil des Schrifttums815 die Grundsätze über die Sozialauswahl bei Kündigungen gemäß § 1 III KSchG auf den Wiedereinstellungsanspruch analog anwenden, wobei sich wie auch bei der Kündigungsentscheidung die Frage stellt, ob betriebliche Interessen ausschließlich im Rahmen von § 1 III 2 KSchG zu berücksichtigen sind, was die h.M.816 folgerichtig bejaht. Die Gegenauffassung817 will die Sozialauswahl nach 813 814 815 816 817 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757; Senne, AuA 1992, 301, 303; Otto FS Kraft (1998), 451, 466; Oetker, ZIP 2000, 643, 651; Kukat, BB 2001, 576, 577. Oetker, ZIP 2000, 643, 651. Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2241 f; Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757; Zwanziger, BB 1997, 42, 43; Nägele, BB 1998, 1686, 1688; Hergenröder, Anm. zu BAG (2 AZR 140/97), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 3; Manske, FA 1998, 143, 147; Boewer, NZA 1999, 1177, 1179; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 579; Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 107 f; Günzel, DB 2000, 1227, 1229; KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 569; ErfK – Preis, § 613a BGB Rn 111; HK KSchG – Weller/Dorndorf, § 1 Rn 947; Kittner/Däubler/Zwanziger - Zwanziger, § 613a BGB Rn 129; Kiel/Koch, Rn 864. BAG (2 AZR 21/82), EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21; BAG (2 AZR 61/83), EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33; BAG (2 AZR 140/84), EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 35; Dudenbostel, DB 1984, 826, 828; Boewer, NZA 1999, 1177, 1179; KR – Becker, § 1 KSchG Rn 360 m.w.N. Buchner, DB 1984, 504, 508 f. - 319 § 1 III 1 KSchG durch Berücksichtigung weiterer betrieblicher Interessen relativieren, was allerdings auf eine Aushöhlung der anerkannten Sozialkriterien hinausläuft.818 Die analoge Anwendung von § 1 III KSchG führt insbesondere zur Berücksichtigung der Sozialkriterien Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten. Nur zwingende betriebliche Erfordernisse ließen eine von sozialen Gesichtspunkten abweichende Auswahl nach § 1 III 2 KSchG zu. Dies hätte den Vorteil, dass eigene Kriterien für die soziale Auswahl bei der Wiedereinstellung, wie sie bei einer Anwendung der §§ 242, 315 BGB notwendig wären, nicht entwickelt werden müssten.819 Da es dem Wiedereinstellungsanspruch darum geht, den kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz wieder aufleben zu lassen, drängt sich außerdem die Parallelität zur Sozialauswahl bei der Kündigungsentscheidung geradezu auf.820 Der Wiedereinstellungsanspruch steht zwar rechtskonstruktiv einer Neueinstellung näher als einer Kündigung, weil ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen wird. Da sich aber der Wiedereinstellungsanspruch zur Rechtspflicht des Arbeitgebers verdichtet hat, handelt es sich hinsichtlich der arbeitnehmerseitigen Erwartung auf tatsächliche Beschäftigung um eine der Kündigung vergleichbare Interessenlage.821 Preis822 will indes § 1 III KSchG 818 Buchner, NZA 1984, 504, 508 f, begründet diese Auffassung damit, § 1 III 1 KSchG setze nur voraus, dass soziale Gesichtspunkte „ausreichend berücksichtigt“ werden, was noch lange nicht impliziere, dass allein nach diesem Gesichtspunkt zu entscheiden sei. Es müsse verhindert werden, dass der Betrieb nach einem Personalabbau bezüglich Altersstruktur und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter hinter dem bisherigen Bild der Belegschaft zurückbleibt. Wollte man aber dem Vorschlag von Buchner entsprechend dem Arbeitgeber bei Massenkündigungen eine unbestimmte Befugnis zur Nichtberücksichtigung der Sozialkriterien einräumen, so bestünde im Gegenteil die Gefahr, dass sich der Arbeitgeber gerade vom leistungsschwächeren Teil der Belegschaft löst. Hinweise für einen praktikablen Mittelweg gibt Buchner nicht. 819 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 108. 820 Boewer, NZA 1999, 1177, 1179. 821 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 579. 822 Preis, Anm. zu LAG (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1. - 320 nur vor dem Ablauf der Kündigungsfrist analog anwenden und betont, bei derartig eng begrenzten Anspruchssituationen gehe es im Kern noch um Bestandsschutz und nicht schon um Wiedereinstellung. Nach Ablauf der Kündigungsfrist sei der Arbeitgeber hinsichtlich einer Neubegründung des Arbeitsverhältnisses freier. e) Kein freies Ermessen Schließlich wird Betriebsübergang noch sei die Auffassung jegliche Pflicht vertreten, zur nach unerwartetem Sozialauswahl bei der Wiedereinstellung abzulehnen, um den Erwerber nicht mit sämtlichen Risiken einer fehlerhaften Auswahl zu belasten und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit zu schaffen. Die Wiedereinstellung stehe im freien Ermessen des Arbeitgebers. Stelle der Arbeitgeber den „falschen“ Arbeitnehmer ein und klage der „richtige“ Arbeitnehmer auf Wiedereinstellung, so müsste ansonsten der Erwerber dem zu Unrecht abgelehnten Arbeitnehmer für den gesamten Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 615 BGB den Annahmeverzugslohn zahlen, weil es sich aufgrund der Ex-Tunc-Wirkung des Wiedereinstellungsanspruchs in diesen Fällen um eine nahtlose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses handele.823 Wie noch zu zeigen sein wird, muss eine ExTunc-Wirkung des Wiedereinstellungsanspruchs jedoch ausscheiden. Würde man die Wiedereinstellung beliebiger Arbeitnehmer zulassen, so wäre zudem der vom KSchG intendierte Bestandsschutz gerade für die sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmer für die Wiedereinstellungsfrage qualitativ in sein Gegenteil verkehrt. Der Wiedereinstellungsanspruch wäre ein Anspruch der sozial stärksten, womit dem Arbeitgeber erlaubt wäre, was schon der 2. Senat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 27.02.1997 verhindert wissen wollte, 823 Raab, RdA 2000, 147, 162. - 321 nämlich im Ergebnis praktisch den sozialen Besitzstand des Arbeitnehmers zu „versilbern“.824 f) Vergleichsgruppe der Sozialauswahl Neben dem Maßstab der Sozialauswahl stellt sich auch die Frage nach der Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern, die in eine solche Auswahl einzubeziehen sind. Meinel/Bauer825 wollen hierzu einen Vergleich mit der Situation eines hypothetischen Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses heranziehen. Hätte der Arbeitgeber auf die Kündigung verzichtet, die Widerlegung der Prognose abgewartet und erkannt, dass unerwartet die Beschäftigungsmöglichkeit nicht für alle Arbeitnehmer, sondern nur für einen Teil entfällt, so wäre eine Sozialauswahl zur Kündigung der Arbeitnehmer erforderlich geworden, die demnach tatsächlich endgültig entbehrt werden können. Hierbei hätte nicht nur § 1 III KSchG direkt Anwendung gefunden, sondern die Sozialauswahl hätte sich auch auf die vergleichbare Gesamtbelegschaft gerichtet. Die durch den Wiedereinstellungsanspruch korrigierte Fehlprognose dürfe nun zu keinem anderen Ergebnis führen, deshalb sei nicht nur § 1 III KSchG entsprechend anzuwenden, sondern als Bezugspunkt der Prüfung sei auch auf die Gesamtbelegschaft abzustellen, nicht nur auf die gekündigten Arbeitnehmer. Nach der Gegenauffassung Sozialauswahl gehören in die die gekündigten ausschließlich Vergleichsgruppe Arbeitnehmer, für die deren Kündigungsgrund nachträglich entfallen ist826 und die dem Arbeitgeber gegenüber ihren Willen zur Wiedereinstellung bekundet haben827, weil sonst die 824 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. 825 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 579. 826 827 So i.E. auch Günzel, DB 2000, 1227, 1229, der als Argument aber lediglich anführt, die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers dürfe nicht ausgehöhlt werden. Tschöpe, BB 2000, 2630, 2636. - 322 allein in den Kündigungsschutzprozess gehörende Frage nach der richtigen Sozialauswahl bei der Kündigung im Wiedereinstellungsprozess erneut aufgegriffen würde.828 g) Stellungnahme (1) Sozialauswahl analog § 1 III KSchG Durch die Verwirklichung des Wiedereinstellungsanspruchs muss die personelle Situation wieder herstellbar sein, die sich auch ergeben hätte, wenn die weitere Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung bereits von Anfang an zutreffend prognostiziert und letztlich überflüssige Kündigungen vermieden worden wären. So ist z.B. eine (wegen Betriebsfortführung oder Betriebsübergangs) obsolet gewordene Absicht zur Betriebs(teil)stillegung nach Art einer „als-ob“Betrachtung völlig außer Acht zu lassen.829 Hierfür bedarf es der Anwendung von § 1 III KSchG analog als Maßstab für die Sozialauswahl. Damit kann zumindest idealtypisch eine personelle Ergebnisgleichheit erreicht werden, die es rechtfertigt, von einer „Korrektur“ der Prognose mit Hilfe des Wiedereinstellungsanspruchs zu sprechen. Da es hier letztlich um die Anspruchsinhaberschaft als solche und nicht bloß um die inhaltliche Ausgestaltung des Anspruchs geht, kann der Maßstab kein anderer sein als für die Kündigungsentscheidung. Anders könnte der Wiedereinstellungsanspruch seine Funktion als individualrechtliches Korrektiv der Prognosekündigung nicht erfüllen, da er einzelnen Arbeitnehmern entgegen den Wertungen des KSchG gänzlich vorenthalten bliebe.830 828 Boewer, NZA 1999, 1177, 1179. 829 So i.E. wohl auch Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 107. 830 Deshalb kann hiergegen auch nicht das Wesen des Wiedereinstellungsanspruchs als Anspruch auf nur begrenzte Aufhebung der Kündigungswirkungen eingewandt werden. Der Anspruch verwirklicht seine Funktion nämlich auf individualrechtlicher Ebene, weshalb sachgerechte Ergebnisse im Einzelfall erzielt werden müssen. Eine Abweichung von kündigungsschutzrechtlichen Regeln darf deshalb nicht zu einem Totalausschluss einzelner Arbeitnehmer von der Anspruchsinhaberschaft führen. - 323 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es anders als bei § 1 III KSchG in seiner direkten Anwendung nicht darum geht, wem gegenüber die einseitige rechtsgestaltende Kündigungserklärung abzugeben bzw. zu unterlassen ist, sondern mit welchem Arbeitnehmer ein Vertrag zu schließen ist, der nicht nur eine Willenserklärung des Arbeitgebers, sondern auch die des Arbeitnehmers voraussetzt. Daher kommen für die Auswahlentscheidung grundsätzlich ohnehin nur die Arbeitnehmer in Betracht, die dem Arbeitgeber gegenüber ihren Willen zur Wiedereinstellung bekundet haben831 oder dies mangels Kenntnis vom Wegfall des Kündigungsgrundes aus dem Einfluss- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers noch nicht tun konnten. Für eine Sozialauswahl außer Betracht bleibt, wer eine Wiedereinstellung erklärtermaßen nicht will. Die personelle Situation, die bestünde, wenn die weitere Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung bereits von Anfang an zutreffend prognostiziert und in weiser Voraussicht auf letztlich überflüssige Kündigungen verzichtet worden wäre, wird so also in aller Regel im Ergebnis nicht erreicht, sie muss jedoch bei idealtypischem Verlauf denkbar bleiben. (2) Regelmäßig keine Einbeziehung der Gesamtbelegschaft in die Sozialauswahl – Vergleich unter den für eine Wiedereinstellung in Betracht kommenden Arbeitnehmern Die Sozialauswahl kann sich schon aus sachlogischen Gründen ausschließlich auf die wirksam gekündigten Arbeitnehmer beziehen. Eine Einbeziehung auch der nicht gekündigten Arbeitnehmer würde zu einer Neuauflage des Kündigungsschutzprozesses führen und zu einer Austauschkündigung dort zwingen, wo gemäß § 7 KSchG auch eine stimmige Sozialauswahl unwiderlegbar vermutet wird. Findet sich nämlich unter den im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmern ein sozial weniger schutzwürdiger funktional austauschbarer Arbeitnehmer, so war bereits die Kündigung unwirksam. Eine fehlerhafte Sozialauswahl, die der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess 831 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1785. - 324 geltend zu machen versäumt hat, kann nicht über eine Wiedereinstellungsklage nochmals auf die Tagesordnung gesetzt werden.832 Eine Einbeziehung der Gesamtbelegschaft in die soziale Auswahl bei der Wiedereinstellung ist entgegen der Auffassung von Meinel/Bauer833 regelmäßig auch gar nicht erforderlich, um eine personelle Ergebnisgleichheit mit dem Fall einer späteren Kündigung aufgrund bestätigter Prognose noch erzielen zu können. Da die Gesamtbelegschaft bereits bei der sozialen Auswahl im Zeitpunkt der Kündigungsentscheidung berücksichtigt wird, impliziert die Wirksamkeit der Kündigung als Ausgangspunkt des Wiedereinstellungsanspruchs bereits, dass es sich bei den gekündigten Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Kündigung um die sozial weniger schutzbedürftigen unter den funktional austauschbaren Arbeitnehmern handelt. Folglich bedarf es auch nur noch einer Auswahl unter den gekündigten Arbeitnehmern, die für eine Wiedereinstellung in Frage kommen. (3) Ausnahmsweise Einbeziehung der Gesamtbelegschaft in die Sozialauswahl bei zunächst beabsichtigter Betriebsstillegung mit der Konsequenz einer fehlenden Sozialauswahl im Kündigungszeitpunkt Insoweit anders zu beurteilen ist aber der Wiedereinstellungsanspruch nach einer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung und anschließendem unerwarteten Betriebsübergang. Da allen Arbeitnehmern der betrieblichen Einheit gekündigt wird, erübrigt sich insoweit eine Sozialauswahl bei der Kündigung. Vielmehr findet Wiedereinstellungsentscheidung erstmals statt, eine wenn die Einstellung aller vormals Beschäftigten ausreichen. 832 Boewer, NZA 1999, 1177, 1179. 833 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 579. Sozialauswahl bei der Arbeitsplätze nicht zur - 325 Da sich die Reihenfolge der Kündigungen nach der Länge der Kündigungsfristen bestimmt, wird gerade den sozial schwächeren Arbeitnehmern, die regelmäßig über eine längere Kündigungsfrist verfügen, zuerst gekündigt. Demgemäß könnte man für die Wiedereinstellung eine soziale Auswahl unter sämtlichen Arbeitnehmern für erforderlich halten. Sie würde auch diejenigen Arbeitnehmer mit einbeziehen, denen bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Betriebsübergang greifbare Formen annahm, noch nicht gekündigt war und folgerichtig auch nicht mehr wirksam gekündigt werden konnte. Dies sind gerade die sozial am wenigsten schutzbedürftigen Arbeitnehmer mit der kürzesten Kündigungsfrist. Deshalb lässt sich eine Einbeziehung der Gesamtbelegschaft in diesem Fall nicht vermeiden, was eine Freikündigung von besetzten Arbeitsplätzen (Austauschkündigung) erforderlich machen kann. Die Gesamtbelegschaft ist also dann Vergleichsgruppe für die Sozialauswahl, wenn die Kündigungsentscheidung von einer Sozialauswahl unabhängig war, weil der Arbeitgeber ein Stillegungskonzept verfolgte und daher die sukzessive Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer plante, jedoch die letzten Kündigungen nicht mehr erklären konnte, weil sich zuvor schon der Betriebsübergang (oder auch die Fortführbarkeit des Betriebes in eigener Regie) abzeichnete. (4) Gegenausnahme in den Fällen des Betriebsübergans durch willentliche Einstellung eines wesentlichen Teils der Belegschaft des Funktionsvorgängers Für den Sonderfall des Wiedereinstellungsanspruchs nach willentlicher Übernahme eines wesentlichen Teils der Belegschaft werden dagegen diejenigen Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl mit einbezogen, durch deren willentliche Einstellung der Funktionsnachfolger den Betriebsübergang überhaupt erst ausgelöst hat. Zwar erfordert auch hier die Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung keine Sozialauswahl, weshalb auf den ersten Blick die Interessenlage die gleiche zu sein scheint wie beim klassischen Betriebsübergang. Jedoch folgt hier ein anderes Ergebnis aus der Überlegung, - 326 dass mit der Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft privatautonom Arbeitsverhältnisse begründet wurden. Die dabei betätigte Vertragsabschlussfreiheit darf nicht nachträglich dadurch entwertet werden, dass für die Wiedereinstellung auch die Arbeitsverhältnisse in die Sozialauswahl mit einbezogen werden, die den Betriebsübergang erst ausgelöst haben.834 Der Arbeitgeber würde sonst seine Vertragsabschlussfreiheit gleich in zweifacher Weise bereuen müssen. Zum einen durch die Auslösung des Betriebsübergangs mittels Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals und danach ein weiteres Mal durch den Zwang zur Kündigung übernommener weniger schutzwürdiger Arbeitnehmer. Dies erscheint nicht sachgerecht, nachdem als Konsequenz des Betriebsübergangs bereits der Zwang entstanden ist, die bisherigen Arbeitsbedingungen auch für die übernommenen Arbeitnehmer wieder einzuführen.835 Bei Einbeziehung der Gesamtbelegschaft würde man schlimmer noch einer Konfusion das Wort reden, wenn der Wiedereinstellungsanspruch in der Rechtsfolge seinen eigenen Tatbestand beseitigen würde, weil ausgerechnet denjenigen Arbeitnehmern im Wege der Austauschkündigung wieder gekündigt werden müsste, durch deren freiwillige Einstellung der Betriebsübergang erst ausgelöst worden war. (5) Sozialauswahl ohne Rücksicht auf unterschiedliche Entgeltansprüche oder Sozialanwartschaften Einer Einbeziehung funktional austauschbarer Arbeitnehmer stehen auch nicht etwa unterschiedliche Entgeltansprüche oder Sozialanwartschaften entgegen. Insbesondere eine erhebliche Gehaltsdifferenz zwischen den Arbeitsplatzinhabern vor der Kündigung steht einer Wiedereinstellung des schutzwürdigeren besser bezahlten Arbeitnehmers auf dem anderen (unerwartet erhalten gebliebenen oder neu entstandenen) Arbeitsplatz nicht entgegen. Eine solche Gehaltsdifferenz wird nämlich oft gerade auf dem höheren Lebensalter 834 835 Raab, RdA 2000, 147, 164. Vgl. oben unter F.II.3.b)(6) „Kritische Würdigung des Betriebsübergangs in den Fällen der Funktionsnachfolge“ auf Seite 229. - 327 und der damit meist einhergehenden größeren Berufserfahrung, also auf dem sozialen Gesichtspunkt als solchem beruhen. An der funktionalen Austauschbarkeit der Arbeitnehmer und der Zumutbarkeit der Wiedereinstellung des schutzwürdigeren von ihnen ändert ein höherer Gehaltsanspruch nichts.836 Der Arbeitgeber hat also bei der Wiedereinstellung soziale Gesichtspunkte nach Maßgabe des § 1 III KSchG analog zu berücksichtigen und dabei regelmäßig nur die für eine Wiedereinstellung in Betracht kommenden gekündigten Arbeitnehmer, im Ausnahmefall aber die Gesamtbelegschaft, in die Sozialauswahl mit einzubeziehen. h) Darlegungs- und Beweislast Im Wiedereinstellungsrechtsstreit trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein wieder eingestellter Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten vor dem Kläger vorrangig zu berücksichtigen war.837 3. Fehlerhafte Disposition Austauschkündigungsbefugnis und a) Konsequenzen fehlerhafter Dispositionen Eine Austauschkündigung wird erforderlich, wenn eine arbeitgeberseitige Disposition über den Arbeitsplatz als nicht schutzwürdig gelten muss, gleich, ob ein externer Arbeitnehmer bösgläubig eingestellt oder ein zuvor gekündigter Arbeitnehmer unter Verletzung von § 1 III KSchG analog wieder eingestellt wird.838 Der Arbeitgeber kann den fehlerhaft besetzten Arbeitsplatz betriebsbedingt freikündigen und unter den ihre Wiedereinstellung wegen 836 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1781 f. 837 LAG Bremen (4 Sa 114/97 + 117/97), DB 1998, 1338, 1338 f. 838 Ähnlich Preis Prinzipien, S. 356; Kiel/Koch, Rn 868. - 328 vorrangiger sozialer Schutzbedürftigkeit verlangenden funktional austauschbaren Arbeitnehmern den sozial schutzwürdigsten wieder einstellen. Solange der Arbeitgeber nach bösgläubiger Einstellung eines externen Arbeitnehmers sich zur eigentlich gebotenen Wiedereinstellung nicht bereit erklärt hat, kann sich jeder für diesen Arbeitsplatz geeignete Arbeitnehmer, der dem Grunde nach einen Anspruch auf Wiedereinstellung hat, darauf berufen. Solange der Arbeitgeber nach freiwilliger Wiedereinstellung seine fehlerhafte Sozialauswahl nicht korrigiert hat, kann sich jeder Arbeitnehmer auf einen Wiedereinstellungsanspruch berufen, der sozial schutzwürdiger ist als einer der wieder eingestellten Arbeitnehmer, für dessen Arbeitsplatz er ebenfalls funktional in Betracht kommt. Verlangen mehrere Arbeitnehmer die Wiedereinstellung auf einen fehlbesetzten Arbeitsplatz, so verlieren die übrigen Arbeitnehmer ihren Anspruch, sobald der Arbeitgeber unter Beachtung der Sozialauswahl die ihn treffenden Wiedereinstellungsgebote erfüllt hat. Die Ansprüche sind insoweit von vornherein auflösend bedingt durch die Korrektur der fehlerhaften Sozialauswahl (arg. e § 158 II BGB). Der Arbeitgeber ist dabei zur Austauschkündigung berechtigt, aber nicht verpflichtet. Er kann eine fehlerhafte Einstellung bzw. Wiedereinstellung auch korrigieren, indem er demjenigen Arbeitnehmer eine zusätzliche Einstellung ermöglicht, der eigentlich hätte wieder eingestellt werden müssen. b) Recht zur Austauschkündigung Hingegen wird die Austauschkündigung z.T. als für den Arbeitgeber unzumutbares Risiko angesehen, das es deshalb als Konsequenz eines Wiedereinstellungsanspruchs zu vermeiden gelte.839 Die Notwendigkeit einer Austauschkündigung ist in diesen Fällen indes unvermeidbar. Sie ist die logische 839 Bartel, SAE 1998, 318, 318. - 329 Folge des nur eingeschränkten Dispositionsschutzes. So hat auch der 2. Senat in seiner Entscheidung vom 21.09.2000840 unter anderen Vorzeichen die Gefahr einer möglichen Belastung des Arbeitgebers mit einem zweiten Arbeitsverhältnis auf einem Arbeitsplatz nicht für generell untragbar gehalten und ausgeführt, gegen die Gefahr, im Kündigungsschutzprozess zu unterliegen und dann u.U. neben dem bisherigen Stelleninhaber auch die Ersatzkraft beschäftigen zu müssen, hätte sich der Arbeitgeber in geeigneter Weise (z.B. durch befristeten Arbeitsvertrag mit der Ersatzkraft) absichern müssen. Der gleiche Senat betont allerdings in seiner Entscheidung vom 18.10.2000841 wiederum in anderem Zusammenhang, dass mit § 1 II 2 Nr. 1 b) KSchG die Möglichkeit einer Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz vorausgesetzt werde, dieser also unbesetzt sein müsse, während andererseits eine Austauschkündigung mit dem Ziel der Übernahme eines Betriebsratsmitglieds nach Teilstillegung in eine andere Betriebsabteilung desselben Unternehmens zur Wahrung von Mandat und demokratischer Legitimation des Betriebsrats zulässig sein soll, um dem Schutzzweck des § 15 V KSchG zu entsprechen. Die Lit. äußert sich z.T. ablehnend gegenüber einer Freikündigungspflicht sowohl im Bereich des § 1 KSchG als auch im Sonderfall des § 15 KSchG. Das Merkmal „freier Arbeitsplatz“ erscheine in beiden Fällen nicht im Gesetz, weil es selbstverständlich sei. Es sei nicht die Aufgabe der Gerichte, im Wege der Rechtsfortbildung eine Freikündigungspflicht zu entwickeln.842 Damit ist die Frage nach einer Austauschkündigung zur Verwirklichung der Wiedereinstellungspflicht jedoch noch nicht vorgeprägt. Richtig ist, dass die Vorschrift des § 1 II 2 Nr. 1 b) KSchG, nämlich die Pflicht zur Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz im Wege der Versetzung 840 BAG (2 AZR 440/99), NZA 2001, 255, 258 f. 841 BAG (2 AZR 494/99), SAE 2002, 1, 3. 842 Wank, SAE 2002, 7, 8 f. - 330 als milderes Mittel gegenüber der Kündigung, einen freien Arbeitsplatz voraussetzt. Insoweit muss auch eine Freikündigung ausscheiden. Ist ein solcher freier Arbeitsplatz aber nicht vorhanden, stellt sich das Problem der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG nach zutreffender h.M.843 unter allen funktional austauschbaren Arbeitnehmern, gleich, ob sie von der Unternehmerentscheidung unmittelbar betroffen sind, also beispielsweise in der stillzulegenden Betriebsabteilung gearbeitet haben, oder nicht. In die Sozialauswahl mit einbezogen werden also auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz von der Unternehmerentscheidung nicht betroffen wird, die beispielsweise in einer anderen Betriebsabteilung arbeiten, deren Arbeitsplatz aber im Wege der Umsetzung auch von einem geeigneten Arbeitnehmer aus der stillzulegenden Betriebsabteilung besetzt werden könnte. Die Gegenansicht844 nimmt zu Unrecht einen teleologischen Zusammenhang mit der Konsequenz an, dass sich die Sozialauswahl auf diejenigen Arbeitnehmer beschränkt, deren verrichtete Tätigkeit Gegenstand der unternehmerischen Entscheidung ist. Damit werden die kündigungsschutzrechtlichen Konsequenzen des arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgabengebietes und das Direktionsrecht des Arbeitgebers vernachlässigt und die Sozialauswahl unangemessen eingeschränkt. § 1 III 2 KSchG nimmt Rücksicht auf berechtigte betriebliche Bedürfnisse. Wo solche nicht vorhanden sind, besteht auch kein durchgreifendes Argument für eine weitere Einschränkung der Sozialauswahl. Die Freikündigung von Arbeitsplätzen ist also ein Normalfall des Kündigungsschutzrechts, wenn beispielsweise im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 III KSchG einem sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer aus einer anderen Betriebsabteilung gekündigt wird, damit ein schutzwürdigerer Arbeitnehmer aus der stillzulegenden Abteilung dorthin umgesetzt werden kann. Diese Grundwertung bleibt Wiedereinstellungsanspruchs Entstehung des auch erhalten, wenn auf der Wiedereinstellungsanspruchs der Ebene Arbeitgeber nach bösgläubig 843 KR- Etzel, § 1 KSchG Rn 631 m.w.N.; MünchArbR II – Berkowsky, § 139 Rn 33 ff. 844 Wank, SAE 2002, 7, 10. des der über - 331 Beschäftigungsmöglichkeiten anderweitig disponiert oder die Kriterien der Sozialauswahl bei der Wiedereinstellung nicht berücksichtigt. Die Austauschkündigungsbefugnis beruht auf einem betriebsbedingten Kündigungsgrund, da der Arbeitgeber einem Kontrahierungszwang ausgesetzt ist. Dieser schafft ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung, weil die Weiterbeschäftigung des fehlerhaft neu eingestellten Arbeitnehmers, für den sich eine Beschäftigungsmöglichkeit in Zukunft nicht mehr finden lässt, nach den Wertungen des KSchG nicht hingenommen werden braucht. Durch die (bevorstehende) Realisierung der den Arbeitgeber treffenden Einstellungspflicht entfällt also die Beschäftigungsmöglichkeit für den fehlerhaft eingestellten Arbeitnehmer. Die erforderliche Austauschkündigung ist eine Kündigung wie jede andere und unterliegt daher auch dem Mitbestimmungsrecht nach § 102 BetrVG. Die mit der gegebenenfalls bestehenden Notwendigkeit einer Austauschkündigung einhergehende Gefahr einer zeitweisen „personellen Überforderung“ des Arbeitgebers ist ein unternehmerisches Alltagsrisiko, nicht anders als die Gefahr, den allgemeinen oder den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 V BetrVG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits erfüllen zu müssen.845 Nach der Logik der Wiedereinstellungspflicht unter gleichzeitiger Gewährung einer Austauschkündigungsbefugnis ausgeschlossen ist es dagegen, dem Arbeitgeber zu erlauben, dem wieder eingestellten Arbeitnehmer sogleich wieder zu kündigen, weil keine Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Das Recht, gegebenenfalls eine betriebsbedingte Kündigung gegenüber dem wieder eingestellten Arbeitnehmer auszusprechen, erwirbt der Arbeitgeber erst wieder, wenn er zuvor einen auf Dauer angelegten Arbeitsplatz für diesen Arbeitnehmer geschaffen hat, sei es durch eine Austauschkündigung oder durch Neueinrichtung eines weiteren Arbeitsplatzes. Entfällt dieser wiederum, 845 Vgl. oben unter G.I.1.d) „Genereller Vorrang arbeitgeberseitiger Dispositionen oder Pflicht zur Freikündigung bei mangelnder Schutzwürdigkeit“ auf Seite 301. - 332 bestehen gegen eine betriebsbedingte Kündigung des wieder Eingestellten keine Bedenken. c) Rechte des von der Austauschkündigung betroffenen Arbeitnehmers Unzutreffend ist der Einwand, das Geschehen dürfe sich nicht unmittelbar zulasten eines Dritten, nämlich des neu eingestellten und wieder zu kündigenden Arbeitnehmers, auswirken.846 Für den Dritten handelt es sich um ein aus der Arbeitgebersphäre stammendes Risiko, dass sich meist ohnehin auf die Probezeit beschränken wird und daher bei fehlendem Kündigungsschutz nicht erheblich ins Gewicht fällt. Gegen eine Kündigungsberechtigung spricht auch nicht etwa, dass der Arbeitgeber die nicht schutzwürdige Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verantworten hat, weil sie seinem Risikobereich angehört. Für derartige Überlegungen bietet das KSchG keine Grundlage, denn maßgeblich ist die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit; dass eine solche entfällt, wird im Falle eines anderweitigen Kontrahierungszwangs nicht zu bestreiten sein. Statt dessen wird man den Arbeitgeber nach nicht schutzwürdiger Disposition und Austauschkündigung für verpflichtet halten müssen, dem neu eingestellten Arbeitnehmer wegen Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht aus den §§ 241 II, 311 II Nr. 1, 280 I, 249 BGB das negative Interesse847 zu ersetzen, weil der bösgläubige Arbeitgeber nicht darauf hatte vertrauen dürfen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des zuvor gekündigten Arbeitnehmers Bestand haben würde. Die erforderliche Pflichtverletzung besteht in der unterbliebenen Aufklärung des Bewerbers über das Risiko einer späteren betriebsbedingten Kündigung, falls ein für den Arbeitsplatz in Frage kommender Arbeitnehmer später seine Wiedereinstellung verlangt. Der Ersatzanspruch für 846 847 So Belling, RdA 1996, 223, 238. Löwisch, NZA 2001, 465, 467; Begründung des Regierungsentwurfs zu § 280 I (BT-Drucks. 14/6040). - 333 den hierdurch adäquat-kausal verursachten Schaden deckt dann die Konsequenzen aus der Eingehung des Arbeitsverhältnisses ab. So kann beispielsweise der Schaden erfasst werden, der dem gekündigten Arbeitnehmer dadurch entsteht, dass er ein bestehendes Arbeitsverhältnis gekündigt oder ein anderes Vertragsangebot ausgeschlagen hat.848 Kein Schadensersatzanspruch entsteht dann, wenn der neu eingestellte Arbeitnehmer bei Vertragsschluss die tatsächlichen Umstände gekannt hat, aus denen sich das Risiko einer betriebsbedingten Austauschkündigung ergibt, also über den Umstand des entfallenen Kündigungsgrundes des vormaligen Arbeitsplatzinhabers aufgeklärt wurde. 4. Mitbestimmung nach § 99 I BetrVG? Umstritten ist, ob eine Wiedereinstellung als „Einstellung“ der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 I 1 Alt. 1 BetrVG unterliegt. Das BAG hat sich zu dieser Frage noch nicht geäußert. Zum Teil wird angenommen, ein Anwendungsfall des § 99 I BetrVG sei vom Schutzzweck her nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung realisiert und damit lediglich ein rechtliches Gebot erfüllt.849 Die ein Mitbestimmungsrecht bejahende Lit.850 geht dagegen davon aus, dass der Arbeitnehmer in Vollzug des Wiedereinstellungsanspruchs neu in den Betrieb eingegliedert und damit der mitbestimmungspflichtige Tatbestand der Einstellung verwirklicht werde. 848 849 850 Ähnlich Raab, RdA 2000, 147, 156 f. Herschel, BlStSozArbR 1977, 113, 116; Hambitzer, Diss., S. 145 f; Kleinebrink, FA 1999, 138, 140; Kukat, BB 2001, 576, 577. Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 758; Nägele, BB 1998, 1686, 1689; Furier, AiB 1999, 246, 249. - 334 Ziemann851 will für den Anwendungsbereich des § 99 BetrVG differenzieren: Handele es sich um die Verwirklichung des Wiedereinstellungsanspruchs im engeren Sinne, also die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, soll der Anwendungsbereich des § 99 I BetrVG eröffnet sein. Wenn dagegen der sog. Fortsetzungsanspruch verwirklicht werde, worunter Ziemann den Anspruch auf ununterbrochene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch vertragliche Aufhebung der Kündigungsfolgen versteht, so bestehe keine Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung des Verfahrens nach § 99 BetrVG. Eine Einstellung i.S.v. § 99 I BetrVG liegt vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen.852 Nun kann man annehmen, die Situation einer (erneuten) „Eingliederung“ in den Betrieb könne zumindest dann von vornherein nicht entstehen, wenn der Arbeitnehmer den Betrieb nicht verlassen hat, weil der Kündigungsgrund noch während des Laufs der Kündigungsfrist entfallen ist und sich der Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung - u.U. bis zur Klärung eines Wiedereinstellungsanspruchs – bereit erklärt hat.853 Die Gegenauffassung854 führt an, der Betriebsrat sei ja auch bei der Fortsetzung eines befristeten Arbeitsverhältnisses über den Beendigungstermin und bei einer Weiterbeschäftigung über die vertraglich vereinbarte Altersgrenze hinaus zu beteiligen, da der Arbeitgeber hier eine neue Entscheidung über die 851 852 Ziemann, MDR 1999, 716, 720. BAG (1 ABR 9/94), DB 1995, 382, 382; BAG (1 ABR 74/96), NZA 1997, 1297, 1297; BAG (1 ABR 63/97), NZA 1998, 1352, 1353 f. 853 Boudon, BAG (7 AZR 557/96), EWiR 1998, 323, 324. 854 Kaiser, ZfA 2000, 205, 234 (dort auch FN 117). - 335 Besetzung des treffe855. Arbeitsplatzes Dann könne aber für den Wiedereinstellungsanspruch ein Mitbestimmungsrecht erst recht nicht verneint werden. Ob der Arbeitnehmer zwischenzeitlich den Betrieb verlassen hatte oder nicht, wäre indes belanglos, wenn ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 I BetrVG schon aus anderen Gründen prinzipiell zu verneinen wäre. Der im Falle des Wiedereinstellungsanspruchs einem Kontrahierungszwang unterliegende Arbeitgeber kann der tatsächlichen Eingliederung eines Arbeitnehmers praktisch nicht ausweichen.856 Dies gilt einmal mehr im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung gemäß § 894 ZPO. In den Fällen, Neubesetzung in denen ein Arbeitsplatz wegen nicht schutzwürdiger erst freigekündigt werden muss, droht außerdem eine Zustimmungsverweigerung aufgrund von § 99 II Nr. 3 BetrVG, weil „die Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden“. Der hierauf folgende Konflikt vor dem Arbeitsgericht (§ 99 IV BetrVG) ist überflüssig, wenn sich das ArbG (wie meist) bereits mit der Frage nach dem Bestehen eines Wiedereinstellungsanspruchs zu beschäftigen hatte. Probleme können darüber hinaus z.B. auch in Fällen der Verdachtskündigung auftauchen. Dass der Arbeitnehmer von dem Verdacht gereinigt ist, mag Auffassung des Arbeitsgerichts und gegebenenfalls auch des Strafgerichts sein. Die sich an den Betriebsrat wendende Belegschaft sieht das aber möglicherweise anders. Geht es um vermeintliche oder wechselseitige Tätlichkeiten 855 856 oder Beleidigungen, so könnte sich der Betriebsrat als Richardi BetrVG, § 99 Rn 34 f; FKHE BetrVG § 99 Rn 36 f; DKK BetrVG – Kittner, § 99 Rn 45; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG - Schlochauer, § 99 Rn 23; Stege/Weinspach BetrVG, § 99-101 Rn 19 ff. Oetker, ZIP 2000, 643, 652. - 336 Interessenvertretung der De-facto-Belegschaft auf § 99 II Nr. 6 BetrVG berufen und damit den (beigelegten) Konflikt erneut auf die Tagesordnung setzen. Von diesen praktischen Problemen abgesehen ist zu bedenken, dass der Wiedereinstellungsanspruch seiner Schutzrichtung nach darauf abzielt, den kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz wiederaufleben zu lassen, womit ein der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, bei dem die tatsächliche Beschäftigung im Betrieb lediglich unterbrochen worden ist.857 Trifft den Arbeitgeber ein Kontrahierungszwang, so fehlt es zudem an dem von § 99 I BetrVG teleologisch vorausgesetzten Entscheidungsspielraum. Vergleichbar ist die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung von Jugend- und Auszubildendenvertretern nach § 78a BetrVG, für die ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht zu verneinen ist.858 Entsprechendes ist auch für die vom Arbeitnehmer erzwungene Weiterbeschäftigung während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses anerkannt.859 Eine mitbestimmungspflichtige „Einstellung“ i.S.v. § 99 I BetrVG ist daher zu verneinen, wenn ein Gesetz die Entstehung oder Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses vorschreibt.860 Zu Recht überwiegen daher die eine Mitbestimmung verneinenden Stimmen.861 Das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG kann auch aus seinem Zweckzusammenhang heraus in den Fällen des Wiedereinstellungsanspruchs 857 Boewer, NZA 1999, 1177, 1182. 858 FKHE BetrVG, § 99 Rn 43; Boewer, NZA 1999, 1177, 1182. 859 FKHE BetrVG, § 99 Rn 39; Richardi BetrVG, § 99 Rn 42. 860 Oetker, ZIP 2000, 643, 652. 861 Herschel, BlStSozArbR 1977, 113, 116; Langer, NZA 1991, Beil. 3, 23, 29; Boewer, NZA 1999, 1177, 1182; Oetker, ZIP 2000, 643, 652; Hambitzer Diss., S. 145 f; Richardi BetrVG, § 99 Rn 42; MünchArbR III – Matthes, § 344 Rn 21; GK-BetrVG – Kraft, § 99 Rn 20, 31; FKHE BetrVG, § 99 Rn 38; DKK BetrVG – Kittner, § 99 Rn 47. - 337 nicht anerkannt werden. Dort, wo der Arbeitgeber nichts zu bestimmen hat, hat auch der Betriebsrat nichts mitzubestimmen.862 5. Wiedereinstellung trotz Abwicklungsvertrag Abkehrvereinbarung / Abfindungsvergleich / a) Bedeutung für den Wiedereinstellungsanspruch Die Problematik um den Wiedereinstellungsanspruch verschärft sich, wenn der Arbeitnehmer sich nach Ausspruch der Kündigung auf vertraglicher Ebene mit dem Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und seine Abwicklung einigt. Im Unterschied zum Aufhebungsvertrag kann hier die Grundkonstellation des Wiedereinstellungsanspruchs vorliegen, wenn nach wirksamer Kündigung der Kündigungsgrund entfällt. Wenn aber schon die wirksame Kündigung der Wiedereinstellung nicht im Wege steht, dann könnte in diesen Fällen jedenfalls die vertragliche Einigung einen späteren Wiedereinstellungsanspruch ausschließen. Der Abwicklungsvertrag dient der Abwicklung des gekündigten Arbeitsverhältnisses.863 Er enthält regelmäßig eine Klageverzichtserklärung Der Begriff gegen einen entsprechenden Abfindungsanspruch.864 „Abkehrvereinbarung“ bezeichnet ebenfalls Verträge, durch die nach erfolgter Arbeitgeberkündigung noch während des Laufs der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis (regelmäßig gegen Zahlung einer Abfindung) einverständlich mit sofortiger Beendigungswirkung aufgehoben wird. 862 GK-BetrVG – Kraft, § 99 Rn 31; FKHE BetrVG, § 99 Rn 38; vgl. DKK BetrVG – Kittner, § 99 Rn 47. 863 Schiefer, DB 2000, 669, 669. 864 ArbG Düsseldorf (7 Ca 4497/99), DB 2000, 2022, 2022. - 338 Ein „Abfindungsvergleich“ schließlich dient der Beilegung des Streits über die Wirksamkeit einer Kündigung und führt als Prozessvergleich zur vergleichsweisen Erledigung des Kündigungsrechtsstreits. Sinnvollerweise bietet sich der Begriff „Abwicklungsvertrag“ als zusammenfassende Bezeichnung für sämtliche Verträge an, die nach einer Arbeitgeberkündigung eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen und damit die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung beheben, gleich ob dies unmittelbar im Anschluss an eine arbeitgeberseitige Kündigung oder erst später vergleichsweise im Kündigungsrechtsstreit geschieht.865 Voraussetzung ist aber stets, dass entweder die Klageerhebungsfrist des § 4 KSchG zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abgelaufen oder aber die Kündigungsschutzklage erhoben worden ist. Nur dann handelt es sich um eine in bezug auf das Arbeitsverhältnis und den Kündigungsschutz relevante Verzichtsleistung des Arbeitnehmers, die die Frage aufwirft, ob trotzdem noch eine Wiedereinstellung in Betracht kommt. Regelmäßig nur unter dieser Voraussetzung verfügt der Arbeitnehmer auch über eine Verhandlungsposition, die es ihm ermöglicht, die Zahlung einer Abfindung zu erreichen, indem die Meinungsverschiedenheit über die Wirksamkeit der Kündigung beigelegt wird. Kein Abwicklungsvertrag liegt vor, wenn der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber eine Vorfeldabsprache getroffen hat. Werden bereits vor Ausspruch der Kündigung die näheren Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich abgesprochen, so erreichen die Parteien in Wahrheit eine Vertragsbeendigung durch Aufhebungsvertrag. Die dann ausgesprochene Kündigung ist materiellrechtlich unwirksam, weil sie der vertragsförmigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachfolgt.866 865 Hümmerich, BB 1999, 1868, 1869. 866 Hümmerich, BB 1999, 1868, 1868. - 339 - b) Verzichtswirkung des wirksamen Abwicklungsvertrages Nun kann beim Abwicklungsvertrag ganz ähnlich argumentiert werden wie beim Aufhebungsvertrag, für den ja – wie erörtert867 – in aller Regel auch ein Wiedereinstellungsanspruch ausscheiden muss. So wird angenommen, durch den Abschluss eines Abwicklungsvertrages verzichte der Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Kündigungsschutz, auf den er sich fortan nicht mehr berufen könne. Diese Verzichtserklärung erfasse auch den Wiedereinstellungsanspruch, der in abgeschwächter Form den kündigungsrechtlichen Bestandesschutz wieder zur Geltung bringen soll. Nicht die arbeitgeberseitige Kündigung, sondern der vertragliche Verzicht auf den mit der Kündigung eigentlich verbundenen Kündigungsschutz überwinde hier den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses. Auch der besondere Kündigungsschutz bei Betriebsübergängen nach § 613a IV 1 BGB werde durch den Abschluss einer wirksamen Abkehrvereinbarung entwertet, weshalb ein Wiedereinstellungsanspruch auch hier grundsätzlich ausscheiden müsse.868 Im Unterschied zum Aufhebungsvertrag handelt es sich hier aber um Fälle, in denen das bestandsgeschützte Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber zunächst wirksam gekündigt wurde. Der Bestandsschutz wurde also durch arbeitgeberseitige Kündigung in Frage gestellt, bei Wirksamkeit der Kündigung sogar überwunden. Der arbeitnehmerseitige Verzicht auf den Kündigungsschutz wirkt nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung nicht so schwer, wie dies bei einem Aufhebungsvertrag der Fall ist, wo nicht nur auf den Kündigungsschutz, sondern auch auf das bestandsgeschützte Arbeitsverhältnis als solches verzichtet wird. Beim Aufhebungsvertrag ist dementsprechend regelmäßig davon auszugehen, dass die Vertragsparteien einen endgültigen Schlussstrich unter ihre vertragliche Beziehung setzen wollten. Daher kann der Wegfall der 867 868 Siehe oben unter D.III „Prognosekorrektur nach anderen Beendigungstatbeständen“ auf Seite 184. Boewer, NZA 1999, 1177, 1180. - 340 Geschäftsgrundlage für den Abwicklungsvertrag eher praktisch werden als für den Aufhebungsvertrag. Gelingt es, über den Wegfall der Geschäftsgrundlage den Abwicklungsvertrag zu beseitigen, so bleibt es bei der wirksamen Kündigung, weshalb dann ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht kommt. Dennoch gilt: Solange nicht der Abwicklungsvertrag suspendiert ist, steht der freiwillige Verzicht auf den Kündigungsschutz einer Wiedereinstellung entgegen. Durch die Abgabe einer Verzichtserklärung verlässt der Arbeitnehmer den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes nicht durch bloße Passivität (§ 7 KSchG), sondern durch ausdrückliche Erklärung. Ein späterer Wegfall des Kündigungsgrundes muss bei Wirksamkeit des Abwicklungsvertrages unberücksichtigt bleiben, wenn der Arbeitnehmer im Abwicklungsvertrag das Risiko der nicht vorhersehbaren weiteren Entwicklung einseitig übernommen hat.869 Der Arbeitnehmer bringt in diesem Fall einen umfassenden Verzicht auf den Kündigungsschutz und alle denkbaren Ansprüche in die Einigung mit ein, die damit im Zusammenhang stehen. Ein Wiedereinstellungsanspruch kann dann nicht zur Entstehung gelangen, obwohl eine bestandsschutzvernichtende Arbeitgeberkündigung als Grundvoraussetzung des Anspruchs vorliegt. Einem Abwicklungsvertrag kann oft schon durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) ein solcher Verzicht auf einen möglichen Wiedereinstellungsanspruch entnommen werden. Der Wortlaut kann wie folgt lauten: „Der Arbeitnehmer, (...), erhebt gegen die Kündigung vom ... , die er bereits erhalten hat, keine Einwendungen und verzichtet auch auf ein Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen; eine mit diesem Ziel erhobene Klage wird er nicht führen.“870 Hierdurch kommt hinreichend zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer einen endgültigen Schlussstrich unter die vertragliche Beziehung mit dem Arbeitgeber gezogen hat.871 Dies muss dann auch für einen möglichen 869 Sibben, DB 2000, 2023, 2024. 870 Vgl. ArbG Düsseldorf (7 Ca 4497/99), DB 2000, 2022, 2022 (dort FN 1). 871 Beckschulze, DB 1998, 417, 418. - 341 Anspruch auf Wiedereinstellung gelten, denn der Wiedereinstellungsanspruch ist ein Korrektiv der Kündigung, das letztlich auf die Aufhebung der Kündigungswirkung bzw. den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abzielt. Bei einem unklaren Wortlaut der Vereinbarung kann als Indiz auch die Höhe der vereinbarten Abfindung herangezogen werden. Ein solcher Verzicht ist schließlich auch rechtlich möglich, da es sich nicht um einen Verzicht auf ein zukünftiges „Recht“ handelt, sondern lediglich um einen Annex zur Kündigung.872 Ein Wiedereinstellungsanspruch kommt also im Anschluss an einen Abwicklungsvertrag nur in Betracht, wenn die Parteien mit der Möglichkeit eines späteren Wegfalls des Kündigungsgrundes nicht gerechnet hatten und diesen Fall folglich weder ausdrücklich noch implizit zum Vertragsgegenstand machen wollten. Dann muss aber zunächst die Wirksamkeit des Abwicklungsvertrages überwunden werden. Die Unwirksamkeit des Abwicklungsvertrages könnte insbesondere auf § 779 BGB oder einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 III BGB gestützt werden. c) Anwendung von § 779 BGB? Gemäß § 779 BGB ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Dabei muss der gemeinsame Irrtum das gegenwärtige Bestehen des Sachverhalts betreffen, nicht dagegen die zukünftige Entwicklung.873 Eine 872 873 ArbG Düsseldorf (7 Ca 4497/99), DB 2000, 2022, 2022 f. Palandt – Thomas, § 779 BGB Rn 15; Staudinger – MAuRger, § 779 Rn 65; Staudinger – Schmidt, § 242 Rn 1445. - 342 Unwirksamkeit des Vergleichs nach § 779 I BGB kommt daher nicht in Betracht, wenn die Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs alle Umstände bedacht haben, die zum damaligen Zeitpunkt vorlagen und sich eine Änderung dieser Umstände erst nach dem Abschluss des Vergleichs ergibt, wie dies bei der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose der Fall ist. Die Regelung des § 779 BGB hilft daher für das hier beschriebene Problem nicht weiter. d) Wegfall der Geschäftsgrundlage Der nach Abschluss eines Abwicklungsvertrages unerwartete Wegfall des Kündigungsgrundes durch Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose kann aber u.U. unter den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 III BGB subsumiert werden.874 Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung die bei Abschluss eines Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder vom künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut.875 Hieran soll sich auch unter der Geltung des § 313 BGB n.F. nichts ändern.876 (1) Auslegung des Abwicklungsvertrages Dass die Parteien des gekündigten Arbeitsverhältnisses die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung und mögliche Folgewirkungen im Vertragswege 874 875 876 Staudinger – Schmidt, § 242 Rn 1124, 1442, 1445; Kort, SAE 2001, 131, 137. BAG (2 AZR 269/92), AP Nr. 27 zu § 611 BGB Artzt-Krankenhaus-Vertrag m.w.N; BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1786. Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040). - 343 beilegen können, ist ein Gemeinplatz. Ob von einer solchen Vereinbarung aber ein möglicherweise zukünftig entstehender Anspruch auf Wiedereinstellung erfasst wird, oder ob die Parteien einen solchen Sonderfall gerade nicht bedacht haben und schon gar nicht regeln wollten, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Die Geschäftsgrundlage entfällt nicht, wenn sich ein Risiko verwirklicht, das zu übernehmen einer der Vertragspartner sich verpflichtet hat. (a) Risikozuweisung an den Arbeitnehmer Nach Auffassung des 7. Senats wird die Auslegung eines Abfindungsvergleichs, durch den die Parteien den Streit über die Wirksamkeit der Kündigung und deren das Arbeitsverhältnis beendigende Wirkung gerade beilegen wollen, häufig ergeben, dass ein Wiedereinstellungsanspruch nicht bestehen soll. Eine solche Vereinbarung, gleich ob sie implizit oder gar ausdrücklich getroffen wird, begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Könne der Arbeitnehmer mittels Aufhebungsvertrags sogar über seinen Kündigungsschutz disponieren und damit auch einer Wiedereinstellung die Grundlage entziehen, so spreche nichts dagegen, nach arbeitgeberseitiger Kündigung die entstandene Rechtsunsicherheit durch Vergleich endgültig beizulegen.877 Bei Abfindungsvergleichen in Kündigungsschutzprozessen könne jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, Geschäftsgrundlage sei die gemeinsame Vorstellung der Parteien, bis zu dem vereinbarten Ende des Arbeitsvertrages werde der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers entfallen sein und sich auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit ergeben. Vielmehr könne gerade auch diese Ungewissheit der künftigen Entwicklung bei dem Vergleich bereits Berücksichtigung gefunden haben.878 Es sei zu bedenken, dass der Vergleich gerade zu den Geschäften gehöre, die ihrem Typus nach die 877 878 Unwirksam wäre dagegen selbstverständlich eine Verzichtserklärung auf einen möglichen späteren Wiedereinstellungsanspruch bereits im Arbeitsvertrag, da dieser nicht anders zu beurteilen wäre als ein vorheriger Verzicht auf den Kündigungsschutz, so zutreffend Adam, MDR 2000, 1442, 1443. BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1786. - 344 Übernahme gewisser Risiken beinhalten sollen.879 Vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien einen angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich für den Verlust des mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Besitzstandes, so bringen sie nach Auffassung des 7. Senats damit regelmäßig zum Ausdruck, das Arbeitsverhältnis nicht im Anschluss an seine Beendigung zu unveränderten Bedingungen fortsetzen zu wollen. Jedenfalls gebiete in einem solchen Fall die Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers regelmäßig auch bei nachträglicher Änderung des bei Ausspruch der Kündigung zugrunde gelegten Sachverhalts nicht den Abschluss eines Fortsetzungsvertrages.880 Nicht anders sieht es das LAG Hamm. Wurde einem Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt und haben die Arbeitsvertragsparteien während des Laufs der Kündigungsfrist einen Abwicklungsvertrag geschlossen, der u. a. vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt endet und mit der Erfüllung des Abwicklungsvertrages alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis und aus dessen Beendigung ausgeglichen und abgegolten sind, so erfasse eine derartige Ausgleichsklausel auch einen Anspruch auf Wiedereinstellung und Weiterbeschäftigung. Ein derartiger Vertrag könne zwar wegen Störung der Geschäftsgrundlage anzupassen bzw. rückabzuwickeln sein. Davon sei aber regelmäßig nicht auszugehen, denn die Ausgleichsklausel erfasse ihrem Wortlaut nach auch den streitgegenständlichen Anspruch auf Wiedereinstellung und Weiterbeschäftigung. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung sei eben ein solcher zukünftiger Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.881 Würde man einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zulassen, so würde der Sinn solcher Vergleiche, einen 879 Staudinger – Schmidt, § 242 Rn 1124. 880 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1785. 881 LAG Hamm (19 Sa 658/99), BB 2000, 308, 308 f. - 345 endgültigen Schlussstrich unter die Unklarheiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu ziehen, ausgehebelt.882 Demnach soll eine Regelvermutung dafür sprechen, dass der Abfindungsvergleich eine implizite Risikozuweisung an den Arbeitnehmer für den Fall eines nachträglichen Wegfalls des Kündigungsgrundes enthält. Ein hieraus sich ansonsten ergebender Wiedereinstellungsanspruch wäre dann mit abgegolten. Dies gilt einmal mehr, wenn der Arbeitnehmer für den endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes eine angemessen hohe Abfindung erhält. (b) Risikozuweisung an den Arbeitgeber Anhand der gleichen Kriterien in eine andere Richtung argumentiert der 2. Senat in seiner Entscheidung vom 04.12.1997883. Die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von der Stillegung der Betriebsabteilung (Glockenmesserfertigung), auf denen ihr Geschäftswille aufbaute, hätten sich während des Laufs der Kündigungsfrist geändert. Während bei Ausspruch der Kündigung und noch bei Abschluss des Prozessvergleichs beide Parteien übereinstimmend von der Stillegung der entsprechenden Betriebsabteilung ausgingen, habe sich die Beklagte nach Abschluss des Vergleichs überraschend entschlossen, die Abteilung doch fortzuführen. Das Parteivorbringen enthalte auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Abänderung des Stillegungsbeschlusses durch die Beklagte zu dem vom Kläger mit dem Vergleichsabschluss übernommenen Risiko zählen sollte. Es seien zwar Fälle denkbar, in denen auch ein möglicherweise später entstehender Wiedereinstellungsanspruch durch einen Abfindungsvergleich mit abgegolten sei, etwa wenn bei einer Kündigung wegen Betriebsstillegung der Arbeitnehmer bei Vergleichsabschluss davon Kenntnis habe, dass nunmehr die Möglichkeit einer Betriebsübernahme besteht. Im vorliegenden Fall spreche jedoch nichts 882 883 Zwanziger, BB 1997, 42, 45. BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703 f. Vgl. hierzu die Zusammenfassung des Tatbestandes oben auf Seite 9. - 346 dafür, dass die Parteien beim Abschluss des Vergleichs, insbesondere bei der Berechnung der Abfindungshöhe, die Möglichkeit in Erwägung gezogen hätten, die Beklagte könnte ihren Stillegungsbeschluss abändern. Im Unterschied zu dem vom 7. Senat entschiedenen Fall machte die Abfindungshöhe nur gut 7 Monatsverdienste aus, die Grenze des § 10 I KSchG war deutlich unterschritten worden, weshalb es insofern naheliegender war, davon auszugehen, dass eine mögliche Wiedereinstellungsoption durch den Abfindungsvergleich nicht mit abgegolten sein sollte. Der 2. Senat ließ die Frage letztlich offen, weil sich im vorliegenden Fall jedenfalls eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nur für 5 von ehedem 11 Arbeitnehmern ergab und die diesbezügliche Auswahlentscheidung des Arbeitgebers selbst nach dem strengeren Maßstab des § 1 III KSchG nicht rechtsfehlerhaft war. Aus seinen Ausführungen wird jedoch deutlich, dass der 2. Senat hier von einer umgekehrten Regelvermutung ausgeht, wenn er annimmt, es spreche „nichts dafür, dass die Parteien beim Abschluss des Vergleichs, insbesondere bei der Berechnung der Abfindungshöhe die Möglichkeit in Erwägung gezogen hätten, die Beklagte könnte ihren Stillegungsbeschluss abändern.“ Auch die zustimmende Lit. betont, die Parteien eines Abfindungsvergleichs hätten ja die Möglichkeit, den vom Senat bestätigten Wiedereinstellungsanspruch zu verhindern. Dies habe der Senat auch angedeutet. Es müsse im Vergleich nur zum Ausdruck kommen, dass mit der Abfindung auch ein später möglicherweise Wiedereinstellungsanspruch abgegolten sein soll.884 884 Krasshöfer, EWiR 1998, 773, 774. entstehender - 347 (c) Einbeziehung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten in die Geschäftsgrundlage Laut Krasshöfer885 soll die Geschäftsgrundlage des Vergleichs nur der vom Arbeitgeber angegebene Kündigungsgrund sein, nicht aber eine unvorhersehbar entstehende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Da folglich die endgültige Aufgabe des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf andere Arbeitsplätze vereinbart wurde, komme bei Entstehen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, die sich insoweit als autark erweise, nicht in Betracht. Anders äußert sich der 7. Senat, der die Frage zugunsten einer Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall bewusst offen lässt: Es könne vorliegend dahinstehen, ob bei Abschluss des Vergleichs die den Geschäftswillen tragende gemeinsame Vorstellung beider Parteien dahin ging, es werde nicht nur beim Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes bleiben, sondern es werde sich darüber hinaus auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer mehr ergeben.886 Ob für den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur auf das unerwartete Erhaltenbleiben des vom Arbeitnehmer zuvor besetzten Arbeitsplatzes oder auch auf eine unerwartet Beschäftigungsmöglichkeit abzustellen sich ist, ergebende ist allein eine anderweitige Frage der Vertragsauslegung. Der 7. Senat stellt zutreffend auf den Parteiwillen ab. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob der Arbeitgeber überhaupt einen Kündigungsgrund angibt, wozu er nicht verpflichtet ist. Der Kündigung als solcher lässt sich immer auch die Behauptung des Fehlens einer zumutbaren anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit entnehmen. Gleiches wird dann im Regelfall auch für die Geschäftsgrundlage eines Abwicklungsvertrages angenommen werden können. Eine Beschränkung der Geschäftsgrundlage auf 885 Krasshöfer, EWiR 1998, 773, 774 f. 886 BGH (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1787. - 348 den Wegfall des vom Arbeitnehmer eingenommenen Arbeitsplatzes ist also möglich, wird aber nur zu bejahen sein, wenn sich der Abrede als solcher unter Berücksichtigung Arbeitsverhältnis der näheren endgültig Umstände ohne entnehmen Rücksicht lässt, auf dass das anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten beendet werden sollte, etwa weil der Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung nach Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz kein Interesse hat. Eine andere (vorliegend bejahte887) Frage ist dann, ob das Entstehen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit, wenn es den Abwicklungsvertrag zu Fall bringt, auch einen Wiedereinstellungsanspruch auslösen kann. (d) Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag und Abfindungshöhe Die Beseitigung des Vertrages kommt im Übrigen nur in Betracht, wenn der von den neuen Umständen nachteilig betroffenen Partei ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann (§ 313 III 1 Alt. 2 BGB). Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wird rechtlich nur dann erheblich, wenn und soweit das Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem „untragbaren mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde“.888 Bei einer sich nachträglich unvorhergesehen ergebenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit soll nach Auffassung des 7. Senats das Festhalten am Vertrag für den Arbeitnehmer keineswegs regelmäßig zu untragbaren Ergebnissen führen. Jedenfalls dann, wenn durch eine Abfindung ein als angemessen erscheinender Ausgleich geschaffen werde, sei häufig auch das Festhalten an dem Vergleich für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar. Für die Beurteilung der Angemessenheit des Ausgleichs soll die in § 10 I und II KSchG, § 113 I und II BetrVG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung herangezogen werden. Jedenfalls wenn die nach § 10 I und II KSchG 887 Siehe oben unter E „Reichweite der Wiedereinstellungspflicht“ auf Seite 201. 888 BGH (VII ZR 24/92), BGHZ 121, 378, 393; BGH (IX ZR 85/94), BGHZ 128, 230, 238. - 349 vorgesehenen Schwellenwerte überschritten werden, der Arbeitnehmer also eine Abfindung in Höhe von mehr als 12 bzw. mehr als 15 oder 18 Monatsverdiensten erhält, ist demnach davon auszugehen, dass es sich um einen angemessenen Ausgleich für den endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes handelt und folglich dem Arbeitnehmer durch den Vertrag das Risiko dafür zugewiesen werden soll, dass sich der Kündigungsgrund als nicht beständig erweist. (e) Keine wertende Gesamtabwägung – Stufenverhältnis zwischen den Voraussetzungen für eine Beseitigung des Abwicklungsvertrages und den Voraussetzungen des Wiedereinstellungsanspruchs Der 7. Senat will für die Beurteilung, ob eine Disposition schutzwürdig ist, die der Arbeitgeber vor dem Wiedereinstellungsverlangen des Arbeitnehmers vornimmt, auf eine wertende Gesamtabwägung abstellen und hat dabei in der Entscheidung vom 28.06.2000889 zulasten des Arbeitnehmers auch einen geschlossenen Abwicklungsvertrag herangezogen. Eine Disposition über den Arbeitsplatz soll trotz vorhandener Kenntnis des Arbeitgebers vom Wegfall des Kündigungsgrundes schutzwürdig sein, wenn der Arbeitnehmer durch einen Abwicklungsvertrag in Gestalt eines Prozessvergleichs für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine hohe Abfindung erhalten hat und deshalb davon auszugehen sei, dass der Vergleich das Risiko eines eventuellen Wegfalls des Kündigungsgrundes nach dem Willen der Parteien dem Arbeitnehmer zuweise und folglich ein Wegfall oder auch nur eine Störung der Geschäftsgrundlage ausscheiden müsse. Erhalte der Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine hohe Abfindung, so werde es meist auch nicht als treuwidrig erscheinen, wenn der Arbeitgeber im Hinblick hierauf die Information des 889 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1785 f. - 350 Arbeitnehmers über eine sich unvorhergesehen ergebende Beschäftigungsmöglichkeit unterlasse.890 Diese Auffassung des 7. Senats ist vereinzelt auf Zustimmung gestoßen.891 Konsequent wäre es dagegen gewesen, die Vereitelung der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit durch Wiedereinstellung einer sozial stärkeren Arbeitnehmerin als nicht schutzwürdig anzusehen, da eine anderweitige Disposition nach betriebsbedingter Kündigung sachlogisch stets voraussetzt, dass sich der Arbeitgeber über den Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes im klaren und in diesem Sinne bösgläubig ist, weshalb er nicht im guten Glauben an den Fortbestand des Kündigungsgrundes gehandelt haben kann.892 Die Vereitelung der zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeit muss folgerichtig Wiedereinstellungsanspruch außer Betracht anderweitigen für bleiben, den die Beschäftigungsmöglichkeit gilt als fortbestehend. Daher kommt es entscheidend auf die Auslegung des Abwicklungsvertrages und auf die Frage an, ob dieser einer Wiedereinstellung entgegensteht oder über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzupassen ist.893 Der 7. Senat kommt statt dessen zu dem Ergebnis, die anderweitige Disposition über den Arbeitsplatz sei nach Abwägung aller Abfindungsvergleichs, Umstände nicht des Einzelfalles, „treuwidrig“ insbesondere und stehe daher des einer Wiedereinstellung des Klägers entgegen. So wird nach dem Maßstab der „Treuwidrigkeit“ in einer wertenden Gesamtabwägung über die Wiedereinstellung nach Abwicklungsvertrag und bösgläubiger Wiederbesetzung des 890 BGH (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1787. 891 Oetker, ZIP 2000, 1787, 1789. 892 893 Siehe hierzu oben unter G.I.1.e)(2)(c) betriebsbedingter Kündigung“ auf Seite 308. zunächst erhalten „Schutzwürdigkeit Ähnlich kritisch auch Blomeyer EWiR 2000, 1067, 1068. von gebliebenen Dispositionen nach - 351 Arbeitsplatzes entschieden. Die Frage nach der Reichweite und Bestandskraft eines geschlossenen Abwicklungsvertrages ist aber sorgsam von der Frage nach der Schutzwürdigkeit einer zwischenzeitlichen Disposition zu trennen, da insoweit ein Stufenverhältnis besteht. Nur wenn die Geschäftsgrundlage für den Abwicklungsvertrag entfallen ist, die Möglichkeit eines Wiedereinstellungsanspruchs also wieder offen steht, stellt sich die Frage nach der Schutzwürdigkeit Abwicklungsvertrag anspruchshindernden einer nicht zwischenzeitlichen Disposition. rückabgewickelt ist, Verzicht dar. Erst die stellt Solange er Beseitigung ein einen des Abwicklungsvertrages lässt den Wiedereinstellungsanspruch entstehen, der seinerseits durch die Vornahme schutzwürdiger Dispositionen auflösend bedingt ist. (f) Vorrang einer Vertragsauslegung nach den Umständen des Einzelfalls anstelle einer Regelvermutung Bei der Vertragsauslegung sind Schematisierungen zu vermeiden. Weder der Rspr. des 2. noch der des 7. Senats ist trotz unterschiedlicher Perspektiven eine klare Regelvermutung zugunsten eines der beiden Vertragspartner zu entnehmen. Sie wäre auch verfehlt. Die jeweilige vertragliche Übereinkunft ist darauf zu überprüfen, wie weit das Zugeständnis reichen soll, das der Arbeitnehmer einer vertraglichen Regelung beisteuert, ob es sich also um eine endgültige oder lediglich situationsbezogene Vereinbarung handeln soll. Die Verzichtsleistung des Arbeitnehmers wird man im Zweifel um so großzügiger auslegen können, je wertvoller die Gegenleistung des Arbeitgebers ausfällt. Dass hierbei unter Berücksichtigung der Schwellenwerte aus § 10 KSchG auch die Höhe der dem Arbeitnehmer als Gegenleistung zugedachten Abfindung in den Blick genommen wird, ist daher nicht zu beanstanden. Dies kann aber letztlich nur ein Indiz sein neben weiteren. Eine höhere Abfindung kann eben nicht nur damit erklärt werden, dass der Arbeitnehmer im Gegenzug auf alle Folgewirkungen aus der Beendigung des Arbeitsvertrages einschließlich eines möglichen Wiedereinstellungsanspruchs verzichtet. Welchen Wert das Opfer hat, das der Arbeitnehmer einer vertraglichen Einigung beisteuert, hängt auch davon ab, ob und welche Angaben der Arbeitgeber zum Kündigungsgrund und zur weiteren betrieblichen Entwicklung macht. Schließlich spielen auch die weiteren Berufschancen des auf den Arbeitsmarkt verwiesenen Arbeitnehmers eine Rolle. Eine hohe Abfindung kommt ebenfalls in Betracht, wenn der vom - 352 Arbeitgeber dargelegte Kündigungsgrund wenig plausibel oder schwer beweisbar ist oder der Arbeitnehmer seine Stellung trotz hoher sozialer Schutzwürdigkeit aufgibt. Der Abwicklungsvertrag wird darüber nur unvollständig Auskunft geben. Das macht eine sorgfältige Einzelfallprüfung aller Begleitumstände erforderlich. (2) Beseitigung des Abwicklungsvertrags als Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage – Wiedereinstellungsanspruch nach allgemeinen Regeln Problematisch ist es indes, den Wiedereinstellungsanspruch als Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründen zu wollen.894 Die Gewährung eines Wiedereinstellungsanspruchs stellt keine Anpassung des Abwicklungsvertrages an geänderte Umstände dar, vielmehr steht die Wirksamkeit des Abwicklungsvertrages einem Wiedereinstellungsanspruch entgegen.895 Ähnlich sieht das auch der 7. Senat896 im Anschluss an Nicolai/Noack897. Damit scheidet jedenfalls eine Vertragsanpassung i.S.v. § 313 I BGB aus. Ergibt die Auslegung, dass die jeweilige Vereinbarung eine Risikozuweisung an den Arbeitgeber enthält, ist also mit anderen Worten der endgültige Verlust der Existenzgrundlage des Arbeitnehmers nicht um jeden Preis gewollt, sondern in der Erwartung einer bestimmten (betrieblichen) Entwicklung, dann steht auch der Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs nichts im Wege, sobald der Arbeitnehmer das seinerseits Erforderliche zur Rückabwicklung des Vertrages getan hat. Der Wiedereinstellungsanspruch bedarf dann auch keiner Herleitung 894 Siehe hierzu bereits oben unter D.III.3.b) „Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) beim echten Aufhebungsvertrag“ auf Seite 190. 895 Otto FS Kraft (1998), 451, 464. 896 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1786. 897 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 110. - 353 aus den Regeln des Rücktrittsrechts (§§ 313 III, 346 ff BGB). Zwar treten die Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht von selbst ein, jedoch wird bereits die arbeitnehmerseitge Forderung der Wiedereinstellung auch zur Geltendmachung des Rechts aus § 313 III BGB ausreichen, wenn zuvor ein Abwicklungsvertrag geschlossen wurde. Über die Figur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann dann die gänzliche Aufhebung des vertraglich Vereinbarten erreicht werden.898 Ausreichend ist insoweit, dass der Vertrag als solcher der Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs nach allgemeinen Regeln nicht mehr im Wege steht. Die Beseitigung des Abwicklungsvertrages lässt die Kündigung unberührt, womit der Weg für Folgewirkungen aus dem KSchG offen steht. Die Anspruchsgrundlage lässt sich auch in diesem Fall aus einer teleologischen Extension des § 1 II KSchG gewinnen.899 (3) Keine zeitliche Begrenzung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf den Lauf der Kündigungsfrist Nicht überzeugend ist die implizite Annahme des 7. Senats900, ein Wegfall der Geschäftsgrundlage komme in diesen Fällen nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in Betracht.901 Ob die Erwartung der Vertragsparteien bzgl. des Wegfalls einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit tatsächlich auf den Ablauf der Kündigungsfrist begrenzt ist, ist ebenso Sache der Vertragsauslegung wie die Ausgangsfrage, ob die Parteien nicht überhaupt eine Beendigung des Vertragsverhältnisses 898 899 900 901 Kort, SAE 2001, 131, 137. Daher unterscheidet sich die hier untersuchte Konstellation von der oben erörterten Frage, ob ein Wiedereinstellungsanspruch als Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingreifen kann, wenn anstelle einer Kündigung ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde. BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1786. Der 7. Senat drückt das folgendermaßen aus: „Bei Abfindungsvergleichen in Kündigungsschutzprozessen kann jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, Geschäftsgrundlage sei die gemeinsame Vorstellung der Parteien, bis zu dem vereinbarten Ende des Arbeitsvertrages werde der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers entfallen sein und sich auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit ergeben.“ - 354 ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung wollten. Offen würde sonst überdies bleiben, was für Aufhebungsverträge gelten soll, denen anders als bei Abwicklungsverträgen keine Kündigung vorhergeht. Keinesfalls darf derjenige Arbeitnehmer schlechter stehen, der eine arbeitgeberseitige Kündigung abwartet und erst danach eine vertragliche Übereinkunft über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses schließt. Wenn also bei Abwicklungsverträgen an den Lauf der Kündigungsfrist angeknüpft würde, dann müsste bei Aufhebungsverträgen eine fiktive Kündigungsfrist als zeitliche Grenze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gewählt werden. Das erscheint nicht plausibel. Besteht eine gemeinsame Erwartung der Parteien, dass es an einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit fehlt, so ist diese Erwartung regelmäßig mit der kündigungsbegründenden Prognose gleichen Inhalts identisch. Geschäftsgrundlage ist dann m.a.W., dass die kündigungsbegründende Prognose des Arbeitgebers Beschäftigungsmöglichkeiten über nicht das widerlegt Fehlen wird. Der zukünftiger Wegfall der Geschäftsgrundlage und der Wegfall des Kündigungsgrundes betreffen dann den gleichen sachlichen Gesichtspunkt. (4) Keine Wiedereinstellung ohne Rückabwicklung des Abwicklungsvertrages Möglicherweise bedarf Abwicklungsvertrages es mehr, keiner Anpassung wenn die bzw. Aufhebung Parteien an des einen Wiedereinstellungsanspruch nicht gedacht haben. Denn wenn die Möglichkeit des Wegfalls des Kündigungsgrundes Abkehrvereinbarung ist, dann will nicht gar nicht Gegenstand der ohne weiteres einleuchten, warum dieser Vertrag im Falle seiner Wirksamkeit und Nichtkorrigierbarkeit einer Wiedereinstellung entgegenstehen sollte. Die Grundvoraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruchs liegen ja vor, nämlich die wirksame arbeitgeberseitige Kündigung eines ehedem in seinem Bestand geschützten Arbeitsverhältnisses und der Wegfall des Kündigungsgrundes. Wenn sich also die Abkehrvereinbarung gegenüber einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch neutral verhält, könnte man annehmen, dass sie die Position des Arbeitnehmers insoweit auch nicht schwächt. - 355 So tendiert Hümmerich902 zu der Auffassung, Rechtssicherheit durch einen Abwicklungsvertrag trete nicht ein, wenn der Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch habe. Der Wiedereinstellungsanspruch bestehe unabhängig davon, ob ein Abwicklungsvertrag in Form eines Prozessvergleichs geschlossen worden sei. Dagegen steht allerdings die Überlegung, dass der Arbeitnehmer, wenn auch nicht wie beim Aufhebungsvertrag vordergründig auf sein Arbeitsverhältnis, so jedenfalls nach erfolgter Kündigung auf seinen Kündigungsschutz verzichtet hat. Ob dann eine Wiedereinstellung ohne weiteres oder erst nach Suspendierung der Vereinbarung möglich ist, hängt von der dogmatischen Grundlage des Anspruchs ab. Hält man mit der hier vertretenen Auffassung die Bestandsschutzregelungen des KSchG für anspruchsbegründend, so entzieht jede Abkehrvereinbarung, solange sie als wirksam anzusehen ist, einem Anspruch auf Wiedereinstellung die Grundlage, denn an die Stelle des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses tritt nach der Kündigung eben der Kündigungsschutz. Überdies entbehrt die Unterscheidung zwischen einem Verzicht auf das Arbeitsverhältnis als solchem und einem Verzicht lediglich auf den Kündigungsschutz nach erfolgter Kündigung nicht einer gewissen Künstlichkeit. Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag sind sich zumindest insoweit ähnlich, als sich jeweils der Arbeitnehmer vom Arbeitsverhältnis aktiv distanziert. Als Ausgangslage ergibt sich einerseits (regelmäßig) die Drohung mit einer Kündigung, andererseits die bereits vorgenommene aber in bezug auf ihre Rechtfertigung zweifelhafte Kündigung. Diese Sachverhalte unterscheiden sich nicht so grundlegend, dass es gerechtfertigt wäre, sie als Hindernis für einen Wiedereinstellungsanspruch völlig anders zu beurteilen. 902 Hümmerich, BB 1999, 1868, 1872. - 356 Auch aus praktischer Sicht wäre es kaum überzeugend, dem Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch ohne weiteres mit der Begründung zuzugestehen, ein zuvor geschlossener Abfindungs- bzw. Prozessvergleich treffe in bezug hierauf keine auch nur implizite Regelung und könne daher daneben bestehen bleiben. Der Arbeitnehmer könnte trotz Wiedereinstellung seine Abfindung behalten und damit einen Rechtszustand herbeiführen, der über das hinausgeht, was bei hypothetischem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hätte verlangt werden können. Der Wiedereinstellungsanspruch würde so in seiner Funktion als Anspruch auf begrenzte Korrektur der Kündigungswirkungen verkannt. Um eine solche überschiessende Rechtsfolge zu vermeiden, kann ein Wiedereinstellungsanspruch nur über eine Rückabwicklung des Abfindungsbzw. Prozessvergleichs erreicht werden, was jedenfalls zur Rückzahlung der Abfindung zwingt. Ohne einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gibt es nach einem Abwicklungsvertrag keine Wiedereinstellung. Eine Verurteilung erfolgt in diesem Fall Zug um Zug gegen Rückgabe der Abfindungszahlung. Es handelt sich um die in § 894 I 2 ZPO i.V.m. § 726 ZPO vorgesehene Fallgestaltung. Die Annahmeerklärung des beklagten Arbeitgebers wird demnach zu dem Zeitpunkt fingiert, in dem eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt ist. Zuvor muss der Kläger nach § 726 I und II ZPO den Beweis der Rückzahlung der Abfindung geführt haben.903 (5) Darlegungs- und Beweislast Für einen Wegfall der Darlegungs- und Geschäftsgrundlage trägt stets der Arbeitnehmer die Beweislast.904 Er muss darlegen, dass mit dem Abwicklungsvertrag das Arbeitsverhältnis nicht unabhängig von der betrieblichen Situation aufgelöst werden sollte.905 Nur wenn es ihm gelingt, eine 903 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1783. 904 LAG Köln (7 Sa 396/98), ARST 1999, 141, 141. 905 So auch Beckschulze, DB 1998, 417, 418. - 357 Risikozuweisung für die Änderung nachträglicher Umstände an den Arbeitgeber schlüssig darzulegen, können diese Umstände die Geschäftsgrundlage erschüttern. Ergibt die Auslegung des Abwicklungsvertrages jedoch, dass die Vertragsparteien unabhängig von der weiteren Entwicklung einen endgültigen Schlussstrich unter die vertraglichen Beziehungen setzen wollten, so ist die Geschäftsgrundlage des Abwicklungsvertrages autark und wird daher auch bei einem nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes nicht berührt. Eine Wiedereinstellung ist dann ausgeschlossen. Um die Relativität der Geschäftsgrundlage in bezug auf die gegenwärtige betriebliche Situation darzulegen, muss es ausreichen, dass der Abwicklungsvertrag auf den angegebenen Kündigungsgrund verweist, also insbesondere auf den (sich abzeichnenden) Wegfall einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Lässt sich eine solche Motivation der Vertragsparteien erkennen, auf die gegenwärtige betriebliche Situation Rücksicht nehmen zu wollen, so bleibt die Geschäftsgrundlage zerbrechlich und kann abhängig von der weiteren Entwicklung entfallen. 6. Sachliche Grenzen im Überblick Zusammenfassend lässt sich zu den sachlichen Grenzen des Anspruchs im Wesentlichen folgendes festhalten: 1. Vorrang schutzwürdiger Dispositionen 1.1 Vor der Anspruchsentstehung Arbeitgeberseitige Dispositionen vor der Anspruchsentstehung sind schutzwürdig. Es handelt sich um rechtshindernde Einwendungen gegen einen Wiedereinstellungsanspruch, weil hierdurch eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Gekündigten vereitelt wird. 1.2 Nach der Anspruchsentstehung Gutgläubige arbeitgeberseitige Dispositionen sind auch nach der Anspruchsentstehung schutzwürdig und genießen daher den Vorrang gegenüber dem Wiedereinstellungsinteresse des Arbeitnehmers. Es handelt sich um rechtsvernichtende Einwendungen gegen den - 358 Wiedereinstellungsanspruch. Der Arbeitgeber ist gutgläubig, solange er die tatsächlichen Umstände nicht kennt, auf denen die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose beruht. 1.3 Kein Dispositionsschutz für Neueinstellungen nach betriebsbedingter Kündigung Für den Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung spielt ein Dispositionsschutz durch Einstellung externer Arbeitnehmer keine Rolle. Vor der Anspruchsentstehung, also vor dem Eintritt der prognosewidrigen Umstände, kann die Neueinstellung eines externen Arbeitnehmers in bezug auf den erst später entstehenden Wiedereinstellungsanspruch aus sachlogischen Gründen keine schutzwürdige Disposition sein. Nach der Anspruchsentstehung ist die Einstellung eines externen Arbeitnehmers generell nicht schutzwürdig, da sie ein Einsehen in den erneuten Beschäftigungsbedarf und damit die Bösgläubigkeit des Arbeitgebers voraussetzt. 1.4 Vorrang von Rationalisierungskonzepten Ein Rationalisierungskonzept, das den dauerhaften Wegfall von Arbeitsplätzen bedingt, genießt als freie unternehmerische Entscheidung stets den Vorrang gegenüber einem entgegenstehenden Wiedereinstellungsinteresse des Arbeitnehmers, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber noch gut- oder bereits bösgläubig ist. Der Mangel des guten Glaubens zwingt lediglich zur richtigen Auswahlentscheidung unter verschiedenen Arbeitnehmern, wenn nach dem Willen des Arbeitgebers ohnehin eine Einstellung ansteht. Demgegenüber wird die unternehmerische Freiheit in ihrem Kernbereich nicht angetastet. 2. Sozialauswahl Wurde mehreren Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt und sind einige vergleichbare und funktional austauschbare Arbeitsplätze weggefallen, andere dagegen erhalten geblieben, so hat der Arbeitgeber den in Betracht kommenden Arbeitnehmern eine Wiedereinstellung in der Reihenfolge sozialer Gesichtspunkte analog § 1 III KSchG anzubieten. Vergleichsgruppe sind diejenigen Arbeitnehmer, die ihren Wiedereinstellungsanspruch weder verwirkt noch auf ihn verzichtet haben. Die Einbeziehung der Gesamtbelegschaft in die Sozialauswahl ist ausnahmsweise dann geboten, wenn wegen beabsichtigter Betriebsstillegung ohne Rücksicht auf soziale - 359 Gesichtspunkte sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt wurde; dies gilt nicht für die Wiedereinstellungspflicht im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang wegen Funktionsnachfolge und Einstellung eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals. 3. Austauschkündigungsbefugnis Die Pflicht, den Inhaber des Wiedereinstellungsanspruchs auf einen bereits bösgläubig oder unter Verletzung sozialer Gesichtspunkte anderweitig besetzten Arbeitsplatz wieder einzustellen, gibt dem Arbeitgeber unter den funktional austauschbaren Arbeitnehmern ein Recht zur betriebsbedingten Austauschkündigung. Gegenüber Betroffenen dann besteht dem von gegebenenfalls der Austauschkündigung eine Verpflichtung zum Schadensersatz aus den §§ 241 II, 311 II Nr. 1, 280 I, 249 BGB. Der Arbeitgeber besitzt – auch wenn er auf eine Austauschkündigung verzichtet – gegenüber dem aufgrund des Anspruchs wieder Eingestellten solange kein Recht zur betriebsbedingten Kündigung, bis er einen auf Dauer angelegten Arbeitsplatz für diesen Arbeitnehmer geschaffen hat, sei es durch eine Austauschkündigung oder durch Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes. Entfällt diese wieder hergestellte Beschäftigungsmöglichkeit wiederum, bestehen gegen eine betriebsbedingte Kündigung des wieder Eingestellten keine Bedenken. 4. Keine Mitbestimmung Bei der Verwirklichung des Wiedereinstellungsanspruchs besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 I BetrVG. Wo der Arbeitgeber nichts zu bestimmen hat, hat auch der Betriebsrat nichts mitzubestimmen. 5. Abwicklungsverträge Ein nach der Kündigung geschlossener Abwicklungsvertrag steht der Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs entgegen, solange er nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam und gegebenenfalls durch Rückzahlung einer Abfindung rückabgewickelt ist (§§ 313 III, 346 ff BGB). Ob ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt, ist eine Frage der Vertragsauslegung und damit Sache des Einzelfalls. - 360 - II. Zeitliche Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs 1. Problemstellung Grundlage – Reichweite der dogmatischen Die zeitlichen Grenzen des Anspruchs auf Wiedereinstellung sind von großer Bedeutung für seinen praktischen Anwendungsbereich. Es geht dabei um den Ausgleich der schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile. Der Arbeitnehmer hat nach dem Wegfall des Kündigungsgrundes ein Interesse an der vertraglichen Wiederbegründung seiner Existenzgrundlage durch die Beseitigung der zukünftigen Folgen der aus seiner Sicht grundlosen Kündigung. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob der Anspruch noch während laufender Kündigungsfrist (als sog. Fortsetzungsanspruch) oder später (als sog. echter Wiedereinstellungsanspruch) entsteht.906 Der Arbeitgeber kann sich demgegenüber auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung berufen. Sein Interesse richtet sich auf die Erlangung von Rechtssicherheit und Dispositionsfreiheit für die Zukunft.907 Dabei geht es um zwei Fragen: Die Frage, wie lange ein Wiedereinstellungsanspruch durch Wegfall des Kündigungsgrundes noch entstehen kann, und die Frage, wie lange ein entstandener Anspruch auf Wiedereinstellung noch geltend gemacht werden kann.908 Die erste Frage ist durch das kündigungsschutzrechtliche Prognoseprinzip vorgeprägt, jedenfalls wenn man mit der hier vertretenen Auffassung die Rechtsgrundlage für den Wiedereinstellungsanspruch aus § 1 II KSchG gewinnt. 906 Zwanziger, BB 1997, 42, 45. 907 KR – Friedrich, § 4 KSchG Rn 10. 908 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 756; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 579. - 361 Auf die Darstellung der unterschiedlichen Ansichten soll gleichwohl nicht verzichtet werden, um eine Plausibilitätskontrolle zu ermöglichen. Die zweite Frage betrifft dagegen das grundsätzliche Problem der zeitlichen Grenzen einer zulässigen Rechtsausübung. 2. Frist für die Entstehung des Anspruchs Zur materiellrechtlichen Frage, wie lange der Wiedereinstellungsanspruch durch das Ausbleiben prognostizierter bzw. das Hinzutreten prognosewidriger Umstände noch entstehen kann, sollen zunächst die verschiedenen Ansichten vorgestellt werden. Rspr. und Lit. orientieren sich dabei vorwiegend an Fallgestaltungen nach betriebsbedingter Kündigung. a) Entwicklung der Rechtsprechung des BAG Grundlegend für den Wiedereinstellungsanspruch ist die Entscheidung des 2. Senats vom 27.02.1997909, die einen Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung annimmt, wenn es noch während des Laufs der Kündigungsfrist zu einem unerwarteten Betriebsübergang kommt, soweit der Arbeitgeber – wie regelmäßig vor Ablauf der Kündigungsfrist – noch keine schutzwürdigen Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Der 7. Senat hat einen Wiedereinstellungsanspruch wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände für den gesamten Bereich der betriebsbedingten Kündigung abgelehnt, sofern nicht der Arbeitgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.910 909 910 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 255 = AP Nr 2 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1784 f. - 362 Der 2. Senat des BAG911 nimmt an, dass ein Wiedereinstellungsanspruch gekündigter Arbeitnehmer besteht, wenn im Zeitpunkt zwischen Ausspruch einer Kündigung und dem Kündigungstermin ein bei Ausspruch der Kündigung noch nicht abzusehender Betriebsübergang stattfindet oder die Betriebsabteilung entgegen der ursprünglichen Wiedereinstellungsanspruch soll Stillegungsabsicht entstehen, fortgeführt wenn nach wird. Kein Ablauf der Kündigungsfrist ein neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt wird, also z.B. bei einer sozial gerechtfertigten betriebsbedingten Kündigung unvorhergesehen nach Ablauf der Kündigungsfrist im Betrieb eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit entsteht. Unentschieden blieb die Frage, ob ein Wiedereinstellungsanspruch auch dann entstehen kann, wenn der Arbeitgeber erst nach Ablauf der Kündigungsfrist die Unternehmerentscheidung, die zur Entlassung geführt hat, aufhebt oder ändert. Nach Ablauf der Kündigungsfrist soll also jedenfalls eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit als sog. „neuer Kausalverlauf“ außer Betracht bleiben912, während der unerwartete Erhalt des Arbeitsplatzes, auf dem der Arbeitnehmer vormals beschäftigt war, möglicherweise auch nach Ablauf der Kündigungsfrist, einen Wiedereinstellungsanspruch auslösen soll.913 Die Differenzierung zwischen neuem und altem Kausalverlauf macht indes keinen Sinn. Der 2. Senat versucht, seine Rspr. mit der des 7. Senats zu harmonisieren, der für den Fall einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit, die sich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist ergab, die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs verneint hat.914 In den Entscheidungsgründen weist 911 der 7. Senat jedoch deutlich darauf dass er einen BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1997, 757, 757; BAG (2 AZR 140/97), AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1998, 701, 701. 912 So i.E. auch BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 254. 913 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703. 914 hin, Auf die Entscheidung BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254 ff, wird vom 2. Senat ausdrücklich verwiesen. - 363 Wiedereinstellungsanspruch wegen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretender Umstände jedenfalls für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung generell ablehnt.915 Der 2. Senat benennt gleichwohl mehrere Gesichtspunkte, die für die Anerkennung der Anspruchsentstehung auch nach Ablauf der Kündigungsfrist sprechen könnten. So wird darauf hingewiesen, die Verneinung eines solchen Wiedereinstellungsanspruchs hätte z.B. zur Folge, dass der Arbeitgeber bei einer Massenkündigung wegen Betriebsstillegung, wenn er sich später doch zur Fortführung des Betriebes entschließt, nur die Arbeitnehmer wieder einzustellen hätte, deren Kündigungsfrist im Zeitpunkt der Änderung seines Entschlusses noch nicht abgelaufen war. Problematisch wäre es auch, wenn nach Auslaufen der Kündigungsfristen aufgrund einer geplanten Stillegung und damit verfolgter "personeller Sanierung" ein Betriebsübernehmer nicht zur Wiedereinstellung verpflichtet wäre.916 Der für Fragen des Betriebsübergangs hauptsächlich zuständige 8. Senat hat schließlich aber die Entstehung eines Fortsetzungsanspruch nach § 613a BGB bei willentlicher Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft in den Fällen der Funktionsnachfolge auch auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstreckt, genügendes des Maß um ein den europarechtlichen Bestandsschutzes bei Vorgaben Betriebsübergängen zu gewährleisten.917 Selbst ein bereits entlassener Arbeitnehmer soll so einen Anspruch auf Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses gegen den Erwerber erhalten.918 915 BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 255. 916 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703. 917 Vgl. oben unter C.VI.2 „Richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB“ auf Seite 128. 918 BAG (8 AZR 295/95), AP Nr. 169 zu § 613 a BGB = NZA 1998, 251, 251 = DB 1998, 316, 316 = MDR 1998, 420, 420 = BAGE 87, 115, 115; BAG (8 AZR 729/96), AP Nr. 172 zu § 613 a BGB; BAG (8 AZR 265/97), AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1999, 311, - 364 Für andere Kündigungsgründe lehnt sich die Rspr. an die Überlegungen zur betriebsbedingten Kündigung an. So hat der 7. Senat in seiner Entscheidung vom 27.06.2001919 entschieden, ein wegen Krankheit wirksam gekündigter Arbeitnehmer könne eine Wiedereinstellung jedenfalls dann nicht verlangen, wenn die nachträgliche überraschende grundlegende Besserung seines Gesundheitszustands erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten ist. Der 2. Senat hält dagegen die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs nach krankheitsbedingter Kündigung auch nach Ablauf der Kündigungsfrist für möglich.920 b) Anspruchsentstehung nur innerhalb laufender Kündigungsfrist – h.M. (1) Anspruchsentstehung vor Ablauf der Kündigungsfrist – Gleichlauf von Kündigungsfrist und Wiedereinstellungsoption entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1 III KSchG In der Rspr.921 bejahenden922 und Lit.923 der den Wiedereinstellungsanspruch besteht Einigkeit darüber, prinzipiell dass ein Wiedereinstellungsanspruch zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entstehen kann. Der auf die Interessenwahrungspflicht abstellende 7. Senat formuliert das so: „Im noch bestehenden Arbeitsverhältnis hat der Arbeitgeber seine 311 = DB 1999, 485, 485 = BB 1999, 589, 589 = MDR 1999, 551, 551= EzA Nr. 171 zu § 613a BGB. 919 BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f. 920 BAG (2 AZR 431/98), NZA 1999, 978, 980 m.w.N. 921 BAG (2 AZR 160/96), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG (7 AZR 557/96), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG (2 AZR 140/97), AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG (8 AZR 265/97), AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung; BAG (2 AZR 757/98), AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. 922 Prinzipiell verneinende Stimmen siehe FN 14. 923 Siehe FN 13. - 365 Verpflichtungen so zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann.“924 Je nach Länge der Kündigungsfristen der betroffenen Arbeitnehmer steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Prognose des Arbeitgebers über die zukünftigen Beschäftigungsmöglichkeiten noch vor deren Ablauf als falsch herausstellt. Über solche längeren Kündigungsfristen verfügen gerade die sozial schwächeren Arbeitnehmer, die ein höheres Lebensalter und eine längere Betriebszugehörigkeit aufweisen, und die deshalb durch § 1 III 1 HS 1 KSchG besonders geschützt werden, der verlangt, dass unter den funktional austauschbaren Arbeitnehmern grundsätzlich zuerst die jeweils sozial stärkeren Arbeitnehmer auf Wertentscheidung den des Arbeitsmarkt Gesetzgebers verwiesen wäre es werden. unvereinbar, Mit dieser wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, billigere, jüngere und sozial stärkere Arbeitnehmer einzustellen, obwohl die sozial schwächeren Arbeitnehmer noch im Betrieb tätig sind oder jedenfalls noch in einem Arbeitsverhältnis stehen.925 Der Wiedereinstellungsanspruch kann so nach Auffassung von Zwanziger926 aus einer erweiternden Auslegung des § 1 III KSchG abgeleitet werden, denn er kommt – weil auf den Ablauf der Kündigungsfrist begrenzt – gerade den sozial schwächeren Arbeitnehmern mit typischerweise längeren Kündigungsfristen zugute. 