Morphin Morphin ist ein Haupt-Alkaloid des Opiums und zählt damit zu den Opiaten bzw. Opioiden. Es wird in der Medizin als eines der stärksten bekannten natürlichen Schmerzmittel (Analgetikum) eingesetzt. Es ist das erste in Reinform isolierte Alkaloid. Geschichte und Namensgebung Morphin wurde erstmals 1804 von dem deutschen Apotheker Freidrich Wilhelm Adam Sertürner in Paderborn isoliert, jedoch wurde die korrekte Summenformel erst im Jahre 1848 durch Laurent ermittelt. Sertürner nannte den Stoff zunächst Morphium nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume und des Schlafes. Erst später bekam die Droge den Namen „Morphin", der heute hauptsächlich in Gebrauch ist. Bis zur Aufstellung der endgültigen Strukturformel vergingen weitere 77 Jahre. Kurz zuvor wurde Morphin bereits von Armand Séguin und Bernard Courtois entdeckt, jedoch zunächst nur am eigenen Institut vorgestellt und erst 1816 publiziert. Vorkommen und Biosynthese Morphin wird aus Opium, d. h. aus dem getrockneten Milchsaft des Schlafmohns (Papaver somniferum), gewonnen. Die Totalsynthese ist aufwändig und liefert geringe Ausbeuten – bei der Fuchs-Synthese beträgt sie etwa 10 %. Die Ausgangsstoffe dazu sind Phenylalanin unf 4-Hydroxyphenyl-acetaldehyd. Dabei ist Norcoclaurin ein wichtiges Zwischenprodukt. Über Reticulin werden dann die Morphinan-Alkaloide gebildet, zu denen das Morphin gehört. Auch Säugetiere können Morphin enzymatisch aus L-Tyrosin und L-Dopa aufbauen. Anwendung Morphin wird zur Behandlung von starken und stärksten Schmerzen verwendet. Als Darreichungsformen gibt es Retardkapseln und -Tabletten, Brausetabletten, Tropfen, Retard-Granulat, Zäpfchen, Pflaster sowie Injektionslösungen. Im Vergleich zu anderen Ländern wird in Deutschland Morphin seltener verschrieben. Zum Beispiel ist die verordnete Gesamtmenge für Tumorpatienten in Dänemark siebenmal höher. Schätzungen zufolge erhält nur jeder 4. Patient, der ein mittelstarkes Opioid benötigt, ein entsprechendes Präparat; bei denjenigen, die ein hochpotentes Opioid benötigen, liegt die Quote bei nur 5 %. Der Grund hierfür kann sowohl in der nach heutiger Lehrmeinung unbegründeten Angst vor starken Nebenwirkungen als auch im bürokratischen Verschreibungsverfahren, das speziell zu beantragende Betäubungsmittelrezeotformulare erfordert, liegen. Umfragen Ende der 1990er Jahre haben gezeigt, dass lediglich ein Drittel der niedergelassenen Allgemeinmediziner über die notwendigen BtM-Formulare verfügt, bei den Chirurgen waren es sogar nur 10 %. Als Reaktion seitens der Gesetzgebung wurden im Jahr 2001 die verschreibbaren Höchstmengen angehoben und der entsprechende Formalismus vereinfacht. Die Behandlung mit Morphin sollte nach den WHO-Prinzipien, d. h. nach einem abgestuften Plan (Dosissteigerung wie auch Dosisreduktion) angepasst werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden. möglichst orale Applikation individuelle Dosierung nach Möglichkeit nur zusammen mit einem zweiten, peripher wirksamen Schmerzmittel Bei den meisten Menschen, die nach diesem Schema individuell mit Morphin behandelt werden, kommt es außer der behandelbaren Verstopfung zu keinen wesentlichen Nebenwirkungen. Chemie Gewinnung Dem wässrigen Opiumauszug wird eine Calciumchlorid-Lösung zugesetzt. Nach Abtrennung des meconsauren Calciums wird die Lösung eingedampft, wobei sich Morphin und Codein als Hydrochloride abscheiden. Die Hydrochloride werden erneut in eine wässrige Lösung gebracht, aus welcher das Morphin durch Zugabe von Ammoniak ausgefällt werden kann. Löslichkeit Schwer löslich in Wasser (1:5000), etwas leichter löslich in heißem Wasser, löslich in Ethanol (1:250), schwer löslich in Ether (1:7500), in Tetrachlorkohlenstoff (1:6400), leicht löslich in alkalihaltigem Wasser. Auf Grund der schweren Löslichkeit von Morphin in Wasser werden von der pharmazeutischen Industrie vor allem das Sulfat und das Hydrochlorid hergestellt, deren Lösungsvermögen deutlich, d. h. etwa 300 Mal besser ist. Insbesondere nach der Entdeckung der schmerzstillenden Wirkung des Morphins stellte über lange Zeit die schlechte Löslichkeit von Morphin ein ernsthaftes Problem dar, da zu Injektionszwecken eine wässrige Lösung nötig war. Stabilität Morphin ist in stark saurem und in alkalischem Milieu instabil und zersetzt sich zum farbigen Apomorphin. Pharmakologie https://www.suchtundselbsthilfe.de/forum/wcf/lexicon/index.php?entry/195-morphin/ 2 Pharmakodynamik Morphin wirkt zentral als Agonist an Opioidrezeptoren. Dadurch wird die Schmerzweiterleitung verhindert und das Schmerzempfinden des Patienten gesenkt. Im Vordergrund steht dabei die Aktivierung der ?Rezeptoren. Zu ?