Kinder- und jugendlichen­ psycho­ therapeutische Versorgung in Bayern Peter Lehndorfer Bayerische Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten 16. Sitzung des Bayerischen Landesgesundheitsrats 11. Juni 2012 Kinder- und jugendlichenpsycho­ therapeutische Versorgung in Bayern Überblick: 1. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie: Berufsbild und Tätigkeitsspektrum 2. Versorgung und Versorgungsdefizite 3. Verbesserungspotenziale P. Lehndorfer 11.06.2012 2 1. Berufsbild und Tätigkeitsspektrum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in (KJP) PP und KJP seit 1999 gesetzlich geschützte Berufs­ bezeichnung (PsychThG) KJPsychTh-APrV, Staatsprüfung und Approbation KJ-Therapie ist GKV-Leistung Psychotherapeutische Behandlung von psychisch und psychosomatisch erkrankten Kindern, Jugendlichen bis zum 21. Lebensjahr begleitende Gespräche mit den Eltern oder anderen Beziehungsperson(en) KJP – Mitglieder der PTK Bayern: 910 KJP plus 280 „PP plus KJP“ (Doppelapprobation) P. Lehndorfer 11.06.2012 3 1. Berufsbild und Tätigkeitsspektrum Wo arbeiten KJP? niedergelassen in eigener Praxis Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie (stationär/ambulant) Kliniken/Kinderkrankenhäuser – Abteilungen für Psychosomatik und Psychotherapie Beratungsstellen (Erziehungsberatung, Kindernotdienst, Hilfe bei familiären Konflikten, Suchtberatungsstellen u.v.a.) Einrichtungen der Jugendhilfe Gutachtertätigkeit (z.B. § 35 a SGB VIII), Hilfe bei Sorgerechtsfragen, Umgangsregelungen, Fremdunterbringung u.a. P. Lehndorfer 11.06.2012 4 1. Berufsbild und Tätigkeitsspektrum Behandlung psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher Die häufigsten Diagnosen bei Kindern und Jugendlichen (KiGGS/Bella-Studie, 2006): Ängste (10%) Störungen des Sozialverhaltens (7,6%) Depression (5,4%) ADHS (2,2%) P. Lehndorfer 11.06.2012 5 1. Berufsbild und Tätigkeitsspektrum Behandlung psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher Interventionsformen multimodale Diagnostik, Indikationsstellung Richtlinienpsychotherapie (VT, PA, TP) systemische Therapie, Familientherapie, Eltern-Säuglings-Kleinkindtherapien Elternberatung Prävention P. Lehndorfer 11.06.2012 6 1. Berufsbild und Tätigkeitsspektrum Î Evidenz-basierte psychotherapeutische Interventionen zur Behandlung psychischer Störungen auf Basis wissenschaftlich anerkannter Psychotherapieverfahren (Wissenschaftlicher Beirat nach § 11 PsychThG) Î Kooperation mit anderen Heilberufen (multiprofessionelle Ansätze) Î Versorgung durch KJP, Psychologische Psychotherapeuten und ärztliche Psychotherapeuten mit Abrechnungsgenehmigung P. Lehndorfer 11.06.2012 7 2. Versorgung und Versorgungsdefizite Prävalenz Schätzungen der Prävalenz für psychische Probleme gehen weit auseinander: Deutschland: KiGGS: bei rund 15% der Kinder und Jugendlichen manifeste psychische Probleme oder zumindest Anhaltspunkte Metaanalyse v. Barkmann & Schulte-Markwort (2010): 17,6% P. Lehndorfer 11.06.2012 8 2. Versorgung und Versorgungsdefizite Bayern: Esser, 2008: Bei ca. 5% aller Kinder und Jugendlichen dringender Behandlungsbedarf hinsichtlich psychischer Auffälligkeiten Ö demnach ca. 115.000 Kinder und Jugendliche in Bayern mit psychischen Störungen! Techniker Krankenkasse, 2012 (Hochrechnungen aus Patientendaten): ca. 25% der bayerischen Kinder und Jugendlichen leiden an einer psychischen Erkrankung Ö demnach ca. 560.000 Kinder und Jugendliche in Bayern betroffen! Î Prävalenzschätzungen variieren, sind aber alle hoch! JEDOCH … P. Lehndorfer 11.06.2012 9 2. Versorgung und Versorgungsdefizite Versorgungssituation sehr lange Wartezeiten auf einen ambulanten Therapieplatz – z.B. Bayern: Erstgespräch: 9,3 Wochen Therapiebeginn: 19,6 Wochen (nur ländliche Kreise: 23,6 Wochen) (BPtK, 2011) dabei auch sehr große regionale Unterschiede in der Versorgungsdichte (Stadt/Land) – z.B. Bayern: München: 77 Psychotherapeuten (PP und - P. Lehndorfer KJP!) je 100.000 Einwohner Regen: 5 Psychotherapeuten (PP und KJP!) je 100.000 Einwohner (KVB, 2011) 11.06.2012 10 2. Versorgung und Versorgungsdefizite deutschlandweit: pro 100.000 Einwohner 39 Psychotherapeuten in der Stadt vs. 4 Psychotherapeuten auf dem Land (BPtK, 2011) Ö Die regionalen Unterschiede in der psychotherapeutischen Versorgungsdichte sind extrem. Die regionalen Unterschiede in der psychischen Morbidität der Bevölkerung sind aber gering (BPtK, 2011)! „Die Menschen auf dem Land sind nicht 9-mal gesünder als in der Stadt!“ Î Eine ausreichende und flächendeckende Versorgung ist nicht gewährleistet! P. Lehndorfer 11.06.2012 11 P. Lehndorfer 11.06.2012 12 P. Lehndorfer 11.06.2012 13 3. Verbesserungspotenziale Verbesserungsmöglichkeiten in vielen Bereichen Prävention psychischer Erkrankungen (Präventionsgesetz) Identifizierte Risikogruppen: Kinder chronisch kranker Eltern: Kinder psychisch kranker Eltern Kinder krebskranker Eltern Psychotherapeutische Versorgung von Heimkindern (Ulmer Heimkinderstudie), Finanzierung Neue Suchterkrankungen Kindeswohlgefährdung: Kooperation SGB V – SGB VIII Psychotherapieforschung, Leitlinienentwicklung P. Lehndorfer Problem: Ganztagesschule,11.06.2012 G8 14 3. Verbesserungspotenziale neue Versorgungsmodelle (z.B. ADHS-Vertrag – Kooperation beteiligter Berufsgruppen), sozialpsychotherapeutische Vereinbarung für KJP Patientenrechtegesetz bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen: • • • • Einwilligung in Behandlung Sonderfall getrennt lebende Eltern / geschiedene Eltern Einsichtnahme in Patientenakten durch Dritte (Sorgerechtsstreitigkeiten) Schweigepflicht ggü. den Eltern P. Lehndorfer 11.06.2012 15 3. Verbesserungspotenziale und vor allem: Neuordnung der Bedarfsplanung: Neuberechnung der Verhältniszahlen Verlängerung Mindestquote in § 101 Abs. 4 SGB V Regionale Steuerungsgremien Regionale Spielräume nutzen (Landesausschuss, KVB, Zulassungsausschüsse) Novellierung des PsychThG, Ausbildungsreform (Prozess von Bologna und Finanzierung der praktischen Tätigkeit) P. Lehndorfer 11.06.2012 16 Kinder- und jugendlichenpsycho­ therapeutische Versorgung in Bayern Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! P. Lehndorfer 11.06.2012 17