924 925 926 BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 255. LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; Zwanziger, BB 1997, 42, 43. Zwanziger, NJW 1995, 916, 918; Zwanziger, BB 1997, 42, 43. - 366 - (2) Unbeachtlichkeit der Widerlegung der Prognose nach Ablauf der Kündigungsfrist (a) Überblick Nach Auffassung des 7. Senats927 und der in der Lit. herrschenden Ansicht928 ist nach Ablauf der Kündigungsfrist der Wegfall des Kündigungsgrundes regelmäßig unbeachtlich. Die Rspr. der Instanzgerichte ist dem z.T. gefolgt929 oder lässt die Frage nach der zeitlichen Grenze der Anspruchsentstehung bei mangelnder Entscheidungserheblichkeit offen, wenn z.B. formuliert wird, es sei nicht ausreichend, wenn sich die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit jedenfalls „erst Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist“ ergibt.930 (b) Begründung über vertragsrechtliche Ansätze Der Grund wird von der h.M. darin gesehen, dass sich ein Wiedereinstellungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist dogmatisch nicht mehr begründen lasse. Der Arbeitgeber habe nur im Rahmen eines (noch) bestehenden Arbeitsverhältnisses veränderten Umständen nach Treu und Glauben 927 928 Rechnung zu tragen. Außerhalb eines bestehenden BAG (7 AZR 557/96), AP Nr 2 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1998, 254, 254; BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1784 f; BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f = NJW 2001, 3429, 3429 f. Preis Prinzipien, S. 355; Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; vom Stein, RdA 1991, 85, 91; Ricken, NZA 1998, 460, 464; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 645; Annuß, BB 1998, 1582, 1586; Beckschulze, DB 1998, 417, 418; Stoffels, ZfA 1998, 49, 114; Bartel, SAE 1998, 318, 318 f; Boudon, BAG (7 AZR 557/96), EWiR § 1 KSchG 1/98, 323 f; Kania, Anm. zu BAG (2 AZR 160/96), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1; Meyer, NZA 2000, 297, 300; Schiefer, DB 2000, 669, 673; Oetker, ZIP 2000, 643, 648 f; Kort, SAE 2001, 131, 132. 929 LAG Köln (12 Sa 403/96), LAGE Nr. 5 zu § 611 BGB Einstellungsanspruch. 930 LAG Köln (11 Sa 1610/98), FA 2000, 201, 201. - 367 Vertragsverhältnisses sei weder eine Anwendung von § 242 BGB möglich, noch bestünden Fürsorge- oder Interessenwahrungspflichten.931 Voraussetzung für diese Begründung ist also, dass man mit der h.M. die Anspruchsgrundlage für den Wiedereinstellungsanspruch unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis ableitet, also insbesondere aus dessen Fürsorge- bzw. Interessenwahrungspflichten. Die Einzelheiten wurden bereits erörtert.932 Schließlich wird auch der Gedanke der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens gegen die Anerkennung eines erst nach wirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Wiedereinstellungsanspruchs angeführt933, da materielle Anhaltspunkte für eine in jedem Falle notwendige zeitliche Begrenzung einer nachvertraglichen Wiedereinstellungspflicht sich ansonsten nicht feststellen ließen.934 Die Gegenauffassung935, die darauf verweist, dass eine gewisse Rechtsunsicherheit im Interesse einer dogmatisch schlüssigen und gerechten Lösung hingenommen werden müsse, bleibe den Nachweis für die dogmatische Schlüssigkeit dieser Lösung gerade schuldig.936 (c) Reichweite des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses Boewer937 geht im Anschluss an Preis938 davon aus, dass sich die zeitliche Begrenzung der Anspruchsentstehung exakt aus dem in § 1 II KSchG 931 932 933 LAG Köln (4/2 Sa 860/88), DB 1989, 1475, 1476; BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f = NJW 2001, 3429, 3429 f. Siehe oben unter C.III.2 „(Nachwirkende) Fürsorgepflicht / Interessenwahrungspflicht“ auf Seite 76. Bartel, SAE 1998, 318, 318 f; Hergenröder, Anm. zu BAG (2 AZR 140/97), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 3. 934 Annuß, BB 1998, 1582, 1587. 935 Walker, SAE 1998, 103, 107. 936 Annuß, BB 1998, 1582, 1587. 937 Boewer, NZA 1999, 1177, 1178. 938 Preis Prinzipien, S. 355. - 368 geregelten Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses ableiten lässt. Nur innerhalb dieses Bestandsschutzes könne der Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber die zur Begründung des Arbeitsverhältnisses führende Kündigung revidiert, wenn sie sich nachträglich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als überflüssig erweist. Nur insoweit könne man den Arbeitgeber einem Kontrahierungszwang unterwerfen, wenn die Zweckdetermination der Kündigung ins Leere läuft. Das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers gehe mit dem endgültigen Erlöschen der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis unter (§ 362 BGB). Der mit dem Kontrahierungszwang verbundene Wiedereinstellungsanspruch diene als Instrument, um einen funktionsfähigen Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Es gehe dem Wiedereinstellungsanspruch um die Rettung eines Vertrages, der eigentlich durch wirksame Kündigung erlöschen muss. Dieser Denkansatz werde durch § 1 II 1 und 2 KSchG unterstützt. Die Systematik des Gesetzes ziele darin auf die Möglichkeit einer unmittelbaren, d.h. nahtlosen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ab. Nur ausnahmsweise wolle der Gesetzgeber in § 1 II 3 KSchG von dieser Bewertung durch eine entsprechende Anwendung des § 1 II 2 KSchG abweichen. Dieser Sichtweise stehe es nicht entgegen, wenn das BAG939 für die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung darauf abstellt, ob auch in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, sofern die Überbrückung dem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, was der Fall ist, wenn die Einarbeitungszeit eines anderen Stellenbewerbers nicht überschritten wird.940 Demnach soll die Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt markieren, jenseits dessen eine nahtlose Weiterbeschäftigung – um die es dem kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz gerade gehe – nicht mehr möglich 939 BAG (2 AZR 327/94), NZA 1995, 521, 521. 940 Boewer, NZA 1999, 1177, 1178 (dort FN 14). - 369 und ein Anspruch auf Wiedereinstellung daher dem Kündigungsschutzgesetz nicht zu entnehmen sei. (d) Kritik Dass es dem kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz stets um eine nahtlose Weiterbeschäftigung geht, lässt sich aus § 1 II 2 KSchG indes nicht entnehmen. Dort ist von einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen die Rede. Nach der Rspr. des BAG ist dafür nicht Voraussetzung, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unmittelbar im Anschluss an den Ablauf der Kündigungsfrist besteht. Vielmehr soll der Arbeitgeber bereits im Kündigungszeitpunkt auch solche Beschäftigungsmöglichkeiten als milderes Mittel gegenüber der Kündigung berücksichtigen, die sich innerhalb eines zumutbaren Überbrückungszeitraums nach dem intendierten Entlassungstermin ergeben. Die Rspr. zur Zumutbarkeit eines Überbrückungszeitraums im Anschluss an den Ablauf der Kündigungsfrist steht der Sichtweise von Boewer also durchaus entgegen. Es handelt sich auch nicht um einen außer Acht zu lassenden Ausnahmefall. Das könnte man allenfalls für die Regelung des Weiterbeschäftigungsmöglichkeit § 1 nach II 3 KSchG, also für Umschulungs- eine oder Fortbildungsmaßnahmen, annehmen. Kritisch wird auch angemerkt, die zeitliche Begrenzung der Anspruchsentstehung auf den Ablauf der Kündigungsfrist bewirke, dass Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit in dreifacher Hinsicht besser gestellt seien als andere Arbeitnehmer mit geringerer Betriebszugehörigkeit, nämlich bei der Sozialauswahl gemäß § 1 III KSchG, der Länge der Kündigungsfrist nach § 622 BGB und schließlich sogar bei der Aussicht auf den späteren Erwerb eines Wiedereinstellungsanspruchs. Diese Sichtweise führe zu einer Überbewertung der Dauer der Betriebszugehörigkeit, die jedenfalls im Hinblick auf den Wiedereinstellungsanspruch nicht gerechtfertigt sei. Der - 370 Wiedereinstellungsanspruch könnte so zum Closed-Shop-Anspruch der Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit werden.941 Außerdem wird vorgetragen, eine zeitliche Begrenzung der Anspruchsentstehung auf den Ablauf der Kündigungsfrist führe zu einer ungerechtfertigten Privilegierung einzelner Arbeitnehmer(gruppen).942 Es erscheine widersinnig, gerade aus der Kündigung, deren Rechtswirkungen durch den Wiedereinstellungsanspruch beseitigt werden sollen, eine zeitliche Grenze abzuleiten. Es leuchte auch nicht recht ein, warum bei einem Wegfall des Grundes für eine betriebsbedingte Kündigung der Arbeitgeber, der es bei der Beendigung mehrerer gekündigter Arbeitsverhältnisse belassen will, gegenüber einem Arbeitnehmer, bei dem die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war, rechtsmissbräuchlich handeln soll, nicht aber gegenüber einem anderen gekündigten Arbeitnehmer, dessen Kündigungsfrist vielleicht gerade abgelaufen war. Auch nach Ablauf der Kündigungsfrist könne sich das Verhalten des Arbeitgebers , der anstelle des entlassenen Arbeitnehmers einen anderen Arbeitnehmer einstellen will, als rechtsmissbräuchlich bzw. als Verstoß gegen Treu und Glauben erweisen.943 c) Anspruchsentstehung auch nach Ablauf der Kündigungsfrist – M.M. (1) Überblick Nur von einer M.M. vertreten wird die Auffassung, dass der Wiedereinstellungsanspruch auch auf Umstände gestützt werden kann, die erst nach dem Entlassungstermin entstehen. 941 Nägele, BB 1998, 1686, 1688. 942 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 106 f. 943 Walker, SAE 1998, 103, 106. - 371 Seit seiner Entscheidung vom 04.12.1997 lässt der 2. Senat944 die Frage ausdrücklich offen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch bei einer Aufhebung oder Änderung der Unternehmerentscheidung nach Ablauf der Kündigungsfrist ein Wiedereinstellungsanspruch des betroffenen Arbeitnehmers entstehen kann.945 Die Verneinung eines solchen Wiedereinstellungsanspruchs hätte nach Auffassung des 2. Senats z.B. zur Folge, dass der Arbeitgeber „bei einer Massenkündigung wegen Betriebsstillegung, wenn er sich später doch zur Fortführung des Betriebes entschließt, nur die Arbeitnehmer wieder einzustellen hätte, deren Kündigungsfrist im Zeitpunkt der Änderung seines Entschlusses noch nicht abgelaufen war.“946 Anlehnend an die Rspr. des 8. Senats zum Wiedereinstellungsanspruch nach einem unerwarteten Betriebsübergang947 fügt der 2. Senat hinzu, problematisch wäre es auch, wenn nach Auslaufen der Kündigungsfristen aufgrund einer geplanten Stillegung und damit verfolgter „personeller Sanierung“ ein Betriebsübernehmer nicht zur Wiedereinstellung verpflichtet wäre.948 Auch ein Teil der Lit.949 will einen Wiedereinstellungsanspruch auch dann noch bejahen, wenn sich die kündigungsbegründenden Umstände erst nach Ablauf der Kündigungsfrist und damit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geändert haben. Dass die Kündigungsfrist eine starre zeitliche Grenze für den Wiedereinstellungsanspruch markieren soll, sei nicht recht einzusehen. Diesem 944 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703. 945 Siehe Zusammenfassung des Tatbestandes auf Seite 9. 946 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703. 947 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 252. 948 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703. 949 Hambitzer Diss., S. 89 ff, 92, 131; Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2241; Walker, SAE 1998, 103, 106; Papenheim, ZMV 1998, 241, 241; Dornieden, AiB 1998, 410, 410; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 579 f; Furier, AiB 1999, 246, 247; Raab, RdA 2000, 147, 154; KR – Etzel, § 1 KSchG Rn 518; MünchArbR II – Berkowsky, § 130 Rn 90. - 372 Kriterium fehle jeglicher Gerechtigkeitsgehalt. Der Bestandsschutz könnte damit von der mehr oder weniger zufälligen zeitlichen Abfolge der Ereignisse abhängen.950 (2) Dauer des Kündigungsschutzprozesses bzw. Frist nach § 4 KSchG Schließlich könnte man auch auf die Dauer des folgenden Kündigungsschutzprozesses bzw. ohne einen solchen auf die Frist des § 4 KSchG als zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung abstellen. Der 7. Senat wendet sich – ohne nähere Begründung - ausdrücklich gegen diese Sichtweise.951 Für das Ende des Kündigungsschutzprozesses als zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung rechtskräftigen ließe sich klageabweisenden allenfalls Urteils anführen, im der Sinn eines Kündigungsschutzprozess bestünde darin, Rechtssicherheit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schaffen, indem der Streit der ehemaligen Vertragsparteien endgültig beigelegt wird. Der Wiedereinstellungsanspruch stellt aber einen selbständigen Streitgegenstand dar, der auf der Wirksamkeit der Kündigung aufbaut.952 Eine Begrenzung der Anspruchsentstehung auf die rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage würde daher keinen Sinn machen. Der verständige Arbeitnehmer wird schon gar keinen Kündigungsschutzprozess anstrengen, da die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung im allein maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ja vorlagen und sich deshalb die Kündigung als rechtsbeständig erweisen muss.953 Im Übrigen würde so der Erhebung unnützer Klagen und der Prozessverschleppung sinnlos Vorschub geleistet, um 950 Papenheim, ZMV 1998, 241, 241; Raab, RdA 2000, 147, 155. 951 BAG (7 AZR 557/96), AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = SAE 1998, 317, 318. 952 Beckschulze, DB 1998, 417, 418. 953 Manske, FA 1998, 143, 145. - 373 noch möglichst lange von positiven Veränderungen der kündigungsbegründenden Umstände profitieren zu können.954 (3) Keine zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung Andere Stimmen955 schlagen vor, allein darauf abzustellen, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers wirklich (sachlich) unzumutbar ist, m.a.W. bei Anerkennung sachlicher Grenzen auf eine zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung ganz zu verzichten. Sinn einer zeitlichen Begrenzung sei allein der Schutz der Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers, der nach Fristablauf auf die Wirksamkeit der Kündigung soll vertrauen dürfen (§§ 4, 7 KSchG). Beschränke man die Wiedereinstellungspflicht auf die noch oder wieder verfügbaren Arbeitsplätze, so sei die Dispositionsfreiheit auch ohne eine zeitliche Begrenzung der Anspruchsentstehung gewahrt. Der Arbeitgeber könne vor seiner Kenntnis vom Fortfall des Kündigungsgrundes über den frei gewordenen Arbeitsplatz risikolos disponieren. Nach Kenntnisnahme habe er dem Arbeitnehmer die noch mögliche Wiedereinstellung anzubieten. Lehne der Arbeitnehmer ab, so sei der Anspruch erloschen.956 So werde die Privatautonomie des Arbeitgebers nicht über Gebühr belastet. Im Übrigen werde auch Anspruchsentstehung einer uferlosen vorgebeugt, denn zeitlichen der mit Ausdehnung dem Wegfall der des Kündigungsgrundes entstandene Anspruch auf Wiedereinstellung dürfte einen längeren Zeitraum kaum überdauern.957 954 955 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757. Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 756 f; Zwanziger, BB 1997, 42, 45; Manske, FA 1998, 143, 145 f; Krasshöfer, EWiR 1998, 773, 774; Walker, SAE 1998, 103, 106. 956 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757. 957 Walker, SAE 1998, 103, 106. - 374 - d) Unterscheidung zwischen Veränderungs- und Stabilitätsprognose – Ansatz von Meinel/Bauer (1) Wiedereinstellungsanspruch nur als Konsequenz einer widerlegten Veränderungsprognose Nach Auffassung von Meinel/Bauer958 lässt sich die innere Rechtfertigung des Wiedereinstellungsanspruchs sowie seine Begrenzung auf einzelne Kündigungsgründe und einen eng begrenzten Entstehungszeitraum aus der Überlegung ableiten, dass die prognosebedingte Kündigungsmöglichkeit insbesondere in den Fällen der betriebsbedingten Kündigung eine vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses ermögliche. Der Arbeitgeber stehe hier vor der Alternative, entweder den tatsächlichen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit abzuwarten und daher unabhängig von einer Prognose zu kündigen, oder prognosebedingt so frühzeitig zu kündigen, dass die Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit bereits abgelaufen und mithin kein Annahmeverzugslohn zu zahlen ist. Insoweit wird von einer Veränderungsprognose gesprochen. Die zukünftige Veränderung der Tatsachen (Wegfall des Arbeitsplatzes) sei Gegenstand der Prognose und alleiniger Kündigungsgrund. Die Veränderungsprognose sei (im Unterschied zur sog. Stabilitätsprognose) ein Zugeständnis an den Arbeitgeber. Die Prognose gebe ihm überhaupt erst eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit. Er dürfe schon aufgrund der Prognose einer zukünftigen Tatsachenänderung kündigen, obwohl man ihn auch diese Tatsachenänderung abwarten lassen könnte. Diese Alternative zum vorzeitigen Kündigungsentschluss des Arbeitgebers, bis zum tatsächlichen Eintritt der prognostizierten Tatsachenänderung zu warten, ermögliche zweierlei: Zum einen mache sie die Veränderungsprognose als Zugeständnis an den Arbeitgeber begreifbar. Zum anderen biete sie den Gerechtigkeitsmaßstab für Wiedereinstellungsanspruchs.959 958 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575 ff. 959 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 577. die Der Anerkennung Wiedereinstellungsanspruch eines dürfe - 375 entsprechend seiner Zwecksetzung als Korrektur der Prognosekündigungsmöglichkeit nicht über den Zustand hinausgehen, wie er ohne Inanspruchnahme dieser Möglichkeit bestünde. Unabhängig von einer Veränderungsprognose könne der Arbeitgeber zweifellos dann kündigen, wenn der Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen sei. Über diese Grenze würde eine Korrektur der Veränderungsprognose hinausschießen, die einem Arbeitnehmer selbst dann einen Wiedereinstellungsanspruch einräumt, wenn der Arbeitsplatz (entsprechend der Prognose) tatsächlich wegfällt und erst danach eine erneute Beschäftigungsmöglichkeit entsteht. Ein Arbeitgeber, der die Vorteile der Veränderungsprognose nicht in Anspruch nehmen wolle, müsse mit seiner Kündigung bis zum tatsächlichen Wegfall des Arbeitsplatzes warten, um keinem Wiedereinstellungsanspruch ausgesetzt zu sein. Ebenfalls kein Wiedereinstellungsanspruch dürfe dann entstehen, wenn der Arbeitgeber zwar prognosebedingt vorzeitig kündigt, sich aber das prognostizierte Ereignis verwirklicht, indem zum prognostizierten Zeitpunkt tatsächlich der betroffene Arbeitsplatz entfällt.960 Wer vorzeitig aufgrund einer Veränderungsprognose kündigt, soll also das Risiko dafür tragen, dass die prognostizierte Veränderung tatsächlich eintritt. Tritt die Veränderung nicht ein, ist der Wiedereinstellungsanspruch der Preis für die verfrühte Kündigung. Demnach soll ein Wiedereinstellungsanspruch nur in den Fällen der betriebsbedingten Kündigung wegen zukünftigen Wegfalls des Arbeitsplatzes – nicht aber wegen bereits eingetretenen Wegfalls – sowie bei der Verdachtskündigung961 zu bejahen sein. In allen anderen Fällen wird dagegen ein Wiedereinstellungsanspruch verneint, weil es insoweit lediglich um eine Stabilitätsprognose des Arbeitgebers gehe. Die Stabilitätsprognose habe die Stabilität der bestehenden Verhältnisse zum 960 961 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 579 f. Zum (nach hier vertretener Auffassung verfehlten) Ansatz einer Veränderungsprognose bei der Verdachtskündigung siehe oben unter C.VII.1.a)(4)(a) „Prognose über “ auf Seite 148. - 376 Gegenstand. Bei der verhaltensbedingten Kündigung gehe es darum, ob sich die bereits erfolgte Vertragsstörung nicht in Zukunft beheben lasse. Bei der krankheitsbedingten Kündigung habe die negative Gesundheitsprognose die Funktion, die Stabilität der gegenwärtigen Störung des Vertragsverhältnisses festzustellen. Schließlich sei noch der Fall der betriebsbedingten Kündigung wegen bereits eingetretenen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit zu nennen. Insoweit gehe es um die Frage, ob das Fehlen einer anderweitigen zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeit andauere. Bei der Stabilitätsprognose sei eine Wiedereinstellung deshalb zu verneinen, weil der Arbeitgeber nicht die Wahl habe, aufgrund der Prognose vorzeitig zu kündigen oder ihre Verwirklichung abzuwarten. Wollte man den Arbeitgeber auf letzteres verweisen, so könnte er gar nicht kündigen. Denn ob die Störung des Vertragsverhältnisses stabil bleibe, lasse sich erst sagen, wenn alle erdenkliche Zukunft des Arbeitsverhältnisses verstrichen sei. Dies liefe auf eine faktische Unkündbarkeit hinaus, die schon verfassungsrechtlich unzulässig sei. Mangels einer arbeitgeberungünstigen Alternative lasse sich die Stabilitätsprognose daher anders als die Veränderungsprognose nicht als Zugeständnis an den Arbeitgeber begreifen. Damit entfalle zugleich die innere Rechtfertigung des Wiedereinstellungsanspruchs.962 (2) Unbeachtlichkeit der Widerlegung der Prognose bereits nach dem Zeitpunkt ihrer prognostizierten Verwirklichung Der auf die Veränderungsprognose beschränkte Wiedereinstellungsanspruch ist folgerichtig auch zeitlich beschränkt auf den prognostizierten Verwirklichungszeitpunkt, also den Zeitpunkt, in dem der Arbeitsplatz entfallen soll. Diese zeitliche Grenze stimmt regelmäßig mit der h.M. überein, die auf den Ablauf der Kündigungsfrist abstellt. In der Regel wird der Arbeitgeber so 962 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 577. - 377 rechtzeitig kündigen, dass die Kündigungsfrist in dem Zeitpunkt abläuft oder bereits abgelaufen ist, in dem nach seiner Prognose die Beschäftigungsmöglichkeit entfallen wird. Ein relevanter Unterschied ergibt sich demnach, wenn der Arbeitgeber den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zu einem Zeitpunkt plant, zu dem er unter Beachtung der Kündigungsfristen nicht mehr rechtzeitig kündigen kann. In diesem Fall sei es sachgerecht, Tatsachenänderungen nur bis zum Zeitpunkt des prognostizierten Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit zu berücksichtigen, da ansonsten ein sachlich nicht gerechtfertigter Closed-Shop-Anspruch der Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit entstünde.963 Die Anspruchsentstehung soll sich also an einem Zeitpunkt entscheiden, den Zeitpunkt des prognostizierten Arbeitsplatzwegfalls. Nur in diesem Zeitpunkt könne der Anspruch auf Wiedereinstellung entstehen. Eine weiterlaufende Kündigungsfrist soll daran nichts ändern. (3) Stellungnahme Dass trotz des überzeugenden Grundansatzes eine Differenzierung zwischen Veränderungs- und Stabilitätsprognose für die Wiedereinstellungsfrage nicht überzeugt, zeigt sich indes gerade am Beispiel der betriebsbedingten Kündigung. (a) Nebeneinander von Stabilitäts- und Veränderungsprognose Neben der „Veränderungs“-Prognose des zukünftigen Wegfalls des Arbeitsplatzes kommt es stets auch auf eine „Stabilitäts“-Prognose mit dem Inhalt an, dass sich nach dem Wegfall des Arbeitsplatzes in absehbarer Zeit keine zumutbare anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit ergibt. Das Gesetz achtet den betriebsbedingten Wegfall des Arbeitsplatzes und das Nichtvorhandensein anderer zumutbarer Beschäftigungsmöglichkeiten gleich (§ 1 II 1 und 2 KSchG). Entscheidend ist nur, ob „betriebliche Erfordernisse“ einer 963 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 580. - 378 „Weiterbeschäftigung“ entgegenstehen. Die vom Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt anzustellende Prognose umfasst damit zweierlei: Den Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes und die Nichtabsehbarkeit anderer zumutbarer Beschäftigungsmöglichkeiten (gegebenenfalls nach Umschulungsoder Fortbildungsmaßnahmen). Es kommt also – in der Terminologie von Meinel/Bauer – stets sowohl auf eine Veränderungs- als auch auf eine Stabilitätsprognose an, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt vor dem Wegfall des Arbeitsplatzes kündigt. Kündigt er erst mit Wegfall des Arbeitsplatzes, reduziert sich die Prognose auf den Stabilitätsaspekt, also auf das dauerhafte Nichtvorhandensein anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten. Bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungsgründen umfasst die Prognose ebenfalls diesen Stabilitätsaspekt, da die Kündigungsvoraussetzung einer fehlenden anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 II 2 KSchG auf alle drei Grundarten der sozial gerechtfertigten Kündigung Anwendung findet. Insoweit ist lediglich der praktische Anwendungsbereich der Vorschrift geringer, da eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsbefugnis naturgemäß meist unabhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsplatzes bestehen bleibt. (b) Prognoseinhalt hinsichtlich anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten Hinsichtlich anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten muss der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt prognostizieren, dass während des Laufs der Kündigungsfrist und auch in engem zeitlichen Zusammenhang nach deren Ablauf kein anderer geeigneter Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen frei werden wird, auf dem eine Weiterbeschäftigung zumutbar wäre.964 Die Kündigung ist rechtsunwirksam, wenn schon im Kündigungszeitpunkt feststeht, dass ein geeigneter Arbeitsplatz während oder in absehbarer Zeit nach Ablauf 964 BAG (2 AZR 327/94), AP Nr. 67 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG (2 AZR 180/95), NZA 1996, 931, 933. - 379 der Kündigungsfrist frei werden wird, wobei die Praxis für die zumutbare Überbrückungszeit auf den Zeitraum abstellt, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde.965 Im gleichen Sinne hat das BAG zu der Sonderregelung des § 1 II 3 KSchG entschieden.966 (c) Unzumutbarkeit des Abwartens der Veränderung Falsch ist, dass man den Arbeitgeber bei einem bevorstehenden Wegfall des Arbeitsplatzes auf ein Abwarten der Verwirklichung der Prognose(n) verweisen könnte, womit die Möglichkeit eröffnet wäre, eine nicht prognoseabhängige Kündigung auszusprechen, die dann auch keinem möglichen Wiedereinstellungsanspruch ausgesetzt werden dürfte. Innere Rechtfertigung für den Wiedereinstellungsanspruch ist nicht etwa ein in der prognosebedingten Kündigung verborgenes Zugeständnis an den Arbeitgeber, für das er den Tribut der Wiedereinstellung zahlen müsste, wenn die Prognose später widerlegt wird. Die Alternative des Abwartens des tatsächlichen Wegfalls des Arbeitsplatzes vor Ausspruch der Kündigung ist dem Arbeitgeber schon gar nicht zumutbar, weil das KSchG auf eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit abstellt und damit die Situation bei Beendigung der Vertragsbeziehungen, also nach Ablauf der Kündigungsfrist, meint. Der mit der Pflicht zur Entgeltzahlung verknüpfte Lauf der Kündigungsfrist soll daher in die Zeit vor dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit fallen. Noch viel weniger zumutbar (aber möglich) wäre ein Abwarten der sog. Stabilitätsprognose mangelnder anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten. Hierfür müsste der Arbeitgeber entsprechend den geschilderten Grundsätzen über den Zeitpunkt des Wegfalls 965 966 des Arbeitsplatzes hinaus auch noch den zumutbaren BAG (2 AZR 327/94), EzA § 1 KSchG Nr. 75 ; von Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG (2 AZR 242/94), EzA § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77, zu IV 2; Tschöpe, BB 2000, 2630, 2632. BAG (2 AZR 205/90), AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Umschulung. - 380 Überbrückungszeitraum abwarten, denn auf diese Grenze ist die Prognose ausgerichtet, nicht auf „alle erdenkliche Zukunft“. Es würde der Konzeption des KSchG widersprechen, den Arbeitgeber auf eine unzumutbare Verhaltensalternative zu verweisen und daraus die Freistellung von einer möglichen Wiedereinstellungspflicht ableiten zu wollen. (d) Keine prinzipielle Abhängigkeit der Wiedereinstellung von nur graduellen Unterschieden zwischen den Prognosearten Richtig ist, dass es sich bei allen kündigungsbegründenden Prognoseentscheidungen, mit Ausnahme der Prognose über den Wegfall des Arbeitsplatzes bei der betriebsbedingten Kündigung, um solche ohne festen Bezugspunkt handelt. Daraus ergibt sich indes nicht, dass ein Wiedereinstellungsanspruch bis auf den einen Fall ausscheiden muss, in dem nach betriebsbedingter Kündigung unerwartet der betroffene Arbeitsplatz doch erhalten bleibt. Auch bei der sog. Stabilitätsprognose gibt es ein Ereignis, auf dessen Eintritt bzw. Nichteintritt der Arbeitgeber warten könnte. Es macht insoweit keinen prinzipiellen Unterschied, ob der Arbeitgeber auf den von ihm prognostizierten Wegfall des Arbeitsplatzes wartet oder auf das Entstehen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten. In beiden Fällen können nachfolgende Ereignisse die Prognose widerlegen. Im Übrigen passt es nicht zusammen, wenn Meinel/Bauer einerseits nur bei Inanspruchnahme einer Veränderungsprognose durch den Arbeitgeber einen Wiedereinstellungsanspruch gewähren wollen, dies andererseits aber damit begründen, der Wiedereinstellungsanspruch sei eine Korrektur der Prognosekündigungsmöglichkeit, weshalb eine Wiedereinstellungsoption nur den Zustand herstellen könne, wie er ohne die Prognosekündigungsmöglichkeit - 381 bestünde.967 Da auch die Stabilitätsprognose eine Prognose ist, bedürfte es schon der Behauptung, der Wiedereinstellungsanspruch sei eine Korrektur nur der Veränderungsprognose, nicht aber der Stabilitätsprognose. Für eine Differenzierung mit derart weitreichenden Folgen lässt sich aber keine stichhaltige Begründung anführen, denn die Unterschiede zwischen beiden Prognosearten sind lediglich gradueller Natur. Die Veränderungsprognose, der vom Arbeitnehmer besetzte Arbeitsplatz werde dauerhaft entfallen, kann anders formuliert durchaus auch als Stabilitätsprognose verstanden werden, etwa wenn man sie auf die Formel bringt, es werde bei der Unternehmerentscheidung und ihren betrieblichen Auswirkungen auf den Arbeitskräftebedarf mit der Konsequenz des dauerhaften Wegfalls des betreffenden Arbeitplatzes bleiben. Umgekehrt ist die Stabilitätsprognose, auch in Zukunft sei nicht mit anderen Beschäftigungsmöglichkeiten zu rechnen, nichts anderes als eine negative Veränderungsprognose, denn Gegenstand der Prognose ist, dass es gerade nicht zu einer Veränderung kommt. Beide Prognosearten weisen also keinen prinzipiell verschiedenen Charakter auf, der eine Entweder-Oder-Lösung der Wiedereinstellungsfrage erklären könnte. e) Stellungnahme (1) Ungeeignetheit der Kündigungsfrist An der insbesondere vom 7. Senat geäußerten Auffassung, mit dem Ablauf der Kündigungsfrist und der damit einhergehenden endgültigen Lösung der Vertragsbeziehungen fehle Wiedereinstellungsanspruch 967 es an einer deshalb, Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 576. Rechtsgrundlage weil die für einen gegenseitigen - 382 Interessenwahrungspflichten nicht über die Beendigung der Vertragsbeziehung hinausreichten, vielmehr nur noch nachvertragliche Pflichten bestünden, die auf die Abwicklung, jedenfalls nicht auf die Neubegründung des Vertragsverhältnisses zielten, überzeugt neben den bereits geschilderten Einwänden gegen die Heranziehung von Interessenwahrungspflichten968 auch die dann notwendige Begrenzung der Anspruchsentstehung auf den Ablauf der Kündigungsfrist nicht. (a) Beispiel Klassischer Betriebsübergang Dies zeigt sich, wenn wegen beabsichtigter Betriebsstillegung allen Arbeitnehmern mit Rücksicht auf den stufenweisen Abbau der Betriebstätigkeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Entlassungsterminen gekündigt wird. Wiedereinstellungsansprüche würden sich für einen Teil der Belegschaft deshalb ergeben, weil zufällig ihre Kündigungsfristen noch nicht abgelaufen waren, als der Betriebsübergang sich unerwartet abzeichnete und greifbare Formen annahm. Für den anderen Teil der Belegschaft, dessen Kündigungsfristen bis zum Tag vor diesem Ereignis bereits abgelaufen waren, müsste hingegen eine Wiedereinstellung ausscheiden. Unter diesen ausgeschiedenen Arbeitnehmern könnten durchaus auch solche mit hoher sozialer Schutzbedürftigkeit und langer Kündigungsfrist anzutreffen sein, wenn sich der Unternehmer ihnen gegenüber seiner betrieblichen Abwicklungsplanung entsprechend zu einer früheren Kündigung entschieden hätte. Die praktischen Ergebnisse hingen vom Zufall ab.969 Missbrauchsmöglichkeiten der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit in der Abwicklungsphase wären zudem evident, wenn Veräußerer und Erwerber zum Nachteil schutzwürdigerer Arbeitnehmer zusammenwirken, um einen von Soziallasten freien Erwerb mit der Konsequenz eines höheren Betriebswertes zu ermöglichen.970 Auch mit 968 Siehe oben unter C.III.2 „(Nachwirkende) Fürsorgepflicht / Interessenwahrungspflicht“ auf Seite 76. 969 So auch Manske, FA 1998, 143, 145; Krause, ZfA 2001, 67, 98. 970 Krause, ZfA 2001, 67, 90. - 383 dem Schutzzweck des § 613a BGB, den Bestand der Arbeitsverhältnisse unabhängig vom Übergang des Betriebs(teils) an den Erhalt der Arbeitsplätze zu koppeln971, wären derlei Missbrauchsmöglichkeiten unvereinbar. Dem Erwerber mag der Verlauf der Kündigungsfrist und seine Länge egal sein, er hat die Kündigung nicht veranlasst, braucht den Verlauf der Kündigungsfrist nicht zu kennen und muss ihn schon gar nicht gegen sich gelten lassen. Für die Anwendung des auf eine teleologische Extension des § 613a BGB gestützten Wiedereinstellungsanspruchs ist allein der Erhalt der Arbeitsplätze bedeutsam. Insoweit ist also der Randbemerkung des 2. Senats aus seiner Entscheidung vom 04.12.1997972 zu folgen, der eine Begrenzung der Anspruchsentstehung auf den Ablauf der Kündigungsfrist als „problematisch“ einordnete. Raab973 beschreibt die Ungeeignetheit der Kündigungsfrist zur Anspruchsbegrenzung so, dass es sich um eine einheitliche Maßnahme handele, die die Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer rechtfertigen solle. Dann könne es auch nur darauf ankommen, ob bei Ablauf der Kündigungsfrist des letzten betroffenen Arbeitnehmers noch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung der Arbeitsverhältnisse bestehe. Sei dies zu verneinen, müsse auch allen infolge der Maßnahme bereits entlassenen Arbeitnehmern ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen. Wollte man anders entscheiden, bliebe es von den Zufälligkeiten des Zeitpunkts des Zugangs der Kündigungserklärung, der Dauer der Kündigungsfrist und den Unwägbarkeiten der zeitlichen Entwicklung betrieblicher Umstände abhängig, ob der Wegfall des Kündigungsgrundes sich im Einzelfall noch anspruchsbegründend auswirke oder nicht. 971 So im Anschluss an Langenbucher, ZfA 1999, 299, 306 ff: Oetker, ZIP 2000, 643, 650; Kittner/Däubler/Zwanziger, § 613a BGB Rn 127. 972 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 703. 973 Raab, RdA 2000, 147, 155. - 384 (b) Beispiel Betriebsübergang durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft des Funktionsvorgängers Als ungeeignet muss sich der Ablauf der Kündigungsfrist auch als zeitliche Grenze der Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs im Anschluss an einen Betriebsübergang durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft erweisen: Wollte man den Arbeitnehmern einen Wiedereinstellungsanspruch versagen, deren Kündigungsfrist zum Zeitpunkt der Auftragsübernahme bereits abgelaufen war, so würde man die grundsätzliche Anerkennung der Wiedereinstellungspflicht in diesen Fällen in Frage stellen. Einerseits wird der Arbeitgeber so rechtzeitig kündigen, dass die Kündigungsfristen der meisten Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Auftragswegfalls, erst recht aber zum Zeitpunkt der Funktionsnachfolge, bereits abgelaufen sind. Andererseits handelt es sich um einen zweistufigen Tatbestand. Der Anspruch entsteht erst, wenn der Auftragsnachfolger bereits den wesentlichen Teil der Belegschaft willentlich erneut eingestellt hat. Dass zu diesem Zeitpunkt noch Kündigungsfristen offen sind, wird man nur annehmen können, wenn der Auftragsnachfolger noch vor dem Zeitpunkt der Auftragsübernahme eine Absprache mit einem nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals trifft und diesem eine ununterbrochene Fortsetzung der Arbeit ermöglicht. Übernimmt er aber den Auftrag und stellt dann erst nach und nach weitere Arbeitnehmer seines Auftragsvorgängers ein, so wird der für die Tatbestandserfüllung zu erreichende Schwellenwert zu einem Zeitpunkt überschritten, in dem alle Kündigungsfristen beim bisherigen Auftragnehmer mit einiger Wahrscheinlichkeit längst abgelaufen sind. Im Regelfall wäre es demnach nicht einmal notwendig, dem auf den Ablauf der Kündigungsfrist begrenzten Wiedereinstellungsanspruch durch Verzögerung auszuweichen, da aufgrund der Besonderheiten dieser Fallgruppe noch offene - 385 Kündigungsfristen zum maßgeblichen Zeitpunkt, also der Überschreitung des Schwellenwertes bei der Übernahme von Personal, eher selten sein dürften. Im Übrigen wäre die Privilegierung von Arbeitnehmern, denen zu einem späteren Zeitpunkt gekündigt wurde, kaum einzusehen.974 Für den Auftragsübernehmer Wiedereinstellungsansprüche Betriebsübergang wäre dadurch hinausschiebt. es nur auszuschließen, Dazu müsste er zu einfach, dass nicht er den einmal die Auftragsnachfolge ablehnen. Ausreichend wäre es bereits, wenn er die neue Aufgabe durch seine bisherige Belegschaft eine Zeit lang in Mehrarbeit erfüllen ließe, während er mit den entlassenen Arbeitnehmern zwecks wirtschaftlich sinnvoller Personalauswahl in Kontakt tritt. Diese bloße Funktionsnachfolge würde allein nicht die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs erfüllen.975 Nach Abwarten eines Zeitraums, jenseits dessen vom Auslaufen auch der letzten Kündigungsfrist ausgegangen werden könnte, stünde es ihm frei, beliebig viele mit der Aufgabe vormals beschäftige Arbeitnehmer seines Wettbewerbers zur Erfüllung des Auftrags zu übernehmen, ohne einem Wiedereinstellungsanspruch der von ihm nicht übernommenen (älteren) Arbeitnehmer ausgesetzt zu sein. Der von ihm abzuwartende Zeitraum wäre denkbar kurz, denn der vormalige Auftragnehmer wird die Kündigungen so rechtzeitig aussprechen, dass die Kündigungsfristen regelmäßig bereits mit der Auftragsübernahme auslaufen. Der Schutzzweck des § 613a IV 1 BGB ließe sich so nicht erreichen.976 Kündigungen, die sich in der Rückschau als Kündigungen wegen des Betriebsübergangs darstellen, blieben in ihrer faktischen Wirkung unberührt, nur 974 Nicolai/Noack, ZfA 2000, 87, 103. 975 BAG (8 AZR 156/96), NZA 1996, 869, 869 f. 976 Ähnlich Walker, SAE 1998, 103, 107; Meyer, NZA 2000, 297, 301. - 386 weil der Funktionsvorgänger rechtzeitig gekündigt hat. Auch das Anliegen des KSchG, eine Sozialauswahl sicherzustellen, würde verfehlt. (c) Beispiel Betriebsfortführung durch den bisherigen Betriebsinhaber Das gleiche Problem stellt sich auch, wenn sich unabhängig von einem Betriebsübergang ein Arbeitgeber zur Stillegung des Betriebs oder einer Betriebsabteilung entschließt, allen dort beschäftigen Arbeitnehmern kündigt, und zwar die schutzbedürftigeren Arbeitnehmer mit längerer Kündigungsfrist zuerst, und er sich dann nach Ablauf eines Teils der Kündigungsfristen aufgrund veränderter äußerer Umstände doch zur Fortführung des Betriebes oder Betriebsteils entschließt. Der Zufall des Ablaufs der Kündigungsfristen bzw. seine Steuerung durch den Arbeitgeber würde auch hier über die endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheiden. Das kann nicht richtig sein. Es zeigt sich, dass eine Spaltung der Belegschaft je nach dem Lauf individueller Kündigungsfristen für den Wiedereinstellungsanspruch keinen Sinn macht. (2) Vermeidung einer uferlosen Anspruchsentstehung (a) Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Betriebsübergang und Betriebsstillegung Eine übermäßige Ausdehnung der Anspruchsentstehung über den Ablauf der Kündigungsfristen hinaus ist dabei im Betriebsübergangsrecht nicht zu befürchten. Ergibt sich erst längere Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist und Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb ein rechtsgeschäftlicher „Übergang“ materieller oder immaterieller Betriebsmittel, so wird nicht mehr von einem Betriebsübergang auszugehen sein, weil es zuvor bereits zu einer Stillegung gekommen ist. - 387 Nach allgemeiner Ansicht schließen die Stillegung eines Betriebes und dessen Übergang einander aus, denn sie lösen unterschiedliche Schutzregelungen zugunsten der Arbeitnehmer aus.977 Ein Betrieb wird stillgelegt, wenn die bislang zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Betriebs- und Produktionsgemeinschaft dauerhaft oder zumindest für eine ihrer Dauer nach unbestimmte wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeit aufgegeben wird und dies auf einem Entschluss des Betriebsinhabers bzw. des Insolvenzverwalters beruht.978 Wegen Betriebsstillegung kann allerdings nicht gekündigt werden, wenn der bisherige Betriebsinhaber noch in Verhandlungen mit einem oder mehreren potentiellen Erwerbern über die Veräußerung des Betriebes oder Betriebsteils steht.979 Während die tatsächlich durchgeführte Betriebsstillegung die durch die wirksame betriebsbedingte Kündigung erreichte Lösung des Arbeitsverhältnisses gegenüber jedem Arbeitnehmer endgültig zementiert, selbst wenn er betrieblicher Funktionsträger sein sollte (§ 15 IV KSchG), führt die wirksame Kündigung wegen Betriebsstillegung bei nachfolgendem Betriebsübergang zu einem Anspruch auf Wiedereinstellung. Folgerichtig wird schon die Wirksamkeit der Kündigung wegen geplanter und eingeleiteter Betriebsstillegung durch einen später erreichten Betriebsübergang ebenso wenig berührt 980 wie die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen 977 BAG (5 AZR 49/78), NJW 1980, 2543, 2543; BAG (7 AZR 652/85), NZA 1987, 700, 702; LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 241; LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457, 458; Wank, SAE 1998, 209, 210; Franzen, DZWIR 2000, 247, 249; Meyer, NZA 2000, 297, 299; Krause, ZfA 2001, 67, 93; MünchArbR II – Wank, § 120 Rn 49. 978 Franzen, DZWIR 2000, 247, 249; MünchArbR II – Wank, § 120 Rn 51. 979 BAG (2 AZR 477/95), NZA 1997, 251, 251. 980 BAG (2 AZR 623/787), NZA 1989, 265, 265; LAG Hamm (2 Sa 1111/98), NZA-RR 1999, 576, 576. - 388 Betriebsübergangs durch dessen Scheitern und die daraufhin notwendige Stillegung981. Die Abgrenzung kann im einzelnen schwierig sein.982 Die faktische Stillegung als solche genügt jedenfalls alleine nicht, um einen Betriebsübergang generell zu verneinen.983 Als praktikables Abgrenzungskriterium sieht die Rspr. vor allem den Zeitraum der Unterbrechung der Betriebstätigkeit an. Eine Schließung für einen Zeitraum von zehn Monaten984 soll demnach als Betriebsstillegung anzusehen sein und damit der Annahme eines Betriebsübergangs und folglich auch einem Wiedereinstellungsanspruch entgegenstehen, wenn danach aus den materiellen und/oder immateriellen Betriebsmitteln ein neuer Betrieb entsteht. Möglicherweise können bereits drei Monate Schließungszeit985 ausreichen.986 Um eine Aushöhlung des Anwendungsbereichs der Betriebsübergangsrichtlinie zu vermeiden, ist für das österreichische Recht bereits überlegt worden, eine Betriebsstillegung nur bei einer echten Zerschlagung der Betriebsorganisation anzuerkennen, damit nicht der Betriebsmittelerwerber auf der Basis des übernommenen Sachsubstrats eine völlig neue Belegschaft aufbauen kann.987 Für die Ausgangsfrage, ob der Wiedereinstellungsanspruch einer festen zeitlichen Entstehungsgrenze bedarf, bleibt festzuhalten, dass jedenfalls für den Bereich des Betriebsübergangsrechts eine uferlose Anspruchsentstehung 981 982 983 984 BAG (2 AZR 596/87), NZA 1989, 461, 461; BAG (2 AZR 127/91), NZA 1991, 891, 892 f. Zur Umgehungsgefahr durch Scheinstillegungen Pietzko Diss., S. 61 ff; Wank, SAE 1998, 209, 211. Wank, SAE 1998, 209, 211. LAG Berlin (9 Sa 77/86), LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 9 = DB 1987, 1360, 1360. 985 LAG Berlin (11 Sa 141/96), BB 1999, 1877, 1877 f. 986 Näher hierzu Sandmann, SAE 2000, 295, 299 m.w.N. 987 Binder, DRdA 1996, 1, 4 m.w.N. - 389 ohnehin nicht zu befürchten ist, da die Praxis bereits einen zeitlich schrankenlosen Betriebsübergang nicht zulässt. Vielmehr soll es sich nach längerem Zeitablauf um eine Neugründung im Anschluss an eine Stillegung handeln. Von vornherein ist der Wiedereinstellungsanspruch damit auch zeitlich begrenzt. (b) Keine zeitlich unbegrenzte Anspruchsentstehung auch nach anderen Kündigungsgründen Andererseits würde es für die übrigen Kündigungsgründe aber verwundern, wenn etwa 10 Jahre nach einer betriebsbedingten Einzelkündigung die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes eine Informations- und Wiedereinstellungspflicht auslösen könnte, nur weil zufällig der vor einem Jahrzehnt Entlassene dafür in Frage käme. Nicht anders verhält es sich bei der krankheitsbedingten Kündigung. Die Gesundung des Arbeitnehmers nach vielen Jahren sollte den Arbeitgeber auch dann nicht mehr interessieren müssen, wenn zu diesem Zeitpunkt zufällig ein geeigneter neuer Arbeitsplatz frei sein sollte. Der völlige Verzicht auf eine zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung ist zwar unbestreitbar praktikabel und wird wegen des grundsätzlichen Vorrangs arbeitgeberseitiger Dispositionen für den Regelfall zu praktisch vertretbaren Ergebnissen führen. Berücksichtigt man zutreffend auch anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten, so können sich jedoch im Einzelfall mit der Rechtssicherheit kaum vereinbare Ergebnisse einstellen. Es muss also ebenfalls vermieden werden, dass der Arbeitgeber, anstatt seine Privatautonomie zu betätigen, bei jeder neuen Einstellungsentscheidung zunächst einmal zu prüfen hätte, ob nicht unter den jemals entlassenen Arbeitnehmern geeignete Bewerber zu finden sind, denen dann vorrangig eine Wiedereinstellung angeboten werden müsste. Der Arbeitnehmer erhält mit dem Ausbleiben prognostizierter bzw. dem Eintritt prognosewidriger Umstände nicht mehr als eine Chance auf Wiedereinstellung. Er erwirbt keinen dauerhaften Besitzstand nach der Art eines Tauschrechts für seinen beruflichen Werdegang. Von diesen praktischen Überlegungen abgesehen muss bereits die zeitliche Begrenztheit des Prognoseprinzips eine zeitliche Entstehungsgrenze für den - 390 Wiedereinstellungsanspruch vorgeben, will man nicht den zulässigen Ausgangspunkt der Wiedereinstellungspflicht verlassen. (3) Anspruchsentstehung innerhalb der zeitlichen Reichweite der kündigungsbegründenden Prognose Das der Anerkennung der Wiedereinstellungspflicht zugrunde liegende Prognoseprinzip reicht seinerseits zeitlich nicht unbegrenzt in die Zukunft. Insoweit ist es sachgerecht, von einem Prognosehorizont zu sprechen, der die zeitliche Erstreckung der Prognose in die Zukunft beschreibt, denn keine Prognose ist „auf alle erdenkliche Zukunft“ gerichtet. (a) Zeitliche Ausrichtung des Wiedereinstellungsanspruchs an der Reichweite der kündigungsbegründenden Prognose Das vorausgesetzt zeigt sich auch, dass die Ausgangsfrage nicht falsch gestellt werden darf. Es darf nicht heißen: Bis zu welchem Zeitpunkt ist die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose beachtlich? Die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose ist nämlich stets beachtlich, ist damit doch gemeint, dass der mit idealem Wissen ausgestattete Arbeitgeber wirksam nicht hätte kündigen dürfen. Hätte er aber trotz überlegenen Wissens kündigen dürfen, dann ist der Kündigungsgrund schon gar nicht entfallen. In der weiteren Entwicklung der Ereignisse treten dann nur Umstände auf, die die Prognose nicht widerlegen und auf die daher auch kein Wiedereinstellungsanspruch gestützt werden kann. Die korrekte Frage muss also lauten: Innerhalb welchen zeitlichen Rahmens ist eine Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose möglich? Da die Prognose der Legitimation der Kündigung dient, lautet die Antwort schlicht: Die kündigungsbegründende Prognose kann nur durch Umstände widerlegt werden, die sie bei hypothetischer Bekanntheit im Kündigungszeitpunkt bereits falsifiziert und damit einer wirksamen Kündigung entgegengestanden hätten. - 391 Damit sind die zeitlichen Grenzen der Anspruchsentstehung für den Wiedereinstellungsanspruch vorgegeben. Sie sind identisch mit der zeitlichen Erstreckung der kündigungsbegründenden Prognose in die Zukunft (Prognosehorizont). Der Ansatz von Meinel/Bauer988 weist daher prinzipiell in die richtige Richtung, denn er orientiert sich an der Grundannahme, dass die zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung an die zeitliche Begrenztheit der Prognoseentscheidung gebunden ist. (b) Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose mit festem Bezugspunkt Einen festen Bezugspunkt hat allein die als Voraussetzung für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung anzustellende Prognose, dass der vom Kündigungsempfänger besetzte Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist dauerhaft entfallen wird. Es handelt sich um die Prognose eines Umstandes, den der Arbeitgeber als freie Unternehmerentscheidung bewusst und zielgerichtet durch eigenen Willensentschluss schafft.989 Die Prognose ist widerlegt, wenn die vom Arbeitgeber selbst an einen bestimmten Zeitpunkt gebundene Veränderung nicht eintritt, der Arbeitsplatz also prognosewidrig erhalten bleibt. 