Tiere als Therapeuten? Hunde als Helfer in der Sozialen

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Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Aachen
Diplomarbeit im Fachbereich Sozialwesen
Studiengang: Sozialpädagogik
Tiere als Therapeuten?
Hunde als Helfer in der Sozialen Gruppenarbeit
mit ADHS-Kindern
Vorgelegt von:
Katharina Casper
Algenweg 1
52477 Alsdorf
Erstkorrektor:
Prof. Dr. theol. Rainer Krockauer
Zweitkorrektor:
Dipl.-Päd. Michael Ziemons
Alsdorf, den 02. September 2008
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.............................................................................................................................S. 4
2. ADHS bei Kindern...............................................................................................................S. 7
2.1 Zahlen und Fakten..............................................................................................................S. 7
2.2 Symptome nach DSM IV...................................................................................................S. 9
2.3 Diagnostik..........................................................................................................................S. 13
2.4 Behandlungsansätze..........................................................................................................S. 16
2.4.1 Medikation.....................................................................................................................S. 18
2.4.2 Verhaltenstherapie.........................................................................................................S. 20
2.4.3 Tiergestützte Pädagogik................................................................................................S. 22
3. Tiergestützte Pädagogik.......................................................................................................S. 27
3.1 Definition...........................................................................................................................S. 29
3.1.1 Tiergestützte Aktivität.....................................................................................................S. 29
3.1.2 Tiergestützte Pädagogik..................................................................................................S. 29
3.1.3 Tiergestützte Therapie.....................................................................................................S. 31
3.2 Positive Einflussmöglichkeiten..........................................................................................S. 31
3.3 Negative Effekte.................................................................................................................S. 35
4. Tiergestützte Pädagogik mit Hunden im Kindesalter..........................................................S. 37
4.1 Der geeignete Hund............................................................................................................S. 38
4.2 Positive Aspekte der Kind-Hund-Beziehung......................................................................S.40
4.3 Negative Aspekte der Kind-Hund-Beziehung....................................................................S. 42
4.4 Hunde als (soziale) Unterstützung.....................................................................................S. 43
4.4.1 Direkte Einflüsse.............................................................................................................S. 45
4.4.2 Indirekte Einflüsse..........................................................................................................S. 47
5. Soziale Gruppenarbeit mit Kindern.....................................................................................S. 48
5.1 Vorteile und Grenzen von Gruppenarbeit..........................................................................S. 50
5.2 Funktionen und Zielsetzungen...........................................................................................S. 52
5.3 Soziales Lernen in Gruppen...............................................................................................S. 53
5.4 Das „Entwicklungsstufenmodell“ (Developmental Model)...............................................S. 54
6. Hunde in der Gruppenarbeit mit ADHS Kindern................................................................S. 57
6.1 Einsatzmöglichkeiten.........................................................................................................S. 57
6.1.1 Beschreibung der Einrichtung.........................................................................................S. 58
6.1.2 Teilnehmende Beobachtung............................................................................................S. 62
6.1.3 Ergebnisse.......................................................................................................................S. 64
6.2 Hunde als Helfer oder Therapeuten?..................................................................................S. 70
6.3 Vorteile, die der Hund für die Soziale Arbeit bietet..........................................................S. 72
6.4 Grenzen..............................................................................................................................S. 74
7. Fazit......................................................................................................................................S. 76
8. Literaturverzeichnis..............................................................................................................S. 77
9. Anhang.................................................................................................................................S. 81
1. Einleitung
Bill Watterson1
Tiere sind ein wichtiger Teil meines Lebens, und ich habe sehr viel mit ihnen und von ihnen
gelernt. Für mich ist die Zeit mit meinen Tieren eine Zeit der Beruhigung und Besinnung. Wenn
ich mit meinem Hund spazieren gehe oder mit meinem Pferd ausreite, dann komme ich zu mir.
Sie erinnern mich daran, was ich will und helfen mir, Lösungen zu finden. Nach einem
stressigen Tag finde ich durch sie zur Ruhe. Sie holen mich mit ihrem Verhalten auch aus
schlechten Stimmungen heraus und ich merke, wie ich in ihrer Anwesenheit entspannen und
loslassen kann. Ich fühle mich angenommen und aufgehoben. Gleichzeitig merke ich, wie sie
mir Vertrauen schenken und mich brauchen, und ich weiß, dass ich eine große Verantwortung
für sie trage.
1
S.: www.marcellosendos.ch/comics/ch/1989/04/198904.html (Stand: 26.08.2008)
4
Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mit Hunden interessierte mich, inwieweit dieses
Hilfsmittel ‘Tier’ auch für andere Menschen zugänglich ist. Im Bereich der Tiergestützten
Therapie und Pädagogik mit Pferden habe ich seit Jahren Erfahrung und Wissen gesammelt, und
die Wirksamkeit an vielen Kindern beobachten können. Die Tiergestützte Pädagogik mit
Hunden dagegen war für mich bisher nur theoretisch verfügbar und auch nur in einem geringen
Maße. Obwohl ich des öfteren die Wirkung meines Hundes auf Kinder beobachten konnte, blieb
es für mich zunächst einmal eine Randbeobachtung. Als ich im Rahmen meines Begleitseminars
zu meinem Praxissemester ein Fachreferat halten sollte, entschied ich die Tiergestützte
Pädagogik mit Hunden genauer zu untersuchen. Daraus entwickelte sich dann einige Monate
später die Idee für meine Diplomarbeit.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung hat mein Interesse geweckt, seit ich mit
dieser Störung in Kontakt gekommen bin. Einige Kinder mit denen ich während meiner Praktika
im Therapeutischen Reiten gearbeitet habe, wurden mit dieser Diagnose vorgestellt und ich habe
ihre positive Entwicklung beobachten können. Es wunderte mich immer, dass diese Kinder
angeblich so schwierig sein sollten, weil sie in den Reittherapeutischen Gruppen immer sehr
umgänglich waren und wenig problematisches Verhalten zeigten. Im Therapeutischen Kontext
verhielten sie sich meist umgänglich und ich konnte kaum glauben, dass diese Kinder im
familiären und schulischen Kontext als Problemkinder galten. Dies hat mir im Bereich des
Reitens sehr deutlich gezeigt, dass Pferde nicht nur auf mich diese positiven Wirkungen haben,
sondern auch auf andere Menschen. In dieser Arbeit möchte ich mich daher mit den Hunden als
Helfer in der Gruppenarbeit mit ADHS-Kindern beschäftigen. In dieser Arbeit geht es um das
Alter von 6-10 Jahren, also um Grundschulkinder. In der Zeit des ersten Schulbesuchs tritt die
Aufmerksamkeitsstörung in den häufigsten Fällen sehr deutlich zu Tage.
Zunächst beschäftige ich mich mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, ihrer
Prävalenz, Symptomatik, Diagnostik und verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Darauf
aufbauend werde ich die Tiergestützte Arbeit vorstellen und die unterschiedlichen Bereiche kurz
skizzieren um mich dann mit den positiven wie negativen Einflussmöglichkeiten
auseinanderzusetzen. Danach wird es im Besonderen um die Tiergestützte Pädagogik mit
Hunden im Kindesalter gehen, hierbei befasse ich mich zuerst mit der Frage nach dem
geeigneten Therapiebegleithund, danach gehe ich auf die Wirkungen von Hunden auf Kinder
ein, sowie auf die Frage nach den Unterstützungsmöglichkeiten. Ein weiterer kurzer
5
theoretischer Exkurs folgt um die Grundlagen von Sozialer Gruppenarbeit deutlich zu machen,
ihre Vorteile und Grenzen, sowie ihre Funktion und Zielsetzung darzulegen.
Im letzten Teil versuche ich die zuvor bearbeiteten Teile zusammenzufügen, um dem Anliegen
dieser Diplomarbeit gerecht zu werden. Hierfür werde ich vorab spezielle Einsatzmöglichkeiten
für Hunde als Helfer in der Gruppenarbeit mit ADHS-Kindern darstellen und dann eine
Einrichtung näher beschreiben, in der ich während einer zweitägigen Hospitation die
Möglichkeit hatte, die pädagogische Arbeit mit Hunden in einer Tagesgruppe für
erziehungsschwierige Kinder zu beobachten. Kurz und knapp skizziere ich die Grundlagen der
Teilnehmenden Beobachtung als Forschungsmethode um dann die Ergebnisse meiner
Beobachtung darzulegen.
Die Frage die häufig aufgeworfen wird, ob Hunde als Helfer oder Therapeuten agieren, werde
ich gesondert bearbeiten, ebenso die Vorteile und Grenzen, die sich aus dieser Methode für die
Soziale Arbeit ableiten lassen. Im Anschluss an die Arbeit werde ich in einem Fazit meine
gewonnenen Erkenntnisse darlegen.
Mein Anliegen in dieser Diplomarbeit ist es, das breite Wirkungsspektrum Tiergestützter
Pädagogik mit Hunden darzulegen, die speziellen Einflussmöglichkeiten auf Kinder mit einer
ADHS zu beschreiben und dies auch anhand der Teilnehmenden Beobachtung praktisch
deutlich zu machen.
6
2. ADHS bei Kindern
Das Thema ADHS wird in Deutschland kontrovers diskutiert, das spiegelt sich nicht nur in der
aktuellen Ursachenforschung, sondern auch in den daraus resultierenden Behandlungsansätzen.
