Newsletter-Beitrag too-big-to-tell Erfahrungen aus dem Filmabend „Too Big to Tell“ in der Lokalgruppe München In der Vorbereitungsphase zum Filmabend wurden über die relativ kleine Kartei der Lokalgruppe München pot. Teilnehmer für die Veranstaltung eingeladen. Durch die Unterstützung der (=) Foundation in Hamburg wurden aus dem Adreßbestand des Newsletters die im Raum München befindlichen Personen eingeladen. Insgesamt wurden größenordnungsmäßig ca. 200 Personen angesprochen. Es wurde des Weiteren versucht, durch in München aktive Netzwerke wie z.B. ATTAC-München, Umwelt-Akademie München oder TU-Film München eine Verbreitung der Einladung zu erreichen. Schließlich fanden sich 10 Teilnehmer in dem Filmabend ein. Zur Veranstaltung konnte ein Raum im EineWelthaus München angemietet werden, in dem eine Uförmige Tischanordnung mit Bestuhlung sowie eine Projektionswand zur Verfügung stand. Auf einem Sideboard wurde Begleitmaterial wie Bücher und Flyer für die Teilnehmer zur Verfügung gestellt. Laptop, Beamer, Lautsprecher, Brezen und Getränke hat die Lokalgruppe beigesteuert. Die Lokalgruppe München hat sich zunächst in einer Kurzpräsentation (5 Min.) vorgestellt und vorab auf Merkmale des Films hingewiesen. Der Film selbst ist eine Abfolge von Szenen und Interviews, in die Natur-Impressionen integriert sind. Kleine humoristische Beiträge lockern die teilweise „anspruchsvolle Kost“ auf. Die wesentliche Mitteilung des Films ist die Verzahnung der Wirkmechanik des Finanzsystems mit dem Ökosystem Erde sowie mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Die Wirkmechanik ist getrieben von teilweise stark wachsenden Geldmengen (Schwellgeld) und deren Zwang zu Rendite (Zins + Zinseszins), was teilweise realwirtschaftlichen Wertschöpfungsdruck oder Inflationsdruck erzeugt. Die für den Film selektierten Personen machen in den Interviews durchwegs systemkritische Anmerkungen und dadurch werden starke Impulse zum Nachdenken außerhalb des gängigen Mainstreams gesetzt. Insbesondere der „quasi trivial vorhandene“ Glaube an die Tauschware Geld wird hinterleuchtet, was im Kontext der Griechenland-Debatten und den realen Auswirkungen von z.B. Geldverkehrsrestriktionen eben nicht triviale Realität sein muss. Nach dem Film fand eine Diskussionsrunde statt, deren Ergebnisse sich wie folgt zusammenfassen lassen: 1. Der Film ist einstimmig als zu lang bewertet worden; abends nach einem 8 Stunden Arbeitstag kann die Konzentration nicht für mehr als 60 Minuten aufrecht erhalten werden. 2. Der Film vereint in sich zu viele Themenfelder, die zwar durchaus eine Verknüpfung zueinander haben, aber die Fokussierung auf Kernaussagen verwässern. Die Teilnehmer bekundeten ihr Interesse an so viel knackiger Information pro Zeiteinheit wie möglich und diese Quote wurde im Film als zu niedrig eingeschätzt. 3. Die grundlegende Überparteilichkeit der Global Marshall Plan Initiative ist in dem Film punktuell mißachtet, was insbesondere bei Teilnehmern aus der Politik unangenehm wahrgenommen wurde. 