988 989 Siehe oben unter G.II.2.d) „Unterscheidung zwischen Veränderungs- und Stabilitätsprognose – Ansatz von Meinel/Bauer“ auf Seite 374. Keinen Unterschied macht es dabei, ob der Arbeitgeber seine Kündigungsentscheidung auf inner- oder außerbetriebliche Gründe stützt. Auch wenn außerbetriebliche Gründe (bspw. Auftragsmangel) angegeben werden, handelt es sich jedenfalls um eine eigenständige unternehmerische Entscheidung, weil allein der Unternehmer entscheidet, mit welchem Konzept auf neue außerbetriebliche Umstände reagiert werden soll. - 392 Es bedarf hier keiner weitergehenden Einschränkung in zeitlicher Hinsicht. Der Arbeitgeber bleibt auch auf der Wiedereinstellungsebene an das eigene Konzept und den von ihm intendierten Verwirklichungszeitpunkt gebunden. (c) Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognosen ohne festen Bezugspunkt Alle anderen kündigungsbegründenden Prognosen haben dagegen keinen festen Bezugspunkt, d.h. es fehlt ihnen an einem konkreten Verwirklichungszeitpunkt in der Zukunft. Das gilt einmal für negative Prognosen wie das dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten Fehlen (ggf. anderweitiger nach zumutbarer Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen990) gemäß § 1 II 2 und 3 KSchG. Ebenfalls ohne festen Bezugspunkt bleiben aber auch positive Prognosen wie die Fehlzeitenprognose bei der krankheitsbedingten Kündigung oder die Prognose über eine mögliche Wiederholung des einschlägigen Fehlverhaltens bei der verhaltensbedingten Kündigung. i) Widerlegung innerhalb der Kündigungsfrist Eine Widerlegung noch innerhalb der Kündigungsfrist ist bei der Prognose ohne festen Bezugspunkt stets möglich. Wäre in Vorausschau der zukünftigen Entwicklung von Anfang an zutreffend prognostiziert worden, dass sich noch innerhalb der Kündigungsfrist die belastenden Auswirkungen einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erübrigen, hätte folgerichtig eine Kündigungsbefugnis verneint werden müssen, weil sie wegen der Notwendigkeit der Einhaltung einer Kündigungsfrist zur Vermeidung dieser Belastungen ungeeignet wäre. 990 Als für den Wiedereinstellungsanspruch zunächst uninteressant erweist sich dagegen die 3. Alternative des § 1 II 3 KSchG, also die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen. Insoweit kommt es auf das Ultima-ratio-Prinzip und das Verhältnis von Beendigungs- und Änderungskündigung an. - 393 ii) Widerlegung nach dem Entlassungstermin Die kündigungsbegründende Prognose kann darüber hinaus möglicherweise auch noch nach dem Entlassungstermin widerlegt werden, wenn im Falle hypothetischer idealer Kenntnis der zukünftigen Entwicklung im Kündigungszeitpunkt eine kündigungsbegründende Prognose nicht hätte erstellt werden können, weil es dem Arbeitgeber zumutbar gewesen wäre, auch die Belastungen, wie sie sich nach dem Entlassungstermin dann wirklich ergeben haben, zu überbrücken, um die Kündigung als Ultima-Ratio zu vermeiden. Jenseits dieses Prognosehorizonts kann die Prognose nicht widerlegt werden. Anders gewendet: Was der mit idealem Wissen ausgestattete Arbeitgeber bei der Kündigung nicht einmal im Rahmen einer Prognoseüberlegung hätte bedenken müssen, dass kann ihn auch später nicht zu einer Wiedereinstellung verpflichten. (4) Nach dem Prognosehorizont zu unterscheidende Prognosearten (a) Betriebsbedingte Kündigung i) Kombination einer Prognose mit und einer ohne festen Bezugspunkt Der Unterschied zwischen den verschiedenen Prognosearten zeigt sich gerade am Beispiel der betriebsbedingten Kündigung besonders deutlich: Zum einen wird der (positive) Eintritt eines Ereignisses prognostiziert, nämlich der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, zum anderen der (negative) Nichteintritt eines Ereignisses, nämlich das Nichtentstehen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten. Der positive Eintritt eines Ereignisses ist an den vom Arbeitgeber intendierten Verwirklichungszeitpunkt gebunden, weshalb sich Überlegungen über eine zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung insoweit von vornherein erübrigen. Das Ereignis tritt entweder ein, womit sich dieser Teil der Prognose unwiderlegbar bestätigt, oder es tritt nicht ein, womit die Prognose insoweit widerlegt wird. - 394 Der negative Nichteintritt eines Ereignisses kann dagegen nicht auf unbestimmte Zeit prognostiziert werden. Es fehlt insoweit an einem festen zeitlichen Bezugspunkt. Nun muss der Arbeitgeber zum Kündigungszeitpunkt seine Prognose überhaupt nur soweit in die Zukunft ausrichten, wie sein gegenwärtiger Erkenntnisstand das zulässt. In jedem Fall berücksichtigen muss er dabei wie erörtert die von ihm erkannten Veränderungen, die sich noch innerhalb der Kündigungsfrist ergeben werden. Die Rspr. weist aber der Prognose eine Reichweite über den Entlassungstermin hinaus zu, wenn sie es für zumutbar hält, dass der Arbeitgeber bei einer von ihm erkannten zumutbaren anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit nach dem intendierten Entlassungstermin auf die Kündigung verzichtet und statt dessen den Annahmeverzugslohn zahlt, sofern nur der Zeitraum zwischen dem Entlassungstermin und dem Entstehen der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit keinen zu großen Umfang hat. Für die Prognose außer Betracht bleiben also nur solche anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers erst nach einem unzumutbar langen Überbrückungszeitraum erlauben. Umstände, die eine Weiterbeschäftigung erst jenseits des zumutbaren Überbrückungszeitraums erlauben, sind weder für die Kündigung noch für eine Wiedereinstellung von Interesse. Sie werden nicht Gegenstand der kündigungsbegründenden Prognose. Umstände dagegen, die innerhalb des zumutbaren Überbrückungszeitraums eine Weiterbeschäftigung ermöglichen, stehen einer wirksamen Kündigung bei Kenntnis des Arbeitgebers im Kündigungszeitpunkt entgegen. Treten solche Umstände oder auch nur die positive Kenntnis des Arbeitgebers hiervon991 erst nach Zugang der Kündigungserklärung 991 ein, so bewirkt das eine Widerlegung der Siehe hierzu oben unter Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. „Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.“ auf Seite Fehler! Textmarke nicht definiert.. - 395 kündigungsbegründenden Prognose mit der Konsequenz der Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs. ii) Widerlegung der Prognose des Wegfalls des Arbeitsplatzes Bleibt nach betriebsbedingter Kündigung der Arbeitsplatz seiner Identität nach erhalten, so hat sich bereits die zeitlich gebundene Prognose des dauerhaften Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht verwirklicht. Damit entsteht ohne weiteres der Wiedereinstellungsanspruch in dem Zeitpunkt, in dem die Veränderung eigentlich eintreten sollte. Der Lauf der individuellen Kündigungsfrist spielt keine Rolle, denn der Kündigungsberechtigte muss sich an seiner eigenen betrieblichen Planung festhalten lassen. Eine andere Frage ist gegebenenfalls, welche Unterbrechungszeit sich bei einem zeitlich begrenzten Wegfall des Arbeitsplatzes für dessen „Identität“ noch als unschädlich erweist. Um zu entscheiden, ob ein Arbeitsplatz nach einer Unterbrechungszeit doch erhalten geblieben ist oder aber dauerhaft entfallen ist und im Anschluss daran eine andere Beschäftigungsmöglichkeit neu entsteht, wird man ähnlich zu argumentieren haben wie bei der erörterten Abgrenzung von Stillegung und Betriebsübergang. Eine sachgerechte Abgrenzung kann nur anhand der näheren Umstände des Einzelfalles erfolgen. iii) Widerlegung der Prognose mangelnder anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten (i) Widerlegung innerhalb der Kündigungsfrist Unproblematisch möglich ist eine Widerlegung der Prognose des Fehlens anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb laufender Kündigungsfrist entsprechend den vorangestellten allgemeinen Überlegungen. - 396 Handelt es sich um eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist992, die in Sonderfällen (z.B. Betriebsstillegung993) bei einem (aufgrund tarifvertraglicher Regelung) ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer994 an die Stelle der ordentlichen Kündigung tritt, so ist diese Auslauffrist anstelle der Kündigungsfrist beachtlich. Maßgebend ist stets der Entlassungstermin. (ii) Widerlegung nach Ablauf der Kündigungsfrist – Ermittlung des zumutbaren Überbrückungszeitraums nach dem Entlassungstermin Die Kündigung ist nach Lesart der Rspr. gemäß § 1 II 2 und 3 KSchG rechtsunwirksam, wenn schon im Kündigungszeitpunkt feststeht, dass sich eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit während oder auch in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist ergeben wird. Die Prognose fehlender anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten weist also bei der betriebsbedingten Kündigung insoweit über den Entlassungstermin hinaus, wie die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber noch zumutbar ist. Die Zumutbarkeit der zeitlich begrenzten Überbrückung einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit als milderes Mittel zur Kündigung soll sich nach Kiel995 aus einem erst Recht-Schluss aus § 1 II 3 KSchG ergeben: Wenn vom Arbeitgeber einerseits sogar eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen verlangt werde, welche regelmäßig (oftmals nicht unerhebliche) finanzielle Belastungen mit sich brächten, und bisweilen sogar einen zeitweisen Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers bedingten, dann müssten erst recht solche Arbeitsplätze Berücksichtigung finden, die in absehbarer Zeit frei werden (arg. a maiore ad minus). Dabei sei unerheblich, ob der Arbeitnehmer zwischenzeitlich 992 BAG (2 AZR 627/99), DB 2001, 338, 338 f m.w.N. 993 BAG (2 AZR 253/97), NZA 1998, 833, 833. 994 Näher Weng Diss., S. 74 ff. 995 Kiel Diss., S. 88 f und 128 f. - 397 weitergebildet oder ob die Arbeit in der Zwischenzeit „gestreckt“ werde, z.B. durch den Abbau von Überstunden. Der 2. Senat ist mit seiner Entscheidung vom 15.12.1994996 der Argumentation Kiels beigetreten und hat ausgeführt, wenn vom Arbeitgeber sogar eine Weiterbeschäftigung Fortbildungsmaßnahmen nach zumutbaren verlangt werde, die Umschulungsüber den Ablauf oder der Kündigungsfrist hinaus einen zeitweiligen Verzicht auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers bedingen könnten, dann müssten erst Recht in zumutbarem Rahmen Arbeitsplätze Berücksichtigung finden, deren Freiwerden dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung bekannt ist oder bekannt sein muss997 und deren Besetzung ohne Umschulung oder Fortbildung möglich ist. Es soll dabei mindestens die Überbrückung des Zeitraums zumutbar sein, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde, wobei je nach den Umständen eine Probezeitvereinbarung als Anhaltspunkt für die Bemessung einer Einarbeitungszeit herangezogen werden könne. In der Lit.998 hat diese Sichtweise Zustimmung gefunden. Demnach lässt sich also folgendes festhalten: Die Kündigung ist nach dem Ultima-Ratio-Prinzip nicht aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zu rechtfertigen, wenn der prognostizierte Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit lediglich vorübergehender Natur ist und der Arbeitgeber dieser Situation statt durch eine Kündigung in zumutbarer Weise auch anders begegnen könnte. Zwar schuldet der Arbeitgeber, wenn er auf eine Kündigung verzichtet, für den Überbrückungszeitraum den Annahmeverzugslohn (Verzugslohnnachteil). Dagegen steht aber der Vorteil, danach mit einem voll eingearbeiteten und 996 997 998 BAG (2 AZR 327/94), NZA 1995, 521, 525 m.w.N. Keineswegs reicht also der Hinweis auf eine bloß wahrscheinliche Personalfluktuation, wie man sie in großen Unternehmen oft behaupten könnte. von Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG (2 AZR 242/94), EzA § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77, zu IV 2; Tschöpe, BB 2000, 2630, 2632. - 398 daher ohne Einschränkungen leistungsfähigen Arbeitnehmer den neuen Beschäftigungsbedarf decken zu können. Dürfte er statt dessen die Kündigung wählen, so würde er den Annahmeverzugslohn, der auf den Zeitraum nach dem Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, sparen, dafür aber einen neuen Stellenbewerber einarbeiten und sich mit dessen anfänglicher Minderleistung arrangieren müssen (Einarbeitungsnachteil). Nun sieht es die Rspr. nach dem Ultima-Ratio-Prinzip noch als zumutbar an, den Arbeitgeber auf den Verzugslohnnachteil für einen Zeitraum zu verweisen, für den andernfalls (neben Kosten der Personalgewinnung) der Einarbeitungsnachteil zu tragen wäre. Darf der Arbeitgeber also ein die Kündigung rechtfertigendes dringendes betriebliches Erfordernis prognostizieren, weil eine Beschäftigungsmöglichkeit jedenfalls nicht innerhalb des zumutbaren Überbrückungszeitraums nach Ablauf der Kündigungsfrist absehbar ist, dann wird diese Prognose nicht widerlegt und es entsteht auch kein Wiedereinstellungsanspruch, wenn sich eine Beschäftigungsmöglichkeit tatsächlich erst nach Ablauf dieses zumutbaren Überbrückungszeitraums herausstellt. Muss der Arbeitgeber andererseits eine seinem subjektiven Wissensstand im Kündigungszeitpunkt entsprechende Prognose über erst nach dem Entlassungstermin sich ergebende Beschäftigungsmöglichkeiten anstellen, dann kann sich die tatsächliche Entwicklung auch noch nach dem Entlassungstermin insoweit falsifizierend auf diese Prognose auswirken. iv) Lösung der Ausgangsfälle zu Betriebsübergang und Betriebsfortführung Anhand des so konkretisierten Prognosehorizonts ergibt sich auch ein stimmiges Ergebnis in den Ausgangsfällen zum unerwarteten Betriebsübergang bzw. zur unerwarteten Betriebsfortführung nach ursprünglicher Stillegungsabsicht und Kündigung der gesamten Belegschaft. Wird wegen beabsichtigter Betriebsstillegung allen Arbeitnehmern sukzessive mit dem Zweck einer stufenweisen Abwicklung der Geschäftstätigkeit gekündigt und nimmt ein Betriebsübergang zu einem Zeitpunkt unerwartet greifbare Formen an, in dem ein Teil der Kündigungsfristen bereits abgelaufen ist, ein anderer Teil nicht, so haben alle Arbeitnehmer ungeachtet des Laufs der Kündigungsfristen einen Anspruch auf Wiedereinstellung, deren Arbeitsplatz nach dem geänderten unternehmerischen Konzept (des Erwerbers) prognosewidrig doch erhalten - 399 bleibt. Der Arbeitgeber muss den selbst gewählten festen Bezugspunkt für seine Prognose über den Wegfall von Arbeitsplätzen auf der Wiedereinstellungsebene gegen sich gelten lassen, gleich ob die Kündigungsfristen der betroffenen Arbeitnehmer schon abgelaufen sind oder nicht. Damit kann jeder einzelne von einer Stillegungskündigung betroffene Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz erhalten geblieben ist, einen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend machen, weil der prognostizierte Arbeitplatzwegfall nicht stattgefunden hat. Beruft sich dagegen ein Arbeitnehmer noch nach der Entlassung und dem Wegfall seines Arbeitsplatzes auf eine neu entstandene anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, so entfällt dadurch der Kündigungsgrund nicht, es sei denn, der Arbeitgeber hätte die Zeit zwischen dem Entlassungstermin und dem neuen Beschäftigungsbedarf zumutbar überbrücken können, weil sie nicht länger als die hypothetische Einarbeitungszeit eines neuen Stellenbewerbs ausgefallen ist. In diesem Fall hätte er ja bei idealem Wissen gar nicht erst kündigen dürfen. (b) Alle übrigen Prognosen – Prognosen ohne festen Bezugspunkt und ohne zeitliche Erstreckung über den Entlassungstermin Alle anderen kündigungsbegründenden Prognosen haben wie bereits erörtert keinen festen Bezugspunkt, was einer Widerlegung innerhalb der Kündigungsfrist nicht entgegensteht.999 Im einzelnen: Die Prognose, dass auch in Zukunft mit erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen ist und die Prognose, dass die zu erwartenden Fehlzeiten des Arbeitnehmers 999 unter Berücksichtigung der dadurch verursachten Siehe oben unter G.II.2.e)(3)(c)i) „Widerlegung innerhalb der Kündigungsfrist“ auf Seite 392. - 400 Folgewirkungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen werden. Die Prognose, dass mit einer einschlägigen Wiederholung des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zu rechnen ist.1000 Die Prognose, dass sich keine zumutbaren anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten (ggf. nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen) ergeben werden (§ 1 II 2 und 3 KSchG – gilt für alle Kündigungsgründe). Zu klären ist die Frage, ob das Prognoseprinzip auch hier – wie schon bei der betriebsbedingten Kündigung – über den Entlassungstermin hinausweist. Für diese Annahme fehlt es allerdings nicht nur an einer ausgeformten Rspr., sondern auch schon an einer auf den Zumutbarkeitsgedanken bezogenen Grundlage. Es müsste auch hier davon ausgegangen werden, dass die Grenze der Zumutbarkeit mit dem Ablauf der Kündigungsfrist noch nicht erreicht ist. Dem Arbeitgeber müssten weitere Belastungen zumutbar sein, als diejenigen, denen er aufgrund der Pflicht zu Einhaltung einer Kündigungsfrist ohnehin nicht ausweichen kann. Für die betriebsbedingte Kündigung nimmt die Rspr. das zwar an. Der innere Grund dafür liegt jedoch in der Besonderheit der betriebsbedingten Kündigung, dass Belastungswirkungen in der Regel vom intendierten Entlassungstermin an überhaupt erst entstehen. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, so rechtzeitig zu kündigen, dass die Kündigungsfrist in dem Zeitpunkt endet, in dem auch der Arbeitsplatz entfällt. Hält er sich daran, entstehen überhaupt keine Belastungswirkungen. Ohne solche Belastungswirkungen aber wird man nicht behaupten können, die Grenze der Zumutbarkeit werde bereits mit dem 1000 Zu dieser nicht unproblematischen Prognose siehe oben unter F.III „Verhaltensbedingte Kündigung“ auf Seite 260. - 401 intendierten Entlassungszeitpunkt überschritten. Die Hinnahme belastender Auswirkungen, also die Zahlung des Annahmeverzugslohns, wird dem Arbeitgeber vor dem Hintergrund erspart, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ohnehin in Zukunft nicht absehbar ist. Ist eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Entlassungstermin absehbar, aber soll nach deshalb dem intendierten der zumutbare Überbrückungszeitraum anhand einer pauschalierenden Vergleichsbetrachtung ermittelt werden, weil klar ist, dass zuvor keine betrieblichen Belastungen entstanden sind. Dass der Arbeitgeber möglicherweise die rechtzeitige Kündigung versäumt hat und daher doch vor Ablauf der Kündigungsfrist einer betrieblichen Belastung im Sinne einer Pflicht zur Zahlung es Annahmeverzugslohns ausgesetzt sein könnte, kann außer Betracht bleiben, weil dies ein singuläres und vom Arbeitgeber meist auch verschuldetes Phänomen ist. Bei den anderen Kündigungsgründen ergeben sich dagegen immer schon Belastungswirkungen vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses. So muss bei der krankheitsbedingten Kündigung die Minderleistung des Arbeitnehmers und der Zwang zur Kompensation von Fehlzeiten über einen längeren oder mehrere kürzere Zeiträume hingenommen werden. Wie diese Belastungswirkungen einzuschätzen sind und ob nicht bereits bei Ablauf der Kündigungsfrist die zumutbare Belastungsgrenze für den Arbeitgeber längst überschritten ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Hier verbietet sich von vornherein eine pauschalierende Betrachtung. Es gibt daher keine verallgemeinerungsfähigen Anhaltspunkte für die Annahme, die kündigungsbegründende Prognose könne über den intendierten Entlassungstermin hinausreichen und die Berücksichtigung solcher Umstände sei ohne Rücksicht auf den Einzelfall zumutbar. Prognosen, die die Grundlage für andere als betriebsbedingte Kündigungsgründe liefern, erstrecken sich zeitlich daher nicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. - 402 - (5) Fazit – Unterscheidung dreier zeitlicher Reichweiten der kündigungsbegründenden Prognose Es müssen also im Hinblick auf die zeitliche Erstreckung der Prognose drei Prognosearten auseinandergehalten werden: Erstens die Prognose, der Arbeitsplatz des Kündigungsempfängers werde aus betriebsbedingten Gründen dauerhaft entfallen. Sie erstreckt sich unabhängig vom Ablauf der Kündigungsfrist bis zum intendierten Verwirklichungszeitpunkt des unternehmerischen Konzepts. Eine prognosewidrige Entwicklung ist daher in jedem Fall zu berücksichtigen. Zweitens die Prognose, für den betriebsbedingt Gekündigten werde sich auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb oder Unternehmen (gegebenenfalls nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen) ergeben (§ 1 II 2 und 3 KSchG). In diese Prognose sind auch solche Beschäftigungsmöglichkeiten mit einzubeziehen, die sich im Anschluss an den Entlassungstermin innerhalb eines Zeitraums ergeben, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde. Drittens alle übrigen Prognosen. Sie erstrecken sich nicht über den Entlassungstermin hinaus. Innerhalb des jeweils relevanten Prognosehorizonts ist eine Widerlegung der Prognose möglich, weil bei hypothetischer Kenntnis der weiteren Entwicklung im Kündigungszeitpunkt bereits eine wirksame Kündigung nicht hätte erklärt werden können. Umstände, die außerhalb dieser Grenzen liegen, widerlegen die jeweilige Prognose nicht, weil sie, wenn sie im Kündigungszeitpunkt bereits vorgelegen hätten, auf die Wirksamkeit der Kündigung ohne Einfluss gewesen wären. 3. Frist und Form der Geltendmachung des Anspruchs Im Anschluss an die Frage nach den zeitlichen Grenzen der Anspruchsentstehung ist nun zu klären, ob der entstandene Anspruch im Hinblick auf seine Geltendmachung an eine Frist gebunden ist. - 403 - a) Ausschlussfrist entsprechend §§ 4 S. 1, 7 KSchG (1) Rechtsgedanke der §§ 4 S. 1, 7 KSchG Die Regelung der §§ 4 S. 1 und 7 KSchG könnte eine Geltendmachungsfrist von 3 Wochen nahe legen.1001 Die entsprechende Anwendung der kündigungsschutzrechtlichen Präklusionsfrist begründet sich demnach wie folgt: Nach Ablauf der Dreiwochenfrist soll der Arbeitgeber auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen erforderlichen Kündigung vertrauen unternehmerischen dürfen Dispositionen und ohne treffen Risiko die können.1002 Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung beseitige faktisch diesen rechtssicheren Zustand, weshalb er jenseits der Dreiwochenfrist nicht mehr anerkannt werden könne. Dagegen wird eingewandt, dass die Kündigung wirksam bleibt, weil sie selbst durch die Wiedereinstellung nicht angetastet wird. Deshalb sei ein Verstoß gegen das Prinzip der Rechtssicherheit nach dem KSchG nicht gegeben.1003 Eine solche formale Betrachtungsweise verkennt jedoch, dass das Ergebnis des Wiedereinstellungsanspruchs, nämlich die Besetzung zumindest eines gleichartigen Arbeitsplatzes mit dem zuvor wirksam gekündigten Arbeitnehmer, die Kündigungswirkung praktisch wieder aufhebt, so dass Rechtssicherheit und Dispositionsfreiheit für den Arbeitgeber mit Wirkung für die Zukunft wieder entfallen. Eine zeitlich unbeschränkte Geltendmachung des Anspruchs soll deshalb zur Umgehung des Prinzips der Rechtssicherheit nach den §§ 4, 7 KSchG führen.1004 1001 So Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 580; Kleinebrink, FA 1999, 138, 140. 1002 KR – Friedrich, § 4 KSchG Rn 10. 1003 vom Stein, RdA 1991, 85, 89. 1004 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2241. - 404 - (2) Fristbeginn, Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose Der Fristbeginn einer solchen Ausschlussfrist für den Wiedereinstellungsanspruch ist heftig umstritten. Klar ist, dass nicht auf den Zeitpunkt abgestellt werden kann, in dem der Arbeitgeber die Wiedereinstellung des Arbeitnehmers ablehnt, denn dann hätte es der Arbeitnehmer in der Hand, wann er sich auf den Wiedereinstellungsanspruch beruft und dadurch den Lauf der Frist in Gang setzt. Dies würde dem Sinn und Zweck der §§ 4, 7 KSchG entgegenstehen, durch die Normierung einer Ausschlussfrist einen rechtssicheren Zustand herzustellen. Damit verbleiben zwei mögliche Anknüpfungspunkte: Der Zeitpunkt, in dem der Kündigungsgrund entfällt oder der Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer vom Entfallen des Kündigungsgrundes Kenntnis erlangt. Stellt man auf den Zeitpunkt ab, in dem der Kündigungsgrund entfällt, so soll nach Auffassung von Hambitzer gleichwohl die Dreiwochenfrist bei Wegfall des Kündigungsgrundes während laufender Kündigungsfrist erst mit deren Ablauf beginnen, weil eine Wiedereinstellung begrifflich erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also nach Eintritt der Gestaltungswirkung der Kündigung, möglich sei. Wiedereinsetzung soll nach § 5 III KSchG analog gewährt werden.1005 Der Schluss von der frühesten Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung bzw. des Fristlaufs überzeugt jedoch nicht. Der Anspruch entsteht stets mit dem Wegfall des Kündigungsgrundes, da in diesem Zeitpunkt das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers wieder auflebt. Inhaltlich ist er auf die Neubegründung der 1005 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2242. - 405 vertraglichen Hauptpflichten frühestens zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses gerichtet.1006 Beginnt der Fristlauf allerdings schon mit dem Wegfall des Kündigungsgrundes bzw. mit der nachfolgenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so müsste die Wiedereinsetzung gemäß § 5 I KSchG regelmäßig bereits gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer bis zum Fristablauf keine Kenntnis vom Wegfall des Kündigungsgrundes erlangt hat und ihm diesbezüglich auch keine Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen ist (vgl. § 5 I KSchG). Dies dürfte in den Fällen der betriebsbedingten Kündigung regelmäßig zutreffen, da die Umstände, auf die der Arbeitgeber seine Prognose stützt, aus seinem Verantwortungs- und Einflussbereich stammen. Die Wiedereinsetzung würde entgegen der gesetzlichen Wertung vom Ausnahme- zum Regelfall. Die Geltendmachungsfrist würde damit faktisch erst beginnen, nachdem zum einen der Kündigungsgrund weggefallen ist und zum anderen der Arbeitnehmer tatsächlich Kenntnis erlangt bzw. hätte erlangen können. Dieses Ergebnis darf aber nicht über den Umweg einer Ausnahmeregelung erreicht werden. Folgerichtig kann daher nur auf den Zeitpunkt abzustellen sein, in dem der Arbeitnehmer vom Entfallen des Kündigungsgrundes Kenntnis erlangt.1007 b) Kürzere Frist nach Maßgabe des Einzelfalls Raab1008 schlägt vor, die Rechtssicherheit dadurch weiter in den Vordergrund zu rücken, dass man dem Arbeitgeber das Recht einräumt, die Geltendmachungsfrist nach § 4 KSchG entspr. durch eigenes Tätigwerden zu verkürzen. 1006 So i.E. auch Oetker, ZIP 2000, 643, 650, der allerdings von einer ex-tunc-Wirkung der Wiedereinstellungspflicht ausgeht. 1007 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 310; Kleinebrink, FA 1999, 138, 140; Raab, RdA 2000, 147, 156. 1008 Raab, RdA 2000, 147, 156. - 406 Müsse sich der Arbeitnehmer nach Kenntnisnahme vom Wegfall des Kündigungsgrundes grundsätzlich innerhalb von drei Wochen zur Geltendmachung seines Anspruchs äußern, so sollte dem Arbeitgeber das Recht zugestanden werden, dem Arbeitnehmer eine kürzere Frist zu setzen. Unter Umständen müsse er den Arbeitsplatz rasch wieder besetzen. Der Arbeitnehmer bedürfe dagegen anders als bei einer Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG, wo ihm für die Stellungnahme zum Änderungsangebot des Arbeitgebers drei Wochen zur Verfügung stehen, keiner allzu langen Bedenkzeit, da es schließlich darum gehe, das Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen. Sofern ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer raschen Klärung bestehe, scheine daher eine Frist von einer Woche nicht unangemessen kurz. Daran stimmt bedenklich, dass die durch die Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 4 KSchG gewonnene Rechtssicherheit so doch wieder unter den Vorbehalt „berechtigter Interessen an einer raschen Klärung“ gestellt wird. Ein solches Interesse würde der Arbeitgeber subjektiv stets für sich reklamieren, die Arbeitsgerichte würden mit einem weiteren Prüfprogramm belastet. Schließlich kann es auch nicht überzeugen, wenn demnach die in jedem Fall einzuhaltende kürzeste Frist negativ allein damit begründet wird, sie erscheine nicht unangemessen kurz. Schließlich ist auch die Entscheidungsbildung beim Arbeitnehmer nicht so einfach wie behauptet. Nicht selten wird sich der Arbeitnehmer bereits in eine andere Beschäftigung begeben oder eine solche in Aussicht haben, so dass sich die Frage stellt, ob sich deren Aufgabe lohnt. Hierzu sind auch Erwägungen über die veränderte betriebliche Situation beim alten Arbeitgeber insbesondere hinsichtlich der Dauerhaftigkeit von Beschäftigungsmöglichkeiten anzustellen. Die Entscheidung ist daher keineswegs einfacher als bei einer Änderungskündigung. - 407 - c) Dauer des Kündigungsschutzprozesses Vereinzelt stellt die obergerichtliche Rspr. darauf ab, ob die Kündigungsschutzklage bereits rechtskräftig abgewiesen worden oder der Arbeitnehmer bereits nach § 7 KSchG materiell präkludiert ist, weil jedenfalls nach einer materiellen Präklusion die Vertragsbeziehungen der Parteien endgültig beendet seien und deshalb ein Anspruch aus nachwirkender Fürsorgepflicht nicht mehr in Betracht komme.1009 Eine an den Kündigungsschutzprozess angelehnte Grenze für die Geltendmachung des Anspruchs ist jedoch aus den gleichen Gründen abzulehnen, aus denen sie schon für die zeitliche Grenze der Anspruchsentstehung nicht in Frage kam.1010 Das Abstellen auf eine zuvor eingetretene materielle Präklusion wegen Versäumung der Klagefrist ist auch dann nicht schlüssig, wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die nachwirkende Fürsorgepflicht oder andere Vertragspflichten als Anspruchsgrundlage eines Wiedereinstellungsanspruchs ansehen wollte. Es macht für das Fortbestehen der Fürsorgepflicht einen Unterschied, ob das Arbeitsverhältnis bereits beendet oder vor Ablauf der Kündigungsfrist lediglich die Kündigung nach § 7 KSchG unangreifbar geworden ist. Den seine Wiedereinstellung verlangenden Arbeitnehmer trifft keine Pflicht, sich zuvor gegen die wirksame Kündigung zu wenden. d) Nichtgeltung einer Ausschlussfrist Nach a.A. ist die Geltendmachung des Anspruchs nicht an eine Frist gebunden.1011 Hierfür werden vor allem folgende Argumente angeführt: Es fehle schon an den Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 4 KSchG. Es sei ein qualitativer Unterschied, ob der Arbeitnehmer die 1009 LAG Köln (5 Sa 11/98), MDR 1998, 1170, 1170. 1010 Siehe oben unter G.II.2.c)(2) „Dauer des Kündigungsschutzprozesses“ auf Seite 372. 1011 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757; Zwanziger, BB 1997, 42, 45; Beckschulze, DB 1998, 417, 418; Oetker, ZIP 2000, 643, 651; KR – Etzel, § 1 KSchG Rn Rn 569. - 408 Rechtswirkungen eines Gestaltungsrechts beseitigen wolle oder ob er einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages geltend mache.1012 Der Wegfall des Kündigungsgrundes sei anders als die Kündigung zeitlich schwer festzulegen, so dass er kaum als Anknüpfungspunkt für eine dreiwöchige Ausschlussfrist dienen könne.1013 Erst recht müsse das für die zeitlich kaum feststellbare Kenntnisnahme vom Wegfall des Kündigungsgrundes gelten. Auch sei die kurze Dreiwochenfrist unzureichend, die Wiedereinsetzung analog § 5 KSchG würde bei der Wiedereinstellung zum Regelfall werden. Rechtssicherheit ließe sich so nicht erreichen.1014 Es sei zwar für den Arbeitgeber vorteilhaft, wenn er nach Wegfall des Kündigungsgrundes relativ kurzfristig wisse, ob er mit einer Klage des Arbeitnehmers Vertragsfortsetzungsanspruch aus rechnen einem müsse. WiedereinstellungsEs bestehe jedoch oder kein Bedürfnis, mit einer Analogie zu § 4 KSchG für den Wiedereinstellungsanspruch aufzuwarten. Einer drohenden Rechtsunsicherheit könne der Arbeitgeber auch durch eine negative Feststellungsklage begegnen. Im Übrigen stehe es ihm nach Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes frei, die Rechtsunsicherheit über den Vertragsfortsetzungswillen des Arbeitnehmers mit einem eigenen Vertragsangebot zu beenden.1015 Dem Bedürfnis des Arbeitgebers nach Rechtssicherheit lasse sich schließlich schon dadurch Rechnung tragen, dass er in seinen Dispositionen grundsätzlich frei sei, insbesondere also den Arbeitsplatz neu besetzen könne. e) Heranziehung des Verwirkungseinwands im bis zum 31.03.2002 geltenden Betriebsübergangsrecht Während beim Übergang ungekündigter Arbeitsverhältnisse § 613a I 1 BGB einen gesetzlichen Vertragspartnerwechsel anordnet, der die Zustimmung des 1012 Oetker, ZIP 2000, 643, 651. 1013 Zwanziger, BB 1997, 42, 45; Beckschulze, DB 1998, 417, 418. 1014 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757. 1015 Boewer, NZA 1999, 1177, 1183. - 409 Arbeitnehmers nicht voraussetzt, ihm jedoch ein zeitlich gebundenes Widerspruchsrecht einräumt1016, verlangt ein Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer (Teil)Stillegungskündigung und unerwartetem Betriebsübergang nach einer eigenständigen Geltendmachung durch den Arbeitnehmer.1017 Dazwischen liegt der Fall, dass vom Betriebsveräußerer unwirksam wegen angeblich beabsichtigter Betriebsstillegung gekündigt wurde, obwohl im Kündigungszeitpunkt ein sich anschließender Betriebsübergang im Sinne der Rspr.1018 bereits „greifbare Formen“ angenommen hatte. Bleibt die Wirksamkeit der Kündigung streitig, so wird ebenfalls eine Klage notwendig, nämlich auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung einerseits, und Weiterbeschäftigung beim Betriebserwerber1019 andererseits.1020 In allen drei Fällen soll der Arbeitnehmer trotz Fehlens einer normierten Ausschlussfrist seine Rechte nicht zeitlich schrankenlos ausüben dürfen, gleich ob es um das Widerspruchsrecht gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses geht (das mittlerweile durch § 613a V und VI BGB eine ausdrückliche Regelung erfahren hat1021), um die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und den Weiterbeschäftigungsanspruch gegen den Betriebserwerber, oder um den Wiedereinstellungsanspruch gegen den Erwerber bei unstreitig wirksamer Kündigung. Macht der Arbeitnehmer diese Rechte im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang nicht rechtzeitig geltend, so soll das Vertrauen des 1016 Palandt – Putzo, § 613a BGB Rn 15. 1017 BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 311; BAG (8 AZR 106/99), ZinsO 2000, 411, 411. 1018 1019 BAG (8 AZR 306/98), NZA 1999, 706, 706; LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 246. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung beim Betriebserwerber wird auch Fortsetzungsanspruch bezeichnet, siehe oben unter A.V „Begrifflichkeiten“ auf Seie 15. als 1020 BAG (8 AZR 106/99), ZinsO 2000, 411, 411. 1021 „Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze“, BT-Drs. 14/7760, Art. 4. - 410 Veräußerers auf die Nichtgeltendmachung des Widerspruchsrechts bzw. des Erwerbers auf die Nichtgeltendmachung etwaiger Weiterbeschäftigungs- oder Wiedereinstellungsansprüche Maßnahme den Vorrang nach Umsetzung genießen vor der der unternehmerischen Rechtsdurchsetzung des Arbeitnehmers. Auf diese Weise werden das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrnehmung seiner Rechte und das Interesse von Veräußerer und Erwerber an der Sicherung ihrer unternehmerischen Dispositionsfreiheit auf der Grundlage einer bekannten Personalstärke gegeneinander abgegrenzt. Rechtstechnisch ließ sich dieses Ergebnis in allen drei Fällen nur über den allgemeinen Grundsatz der Verwirkung von Rechten begründen. In diesem Sinne hat die Rspr. die zur Ausübung des Widerspruchsrechts entwickelten Grundsätze auf die Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs übertragen und dann die Frage diskutiert, ob man das so für den Wiedereinstellungsanspruch gewonnene Ergebnis nicht auf den (wertungsmäßig in der Mitte liegenden) Weiterbeschäftigungsanspruchs Fall gegen der den Geltendmachung Erwerber nach des unwirksamer Veräußererkündigung übertragen könne. Diese Rspr. konkretisiert die Anwendung des Verwirkungseinwands im Bereich des Betriebsübergangs- und Wiedereinstellungsrechts im Hinblick auf die Wertungen des KSchG, dem Anleihen für die Erfüllung von Umstands- und Zeitmoment entnommen werden. Diese Ansätze sollen hier zunächst erläutert und sodann darauf untersucht werden, ob aus ihnen ein universeller Ansatz für die Verwirkung des Wiedereinstellungsanspruchs gewonnen werden kann, wobei auch auf die Neuregelung des § 613a BGB durch das „Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze“1022 einzugehen sein wird. 1022 BT-Drs. 14/7760, Art. 4 (Gesetzentwurf der Bundesregierung); (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung). BT-Drs. 14/8128 - 411 - (1) „Gleichklang“ der zeitlich begrenzten Ausübung des Wiedereinstellungsanspruchs und des Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers (a) Auffassung des 8. Senats zum Betriebsübergang nach Ablauf der Kündigungsfrist in den Sonderfällen der Funktionsnachfolge Der 8. Senat hatte sich in seinem Urteil vom 12.11.19981023 mit der Konstellation zu befassen, dass sich ein Betriebsübergang unerwartet nach Ablauf der Kündigungsfrist ergeben hatte, und zwar durch die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals in einem Fall der Funktionsnachfolge im Dienstleistungsbereich, also in der vom EuGH entwickelten Fallgruppe. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil dadurch auf den Erwerber über, dass dieser durch die Einstellung eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals und deren Einsatz auf ihren alten Arbeitsplätzen mit unveränderten Aufgaben die wirtschaftliche Einheit ihrer Identität nach übernimmt, hat der Arbeitnehmer demnach den Anspruch auf Wiedereinstellung noch während des Bestehens oder zumindest unverzüglich nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen geltend zu machen.1024 In seiner Entscheidung vom 13.11.1997 hatte der 8. Senat1025 die dort nicht entscheidungserhebliche Frage, ob der Anspruch auf Wiedereinstellung in den Sonderfällen der Funktionsnachfolge aus Gründen der Rechtssicherheit unverzüglich nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen geltend zu machen ist, noch offen gelassen. 1023 BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 311. 1024 Siehe Zusammenfassung des Tatbestandes auf Seite 10. 1025 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 252. - 412 In der Begründung beruft sich der 8. Senat nun darauf, der Zweck des Bestandsschutzes rechtfertige keine Phasen vermeidbarer Ungewissheit über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber. Mit dem Gebot der notwendigen Rechtssicherheit sei es nicht vereinbar, die Beteiligten über das Zustandekommen eines solchen neuen Arbeitsverhältnisses noch nach Beendigung des durch die Kündigung aufgelösten Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers zum Betriebsveräußerer im Unklaren zu lassen. Zu verlangen sei deshalb, dass der entlassene Arbeitnehmer unverzüglich nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden Umständen sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Betriebserwerber stellt. Erfährt er im Sonderfall der Funktionsnachfolge von der willentlichen Übernahme der Hauptbelegschaft, so sei es ihm zumutbar, ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 I BGB) seinen Antrag auf Abschluss eines Fortsetzungsarbeitsvertrages an den Betriebserwerber zu richten. Damit bestehe insoweit ein Gleichklang zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers.1026 Das Widerspruchsrecht wurde dem Arbeitnehmer nach bisheriger Rechtslage vor der Einfügung der Absätze V und VI des § 613a BGB zugebilligt, weil niemand - auch nicht der Arbeitnehmer als Gläubiger seines Entgeltanspruchs sich einen Schuldnerwechsel gegen seinen Willen aufzwingen lassen muss (Rechtsgedanke des § 415 I BGB).1027 Abgeleitet wurde es aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl (Artt. 1, 2 und 12 GG).1028 Die Rechtsprechung zum alten Recht gab dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu widersprechen. Vor dem Betriebsübergang war das Widerspruchsrecht nicht 1026 BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 313; so auch Meyer, SAE 2000, 39, 44. 1027 Prinzipiell ablehend dagegen Fischer Diss., S. 112 ff; Pietzko Diss., S. 318 ff, 329. 1028 Worzalla, NZA 2002, 353, 356. - 413 fristgebunden1029, weil Gründe für den Widerspruch sich noch bis zum Betriebsübergang ergeben können und der Arbeitnehmer zuvor häufig auch keinen Anlass hatte, dem Betriebsübergang zu widersprechen.1030 Nach dem Betriebsübergang konnte der Arbeitnehmer nur noch unverzüglich dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen, wobei ihm in Anlehnung an die §§ 4 S. 1 und 7 KSchG eine Erklärungsfrist von höchstens drei Wochen zugebilligt wurde.1031 Demnach war das Wiedereinstellungsverlangen gegenüber dem Betriebserwerber unverzüglich nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang begründenden tatsächlichen Umständen zu erheben, sofern der Arbeitnehmer erst nach dem Vollzug des Betriebsübergangs von diesem Kenntnis erlangte. Erlangte er bereits zuvor von dem sicher bevorstehenden Betriebsübergang Kenntnis, so konnte er sein Wiedereinstellungsverlangen jederzeit vor dem Betriebsübergang erheben, danach ebenfalls nur noch unverzüglich. Für die unverzügliche Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs nach wirksamer Stillegungskündigung des Veräußerers und prognosewidrigem Erhaltenbleiben des Arbeitsplatzes infolge eines unerwarteten Betriebsübergangs soll wegen des Gleichklangs mit dem Widerspruchsrecht ebenfalls eine Höchstfrist von drei Wochen gelten. Diese „Höchstfrist“ soll dem Arbeitnehmer auch stets zugebilligt werden.1032 Nach Oetker1033 soll den Gerichten im Anschluss an die Grundsatzentscheidung des 2. Senats zum Widerspruchsrecht vom 22.04.19931034 weitergehend die Möglichkeit offen stehen, mit Rücksicht auf Besonderheiten des Sachverhalts eine geringfügige 1029 1030 1031 BAG (8 AZR 139/97), DB 1416, 1416 m.w.N. und 1417 = AP Nr. 177 zu § 613a BGB; Nicolai, ZfA 1999, 617, 633. BAG (8 AZR 139/97), DB 1416, 1417. BAG (2 AZR 313/92), AP Nr. 102 zu § 613a BGB; BAG (8 AZR 139/97), AP Nr. 177 zu § 613a BGB. 1032 LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457, 460; Edenfeld, AuA 1998, 161, 165. 1033 Oetker, DZWIR 2000, 461, 463. 1034 BAG (2 AZR 313/92), AP 102 zu § 613a BGB. - 414 Fristüberschreitung zu tolerieren, denn der 2. Senat hatte dort formuliert, für eine längere Frist als für die Kündigungsschutzklage bestehe „in der Regel“ kein überzeugender Grund. Das Schrifttum Widerspruchsrecht ist einer entsprechenden entwickelten Anwendung Grundsätze der auf zum den Wiedereinstellungsanspruch überwiegend gefolgt.1035 Leicht abgewandelt vertritt Nicolai 1036 in scheinbarer Zustimmung zur Rspr. des 8. Senats die Auffassung, der Anspruch sei noch „während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, zumindest aber unverzüglich (innerhalb von drei Wochen) nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen“ geltend zu machen. Der 8. Senat hat in seiner Entscheidung vom 12.11.1998 aber tenoriert, der Anspruch sei „noch während des Bestehens oder zumindest unverzüglich nach Kenntniserlangung...“ geltend zu machen.1037 Wollte man hiervon abweichen, so würde die Parallele zum Widerspruchsrecht, das ja nach alter Rechtslage vor dem Betriebsübergang nicht fristgebunden war, verlassen, ohne dass hierfür ein Sachgrund ersichtlich wäre.1038 Auch die Formulierung „während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses“ ist ungenau. Gemeint ist nur das Bestehen 1035 Hambitzer, NJW 1985, 2239, 2241; Langenbucher, SAE 1998, 145, 149; Preis/Steffan, DB 1998, 309, 310; Edenfeld, AuA 1998, 161, 165; Berscheid Insolvenz, S. 241 f Rn 689; Boewer, NZA 1999, 1177, 1180; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 580; Meyer, NZA 2000, 297, 301; Oetker, ZIP 2000, 643, 651; Oetker, DZWiR 2000, 461, 463. 1036 Nicolai, ZfA 1999, 617, 636. 1037 BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 311 (Hervorhebungen des Verf.). 1038 Dieses Missverständnis ist allerdings im Entscheidungstenor angelegt, da der Begriff „zumindest“ auf eine absolute Grenze deutet, während „oder“ auf zwei gleichwertige Alternativen hinweist. Die Urteilsbegründung lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass zwei gleichwertige Alternativen gemeint sind. Der 8. Senat führt aus (NZA 1999, 311, 313 f): „Damit besteht insofern ein Gleichklang zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers. Nach der Rspr. des BAG kann der Arbeitnehmer grundsätzlich bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergans widersprechen. Nach dem Betriebsübergang kann der Arbeitnehmer nur noch unverzüglich dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen,...