Betroffene Kinder und deren Eltern sehen sich vor der Schwierigkeit aus diesem Paket von
Hilfen die jede für sich Allgemeingültigkeit beansprucht, die passende herauszufiltern. In
diesem Kapitel werde ich zuerst darüber schreiben, wo die Ursache für ADHS zu suchen ist und
Angaben zur Häufigkeit machen. Danach gehe ich auf die Symptome ein die mit ADHS
einhergehen und beschreibe verschiedene Behandlungsansätze.
2.1 Zahlen und Fakten
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung (kurz: ADHS) ist keine Modeerscheinung
der heutigen Zeit. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde bereits durch Dr. H. Hoffmann im
“Zappelphilipp” ein Junge beschrieben dessen Verhalten an ADHS erinnert.2 Von ADHS wird
gesprochen wenn neben der verminderten Fähigkeit zur Selbststeuerung das Merkmal der
Hyperaktivität in den Vordergrund rückt. Wenn dieses Merkmal fehlt, spricht man von ADS.
Ich werde im Folgenden von ADHS sprechen.
Die Häufigkeit des Auftretens von ADHS ist abhängig von den Diagnosekriterien und den
wissenschaftlichen Untersuchungen. In der Stellungnahme der Bundesärztekammer werden
mehrere Epidemiologische Untersuchungen zur Prävalenz von ADHS beschrieben.3 Die
Auftretenswahrscheinlichkeit von ADHS liegt nach verschiedenen Studien mit der
Klassifikation des DSM-IV (Schema der American Psychiatric Association) in der Altersgruppe
von 4-17 Jahren bei 2-7 Prozent. Das Klassifikationsschema nach ICD-10 der World Health
Organization (WHO) ergibt aufgrund seiner strenger gefassten Kriterien nur eine Prävalenz von
1-2 Prozent. 4
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schätzt, “dass ca. zwei bis sechs Prozent
aller Kinder und Jugendlichen von ADHS - in unterschiedlichem Schweregrad - betroffen sind,
2
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: adhs - was bedeutet das? S. 5
3
Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 9
4
Ebenda, S. 9
7
Jungen drei- bis neunmal häufiger als Mädchen.”5
Cordula Neuhaus beschreibt in ihrem Buch “ADHS bei Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen”6 das Bild der ADHS welches aufgrund moderner Forschungsmethoden
größtenteils entschlüsselt werden konnte. Dieser Meinung nach “besteht bei ADHS eben nicht
nur eine Aufmerksamkeitsstörung in Form von Ablenkbarkeit und zu geringer Ausdauer bei
Konzentrationsmangel, sondern beinhaltet vor allem, dass die Aufmerksamkeit nur bei subjektiv
positiver emotionaler Vorbewertung einer Sache oder einer Person aktiviert werden kann.
Angesichts einer schwierigen oder subjektiv als langweilig empfundenen Aufgabenstellung
erfolgt schlagartiges ‘Ermüden’.” 7
Grundlegend kann gesagt werden, dass die Ursachen und Entstehungsbedingungen von ADHS
noch nicht vollständig geklärt sind8, dass aber durch die wissenschaftliche Forschung
spezifische Auffälligkeiten bei Menschen mit ADHS festgestellt wurden und somit ein immer
komplexer werdendes Bild über die Störung entsteht. Festgestellt und bestätigt werden konnte
in einigen Tests, “dass bei der ADHS eine spezifische Störung des Dopamin-Systems im
Striatum [Bezeichnung für einen Teil der basalen Stammganglien des Gehirns] vorliegt, die sich
durch Einnahme von Stimulanzien korrigieren lässt.”9
Durch einen Mangel an dem Botenstoff Dopamin entsteht eine Reizoffenheit, die dazu führt,
dass die Kinder wenig Kontrolle über ihren Bewegungsdrang, ihre Gefühle und ihre
Aufmerksamkeit haben. Neurotransmitter, also Botenstoffe wie Dopamin, Katecholamin,
Serotonin etc. ermöglichen den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen. “Dopamin
ist in bestimmten Hirnabschnitten für koordinierte Bewegung, emotionale Steuerung und
5
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: adhs - was bedeutet das? S. 5
6
Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome, Ursachen, Diagnose und
Behandlung.
7
Siehe: Ebenda, S. 14
8
Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 19
9
Siehe: Krause, Klaus-Henning; Dresel, Stefan; Krause, Johanna: Neurobiologie der Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung. In: Psycho 26 (2000) Nr. 4 S. 199-208
8
zielgerichtete Aufmerksamkeit zuständig.”10
Die Bundesärztekammer hat in ihrer Stellungnahme zur Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung11 einige genetische und exogene Risikofaktoren zusammengetragen,
konstatiert aber, dass “das Störungsbild nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen ist,
sondern dass mehrere Komponenten an der Verursachung beteiligt sind.”
2
1
Risikofaktoren sind demnach:
- Genetische Faktoren (Vererbbarkeit von ADHS)
- Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen
- ein erniedrigtes Geburtsgewicht
- Infektionen
- Pränatale Alkohol- und Nikotinexposition
- Schwere Deprivation in der frühen Kindheit
Neben den genetischen Faktoren gibt es verschiedene Einflussfaktoren, die den weiteren Verlauf
und die Schwere der ADHS bestimmen. Hierzu zählt zum einen die Reizüberflutung mit der
Kinder in der Gesellschaft täglich konfrontiert werden, aber auch falsche Erziehung in der es
keine klaren Regeln und keine überschaubare Struktur gibt.
2.2 Symptome nach DSM IV
Das Klassifikationsschema nach DSM-IV unterscheidet drei Subtypen der ADHS:
- der kombinierte Typus (unaufmerksam, überaktiv, impulsiv)
- der vorwiegend unaufmerksame Typus
- der vorwiegend impulsiv-überaktive Typus
Der Kriterienkatalog13 orientiert sich an folgendem Schema:
A. Entweder Punkt (1) oder Punkt (2) müssen zutreffen:
10
Siehe: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): adhs - was bedeutet das? S. 19
11
Ebenda
12
Siehe: Ebenda, S. 19
13
Siehe: Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 7-8
9
A.1 Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome von Unaufmerksamkeit sind während der
letzten sechs Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu
vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß vorhanden gewesen:
Unaufmerksamkeit
(a) beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei
der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten,
(b) hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen
aufrechtzuerhalten,
(c) scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn/sie ansprechen,
(d) führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere
Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen (nicht aufgrund oppositionellen
Verhaltens oder von Verständnisschwierigkeiten),
(e) hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren,
(f) vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit
Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengungen erfordern (wie Mitarbeit im Unterricht
oder Hausaufgaben),
(g) verliert häufig Gegenstände, die er/sie für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt (z.B.
Spielsachen, Hausaufgabenhefte, Stifte, Bücher oder Werkzeug),
(h) lässt sich öfter durch äußere Reize leicht ablenken,
(i) ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich.
A.2 Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome der Hyperaktivität und Impulsivität sind
während der letzten sechs Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes
nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß vorhanden gewesen.
Hyperaktivität
(a) zappelt häufig mit Händen oder Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum,
(b) steht in der Klasse und anderen Situationen, in denen Sitzen bleiben erwartet wird, häufig
auf,
(c) läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei
10
Jugendlichen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt
bleiben),
(d) hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu
beschäftigen,
(e) ist häufig “auf Achse” oder handelt oftmals, als wäre er/sie “getrieben”,
(f) redet häufig übermäßig viel.
Impulsivität
(g) platzt häufig mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist,
(h) kann nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist,
(i) unterbricht und stört andere häufig (platzt z.B. in Gespräche oder Spiele anderer hinein).
B. Einige Symptome der Hyperaktivität, Impulsivität oder Unaufmerksamkeit, die
Beeinträchtigungen verursachen treten bereits vor dem Alter von sieben Jahren auf.
C. Beeinträchtigungen durch diese Symptome zeigen sich in zwei oder mehr Bereichen (z.B. in
der Schule bzw. am Arbeitsplatz oder zu Hause).
D. Es müssen deutliche Hinweise auf klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen der sozialen,
schulischen oder beruflichen Funktionsfähigkeit vorhanden sein.
E. Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer tief greifenden
Entwicklungsstörung, Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung auf und können
auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden.