-Rezeptoren hat Morphin eine geringere Affinität. Ein aktiver Metabolit ist das Morphin-6Glucuronid. Unerwünschte Nebenwirkungen Abhängigkeit Euphorie Apathie, Dysphorie bis hin zu Depression Atemdepression/Atemstillstand (speziell bei Überdosierung bis hin zu einer tödlichen Lähmung des Atemzentrums) Bewusstseinsstörungen wie Halluzinationen, Zeitverlustempfinden/Erinnerungslücken (Blackout) Blutdruckabfall, vor allem bei intravenöser Gabe Somnolenz, bis hin zum Koma vor allem bei hohen Dosen Übelkeit, vor allem zu Beginn einer Therapie mit Morphin danach eher eine Hemmnung von Übelkeit Verstopfung (Obstipation) Morphin unterdrückt den Hustenreiz (antitussive Wirkung); ein anderes Alkaloid des Opiums, Codein (chemisch gesehen Methylmorphin), wird daher als Wirkstoff gegen Husten eingesetzt. Zu Beginn der Morphintherapie kann es zu Übelkeit und Erbrechen kommen, da Morphin direkt auf das Brechzentrum im Hirnstamm wirkt. Nach einiger Zeit lässt diese Nebenwirkung meist nach. Einzig die Obstipation scheint keiner Gewöhnung zu unterliegen. Bei einer Langzeitanwendung sollte daher ein Abführmittel mitverordnet werden. Bei chronischen Schmerzen sind retardierte Morphine zu bevorzugen, da es ansonsten zu einer Konditionierung und damit eher zu einer Abhängigkeit von Patienten kommt. Bei Schmerzpatienten und angemessener Dosierung des Morphins tritt die atemdepressive Wirkung in den Hintergrund, u. a. da der Schmerzreiz selbst die Atmung stimuliert. Die Entwicklung einer körperlichen Abhängigkeit stellt bei sachgerechter Schmerztherapie bei chronischen Schmerzpatienten kein wesentliches Problem dar. Pharmakokinetik Morphin weist zwar eine gute Resorption auf, die Bioverfügbarkeit ist jedoch aufgrund des hohen "first-passEffekts" gering. Die Elimination erfolgt überwiegend renal mittels hydrophiler Konjugate. Die Wirkungsdauer beträgt 2-4 Stunden. Morphin weist keinen so genannten Ceiling-Effekt auf. Vergiftung https://www.suchtundselbsthilfe.de/forum/wcf/lexicon/index.php?entry/195-morphin/ 3 Sollte eine Morphinvergiftung vorliegen, kann man diese durch Gabe von Naloxon behandeln. Naloxon wirkt als kompetitiver Antagonist, verdrängt also Morphin von den Opiatrezeptoren, und hebt dadurch dessen Wirkung auf. Dabei sollte vorsichtig dosiert werden. Wird zu viel Naloxon verabreicht, kann der (morphiumsüchtige) Konsument von der Überdosis direkt in den Entzug übergehen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Halbwertszeit von Naloxon deutlich unter jener von Morphin liegt, der Patient also kurzzeitig beschwerdefrei ist, aber nach dem Nachlassen der Wirkung des Naloxons wieder Atemstillstand durch Opiatüberdosierung drohen kann. Eine längere Beobachtung bei Morphinintoxikationen ist deshalb Pflicht, häufig wird zur Sedation und zur Linderung einer etwaigen Entzugssymptomatik die gleichzeitige Gabe von Diazepam (Handelsname Valium) gefordert. Die für einen durchschnittlichen Erwachsenen tödliche Morphindosis liegt bei oraler Aufnahme bei 0,2 g (bis 1,5 g bei Menschen mit einer Toleranz), nach parenteraler Applikation bei 0,1 g. Für Säuglinge können schon zwei bis drei Tropfen Opiumtinktur tödlich sein. Verwandte Substanzen Heroin ist ein Derivat des Morphins: 3,6-Diacetylmorphin. Es wird durch Acetylierung (Art der Umwandlung) aus Morphin gewonnen. Rechtslage in Deutschland Morphin ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner Aufführung in der Anlage 3 BtMG ein verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Der Umgang ohne Erlaubnis oder Verschreibung ist grundsätzlich strafbar. 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