4. Ein erstes Highlight ist der Entstehungsmechanismus von Schwellgeld, das teilweise „aus dem Nichts“ entspringt durch Finanzinstitutionen, die außerhalb der Kontrolle der Zentralbanken aktiv sind. Die Proportion, wonach das 7-fache an Schwellgeld gegenüber dem GesamtSparvolumen in einem Jahr (in weltweitem Rahmen) entstehen kann und dass bis zum 62fachen des Eigenkapitals eines Finanzinstituts an Krediten vergeben werden kann, macht doch etwas nachdenklich. Die Horizonte von Realwirtschaft und Imaginärwirtschaft schwimmen vor dem Auge des Filmbetrachters förmlich weg. 5. Ein zweites Highlight ist der Zusammenhang zwischen Schwellgeld und Wertschöpfungszwang, wobei der Wertschöpfungszwang wiederum auf die Zerstörung des Ökosystems Erde wirken kann, weil Wertschöpfung häufig auf der Ausbeutung bzw. Schädigung der Natur basiert. Nachdem das Schwellgeld-Volumen die max. verträgliche Naturausbeutung um wenigstens 50% übersteigt, entsteht heute eine „Anleihe auf Naturausbeutung“ in der Zukunft und somit auch in den zukünftigen Generationen von Menschen. Bericht-Lokalgruppe München R.F. 03.09.2015 Newsletter-Beitrag too-big-to-tell Die Thesen von „green new deal“ werden zur flirrenden Luftnummer, falls die Wirkmechanik des derzeitigen Finanzsystems unverändert bliebe. 6. Ein dritter Fokus ist das Szenario, das den Global Marshall Plan Aktiven als „Brasilianisierung“ geläufig ist. Es geht um die Akkumulierung von Vermögenswerten in einem sehr kleinen Kreis von Menschen oder Institutionen, während die immense Mehrheit der Menschen sukzessive ärmer wird. Und es geht um die Wirkmechanik des Kreditwesens, wonach bei unveränderter Systematik der Vergangenheit ein Szenario projiziert werden kann, bei dem in 2030 die gesamten 100% der realwirtschaftlichen Wertschöpfung für den Schuldendienst absorbiert würde. Kapitaldienst am globalen BIP % vom BIP 100 80 60 40 20 0 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 Jahre Das Diagramm basiert bis ca. zum Jahr 2007 auf realen Zahlen und wird von dort aus bis zum Erreichen der 100% Marke extrapoliert. Es bliebe somit im Jahr 2030 global nichts mehr für Löhne übrig. Ein Zwang zur Veränderung baut sich also auf. (Man kann einen Rauschgiftsüchtigen nicht durch ständig steigende Mengen an Drogenverabreichung heilen, aber die „Wirtschafts-&Finanz-Ärzte“ befinden sich derzeit auf diesem Therapiekurs.) Der Leitsatz im Film „Arbeit ist das Vermögen der Besitzlosen“ bleibt einem schier im Hals stecken, wenn man daran denkt, dass ca. 3000 Mio. Menschen chronisch unterernährt sind und dass selbst in sog. hochentwickelten Regionen der EU bis zu 50% der jungen Generation keine Arbeit haben. 7. Als deutliches Defizit des Film wurde mehrheitlich von den Teilnehmern kritisiert, dass die Konsequenzen und das mögliche Handeln von Einzelpersonen oder Gesellschaftsgruppen im Film so gut wie nicht aufgezeigt wird. Es wird zwar klar, dass ein „weiter so“ ins Desaster führen kann, aber die Teilnehmer wollen und sollen definitiv nicht mit einem Desaster-Gedanken vom Filmabend nach Hause gehen. Wenigstens ansatzweise konnte die Lokalgruppe München dieser Kritik begegnen, in dem (aufgrund des Lesens des Begleitbuchs „swellmoney & sustainability“) einige Handlungsoptionen ausgeteilt werden konnten. Dieses Handout liegt dem Bericht bei. Hin- und hergerissen zwischen Sachlichkeit und Emotionen, etwas erschöpft aber doch inspiriert schlossen die Teilnehmer und die Aktiven der Lokalgruppe München den Filmabend ab. Es gibt viel zu tun, laß uns damit anfangen ☺. Bericht-Lokalgruppe München R.F. 03.09.2015