Cordula Neuhaus beschreibt weitere für ADHS-Kinder typische Symptome:
- Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn (nicht nur für sich, sondern auch für andere)
- Auffallend gutes Aufnahmevermögen und Gedächtnis für subjektiv Interessantes (neugierig,
wissbegierig, leicht zu begeistern)
- Bei Interesse extreme Konzentrationsfähigkeit (Hyperfokussierung)
- Spontane Hilfsbereitschaft, Empathiefähigkeit, Fürsorglichkeit und Einsatzbereitschaft, wenn
die Hilfsbedürftigkeit erkannt wird
- In Notsituationen reaktionsschnell (z.T. ausgeprägt) und auffallend “souverän” in der
Entscheidung/Handlungsorganisation
11
- Hypersensibilität für Stimmungen, Schwingungen, oft auch Gerüche - was eine ausgeprägte
Personenbezogenheit bewirkt - die Chemie stimmt - oder nicht
- Nicht nachtragend (bei ehrlich gemeinten Entschuldigungen)
- Zähigkeit, “Stehaufmännchen”
- Guter Orientierungssinn (wenn keine visuelle Wahrnehmungsschwäche vorliegt)
- Kreativität, Phantasie, Experimentierfreudigkeit
- Oft: schauspielerisches Talent
- Bei Aufregung kein Eintritt von Beruhigung bei verbalen Beschwichtigungsversuchen
- Beim Toben im Kleinkind- und Grundschulalter kein Ende finden können
- Vor allem bei Jungen: mangelhaftes Dosierenkönnen grober Kraft in der graphomotorischen
Umsetzung mit “krakeliger” Schrift, unter Zeitdruck oft unleserlich werdend, mit Fehlerhäufung
zum Schluss
- Unfähigkeit, direkt nach einer Situation flüssig berichten zu können (Abrufschwäche)
- Unfähigkeit zur reif-abgewogenen Entscheidung (spontan oder gar nicht)
- Mangelhaft ausreifende Fähigkeit zur realistischen Selbst- und Eigenleistungseinschätzung
- Deutliche seelische Entwicklungsverzögerung (ca. 30%).14
Aus den unterschiedlichen Symptomen ergeben sich zwangsläufig verschiedene Probleme mit
denen Kinder mit ADHS konfrontiert werden. Durch ihr “Anderssein” ecken sie in vielen
Bereichen der Gesellschaft an. Sie können nicht aus Erfahrung lernen, das bedeutet, sie werden
immer wieder ermahnt, sei es zu Hause, oder später in der Schule, in der ihr Problem meistens
auffällig wird, denn dort tritt ihre mangelnde Aufmerksamkeit besonders hervor. Dieser
Kreislauf der Ermahnungen und negativen Sanktionen setzt sich immer weiter fort, er
beeinträchtigt nicht nur das Selbstwertgefühl der Kinder, das in erheblichem Maße darunter
leidet, sondern er stört auch das Beziehungsverhältnis der Kinder gegenüber ihren Eltern oder
anderen Bezugspersonen. Zusätzlich spielt oftmals Unterforderung eine große Rolle, denn die
Kinder können auf ihre Leistungsfähigkeit aufgrund ihrer Verhaltensauffälligkeiten nicht
jederzeit zurückgreifen. Begleitstörungen wie eine Lese-Rechtschreibschwäche machen es für
Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome,
Ursachen, Diagnose und Behandlung. S. 33-34
14
12
die Kinder unmöglich, aus ihrem vollen Leistungspotenzial zu schöpfen. Denn nicht selten sind
Kinder mit ADHS in einigen Bereichen sehr begabt - nur können sie diese Begabung nicht
umsetzen. Dadurch entsteht Frust für die Kinder, denn sie haben das Potential, wollen dies auch
zeigen, stehen sich aber immer wieder sozusagen selbst im Weg. Dieser Frust entläd sich dann
oftmals in Aggressionen oder Depressionen. Überfüllte Schulklassen und überforderte Lehrer
die wenig bis gar nichts über ADHS wissen und die Schuld für das Fehlverhalten der Kinder bei
der falschen Erziehung der Eltern suchen tun ihr übriges um das Leben mit ADHS unerträglich
zu machen. Dazu kommt das die Kinder es aufgrund ihres Verhaltens oft sehr schwer haben,
eine dauerhafte Freundschaft aufzubauen, andere Kinder wenden sich von ihnen ab, sie nehmen
im Kindergarten und später in der Schule sehr schnell eine Außenseiterposition ein. Dafür
verantwortlich ist neben der Aufmerksamkeitsstörung auch die Impulsivität, die ADHS-Kinder
auszeichnet. ADHS-Kinder haben ein schlechtes Zeitgefühl und können schlecht Vorausplanen
und Arbeiten einteilen, sie haben einen mangelnden Überblick, was sich auch in der
Schwierigkeit bemerkbar macht, sich in Gruppen zu integrieren.15 Impulsivität zeigt sich
mitunter darin, dass ADHS-Kinder sehr “schnell rein emotional, ‘aus dem Bauch heraus’, sofort
bewertend (ohne ausreichendes Abwägen und Differenzieren) und somit polarisierend”16
reagieren. Starke Stimmungsschwankungen und “Schwarz/Weiß”- Sehen kennzeichnen die
Störung.
2.3 Diagnostik
Die Diagnose einer ADHS kann nicht nur mittels eines kurzen Arztbesuches von statten gehen.
Sie “ist ein aufwändiger Prozess, der in der Regel mehrere Sitzungen umfasst. [...] Es wird
empfohlen, eine multitaxiale Diagnostik durchzuführen, die die Störung auf sechs Achsen
abbildet: klinisch-psychiatrisches Syndrom (1. Achse), umschriebene Entwicklungsstörungen (2.
Achse), Intelligenzniveau (3. Achse), körperliche Symptomatik (4. Achse), assoziierte abnorme
psychosoziale Umstände (5. Achse) und globale Beurteilung des psychosozialen
15
Vgl.: Aust-Claus, Elisabeth; Hammer, P.-M.: Das A-D-S-Buch: Auferksamkeits-Defizit-Syndrom - neue
Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer. S.115
16
Siehe: Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome, Ursachen,
Diagnose und Behandlung. S. 47
13
Funktionsniveaus (6. Achse).”17 Da die verschiedenen Symptome einer ADHS vereinzelt bei
jedem Menschen zu bestimmten Lebensabschnitten dazu gehören, bzw. auch im Zusammenhang
mit physischen Erkrankungen wie z.B. Schilddrüsenerkrankungen auftreten können muss
differentialdiagnostisch Punkt für Punkt ausgeschlossen werden, um eine ADHS diagnostizieren
zu können. Hierunter fällt daher z.B. die körperliche Untersuchung,
die neurologische
Untersuchung einschließlich EEG, die Entwicklungsdiagnostik, das Überprüfen der Fein- und
Grobmotorik, die Leistungsdiagnostik mit Entwicklungs- und Intelligenztesten, die
psychologische Diagnostik, das Erkennen von besonderen Fähigkeiten und das Kennenlernen
der Familiendynamik und des sozialen Umfeldes.18
Für diese Art von umfangreicher Diagnose ist es von großer Bedeutung, diese nur von
Fachleuten durchführen zu lassen, die die nötigen neurologischen, entwicklungs- und
psychodynamischen und psychiatrischen Kenntnisse vorweisen können.
Es gibt verschiedene Diagnostische Methoden, die zusammengenommen ein deutliches Bild der
Störung aufzeigen. Die Bundesärztekammer beschreibt in ihrer Stellungnahme zur
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung19 sechs Methoden, die ich hier kurz
zusammenfassend darstellen möchte:
1. Exploration: Wichtig ist hier die umfassende Erforschung der Leitsymptome unter
Einbeziehung der Bezugspersonen und je nach Alter der Patienten selbst. Diagnostische
Interviews, halbstrukturierte Explorationsschemata sowie Diagnose-Checklisten können hier
eingesetzt werden.
2. Fragebogenverfahren: Ergänzend zur Exploration werden standardisierte Fragebögen
eingesetzt, die von Eltern, Erziehern, Lehrern und dem Kind selbst ausgefüllt werden. Sie
können die ADHS-Symptomatik erfassen und hilfreich für die Erkennung komorbider Störungen
sein. Zusätzlich wird dieses Verfahren auch zu der Überprüfung einer Medikamentösen
17
Siehe: Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 11
18
Vgl.: Simchen, Helga: ADS - Unkonzentriert, verträumt, zu langsam und viele Fehler im Diktat; Hilfen für das
hypoaktive Kind. S. 17
19
Vgl.: Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 1418
14
Behandlung durch z.B. Methylphenidat eingesetzt.
3. Testpsychologische Untersuchungen: Sie dienen der Intelligenz-, Leistungs- und
Entwicklungsdiagnostik, können aber ADHS nicht diagnostizieren.
4. Organische Diagnostik: Hiermit ist das Ausschließen körperlicher Erkrankungen gemeint,
aufgrund dessen möglicherweise ähnliche Symptome gezeigt werden.
5. Verhaltensbeobachtung: Wünschenswert wäre eine Verhaltensbeobachtung im Rahmen der
Familie oder in der Schule, eventuell auch durch Videoaufnahmen. Das typische Verhalten
zeigen ADHS-Kinder oft nicht in Untersuchungssituationen.
6. Verlaufskontrolle: Eine ständige Überprüfung des Verlaufs der Störung - auch im
Zusammenhang mit der Wirksamkeit der Behandlung - ist ungemein wichtig und wird neben
Fragebögen für die Eltern und Erzieher auch durch die Dokumentation einer
Gesamtbeurteilungsskala vorgenommen.
Hieran zeigt sich deutlich, wie langwierig die Diagnose einer ADHS ist, wenn sie richtig
durchgeführt wird. Wichtig ist dies vor allem vor dem Hintergrund einer effektiven Behandlung
der ADHS. Aufgrund dessen dass viele Symptome die typisch für eine ADHS sind, auch in
verschiedenen anderen psychischen Erkrankungen ihren Platz haben und es neben einer ADHS
noch diverse Begleitstörungen gibt, ist eine sorgfältig durchgeführte Diagnostik umso wichtiger.