“. „Damit kannte er (der Kläger, noch vor Ablauf der Kündigungsfrist) alle tatsächlichen Voraussetzungen eines möglichen Betriebsübergangs. Er hätte sich unverzüglich nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Bekl. zu 1 entscheiden müssen.“ - 415 des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer, also die Zeit bis zum Betriebsübergang. Die trotz seiner Kenntnis unabhängig von einem Fristlauf bestehende Möglichkeit zur Geltendmachung hatte der Arbeitnehmer also, solange sein Arbeitsverhältnis zum Veräußerer noch bestand. War sein Arbeitsverhältnis dagegen (in gekündigter Stellung) kraft Gesetzes gemäß § 613a I BGB auf den Erwerber übergegangen, so begann von da an auch die Dreiwochenfrist, weil der Arbeitnehmer Kenntnis hatte und sich nun wie auch beim Widerspruchsrecht entscheiden musste. Ein gekündigtes Arbeitsverhältnis geht auch als solches auf den Erwerber über, die Kündigungsfrist läuft nach dem Vertragspartnerwechsel weiter.1039 Unabhängig vom Lauf der Kündigungsfrist führte der Übergang des Arbeitsverhältnisses zur Auslösung des Fristlaufs für die Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs ebenso wie für die Ausübung des Widerspruchsrechts nach alter Rechtslage. Der angenommene Gleichklang zum Widerspruchsrecht wurde wie folgt begründet: Wie beim Widerspruchsrecht gehe es auch bei der Wiedereinstellung um die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis zum Betriebserwerber besteht, weshalb auch hier mit Rücksicht auf die Interessen des Erwerbers die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG in entsprechender Anwendung maßgeblich sein müsse. Dem stehe nicht entgegen, dass die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 613a IV 1 BGB nicht innerhalb einer Klagefrist von drei Wochen geltend gemacht werden müsse (§ 13 III KSchG).1040 Die Nichtanwendung des § 4 KSchG im Fall des § 613a IV 1 BGB rechtfertige sich daraus, dass bei einer ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung, die sich im Nachhinein als Kündigung „wegen“ des Betriebsübergangs herausstellt, die Entwicklung für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung oftmals noch unübersehbar sei und ihm deshalb eine 1039 1040 LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457, 459; so auch für das österreichische Recht Binder, DRdA 1996, 1, 6. Vgl. BAG (2 AZR 530/82), AP Nr. 40 zu § 613a BGB; BAG (2 AZR 3/85), AP Nr. 47 zu § 613a BGB. - 416 angemessene Zeitspanne zugebilligt werde. Dieses Argument greife nicht, sobald der nicht übernommene Arbeitnehmer von der Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Auftragnehmer erfahren hat. In diesem Moment sei für den Arbeitnehmer erkennbar, dass ein Betriebsübergang stattgefunden habe und er müsse seine Rechte unverzüglich geltend machen.1041 Langenbucher1042 führt ergänzend aus, die Situationen der Geltendmachung eines Widerspruchsrechts und der Geltendmachung eines Wiedereinstellungsanspruchs wiesen die Gemeinsamkeit auf, dass es um die weitreichende Entscheidung gehe, sich einem neuen Vertragspartner zu verpflichten, um den Verlust des Arbeitsplatzes abzuwenden, der sonst unausweichlich würde. Allen Beteiligten sei an einer raschen Klärung gelegen, nachdem sie den Arbeitnehmer über die neue Situation in Kenntnis gesetzt haben. Die Heranziehung des § 4 KSchG sei daher jedenfalls durch eine vergleichbare Interessenlage gedeckt. Das Argument vom „Gleichklang“ führt indes nicht zu einer analogen, sondern nur zu einer entsprechenden Anwendung der §§ 4 und 7 KSchG. Es handelt sich lediglich um eine teleologisch vergleichbare Richtgröße, die eine Konkretisierung der „Unverzüglichkeit“ ermöglicht.1043 (b) Verallgemeinerung der Rechtsprechung des 8. Senats auf den klassischen Fall des Betriebsübergangs nach § 613a BGB Das LAG Hamm hat durch Urteil vom 11.05.20001044 die Auffassung des 8. Senats in dessen Entscheidung vom 12.11.1998 auch auf eine Fallgestaltung des klassischen Betriebsübergangs außerhalb der Sonderfälle Funktionsnachfolge noch während der Kündigungsfrist erstreckt. 1041 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 310 f. 1042 Langenbucher, SAE 1998, 143, 149. 1043 Oetker, DZWIR 2000, 461, 464. 1044 LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457, 457 ff der - 417 Die Entscheidung hat Zustimmung gefunden.1045 Die Ausführungen des 8. Senats sind in der Tat verallgemeinerungsfähig. Eine Parallele zum Widerspruchsrecht ergibt sich unabhängig davon, ob es sich um einen klassischen oder einen Betriebsübergang nach Funktionsnachfolge handelt. Auch auf die Unterscheidung zwischen einem Betriebsübergang vor oder nach dem Ablauf der Kündigungsfrist kommt es insoweit nicht an. Entfällt nach wirksamer betriebsbedingter Kündigung der Kündigungsgrund, weil nunmehr unerwartet ein Betriebsübergang sicher bevorsteht, so soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt werden, sich an den Rechtszustand anzunähern, der bestünde, wenn der Arbeitgeber den in seine Sphäre fallenden Betriebsübergang von Anfang an richtig prognostiziert und überflüssige Kündigungen vermieden hätte. Wird also das durch das Widerspruchsrecht verbriefte Wahlrecht des Arbeitnehmers im ungekündigten Arbeitsverhältnis zeitlich nicht schrankenlos gewährt, so kann der Arbeitnehmer im trotz gleicher objektiver Sachlage gekündigten Arbeitsverhältnis für die Wiedereinstellungsfrage nicht besser stehen. (2) Anwendung der zum Wiedereinstellungsanspruch entwickelten Grundsätze auf den Weiterbeschäftigungsanspruch gegen den Erwerber nach unwirksamer Veräußererkündigung Erklärt der Betriebsveräußerer eine unwirksame Kündigung wegen angeblich beabsichtigter Betriebsstillegung, obwohl im Kündigungszeitpunkt ein sich anschließender Betriebsübergang im Sinne der Rspr.1046 bereits „greifbare Formen“ angenommen hatte oder gar schon vollzogen war, so wird der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung (und eventuell auch den Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a I 1 BGB auf den 1045 1046 Oetker, DZWIR 2000, 461, 462 f. BAG (8 AZR 306/98), NZA 1999, 706, 706; LAG Hamm (4 Sa 1220/99), DZWIR 2000, 240, 246. - 418 Betriebserwerber) klageweise Weiterbeschäftigungsanspruch feststellen durch lassen einen und daneben Leistungsantrag seinen geltend machen.1047 Es gilt hierfür keine Klagefrist (§§ 613a IV 2 BGB, 13 III KSchG). Sicher ist aber, dass der Arbeitnehmer auch insoweit seine Rechte zeitlich nicht unbegrenzt wahrnehmen kann. Vielmehr soll die Durchsetzung dieser Ansprüche wiederum dem nach den Grundsätzen des KSchG ausgeformten allgemeinen Grundsatz der Verwirkung von Rechten unterworfen sein. Die Rspr. versucht dabei, die ihrerseits aus dem Widerspruchsrecht abgeleiteten Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch auf die Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs (der insoweit auch als Fortsetzungsanspruch bezeichnet wird) aus § 613a I 1 BGB zu übertragen.1048 Im Ergebnis ist dabei umstritten, ob die Grundsätze der Befristung eines Wiedereinstellungsanspruchs auch auf Fallkonstellationen zu übertragen sind, in denen das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers noch ungekündigt ist. Teilweise wird vertreten, dass die Grundsätze jedenfalls ihre Bedeutung bei der Beurteilung des sogenannten Zeitmoments im Rahmen des Verwirkungseinwandes hätten. Die 3. Kammer des LAG Berlin1049 vertritt hierzu die Auffassung, dass einem Arbeitnehmer, der länger als sechs Monate seit Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden Umständen mit der Inanspruchnahme des Betriebsübernehmers abwartet, von diesem entgegengehalten werden könne, er habe dieses Recht verwirkt. Für das sogenannte Umstandsmoment reiche es aus, dass der Betrieb nur mit der Stammbelegschaft, also mit einer geringeren Anzahl von Arbeitsplätzen, fortgeführt worden sei. 1047 1048 1049 BAG (8 AZR 106/99), ZinsO 2000, 411, 411. Ähnlich im österreichischen Recht OGH (9 ObA 160/99s), DRdA 2000, 311, 312; kritisch Binder, DRdA 2000, 313, 315 f, der eine „Aufgriffsobliegenheit“ für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ablehnt und ohne weiteres Annahmeverzugslohnansprüche entstehen lassen will. LAG Berlin vom 12.10.1999 (3 Sa 1353/99), n.v., nachgehend BAG (8 AZR 42/00), NZA 2001, 252 ff. - 419 Die 6. Kammer das LAG Berlin verweist in ihrer Entscheidung vom 11.02.20001050 für die Frage nach der Verwirkung des Rechts, einen Übergang des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, auf die Sechs-Monats-Frist des § 5 III 2 KSchG, nach deren Ablauf selbst bei unverschuldeter Versäumung der dreiwöchigen Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine nachträgliche Klagezulassung nicht mehr erreicht werden könne. Auch wenn daraus keine starre Höchstfrist abgeleitet werden könne, komme doch die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass nach so langer Zeit der zweifelhaft gewordene Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden dürfe. Diese Handhabung des Verwirkungsgedankens begründet das LAG Berlin mit dem notwendigen Vertrauensschutz des Arbeitgebers, der sich im Hinblick auf eine Betriebsfortführung in einem überschaubaren Zeitraum darauf einstellen dürfe, mit welcher Belegschaftsstärke er in Zukunft arbeitet. Daher könne ihm nach mehr als einem halben Jahr nicht mehr zugemutet werden, gegebenenfalls eine Vielzahl von Arbeitnehmern weiterzubeschäftigen, hinsichtlich derer er über einen derart langen Zeitraum von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer ausgegangen sei und von dem Verhalten der Arbeitnehmer her auch ausgehen durfte. Eine Betriebsfortführung bedinge unternehmerische Dispositionen, die sich auch auf die Personalstärke und die mittelfristige Personalplanung auswirken. Nach einer derart langen Zeit von gegebenenfalls einer Vielzahl von Arbeitnehmern weiterhin in Anspruch genommen zu werden, sei unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar. In der Entscheidung des LAG Hamm vom 26.11.19981051 wird auf die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von den tatsächlichen Umständen des Betriebsübergangs als Ausgangspunkt für das Zeitmoment der Verwirkung hingewiesen. 1050 LAG Berlin (6 Sa 2306/99), ZInsO 2000, 520, 520. 1051 LAG Hamm (4 Sa 384/98), ZInsO 1999, 302, 302. - 420 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte sich zügig gegen die Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung zur Wehr gesetzt und bereits in der Kündigungsschutzklage vortragen lassen, es handele sich „offenbar um einen Betriebsübergang“, den Anspruch auf Beschäftigung beim Betriebserwerber aber erst in einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Das LAG Hamm führt hierzu aus, es sei zwar richtig, dass ein Arbeitnehmer einen bestrittenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a I 1 BGB alsbald gerichtlich geltend machen müsse. Es könne aber nicht ohne Einfluss bleiben, dass weder Veräußerer noch Erwerber die Klägerin rechtzeitig über den bevorstehenden Betriebsübergang und seine Folgen unterrichtet haben. Es sei anerkannt, dass die Erklärungsfrist für eine nach dem Betriebsübergang noch mögliche Ausübung des Widerspruchsrechts jedenfalls im Regelfall erst mit der ausreichenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsinhaberwechsel beginne. Nicht anders verhalte es sich bei der Frage der Klageerhebung, wenn der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nicht widerspricht und sich gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Betriebsveräußerer zur Wehr setzt. Dieser müsse dann den Betriebserwerber hiervon in Kenntnis setzen. Auf dem Rücken der Arbeitnehmer könne dies nicht ausgetragen werden. In der Revisionsentscheidung vom 27.01.20001052 hat der 8. Senat dies relativiert und ausgeführt, entgegen der Auffassung des LAG beginne das Zeitmoment nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen, sondern bereits mit der positiven Kenntnis des Arbeitnehmers von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen. Dabei stellt die Revisionsentscheidung den Unterschied zum Wiedereinstellungsanspruch deutlich heraus. In diesem Fall sei das Arbeitsverhältnis wegen der wirksamen Kündigung nicht gemäß § 613 a I 1 BGB übergegangen und daher weniger schutzwürdig. Im Streitfall wäre das Arbeitsverhältnis rechtswirksam übergegangen, es wäre lediglich längere Zeit 1052 BAG (8 AZR 106/99), ZinsO 2000, 411, 411. - 421 nicht geltend gemacht worden. Der Senat hat den Rechtsstreit sodann zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, unter anderem, um die Frage der Verwirkung zu prüfen. Nachgehend hat das LAG Hamm in seiner Entscheidung vom 22.08.20001053 festgestellt, wie jeder andere Anspruch könne auch das Recht, den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin geltend zu machen, durch den Arbeitnehmer gemäß § 242 BGB verwirkt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer mit einer Feststellungsklage gegen den Betriebsveräußerer die Unwirksamkeit der von diesem ausgesprochenen die Kündigung mit einem Verstoß gegen das Kündigungsverbot des § 613a IV BGB begründet habe. Im Ergebnis hat das LAG die Verwirkung bejahen müssen, da zwischen der Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen und der Klageerweiterung auf Weiterbeschäftigung beim Betriebserwerber in der Berufungsinstanz mehr 8 Monate verstrichen waren. f) Stellungnahme (1) Beschränkung auf den allgemeinen Grundsatz der Verwirkung von Rechten Zunächst haben Bram/Rühl1054 die Beschränkung der Geltendmachung des Anspruchs auf den allgemeinen Grundsatz der Verwirkung von Rechten befürwortet. Preis/Steffan1055 haben sich für Fallgestaltungen außerhalb des Betriebsübergangsrechts dem angeschlossen. Weitere Stimmen lehnen jedenfalls eine sich an den Wegfall des Kündigungsgrundes anschließende Ausschlussfrist zu Recht ab1056, was die zeitlichen Anforderungen an die 1053 LAG Hamm (4 Sa 779/00), BuW 2001, 41, 41 = ZInsO 2000, 568, 568. 1054 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757. 1055 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 311. 1056 Zwanziger, BB 1997, 42, 45; Boewer, NZA 1999, 1177, 1183; Raab, RdA 2000, 147, 154; Oetker, ZIP 2000, 643, 651, der für den Fall des Betriebsübergangs im Anschluss an BAG (8 - 422 Geltendmachung des Anspruchs zwangsläufig auf den Verwirkungseinwand verengt. Ungeachtet der Besonderheiten des Betriebsübergangsrechts stellt sich in jeder Fallgruppe des Wiedereinstellungsanspruchs ein einheitliches Problem der optimalen Verwirklichung Rechtssicherheit materieller andererseits. Eine Gerechtigkeit systemgerechte einerseits Ausgestaltung und des Verwirkungseinwands ermöglicht für den Wiedereinstellungsanspruch in jedem Fall sachgerechte Ergebnisse, weil die Verwirkung eines Anspruchs nicht unabhängig von der jeweiligen Informations- und Interessenlage begründet werden kann. Das Zeitmoment der Verwirkung ermöglicht im Unterschied zu einer starren Ausschlussfrist eine Rücksichtnahme auf Sonderfälle, sowie die Einbeziehung einer arbeitgeberseitigen Aufklärungsobliegenheit oder –pflicht über die Veränderung von Umständen aus seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich. Hier kann zwanglos die notwendige Differenzierung nach Kündigungsgründen untergebracht werden, was bei der Annahme einer Ausschlussfrist nicht gelänge. (2) Struktur des materiellrechtlichen Verwirkungseinwands Der Verwirkungseinwand beruht auf dem Grundgedanken des widersprüchlichen Verhaltens wegen illoyal verspäteter Rechtsausübung.1057 Ein Recht ist verwirkt, wenn seit seiner Entstehung ein erheblicher Zeitraum abgelaufen ist (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich aufgrund besonderer Umstände darauf eingerichtet hat, der Anspruch werde auch in Zukunft nicht mehr geltend gemacht werden (Umstandsmoment).1058 Bei der Verwirkung soll ein AZR 265/97), NZA 1999, 311, 311 eine Ausnahme machen will und insoweit eine unverzügliche Geltendmachung, spätestens innerhalb von drei Wochen, fordert. 1057 1058 BAG (2 AZR 711/87), DB 1988, 2156, 2156 = AP Nr. 5 zu § 242 BGB Prozessverwirkung. BGH (VII ZR 89/87) NJW-RR 1989, 852, 852 f ; BGH (VI ZR 133/91) NJW 1992, 1755, 1756; BGH (VIII ZR 48/92) NJW-RR 1993, 682, 684 (st. Rspr.); Staudinger - Schmidt, § 242 BGB Rn 534 m.w.N.; Palandt – Heinrichs, § 242 Rn 93 ff. - 423 endgültiger Rechtsverlust eintreten.1059 Mit dem Zeitmoment ist gemeint, dass seit Entstehen der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeitspanne verstrichen sein muss. Das Umstandsmoment liegt vor, wenn zu dem reinen Nichtgeltendmachen Umstände besonderer Art hinzukommen, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.1060 Das Umstandsmoment wird auch so gefasst, dass der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen.1061 Zwischen Zeit- und Umstandsmoment soll eine Wechselwirkung in dem Sinne bestehen, dass der Zeitablauf um so kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, bzw. umgekehrt an diese Umstände um so geringere Anforderungen gestellt werden müssen, je länger der abgelaufene Zeitraum ist.1062 Die erforderliche Dauer des Zeitablaufs richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des vom Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahe kommt, mindert die erforderliche Zeitdauer.1063 (3) Konkretisierung des Zeitmoments der Verwirkung (a) Dreiwochenfrist entsprechend den §§ 4 und 7 KSchG Außerhalb des Betriebsübergangsrechts gründet sich der Anspruch auf Wiedereinstellung dogmatisch allein auf eine rechtsfortbildende Extension des § 1 II KSchG, wird also nicht durch § 613a I 1 und IV 1 BGB überlagert. Insoweit 1059 Jauernig - Vollkommer, § 242 Rn 36. 1060 Staudinger - Schmidt, § 242 Rn 534 m.w.N. 1061 BGHZ 84, 280, 281; BGHZ 103, 62, 70; BGHZ 122, 308, 315. 1062 MünchKomm - Roth, § 242 Rn 365. 1063 Palandt – Heinrichs, § 242 Rn 93 m.w.N. - 424 erweist sich eine Anlehnung an die Dreiwochenfrist aus § 4 KSchG als sachgerechter Maßstab für die Konkretisierung des Zeitmoments der Verwirkung. § 4 KSchG gibt die Grenzen zulässiger Rechtsverfolgung im Kündigungsschutzrecht vor und enthält damit auch eine Grundwertung. Trotz abweichender Regelung für das Widerspruchsrecht in § 613a VI 1 BGB ließe sich weder ein längeres noch eine kürzeres Zeitmoment rechtfertigen. Hat der Arbeitnehmer positive Kenntnis von den Umständen, auf denen seine Befugnis zur Rechtsausübung beruht, so hat er keinen weitergehenden Schutz verdient als nach einer möglicherweise sozialwidrigen Kündigung, für die die §§ 4 und 7 KSchG direkt anwendbar sind. Der Arbeitnehmer verfügt nach der Widerlegung der stimmigen kündigungsbegründenden Prognose über ein Weniger an Rechtsstellung gegenüber dem Fall, dass die Prognose von Anfang an falsch und die auf ihr beruhende Kündigung unwirksam ist. Der Wiedereinstellungsanspruch darf auch hinsichtlich seiner Durchsetzung dem Arbeitnehmer keine bequemere Position einräumen als der unmittelbare Kündigungsschutz, weil sonst seine Funktion als durch das vorrangige Prinzip der Rechtssicherheit begrenzter Anspruch auf eine begrenzte Aufhebung der Kündigungsfolgen verkannt würde. Daher wäre es jedenfalls außerhalb des Betriebsübergangsrechts auch nicht angängig, eine entsprechende Anwendung der aus § 613a VI 1 BGB gewonnenen Monatsfrist zu befürworten. Die Rspr. zum „Gleichklang“ bei der Ausübung des Widerspruchsrechts einerseits und der Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs nach Stillegungskündigung und prognosewidrigem Betriebsübergang andererseits verfängt allenfalls im Recht des Betriebsübergangs. Insoweit tritt auch nicht zwangsläufig ein Widerspruch zum allgemeinen Kündigungsschutz auf, denn das Anliegen des § 613a BGB, den Erhalt der Arbeitsverhältnisse an das Erhaltenbleiben der Arbeitsplätze zu koppeln, besteht unabhängig von den Wertungen des KSchG, - 425 weshalb § 613a I 1 und IV 1 BGB auch als eigenständige Anspruchsgrundlage für den Wiedereinstellungsanspruch fungiert.1064 Ein kürzeres Zeitmoment als die aus § 4 KSchG entnommene Dreiwochenfrist müsste demgegenüber als systemfremd erscheinen. Im Übrigen würde es an einem konkretisierbaren Anhaltspunkt für eine kürzere Frist fehlen, der zur Vermeidung einer einzelfallorientierten Billigkeitsrechtssprechung im Interesse der Rechtssicherheit aber erforderlich wäre. (b) Keine Monatsfrist entsprechend § 613a VI 1 BGB im Betriebsübergangsrecht Die zuvor geschilderte Rspr. des 8. Senats zur einheitlichen Handhabung der Geltendmachung des Widerspruchsrechts, des Wiedereinstellungsanspruchs nach wirksamer und des Weiterbeschäftigungsanspruchs nach unwirksamer Veräußererkündigung vermag jedenfalls auf der Grundlage des alten Rechts durchaus zu überzeugen. Für eine einheitliche Behandlung streitet die Vergleichbarkeit der Situationen.1065 Es geht stets um das rechtliche Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer oder zum Erwerber. Das Interesse beider Vertragsparteien und des Betriebsübernehmers an einer schnellen Beseitigung des durch die unerwartete Betriebsübernahme verursachten Schwebezustands unabhängig mangelnder davon, ob dem Wiedereinstellungsanspruch Rechtssicherheit Arbeitnehmer oder ein liegt auf einer Ebene, ein Widerspruchsrecht, bloßes Fortsetzungsrecht ein nach unwirksamer Veräußererkündigung zugestanden wird. Fraglich ist, ob daran auch nach Einführung des § 613a VI BGB mit Wirkung für den Wiedereinstellungsanspruch festzuhalten ist. Man könnte sich insoweit für die Konkretisierung des Zeitmoments der Verwirkung an die dort geregelte 1064 1065 Siehe oben unter C.VI.4.b) „Teleologische Extension des § 613a BGB als tauglicher “ auf Seite 139. Preis/Steffan, DB 1998, 309, 311. - 426 Monatsfrist für das Widerspruchsrecht anlehnen. Allerdings würde dann gegenüber den übrigen Fallgruppen des Wiedereinstellungsanspruchs außerhalb des Betriebsübergangsrechts ein Widerspruch entstehen, weil insoweit in jedem Fall kündigungsschutzrechtliche Wertungen den Vorrang haben. Auch im Gesetzgebungsverfahren wurde indes für die Normierung der Widerspruchsfrist in Übereinstimmung mit der bisherigen Rspr. des BAG eine Dreiwochenfrist angedacht, wie sie auch der ursprünglichen Fassung des Kabinettsbeschlusses zugrunde liegt.1066 Diese hätte auch der im Kündigungsschutz- und Befristungsrecht maßgeblichen Regelfrist für die gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung bzw. Befristung (§§ 4 S. 1, 13 I 2 KSchG, 113 II 1 InsO, 17 TzBfG) entsprochen. Der Arbeitnehmer hätte sich also hinsichtlich des Widerspruchsrechts ebenso rasch entscheiden müssen wie im Fall einer Beendigungs- oder Änderungskündigung oder des Angriffs gegen eine Befristung. Die Widerspruchsfrist wurde aber aus nicht näher ersichtlichen Gründen im Gesetzgebungsverfahren zuletzt doch noch auf die Monatsfrist verlängert. Zu Recht wird angemerkt, die Monatsfrist stelle einen Fremdkörper im System der bisher bekannten arbeitsrechtlichen Fristen dar und die durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales1067 gegebene lapidare Begründung sei unzureichend.1068 Für die Praxis zum Widerspruchsrecht ergeben sich derweil wegen der Möglichkeit einer frühzeitigen Unterrichtung keine wesentlichen Auswirkungen der neuen Fristregelung.1069 Für einen am Widerspruchsrecht ausgerichteten Wiedereinstellungsanspruch nach Betriebsübergang könnte die Neuregelung dagegen zu einer Abweichung von der Grundregel einer Dreiwochenfrist zwingen. 1066 BT-Drs. 14/7760, S. 20 1067 BT-Drs. 14/8128, S. 3, 7. 1068 Gaul/Otto, DB 2002, 634, 637. 1069 Grobys, BB 2002, 726, 730. - 427 Es fragt sich aber, inwieweit es vertretbar ist, für den Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung hinsichtlich des Zeitmoments danach zu differenzieren, ob die Prognosewiderlegung auf einem Betriebsübergang (§ 613a VI 1 BGB entspr.) oder auf sonstigen Umständen (§ 4 S. 1 KSchG entspr.) beruht. Denn auch für die Wiedereinstellung nach einem Betriebsübergang bleibt es trotz der Rspr. vom „Gleichklang“ mit dem Widerspruchsrecht bei dem übergeordneten Grundsatz, dass die Rechtsstellung des Arbeitnehmers, dem nach wirksamer Kündigung bloß ein Wiedereinstellungsanspruch zusteht, auch in prozessualer Hinsicht keine bessere sein kann als diejenige des Arbeitnehmers, der die Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht. Es ist deshalb nicht angängig, innerhalb des Betriebsübergangsrechts für die Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs maßgeblich auf die Monatsfrist abzustellen, für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung dagegen auf die Dreiwochenfrist. Zwar gilt für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung „wegen“ des Betriebsübergangs gemäß § 613a IV 1 BGB die Dreiwochenfrist gerade nicht, weshalb insoweit auch kein Widerspruch entstünde. Allerdings wird der Arbeitnehmer sich im Regelfall auf das Fehlen eines vom Arbeitgeber behaupteten sachlichen Grundes für die Kündigung berufen müssen1070, was zu einer Beachtung der Dreiwochenfrist aus § 4 S. 1 KSchG zwingt. Wenn aber die Unwirksamkeit einer ohne sachlichen Grund im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ausgesprochenen Kündigung innerhalb von drei Wochen geltend zu machen ist, dann kann ein nach wirksamer Kündigung später entstandener Wiedereinstellungsanspruch nicht großzügiger behandelt werden. Wollte man anders entscheiden, würde man den Wiedereinstellungsanspruch wiederum über seine eigentliche Funktion als durch das vorrangige Prinzip der Rechtssicherheit begrenzten Anspruch auf begrenzte Beseitigung Kündigungsfolgen hinaus ausdehnen. 1070 Vgl. oben unter C.VI.1.b) „Verhältnis von § 613a IV 1 BGB und § 1 KSchG“ auf Seite 126. der - 428 Das Zeitmoment der Verwirkung wird daher aus Gründen der Rechtssicherheit im Regelfall für alle Fallgruppen einheitlich durch die Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG entspr. konkretisiert, gleich worauf die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose beruht (arg. a maiore ad minus). Atypische Sachverhalte können anders beurteilt werden. Die Rspr. zum Gleichklang zwischen Wiedereinstellungsanspruch und Widerspruchsrecht kann unter der Geltung des § 613a VI BGB nicht fortgeschrieben werden. (c) Kenntnisnahme von den anspruchsbegründenden Umständen als Ausgangspunkt des Zeitmoments der Verwirkung Schließlich ist der Beginnzeitpunkt des so konkretisierten Zeitmoments der Verwirkung festzulegen. Klar ist dabei, dass die kurze Dreiwochenfrist aus § 4 S. 1 KSchG für das Zeitmoment nur dann herangezogen werden kann, wenn der Arbeitnehmer über einen Wissensstand verfügt, der dem bei Zugang einer sozialwidrigen Kündigung vergleichbar ist. Die sozialwidrige Kündigung vermag der Arbeitnehmer schon bei Kündigungszugang umfassend zu beurteilen, denn ihre Wirksamkeit bemisst sich nach den tatsächlichen Umständen, wie sie der kündigungsbegründenden Prognose zugrunde lagen. Einen vergleichbaren Geltendmachung des Wissenstand erlangt der Arbeitnehmer Wiedereinstellungsanspruchs erst, wenn für die dessen tatsächliche Umstände für ihn erkennbar zu Tage treten. Zuvor kann auch der Arbeitgeber nicht wirklich ein Vertrauen auf die endgültige Nichterhebung des Anspruchs ableiten, weil mit der Durchsetzung eines Anspruchs, dessen tatsächliche Voraussetzungen dem Anspruchsinhaber nicht klar erkennbar sind, schon gar nicht zu rechnen ist. Wer die Voraussetzungen des Wegfalls des Kündigungsgrundes nicht kennt, hat auch nicht die Möglichkeit, sein Recht auf Wiedereinstellung auszuüben. Der Vorwurf einer illoyalen Verspätung der Rechtsausübung setzt als Minimalanforderung also die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose voraus. Erst mit dem Bewusstsein der Anspruchsinhaberschaft begründet die fortgesetzte Nichtausübung des Anspruchs Vertrauen. Das gilt einmal mehr, wenn die anspruchsbegründenden Umstände dem Verantwortungs- und Einflussbereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind und dieser die Möglichkeit hat, dem Arbeitnehmer einen Kenntnisstand zu verschaffen, an den Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung eines Anspruchs anknüpfen kann. - 429 Dieser Anknüpfungspunkt ist für alle Erscheinungsformen des Wiedereinstellungsanspruchs gerechtfertigt. Es geht hier gerade darum, für unterschiedliche Fallkonstellationen eines Problemkreises, die alle den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffen, Wertungswidersprüche durch den Rückgriff auf ein gemeinsames Prinzip zu vermeiden. Nicht anders stellt sich das Problem für die verschiedenen Fallgruppen des Wiedereinstellungsanspruchs dar. Das schützenswerte Interesses des Arbeitgebers an der Erlangung von Rechtssicherheit und Dispositionsfreiheit ist das gleiche, unabhängig davon, welchen Inhalt die widerlegte kündigungsbegründende Prognose ursprünglich hatte. Zwar hat das BAG mitunter die Auffassung vertreten, die Frage der Verwirkung lasse sich nur für den Einzelfall klären; eine schematisierende Betrachtung werde dem nicht gerecht. Das BAG gestand aber gleichwohl ein, es sei nicht zu leugnen, dass sich Rspr. und Lit. im Interesse der Rechtssicherheit bemühten, zumindest einen zeitlichen Orientierungsrahmen festzulegen.1071 Zu diesem Orientierungsrahmen gehört zumindest ein klar definierter Beginnzeitpunkt für das Zeitmoment als Grundlage für die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens. Die hier darüber hinaus befürwortete Anlehnung an konkrete Fristen kann dann für den Regelfall der Anspruchsgeltendmachung im Interesse der Rechtssicherheit einen festen zeitlichen Rahmen vorgeben. Der Ausnahmefall kann anders beurteilt werden. (4) Konkretisierung des Umstandsmoments der Verwirkung Der zuvor erörterte Fall zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs gegen den Betriebserwerber zeigt aber auch die Unschärfen bei der Differenzierung zwischen Zeit- und Umstandsmoment. Sowohl der 8. Senat1072 als auch das 1071 BAG (2 AZR 711/87), DB 1988, 2156, 2156= AP Nr. 5 zu § 242 BGB Prozessverwirkung. 1072 BAG (8 AZR 106/99), ZinsO 2000, 411, 411. - 430 LAG Hamm1073 gehen davon aus, dass Zeitmoment der Verwirkung beginne mit der positiven Kenntnis des Arbeitnehmers. Sodann wird ausgeführt, „damit ist das Zeitmoment erfüllt“. Das Umstandsmoment soll dann erfüllt sein, weil die Arbeitnehmerin nicht alsbald nach Kenntniserlangung ihre Weiterbeschäftigung gegenüber dem Betriebserwerber verlangt hat, weshalb dieser darauf habe vertrauen dürfen, sie wünsche keine Weiterbeschäftigung. Diese Ausführungen sind wenig überzeugend. Das Zeitmoment kann nicht mit der Kenntnisnahme beginnen und zugleich schon erfüllt sein, um das Fehlen einer alsbaldigen Geltendmachung dann als Umstandsmoment werten zu können. Überhaupt differenziert die Rspr. auch in anderem Zusammenhang nicht ausreichend zwischen Zeit- und Umstandsmoment. Mit abstrakten Formeln wie, der Arbeitgeber habe sich auf die neue Situation „eingerichtet“ und eine entsprechende „Vertrauensinvestition“ getätigt, weshalb ihm eine Inanspruchnahme „unzumutbar“ sei1074, wird das Umstandsmoment lediglich abstrakt aus dem Vorliegen des Zeitmoments abgeleitet. Der Definition nach müsste es sich aber um besondere Umstände handeln, die zu der reinen Nichtgeltendmachung des Anspruchs hinzutreten. Der 2. Senat1075 vertritt hinsichtlich des Klagerechts gegen eine Kündigung „wegen“ des Betriebsübergangs im Sinne von § 613a IV 1 BGB zwar die Auffassung, das Vorliegen des Zeitmoments indiziere nicht das Vorliegen des Umstandsmoments. Anspruchsberechtigten Der Zeitablauf reichten für sich und allein die noch Untätigkeit nicht aus, des das Umstandsmoment auszufüllen. Er will für das Umstandsmoment im Falle der Betriebsübernahme aber die Überlegung heranziehen, ob der Arbeitnehmer 1073 LAG Hamm (4 Sa 779/00), BuW 2001, 41, 41 = ZInsO 2000, 568, 568. 1074 LAG Hamm (8 Sa 1353/98), NZA-RR 2000, 27, 30 ff. 1075 BAG (2 AZR 711/87), DB 1988, 2156, 2156 f. - 431 hierüber informiert war, ob er sich aus allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen hätte informieren können oder ob er gezielt darüber im Unklaren gelassen oder gar darüber getäuscht wurde, dass ein Erwerber in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer getreten ist. Da das (im entschiedenen Fall mit bis zu 6 Monaten terminierte) Zeitmoment bereits mit Zugang der Kündigung in Lauf gesetzt werden soll, ist es möglich, die näheren Umstände der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von der Unwirksamkeit der Kündigung als Umstandsmoment zu werten. Anders liegt der Fall bei der Wiedereinstellung, wenn man die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von den anspruchsbegründenden Umständen als Beginnzeitpunkt für das Zeitmoment heranzieht. Hier baut also das Zeitmoment bereits auf dem Umstandsmoment auf, weil es ansonsten an einem sinnvollen zeitlichen Bezugspunkt fehlen würde. Geht es dagegen um die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung, sollte die Sichtweise ehrlicherweise keine andere sein. Welche vertrauensstiftende Bedeutung dem Zeitablauf nach Ausspruch der Kündigung zukommt, hängt nämlich stets vom Kenntnisstand der Beteiligten ab, so dass bei näherer Betrachtung auch hier das Umstandsmoment dem Zeitmoment vorangeht. Das Zeitmoment kann für die Wiedereinstellungsfrage daher zutreffend nur beschrieben werden, wenn man bereits für dessen Beginnzeitpunkt auf die positive Kenntnisnahme des Arbeitnehmers und damit inzident auch auf die Umstände abstellt, die der Arbeitgeber aus seiner Sphäre dazu beiträgt, namentlich die Unterrichtung über Veränderungen aus seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich. Das Umstandsmoment ist dann erfüllt, weil der Arbeitgeber vor dem Hintergrund der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers alsbald auf die Beständigkeit des durch die wirksame Kündigung geschaffenen Rechtszustandes endgültig vertrauen darf. Das Vertrauen ist schutzwürdig, weil der Arbeitnehmer für die Durchsetzung seines Wiedereinstellungsanspruchs zumindest das Maß an Sorgfalt walten lassen muss, welches auch für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung verlangt wird, worauf sich der Arbeitgeber verlassen darf (arg. a maiore ad minus). Damit wird deutlich, dass das Umstandsmoment auch für die Verwirkung des Wiedereinstellungsanspruchs keine wirklich eigenständige Funktion hat und zudem das Zeitmoment sinnvoll nur in Abhängigkeit vom Umstandsmoment - 432 definiert werden kann. Für den Wiedereinstellungsanspruch lässt sich also zum Verhältnis von Umstands- und Zeitmoment folgendes feststellen: Die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von den tatsächlichen Umständen, auf denen die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose beruht, führt zur Erfüllung des Umstandsmoments und löst damit das Zeitmoment der Verwirkung aus. (5) Sphärenbezogene Rechtspflicht zur Aufklärung über eine prognosewidrige Entwicklung nach Kündigungszugang (a) Sphärenbezogene Aufklärungsnotwendigkeit Mit dem Anknüpfungspunkt der arbeitnehmerseitigen Kenntnisnahme von den prognosewidrigen Umständen als Beginnzeitpunkt für das Zeitmoment ist auch die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit eine Aufklärungsobliegenheit oder sogar eine echte Rechtspflicht im Sinne einer Initiativlast für die Arbeitsvertragsparteien mit dem Inhalt besteht, den Vertragspartner auf den unerwarteten Wegfall des Kündigungsgrundes aufmerksam zu machen. Der 7. Senat äußert sich in seiner Entscheidung vom 28.06.20001076 nicht klar zu einer solchen Aufklärungspflicht bzw. –obliegenheit: Die Berufung des Arbeitgebers auf die Neubesetzung des für den Arbeitnehmer in Betracht kommenden Arbeitsplatzes könne dem Arbeitnehmer ausnahmsweise auch dann verwehrt sein, wenn er die Neubesetzung bereits vor dem Wiedereinstellungsverlangen vorgenommen habe, dies aber darauf beruhe, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer treuwidrig nicht über die sich ergebende Beschäftigungsmöglichkeit informiert habe. Dabei lasse sich die Frage, ob der Arbeitgeber überhaupt, sowie gegebenenfalls wann und wie verpflichtet sei, von sich aus einen Arbeitnehmer über eine sich unvorhergesehen ergebende Beschäftigungsmöglichkeit zu unterrichten, ebenfalls nicht generell beantworten. 1076 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1782. - 433 Vielmehr richte sich der Inhalt und Umfang einer derartigen Informationspflicht gemäß § 242 BGB nach den Umständen des Einzelfalles. Im Anschluss an diese Überlegung wird zumindest von einer Aufklärungsobliegenheit des Arbeitgebers insoweit auszugehen sein, wie die Widerlegung der Prognose auf Umständen beruht, die in seine Risikosphäre fallen und für den Arbeitnehmer daher nicht ohne weiteres erkennbar sind1077, weil anders das Interesse des Anspruchsinhabers an einer zügigen Durchsetzung des Anspruchs einerseits und der Vermeidung von Nachteilen andererseits gerade zur Disposition des Anspruchsgegners stehen würde. Dies gilt insbesondere für die betriebsbedingte Kündigung als praktisch wichtigster Wiedereinstellungsfall.1078 (b) Echte Rechtspflicht des Arbeitgebers zur Aufklärung über prognosewidrige Veränderungen aus seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich Klärungsbedürftig bleibt, ob es sich um eine bloße Obliegenheit oder eine echte Rechtspflicht handelt. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung von einer Wechselwirkung zwischen der Aufklärung des Arbeitnehmers über Umstände aus der Sphäre des Arbeitgebers und der Verwirkung seines Anspruchs in dem Sinne aus, dass das Zeitmoment der Verwirkung die vorherige Kenntnisnahme und damit die vorherige Aufklärung über den Wegfall des Kündigungsgrundes aus der Sphäre des Arbeitgebers voraussetzt, so bedarf es grundsätzlich nicht der Anerkennung einer echten Rechtspflicht bzw. einer Initiativlast für ein neues Vertragsangebot.1079 Der Arbeitgeber kann ja die Information über den Wegfall des Kündigungsgrundes nur um den Preis fehlender Rechtssicherheit unterdrücken. 1077 1078 1079 So für die betriebsbedingte Kündigung i.E. auch Manske, FA 1998, 143, 147. Vgl. zu den ausdrücklich geregelten Informationspflichten des Arbeitgebers bei einem Betriebsübergang im österreichischen Recht aufgrund des AVRAG Gahleitner, DRdA 2000, 426, 427. So i.E. auch Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 756. - 434 Berücksichtigt man jedoch auch das Interesse des Arbeitnehmers, aus dem Unterlassen einer erforderlichen Aufklärung durch den Arbeitgeber im Ergebnis keinen Nachteil zu erleiden, so gelangt man zutreffend zu der Annahme einer echten Rechtspflicht.1080 Der Arbeitnehmer hat regelmäßig nicht nur ein schutzwürdiges Interesse daran, seinen Anspruch überhaupt zu realisieren, sondern auch, dies rechtzeitig zu tun, da jede Verzögerung den Ausfall von Arbeitsentgelt bedeutet. Nähme man eine bloße Obliegenheit an, so würde trotz verspäteter oder unterlassener Information durch den Arbeitgeber für den Zeitraum zwischen dem Wegfall des Kündigungsgrundes aus der Sphäre des Arbeitgebers und der positiven Kenntnisnahme des Arbeitnehmers hiervon kein Anspruch auf den Verzögerungsschaden in Höhe des entgangenen Arbeitsentgelts entstehen, weil es insoweit an einer Rechtspflicht fehlen würde, deren Nichterfüllung Voraussetzung dieser Ansprüche wäre. Es ist aber nicht einzusehen, die mit der Realisierung des Wiedereinstellungsanspruchs verbundenen Erwerbsaussichten des Arbeitnehmers in das Belieben des Anspruchsverpflichteten zu stellen, will man den Anspruch inhaltlich nicht entwerten. Daher ist stets vom Vorliegen einer echten Aufklärungspflicht des Arbeitgebers auszugehen, sofern nur die tatsächlichen Umstände der kündigungsbegründenden Prognose und damit auch ihr Fortfall aus seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich stammen.1081 Fallen die veränderten Umstände dagegen in die Sphäre des Arbeitnehmers, so ist auf seiner Seite die Annahme einer bloßen Informationsobliegenheit ausreichend1082, da er die finanziellen Folgen einer verspäteten Durchsetzung des Anspruchs gegen sich gelten lassen muss und andererseits der Arbeitgeber (wenn er dies ausnahmsweise einmal will) auf eine Neubegründung vertraglicher Hauptpflichten nicht bestehen kann, die er selbst aufgrund einer von ihm angestellten Prognose gelöst hat. 1080 Boewer, NZA 1999, 1121, 1125; Boewer, NZA 1999, 1177, 1180 f. 1081 So i.E. für die betriebsbedingte Kündigung ebenfalls Kiel/Koch, Rn 867. 1082 Senne, AuA 1992, 301, 302. - 435 (c) Differenzierung nach Kündigungsgründen Es muss nun nach Risikosphären für die jeweiligen Kündigungsgründe differenziert werden, Aufklärungspflicht um zu kündigungsbegründenden die Frage nach beantworten.1083 Prognose zugrunde einer arbeitgeberseitigen Stammen liegenden die der tatsächlichen Umstände aus dem Einfluss- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers, so gilt das regelmäßig auch für die die Prognose widerlegenden Umstände, was impliziert, dass der Arbeitgeber zuerst von den veränderten Umständen erfährt und ihn folgerichtig auch die Pflicht zur Aufklärung trifft. i) Personenbedingte Kündigung Bei personenbedingten Kündigungsgründen ist es Sache des Arbeitnehmers, die zunächst nur von ihm erkannte neue Sachlage dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit seinem Wiedereinstellungsverlangen mitzuteilen. Wird beispielsweise einem Arbeitnehmer wegen Krankheit gekündigt, dann wird er auch nachträgliche Verbesserungen seines Gesundheitszustandes zuerst feststellen und es obliegt ihm, den Arbeitgeber hierüber in Kenntnis zu setzen.1084 ii) verhaltensbedingte Kündigung Kommt es ausnahmsweise nach verhaltensbedingter Kündigung zu einer Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose1085, so geschieht dies zumindest auch in der Arbeitnehmersphäre. Den Arbeitgeber trifft keine Aufklärungspflicht. 1083 Boewer, NZA 1999, 1177, 1180; Raab, RdA 2000, 147, 156. 1084 Raab, RdA 2000, 147, 156. 1085 Z.B. in dem Fall, dass sich ein Arbeitnehmer innerhalb der Weiterbeschäftigungszeit nach § 102 V BetrVG oder in der Zeit des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs fehlende Spezialkenntnisse aneignet, weshalb die kündigungsbegründenden Leistungsdefizite dann als ausgeräumt gelten müssen. - 436 iii) betriebsbedingte Kündigung Im Bereich der betriebsbedingten Kündigung trifft den Arbeitgeber die Pflicht, den Arbeitnehmer vom Wegfall des Kündigungsgrundes in Kenntnis zu setzen, weil die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führende Unternehmerentscheidung und die ihr zugrunde liegenden inner- oder außerbetrieblichen Gründe allein aus seiner Sphäre stammen und daher eine Informationsasymmetrie besteht.1086 Da der Arbeitgeber die unternehmerischen Dispositionen trifft, kann der Arbeitnehmer schwerlich mit der Informationsbeschaffung belastet werden.1087 Die Arbeitnehmer werden vielfach gar nicht wissen, dass sich die betrieblichen Verhältnisse nach Ausspruch der wirksamen Kündigung verändert haben. Ohne eine entsprechende Information des Arbeitgebers haben sie schon gar keinen Anlass, ein Wiedereinstellungsverlangen zu äußern.1088 Will der Arbeitgeber eine Wiedereinstellung vermeiden, so tut er gut daran, durch eine zeitige Information der betroffenen Arbeitnehmer die zügige Verwirkung einzuleiten. Eine frühe Kenntniserlangung durch den Arbeitnehmer führt zu einer frühen Klärung des Umfangs zu erfüllender Wiedereinstellungsansprüche. iv) Klassischer Betriebsübergang Beim Betriebsübergang besteht eine umfassende textförmliche1089 Unterrichtungspflicht bereits aufgrund des § 613a V BGB. Diese trifft sowohl den Veräußerer als auch den Erwerber. Beide müssen sich untereinander verständigen, in welcher Weise sie ihre gemeinsame Pflicht erfüllen.1090 Nach umfassender Unterrichtung gemäß § 613a V BGB ist regelmäßig nicht nur eine 1086 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 311; Raab, RdA 2000, 147, 161. 1087 Boewer, NZA 1999, 1177, 1181. 1088 Raab, RdA 2000, 147, 156. 1089 § 126b BGB, vgl. auch BT-Drs. 14/4987, S. 19. 1090 BT-Drs. 14/7760, S. 19. - 437 Entscheidungsgrundlage für das Widerspruchsrecht, sondern auch für die Geltendmachung eines eventuellen Wiedereinstellungsanspruchs gegeben. Es handelt sich auch insoweit um eine echte Rechtspflicht zur Unterrichtung, an deren Nichterfüllung Schadensersatzansprüche anknüpfen können.1091 Die Gegenauffassung1092 nimmt insoweit stattdessen eine bloße Obliegenheit an, womit weder ein Erfüllungs-, noch ein Schadensersatzanspruch bestünde. Eine Nichterfüllung würde lediglich zu einem zeitlich unbeschränkten Widerspruchsrecht nach Abs. VI führen. Hierbei wird aber nicht berücksichtigt, dass der Arbeitgeber mit der Verletzung einer „Rechtspflicht gegen sich selbst“ gleichwohl auch eine Rechtspflicht gegen andere verletzen kann. Auch wäre es äußerst ungewöhnlich, den Inhalt einer bloßen Obliegenheit als eigenständige Handlungsanweisung festzuschreiben („hat... zu unterrichten“) und von ihrer einzigen erst im nächsten Absatz geregelten Rechtsfolge abzukoppeln. Regelungstechnisch wird die Obliegenheitsverletzung stets mit dem mit ihr verbundenen Rechtsnachteil unmittelbar verbunden, so z.B. in § 121 BGB (Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern) und § 149 BGB (Fiktion der rechtzeitigen Annahmeerklärung bei unterlassener Verspätungsanzeige).1093 Folglich kann hier nur eine echte Rechtspflicht normiert sein. Ist der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Unterrichtung nach § 613a V BGB bereits aus dem Betrieb ausgeschieden und gehört er deshalb nicht zum erfassten Personenkreis, so ist der Arbeitgeber gleichwohl zur Aufklärung wie auch bei sonstigen prognosewidrigen Umständen verpflichtet. 1091 Worzalla, NZA 2002, 353, 353 ff; Gaul/Otto, DB 2002, 634, 635; Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159, 1161. 1092 Grobys, BB 2002, 726, 727. 