Wie schnell kann ein Kind das infolge einer Posttraumatischen Belastungsstörung ein
unausgeglichenes, hyperaktives Verhalten an den Tag legt als ADHS-Kind missverstanden
werden. Oder das typische Merkmal der gestörten sozialen Interaktion, und eingeengte,
stereotype, sich wiederholende Interessen, welches ebenfalls einen Rückschluss auf den
Asperger-Autismus zulassen kann. Aber genauso gut kann sich ein Kind auch dank einer
strukturlosen, regellosen Erziehung im weiteren sozialen Umfeld nicht zurecht finden und
wegen Überforderung ADHS-ähnliche Symptome aufweisen. In all diesen Fällen wäre dann die
Behandlung eine andere als bei einer gesicherten ADHS-Diagnose.
Cordula Neuhaus hat in einer Tabelle Hilfen zur Identifizierung von ADHS zusammengestellt:
Was maskiert die Symptome von ADHS?
Was verschlechtert die Symptome von
ADHS?
Hohe Strukturierung einer Situation
Unstrukturierte Situationen
15
Neuheitswert einer Situation
Wiederholungen von Bekanntem
Subjektives Interesse
Langeweile
Eine (positive) 1:1 Konstellation
Viel Ablenkung
Viel Kontrolle/Supervision beim Arbeiten
Wenig Aufsicht während selbstbestimmten
oder im sozialen Miteinander
Aktionen oder wenn Daueraufmerksamkeit
gefordert ist
Viel Belohnung, viel positive Rückmeldung
Kein oder wenig Feed-back
Tab.1: Hilfen zur Identifizierung von ADHS20
Diese Tabelle dient nur als Orientierungshilfe, sie kann keine durchdachte Diagnostik ersetzen!
2.4 Behandlungsansätze
Dieser Punkt spaltet gewissermaßen die Fachleute. Es gibt von verschiedenen Ansätzen
unterschiedliche Studien, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Zum einem wäre die Behandlung
durch Stimulanzien zu nennen, sie vermindern Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und
Impuls-Kontrollstörungen. Bis heute wurden verschiedene Studien durchgeführt zum einen über
die Wirksamkeit, zum anderen auch über Nebenwirkungen und die Gefahr der Abhängigkeit, die
von Medikamenten allgemein ausgeht. Laut der Bundesärztekammer belegen zahlreiche Studien
“die signifikante Wirkung von Stimulanzien in der Therapie der Kernsymptome der ADHS”.21
Die Psychoanalytik beansprucht indessen für sich, dass das “was heute als ADHS diagnostiziert
wird, [...] in der Regel eine Sammeldiagnose zu Störungsbildern mit unterschiedlichen
Ursachen”22 ist. Dazu zählen unter anderem prä- und perinatale Schädigungen, Traumata, frühe
Störungen von Objektbeziehungen, Bindungsstörungen und Entwicklungsstörungen durch
20
Siehe: Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome, Ursachen,
Diagnose und Behandlung. S. 112
21
Siehe: Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 25
22
Siehe: Heinemann, Evelyn; Hopf, Hans: AD(H)S - Symptome, Psychodynamik, Fallbeispiele,
Psychoanalytische Theorie und Therapie. S. 18
16
Erziehung.23 Aus diesem Grund ist ihrer Meinung nach eine Behandlung durch Stimulanzien nur
induziert, wenn tatsächlich eine leichte Hirnschädigung vorliegt, die die ADHS auslöst. Sie
kritisieren die zumeist vorschnelle und unstimmige Diagnose einer ADHS.
Wichtig ist natürlich auch, dass ADHS nicht einfach wieder “weg geht” wie eine
Kinderkrankheit. Jede Behandlung zieht darauf ab, die Symptomatik zu verringern, dem Kind
beizubringen, mit der Störung zu leben. Sie “wächst” sich auch nicht aus; auch im Jugendlichenund Erwachsenenalter gibt es ADHS und muss zum Teil ein ganzes Leben behandelt werden.
Wenn es frühzeitig eine Diagnose gibt, und rechtzeitig behandelt wird, zusätzlich wenig
Risikofaktoren bestehen, kann die Prognose für das Kind so aussehen, das es nach einer
gewissen Zeit gelernt hat seine Defizite auszugleichen.
Schwierigkeiten bestehen nicht zuletzt in den Begleitstörungen die oftmals mit einer ADHS
einhergehen. Dadurch gibt es auch nicht die eine Behandlung für ADHS, sondern jedes Kind mit
dieser Diagnose muss individuell betrachtet werden. Die ADHS an sich, aber auch
Begleitstörungen wie Lern- und Teilleistungsstörungen, Depression oder Störung des
Sozialverhaltens müssen ausreichend behandelt werden.
Cordula Neuhaus beschreibt eindringlich die Wichtigkeit von Elternschulungen. Ihrer Meinung
nach sollten Eltern nach der Diagnose ihres Kindes in einer Art Elterntraining den praktischen
Umgang mit ihrem Kind lernen. Dazu zählt nicht nur die reine Wissensvermittlung, sondern sie
sollen auch an praktischen Beispielen einüben, wie sie in bestimmten Situationen mit ihrem
Kind umgehen können, so dass es nicht zu ADHS-typischen Krisensituationen kommt.24
Dagegen stellen der Professor für Neurobiologie Gerald Hüther und Kinderpsychiater Helmut
Bonney die Bedeutung von Prävention dar. Sie schildern eindrücklich die schwierige
Ursachenforschung und widerlegen die Dopamin-Mangel-Theorie als Ursache indem sie auf die
aktuelle Hirnforschung verweisen, die gezeigt hat, dass das Gehirn ein gesamtes Leben formbar
und veränderbar ist, in der Entwicklung sehr viel mehr als bei Erwachsenen. Aus diesem Grund
müssten Studien über Ursachen von ADHS bereits im unausgereiften Zustand des Gehirns
vorgenommen werden, denn in allen durchgeführten Untersuchungen mit älteren Kindern,
23
Vgl.: ebenda
24
Vgl.: Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome, Ursachen,
Diagnose und Behandlung. S. 142-156
17
Jugendlichen und Erwachsenen, ist das Gehirn schon über Jahre hinweg auf eine andere Art
benutzt worden, so dass die Auffälligkeiten die bei den Probanden im Gehirn gemessen wurden
keine Ursache darstellen können, sondern einzig und allein ebenfalls nur Symptome. Und daraus
entwickeln die Autoren ihre These von der frühen Hilfe, denn wenn ihrer Meinung nach das
Gehirn von Beginn an optimale Voraussetzungen zur Entwicklung erhält, und eventuelle
Störungsquellen frühstmöglich ausgeschaltet werden, “kann sich der weitere
Entwicklungsprozeß und damit das Verhalten des Kindes rasch wieder normalisieren.”25
Ich werde im folgenden drei Methoden näher beschreiben die meiner Meinung nach neben dem
Elterntraining und den frühen richtigen Hilfen die wichtigsten und sinnvollsten Behandlungen
bei ADHS sind.
2.4.1 Medikation
Die Behandlung von ADHS durch Stimulanzien ist die verbreiteteste aber auch zugleich
umstrittenste Methode. Kritiker beklagen mangelnde Studien, fahrlässigen Umgang und eine
vorschnelle Vergabe von Medikamenten bei ungenügender Diagnostik. Ihrer Meinung nach
werden Nebenwirkungen zu sehr auf die leichte Schulter genommen und Studien meist zu
einseitig, bzw. von der Pharma-Industrie durchgeführt, die eigene Interessen verfolgt. Nach
Hüther und Bonney hat sich die Verschreibungshäufigkeit von Ritalin innerhalb von zehn Jahren
verdreißigfacht.26 Gründe für diesen enormen Anstieg sind schwierig aufzutreiben, die einen
machen die Gesellschaft verantwortlich, andere die Ärzte, für wieder andere ist es ein
Geldproblem. Wie einfach und billig ist so eine Medikamentöse Behandlung im Gegensatz zu
teuren und langwierigen Verhaltens- oder Psychotherapien?
Vorausgehend sollte gesagt werden, dass eine Behandlung durch Medikamente bei ADHS nur
dann angezeigt ist, wenn eine ausführliche Diagnostik die Störung bestätigt hat. Desweiteren
müssen die Ausprägung der Symptomatik, der Leidensdruck und spezifische Situationen
beachtet werden. So kann es z.B. vorkommen, dass die äußeren Rahmenbedingungen (Schule,
Arbeitsplatz) sich soweit zugespitzt haben, dass es ohne Medikamente nicht mehr geht, so
25
Siehe: Hüther, Gerald; Bonney, Helmut: Neues vom Zappelphilipp - ADS: verstehen, vorbeugen und
behandeln. S. 144
26
Vgl.: Ebenda, S. 13
18
könnte der Schulausschluss drohen oder die Kündigung des Arbeitsplatzes.27 Auch kann in
vielen Fällen die therapeutische Hilfe ohne die Medikation nicht funktionieren oder sie bringt
nicht den gewünschten Erfolg, weswegen die Therapie durch Stimulanzien oft mit einer
Verhaltenstherapie einhergeht.
Die Bundesärztekammer empfiehlt eine medikamentöse Therapie bei Kindern ab dem sechsten
Lebensjahr, allerdings muss eine sehr stark ausgeprägte Symptomatik vorliegen, “die zu einer
erheblichen Beeinträchtigung des Kindes und seines Umfeldes beiträgt. [...] Bei Kindern, die
weniger stark von der ADHS-Problematik betroffen sind, sollten primär psychosoziale
Maßnahmen einschließlich verhaltenstherapeutischer Verfahren durchgeführt werden. Erweisen
sich diese nicht als erfolgreich, dann kann auch in solchen Fällen ergänzend eine medikamentöse
Therapie notwendig werden.”28
Nach Prof. Dr. Manfred Döpfner verhilft die Medikamentöse Behandlung durch Stimulanzien
bei mindestens 70 % der mit ADHS diagnostizierten Kinder “zu einer deutlichen Verminderung
dieser Auffälligkeiten [Anm.: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität].29
Mit der Verschreibung von Psychostimulanzien ist es dann aber nicht einfach getan, das Kind
muss auf eine passende Dosierung eingestellt werden und die muss zu Anfang daraufhin
überprüft werden, ob sich eine Wirkung einstellt, und später immer wieder kontrolliert werden,
ob sie in dem Umfang noch nötig ist. Hier werden nicht nur die Eltern herangezogen, sondern
auch ErzieherInnen und LehrerInnen, die mit Hilfe von Verhaltensbeobachtungsbögen
überprüfen sollen, ob und wie das Kind mit der Medikation zurecht kommt.
Methylphenidat (Ritalin, Medikinet, Equasym oder Concerta) wirkt regulierend auf die
Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin und verbessert so die Selbststeuerung. Daneben wurde
ein neues Medikament mit einer anderen Wirkweise entwickelt, bei dem die Wirkung erst nach
drei bis sechs Wochen eintritt, welches aber nicht auf einem besonderen Rezept verordnet
werden muss. Es handelt sich um das Atomoxetin (Strattera), es wirkt regulierend auf den
27
Vgl.: Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome, Ursachen,
Diagnose und Behandlung. S. 164
28
S. Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 69
29
S. Döpfner, Manfred; Frölich, Jan; W olf Metternich, Tanja: Ratgeber ADHS - Informationen für Betroffene,
Eltern, Lehrer und Erzieher zu Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörungen. S. 39
19
Botenstoff Noradrenalin und indirekt auch auf Dopamin.30
In der Diskussion um ADHS und ihre Behandlungsmöglichkeiten werden als ein Hauptargument
gegen die Medikamentöse Therapie oft die Nebenwirkungen gebraucht. Die häufigsten
Nebenwirkungen sind laut der Bundesärztekammer die Minderung des Appetits und
Schlafstörungen. “Es kann aber auch zu leichtem Kopfweh, Bauchweh, einer unbedeutenden
Erhöhung des Blutdrucks und der Herzfrequenz sowie seltenen anderen Nebenwirkungen
kommen. In der Regel gehen die unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Verlauf von
wenigen Wochen auf ein geringes und gut tolerierbares Maß zurück.”31
Wichtig ist bei der Medikamentösen Behandlung der ADHS das die richtige, passende
Dosierung gefunden wird. Jedes Kind braucht eine individuelle Dosierung des passenden
Medikamentes und die sollte nicht leichtfertig nach einer kurzen Diagnose vergeben werden,
sondern sollte nach einer umfassenden Diagnose in Absprache mit den Eltern und
aufgeschlossenen Lehrern gefunden werden.
2.4.2 Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie ist das Mittel der Wahl bei ADHS. Das betroffene Kind kann in einer
guten Verhaltenstherapie lernen, mit seiner Störung zurecht zu kommen. Die Verhaltenstherapie
ist ein Teil der Psychotherapie und geht davon aus, dass problematisches Verhalten ein Ergebnis
von Lernprozessen ist und durch die Verwendung von Verhaltens- und Lernprinzipien
beeinflusst werden kann. Neben der Verhaltenstherapie mit dem ADHS-Kind selber ist es aber
ebenso wichtig, die Eltern verhaltenstherapeutisch zu unterstützen in sogenannten ElternTrainings. Dort lernen sie den richtigen Umgang mit ihrem Kind, so dass Negativ-Kreisläufe
unterbrochen bzw. nicht mehr entstehen können und ein stressfreierer, positiverer Umgang
miteinander entstehen kann. Denn für ADHS-Kinder ist es besonders notwendig dass sie
Anerkennung bekommen, positives Feedback erhalten, klare Regeln und Strukturen erfahren,
Grenzen gesetzt bekommen die eingehalten werden müssen und Unterstützung empfangen.
Hierfür sind verschiedene Konzepte entwickelt worden, die sich speziell mit dieser Problematik
30
Vgl.: Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome, Ursachen,
Diagnose und Behandlung. S. 171
31
S. Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) - Stellungnahme
herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des W issenschaftlichen Beirats. S. 70
20
auseinander setzen. Zum Einen gibt es in diversen Fachbüchern Anleitungen für Checklisten und
Wochenplaner die ein besseres Zeitmanagement ermöglichen und Struktur in den Alltag bringen
sollen. Zum Anderen werden unterschiedliche verhaltenstherapeutische Programme angeboten
die in mehreren Schritten eine Verhaltensänderung bzw. -besserung bewirken sollen. Da wäre
zum Beispiel das THOP-Programm von Döpfner, Schürmann und Frölich zu nennen, das zur
Behandlung von Kindern mit hyperkinetischen oder oppositionellen Verhaltensauffälligkeiten
zwischen drei und zwölf Jahren geeignet ist. Dieses Programm beschäftigt sich mit den
Verhaltensproblemen des Kindes in der Familie und im Kindergarten oder der Schule. Die
Eltern entwickeln gemeinsam mit dem Kind Interventionen in der Familie und mit
Erziehern/Lehrern in der Schule/im Kindergarten.
Daneben haben Dr. Med. Elisabeth Aus-Claus und Petra-Marina Hammer das OptiMindKonzept entwickelt, ein Trainings-Programm das neben dem ADHS-Kind alle wichtigen
Bezugspersonen in den Blick nimmt, in speziellen Trainings-Einheiten schult und als Grundidee
das Team-Konzept hat, das heißt, das es eine strukturierte Aufgabenverteilung für die
Bezugspersonen des ADHS-Kindes im Team gibt.32
Der Amerikanische Professor für Psychiatrie und Neurologie Russell A. Barkley hat in seinem
ADHS-Handbuch für Eltern ein Acht-Schritte-Programm 3 3 zur Überwindung von
Verhaltensproblemen entwickelt. Zur Übersicht ein kurzer Überblick:
Schritt 1: Geben Sie Ihrem Kind positive Zuwendung.
Schritt 2: Setzen Sie Aufmerksamkeit gezielt ein.
Schritt 3: Geben Sie effektivere Anweisungen.
Schritt 4: Bringen Sie ihrem Kind bei, Sie nicht bei Ihren Aktivitäten zu stören.
Schritt 5: Führen Sie ein Belohnungssystem ein.
Schritt 6: Bestrafen Sie konstruktiv.
Schritt 7: Dehnen Sie den Einsatz von Auszeiten aus.
Schritt 8: Lernen Sie einen effektiven Umgang mit Ihrem Kind in der Öffentlichkeit.
32
Vgl.: Aust-Claus, Elisabeth; Hammer, P.-M.: Das A-D-S-Buch: Auferksamkeits-Defizit-Syndrom - neue
Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer; neu: das OptiMind- Konzept für Eltern, Lehrer,
Therapeuten. S. 7
33
S. Barkley, Russel A.: Das große ADHS-Handbuch für Eltern. Verantwortung übernehmen für Kinder mit
Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität. S. 254
21
In all diesen Programmen werden die Eltern stark gefordert ihr Verhalten gegenüber ihrem Kind
zu verändern. Dadurch werden die Rahmenbedingungen für das ADHS-Kind klarer und
eindeutiger. Zusätzlich ist aber eventuell auch eine Verhaltenstherapie für das Kind sinnvoll und
wichtig, um alte Muster und Strukturen zu durchbrechen. Diese sollte sich allerdings mit den
individuellen Problemen des Kindes befassen. Wenn zum Beispiel Lernprobleme bestehen,
muss mit dem Kind daran gearbeitet werden, bessere und effektivere Strategien für das Lernen
zu entwickeln. Liegen Soziale Probleme vor, kann in der Verhaltenstherapie auch daran
gearbeitet werden die soziale Kompetenz zu verbessern, das heißt ein besserer Umgang mit
Ärger und Frustration und Akzeptanz von Autoritätspersonen kann erlernt werden.
Cordula Neuhaus spricht von der Auseinandersetzung mit dem eigenen Wahrnehmungsstil als
dem wichtigsten störungsspezifischen Therapiebaustein. “In der konkreten Situation,
sinnvollerweise in einer Gruppentherapie, muss daneben die Reaktionsverzögerung mit Willen
und Verstand kompensierend eingeübt werden,...”34 die Impulsivität der Kinder mit ADHS ist in
einem sozialen Miteinander oft störend und verhindert dieses in vielen Fällen. Für Neuhaus
spielt nicht nur in dem Bereich die Gruppentherapie eine große Rolle. “Gruppentherapien, vor
allem unter verhaltenstherapeutischen Prämissen, sind wesentlich sinnvoller, werden aber noch
zu wenig angeboten. Kommen noch z.B. Lernstörungen dazu, erweist sich ein solcher Ansatz in
einer kleinen Gruppe als messbar förderlich.”35 Gruppen sind ein deutliches und eindringliches
Lernfeld für Soziales Lernen, sofern der Gruppenleiter sein Handwerk versteht.