1093 Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159, 1161. - 438 v) Betriebsübergang durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft Für den Arbeitnehmer, der vom neuen Auftragnehmer kein Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages erhält, ist die Kenntniserlangung vom ohne ihn vollzogenen Betriebsübergang nach Funktionsnachfolge denkbar schwierig. Er weiß nicht, ob der neue Auftragnehmer eine wesentliche Gesamtheit von Arbeitnehmern übernimmt, weil zum einen der bisherige Arbeitgeber selbst die näheren Umstände der Funktionsnachfolge (Auftragsneuvergabe) nicht kennt und zum anderen der Arbeitnehmer möglicherweise auch von seinen alten Arbeitskollegen keine Auskünfte über eine Tätigkeit beim neuen Auftragnehmer erhält. Zu Recht weist die Lit. darauf hin, dass der Arbeitnehmer insoweit in ein Prozessdilemma geraten kann, wenn er gegen eine vom alten Auftragnehmer ausgesprochene Kündigung vorgehen will und keine sichere Kenntnis vom erfolgten Betriebsübergang besitzt.1094 Der teilweise zur Begrenzung des Wiedereinstellungsanspruchs herangezogene Gedanke einer Erkundigungsobliegenheit des Arbeitnehmers gegenüber den ehemaligen Kollegen mit dem Ziel, die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs in Erfahrung zu bringen, und die angenommene Verwirkung des Wiedereinstellungsanspruchs im Zusammenhang mit einer Verletzung dieser Obliegenheit1095 führt dann nicht weiter, wenn die Arbeitskollegen nicht zu Auskünften gegenüber dem gekündigten Arbeitnehmer bereit sind, um z.B. ihr eigenes mit dem Funktionsnachfolger einverständlich neubegründetes Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden.1096 Eine solche Erkundigungsobliegenheit passt im Übrigen nicht zur Unterrichtungspflicht nach § 613a V BGB, der allerdings seinerseits auf die Fälle der Funktionsnachfolge nicht zugeschnitten ist. 1094 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 310; Meyer, NZA 2000, 297, 302. 1095 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 311. 1096 Meyer, NZA 2000, 297, 301. - 439 Zunächst ist es Sache des den Betriebsübergang auslösenden Funktionsnachfolgers, sich beim Funktionsvorgänger über die Gesamtzahl der zuvor bei diesem beschäftigten Arbeitnehmer zu erkundigen, damit er diesen dann eine Wiedereinstellung auf erhalten gebliebene Arbeitsplätze anbieten kann, wozu er wie sonst beim Wegfall des betriebsbedingten Kündigungsgrundes auch verpflichtet ist.1097 Der Arbeitnehmer tut indes gut daran, sich selbst um Informationen zu bemühen, da die Aufklärungspflicht des Funktionsnachfolgers schon aus sachlogischen Gründen durch dessen eigenen Kenntnisstand begrenzt ist. Dass im betriebsmittelarmen Dienstleistungssektor die Identität der Arbeitsplätze kaum auszumachen ist, spielt für die Initiativlast des Funktionsnachfolgers keine Rolle. Soweit es sich, was die Regel sein dürfte, um funktional austauschbare Arbeitsplätze handelt, kommen ohnehin alle geeigneten Arbeitnehmer für eine Wiedereinstellung auf einen erhalten gebliebenen Arbeitsplatz in Frage. Wem dann die Wiedereinstellung angeboten werden muss, ist eine Frage der sozialen Auswahl. Der Funktionsnachfolger und Betriebserwerber hat das seinige getan, wenn er diejenigen Arbeitnehmer von dem Betriebsübergang unterrichtet, die ihm vom Veräußerer auf Nachfrage als solche benannt werden, denen infolge der Auftragsneuvergabe gekündigt worden ist. Sind die Angaben des Funktionsvorgängers unvollständig und kann deshalb ein zuvor gekündigter Arbeitnehmer seinen Anspruch nicht realisieren, weil der Funktionsnachfolger den Arbeitsplatz gutgläubig anderweitig besetzt hat, so kann dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB wegen Verletzung einer (nachvertraglichen) Nebenpflicht gegen den Funktionsvorgänger, also seinen früheren Arbeitgeber, zustehen.1098 1097 Preis/Steffan, DB 1998, 309, 310; Boewer, NZA 1999, 1177, 1180. 1098 Raab, RdA 2000, 147, 162. - 440 Ebenso kann ein Schadensersatzanspruch gegen den Funktionsnachfolger entstehen, wenn dieser den in Frage kommenden Arbeitnehmern des Funktionsvorgängers keine Wiedereinstellung anbietet. Ein Verschulden (§ 280 I 2 BGB) trifft den Funktionsnachfolger deshalb, weil er weiß, zumindest aber wissen muss, dass er durch seine willentliche Wiedereinstellungsentscheidung bezüglich eines Großteils der beim Funktionsvorgänger Beschäftigten einen Betriebsübergang ausgelöst hat. Der Funktionsnachfolger, der damit selbst den Betriebsübergang tatbestandlich ausgelöst hat, sieht sich in der Rechtsfolge nicht nur mit den Wiedereinstellungsansprüchen der ohne dringende betriebliche Gründe nicht übernommenen Arbeitnehmer konfrontiert, sondern im Vorfeld bereits mit einer Pflicht zur Erkundigung gegenüber dem Funktionsvorgänger und einer Pflicht zur Unterrichtung der nicht übernommenen Arbeitnehmer. Mit einer Verletzung dieser Pflichten kann sich auch der Funktionsnachfolger schadensersatzpflichtig machen. Die zuerst den Funktionsnachfolger treffende Informationspflicht erspart es dem Arbeitnehmer, quasi vorsorglich seine Wiedereinstellung sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber als auch dem neuen Auftragnehmer gegenüber einzuklagen, obwohl in Abhängigkeit vom tatsächlichen Vorliegen eines Betriebsübergangs einer der beiden Prozesse nur verloren werden könnte.1099 (6) Parallele zur fristauslösenden Aufklärungspflicht gemäß § 613a V und VI BGB (a) Gegenstand der Neuregelung § 613a BGB wurde durch das am 01.04.2002 in Kraft getretene „Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze“1100 um die Absätze V und VI ergänzt. Die Neuregelung ist schon im Gesetzgebungsverfahren auf 1099 1100 Meyer, NZA 2000, 297, 303. BT-Drs. 14/7760, Art. 4 (Gesetzentwurf der Bundesregierung); (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung). BT-Drs. 14/8128 - 441 erhebliche Kritik gestoßen.1101 Gesetzesbegründung1102 2001/23/EG des Rates Sie dient ausweislich der der Umsetzung von Art. 7 VI der Richtlinie vom 12.03.20011103 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmensoder Betriebsteilen. Bei dieser Richtlinie handelt es sich um eine inhaltlich völlig unveränderte1104 Neufassung der Betriebsübergangsrichtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14.02.19771105 in der Fassung der Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29.06.19981106. Für die Ergänzung des § 613a BGB bestand keine europarechtliche Notwendigkeit.1107 Der Gesetzgeber hielt es gleichwohl für sachlich, wenn auch nicht für europarechtlich geboten, Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ausdrücklich zu regeln.1108 Mit der Neuregelung ist das Widerspruchsrecht nun so normiert, dass der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der vollständigen Unterrichtung gemäß Absatz V gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber schriftlich widersprechen kann und muss, wenn er den Beschäftigungsanspruch gegen seinen bisherigen Arbeitgeber und Betriebsveräußerer nicht durch den Übergang seines Arbeitsverhältnisses verlieren will. Da die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer 1101 und das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers im Vgl. die Stellungnahme des Arbeisrechtsausschusses des DAV, NZA 2002 (Heft 2), S. VIII, IX; Übersicht über die abgelehnten Änderungsanträge in BT-Drs. 14/8128, S. 4 f. 1102 BT-Drs. 14/7760, S. 19. 1103 Abl. L 82, von 22.03.2001, S. 16. 1104 Art. 7 VI der Richtlinie 2001/23/EG entspricht Art. 6 VI der Richtlinie 98/50/EG. 1105 Abl. L 61, von 05.03.1977, S. 26. 1106 Abl. L 201, von 17.07.1998, S. 88. 1107 Näher Grobys, BB 2002, 726, 726 f; Gaul/Otto, DB 2002, 634, 634. 1108 BT-Drs. 14/7760, S. 20. - 442 wechselseitigen Bezug stehen, war nach Auffassung des Gesetzgebers eine zusammenhängende Regelung erforderlich. (b) Modell der fristauslösenden Aufklärungspflicht innerhalb und außerhalb des Betriebsübergangsrechts Die Normierung einer Aufklärungspflicht, deren Erfüllung den Lauf einer Frist auslöst, stimmt im Ergebnis mit der hier vorgeschlagenen Ausformung des Verwirkungseinwands für den Wiedereinstellungsanspruch in den Fällen überein, in denen die prognosewidrigen Umstände aus der Arbeitgebersphäre stammen. Insoweit lässt sich die Neuregelung des § 613a V und VI BGB auch als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens verstehen, der den Wiedereinstellungsanspruch über seinen entsprechenden Anwendungsbereich im Betriebsübergangsrecht hinaus prägt. Es wäre nämlich wenig überzeugend, den Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter Kündigung unterschiedlich zu behandeln, je nach dem, ob ein Betriebsübergang stattgefunden oder der bisherige Arbeitgeber den Betrieb weitergeführt hat. In beiden Fällen ist es sachgerecht, die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers durch eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers sicherzustellen und an die Erfüllung dieser Pflicht (oder eine zwischenzeitliche Kenntnisnahme auf andere Art) den Beginn einer einheitlichen Frist zu koppeln, innerhalb derer der Anspruch regelmäßig geltend zu machen ist. (7) Anwendung des Verwirkungseinwands auf den Wiedereinstellungsanspruch (a) Verwirkung bei Aufklärungspflicht Eine Aufklärungspflicht besteht insbesondere für den praktisch wichtigsten Wiedereinstellungsfall, den nach betriebsbedingter Kündigung. Insoweit ist zu beachten, dass der Anspruch nicht durch schutzwürdige Dispositionen vernichtet werden kann, da nur der vom Wegfall des Kündigungsgrundes informierte - 443 (bösgläubige) Arbeitgeber die Disposition vornehmen könnte.1109 Der Arbeitgeber darf nun wegen Anspruchsverwirkung wieder Dispositionen vornehmen, sobald er seine Pflichten erfüllt hat, indem er den Arbeitnehmer von den prognosewidrigen Umständen in Kenntnis gesetzt und die Äußerungsfrist abgewartet hat. Die Dispositionsfreiheit wird bereits vor diesem Zeitpunkt wiederhergestellt, sobald eine ablehnende Äußerung (Verzichtserklärung) des Arbeitnehmers vorliegt. (b) Verwirkung ohne Aufklärungspflicht Trifft den Arbeitgeber dagegen keine Aufklärungspflicht, weil die für die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose ursächlichen Umstände aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen, so ist die Verwirkung allein abhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers. Zu berücksichtigen ist dabei einerseits, dass es dem Arbeitgeber in diesen Fällen ohnehin solange möglich ist, gutgläubig über potentielle Beschäftigungsmöglichkeiten des gekündigten Arbeitnehmers zu disponieren, wie er von den veränderten Umständen, beispielsweise der unerwarteten Verbesserung des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers und damit der Widerlegung der Fehlzeitenprognose, keine Kenntnis erlangt. Andererseits ist es dem Arbeitnehmer zuzumuten, zu einer raschen Klärung möglicher Ansprüche beizutragen, die aus Veränderungen in seinem eigenen Verantwortungsbereich resultieren. Sobald der Arbeitgeber von den prognosewidrigen Umständen Kenntnis erlangt und folglich nicht mehr gutgläubig disponieren kann, entsteht ein dringendes Interesse an der Klärung dieses Schwebezustands. In der Regel fällt die Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber in diesen Fällen mit dem Wiedereinstellungsverlangen des Arbeitnehmers zusammen. Der entstandene Anspruch ist dann unverzüglich zu erfüllen. Um die Pflichtenstellung des Arbeitgebers nicht ausufern zu lassen und den von § 4 Satz 1 KSchG 1109 Siehe oben unter G.I.1.e)(2)(c) „Schutzwürdigkeit von Dispositionen nach betriebsbedingter Kündigung“ auf Seite 308. - 444 intendierten Rechtsfrieden nicht zu konterkarieren, tritt hier ebenfalls Verwirkung ein, wenn der Arbeitnehmer die Wiedereinstellung verlangt, obwohl seit dem Zeitpunkt seiner eigenen Kenntnisnahme vom Wegfall des Kündigungsgrundes (die regelmäßig mit dem Wegfall des Kündigungsgrundes sofort eintritt, da die Umstände hierfür ja aus seiner Sphäre stammen) die für das Zeitmoment maßgebliche Dreiwochenfrist verstrichen ist; den Arbeitgeber trifft insoweit die Darlegungs- und Beweislast, wenn der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Arbeitnehmer bestritten wird. Nach Ablauf der sich an die Kenntnisnahme durch den Arbeitnehmer anschließenden Äußerungsfrist ist das Zeitmoment der Verwirkung vor dem Hintergrund erfüllt, dass der gutgläubige Arbeitgeber noch nicht über den Arbeitsplatz disponiert hat (ansonsten käme es nicht mehr auf die Verwirkung an) und der bösgläubige nicht über ihn disponieren durfte. Gegen diese Sichtweise spricht nicht, dass die Kenntnisnahme durch den Arbeitnehmer als Anknüpfungspunkt für den Fristablauf möglicherweise schwer beweisbar und daher wenig praktikabel ist. Zunächst wird die Kenntnisnahme durch den Arbeitnehmer mit dem Zeitpunkt der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose regelmäßig zusammenfallen, weil es sich ja (außerhalb einer Aufklärungspflicht des Arbeitgebers) um einen Kündigungsgrund aus der Sphäre des Arbeitnehmers handelt. Dieser Zeitpunkt ist oftmals durchaus beweisbar, man denke an die abweichende Diagnosestellung durch den behandelnden Arzt. Auch wenn aber dem Arbeitgeber nicht der Nachweis gelingt, der Arbeitnehmer habe schon lange vor der Äußerung des Wiedereinstellungsverlangens vom Wegfall des Kündigungsgrundes gewusst, so stellt dies aus Arbeitgebersicht dennoch keine Härte da. Bis zu seiner Kenntniserlangung kann der Arbeitgeber frei disponieren und den Anspruch so vernichten. Nach diesem Zeitpunkt kann er dies für lediglich drei Wochen nicht mehr. Von da an tritt die Verwirkung ein, auf die sich der Arbeitgeber nicht eigens berufen muss. Mangels Beweisbarkeit eines anderen Zeitpunktes beginnt der Fristlauf also zumindest mit dem Zeitpunkt des Wiedereinstellungsverlangens. Für den Fristlauf sind die Vorschriften über die Ereignisfrist entsprechend heranzuziehen (§§ 187 I, 188 II Alt. 1 BGB). Im Ausnahmefall soll dem Arbeitgeber dabei der Nachweis eines früheren Fristablaufs nicht genommen werden. Gelingt dieser Nachweis, so verringert sich der Zeitraum der Dispositionssperre auf weniger als drei Wochen. Zögert - 445 der Arbeitnehmer nach eigener Kenntnisnahme mindestens drei Wochen und kann der Arbeitgeber dies nötigenfalls beweisen, so ist der Anspruch verwirkt; der Arbeitgeber war in diesem Fall zu keiner Zeit in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt. (8) Rechtsfolge – Anspruchsvernichtung Die unterschiedlichen Standpunkte zu den zeitlichen Anforderungen an die Geltendmachung des Anspruchs führen auch zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Nach der hier vertretenen Verwirkungslösung muss indes eine inhaltliche Begrenzung des Rechts eintreten, denn es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einwendung.1110 Zum gleichen Ergebnis gelangt aber auch der 8. Senat, der eine Ausschlussfrist annimmt, für den Sonderfall des unerwarteten Betriebsübergangs im Anschluss an eine Funktionsnachfolge im Dienstleistungsbereich.1111 Im Unterschied dazu will Raab1112 ebenfalls auf der Grundlage einer Ausschlussfrist dem Bedürfnis des Arbeitgebers nach Rechtssicherheit allein dadurch Rechnung tragen, dass dieser nach Fristablauf unabhängig von der zwischenzeitlich eingetretenen Bösgläubigkeit frei über die Besetzung des Arbeitsplatzes disponieren dürfe. Es bestehe kein Anlass, dem Arbeitnehmer den Wiedereinstellungsanspruch auch dann zu versagen, wenn der Arbeitgeber ihn ohne Probleme zu unveränderten Bedingungen beschäftigen kann. Schließlich könne der Arbeitnehmer nur den Abschluss des Arbeitsvertrages mit Wirkung ex-nunc verlangen. 1110 Planandt – Heinrichs, § 242 BGB Rn 97 m.w.N. 1111 BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 313. 1112 Raab, RdA 2000, 147, 161. - 446 Ob sich dieses Ergebnis rechtstechnisch tatsächlich durch die Annahme einer Ausschlussfrist erzielen lässt, erscheint fraglich, da die Ausschlussfrist im allgemeinen ebenfalls zu einer Rechtsvernichtung führt.1113 Könnte der Anspruch auch nach Unterrichtung über die Beschäftigungsmöglichkeit und Ablauf der Äußerungsfrist problemlos entstehen, wenn der Arbeitsplatz noch vorhanden ist, so würde der vom 8. Senat heraufbeschworene „Schwebezustand bedenklicher Rechtsunsicherheit“ im Einzelfall auch dann noch fortbestehen, wenn längst klar ist, dass der Arbeitnehmer den Anspruch aktiv nicht verfolgen will, an einer Wiedereinstellung also nicht interessiert ist. Um die Gefährdung der Rechtssicherheit möglichst gering zu halten, will Raab insoweit konsequent Beschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen oder neu geschaffenen Arbeitsplatz, die sich nach Ausspruch der Kündigung unerwartet ergeben, für die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruchs unberücksichtigt lassen.1114 Da auch dem vorliegend nicht zugestimmt wird1115, ergibt sich mit der rechtsvernichtenden Folge der Verwirkung eine in sich stimmige Lösung. g) Form der Geltendmachung – Kein Klageerfordernis, Vertragsangebot Schließlich stellt sich die Frage, welche Form für die Geltendmachung zu beachten ist. Man könnte eine Klageerhebung innerhalb der an § 4 KSchG angelehnten Äußerungsfrist auf das Angebot des Arbeitgebers für erforderlich halten oder aber bereits ein gegenüber dem Anspruchsgegner zu erklärendes Wiedereinstellungsverlangen ausreichen lassen. 1113 1114 1115 Palandt – Heinrichs, Überbl v § 194 Rn 7 m.w.N. So Raab, RdA 2000, 147, 154, der nur für Evidenzfälle eine Ausnahme machen will, was deshalb nicht praktikabel ist, weil schon theorätisch der Fall schwer vorstellbar ist, dass sich eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit zum Kündigungzeitpunkt nicht abzeichnet, die Kündigung daher wirksam ist, sich danach jedoch dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz geradezu aufdrängen müsste. Siehe oben unter E „Reichweite der Wiedereinstellungspflicht“ auf Seite 201. - 447 Nach Auffassung des Wiedereinstellungsverlangen 8. Senats1116 gegenüber dem reicht ein Arbeitgeber bloßes für die Geltendmachung aus. Dies erscheint zunächst konsequent, da der 8. Senat auf die Parallelität zur Ausübung des Widerspruchsrechts hinweist, für das ja ein schriftlicher Widerspruch nach § 613a VI BGB ausreicht. Für eine klageweise Geltendmachung könnte jedoch der Rechtsgedanke der §§ 4 und 7 KSchG sprechen. § 613a VI BGB kann nämlich nicht ohne weiteres auf das Wiedereinstellungsverlangen nach einem Betriebsübergang übertragen werden. Das Widerspruchsrecht ist ein einseitiges Gestaltungsrecht, welches anders als der Wiedereinstellungsanspruch gar nicht als solches eingeklagt werden kann, sondern seine Wirkung durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung entfaltet. § 4 KSchG fordert dagegen die Klageerhebung innerhalb der Dreiwochenfrist. Beim Wiedereinstellungsanspruch könnte entsprechend § 4 KSchG eine Klageerhebung verlangt werden, um ein Maß an Rechtssicherheit zu erreichen, das der Situation bei der Kündigungsschutzklage entspricht. Da der in der Wiedereinstellungspflicht liegende Kontrahierungszwang die durch die Kündigung intendierte Rechtssicherheit für den Arbeitgeber in ähnlicher Weise gefährdet wie die Ungewissheit über den Bestand eines möglicherweise zu Unrecht gekündigten Arbeitsverhältnisses, spricht einiges für die Notwendigkeit einer Klageerhebung.1117 Da es sich jedoch nach der hier vertretenen Auffassung bei der Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 4 KSchG nicht um eine Ausschlussfrist, sondern lediglich um die interessengerechte Ausgestaltung des Verwirkungseinwands handelt, kann eine gerichtliche Geltendmachung folgerichtig nicht verlangt werden. Die Verwirkung ist eine Ausprägung des Vertrauensschutzprinzips, das sich seinerseits aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableitet. Um das Vertrauen in die Nichtgeltendmachung eines bestehenden Anspruchs zu vernichten, bedarf es keiner Klageerhebung. Ausreichend ist, dass der Gläubiger vom Schuldner 1116 BAG (8 AZR 265/97), NZA 1999, 311, 314. 1117 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 580 f. - 448 die Erfüllung verlangt. Ein wie auch immer geartetes Vertrauen des Schuldners, der Anspruch werde dennoch nicht durchgesetzt, ist von diesem Zeitpunkt an nicht mehr schutzwürdig. Auch ein Schriftformerfordernis kann nicht einfach der Vorschrift des § 613a VI 1 BGB entnommen werden, mag die Schriftform auch aus Beweisgründen regelmäßig beachtet werden. Nach allem ist also die außergerichtliche formlose Geltendmachung des Anspruchs ausreichend. Innerhalb der Äußerungsfrist auf die Kenntnis der die kündigungsbegründenden Prognose widerlegenden tatsächlichen Umstände hat demnach der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages anzubieten. Dies kann in jeder Form geschehen. Nicht erforderlich ist ein Angebot der Arbeitskraft in annahmeverzugsbegründender Form, denn es ist zwischen dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages und dem Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung als Rechtsfolge hieraus zu unterscheiden. Das gilt auch dann, wenn es sich um einen sog. Fortsetzungsanspruch vor Ablauf der Kündigungsfrist handelt.1118 Richtigerweise lässt es das LAG Hamm1119 ausreichen, dass der Arbeitnehmer sein Wiedereinstellungsverlangen durch Klageerhebung gegenüber dem Arbeitgeber nur indirekt äußert. Der Arbeitnehmer kann, muss aber nicht auf Wiedereinstellung klagen, um sein Angebot auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages geltend zu machen. 1118 1119 Missverständlich insoweit LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457, 457 ff, das für die Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs bei unerwartetem Betriebsübergang vor Ablauf der Kündigungsfrist ein persönliches Vorstelligwerden oder Anbieten der Arbeitskraft beim Betriebserwerber grundsätzlich für geboten hält. Das LAG Hamm stellt aber in den Entscheidungsgründen klar, dass jedenfalls auch eine schriftliche oder sonstige Geltendmachung in Betracht kommt, der Arbeitnehmer dann aber das Risiko von Zugangsverzögerungen zu tragen habe. LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457, 460. - 449 - h) Keine Anwendung von § 270 III ZPO Besteht also kein Zwang zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs, so ist bei gleichwohl gerichtlicher Geltendmachung eine entsprechende Anwendung des § 270 III ZPO mit der Folge einer Fiktion der Rechtzeitigkeit ausgeschlossen. Das LAG Hamm führt dazu aus, ein Fortsetzungsverlangen sei in aller Regel dann nicht (mehr) „unverzüglich", wenn es lediglich in einer fristgerechten Kündigungsschutzklage erklärt wird, die erst nach dem Ablauf der Klagefrist dem Anspruchsgegner zugestellt wird. Während gemäß § 46 II ArbGG i.V.m. §§ 498, 270 III ZPO die Dreiwochenfrist für die Klageerhebung nach § 4 KSchG auch gewahrt wird, wenn die Klage zwar vor Fristablauf bei dem Gericht eingereicht worden ist, aber die Zustellung an den Prozessgegner erst danach erfolgt (§ 270 III ZPO: "demnächst"), gelte dies nicht für die Wahrung der Dreiwochenfrist zur Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs. Zur Wahrung der Dreiwochenfrist sei weder eine Klageerhebung noch eine andere Prozesshandlung erforderlich. Werde trotzdem Klage erhoben, führe das nicht zur Anwendung des § 270 III ZPO.1120 Dem ist zuzustimmen. Eine entsprechende Anwendung des § 270 III ZPO würde auch am Schutzzweck der Norm vorbeigehen. Der Sinn ist darin zu sehen, in der Sphäre des Gerichts anzusiedelnde Zustellungsverzögerungen dem Kläger dort nicht zum Nachteil werden zu lassen, wo eine Beteiligung des Gerichts erforderlich ist. Andernfalls würde nämlich die Wahrung prozessualer Fristen letztlich vom Zufall abhängen. Diese Gefahr besteht bei einem außergerichtlichen Angebot an den Anspruchsgegner nicht. Wählt der Arbeitnehmer zur Geltendmachung des Anspruchs den Klageweg, woran er nicht gehindert ist, dann schaltet er das Gericht ohne Not aus eigenem Entschluss als Erklärungsboten für sein Wiedereinstellungsverlangen ein, so dass er auch die Risiken dieses 1120 LAG Hamm (4 Sa 1469/99), DZWIR 2000, 457, 457 ff. - 450 Zugangsweges zu tragen hat. Etwaige Zustellungsverzögerungen hat deshalb allein der Arbeitnehmer zu verantworten.1121 4. Zeitliche Grenzen im Überblick Zu den zeitlichen Grenzen des Anspruchs ist zusammenfassend folgendes festzuhalten: 1. Grenzen der Anspruchsentstehung 1.1 Ausrichtung des Wiedereinstellungsanspruchs an der zeitlichen Erstreckung der kündigungsbegründenden Prognose in die Zukunft Die kündigungsbegründende Prognose kann nur durch Umstände widerlegt werden, die sie bei hypothetischer Bekanntheit im Kündigungszeitpunkt bereits falsifiziert und damit einer wirksamen Kündigung entgegengestanden hätten. Damit sind die zeitlichen Grenzen der Anspruchsentstehung für den Wiedereinstellungsanspruch vorgegeben. Sie sind identisch mit der zeitlichen Erstreckung der kündigungsbegründenden Prognose in die Zukunft (Prognosehorizont). 1.2 Differenzierung zwischen drei Prognosearten mit unterschiedlicher zeitlicher Erstreckung in die Zukunft Es müssen im Hinblick auf den Prognosehorizont drei Prognosearten auseinandergehalten werden: Erstens die Prognose, der Arbeitsplatz des Kündigungsempfängers werde aus betriebsbedingten Gründen dauerhaft entfallen. Sie erstreckt sich ohne Rücksicht auf den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Zeitpunkt ihrer Bestätigung oder Widerlegung. Eine prognosewidrige Entwicklung führt daher zwangsläufig zur Entstehung des Anspruchs. Der Arbeitgeber bleibt auch auf 1121 Oetker, DZWIR 2000, 461, 463. - 451 der Wiedereinstellungsebene an das eigene unternehmerische Konzept und den von ihm intendierten Verwirklichungszeitpunkt gebunden. Zweitens die Prognose, für den betriebsbedingt Gekündigten werde sich auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb oder Unternehmen (gegebenenfalls nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen) ergeben (§ 1 II 2 und 3 KSchG). In diese Prognose sind auch solche Beschäftigungsmöglichkeiten mit einzubeziehen, die sich im Anschluss an den Entlassungstermin innerhalb eines Zeitraums abzeichnen, den ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde. Drittens alle übrigen Prognosen. Sie orientieren sich am Entlassungstermin, weisen also nicht über den Ablauf des Arbeitsverhältnisses hinaus. 1.3 Prognosehorizont als Entstehungsgrenze des Wiedereinstellungsanspruchs Innerhalb des jeweils relevanten Prognosehorizonts ist eine Widerlegung der Prognose möglich, weil bei hypothetischer Kenntnis der weiteren Entwicklung im Kündigungszeitpunkt bereits eine wirksame Kündigung nicht hätte erklärt werden können. Jenseits des Prognosehorizonts kann die Prognose nicht widerlegt werden. Was der mit idealem Wissen ausgestattete Arbeitgeber bei der Kündigung nicht einmal im Rahmen einer Prognoseüberlegung hätte bedenken müssen, kann ihn auch später nicht zu einer Wiedereinstellung verpflichten. 2. Grenzen der Geltendmachung des Anspruchs 2.1 Maßgeblichkeit des allgemeinen Grundsatzes der Verwirkung von Rechten Die Geltendmachung des Anspruchs bleibt auf den allgemeinen Grundsatz der Verwirkung von Rechten beschränkt. 2.2 Bindung des Zeitmoments an die positive Kenntnisnahme des Arbeitnehmers Das Zeitmoment der Verwirkung beginnt mit der positiven Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von den die kündigungsbegründende Prognose widerlegenden tatsächlichen Umständen. Diese ist im Bestreitensfall vom Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. - 452 2.3 Konkretisierung des Zeitmoments entsprechend § 4 Satz 1 KSchG Das Zeitmoment der Verwirkung ist erfüllt, wenn nach der positiven Kenntnisnahme des Arbeitnehmers entsprechend § 4 Satz 1 KSchG eine dreiwöchige Äußerungsfrist verstrichen ist, ohne dass der Anspruch erhoben worden ist. Die Dreiwochenfrist gibt im Regelfall einen rechtssicheren zeitlichen Maßstab für die Anforderungen an eine zulässige Rechtsverfolgung im Kündigungsschutzrecht vor. Der Arbeitnehmer verfügt nach der Widerlegung der stimmigen kündigungsbegründenden Prognose über ein Weniger an Rechtsstellung gegenüber dem Fall, dass die Prognose von Anfang an falsch und die auf ihr beruhende Kündigung unwirksam ist. Der Wiedereinstellungsanspruch darf auch hinsichtlich seiner Durchsetzung dem Arbeitnehmer keine bequemere Position einräumen als der unmittelbare Kündigungsschutz, weil sonst seine Funktion als durch das vorrangige Prinzip der Rechtssicherheit begrenzter Anspruch auf eine begrenzte Aufhebung der Kündigungsfolgen verkannt würde. Der Arbeitnehmer hat im Ergebnis bei der Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs das Maß an Sorgfalt walten zu lassen, das ihm auch für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung abverlangt wird, sobald durch seine Kenntnisnahme ein Wissensstand über den Anspruch erreicht ist, wie er im Hinblick auf die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung regelmäßig schon bei deren Ausspruch besteht. 2.4 Keine Konkretisierung des Zeitmoments entsprechend 613a VI BGB Auch im Betriebsübergangsrecht lässt sich das Zeitmoment widerspruchsfrei nur durch eine entsprechende Anwendung von § 4 S. 1 KSchG konkretisieren. Zwar deutet die auf der Rechtslage vor Einfügung der Absätze V und VI des § 613a BGB beruhende st. Rspr. des 8. Senats auf einen „Gleichklang“ zwischen der Geltendmachung des Widerspruchsrechts einerseits und der Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs andererseits hin. Es wäre jedoch verfehlt, daran mit Wirkung für den Wiedereinstellungsanspruch festzuhalten und damit für Wiedereinstellungssachverhalten das nach Zeitmoment willkürlich betriebsbedingter unter Kündigung zu differenzieren, je nachdem, ob die Widerlegung der Prognose des Wegfalls von Arbeitsplätzen auf einem Betriebsübergang oder auf anderen betrieblichen Umständen beruht, die zur Aufgabe einer Stillegungsabsicht und Fortsetzung der Betriebstätigkeit führen. Die Monatsfrist aus § 613a VI 1 BGB - 453 erweist sich gegenüber den bisher bekannten arbeitsrechtlichen Fristen für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung oder einer Befristung (§§ 4 S. 1, 13 I 2 KSchG, 113 II 1 InsO, 17 TzBfG) als nicht systemgerecht. Sie kann den Wiedereinstellungsanspruch auch dann nicht erfassen, wenn die kündigungsbegründende Prognose durch einen Betriebsübergang widerlegt wird. 2.5 Umstandsmoment der Verwirkung Das Umstandsmoment hat für die Verwirkung des Wiedereinstellungsanspruchs – wie in anderen Verwirkungsfällen auch – keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr kann die vertrauensstiftende Wirkung des Zeitablaufs beim Anspruchsverpflichteten nicht unabhängig vom Kenntnisstand des Anspruchsberechtigten beurteilt werden. So tritt bei natürlicher Betrachtungsweise für den Wiedereinstellungsanspruch bereits mit der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers das Umstandsmoment ein, welches seinerseits den Beginn des Zeitmoments auslöst. 2.6 Echte arbeitgeberseitige prognosewidrige Aufklärungspflicht Umstände aus seinem über neue Einfluss- und Verantwortungsbereich Den Arbeitgeber trifft eine echte Rechtspflicht zur Aufklärung über das Ausbleiben prognostizierter oder das prognosewidrige Hinzutreten neuer Umstände aus seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich. Im umgekehrten Fall handelt es sich lediglich um eine arbeitnehmerseitige Obliegenheit, deren Nichtbeachtung zum Verlust von Entgelt- bzw. Schadensersatzansprüchen führt. Für den wichtigsten Fall der betriebsbedingten Kündigung gilt daher folgendes: Der aufgrund seiner Kündigungsgrundes Anspruchsverwirkung Kenntnis vom bösgläubige wieder frei Wegfall des betriebsbedingten Arbeitgeber über kann wegen Beschäftigungsmöglichkeiten disponieren, sobald er seine Pflichten erfüllt hat, indem er den Arbeitnehmer vom Wegfall des Kündigungsgrundes Äußerungsfrist abgewartet Dispositionen schutzwürdig, hat. in Bereits wenn eine Arbeitnehmers (Verzichtserklärung) vorliegt. Kenntnis vor gesetzt und die diesem Zeitpunkt sind ablehnende Äußerung des - 454 2.7 Verwirkung außerhalb einer arbeitgeberseitigen Aufklärungspflicht Auch für den Wegfall solcher Kündigungsgründe, die aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen, erweist sich der Verwirkungseinwand in der beschriebenen Ausprägung als sachgerechte Grenze für die Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs. Den Arbeitgeber trifft gegebenenfalls auch die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, der Arbeitnehmer habe bereits vor dem Wiedereinstellungsverlangen positive Kenntnis von der Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose gehabt. Gegen diese Sichtweise spricht nicht, dass dem Arbeitgeber dieser Nachweis regelmäßig nicht gelingen wird. Bis zu seiner Kenntniserlangung kann der Arbeitgeber frei disponieren und den Anspruch so vernichten. Nach diesem Zeitpunkt kann er dies für lediglich drei Wochen nicht mehr. Von da an tritt Verwirkung ein, auf die sich der Arbeitgeber nicht eigens berufen muss. Mangels Beweisbarkeit eines anderen Zeitpunktes beginnt der Lauf der Äußerungsfrist also zumindest mit dem Wiedereinstellungsverlangen. Im Ausnahmefall soll dem Arbeitgeber dabei der Nachweis eines früheren Fristablaufs nicht genommen werden. Gelingt dieser Nachweis, so verringert sich der Zeitraum der Dispositionssperre auf weniger als drei Wochen. Zögert der Arbeitnehmer nach eigener Kenntnisnahme mindestens drei Wochen mit seinem Wiedereinstellungsverlangen und kann der Arbeitgeber dies nötigenfalls beweisen, so ist der Anspruch bereits bei seiner Geltendmachung verwirkt; der Arbeitgeber war in diesem Fall zu keiner Zeit in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt. 2.8 Rechtsfolge der Verwirkung Die Verwirkung bewirkt eine inhaltliche Begrenzung des Rechts. Es handelt sich um eine rechtsvernichtende Einwendung. 2.9 Formfreies außergerichtliches Vertragsangebot Eine formfreie außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs ist ausreichend. Notwendig ist die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages. - 455 - III. Besondere Grenzen Wiedereinstellungsanspruchs Sonderkündigungsgründen des nach Abgelöst von der Diskussion um die Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs werden für Verdachts- und Druckkündigung als Sonderkündigungsgründe eigenständige Ansätze vertreten. Wie dargelegt lässt sich Wiedereinstellungsanspruch in auf diesen den Fällen ein besonderer Rehabilitierungsgedanken auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stützen.1122 Dieser steht außerhalb des Prognoseprinzips, weshalb seine Ausgestaltung nicht einfach in Anlehnung an den Wiedereinstellungsanspruch entwickelt werden kann. Auch in der Lit. ist weitgehend anerkannt, dass für die Verdachtskündigung ebenso wie für die Druckkündigung im Hinblick auf die Grenzen des Anspruchs Besonderheiten zu berücksichtigen sind, die sich aus den dogmatischen Eigenheiten dieser Fallgruppen erklären.1123 1. Dispositionsschutz und Rehabilitierungsnotwendigkeit Von diesen Besonderheiten unbeeindruckt will Busch1124 gutgläubige zwischenzeitliche Dispositionen des Arbeitgebers auch gegenüber dem Wiedereinstellungsanspruch nach Verdachtskündigung als schutzwürdig anerkennen. Der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers könne daher „ins Leere laufen“, wenn der Arbeitsplatz neu besetzt sei und eine Versetzung des neuen Arbeitnehmers nicht in Frage komme. 1122 Siehe oben unter C.VII.3.a) „Rehabilitierungsanspruch auf der Grundlage von Artt. 1 I, 2 I GG“ auf Seite 169. 1123 Walker, SAE 1998, 103, 106; Boewer, NZA 1999, 1177, 1178. 1124 Busch, MDR 1995, 217, 223. - 456 Nach zutreffender Auffassung kann aber nach Entkräftung des Verdachts bzw. nach Abwendung der Zwangslage auch dann nicht gänzlich auf eine Rehabilitierung verzichtet werden, wenn der Arbeitsplatz zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr frei oder nicht mehr vorhanden ist. Umstritten ist aber, wie eine Rehabilitierung in diesem Fall aussehen soll. a) Keine Entschädigung nach den §§ 9, 10 KSchG entspr. bei gutgläubiger Disposition Ist für eine Wiedereinstellung aufgrund gutgläubiger Dispositionen des Arbeitgebers kein geeigneter Arbeitsplatz mehr vorhanden, so wird vorgeschlagen, dem Arbeitnehmer die Wiedereinstellung ebenso zu versagen wie beim Wiedereinstellungsanspruch und ihn statt dessen auf eine Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG zu verweisen.1125 Dabei dürfe der Verlust des Arbeitsplatzes nicht als Sanktion erscheinen, weshalb die Abfindung nicht zu knapp ausfallen dürfe.1126 Dagegen steht jedoch die Überlegung, dass die §§ 9, 10 KSchG nur bei einer unwirksamen Kündigung einen finanziellen Ausgleich gewähren, also ein in seinem Bestand geschütztes Arbeitsverhältnis voraussetzen, an dem es nach wirksamer Verdachtskündigung gerade fehlt.1127 Belling1128 hält dieses Argument für vordergründig. § 9 I 2 KSchG wolle dem Arbeitgeber die Möglichkeit einräumen, bei Undienlichkeit einer weiteren Zusammenarbeit 1125 (als Minus zur Unzumutbarkeit1129) von der Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 433; Zwanziger, BB 1997, 42, 46; Belling, RdA 1996, 223, 239. 1126 Naujok, AuR 1998, 398, 402. 1127 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 758; Gentges Diss., S. 371. 1128 Belling, RdA 1996, 223, 239. 1129 Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 9 Rn 37. - 457 Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entbunden zu werden, zu der er an sich vertraglich verpflichtet ist. Zum Ausgleich sei diese Entbindung die einzige Tatbestandsvoraussetzung für eine Entschädigungspflicht. Vorliegend sei ein ganz ähnlicher Entbindungstatbestand gegeben. Wegen Unzumutbarkeit (als ein Mehr gegenüber der bloßen Undienlichkeit) entbunden werde der Arbeitgeber hier jedoch nicht von einem bestehenden Arbeitsverhältnis, sondern von der Pflicht, ein Arbeitsverhältnis durch neuen Vertragsschluss fortzusetzen. Wertungsmäßig seien beide Fälle gleichzusetzen. Insbesondere sei die Schutzbedürftigkeit und –würdigkeit des Arbeitnehmers hier nicht geringer als dort. Danach sei die Basis für eine entsprechende Anwendung der Entschädigungsfolge des § 9 I 2 KSchG auf den hier vorliegenden Entbindungstatbestand durchaus gegeben. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass § 13 I 3 KSchG gerade für die fristlose Kündigung keine Auflösungsmöglichkeit zugunsten des Arbeitgebers und daher auch keine Entschädigungspflicht vorsieht. Denn immerhin sei ja eine Auflösungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gegeben, weshalb sich aus der Regelung im Umkehrschluss nicht entnehmen lasse, dass auch eine Entschädigung bei einem anderweitigen Entbindungstatbestand ausgeschlossen sein solle. Es bleibt jedoch dabei, dass die §§ 9, 10 KSchG einen Ausgleich für den Sonderfall vorsehen, in dem der Arbeitnehmer auf ein bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis verzichtet bzw. verzichten muss. Verneint man aber einen Wiedereinstellungsanspruch wegen vorrangiger schutzwürdiger Dispositionen, so liegt der Anspruch schon dem Grunde nach nicht vor. Der Einwand vorrangiger Dispositionen hindert bereits die Anspruchsentstehung. Vor diesem Hintergrund ist kaum erklärbar, warum sich der nicht entstandene Anspruch in einen Schadensersatzanspruch nach Maßgabe von § 9 I 2 KSchG entspr. gewandelt haben sollte. Zudem enthält die Auflösungsregelung allein auf Antrag des Arbeitnehmers gemäß § 13 I 3 KSchG die verallgemeinerungsfähige Wertung, dass bei der unberechtigten endgültigen fristlosen Beendigung Arbeitnehmerinteresse Kündigung des den das Vertrages Maßstab Arbeitgeberinteresse zurücktreten für eine muss an der und das Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorgibt. Hier zeigt sich bereits der Rehabilitierungsgedanke, - 458 wie er auch der Wiedereinstellungspflicht nach im Ergebnis unberechtigter und regelmäßig fristloser Verdachtskündigung zugrunde liegt. Dass sich diese Wertung umkehren und nunmehr der Arbeitgeber über eine Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses entscheiden soll, weil (zufällig) Entlastungsumstände erst nach Ausspruch der Kündigung und zwischenzeitlicher Disposition bekannt werden, erscheint wenig überzeugend. Eine entsprechende Anwendung von § 9 I 2 KSchG kann daher nicht befürwortet werden. b) Rehabilitierung durch generellen Wiedereinstellungsvorrang? Statt dessen wäre es auch denkbar, die Schutzwürdigkeit gutgläubiger Dispositionen zu verneinen, dispositionsunabhängigen dem Arbeitnehmer Wiedereinstellungsanspruch also zuzugestehen, einen da widerlegte Sonderkündigungsgründe nach einer Rehabilitierung verlangen, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Arbeitnehmer regelmäßig mit einem besonderen Makel oder einer diskriminierenden Folgewirkung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ein solcher Weg wäre auch deshalb gangbar, weil es sich hier nicht um eine Ausprägung des Wiedereinstellungsanspruchs handelt, weshalb auch nicht die gleichen Grundsätze gelten müssen. Kann der Arbeitgeber eine Sachverhaltsaufklärung mit zumutbarem Aufwand nicht erreichen und kündigt er deshalb wegen des bloßen Verdachts einer schweren Verfehlung, so muss er mit der Möglichkeit rechnen, dass sich der Verdacht später als haltlos erweist. Beruft sich der Arbeitgeber auf eine besondere Zwangslage, die er als Kündigungsgrund gegen den Arbeitnehmer wendet, obwohl die Lösung des eigentlichen Problems naheliegender (aber im Kündigungszeitpunkt noch unzumutbar) wäre, so muss er damit rechnen, dass sich später eine zumutbare Möglichkeit zur Abwendung der Zwangslage herausstellt. Vor diesem Hintergrund könnte man jede vor dem Zeitpunkt einer endgültigen Aufklärung des Sachverhalts bzw. der Abwendung der Zwangslage vorgenommene Disposition für nicht schutzwürdig halten. Der Arbeitgeber wäre - 459 gleichwohl nicht daran gehindert, solche Dispositionen auf eigenes Risiko vorzunehmen und sich dabei auf die Haltbarkeit des gewählten Kündigungsgrundes zu verlassen. 2. Anspruchsentstehung Verdachtskündigung Für die Verdachtskündigung nach ist auch widerlegter überlegt worden, eine Anspruchsentstehung in zeitlicher Hinsicht über das hinaus auszudehnen, was für den Wiedereinstellungsanspruch gelten soll. Da schon über letzteres keine Einigkeit besteht, gehen die Meinungen auch hier weit auseinander.1130 Z.T. wird die Entstehung eines Wiedereinstellungsanspruch nach Verdachtsentkräftung zeitlich unbegrenzt zugelassen.1131 Beruft sich der Arbeitgeber auf den besonderen Kündigungsgrund Verdacht, verzichtet er also darauf, bis zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts zu warten, so nimmt er damit in Kauf, dass sich sein Verdacht nachträglich als unbegründet herausstellen kann. In diesem Fall widerlegen nicht nachträgliche Umstände die auf zutreffender Grundlage angestellte Prognose. Vielmehr war die Prognosegrundlage von Anfang an falsch. Eine Tatkündigung aufgrund objektiver Umstände wäre für den Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen. Diese besondere Interessenlage erledige sich nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist aus dem Betrieb ausgeschieden ist, oder – wie das BAG meint1132 – die Verdachtsmomente den Verlauf des Kündigungsschutzprozesses überdauert haben. Dem Arbeitnehmer hier die Rehabilitierung zu versagen, weil die Sachverhaltsaufklärung längere Zeit in 1130 1131 1132 Überdies ist schon der Ansatz verfehlt, wenn man die Anspruchsentstehung mit der hier vertretenen Auffassung aus der zeitlichen Reichweite des Prognoseprinzips ableitet, da es bei den Sonderkündigungsgründen ja gerade nicht um eine widerlegte Prognose geht. Dütz ArbR, Rn 100; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 581. Siehe oben unter B.II.3.a) „Nachschieben erst im Kündigungsschutzprozess gewonnener Erkenntnisse über die im Kündigungszeitpunkt vorliegenden objektiven Verdachtsmomente – 2. Senat“ auf Seite 62. - 460 Anspruch genommen hat, wäre daher unbillig.1133 Im Übrigen entstünde für alle Fälle der Verdachtskündigung aus wichtigem Grund ein Wertungswiderspruch, wenn man die Kündigungsfrist heranziehen wollte, da gerade für den unbegründeten Ermangelung Vorwurf einer schwerer strafrechtswidriger Kündigungsfrist dem Verfehlungen Arbeitnehmer stets in die Wiedereinstellung und damit die Rehabilitierung versagt bliebe.1134 Der Ablauf der Kündigungsfrist kann daher keineswegs zur Anspruchsbegrenzung herangezogen werden. Bei unberechtigter Verdachtskündigung wiegen die Belange des Arbeitnehmers so schwer, dass der Arbeitgeber ein auf die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses gerichtetes Vertragsangebot des Arbeitnehmers nur unter engen Voraussetzungen ablehnen darf.1135 In diese Richtung formuliert auch die Rspr., es sei eine Ausnahme von dem Grundsatz geboten, dass ein Wiedereinstellungsanspruch entlassener Mitarbeiter regelmäßig nicht gegeben sei, wenn besondere Umstände eine abweichende Betrachtung rechtfertigten. Dies gelte etwa dann, wenn eine Verdachtskündigung vorliegt und sich der Verdacht nachträglich als unbegründet herausstellt.1136 Belling1137 versucht die Anspruchsentstehung auf den Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu begrenzen. Als äußerster Zeitpunkt, in dem dem Arbeitgeber das Risiko einer Widerlegung der Verdachtsmomente noch zugemutet werden könne, sei die Rechtskraft des Urteils anzusehen, das die Wirksamkeit der Verdachtskündigung feststellt. Bis zu diesem Zeitpunkt müsse 1133 vom Stein, RdA 1991, 85, 91; Ricken, NZA 1998, 460, 464; Welslau, BuW 1998, 953, 954; HK KSchG - Hauck, § 4 Rn 168. 1134 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757; Walker, SAE 1998, 103, 106. 1135 Oetker, ZIP 2000, 643, 649. 1136 ArbG Kempten (3 Ca 1317/97), BB 1998, 1007, 1007 f. 1137 Belling, RdA 1996, 223, 238. - 461 der Arbeitgeber ohnehin jederzeit damit rechnen, dass das Arbeitsgericht die Kündigung – aus welchem Grunde auch immer – für unwirksam erachtet und er nicht nur die Hauptpflichten, Rechtsfolge sondern der sogar Wiederbegründung die der ununterbrochene vertraglichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegen sich gelten lassen muss. Bis dahin bestehe stets auch das allgemeine Risiko einer vertraglichen Doppelbindung, einerseits an einen bereits neu eingestellten, andererseits an den unwirksam gekündigten Arbeitnehmer. Mit der rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage entsteht demnach ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, nicht mehr mit den Unbilligkeiten des wirksam beendeten Vertragsverhältnisses konfrontiert zu werden. Belling sieht jedoch, dass sich so oftmals keine befriedigende Rehabilitierung sicherstellen lässt und will deshalb Sekundäransprüche anerkennen, wenn zwar der Verdacht entkräftet wird, dies aber erst nach rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsrechtsstreits geschieht. Insoweit soll der Arbeitnehmer ebenso auf einen Entschädigungsanspruch zu verweisen sein, wie in dem Fall vorrangiger schutzwürdiger Dispositionen des Arbeitgebers vor Verdachtsentkräftung. In Wiedereinstellungsanspruch, beiden sondern Fällen lediglich entstehe ein Anspruch kein auf Entschädigung.1138 Welslau1139 lehnt eine zeitliche Begrenzung der Anspruchsentstehung nach Verdachtskündigung generell ab. Der Arbeitnehmer sei hier letztlich das Opfer. Er habe allerdings dann keinen Anspruch auf Naturalrestitution durch Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses, wenn es beim Arbeitgeber wegen vorrangiger Dispositionen keine gleichwertigen Arbeitsplätze mehr gebe. In diesem Fall sei der Arbeitnehmer aber an Stelle eines Wiedereinstellungsanspruchs auf einen finanziellen Ausgleich in entsprechender Anwendung der §§ 9 und 10 KSchG zu verweisen. 1138 1139 Siehe hierzu oben unter G.III.1.a) „Keine Entschädigung nach den §§ 9, 10 KSchG entspr. bei gutgläubiger Disposition“ auf Seite 456. Welslau, BuW 1998, 953, 954. - 462 - 3. Stellungnahme a) Keine sachlichen und zeitlichen Entstehungsgrenzen für den Wiedereinstellungsanspruch nach widerlegten Sonderkündigungsgründen Der Arbeitgeber, der sich auf einen Sonderkündigungsgrund beruft, trägt das Risiko, dass sich dieser im weiteren Verlauf der Dinge als nicht beständig erweist. Die Kündigungsbefugnis ist also von vornherein mit einer bedingten Rehabilitierungsnotwendigkeit für den Fall belastet, dass der Sonderkündigungsgrund später entkräftet wird. Diese besondere Interessenlage erledigt sich auch nicht mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Bei der Verdachtskündigung wird es sich zudem oftmals um eine entfristete Kündigung handeln. Auch das Ende des Kündigungsrechtsstreits bietet keine Gewähr für sachgerechte Ergebnisse. Es ist nicht erkennbar, warum ein Arbeitnehmer schlechter stehen sollte, der auf einen solchen überflüssigen Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung verzichtet und sich erst nach dem Wegfall des Kündigungsgrundes zu Wort meldet. Im Übrigen hängt die Länge eines Kündigungsrechtsstreits vom Zufall ab und es wäre auch nicht wünschenswert, den zu belohnen, der ihn verzögert. Eine zeitliche Begrenzung der Anspruchsentstehung ist vor dem Hintergrund der Stigmatisierung des Arbeitnehmers und des damit verbundenen Rehabilitierungszwangs ebenso wenig einzusehen wie die Anerkennung vorrangiger Dispositionen des gutgläubigen Arbeitgebers. Wird der Arbeitgeber in der Konsequenz mit einer Wiedereinstellungspflicht belastet, obwohl keine Beschäftigungsmöglichkeit besteht, so gibt ihm dies wiederum das Recht zur betriebsbedingten Austauschkündigung.1140 Auch eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem von der Austauschkündigung 1140 Siehe oben unter G.I.3.b) „Recht zur Austauschkündigung“ auf Seite 328. - 463 Betroffenen ist zu bejahen.1141 Eine hierfür erforderliche Pflichtverletzung des Arbeitgebers liegt in diesem Fall ausnahmsweise auch dann vor, wenn er die Disposition über den Arbeitsplatz gutgläubig vorgenommen hat, denn in jedem Fall hätte er den neu Rehabilitierungsanspruchs Eingestellten des zuvor über die mittels Möglichkeit eines Sonderkündigungsgrund Entlassenen und das Risiko einer Austauschkündigung aufklären müssen. Ist eine solche Aufklärung ausnahmsweise erfolgt, verbietet sich folgerichtig die Annahme eines Schadensersatzanspruchs des von den Austauschkündigung Betroffenen. b) Geltung des Verwirkungseinwands nach allgemeinen Regeln Für den Wiedereinstellungsanspruch nach Verdachts- und Druckkündigung erweist sich der für den Wiedereinstellungsanspruch befürwortete Maßstab der Verwirkung von Rechten ebenfalls als interessengerecht. Ob eine arbeitgeberseitige Informationspflicht besteht, richtet sich nach der Herkunft der prognosewidrigen Umstände. Haben sie ihren Ursprung in der weiteren betrieblichen Entwicklung und erfährt folglich der Arbeitgeber zuerst von den Entlastungsumständen, so trifft ihn auch die Pflicht zur Information und mehr noch wegen der von ihm geschuldeten Rehabilitierung die Initiativlast zur Unterbreitung eines neuen Vertragsangebots. Führen dagegen außerbetriebliche Umstände zu einer Widerlegung des Sonderkündigungsgrundes, besteht hinsichtlich des Arbeitnehmers wiederum lediglich eine Obliegenheit zur Information des Arbeitgebers. Der im Bestreitensfall vom Arbeitgeber zu beweisende Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Arbeitnehmer löst den Beginn der Äußerungsfrist aus. 1141 Siehe oben unter G.I.3.c) Arbeitnehmers“ auf Seite 332. „Rechte des von der Austauschkündigung betroffenen - 464 Die dreiwöchige Äußerungsfrist reicht auch im Fall der Verdachtskündigung aus, um dem schuldlos in Verdacht geratenen Arbeitnehmer die Möglichkeit einer Rehabilitierung zu geben. Stammen die veränderten Umstände aus der Sphäre des Arbeitnehmers und lässt er die Äußerungsfrist ohne Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber verstreichen, so verstößt er im Übrigen schon gegen seine Pflicht zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung. Es bleibt also beim allgemeinen Grundsatz der Verwirkung von Rechten in der Ausprägung, wie er auch für den Wiedereinstellungsanspruch gilt. IV. Anspruchsverzicht durch Eingehung bzw. Nichtaufgabe eines Zwischenarbeitsverhältnisses Bram/Rühl1142 vertreten die Auffassung, die Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit nach Kenntnis von Wiedereinstellungsanspruchs den führe tatsächlichen grundsätzlich zur Umständen des Verwirkung des Anspruchs. Unschädlich sei demgegenüber die Aufnahme einer anderweitigen Beschäftigung vor dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme. Der Arbeitnehmer habe jedoch die Beendigung eines zwischenzeitlich eingegangenen anderen Arbeitsverhältnisses unverzüglich einzuleiten, sobald er positive Kenntnis erlangt. Andernfalls trete wiederum Verwirkung ein. Daran überzeugt der Grundgedanke, denn wie geschildert erwirbt der Arbeitnehmer mit dem Wiedereinstellungsanspruch kein dauerhaftes Wahlrecht zwischen der Wiederbegründung des alten und der Eingehung anderer Arbeitsverhältnisse. Er muss sich konsequent verhalten und den Anspruch entweder geltend machen oder aufgeben. Dabei sollte allerdings nicht schon auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme abgestellt werden, sondern erst auf den 1142 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757. - 465 Zeitpunkt der rechtskräftigen Wiedereinstellungsanspruch. Bis zur Entscheidung rechtskräftigen über Durchsetzung den des Anspruchs ist der Arbeitnehmer mit einem erheblichen Prozessrisiko belastet. Oftmals werden die von ihm zu beweisenden tatsächlichen Umstände des Anspruchs streitig und die Länge des zu erwartenden Prozesses unübersehbar sein. Für den Arbeitnehmer besteht zudem eine Erwerbsnotwendigkeit für die Schwebezeit, auch wenn er die Voraussetzungen des Anspruchs kennt. Freilich bringt die Durchsetzung des Wiedereinstellungsanspruchs auch eine Arbeitsverpflichtung mit sich, weshalb sich der Arbeitnehmer um die rechtzeitige Aufgabe des Zwischenarbeitsverhältnisses im Eigeninteresse bemühen wird, um nicht einen erneuten Kündigungsgrund zu liefern. Dass er in der Schwebezeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ein Zwischenarbeitsverhältnis eingehen darf, auch wenn dies mit Verpflichtungen über die Rechtskraft des Urteils hinaus verbunden ist, lässt sich aus der Parallelproblematik im Kündigungsrechtsstreit ersehen, wo das Gesetz mit § 12 KSchG eine ausdrückliche Regelung trifft. In diesem Zusammenhang wird nahezu einheitlich die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitnehmer auch nach Ablauf einer Woche nach rechtskräftiger Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst ist, nicht verpflichtet sei, einer Arbeitsaufforderung des alten Arbeitgebers sofort nachzukommen. Vielmehr dürfe er zunächst das neu eingegangene Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist lösen, um danach seine alte Stelle wieder anzutreten. Es soll sich dabei nicht um eine Arbeitsverweigerung gegenüber dem alten Arbeitgeber handeln.1143 Ricken will diese Rspr. zu Recht auf die Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs übertragen.1144 Ein oft nicht unerhebliches Prozessrisiko und der Zwang zur Erwerbstätigkeit sind in beiden Fällen gegeben. 1143 1144 LAG Köln (8 Sa 862/94), NZA 1995, 992, 992; Kittner/Däubler/Zwanziger – Kittner, § 12 KSchG Rn 16 f; KR – Rost, § 12 KSchG, Rn 17 f; Ricken, Anm. zu BAG (7 AZR 662/99), AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. Ricken, Anm. zu BAG (7 AZR 662/99), AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. - 466 Der Arbeitnehmer darf also bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Wiedereinstellungsrechtsstreits ein Zwischenarbeitsverhältnis eingehen. Entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 12 KSchG muss er es nach rechtskräftiger Entscheidung dann durch i.d.R. ordentliche Kündigung beenden und erst nach Ablauf der Kündigungsfrist besteht wieder eine Arbeitsverpflichtung beim alten Arbeitgeber bzw. beim Betriebserwerber mit korrespondierender Lohnzahlungspflicht. Bei einem Verstoß hiergegen dürfte allerdings eine Begründung über den Verwirkungseinwand nur schwer gelingen, weil hier nur von der Erfüllung des Umstandsmoments ausgegangen werden könnte, während es noch auf ein konkretisierbares Zeitmoment ankommen müsste. Eine Arbeitsaufnahme nach dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über den Wiedereinstellungsanspruch lässt sich daher besser als ein konkludenter unwiderruflicher Anspruchsverzicht verstehen. Betreibt der Arbeitnehmer die Aufgabe eines vor diesem Zeitpunkt eingegangenen Zwischenarbeitsverhältnisses nicht unverzüglich, so ist ebenfalls von einem konkludenten Anspruchsverzicht auszugehen. Bei der Annahme einer solchen zugangsbedürftigen einseitigen und unwiderruflichen Verzichtserklärung handelt es sich indes ebenfalls um einen in rechtstechnischer Hinsicht nicht voll überzeugenden Kunstgriff. - 467 - H. Wahrung der Besitzstände I. Inhalt des Anschlussarbeitsverhältnisses Die Wiedereinstellung erfolgt zu den gleichen Bedingungen, wie sie für das gekündigte Arbeitsverhältnis waren.1145 vereinbart Die relativierende Gegenansicht1146 ist abzulehnen. Das Kündigungsschutzgesetz verleiht dem Arbeitsverhältnis einen Bestandsschutz gegen eine sozialwidrige Kündigung mit dem Inhalt, den es bis zum Zeitpunkt einer solchen Kündigung erlangt hat. Ist der Kündigungsschutz auf diesen Zeitpunkt zugeschnitten, so kann für den Wiedereinstellungsanspruch nichts anderes gelten, selbst wenn zwischen dem Ausspruch der rechtswirksamen Kündigung und dem Wegfall des Kündigungsgrundes ein längerer Zeitraum liegen sollte. Maßgeblich ist, dass ein Anspruch auf Wiedereinstellung darauf abzielt, den (durch die wirksame Kündigung bereits überwundenen) kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz wieder aufleben zu lassen. Damit ist der Inhalt des Anschlussarbeitsverhältnisses vorgegeben. Abzulehnen ist demgegenüber die Auffassung, der Arbeitgeber könne das Angebot des Arbeitnehmers auf Wiederherstellung eines identischen Vertrages ablehnen und ihm im Gegenzug ein Vertragsänderungsangebot unterbreiten, falls eine Neubegründung des Arbeitsverhältnisses zu den früheren Arbeitsbedingungen unzumutbar geworden sei.1147 Die aufgezeigten Grenzen der Wiedereinstellungspflicht wahren die Interessen des Arbeitgebers sachgerecht. Für weitere wertende Zumutbarkeitskriterien, die den Anspruch darüber 1145 hinaus inhaltlich entwerten, bleibt kein Raum. Für gleiche BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 252; Hambitzer Diss., S. 151; Belling, RdA 1996, 223, 238; Boudon, BAG (7 AZR 557/96), EWiR 1998, 323, 324; Walker, SAE 1998, 103, 107; Kleinebrink, FA 1999, 138, 140; Oetker, ZIP 2000, 643, 650. 1146 Hinrichs, AiB 1997, 615, 615; Ziemann, MDR 1999, 716, 720. 1147 Boewer, NZA 1999, 1177, 1181. - 468 Arbeitsbedingungen spricht im Rahmen seines Anwendungsbereichs im Übrigen auch der Schutzzweck des § 613a BGB.1148 Die Arbeitsbedingungen sind auch dann nicht etwa andere, wenn der Arbeitnehmer nicht auf „seinen“, sondern auf einen anderen Arbeitsplatz wieder eingestellt wird.1149 Die Wiedereinstellung erfolgt stets auf einen Arbeitsplatz, der den Beschäftigungsvorgaben des alten (und damit auch des neuen) Arbeitsvertrages entspricht, auf den der Arbeitnehmer also bei hypothetischem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hätte umgesetzt werden können. Damit korrespondiert auch der Fortbestand der übrigen Arbeitsbedingungen, insbesondere des Arbeitsentgelts. Die Fortgeltung der bisherigen Arbeitsbedingungen bezieht sich selbst auf solche Arbeitsverhältnisse, die durch willentliche Neueinstellung zunächst zu anderen Bedingungen neu begründet wurden, wenn sich hieran durch die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft ein Betriebsübergang im Sinne der EuGH-Rechtsprechung anschließt. Diese Konsequenz ist unabwendbar, da das Privileg eines Wiedereinstellungsanspruchs zu alten Arbeitsbedingungen im Ergebnis auch für diejenigen Arbeitnehmer gelten muss, die aufgrund ihrer freiwilligen Übernahme den Betriebsübergang erst ausgelöst haben.1150 So hat auch das BAG festgestellt, dass die Fortführung der Beschäftigung beim Betriebserwerber in Fällen der Funktionsnachfolge nicht zur Begründung eines neuen, sondern zur Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit unverändertem Inhalt 1148 Meyer, NZA 2002, 246, 247 f. 1149 Unklar insoweit Beckschulze, DB 1998, 417, 419. 1150 Raab, RdA 2000, 147, 164 (dort Rn 147); Sandmann, SAE 2000, 295, 300. - 469 führt.1151 Der verschlechternde neue Arbeitsvertrag kann deshalb keine Wirksamkeit entfalten.1152 Für die Wählbarkeit zum Betriebsrat nach § 8 I BetrVG werden auch die im früheren Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeiten berücksichtigt, weil die besondere Beziehung zum Betrieb und die Kenntnisse seiner Eigenart noch vorhanden sind.1153 Darüber hinaus ist stets die Dauer des wirksam gekündigten Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen, soweit es im neu begründeten Arbeitsverhältnis auf die Dauer des Bestehens ankommt.1154 Mit Recht wird darauf hingewiesen, dass Nachteile im Bereich des Arbeitsrechts und der Sozialversicherung sowie der betrieblichen Altersversorgung entstehen können, wenn man formalrechtlich korrekt für Warte- und Anwartschaftszeiten auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abstellt, was auf eine Unterbrechung für den Zeitraum hinausläuft, in dem lediglich ein Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages, also ein Wiedereinstellungsanspruch bestand. So würden beispielsweise die Wartefristen der §§ 1 I KSchG, 4 BUrlG sowie 3 III EFZG mit dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages von neuem beginnen und Anwartschaftszeiten wie die für das Arbeitslosengeld gemäß § 123 SGB III gehemmt.1155 Entscheidend muss sein, dass der Anspruch auf Wiedereinstellung eine umfassende Wahrung der wohlerworbenen Rechte des Arbeitnehmers bezweckt, gleich ob sie dem Arbeitsrecht, dem Sozialrecht oder einem anderen Rechtsgebiet entstammen.1156 Dieser Schutzzweck verlangt im Hinblick auf Wartefristen und Anwartschaftszeiten eine „als-ob“-Betrachtung. Der Arbeitnehmer ist demnach im Hinblick auf die Erfüllung von Anwartschaftszeiten 1151 BAG (8 AZR 295/95), NZA 1998, 251, 252 f; BAG (8 AZR 774/98), DB 2000, 831, 831. 1152 Edenfeld, AuA 1998, 161, 164; Fischer, DB 2001, 331, 333. 1153 Richardi BetrVG, § 8 Rn 24. 1154 Walker, SAE 1998, 103, 107; Raab, RdA 2000, 147, 158. 1155 Oetker, ZIP 2000, 1787, 1787 f. 1156 Walker, SAE 1998, 103, 107. - 470 so zu stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis bereits zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs zustande gekommen.1157 In den Fällen der betriebsbedingten Kündigung, in denen den Arbeitgeber nach der hier vertretenen Auffassung eine Pflicht zur Aufklärung des Arbeitnehmers über die veränderten Umstände trifft, tritt diese Wirkung bereits zum Zeitpunkt des Wegfalls des Kündigungsgrundes ein, wenn der Arbeitgeber die Aufklärung unterlässt und der Arbeitnehmer unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Wegfall des Kündigungsgrundes sein Wiedereinstellungsverlangen geltend macht, weil in diesen Fällen davon auszugehen ist, dass die verspätete Geltendmachung auf der Aufklärungspflichtverletzung beruht. Eine Wartefrist, die ja mit dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages von neuem beginnt, muss als von Anfang an erfüllt angesehen werden, wenn sie zum Zeitpunkt der Kündigung erfüllt war. Insoweit handelt es sich um die schlichte Übertragung eines bereits wohlerworbenen sozialen Besitzstandes. Es erscheint auch nicht zu weitgehend, davon auszugehen, dass die Teilerfüllung einer Wartefrist mit dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrages bzw. der vorhergehenden Aufklärungspflichtverletzung wieder auflebt und weiterläuft. Auf diese Weise kann der Arbeitnehmer bei unverzüglicher Geltendmachung des Wiedereinstellungsanspruchs nach dem Zeitpunkt seiner Kenntnisnahme erreichen, dass das neubegründete Arbeitsverhältnis für die Wartefrist behandelt wird, als sei das bisherige Arbeitsverhältnis ununterbrochen fortgesetzt worden. Dies muss gelten, obwohl die Wiedereinstellung formalrechtlich auf einem zweiten Vertrag beruht, weil nur so einem Rechtsverlust vorgebeugt und eine Ergebnisgleichheit mit dem Fall hergestellt werden kann, dass der Arbeitgeber in weiser Vorausschau auf die Widerlegung der Prognose die Kündigung unterlassen hätte. 1157 Kleinebrink, FA 1999, 138, 140. - 471 - II. Zeitpunkt der Entstehung Arbeitsverhältnisses durch den Wiedereinstellungsanspruchs des neuen Vollzug des 1. Sichtweise des BAG Verweigert der Arbeitgeber zunächst die geschuldete Wiedereinstellung, so stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die durch das Gericht fingierte Annahmeerklärung des Arbeitgebers zur Entstehung eines neuen Arbeitsverhältnisses führt. Aus praktischen Gründen könnte man den Arbeitgeber für verpflichtet halten, dem Arbeitnehmer rückwirkend für den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung einen neuen Arbeitsvertrag anzubieten.1158 Der 7. Senat1159 lehnt es dagegen in ständiger Rspr. konsequent ab, den Arbeitgeber zum Abschluss eines Vertrages zu verurteilen, der in der Vergangenheit liegt. Da der Arbeitnehmer für die Vergangenheit keine Arbeitsleistungen mehr erbringen kann, wäre der von ihm begehrte rückwirkende Vertrag insoweit auf eine unmögliche Leistung gerichtet und daher – entsprechend der Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung – nach § 306 BGB a.F. nichtig. Eine Verurteilung zu einer auf einen nichtigen Vertrag gerichteten Willenserklärung ist aber nach ständiger Rspr. ausgeschlossen1160, ein hierauf gerichteter Klageantrag daher insoweit unzulässig. Da die Willenserklärung des Arbeitgebers auf eine Leistungsklage des Arbeitnehmers gemäß § 894 I 1 ZPO erst mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt („sobald“), gibt es zudem keinen Vertragsschluss Ex tunc. Der 1158 1159 1160 So Raab, RdA 2000, 147, 157. BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1783; BAG (7 AZR 662/99), NZA 2001, 1135, 1135 f = NJW 2001, 3429, 3429 f; BAG (7 AZR 47/00), ZTR 2001, 529, 529. BAG (7 AZR 19/94), BAGE 78, 244, 244; BAG (7 AZR 298/96), EzA § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 10; BAG (7 AZR 811/96), BAGE 87, 1, 1. - 472 neue Arbeitsvertrag gilt mit der Rechtskraft des Urteils als zustande gekommen, durch welches die Annahmeerklärung des Arbeitgebers auf das Wiedereinstellungsverlangen des Arbeitnehmers fingiert wird. Ebenso geht auch das LAG Frankfurt davon aus, der rückwirkende Abschluss eines Arbeitsvertrages sei nur und insoweit möglich, als das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt war.1161 Ein Teil der Lit. lehnt einen rückwirkenden Vertragsschluss nach der Rechtslage vor der Schuldrechtsreform ebenso ab.1162 Der 7. Senat will statt dessen einen auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit gerichteten Klageantrag dahin auslegen, dass der Beklagte hilfsweise zum Abschluss eines Arbeitsvertrages für die Zukunft verurteilt werden soll. Bedenken gegen die Bestimmtheit eines solchen Antrags seien nicht gerechtfertigt.1163 2. Rückwirkung auf den Zeitpunkt der außergerichtlichen Geltendmachung? Andere Stimmen kritisieren die Sichtweise des BAG als zu formal auf den Vertragsschluss ausgerichtet. Der Antrag auf Abschluss eines Arbeitsvertrages sei zumindest bei der ordentlichen Kündigung auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Anschluss an die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gerichtet. Dementsprechend sei der Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses integraler Bestandteil des Antrags und damit auch des 1161 1162 1163 LAG Frankfurt (9 Sa 1077/99), ZInsO 2000, 625, 625. Boewer, NZA 1999, 1177, 1182 m.w.N.; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 581; Kiel/Koch, Rn 871; Kort, SAE 2001, 131, 132. BAG (7 AZR 904/98), EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5; BAG (7 AZR 47/00), ZTR 2001, 529, 529 f. - 473 stattgebenden Urteils. Mit Rechtskraft des Urteils sei das Arbeitsverhältnis deshalb auch für die Vergangenheit begründet.1164 So nimmt auch das LAG Hamm in einem Fall der krankheitsbedingten Kündigung wegen ärztlicher Fehldiagnose und darauf beruhender Fehlzeitenprognose des Arbeitgebers1165 an, materiellrechtlich bestünden gegen die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses ebenso wenig wie gegen eine einvernehmliche Aufhebung der Kündigungsfolgen Bedenken. Für einen Vertrauensschutz der Beklagten bestehe kein Bedarf, wenn der Kläger von Anfang an mit seinem Kündigungsschutzantrag zu erkennen gegeben habe, dass er am Arbeitsverhältnis festhalten wolle.1166 Der Fortsetzungsanspruch bei Wegfall des Kündigungsgrundes sei der Sache nach nichts anderes als ein Anspruch auf Rücknahme der Kündigung, denn der Arbeitnehmer verlange vom Arbeitgeber das Einverständnis mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen. Hat der Arbeitnehmer noch vor Ablauf der Kündigungsfrist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangt und kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Annahme des Vertragsangebots bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht nach, so könne der Arbeitnehmer verlangen, dass die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses wie bei einer Rücknahmevereinbarung mit rückwirkender Kraft erfolge. Auch entfalte die Rechtskraft des Urteils in diesem Fall rückwirkende Kraft auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist. So entstehe ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis. Verlange der Arbeitnehmer dagegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist seine Wiedereinstellung, so sei der Anspruch auf Neubegründung des Arbeitsverhältnisses gerichtet, und zwar mit Wirkung zu dem Zeitpunkt, in dem 1164 1165 1166 Oetker, ZIP 2000, 643, 653; Raab, RdA 2001, 248, 248 f. Vgl. oben unter.B.II.2.c) „Maßgeblichkeit des subjektiven Kenntnisstandes des Arbeitgebers“ auf Seite 53. LAG Hamm (8 Sa 2071/98), NZA 2000, 320, 320. - 474 der Arbeitnehmer die Wiedereinstellung verlangt habe. Die Rechtskraft des Urteils wirke in diesem Fall allein auf den Zeitpunkt der Geltendmachung zurück. Es handele sich insoweit um einen Wiedereinstellungsanspruch im engeren Sinne, der kein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis entstehen lasse.1167 Edenfeld1168 will im Anwendungsbereich des § 613a BGB eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zulassen. Ansprüche auf den Annahmeverzugslohn sollen aber erst entstehen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich bzw. wörtlich gemäß §§ 294, 295 BGB anbietet. 3. Stellungnahme – Anspruch auf Begründung eines Vertragsverhältnisses nur für die Zukunft Will man den rechtskonstruktiven Ausgangspunkt der Wiedereinstellungspflicht, nämlich die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses mit der Rechtskraft des Urteils gemäß § 894 I 1 ZPO, nicht aufgeben, so fällt es schwer, die Entstehung eines neuen Arbeitsverhältnisses im Anschluss an die Beendigung des alten durch Rückwirkung des Vertragsschlusses zu fingieren. Die materielle Rechtslage dürfte einem rückwirkenden Vertragsschluss allerdings nach dem seit dem 01.01.2002 geltenden Recht1169 nicht mehr im Wege stehen.1170 Zwar bleibt es dabei, dass die rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen Unmöglichkeit keine Primärleistungspflichten mehr auslöst (§ 275 I BGB). Ein auf eine von Anfang an unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist jedoch wirksam1171 und kann Grundlage von 1167 Raab, RdA 2000, 147, 157 f. 1168 Edenfeld, AuA 1998, 161, 165. 1169 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. 2001 I 3138 ff). 1170 Vgl. Ricken, Anm. zu BAG (7 AZR 662/99), AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. 1171 Lindemann, AuR 2002, 81, 82. - 475 Sekundäransprüchen sein (§ 311a I und II BGB).1172 Dass ein Anspruch auf die Primärleistung von vornherein nicht in Betracht kommt, ist keineswegs dogmatisch unvereinbar mit der Wirksamkeit des Vertrags, sondern bedeutet lediglich, dass hier ein Vertrag ohne primäre Leistungspflicht entsteht, was seit langem eine anerkannte dogmatische Kategorie darstellt.1173 Der Gläubiger kann nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung, also das positive Interesse1174, oder Ersatz seiner Aufwendungen in dem in § 284 BGB bestimmten Umfang verlangen (§ 311a II 1 BGB). Dogmatisch gesehen folgt der Anspruch auf das positive Interesse aus der Nichterfüllung des – nach § 311a I BGB wirksamen – Leistungsversprechens und nicht etwa aus der Verletzung der – nach § 275 BGB ausgeschlossenen – Leistungspflicht. Aus diesem Grund werden die Rechtsfolgen in § 311a BGB auch eigenständig geregelt.1175 Dem Schuldner ist vorzuwerfen, dass er die Leistungspflicht übernimmt, obwohl er weiß oder wissen muss, dass er sie nicht erfüllen kann. Das kann die Regelung der §§ 280, 283 BGB als allgemeine Anspruchsgrundlage bei Ausschluss der Leistungspflicht nicht ausdrücken, weil sie auf dem Bestehen einer Leistungspflicht aufbaut.1176 Bei anfänglicher Unmöglichkeit hat aber ein Anspruch auf Erfüllung gemäß § 275 I BGB und damit auch eine Leistungspflicht zu keinem Zeitpunkt bestanden. Eine von Anfang an nicht bestehende Pflicht kann nicht verletzt werden. Wollte man aber – von den zivilprozessualen Schwierigkeiten abgesehen – rückwirkend einen auf die von Anfang an unmögliche Arbeitsleistung für die Vergangenheit gerichteten Arbeitsvertrag begründen, mit dem Ziel, einen Sekundäranspruch auf Schadensersatz zu schaffen, so müsste sich ein solcher Schadensersatzanspruch nach § 311a II 1 Alt. 1 BGB gegen denjenigen richten, 1172 Canaris, DB 2001, 1815, 1817 f; Lindemann, AuR 2002, 81, 82. 1173 Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040). 1174 Joussen, NZA 2001, 745, 749. 1175 Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040). 1176 Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 14/7052). - 476 der eine Leistungspflicht übernimmt, obwohl er weiß oder wissen muss (§ 311a II 2 BGB), dass er sie nicht erfüllen kann. Anspruchsgegner wäre folglich der Arbeitnehmer, der die von ihm für einen zurückliegenden Zeitraum versprochene Arbeitsleistung nicht erbringen könnte, während die vom Arbeitgeber zu erfüllende Zahlungspflicht auch im nachhinein noch erfüllbar wäre. § 311a II BGB ist daher für die Begründung eines Schadensersatzanspruchs des Arbeitnehmers wegen verspäteter Erfüllung der Pflicht zur Wiedereinstellung durch den Arbeitgeber gänzlich ungeeignet. Warum also das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses fingieren, das wegen Zeitablaufs nicht mehr vollzogen werden kann, wenn man so für den abgelaufenen Zeitraum weder eine Primär- noch eine Sekundärleistungspflicht des in Anspruch genommenen Arbeitgebers erreichen könnte? Ein sinnvolles Ergebnis ist zwar materiellrechtlich konstruierbar, denn fingiert man einen rückwirkenden Vertragsschluss und hat der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft in annahmeverzugsbegründender Form angeboten, so wäre ein Anspruch auf den Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB die logische Konsequenz. Auch die prozessrechtliche Notwendigkeit, gemäß § 894 I 1 ZPO die Annahmeerklärung des Arbeitgebers erst mit Rechtskraft des Urteils zu fingieren, spricht nicht zwangsläufig gegen einen rückwirkenden Vertragsschluss, denn das Angebot des Arbeitnehmers kann sich seinem Inhalt nach auf die nachträgliche Herstellung eines Zustandes beziehen, wie er bei pflichtgemäß rechtzeitiger Annahme durch den Arbeitgeber bestünde. Möglicherweise würde man den Arbeitgeber sogar für verpflichtet ansehen müssen, ein solches eine Fiktion beinhaltendes Vertragsangebot auch anzunehmen. Für so ein Konstrukt besteht aber kein einleuchtender Grund. Die eine Rückwirkung befürwortende Auffassung verfolgt auch auf der Grundlage des alten Rechts das Ziel, einen natürlicherweise auf Schadensersatz gerichteten Anspruch wegen verspäteter Erfüllung der Wiedereinstellungspflicht des Arbeitgebers in einen Anspruch auf den Annahmeverzugslohn gemäß § 615 BGB umzudefinieren. Ob das praktikabel ist, spielt solange keine Rolle, wie sich für die Vermeidung der naheliegenden Rechtsfolge ein zwingender Grund nicht finden lässt. - 477 Das Arbeitsverhältnis kommt folglich mit der Rechtskraft des Urteils allein für die Zukunft zustande. III. Ansprüche für die Zeit zwischen der Entstehung des Wiedereinstellungsanspruchs und seiner Verwirklichung Da die Situation des Annahmeverzugs gemäß § 615 BGB wegen eines fehlenden Arbeitsverhältnisses nicht eintreten kann, bevor nicht ein solches über die Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung gemäß § 894 I 1 ZPO zustande gekommen ist1177, verbleibt demnach allein die Möglichkeit eines Anspruchs auf Schadensersatz, um den Nachteil auszugleichen, der dem Arbeitnehmer wegen verzögerter Aufklärung bzw. verzögerter Annahme des Angebots auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses entsteht. Nicht anders gelangt auch der 7. Senat in seiner Entscheidung vom 28.06.20001178 im Anschluss an Boewer1179 zu einem Anspruch auf den Ersatz des Verzögerungsschadens. Er nimmt an, der Arbeitnehmer habe für die Vergangenheit Schadensersatzansprüche nach den §§ 284, 286, § 280 I, § 249, § 251 I BGB a.F., die auf Entschädigung in Geld gerichtet seien. Durch die bewusste Verweigerung der Abgabe einer Annahmeerklärung auf ein entsprechendes Vertragsangebot des Arbeitnehmers gerate der Arbeitgeber in Schuldnerverzug. Der Arbeitnehmer könne für die Zwischenzeit eine Entschädigung in Geld beanspruchen (§ 251 BGB), die der Höhe der entgangenen vertragsgemäßen Vergütung entspreche.1180 1177 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 581; Müller-Glöge, NZA 1999, 449, 456. 1178 BAG (7 AZR 904/98), ZIP 2000, 1781, 1784. 1179 Boewer, NZA 1999, 1177, 1181 f. 1180 Boewer, NZA 1999, 1177, 1181. - 478 Nach der neuen Konzeption des Schuldrechts kommt allein die Regelung der §§ 280 II, 286 BGB1181 in Betracht, also ebenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung. Dabei gilt es zwischen zwei verschiedenen Pflichtverletzungen zu unterscheiden. Zum einen die mangelnde Aufklärung über den Wegfall des aus der Sphäre des Arbeitgebers stammenden Kündigungsgrundes, also die Verletzung der erörterten Aufklärungspflicht.1182 Zum anderen um die Pflicht, das Wiedereinstellungsverlangen des informierten Arbeitnehmers durch Annahme seines Angebots zu erfüllen. Demgegenüber reicht es nicht aus, allein auf das Wiedereinstellungsverlangen abzustellen, weil es der Arbeitgeber bei Verletzung seiner Aufklärungspflicht zum Nachteil des Arbeitnehmers beliebig hinauszögern könnte. Sowohl mit der Aufklärungs- als auch mit der Wiedereinstellungspflicht kann der Arbeitgeber nach allgemeinen Regeln in Schuldnerverzug geraten. Ob es hierfür eigens einer Mahnung durch den Arbeitnehmer bedarf oder aber der Arbeitgeber mit der Pflichtverletzung ohne weiteres in Verzug kommt, richtet sich nach § 286 II Nr. 2 – 4 BGB. Die Anwendbarkeit des § 286 II Nr. 2 BGB hängt davon ab, ob man erstens als Voraussetzung für die Auslösung der Wiedereinstellungspflicht ein „Ereignis“ bejaht, und ob zweitens eine „angemessene Zeit“ für die Wiedereinstellung in der Weise „bestimmt“ ist, „dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt“. Als „Ereignis“ lässt sich hier einerseits der Eintritt von die kündigungsbegründende Prognose widerlegenden Umständen aus dem Einfluss- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers verstehen, da dies die 1181 1182 Vgl. hierzu Lindemann, AuR 2002, 81, 84. Siehe oben unter G.II.3.f)(5)(b) „Echte Rechtspflicht des Arbeitgebers zur Aufklärung über prognosewidrige Veränderungen aus seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich“ auf Seite 433. - 479 Aufklärungspflicht unmittelbar auslöst. Andererseits stellt das Wiedereinstellungsverlangen des informierten Arbeitnehmers, beispielsweise nach Verbesserung seines Gesundheitszustandes im Anschluss an eine krankheitsbedingte Kündigung, ein solches Ereignis dar, mit dem die Pflicht zur Annahme des Angebots auf Wiedereinstellung ausgelöst wird. Als bestimmte, sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechenbare Frist kommt die Äußerungsfrist nicht in Betracht, die sich ja gegen den Arbeitnehmer als Gläubiger richtet, sich also nicht auf die Schuldnerpflichten des Arbeitgebers bezieht. Sowohl die Pflicht zur Aufklärung wie auch die zur Wiedereinstellung sind unverzüglich bei Eintritt des Ereignisses zu erfüllen (§§ 121 I, 271 BGB), einen bestimmten Fristlauf gibt es nicht. § 286 II Nr. 2 BGB stellt dagegen lediglich eine Konkretisierung des von der Zahlungsverzugsrichtlinie1183 genannten „Zahlungstermins“ dar, der wegen der nicht unerheblichen Folgen seiner Nichteinhaltung im Interesse der Klarheit und Transparenz für den Schuldner wenigstens kalendermäßig bestimmbar im Sinne des § 286 II Nr. 2 BGB sein muss, um den Eintritt der Verzugsfolgen zu rechtfertigen. Eine Mahnung ist also jedenfalls nach § 286 II Nr. 2 BGB mangels kalendermäßig bestimmbarer Frist nicht entbehrlich. Besteht keine Aufklärungspflicht Wiedereinstellungsverlangen, so und wird erklärt entweder der der Arbeitnehmer sein Arbeitgeber eine Wiedereinstellung ablehnen, was zur Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 II Nr. 3 BGB führen kann, oder der Arbeitgeber äußert sich nicht, was eine Mahnung erforderlich macht. Dass der Verzug erst durch die Mahnung eintritt, bereitet hier keine Probleme. Schwieriger ist die Situation, wenn bereits die Aufklärungspflicht verletzt wird. Da es an der Kenntnis des Arbeitnehmers von den Voraussetzungen des Anspruchs fehlt, wird er auch keine rechtzeitige Mahnung erklären können. Eine 1183 Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. - 480 eventuell später erklärte Mahnung löst das Problem nicht, da es gerade um die auf der Aufklärungspflichtverletzung Anspruchsdurchsetzung leistungsschädliche geht. Handlung beruhende Insoweit handelt des Schuldners Verzögerung es sich im der um eine Vorfeld zur Anspruchsgeltendmachung. Es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob sich der Schuldner gegenüber der ihn treffenden Wiedereinstellungspflicht in der Weise leistungsunwillig zeigt, dass er auf ein Wiedereinstellungsverlangen nicht oder ablehnend reagiert, oder ob er bereits die zur Anspruchsgeltendmachung unentbehrliche Aufklärungspflicht vernachlässigt. Auch durch letzteres erklärt der Arbeitgeber konkludent seine fehlende Leistungsbereitschaft im Hinblick auf den Hauptanspruch, denn wer als Schuldner bei überlegenem Wissen pflichtwidrig den Gläubiger über die Umstände nicht aufklärt, aus denen sich die Inhaberschaft des Anspruchs ergibt, will ihn schon gar nicht erfüllen. Dieser Fall dürfte daher ebenfalls über § 286 II Nr. 3 BGB zu erfassen sein. Es handelt sich um den allgemein anerkannten, ehedem aus § 242 BGB hergeleiteten Fall einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner.1184 Eine solche endgültige Erfüllungsverweigerung kann auch bei konkludentem Verhalten angenommen werden, wenn beispielsweise der Mieter durch sein Verhalten vor Vertragsbeendigung eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er seinen vertraglich übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommen wird und demgemäß das Mietobjekt bei Vertragsende räumt, ohne Anstalten für die Vorbereitung oder Ausführung der Schönheitsreparaturen getroffen zu haben1185 Würde sich der Schuldner in diesen Fällen auf das Unterlassen der Mahnung berufen, wäre dies ein widersprüchliches Verhalten und damit ein Verstoß gegen Treu und Glauben.1186 Ein Verstoß gegen die Pflicht zur (unverzüglichen) Aufklärung stellt daher für den Anspruch auf Wiedereinstellung eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar. 1184 Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040). 1185 BGH (XII ZR 105/90), NJW 1991, 2416, 2416 = LM § 558 BGB Nr. 45. 1186 Staudinger – Löwisch, § 284 Rn 57. - 481 Zudem wird man bei unterbliebener Aufklärung auch die Voraussetzungen des § 286 II Nr. 4 BGB zu bejahen haben. Die auf einer Pflichtverletzung des Schuldners beruhende mangelnde Kenntnis des Gläubigers von der Anspruchsinhaberschaft reicht für die Bejahung „besonderer Gründe“ aus, die auch unter Abwägung der Interessen des Schuldners den sofortigen Eintritt des Verzugs rechtfertigen. Zwar soll die positivrechtliche Anerkennung dieser Fallgruppe nicht über den von der Rspr. herausgearbeiteten bisherigen Zuschnitt hinaus ausgedehnt werden. Hierunter ist aber auch ein die Mahnung verhinderndes Verhalten des Schuldners zu fassen1187, insbesondere wenn dieser sich einer Mahnung entzieht.1188 So liegt es hier. Die Schadensersatzpflicht für Pflichtverletzungen gilt nach den §§ 280 I 2, 286 IV BGB nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Damit wird als Ausnahme eine Beweislastregel aufgestellt: Ein Vertretenmüssen des Schuldners wird durch die Pflichtverletzung indiziert, der Schuldner muss sich deshalb entlasten. An den Besonderheiten des Arbeitsrechts soll indes nichts geändert werden, wie die Neuregelung des § 619a BGB zeigt.1189 Da § 619a BGB nur eine Regelung für Ansprüche gegen den Arbeitnehmer trifft, bleibt es für Ansprüche gegen den Arbeitgeber bei der Verschuldensvermutung nach § 280 I 2, 286 IV BGB zugunsten des Arbeitnehmers. Als Rechtsfolge ist der durch den Verzug entstandene Schaden nach den §§ 280 I, II, 286 I, II Nr. 3 und 4, 249 S. 1, 251 I BGB zu ersetzen. Der Arbeitnehmer ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er nach unverzüglicher Aufklärung durch den Arbeitgeber sein Wiedereinstellungsverlangen geäußert und der Arbeitgeber dem Vertragsschluss zugestimmt hätte. Der Anspruch auf den Ersatz des Verzögerungsschadens beläuft sich daher auf den entgangenen 1187 Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6040). 1188 OLG Köln (25 WF 216/97), NJW-RR 1999, 4, 4 f. 1189 Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 14/7052). - 482 Arbeitsverdienst im Anschluss an das Wiedereinstellungsverlangen (wenn keine Aufklärungspflicht bestanden hat oder diese Pflicht unverzüglich erfüllt wurde) bzw. bereits im Anschluss an die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose (wenn pflichtwidrig nicht aufgeklärt wurde). Wurde die Aufklärungspflicht verletzt, kann der genaue Beginn des Anspruchszeitraums je nach den Umständen auf den Tag nach dem Wegfall des Kündigungsgrundes oder auch später angesetzt werden, wenn der Arbeitgeber beispielsweise Umstände vorträgt, die eine sofortige Unterrichtung des Arbeitnehmers nicht zuließen. Der Anspruch auf den Ersatz des Verzögerungsschadens wegen Verletzung der Aufklärungspflicht wandelt sich mit der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers in einen Anspruch gleichen Inhalts wegen Verletzung der Wiedereinstellungspflicht um. Letzterer umfasst dann den Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung. Von da an besteht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus dem in Vollzug gesetzten Arbeitsvertrag bzw. aus § 615 BGB. Der Arbeitnehmer muss sich in entsprechender Anwendung des § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat. Bei der Anrechnung tatsächlich erzielten Entgelts handelt es sich lediglich um eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Vorteilsausgleichung.1190 Die Anrechnung hypothetischen Arbeitsverdienstes ergibt sich dagegen unmittelbar aus den §§ 249, 254 II 1 Alt. 2 BGB.1191 Der Anspruch auf den entgangenen Arbeitsverdienst führt zu dem für das Arbeitsrecht durch Gesetz und Rspr. in zahlreichen Ausprägungen anerkannten von der Grundnorm des § 326 I BGB abweichenden Ergebnis „Lohn ohne Arbeit“.1192 1190 1191 1192 Medicus BR, Rn 854 m.w.N. Allein hierauf abstellend: AR-Blattei SD - Boemke, 220.10 Arbeitsvertrag - Arbeitsverhältnis X Rn 187. Joussen, NZA 2001, 745, 747 m.w.N. - 483 Ein weitergehender Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung kommt dagegen nicht in Betracht, weil er mit einem Anspruch auf Erfüllung der Wiedereinstellungspflicht unvereinbar wäre (§ 281 IV BGB). Zu beachten ist auch, dass es sich beim Anspruch auf entgangenen Zwischenverdienst unselbstständigen wegen verzögerter Anspruch handelt, Wiedereinstellung der als um einen Annex zum Wiedereinstellungsanspruch hinzutritt. Andernfalls ließe sich das Entstehen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses als Folge der bloßen Nichtaufklärung über veränderte Umstände aus der Sphäre des Arbeitgebers nach wirksamer Kündigung nicht erklären, zumal zum Zeitpunkt der Aufklärungspflichtverletzung noch nicht feststeht, ob der einzelne Arbeitnehmer überhaupt an einer Wiedereinstellung interessiert ist. - 484 - I. Beschränkter Wiedereinstellungsanspruch I. Wiedereinstellungsanspruch Arbeitsbedingungen An Stelle eines Anspruchs auf zu Wiedereinstellung geänderten zu identischen Arbeitsbedingungen kommt im Einzelfall der Anspruch auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen in Betracht, wenn die Beendigungskündigung in der Rückschau nicht mehr als Ultima-Ratio erscheint, weil eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich gewesen wäre. Der Arbeitgeber hätte also bei idealem Kenntnisstand über die erst noch eintretenden zukünftigen Umstände dem Arbeitnehmer diese Alternative anbieten müssen (§ 1 II 3 Alt. 2 KSchG) und nur eine Änderungskündigung erklären dürfen (§ 2 KSchG). Da aber eine Beendigungskündigung erklärt wurde, könnte man dem Arbeitnehmer das Recht zugestehen, das in einer solchen Änderungskündigung liegende Angebot auf Eingehung eines anderen Arbeitsverhältnisses selbstständig als beschränkten Wiedereinstellungsanspruch gegen den Arbeitgeber einzufordern. Ob eine solcher Anspruch entstehen kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Zwar erklärte der 2. Senat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 27.02.19971193, melde sich nach Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse wegen beabsichtigter Betriebsstillegung unerwartet ein potentieller Betriebsübernehmer, könne es dem Arbeitgeber gegebenenfalls zumutbar sein, den Arbeitnehmern die Weiterbeschäftigung zu Arbeitsbedingungen anzubieten, unter denen ein Interessent zum Betriebserwerb bereits sei.1194 Die mit dieser Sichtweise verbundene Relativität der zu begründenden Arbeitsbedingungen 1193 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. 1194 So im Anschluss auch Welslau, BuW 1998, 953, 955 f. - 485 und die damit einhergehenden Missbrauchsmöglichkeiten wurden bereits erörtert.1195 Prinzipiell ist ein solcher Anspruch aber denkbar, allerdings eher im Bereich der personenbedingten Kündigung. Unterzieht sich der krankheitsbedingt gekündigte Arbeitnehmer einer notwendigen Operation, die die Arbeitsfähigkeit insoweit wiederherstellt, dass nun eine Beschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich wäre, erklärt sich der Arbeitnehmer hiermit einverstanden und ist ein entsprechender Arbeitsplatz im Betrieb vorhanden, stellt sich die Frage nach einem entsprechenden Anspruch auf Wiedereinstellung zu geänderten Arbeitsbedingungen. Konsequenterweise ist dieser Anspruch als ebenfalls prognosebedingter Anspruch auf beschränkte Wiedereinstellung nach den dargestellten Regeln anzuerkennen. Darin liegt indes kein Widerspruch zur erörterten1196 prinzipiellen Pflicht, das Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen neu zu begründen, wie sie für das wirksam gekündigte Arbeitsverhältnis vor der Kündigung bestanden, denn es handelt sich um zwei unterschiedliche Sachverhalte. Voraussetzung eines unbeschränkten Wiedereinstellungsanspruchs ist nämlich, dass der Kündigungsgrund gänzlich entfällt, weil bei hypothetischer Einbeziehung der nachträglichen Entwicklung eine Kündigung nicht hätte gerechtfertigt werden können; das Arbeitsverhältnis hätte also unverändert fortgesetzt werden müssen. Ein Wiedereinstellungsanspruch zu geänderten Arbeitsbedingungen entsteht demgegenüber, wenn der Kündigungsgrund in der weiteren Entwicklung nicht vollständig, sondern nur im Verhältnis zur weniger belastenden Änderungskündigung entfällt. Es handelt sich hier also nur um eine teilweise Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose, weshalb der Anspruch in der Rechtsfolge gegenüber dem Wiedereinstellungsanspruch zurückbleibt. 1195 Siehe oben unter F.II.3.c)(3) „Stellungnahme“ auf Seite 241. 1196 Oben unter H.I „Inhalt des Anschlussarbeitsverhältnisses“ auf Seite 467. unbeschränkten - 486 - II. Anspruch auf befristete Wiedereinstellung Im Bereich der betriebsbedingten Kündigung stellt sich ein besonderes Problem beim unerwarteten Eintritt von wiedereinstellungsbegründenden Umständen, deren Dauerhaftigkeit jedoch zweifelhaft ist und die deshalb die Prognose nicht endgültig, sondern nur zeitweilig widerlegen. Wie nachhaltig muss das unerwartete Ausbleiben des prognostizierten Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit sein, um einen vollwertigen Wiedereinstellungsanspruch auszulösen? Sicher ist zunächst eines: Verzögert der Arbeitgeber die betriebliche Maßnahme grundlos, so hat dies Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung. In diesem Fall ist nicht davon auszugehen, dass die Organisationsentscheidung, die zum Wegfall Kündigungszeitpunkt gegebenenfalls der Beschäftigungsmöglichkeit tatsächlich verfrüht, der vorlag. Die Arbeitgeber führen Kündigung hätte sollte, erfolgt einen zum daher späteren Entlassungstermin ins Auge fassen müssen. Es handelt sich um eine neue Unternehmerentscheidung trotz zutreffender Prognose, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.1197 Eine andere Situation liegt aber dann vor, wenn die Verzögerung der betrieblichen Maßnahme auf neu hinzutretenden äußeren Umständen beruht, die zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht absehbar waren, z.B. bei einer erforderlich werdenden Verzögerung der Rationalisierungsmaßnahme oder einem Hinausschieben der geplanten Betriebsstillegung wegen eines unerwartet 1197 Siehe oben unter F.II.1.b) „Neue Unternehmerentscheidung trotz zutreffender Prognose“ auf Seite 213. - 487 noch abzuwickelnden Auftrags. Aus Gründen der Rechtssicherheit könnte hier lediglich ein Anspruch auf befristete Wiedereinstellung in Betracht kommen.1198 Die Rspr. hat sich hierzu noch nicht geäußert, geht wohl aber von einer Entweder-Oder-Lösung in dem Sinne aus, dass die Verschiebung der Organisationsmaßnahme stets den Kündigungsgrund entfallen und einen unbefristeten Wiedereinstellungsanspruch entstehen lässt. In diese Richtung deutet jedenfalls die Aussage des 2. Senats, der Kündigungsgrund falle (endgültig) weg, wenn z.B. ein plötzlich erteilter Großauftrag anstatt der geplanten Betriebsstillegung eine Fortführung des Betriebes ermögliche.1199 In der Praxis dürfte die unerwartete Erteilung von Aufträgen regelmäßig nur zur befristeten Fortführung des Betriebes geeignet sein, womit sich die Frage nach einem befristeten Wiedereinstellungsanspruch stellt.1200 Die Alternative zu einer befristeten Wiedereinstellung bestünde entweder darin, eine Wiedereinstellung in diesem Fall ganz abzulehnen, oder dem Arbeitgeber bei Annahme eines unbefristeten Kontrahierungszwanges eine erneute Kündigung aufzuerlegen, was allerdings im Hinblick auf die Länge der Kündigungsfrist, die als sozialer Besitzstand auch dem neuen Arbeitsverhältnis eigen wäre, zum Problem werden könnte. Beckschulze1201 bejaht in diesem Fall einen Anspruch auf befristete Wiedereinstellung, wenn man in dieser besonderen Situation einen sachlichen Grund für die Befristung für gegeben hält, was nach § 14 I Nr. 1 TzBfG problemlos möglich sein dürfte. Eine befristete Einstellung sei für den Arbeitgeber auch nicht mit einer unzumutbare Härte verbunden, sie lohne sich im Gegenteil, weil der bereits eingearbeitete Arbeitnehmer für die kurze Übergangszeit aufgrund seiner Erfahrungen gegenüber einer Neueinstellung die 1198 Offengelassen von Schrader, Anm. zu BAG (2 AZR 514/99), AP Nr. 115 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 1199 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. 