2.4.3 Tiergestützte Pädagogik
Zur Wirksamkeit von Tiergestützter Pädagogik bei ADHS gibt es so gut wie keine Studien. In
der Fachliteratur gibt es ebenfalls wenig Informationen zu der Thematik, allerdings gibt es
grundsätzliche Studien zu der spezifischen Wirkweise von Tieren auf Kindern, die sich auf
ADHS-Kinder übertragen lassen, und dadurch deutlich machen das Tiere die ADHSProblematik verringern können. Die Psychologin und Pädagogin Monika A. Vernooij hat
34
S.: Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome, Ursachen, Diagnose
und Behandlung. S. 159
35
S.: Ebenda. S. 158
22
zusammen mit Silke Schneider ein Handbuch zur Tiergestützten Intervention36 herausgebracht
in dem sie die Wirkungseffekte Tiergestützter Interventionen in drei Bereichen anhand von
durchgeführten Studien zusammengetragen haben.
1. Wirkungen/Effekte im biologisch-physischen Bereich
Autor/Jahr
Wirkungseffekte
- Katcher (1980, 1981)
- cardiovasculäre Veränderungen, z.B. blutdrucksenkende
- Friedmann et al. (1983) Wirkung (bei Streicheln des Tieres)
- Baun et al. (1984)
- Kreislaufstabilisierung
- Stressreduzierung, d.h. Regulierung der Nebennierenfunktion
(Adrenalinreduktion)
- Katcher (1980)
- Gesundheitsfunktionen von Tieren:
1. Gefährtenschaft (Einsamkeitsreduzierung)
2. Pflegeobjekt (Aktivität, Gebrauchtwerden)
3. Kontakt-/ Berührungsobjekt
4. Bewegungsmotor (regelmäßiger Auslauf)
5. Emotions- und Aufmerksamkeitsobjekt ->
Lebensaspekt/Lebensinhalt
6. Sicherheitsgarant (z.B. Wachhund)
Tab.2: Beobachtungs-/ Untersuchungsergebnisse bezogen auf Wirkeffekte im biologischphysischen Bereich37
2. Wirkungen/Effekte im sozialen und emotionalen Bereich
Autor/Jahr
Wirkungseffekte
36
Vgl.: Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention - Grundlagen,
Konzepte, Praxisfelder.
37
S. Ebenda. S. 140
23
- Levinson (1962, 1968,
- Katalysatorfunktion für zwischenmenschliche
1969, 1972, 1975)
Kommunikation und Interaktion (“Dreiecksbeziehung”)
- Corson/Corson (1975,
- Übertragungsfunktion (Hilfe bei der Konfliktbearbeitung)
1977, 1979)
- Brückenfunktion (Kontaktanbahner) insbesondere bei
- Salmon/Salmon (1982)
kontaktgestörten und isolierten Personen
- Emotional ansprechende Wirkung -> positiv atmosphärische
Wirkung
- Lee (1978)
Therapieprogramm für “geistig abnorme Rechtsbrecher”:
- Verringerung gewalttätiger Vorfälle gegenüber Mitmenschen
(Patienten, Pflegepersonal)
- Reduzierung der Suizidgefährdung -> Abnahme der
Suizidversuche
- Abnahme der Medikationsintensität (verringerte Dosen,
Entfall von Sedativa)
- Mugford/M’Cominsky
- Verbesserung der psychischen Befindlichkeit
(1975)
- soziale Katalysatorfunktion
- Robb (1983)
- Stimmungsverbesserung
- Odendaal (2000)
- Verbesserung des allgemeinen emotionalen und sozialen
Wohlbefindens
- McCulloch (1981)
- Überwindung von Einsamkeit und sozialer Isolation
- Hendy (1983)
- Anregungsfunktion für Humor, Freude, Spiel im Leben
- Lukina (1999)
- kurzfristig, d.h. nicht nachhaltige Erhöhung der sozial-
- Breitenbach et al.
emotionalen Kompetenz bei Kindern mit unterschiedlichen
(2006)
Behinderungen (Autismus, geistige Behinderung,
Körperbehinderung)
Tab.3: Beobachtungs-/ Untersuchungsergebnisse bezogen auf Wirkeffekte im sozialen und
emotionalen Bereich38
38
S.: Ebenda. S. 141
24
3. Wirkungen/Effekte im Bereich der Kognition und der Sprache
Autor/Jahr
Wirkungseffekte
- Hendy (1984)
- Erhöhung des Interesses an der Umwelt
- Limond et al. (1997)
- Steigerung bzw. Erhöhung der Aufmerksamkeit (-spanne) im
Zusammenhang mit dem unmittelbaren Umfeld
- Smith (1984)
- Erhöhung der Interaktionsbereitschaft mit anderen Lebewesen
- Nathanson (1989,
(Erhöhung der Kontaktversuche)
1998)
- Erleichterung der Kontaktaufnahme und der
- Kupper-Heilmann
Kommunikationssituation durch das Tier
(1998)
- Verbesserung der verbalen Kommunikationsfähigkeit
- Kohn/Oerter (2004)
- Breitenbach et al.
(2006)
Tab.4: Beobachtungs-/ Untersuchungsergebnisse bezogen auf Wirkeffekte im kognitiven und
sprachlichen Bereich39
Vernooij macht allerdings deutlich, “dass es in den Studien häufig nicht um den
wissenschaftlich exakten Nachweis bestimmter Wirkungen geht, sondern dass es sich um
generalisierte Beobachtungen handelt,...”40 Zudem mahnt sie an, “dass es dringend
wissenschaftlich fundierter Interventions-Begleituntersuchungen bedarf, um die zweifellos
gerade in diesem Bereich möglichen Einwirkungseffekte wissenschaftlich zu untermauern,...”41
Anke Prothmann geht ein Stück weiter und beschreibt ein Programm, das von zwei
Heilpädagoginnen mit einem Hund in einer Kindergruppe mit fünf- bis siebenjährigen ADHSKindern durchgeführt wurde. Die Beobachtungen bezüglich der Wirkungen des Hundes auf die
Kinder wurden dokumentiert und ebenfalls tabellarisch dargestellt:
39
S.: Ebenda. S. 142
40
S.: Ebenda. S. 140
41
S.: Ebenda. S. 142
25
Wirkungsebene
Wirkungsspektrum
Ich-Entwicklung
Differenzierung zwischen Ich und anderem Individuum
Sozioemotionale
Rücksichtnahme, Körpersprache lesen und verstehen
Kompetenz
Antriebsniveau
Fokussieren und Aufmerksamkeit richten
Taktil-kinästhetische
Wahrnehmung verschiedener sensorischer Qualitäten
Erfahrungen
Sprachkompetenz
regt sprachlichen Austausch an ohne zu bewerten und “straft”
somit nicht den Leistungswillen, wenn Kinder etwas falsch
sprechen
Beobachtungsgabe
Wahrnehmen und Interpretieren nonverbaler Signale
Selbstbewusstsein
Erleben von Selbstwirksamkeit
Beziehungsfähigkeit
Wo ist der Hund? Was macht er? Wie geht es ihm?
Beziehung zum Tier
Erleben des Hundes als echten Kompagnon, als Vertrauten
Umgang mit Angst,
Überwinden von Angst, Aufbau von Selbstachtung und Stolz
Selbstvertrauen und Stolz
über gelungene Leistungen
Umgang mit Grenzen,
Beobachten von Abgrenzung, Akzeptieren von Grenzen,
Nähe und Distanz
Aufbau eigener Grenzen und damit eines wirksamen Schutzes
Tab.5: Wirkungen eines Hundes auf Kinder mit ADHS42
Auf die besonderen Einflussmöglichkeiten von Tieren auf Menschen gehe ich in einem
gesonderten Kapitel näher ein (s. 3.3.2) und werde wichtige Punkte gesondert beschreiben.
Wichtig ist zu betonen, dass Tiergestützte Pädagogik in keinem Fall die beiden zuvor
beschriebenen Therapien ersetzen kann. Sie kann ergänzend eingesetzt werden, oder es kann
tiergestützte Verhaltenstherapie durchgeführt werden. Auf die Unterschiede gehe ich ebenfalls
im nun folgenden Kapitel genauer ein.
Zudem ist ebenso nötig die Tiergestützte Pädagogik genau zu untersuchen. In vielen Fällen
entsteht aus gutem Grund heftige Kritik, da sich die meisten Studien die sich mit den
42
S.: Prothmann, Anke: Tiergestützte Kinderpsychotherapie. S. 206
26
Wirkweisen von Tieren auf Menschen beschäftigen häufig nur auf Beobachtungen stützten. Auf
diese Kritik werde ich auch im nächsten Kapitel ausführlicher eingehen.
3. Tiergestützte Pädagogik
Tiere spielen seit jeher eine Rolle im Leben des Menschen. Sei es als Nahrungsmittellieferant,
Arbeitshilfe oder Gefährte, die Mensch-Tier-Beziehungen sind sehr alt und vielfältig. Das Tier
als Hilfe im therapeutischen oder pädagogischen Prozess einzusetzen ergab sich mehr durch
einen Zufall. Der amerikanische Kindertherapeut Boris Levinson berichtete 1969 von seiner
Entdeckung die er zufällig während einer Therapiesitzung machte. Ein Kind das sich nach
mehreren erfolglosen Therapieversuchen unterschiedlicher Therapeuten mit seinen Eltern bei
ihm vorstellte kam eine Stunde zu früh zu dem vereinbarten Termin. Levinson arbeitete an
seinem Schreibtisch und hatte seinen Hund zu seinen Füßen liegen, den er während den
Therapiesitzungen im Normalfall immer wegsperrte. Nun empfing er die Familie ohne den Hund
zuvor in einen anderen Raum zu bringen, und der Hund begrüßte das Kind stürmisch. “Levinson
nahm den Fall daraufhin an und setzte den Hund konsequent ein, um das Vertrauen des Kindes
zu gewinnen und - über das Tier - zu einer präzisen Diagnose zu kommen und einen
angemessenen Heilungsplan zu entwickeln. Zunächst spielte das Kind einige Sitzungen lang mit
dem Hund. Allmählich übertrug der Junge seine Zuneigung die er gegenüber dem Hund hatte
auf dessen Herrn und ließ Levinson mitspielen. Nach und nach gewann Levinson immer mehr
Einfluss auf den Jungen, und schließlich wurde das Kind, das sich zuvor so vielen
Behandlungsversuchen widersetzt hatte, für konventionelle therapeutische Maßnahmen
zugänglich. Das Kind wurde geheilt, entgegen allen Prognosen.”43 Aufgrund dieser Beobachtung
begann Levinson, seinen Hund systematisch in den therapeutischen Prozess mit einzubeziehen
und hielt seine Erfahrungen in mehreren Schriften fest. Er legte somit den Grundstein für jede
weitere Tiergestützte Arbeit, denn daraufhin folgten im amerikanischen Raum verschiedene
wissenschaftliche Untersuchungen und Studien. In Deutschland hingegen wurde der
Tiergestützten Arbeit wenig Interesse entgegen gebracht. Einzig dem Therapeutischen Reiten
wurde schon sehr früh viel Aufmerksamkeit geschenkt so dass Deutschland in diesem Bereich
43
S. Greiffenhagen, Sylvia; Buck-W erner, Oliver N.: Tiere als Therapie - Neue W ege in Erziehung und Heilung.
S. 161-162
27
der Tiergestützten Arbeit eine Vorreiter-Funktion erfüllt.
Tiere im Alltag sind für viele Menschen Normalität. In Deutschland werden gegenwärtig etwa
22,2 Millionen Heimtiere gehalten, davon 6,9 Millionen Katzen und 4,7 Millionen Hunde.44 Seit
einigen Jahren erfahren die Tiere immer mehr Aufmerksamkeit in so genannten
Tierbesuchsdiensten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Einsamkeit, Isolation, und
Freudlosigkeit in deutschen Altenheimen zu verringern. Oder in Schulen und Kindergärten den
Kindern aus der Stadt die Tiere wieder näher zu bringen und ihnen die Angst vor ihnen zu
nehmen. Aber auch in manchen Krankenhäusern wird inzwischen der Tierbesuchsdienst
angeboten. Die Tiergestützte Therapie wird in verschiedenen Fachbüchern diskutiert und
vermehrt eingesetzt, allerdings wird oftmals die fehlende wissenschaftliche Untersuchung
gerügt, die sich bisweilen leider doch zumeist nur auf Beobachtungen stützt.
Der Tiergestützten Pädagogik ergeht es ähnlich wie der Tiergestützten Therapie. Beobachtungen
unterschiedlicher pädagogischer Berufsgruppen bescheinigen den Tieren positive Wirkungen auf
ihre Klienten, doch wissenschaftlich belegt werden kann es häufig nicht. Aufgrund dieses
Mangels wurden verschiedene Forschungsgruppen ins Leben gerufen, die zu diesem Zweck
forschen. Zum Einen wäre das wissenschaftliche Projekt an der Universität zu Köln: TiPi (Tiere
in Pädagogik integrieren) zu nennen, das die Auswirkungen des pädagogischen Einsatzes von
Tieren untersucht.45 Zum Anderen forscht Dr. Anke Prothmann an der TU in München ebenfalls
zu unterschiedlichen fachlichen Themen im Bereich der Tiergestützten Therapie.46
Im Bereich der Sozialen Arbeit wird die Tiergestützte Arbeit auch mit einem kritischen Auge
betrachtet. Lotte Rose beschäftigt sich in einem Artikel der in der Zeitschrift für Sozialarbeit,
Sozialpädagogik und Sozialpolitik “Neue Praxis” erschienen ist mit dem Versuch einer
kritischen Thematisierung.47 Sie bemängelt neben dem Fehlen der fundierten wissenschaftlichen
Forschung auch die Zurückhaltung der Sozialen Arbeit sich in dem Feld zu positionieren, so wie
es zum Beispiel verwandte Berufsgruppen wie die Heilpädagogik, die Ergotherapie und die
44
Vgl.: W eber, Christian: Liebe, Treue, Hundekuchen. In: Focus Nr. 49 (2003)
45
S.: www.tipi-koeln.de (Stand: 29.Juli 2008)
46
S.: www.tiere-als-therapie.de (Stand: 31.Juli 2008)
47
S.: Rose, Lotte: Tiere und Soziale Arbeit - Versuch einer kritischen Thematisierung. In: Neue Praxis Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolititk Nr. 2 (2006) S. 208-224
28
Psychotherapie tun.
Im Folgenden werde ich zuerst auf die verschiedenen Bereiche eingehen die unter dem Begriff
Tiergestützte Arbeit zusammengefasst sind und werde diese kurz näher erläutern. Dann werde
ich den positiven Einfluss den Tiere auf Menschen im Allgemeinen haben skizzieren und zum
Schluss auf die negativen Effekte eingehen.
3.1 Definitionen
Das Handbuch der Tiergestützten Intervention unterscheidet im deutschsprachigen Raum
zwischen drei Bereichen:
3.1.1 Tiergestützte Aktivität
Darunter versteht man Interventionen im Zusammenhang mit Tieren, “welche die Möglichkeit
bieten, erzieherische, rehabilitative und soziale Prozesse zu unterstützen und das Wohlbefinden
von Menschen zu verbessern. Sie werden durchgeführt von mehr oder weniger ausgebildeten
Personen unter Einbezug eines Tieres, welches für den Einsatz geeignet sein sollte, das heißt,
welches spezifische Merkmale aufweisen sollte. (Der Einsatz eines aggressiven Hundes im
Krankenhaus beispielsweise entspräche dieser Definition eher nicht). Ziel der Tiergestützten
Aktivität ist die Allgemeine Verbesserung des Wohlbefindens.”48 Unter die Tiergestützte
Aktivität fallen zum Beispiel Besuchsdienste, die ehrenamtlich ausgeführt werden. Menschen
besuchen mit ihren eigenen - nicht speziell dafür ausgebildeten aber auf Wesensfestigkeit
getesteten - Hunden alte Menschen die in einem Altenheim leben, Kinder im Kindergarten oder
in der Schule. Es handelt sich in Abgrenzung zu den anderen Bereichen um sporadische
Aktivitäten die nicht dokumentiert werden und von Laien ausgeführt werden können. Häufig
werden auf Freiwilligenbasis Schulungen oder Seminare angeboten.
3.1.2. Tiergestützte Pädagogik
“Unter Tiergestützter Pädagogik werden Interventionen im Zusammenhang mit Tieren
subsumiert, welche auf der Basis konkreter, klienten-/ kindorientierter Zielvorgaben
48
S.: Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention - Grundlagen, Konzepte,
Praxisfelder. S. 34
29
Lernprozesse initiieren, durch die schwerpunktmäßig die emotionale und die soziale Kompetenz
des Kindes verbessert werden soll. Sie werden durchgeführt von Experten im pädagogischsonderpädagogischen Bereich (z.B: Lehrpersonal) unter Einbezug eines Tieres, welches für den
Einsatz spezifisch trainiert wurde. Ziel der Tiergestützten Pädagogik ist die Initiierung und
Unterstützung von sozial-emotionalen Lernprozessen, das heißt Ziel ist der Lernfortschritt in
diesen Bereichen.”49 Im Unterschied zu der Tiergestützten Aktivität sind die Durchführenden
pädagogisch qualifiziert und für den Einsatz des Tieres “muss ein genauer (Lehr-) Plan mit
konkreten Zielvorgaben bezogen auf angestrebte Lerneffekte ausgearbeitet werden. Dabei sind
die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen und möglichst in die
Planung mit einzubeziehen.”50 Vernooij beschreibt neben der Tiergestützten Pädagogik die
Tiergestützte Förderung, die meiner Meinung nach aber dem Bereich der Pädagogik zuzuordnen
wäre. Aus diesem Grund werde ich sie unter dem Aspekt kurz erläutern: “Unter Tiergestützter
Förderung sind Interventionen im Zusammenhang mit Tieren zu verstehen, welche auf der Basis
eines (individuellen) Förderplans vorhandene Ressourcen des Kindes stärken und unzulänglich
ausgebildete Fähigkeiten verbessern sollen. Sie werden durchgeführt von unterschiedlich
qualifizierten Experten im pädagogisch-sonderpädagogischen Bereich (Lehrer, Sozialpädagogen,
Sprachheil- und Physiotherapeuten etc.) unter Einbezug eines Tieres, welches für den Einsatz
trainiert wurde. Ziel der Tiergestützten Förderung ist die Unterstützung von
Entwicklungsfortschritten.”51 Vernooij begründet die Abgrenzung dieser beiden Bereiche unter
dem Aspekt, dass es in der Tiergestützten Pädagogik insbesondere um die emotionale bzw.
soziale Intelligenz geht. Sie vertritt die Annahme, dass Tiergestützte Pädagogik Kinder
unterstützen kann und soll, diese emotionale Kompetenz auszubilden und zu festigen.