1200 Beckschulze, DB 1998, 417, 419. 1201 Beckschulze, DB 1998, 417, 419. - 488 aus wirtschaftlicher Sicht bessere Wahl sei. Schließlich sei nach der neueren Rspr. des BAG1202 auch möglich, dem Arbeitnehmer fristgerecht zu kündigen und gleichzeitig eine befristete Weiterbeschäftigung anzubieten, worin dann eine Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG gesehen wird. Wenn aber die ordentliche Kündigung in Verbindung mit einem Angebot auf befristete Weiterbeschäftigung zugelassen wird, so müsse dem Arbeitgeber erst recht gestattet sein, nach einer wirksamen Kündigung aufgrund veränderter Umstände eine befristete Wiedereinstellung anzubieten. Raab1203 führt an, bei einer nicht vorherzusehenden Verzögerung der zum Wegfall des Arbeitsplatzes führenden betrieblichen Maßnahme müsse der Grundsatz der Rechtssicherheit Vorrang haben. Der Arbeitgeber müsse über die Art und Weise, wie er den Zwischenzeitraum überbrückt, frei disponieren können. Eine Einschränkung lasse sich aus dem Zweck des KSchG nicht ableiten. Oetker1204, der die Interessenwahrungspflicht des Arbeitgebers für anspruchsbegründend hält, verneint eine Pflicht zum Vertragsschluss, sobald feststeht, dass der ursprünglich vorhandene Kündigungsgrund nach Ablauf eines überschaubaren Zeitraums wieder vorliegt, weil andernfalls die Zumutbarkeitsgrenze auf Seiten des Arbeitgebers überschritten würde. Es kann im Ergebnis jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sich im Verlauf der weiteren Entwicklung herausstellt, dass zwar nicht eine Kündigung überhaupt, wohl aber die erklärte Kündigung zum maßgeblichen Entlassungstermin verzichtbar gewesen wäre. Die kündigungsbegründende Prognose hat zum Inhalt, dass der Arbeitnehmer bei Ablauf der Kündigungsfrist entbehrt werden kann. Die Prognose wird vollständig widerlegt, wenn der 1202 BAG (2 AZR 609/95), DB 1996, 1780, 1780. 1203 Raab, RdA 2000, 147, 154. 1204 Oetker, ZIP 2000, 643, 650. - 489 Arbeitsplatz zum intendierten Verwirklichungszeitpunkt zunächst erhalten bleibt oder sich eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit herausstellt. Auf der Basis der vom 2. Senat wohl favorisierten Alles-oder-nichts-Lösung wäre daher die Entstehung eines unbefristeten Wiedereinstellungsanspruchs die logische Konsequenz. Demgegenüber begründet sich die Anerkennung eines auf den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages beschränkten Wiedereinstellungsanspruchs aus der Überlegung, dass sich bei absehbarer erneuter Kündigungsbefugnis Kündigungsfrist mit dem Kündigungsgrundes nicht Wiedereinstellungspflicht die bloß zu Notwendigkeit zeitlich verträgt. bejahen, zur Einhaltung beschränkten Hier liefe auf Wegfall eine eine einer des unbefristete überschiessende Rechtsfolge hinaus. Das Anliegen des Kündigungsrechts aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, dem Arbeitgeber die Zahlung des Annahmeverzugslohns zu ersparen, wenn dieser in der Lage ist, betriebliche Veränderungen rechtzeitig vorauszusehen, würde verfehlt, wenn er auf den Abschluss des neuen Arbeitsvertrages erneut kündigen und den Annahmeverzugslohn während eines Teils der Kündigungsfrist zahlen müsste, obwohl gerade diese Entwicklung von ihm prognostiziert worden war. Im Ergebnis ist daher ein Anspruch auf befristete Wiedereinstellung anzuerkennen, wenn die Widerlegung der kündigungsbegründenden Prognose mangelnder Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ihrerseits nur zeitlich begrenzt eintritt. Die Beweislast für die zeitliche Begrenztheit des Wegfalls des Kündigungsgrundes trifft den Arbeitgeber. - 490 - J. Prozessuale Durchsetzung I. Verhältnis von Kündigungsschutzklage Wiedereinstellungsklage und 1. Praktische Durchsetzung mittels Eventualklagehäufung Der Anspruch auf Wiedereinstellung nach wirksamer Kündigung stellt einen eigenen Streitgegenstand dar, der im Unterschied zur Kündigungsschutzklage einen Leistungsantrag erforderlich macht.1205 Für seine Geltendmachung im Kündigungsschutzprozess empfiehlt sich eine Eventualklagehäufung: Der Hauptantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung wird mit dem Hilfsantrag auf Verurteilung des Arbeitgebers zur Annahme des in dem Wiedereinstellungsbegehren liegenden Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter Anrechnung der früheren Beschäftigungsdauer verbunden (§§ 62 II ArbGG, 894 I ZPO).1206 Gleiches gilt für die Ansprüche auf Weiterbeschäftigung und Schadensersatz. Durch Erweiterung des Klageantrags kann der Wiedereinstellungsantrag als Hilfsantrag im Kündigungsschutzprozess auch in der Berufungsinstanz noch gestellt werden.1207 Zwar Wiedereinstellungsanspruchs nicht setzt die die Durchsetzung des erfolglose Durchführung eines Kündigungsschutzprozesses voraus. Die Rechtswirksamkeit der Kündigung ist 1205 1206 1207 BAG (7 AZR 574/00), NZA 2002, 464, 464; so i.ü. schon Herschel, BlStSozArbR 1977, 113, 116. Coen, AuR 1984, 319, 319; vom Stein Diss. 1989, 162; Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757; Edenfeld, AuA 1998, 161, 164; Boewer, RdA 2001, 380, 403. Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 757. - 491 jedoch materiellrechtliche Voraussetzung des Wiedereinstellungsanspruchs. Durch die Eventualklagehäufung vermeidet der Arbeitnehmer, dass sich der Arbeitgeber im Prozess auf die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung berufen kann, um den singulär eingeklagten Wiedereinstellungsanspruch abzuwehren.1208 Eine solche Reaktion auf den klägerischen Vortrag müsste nicht zwangsläufig als ein widersprüchliches Verhalten angesehen werden. Der Arbeitnehmer tut deshalb gut daran, den Wiedereinstellungsantrag nicht allein zu stellen. 2. Keine Auslegung Kündigungsschutzantrags Wiedereinstellungsantrag eines als singulären hilfsweisen Unklar ist, ob es neben der Kündigungsschutzklage zwingend eines solchen Hilfsantrags bedarf. Nach einer Ansicht ist der Antrag auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als ein der Kündigungsschutzklage immanenter Hilfsantrag anzusehen.1209 Der Wiedereinstellungsantrag soll nicht etwas qualitativ Anderes, sondern ein quantitatives Weniger gegenüber dem Kündigungsschutzantrag darstellen. Demnach wird die nach der Kündigungserklärung liegende tatsächliche Entwicklung im Kündigungsschutzprozess bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz in die Betrachtung mit einbezogen und für den Arbeitnehmer entsteht gegebenenfalls ein Anspruch auf Abgabe einer Annahmeerklärung des Kündigungsschutzverfahren 1208 1209 Arbeitgebers liegenden zu dem schon Fortsetzungsverlangen im des Ziemann, MDR 1999, 716, 720 f. Mathern, NJW 1996, 818, 820; Zwanziger, BB 1997, 42, 45 f; Meyer, BB 2000, 1032, 1032; KR – Hillebrecht, § 626 Rn 182; KPK – Ramrath, Teil H, § 4 KSchG Rn 151. - 492 Arbeitnehmers.1210 Der Wiedereinstellungsanspruch würde sich damit in den Grenzen eines Kündigungsschutzverfahrens selbst exekutieren. Nach differenzierender Auffassung kommt es für die Frage, ob der Feststellungsantrag im Kündigungsschutzverfahren als Minus zugleich einen Antrag auf Wiedereinstellung enthält, auf eine Auslegung des Klagebegehrens im Einzelfall an, wobei Unklarheiten durch einen Hinweis nach § 139 I 2 ZPO („sachdienliche Anträge“) zu begegnen sei.1211 Schließlich wird angenommen, der Wiedereinstellungsantrag sei als Leistungsantrag auf Abgabe einer Willenserklärung generell nicht im auf Feststellung gerichteten Kündigungsschutzantrag enthalten, womit ein ausdrücklicher Hilfsantrag erforderlich wird.1212 Wenn jede Kündigungsschutzklage gleichsam eine hilfsweise Klage auf Wiedereinstellung beinhalten sollte, dann würde ein möglicher Wiedereinstellungsanspruch stets Prozessgegenstand, andernfalls nur in den (vernünftigerweise seltenen) Fällen eines ausdrücklichen Antrags. Es ginge daher im Kündigungsschutzprozess von vornherein auch um die weitere Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung. Die Einbeziehung des Wiedereinstellungsanspruchs in den Kündigungsrechtsstreit verträgt sich jedoch nicht mit dem schutzwürdigen Vertrauen des Arbeitgebers des Inhalts, dass das Arbeitsgericht die wirksame Kündigung auch als solche behandelt, der Kündigungsschutzklage also nicht stattgibt.1213 1210 Mathern, NJW 1996, 818, 821. 1211 Bram/Rühl, NZA 1990, 753, 758. 1212 1213 BAG (7 AZR 574/00), NZA 2002, 464, 464; Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; vom Stein, RdA 1991, 85, 86; Busch, MDR 1995, 217, 222 f; Belling, RdA 1996, 223, 240; Walker, SAE 1998, 103, 103; Kleinebrink, FA 1999, 138, 141; Oetker, ZIP 2000, 643, 652. So auch Preis, Anm. zu LAG Köln (4/2 Sa 860/88), LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; Walker, SAE 1997, 103, 103. - 493 Die Frage darf andererseits nach der Verfestigung des Instituts durch die höchstrichterliche Rspr. nicht überbewertet werden. Wenn Umstände eintreten, die auch unter dem strengen Maßstab der sachlichen und zeitlichen Grenzen des Anspruchs die Anforderungen an eine Anspruchsentstehung erfüllen, wird zumindest im Wege der sachdienlichen Klageänderung bzw. nachträglichen Anspruchshäufung (§§ 260, 263 ZPO)1214 mit einem ausdrücklichen Wiedereinstellungsantrag zu rechnen sein. Zudem hat das Gericht nach § 139 I 2 ZPO auf die Notwendigkeit einer eigenständigen Wiedereinstellungsklage gegebenenfalls hinzuweisen, wenn ein auf die Geltendmachung nachträglicher Umstände gerichteter Wille des Klägers erkennbar ist.1215 Die gegen den Arbeitgeber gerichtete Leistungsklage, den Arbeitnehmer wieder einzustellen, also eine auf einen neuen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abzugeben, ist gegenüber der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ein Aliud.1216 Man wird deshalb aus Gründen der Selbstständigkeit und Verschiedenheit der Klageanträge dem Arbeitnehmer die Stellung eines eigenständigen Wiedereinstellungsantrags auferlegen müssen. 1214 1215 1216 Es liegt dann keine bloße Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO vor. Eine solche ist zwar bei Übergang von einer Feststellungs- zur Leistungsklage oder umgekehrt grundsätzlich möglich. Es handelt sich jedoch um eine Klageänderung bzw. nachträgliche Anspruchshäufung nach §§ 260, 263 ZPO, wenn ein weiterer selbstständiger prozessualer Anspruch geltend gemacht wird (Thomas/Putzo ZPO – Thomas, § 264 Rn 4 m.w.N.; Knöringer ZPO, S. 144). Eine sachdienliche Klageänderung liegt vor, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streits fördert und einen neuen Prozess vermeidet (Thomas/Putzo ZPO – Thomas, § 263 Rn 8 m.w.N.). So liegt es, wenn sich im Kündigungsschutzprozess der Kläger auf die weitere Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung beruft. Busch, MDR 1995, 217, 223. LAG Hessen (2 Sa 1274/92), LAGE § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4; Preis Prinzipien, S. 349; Busch, MDR 1995, 217, 223. - 494 - II. Klageantrag 1. Von der Rspr. akzeptierte Antragsformulierungen Bereits im tatsächlichen Wiedereinstellungsverlangen ist ein zumindest konkludentes Angebot auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu sehen.1217 Das vom Arbeitgeber verlangte Tun besteht in der Abgabe einer Annahmeerklärung auf dieses Angebot. Einigkeit besteht darüber, dass der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zustimmung zu seinem Angebot mit einer auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Leistungsklage i.S.v. § 894 I 1 ZPO durchsetzen kann.1218 Unklar bleibt allerdings, welche Antragsfassungen im einzelnen zu akzeptieren sind: In der Entscheidung vom 06.08.1997 ließ der 7. Senat1219 genügen, dass der Antrag des Klägers auf Verurteilung der Beklagten gerichtet war, ihn als Fahrer einzustellen. Es soll sich dabei um einen zulässigen Leistungsantrag auf die Abgabe der nötigen Annahmeerklärung des Arbeitgebers handeln, die mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils als abgegeben gelte. Auch der Klageantrag in der Entscheidung des 2. Senats vom 04.12.19971220, die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf seine Wiedereinstellung zu den bisherigen Bedingungen unter Anrechnung der bisherigen Tätigkeitszeit anzunehmen, wurde als ausreichend angesehen. In dem Urteil vom 27.02.1997 akzeptierte der 2. Senat1221 sogar einen Feststellungsantrag 1217 1218 auf Weiterbeschäftigung. Einem solchen auf die Raab, RdA 2000, 147, 158. BAG (7 AZR 557/96), AP Nr 2 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung = NZA 1998, 254, 254; BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 702; Nägele, BB 1998, 1686, 1689; Boewer, NZA 1999, 1177, 1182. 1219 BAG (7 AZR 557/96), NZA 1998, 254, 255. 1220 BAG (2 AZR 140/97), NZA 1998, 701, 702. 1221 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. - 495 Feststellung gerichteten Antrag, „dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme... verpflichtet war, sie (die Klägerin) auf der Grundlage der bisherigen Vertragsbedingungen auch über den... hinaus weiter zu beschäftigen“, fehle es nicht an dem nach § 256 I HS 2 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, etwa weil sich das Klageziel der Wiedereinstellung wirksam auch durch eine Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung hätte erreichen lassen. Vielmehr entspreche ein solcher Feststellungsantrag jedenfalls der Prozessökonomie. Von diesem Klageantrag sei neben der Wirksamkeit der Kündigung auch ein Anspruch auf Wiederbegründung der vertraglichen Hauptpflichten umfasst. Es sei zu erwarten, dass schon auf ein Feststellungsurteil hin der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung und einen etwaigen Anspruch der Klägerin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. auf Wiedereinstellung endgültig erledigt sei. Der Arbeitnehmer könne jedenfalls sogleich auf Erfüllung der Hauptpflichten aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis, also auf Weiterbeschäftigung klagen, wenn er einen Wiedereinstellungsanspruch erhoben und der Arbeitgeber die Abgabe der entsprechenden Willenserklärung verweigert hat, weil der Arbeitgeber sich nach Treu und Glauben nicht auf das eigene pflichtwidrige Verhalten berufen und den Arbeitnehmer auf den Umweg einer Vollstreckung nach § 894 ZPO verweisen könne. 2. Zulässigkeit eines unmittelbar auf tatsächliche Beschäftigung gerichteten Leistungsantrags? Vor dem Hintergrund des bereits in Form eines vertraglichen Angebots beim Arbeitgeber geltend gemachten Wiedereinstellungsanspruchs könnte man es für ausreichend halten, wenn die prozessuale Durchsetzung allein mittels einer Klage auf tatsächliche Beschäftigung betrieben wird, also auf die Rechtsfolgen des erst noch zu begründenden neuen Vertragsverhältnisses.1222 Das 1222 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 757; Hinrichs, AiB 1997, 615, 615. - 496 Bestehen eines Wiedereinstellungsanspruchs wäre demnach als Vorfrage Gegenstand gerichtlicher Prüfung. a) Verneinende Auffassung – Keine Fiktion der tatsächlichen Beschäftigung durch § 894 ZPO, Vollstreckung nach § 888 ZPO Die Annahmeerklärung des Arbeitgebers gilt als abgegeben, wenn das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Die rechtskräftige Verurteilung ersetzt den gesamten Tatbestand der Abgabe der Willenserklärung, so dass die Fiktion sämtliche Rechtsfolgen umfasst, die eine wirksame Willenserklärung des Schuldners mit entsprechendem Inhalt im maßgeblichen Zeitpunkt hätte.1223 Die gesetzliche Fiktion ersetzt aber aus rechtstechnischer Sicht nicht mehr als die Abgabe der arbeitgeberseitigen Annahmeerklärung zum Vertragsangebot des Arbeitnehmers. Die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers wird durch § 894 ZPO dagegen nicht fingiert. Die Vornahme derartiger Handlungen des Arbeitgebers ist grundsätzlich besonders einzuklagen und nach § 888 ZPO zu vollstrecken.1224 Daher werden Bedenken geäußert gegen die Annahme des 2. Senats, der Arbeitnehmer könne sofort auf tatsächliche Weiterbeschäftigung, also auf Erfüllung der Hauptpflichten aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis, klagen.1225 So hat mittlerweile auch der 7. Senat festgestellt, ein erforderlichenfalls nach § 888 I ZPO zu vollstreckender Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung sei etwas anderes als ein nach § 894 ZPO zu vollstreckender Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung.1226 Entscheidend sei, dass es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handele. Signalisiere 1223 Boewer, NZA 1999, 1177, 1184. 1224 Boewer, RdA 2001, 380, 403. 1225 Ricken, Anm. zu BAG (7 AZR 662/99), AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung. 1226 BAG (7 AZR 574/00), NZA 2002, 464, 464. - 497 daher der Arbeitgeber während der prozessualen Auseinandersetzung um den Wiedereinstellungsanspruch, den Vollzug des nach § 894 ZPO zu begründenden Arbeitsverhältnisses zu konterkarieren, so müsse die Klage auf Annahme des Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrages um einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auf der Grundlage des nach Rechtskraft durch die Fiktion des § 894 I ZPO zustande gekommenen Fortsetzungsvertrages erweitert werden.1227 b) Bejahende Auffassung – Parallele zum kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht und zum Vorvertrag Die Gegenauffassung hält im Anschluss an die Entscheidung des 2. Senats vom 27.02.1997 jedenfalls einen unmittelbar auf die Erfüllung der Hauptpflichten, also auf (Weiter-)Beschäftigung gerichteten Leistungsantrag für zulässig. Der Kläger sei nicht verpflichtet, zunächst auf Wiedereinstellung und erst anschließend auf Weiterbeschäftigung zu klagen.1228 Der Vorteil einer Klage direkt auf Weiterbeschäftigung besteht für den Arbeitnehmer vor allem darin, dass er ein obsiegendes Urteil vorläufig vollstrecken kann.1229 Meinel/Bauer1230 sehen hier eine Parallele zum kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht gemäß § 465 BGB a.F., der dem Wortlaut des Gesetzes nach auf die Erklärung des Einverständnisses des Verkäufers mit dem Wandlungsvertrag gerichtet ist.1231 Demnach wäre es nur konsequent, den Käufer zunächst auf die Fiktion des Einverständnisses nach § 894 ZPO und 1227 1228 Boewer, NZA 1999, 1177, 1182. LAG Hamm (19 Sa 658/99), BB 2000, 308, 308 f; Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 581; Oetker, ZIP 2000, 643, 652. 1229 Oetker, ZIP 2000, 643, 652. 1230 Meinel/Bauer, NZA 1999, 575, 581. 1231 Staudinger – Honsell, § 465 BGB Rn 3f. - 498 danach in einem zweiten Schritt auf Rückzahlung des Kaufpreise klagen zu lassen. So wie die nahezu einhellige Meinung zwar an der vertraglichen Konstruktion der Wandlung festhalte, aber dennoch eine Klage sogleich auf Rückzahlung des Kaufpreises zulasse1232, sei es auch kein Widerspruch, einerseits als Anspruchsinhalt die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses anzusehen und andererseits gleichwohl sofort die Klage auf Erfüllung der Hauptleistungspflichten aus dem erst zu begründenden Arbeitsverhältnis zu ermöglichen. Oetker1233 weist ergänzend auf die Rspr. zum Vorvertrag hin, nach der anerkannt ist, dass die Klage auf den Vertragsschluss mit einer Klage auf die Leistung nach dem Hauptvertrag verbunden werden kann.1234 Ausnahmsweise ist der Berechtigte beim Vorvertrag sogar befugt, die geschuldete Leistung ohne gleichzeitige Klage auf den Vertragsschluss zu fordern.1235 Diese Rspr. sei jedoch nicht ohne weiteres auf das arbeitsrechtliche Dauerschuldverhältnis übertragbar. Statt dessen wird vorgeschlagen, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der selbstständigen Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs deshalb zu geben, weil sich die arbeitgeberseitige Interessenwahrungspflicht, die Oetker für anspruchsbegründend hält, nicht nur auf den Vertragsschluss, sondern unabhängig davon auch auf tatsächliche Beschäftigung richte. Stelle der Arbeitnehmer allein einen Antrag auf tatsächliche Beschäftigung, so sei das Urteil diesbezüglich vorläufig vollstreckbar (§ 62 I 1 ArbGG). c) Stellungnahme Mit einem unmittelbar auf tatsächliche Beschäftigung gerichteten Leistungsantrag könnte der Arbeitnehmer die rechtlichen Umstände klären 1232 Palandt – Putzo, § 465 BGB Rn 5f m.w.N. 1233 Oetker, ZIP 2000, 643, 652. 1234 BGH (V ZR 212/84), BGHZ 98, 130, 134. 1235 BGH (V ZR 42/70), NJW 1972, 1189, 1190 f. - 499 lassen, aus denen sich die Weiterbeschäftigungspflicht im Einzelfall ergibt. Das könnte anstelle der Unwirksamkeit der Kündigung auch ein Anspruch auf Wiederbegründung der vertraglichen Hauptpflichten sein. Dementsprechend könnte man die Notwendigkeit eines zusätzlichen Leistungsantrags auf Beschäftigung im Anschluss an ein rechtskräftiges Urteil gemäß § 894 I ZPO als bloße Förmelei ansehen, die einen effektiven Rechtsschutz nur erschweren würde. Eine solche Sichtweise ginge jedoch zu weit. Es besteht auch keine Notwendigkeit, die Wiedereinstellungsanspruchs rechtstechnische als bloßen Anspruch Grundlage auf Abgabe des einer Willenserklärung zu verlassen. Bezogen auf die neue nach dem Wegfall des Kündigungsgrundes entstandene Situation erklärt der Arbeitgeber mit der Verweigerung einer Wiedereinstellung, dass er nicht gewillt ist, das Angebot des Arbeitnehmers auf Arbeitsleistung anzunehmen (entspr. § 295 Alt. 1 BGB). Zu diesem Zeitpunkt besteht aber der neue Arbeitsvertrag noch nicht, der überhaupt erst die Grundlage für die Leistungspflicht des Arbeitnehmers schafft, weshalb ein Anspruch auf den Annahmeverzugslohn erst an den mit der Rechtskraft des Urteils zustande kommenden Vertrag anknüpfen kann. Vor der Fiktion der Annahmeerklärung gemäß § 894 I ZPO besteht aber wie erörtert ein Anspruch auf den Ersatz des Verzögerungsschadens. Im Anschluss daran kann wiederum § 615 BGB eingreifen. Bietet der Arbeitnehmer auf die Rechtskraft des Urteils seine Arbeitskraft an, so befindet er sich von da an bei Annahmeverzug des Arbeitgebers in der Anspruchssituation des § 615 BGB, ohne dass es einer weiteren Klage bedarf. Daher besteht auch keine Notwendigkeit, die nach der früheren Rspr. zur Wandlung oder zum Vorvertrag anerkannten Ausnahmeregeln auf den Wiedereinstellungsanspruch zu übertragen. Um nach Rechtskraft des Urteils einen Annahmeverzug im Sinne der §§ 615, 293 ff BGB eintreten zu lassen, könnte ein wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB ausreichend sein oder sogar nach § 296 BGB ein Angebot als entbehrlich angesehen werden. - 500 Man könnte dem Arbeitnehmer daher ein tatsächliches Angebot im Sinne vom § 294 BGB abverlangen. Dann wäre eine persönliche Vorstellung im Betrieb erforderlich. Eine andere Möglichkeit Vollstreckungswirkung bestünde indes beruhenden1236 darin, Fiktion nach einer der Abgabe auf der einer Annahmeerklärung gemäß § 894 I 1 ZPO die Regeln anzuwenden, die auch gelten, wenn sich der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer sozialwidrigen ordentlichen Kündigung (bei gleichzeitiger Erhebung der Kündigungsschutzklage) an den Arbeitgeber wendet, um seine Pflichten aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis zu erfüllen. Hierfür gilt folgendes: Das BAG sieht den Arbeitgeber hinsichtlich der zu bewirkenden Dienstleistung als zur Mitwirkung verpflichtet an. Er hat dem Arbeitnehmer demnach in Ausübung seines Direktionsrechts dauerhaft Aufgaben zuzuweisen1237, und zwar im Sinne einer bestimmten Mitwirkungshandlung.1238 Diese Sichtweise eröffnet die Anwendung des § 295 S. 1 Alt. 2 BGB, wonach für die Begründung des Annahmeverzugs ein wörtliches Angebot des Schuldners ausreicht. Dieses Angebot soll nach § 296 S. 1 BGB gleichwohl entbehrlich sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt (durch die Kündigung), dass er von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht und ihm nach Erhebung der Kündigungsschutzklage1239 nicht wieder eine Aufgabe im Rahmen des alten Arbeitsvertrages zuweist. Der Arbeitgeber gerät so ohne weiteres nach § 296 S. 1236 Thomas/Putzo ZPO – Putzo, § 894 Rn 1. 1237 LAG Köln (5 Sa 250/93), LAGE § 615 BGB Nr. 35 1238 BAG (2 AZR 374/83), NJW 1985, 935, 935; BAG (2 AZR 201/84), NJW 1985, 2662, 2662 f. 1239 Warschkow, AiB 2001, 184, 185. - 501 1 BGB in Verzug, ohne dass es also eines wörtlichen Angebots des Schuldners bedarf.1240 Nun darf der Arbeitnehmer im Anschluss an einen rechtskräftig entschiedenen Wiedereinstellungsrechtsstreit nicht schlechter stehen als nach einer in der Schwebe befindlichen Kündigung, deren Unwirksamkeit erst noch in einem anhängigen Kündigungsrechtsstreit festgestellt werden muss. In beiden Fällen besteht ein Arbeitsverhältnis (noch bzw. wieder). Wenn man den Arbeitgeber also im Anschluss an eine rechtsunwirksame Kündigung und die Erhebung einer Kündigungsschutzklage für verpflichtet hält, dem Arbeitnehmer Aufgaben zuzuweisen, dann gilt das einmal mehr nach rechtskräftiger Entscheidung des Wiedereinstellungsrechtsstreits. Denn anders als beim Streit um die Rechtswirksamkeit einer Kündigung steht nach Rechtskraft des Urteils das Bestehen eines Arbeitsvertrages für die Zukunft verbindlich fest. Der Arbeitgeber ist hier wie auch im Kündigungsschutzprozess verpflichtet, im Rahmen seines Direktionsrechts Aufgaben zuzuweisen, um die Rechtsfolge des § 615 BGB abzuwenden. Der Arbeitgeber kommt also im Anschluss an die Rechtskraft des Urteils ohne weiteres in Verzug, so dass ein Anspruch nach § 615 BGB von selbst entsteht. Im Verzugsfall kommt auch die Anrechnung böswillig unterlassenen Zwischenverdienstes gemäß § 615 S. 2 Alt. 3 BGB regelmäßig nicht in Betracht. Der Arbeitnehmer braucht nämlich nicht von sich aus aktiv zu werden, wie die Rspr. des 9. Senats1241 zu den Vorschriften der §§ 11 Nr. 2 KSchG und 615 S. 2 BGB zeigt: Nach § 11 Nr. 2 KSchG muss der Arbeitnehmer es unterlassen haben, eine Arbeit "anzunehmen". Die "Annahme" einer Arbeit sei aber regelmäßig nur möglich, wenn sie zuvor angeboten worden sei. Das bedürfe 1240 1241 BAG (2 AZR 457/75), EzA § 103 BetrVG Nr. 17; BAG (2 AZR 34/86), EzA § 615 BGB Nr. 53; Waas NZA 1994, 151, 152; Kittner/Däubler/Zwanziger - Trittin § 615 Rn 9 BAG (9 AZR 194/99), NZA 2000, 817, 817 f = ZIP 2000, 1504, 1504 f = DB 2000, 2021, 2021 = BB 2000, 1410, 1410 f = AiB 2001, 183, 183 f = AP Nr. 2 zu § 11 KSchG 1969. - 502 einer entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers, wenn er selbst über eine solche Beschäftigungsmöglichkeit verfüge. Nicht anders verhalte es sich mit dem inhaltlich vergleichbaren § 615 Satz 2 BGB. Die Vorschriften über die Anrechnung des vom Arbeitnehmer hypothetisch erzielbaren Verdienstes sollen den Arbeitgeber davor schützen, dass der Arbeitnehmer auf seine Kosten vorsätzlich Verdienstmöglichkeiten außer Acht lasse. Sie schützten den Arbeitgeber aber nicht vor den Folgen eigener Untätigkeit. Soweit der Arbeitgeber selbst in der Lage sei, die finanziellen Folgen seines Annahmeverzugs zu mildern, obliege es ihm, die hierfür erforderlichen Handlungen vorzunehmen.1242 Nach allem ist also ein Beschäftigungsantrag dort unbegründet, wo ein Arbeitsverhältnis erst noch zustande kommen muss, denn er enthält keinen Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung, dessen Fiktion überhaupt erst die Grundlage für eine tatsächliche Beschäftigung schafft. Das folgt aus der Verschiedenheit der Klagegegenstände, denn ein erforderlichenfalls nach § 888 I ZPO zu vollstreckender Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung ist eben etwas anderes als ein nach § 894 I ZPO zu vollstreckender Anspruch auf die Abgabe einer Willenserklärung.1243 Das insoweit bestehende Stufenverhältnis macht eine sukzessive Durchsetzung erforderlich. Stellt der Arbeitnehmer gleichwohl einen Beschäftigungsantrag, so ist dieser nach allgemeinen Regeln auszulegen (§ 133 BGB). Wird der Antrag als Hilfsantrag zusammen mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt, so kann er sinnvoll als hilfsweises über das Gericht dem Arbeitgeber unterbreitetes Angebot auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages ausgelegt werden, wenn sich der Kläger zumindest unter anderem auf erst nach der Kündigung eingetretene Umstände beruft. 1242 So auch Schirge, Anm. zu BAG (9 AZR 194/99), AP Nr. 2 zu § 11 KSchG 1969. 1243 BAG (7 AZR 574/00), NZA 2002, 464, 464. - 503 - 3. Kein Kündigungsbeseitigungsanspruch Ziemann1244 will die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses (Wiedereinstellungsanspruch) von der Fortsetzung des zunächst wirksam beendeten Arbeitsverhältnisses („Fortsetzungsanspruch“ auf Beseitigung der Kündigungsfolgen) differenzieren. a) Privatautonome Vereinbarung über die Aufhebung der Kündigungsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit Den Parteien wird das Recht zugestanden, die durch die Kündigung erzielte Rechtsgestaltung wieder rückgängig zu machen. In der Konsequenz soll sich eine ununterbrochene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach wirksamer Kündigung durch die einvernehmliche Rücknahme der Kündigung erreichen lassen.1245 Dies ist auch im Arbeitsrecht nichts neues. Wer eine Kündigung erklärt, kann deren Gestaltungswirkung nicht einseitig durch eine Rücknahmeerklärung wieder beseitigen. In einer solchen Rücknahmeerklärung wird aber ein Angebot gesehen, das alte Arbeitsverhältnis ungeachtet der Kündigungswirkungen fortzusetzen. Ist die Kündigungsfrist bereits abgelaufen, geschieht die einvernehmliche Beseitigung der Gestaltungswirkung der Kündigungserklärung mit rückwirkender Kraft.1246 Die Parteien fingieren also über eine vertragliche Abrede die Unwirksamkeit der Kündigung. Dafür mag es gute Gründe geben, wenn man eine Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung oder um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiedereinstellung vermeiden will. Kraft Privatautonomie können die Parteien grundsätzlich vereinbaren, was sie wollen, also auch die rückwirkende Beseitigung der Kündigungsfolgen. 1244 Ziemann, MDR 1999, 716, 719. 1245 Hierzu konstruktiv Schwerdtner, ZIP 1982, 639, 639 ff. 1246 Ziemann, MDR 1999, 716, 720; KR – Friedrich, § 4 KSchG Rn 54. - 504 - b) Anerkennung der Voraussetzungen des Annahmeverzugs i.S.v. § 615 BGB Für die Schwebezeit soll dann folgerichtig ein Anspruch auf Zahlung des Annahmeverzugslohns aus § 615 BGB unabhängig davon entstehen, ob die Kündigung wirksam war oder nicht, denn auf diese Prüfung habe der Arbeitgeber gerade verzichtet.1247 Mehr noch: Es sei aufgrund der Vereinbarung der Parteien, die insoweit allein dispositionsbefugt seien, davon auszugehen, dass der Arbeitgeber mit der „Rücknahme“ der Kündigung bei fehlendem Vorbehalt zugleich auch die Voraussetzungen des Annahmeverzugs anerkenne.1248 c) Kündigungsbeseitigungsanspruch auf die Annahme eines arbeitnehmerseitigen Angebots auf Aufhebung der Kündigungswirkungen Nun wird sich der Arbeitgeber ohne Not auf eine solche Vereinbarung nicht einlassen, muss also dazu verurteilt werden. Mit der Möglichkeit einer privatautonomen vertraglichen Regelung dieses Inhalts soll nun nach Ziemann ein entsprechendes Klagerecht des Arbeitnehmers korrespondieren. Der Arbeitnehmer dürfe den (im noch bestehenden Arbeitsverhältnis geltend gemachten) Kündigungsbeseitigungsanspruch durch den Antrag zum Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens machen, den Arbeitgeber zu verurteilen, sein Angebot auf einvernehmliche Aufhebung der Kündigungswirkungen anzunehmen.1249 Der Grund wird darin gesehen, dass 1247 Schwerdtner, ZIP 1982, 639, 641. 1248 Ziemann, MDR 1999, 716, 720. 1249 Ziemann bezeichnet diesen Anspruch als Fortsetzungsanspruch, weil er auf die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung des bisherigen Arbeitsvertrages gerichtet sein soll. Das trägt allerdings wenig zur begrifflichen Erhellung bei, da der Begriff des Fortsetzungsanspruchs ohnehin schon mehrdeutig verwendet wird (siehe oben unter A.V „Begrifflichkeiten“ auf Seite 15). Daher wird er vorliegend als Kündigungsbeseitungsanspruch bezeichnet. - 505 für den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages kein Bedürfnis bestehe, wenn doch der Arbeitgeber ohnehin zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet sei bzw. gewesen wäre, weil er dem arbeitnehmerseitigen Verlangen auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist hätte nachgeben müssen. Es soll demnach auch nicht darauf ankommen, wann die Rechtskraft des Urteils gemäß § 894 I 1 ZPO eintritt. Denn es macht im Ergebnis keinen Unterschied, wann die Nichtexistenz der Kündigung fingiert wird. Die fingierte Willenserklärung selbst führt ihrem Inhalt nach zur Rückwirkung, nicht erst das Urteil, das eine solche Wirkung nicht haben könnte. In der Konsequenz kommt es nicht mehr darauf an, wie viel Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zu einem rechtskräftigen Urteil verstreicht. Für diese Zeit besteht jedenfalls der Annahmeverzugslohnanspruch. Eine Schwebezeit, für die Sekundäransprüche zu prüfen wären, soll folglich nicht bestehen. d) Zulässigkeit eines Leistungsantrags auf Beschäftigung zur Durchsetzung des Kündigungsbeseitigungsanspruchs Die Durchsetzung eines so verstandenen Kündigungsbeseitigungsanspruchs sei nicht nur über die Klage auf Zustimmung zu einer Aufhebungsvereinbarung zu erzielen, durch die die Parteien die Rechtsfolgen der wirksamen Kündigung nachträglich aufheben könnten. Zur Verfolgung dieses Anspruchs sei auch ein Klageantrag auf Weiterbeschäftigung zulässig, denn der Anspruch auf Weiterbeschäftigung habe seine Grundlage, ebenso wie der Anspruch auf Aufhebung der Kündigungswirkungen, im beendeten Arbeitsverhältnis selbst. Ein auf tatsächliche Beschäftigung gerichteter Leistungsantrag führe lediglich dann nicht weiter, wenn es um die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses gehe, also um die Wiedereinstellung im engeren Sinne. Für die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses soll aber ein Bedürfnis nur bestehen, wenn das Wiedereinstellungsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber erst nach Ablauf der Kündigungsfrist erklärt wird. - 506 - e) Abgrenzung zum Wiedereinstellungsanspruch Auch nach dieser Sichtweise ist ein Wiedereinstellungsanspruch nicht gänzlich entbehrlich, sondern als weniger weit gehender Anspruch subsidiär. Während Ziemann1250 den Kündigungsbeseitigungsanspruch auf die Fälle begrenzen will, in denen es dem Arbeitnehmer gelingt, noch vor Ablauf der Kündigungsfrist den Anspruch durch ein tatsächliches Angebot auf Arbeitsleistung geltend zu machen, bestünde eine weitergehende von Berkowsky1251 vertretene Möglichkeit darin, den Kündigungsbeseitigungsanspruch während laufender Kündigungsfrist entstehen lassen, also darauf abzustellen, ob die kündigungsbegründende Prognose noch vor Ablauf der Kündigungsfrist widerlegt wird. Nach dem jeweils maßgeblichen Zeitpunkt könnte nur noch ein Wiedereinstellungsanspruch auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages entstehen. Schließlich nimmt Raab1252 an, zumindest in dem Fall, dass der Arbeitgeber das in dem Fortsetzungsverlangen des Arbeitnehmers liegende Angebot vor Ablauf der Kündigungsfrist auch annimmt, sei es gekünstelt, anzunehmen, dass das alte Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist ende und ein neues Arbeitsverhältnis begründet werde. Vielmehr bleibe das Arbeitsverhältnis als Schuldverhältnis im weiteren Sinne bestehen. Die Rechtsfolgen seien dieselben wie bei einer „Rücknahme“ der Kündigung. Es gelte daher, was auch für eine Änderungskündigung gilt, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot annimmt. Damit bleibt indes offen, ob auch ein rechtlicher Anspruch auf eben diese einvernehmliche Aufhebung der Kündigung bestehen soll oder nicht. 1250 Ziemann, MDR 1999, 716, 719 f. 1251 MünchArbR II – Berkowsky, § 130 Rn 93. 1252 Raab, RdA 2000, 147, 157. - 507 - f) Stellungnahme – Kündigungsbeseitigungsanspruch nicht begründbar (1) Aushöhlung der Gestaltungswirkung der Kündigung Ein Kündigungsbeseitigungsanspruch ist mit dem geltenden Recht indes nicht zu vereinbaren. Die Kündigung ist als Gestaltungserklärung unwiderruflich.1253 Sie macht aus einem Rechtsverhältnis ein solches anderer Art. Nun ist eine einvernehmliche Aufhebung von Kündigungswirkungen solange unproblematisch, wie sie wirklich einvernehmlich und privatautonom zwischen den Parteien vereinbart wird. Erkennt man aber einen hierauf gerichteten Anspruch einer Vertragspartei an, dann hat das mit der Ausgangsüberlegung der privatautonomen Gestaltungsfreiheit nichts mehr zu tun. Durch die Hintertür eines Kündigungsbeseitigungsanspruchs würde die Wirksamkeit der Kündigung doch wieder den Unwägbarkeiten der weiteren Entwicklung preisgegeben. Die Wirkungen wären die gleichen wie bei der eingangs aufgegriffenen Behauptung, der Arbeitgeber dürfe sich auf eine wirksame Kündigung nach Widerlegung der ihr zugrunde liegenden Prognose nicht mehr berufen, ansonsten setze er sich dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs aus.1254 Letztlich wird die Privatautonomie instrumentalisiert, um Wirkungen zu erzielen, die mit dem Gesetz nicht vereinbar sind. Fingiert wird durch das rechtskräftige Urteil nicht mehr nur eine Willenserklärung auf die Rückkehr zu den Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses, sondern zugleich noch der Wille des Arbeitgebers, sich auch für die Vergangenheit binden und den Arbeitnehmer von 1253 BAG (2 AZR 159/93), NZA 1994, 70, 71; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 4 Rn 27 m.w.N. a) 1254 Siehe oben unter B.I.3.c) „Alternative Überlegungen Rechtsmissbrauch bei Berufung auf die wirksame Kündigung“ auf Seite 35. - 508 den Unwägbarkeiten des Prozessverlaufs freistellen zu wollen. Je länger der Rechtsstreit dauert, desto größer wird damit das Risiko für den Arbeitgeber, einem in seinem Umfang nicht mehr kalkulierbaren Annahmeverzugslohnanspruch ausgesetzt zu sein. Um dem zu entgehen, müsste er schon präventiv dem Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung anbieten. Weder die Wirksamkeit der Kündigung noch etwaige Unklarheiten über den Wegfall des Kündigungsgrundes könnten daran etwas ändern. Das Anliegen, die Kündigung ungeschehen machen zu wollen, verträgt sich überdies nicht mit der Funktion des Wiedereinstellungsanspruchs, durch den ein faktischer Mittelweg zwischen Kündigungswirksamkeit und –unwirksamkeit beschritten werden soll. Ein Kündigungsbeseitigungsanspruch erscheint demgegenüber als überschiessende Rechtsfolge.1255 (2) Verstoß gegen die Ex-Nunc-Wirkung einer Gestaltungsklage nach § 894 I 1 ZPO Auch ein Verstoß gegen die Ex-Nunc-Wirkung der Gestaltungsklage nach § 894 I 1 ZPO liegt nur bei oberflächlicher rein rechtstechnischer Betrachtung nicht vor. Faktisch macht es keinen Unterschied, ob man rückwirkend das Zustandekommen eines Vertragsverhältnisses fingiert, oder mit Wirkung für die Zukunft einen Vertrag fingiert, nach dem sich der Arbeitgeber behandeln lassen muss, als sei eine Rückwirkung eingetreten. Der Wiedereinstellungsanspruch leistet letztlich eine Feinabstimmung für die Risikoverteilung im Kündigungsschutzrecht hinsichtlich dessen Prognoseelement. Damit unvereinbar sind Konstruktionen, die auf eine umfassende „als-ob“-Betrachtung in dem Sinne hinauslaufen, dass die gesetzliche Risikoverteilung zulasten einer Partei mit einer angeblichen Pflichtenstellung der anderen Partei zur umfassenden Schadloshaltung umgangen wird. 1255 Ebenfalls ablehnend Kort, SAE 2001, 131, 131 f. - 509 An der Erforderlichkeit der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses führt daher kein Weg vorbei. Die „einvernehmliche Aufhebung der Kündigung“ kann nur in dem erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrages für die Zukunft liegen. Erklärt der Arbeitgeber die „Rücknahme der Kündigung“, so ist dies regelmäßig als Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu verstehen.1256 Klagt der Arbeitnehmer auf eine entsprechende Annahmeerklärung, so geht es ebenfalls nur um die Wiedereinstellung. 4. Zulässigkeit eines Ausnahmefall Feststellungsantrags nur im Zu Recht bezweifelt wird auch, dass sich – wie vom 2. Senat angenommen - das Rechtsschutzinteresse für eine Feststellungsklage ausreichend begründen lässt, es sei denn, der Arbeitgeber gibt zu erkennen, sich auch einem Feststellungsurteil beugen zu wollen.1257 So lag es in dem vom 2. Senat am 27.02.1997 entschiedenen Fall. Die Beklagte Betriebserwerberin hatte sich in einem Parallelprozess dem auf Feststellung gerichteten Verfahren unterworfen und damit die etwa erforderliche Abgabe einer auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Willenserklärung (§ 894 ZPO) überflüssig gemacht. Das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn auch ein Feststellungsurteil eine abschließende Streitentscheidung ermöglicht, weil der Beklagte schon aufgrund dessen zur Leistung bereit sein wird.1258 Ist diese Bereitschaft nicht erkennbar, so bleibt es bei der Notwendigkeit eines Antrags auf Abgabe der erforderlichen Annahmeerklärung. 1256 Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG, § 4 Rn 29; KR – Friedrich, § 4 KSchG Rn 55. 1257 Boewer, NZA 1999, 1177, 1182; Ziemann, MDR 1999, 716, 719. 1258 Walker, SAE 1998, 103, 103. - 510 Noch in seiner Entscheidung vom 14.09.19941259 hatte der 2. Senat dagegen zutreffend die Feststellung des Berufungsgerichts, in dem klägerischen Antrag, „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis.... ungekündigt fortbesteht“, sei kein Anhaltspunkt für die Geltendmachung eines möglichen Wiedereinstellungsanspruchs enthalten, unbeanstandet gelassen und sich allein mit der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Verdachtskündigung beschäftigt. Ein Feststellungsantrag ist daher zur Erhebung der Wiedereinstellungsklage regelmäßig ungeeignet. 5. Hinreichende Bestimmtheit des Antrags – Auslegung Der 7. Senat ließ in seiner Entscheidung vom 06.08.19971260 den Leistungsantrag des (zuvor als Wagenpfleger beschäftigen) Klägers genügen, ihn als Fahrer wieder einzustellen. Ziemann1261 weist zutreffend auf die geringe Bestimmtheit dieses Antrags hin, die nicht den Anforderungen an ein Angebot im materiellrechtlichen Sinne und auch nicht denen an einen im Sinne von § 253 II Nr. 2 ZPO „bestimmten Antrag“ gerecht wird. Der Klageantrag muss bereits alles enthalten, was zum Gegenstand des mit dem beklagten Arbeitgeber zu begründenden Vertragsverhältnisses werden soll. Nur so kann der Gefahr vorgebeugt werden, dass es wegen der verbliebenen Unklarheiten zu weiteren Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien kommt. Einer stückweisen Herbeiführung des Gesamtvertrages im Wege von Teilleistungsklagen fehlt dagegen das Rechtsschutzbedürfnis. Verlangt der Arbeitnehmer allerdings die Wiedereinstellung auf den vom ihm zuvor besetzten Arbeitsplatz, so wird man bereits im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) davon auszugehen haben, dass die Wiederherstellung der bisherigen 1259 BAG (2 AZR 164/94), NJW 1995, 1110, 1111 f = NZA 1995, 269, 269 f. 1260 BAG (7 AZR 557/96), MDR 1998, 422 = NZA 1998, 254, 254 f. 1261 Ziemann, MDR 1999, 716, 718. - 511 Arbeitsbedingungen gewollt ist. Die Wahrung der durch Betriebszugehörigkeit erworbenen Besitzstände und Anwartschaften ergibt sich ohnehin als Rechtsfolge des Anspruchs und bedarf daher nach der hier vertretenen Auffassung nicht zwingend einer Klarstellung im Klageantrag. Unklarheiten muss über die richterliche Hinweispflicht (§ 139 I 2 ZPO) begegnet werden. 6. Auslegung eines auf die ununterbrochene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Antrags In seiner Entscheidung vom 27.02.19971262 hatte der 2. Senat über den Antrag zu entscheiden, „festzustellen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme.... verpflichtet war, sie (die Klägerin) auf der Grundlage der bisherigen Vertragsbedingungen, auch über den 31.05.1995 hinaus weiter zu beschäftigen“. Abgesehen von den bereits erörterten Einwänden sowohl gegen einen bloßen Weiterbeschäftigungs-, wie auch gegen einen Feststellungsantrag, wird hier auch das klägerische Ziel einer ununterbrochenen Beschäftigung zum Problem. Denn nur ein rechtskräftiges Urteil ersetzt die Annahmeerklärung des Arbeitgebers und bringt den Vertrag und damit auch die Lohnzahlungspflicht für die Zukunft zustande, nicht aber rückwirkend für die Vergangenheit.1263 In der Zeit zwischen dem rechtswirksamen Ende des bisherigen und dem rechtskräftigen Zustandekommen des neuen Arbeitsverhältnisses besteht kein Arbeitsverhältnis und daher auch kein Beschäftigungsanspruch und kein 1262 1263 BAG (2 AZR 160/96), NZA 1997, 757, 760. Siehe oben unter H.II.3 „Stellungnahme – Anspruch Vertragsverhältnisses nur für die Zukunft“ auf Seite 474. auf Begründung eines - 512 Anspruch auf den Annahmeverzugslohn, sondern lediglich auf den Ersatz des Verzögerungsschadens.1264 Der Arbeitnehmer muss daher im Klageantrag zum Ausdruck bringen, dass die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses gewollt ist. Richtet sich sein Klagebegehren auf die ununterbrochene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, so muss der Antrag nachträglich zumindest hilfsweise auf eine Beschäftigung für die Zukunft erstreckt werden.1265 Auch insoweit hilft die richterliche Hinweispflicht, um die Stellung sachdienlicher Anträge zu fördern. III. Keine Klagefrist Vereinzelt wurde a