Emotionale Kompetenz bedeutet zum Beispiel die Fähigkeit “sich selbst zu motivieren und auch
bei Enttäuschungen nicht aufzugeben, Impulse zu unterdrücken und Belohnungen
hinauszuschieben, eigene Stimmungen zu regulieren und angemessen zu handhaben oder
49
S.: Ebenda: S. 41
50
S. Ebenda: S. 41
51
S. Ebenda: S. 37
30
Empathie empfinden zu können.”52
3.1.3. Tiergestützte Therapie
Dieser Begriff wird am häufigsten gebraucht, obwohl oft nicht therapeutisch mit Tieren
gearbeitet wird, sondern pädagogisch. Die Abgrenzung der Begriffe untereinander in der
Gesellschaft ist in vielen Fällen schwierig, da sie erstens schwer zu trennen sind, sich zweitens
der Begriff Tiergestützte Therapie anstelle des Allgemeinbegriffs Tiergestützte
Arbeit/Intervention etabliert hat und drittens die Begrifflichkeiten allgemein noch keine
endgültige Klärung erhalten haben.
Vernooij bietet folgende Definition an: “Unter Tiergestützter Therapie werden zielgerichtete
Interventionen im Zusammenhang mit Tieren subsumiert, welche auf der Basis einer
sorgfältigen Situations- und Problemanalyse sowohl das Therapieziel als auch den Therapieplan
unter Einbezug eines Tieres festlegen. Sie sind auf eine gezielte Einwirkung auf bestimmte
Leistungs- und/oder Persönlichkeitsbereiche, oder auf die umfassende Be- und Verarbeitung von
konfliktreichem Erleben ausgerichtet. Sie werden von therapeutisch qualifizierten Personen, die
je nach Therapiekonzept das spezifisch trainierte Tier als integralen Bestandteil in die
Behandlung einbeziehen. Ziel der Tiergestützten Therapie ist die Verhalten-, Erlebnis- und
Konfliktbearbeitung zur Stärkung und Verbesserung der Lebensgestaltungskompetenz.”53
Die Tiergestützte Therapie ist ein Sammelbegriff für alle Arten von Therapien die mit Tieren
durchgeführt werden. Darunter sind zum Beispiel die Psychotherapie, Ergotherapie,
Physiotherapie etc. Die in Deutschland bekannteste Tiergestützte Therapie ist meines Erachtens
die Reittherapie und auf der Physiotherapeutischen Basis die Hippotherapie. Daneben wird seit
einiger Zeit auch der Hund als Co-Therapeut immer beliebter in der Psycho-, Spiel- und
Ergotherapie.
3.2 Positive Einflussmöglichkeiten
Tiere sind Beziehungsprofis. Und in dieser Funktion können sie dem Pädagogen oder
Therapeuten helfen und ihn unterstützen. Tiere sind Beziehungsprofis, weil sie Beziehungen
52
S. Ebenda: S. 40
53
S.: Ebenda: S. 44
31
ohne Einschränkungen eingehen, solange ihnen keine Gewalt angetan wird. Das heißt, sie
nehmen den Menschen so wie er ist, sie kennen keine Akte, sie kennen keine Vorgeschichte und
sie fragen auch nicht nach dem Status oder der Krankheit oder Störung die jemand vielleicht hat.
Dadurch können sie als Katalysator für menschliche Interaktion wirken, so wie es auch schon
Levinson (s. Kapitel 3) durch Zufall herausgefunden und sich zu Nutze gemacht hat. Tiere gehen
mit einem Menschen in eine Beziehung aus der heraus es in die Lage versetzt werden soll,
weitere Beziehungen einzugehen. Im Idealfall zum Therapeuten oder Pädagogen, der nun aus
dieser sich festigenden Beziehung heraus therapeutisch oder pädagogisch agieren kann. Im
weiteren Sinne wird das Tier auch als eine Art Brückenfunktion genutzt, es erleichtert den
Einstieg in eine professionelle Beziehung, die häufig auch von Klientenseite zu Anfang
angstbesetzt sein kann. Ebenso spielt die Kommunikation eine große Rolle in der
Beziehungsgestaltung. Da Tiere mit dem Menschen nicht digital kommunizieren sondern nur
analog über ihre Körpersprache entsteht zwangsläufig eine Eindeutigkeit. Das Tier kann den
Menschen nicht “verstehen”, sondern reagiert auf kleinste, “für den Menschen kaum
wahrnehmbare analoge Signale, wie beispielsweise den Tonfall, die Stimmmodulation, die
Lautstärke, die Gestik und Mimik oder die Körperhaltung des Menschen.”54 Daraus ergeben sich
zwei Faktoren. Zum einen reagiert das Tier aufgrund dieser “einseitigen” Kommunikation im
weitesten Sinne kongruent, d.h. seine Reaktionen erfolgen direkt und authentisch. Zum anderen
erfährt der Mensch durch die Körpersprache des Tieres eine direkte Rückmeldung auf sein
Verhalten. War seine Aufforderung an das Tier beispielsweise zu zögerlich, wird das Tier nicht
direkt reagieren oder auch gar nicht. War sie dagegen zu hektisch und unstrukturiert, reagiert es
vielleicht anders, als die sprachliche Aufforderung intendiert hatte. Er muss also, um
angemessen mit dem Tier zu kommunizieren, seine eigene Persönlichkeit hinterfragen und
eventuell seine analoge Kommunikation verfeinern und verbessern. Hier kommt die Rolle des
Pädagogen und Therapeuten ins Spiel: Er sorgt dafür, dass der Mensch die Tiersprache
verstehen und “sprechen” lernt, so dass eine Kommunikation zwischen dem Tier und dem
Klienten stattfinden kann. Einige Verhaltensweisen sind eindeutig, wenn das Tier sich abwendet
wird der Klient sich im Normalfall selbstständig Gedanken machen und herausfinden wollen,
wie es ihm gelingen kann, das Tier bei sich zu halten. Der Therapeut und Pädagoge unterstützt
54
S.: Ebenda: S. 20
32
und erklärt, vermittelt und dient als Vorbildfunktion. Sein Verhalten gegenüber dem Tier ist
ungemein wichtig, denn es hat enormen Vorbildcharakter. Der Klient wird versuchen, das
Verhalten des Therapeuten bzw. Pädagogen nachzuahmen um Erfolge im Umgang mit dem Tier
zu erreichen. Deshalb ist ein sensibler und tierfreundlicher Umgang mit dem Tier unbedingt
wünschenswert, außerdem sollten alle Aktionen begründbar und nachvollziehbar sein und
jederzeit reflektiert werden.
Ein weiterer wichtiger Einfluss der Tiere ist die Motivation, die Tiere eindeutig herstellen
können. Die Therapie oder die Pädagogische Hilfe ist meist eine eher langweilige
Angelegenheit, z.B. Physiotherapie oder Ergotherapie, die viele Kinder schon längere Zeit
durchgeführt haben. Manchmal ist sie aber auch sehr anstrengend und kräftezehrend und ein Ziel
ist nicht immer in Sicht. Tiere dienen hier als Motivation für therapiemüde Kinder. Eine
Therapie bei der man beispielsweise reiten kann, macht Spaß, ist offensichtlich weniger
anstrengend als wenn man sich selber bewegen muss und bietet den Anreiz den Umgang mit
dem Pferd und eventuell irgendwann richtig reiten zu lernen. Aber auch der Hund kann als
Motivator dienen, wenn das Kind durch verschiedene Programme dazu befähigt wird, den
Umgang mit dem Hund zu lernen, so dass es irgendwann in der Lage ist, mit dem Hund
Aufgaben auszuführen. Dies geschieht auch mit dem Hintergrund der Motorikverbesserung,
Kommunikationsverbesserung und Gleichgewichtsverbesserung, ist aber augenscheinlich lange
nicht so anstrengend wie eine normale Krankengymnastikeinheit, weil es Spaß macht, und alle
Sinne gefragt sind. Monika Vernooij bietet in ihrem Handbuch folgende Zusammenstellung55:
- visuell: Genaues Beobachten des Tieres
- auditiv: Welche Geräusche gibt das Tier von sich?
- taktil: Wie fühlt sich das Tier an? An welchen Stellen ist das Fell am weichsten?
- kinästhetisch: Wie nehme ich meinen Körper z.B. beim Reiten wahr?
- olfaktorisch: Welchen Geruch hat das Tier?
Seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass das Zusammenleben mit einem Tier blutdrucksenkend
und kreislaufstabilisierend wirkt. Im Laufe der Jahre wurden immer wieder Studien
durchgeführt, um dieses Phänomen aufzuklären. Die amerikanischen Psychiatrie-Professoren
Erika Friedmann, Aaron Katcher und James Lynch forschten deshalb weiter und fanden in
55
Vgl.: Ebenda: S. 21
33
verschiedenen Experimenten heraus, dass die reine Präsenz eines Tieres genügte um Stress
abzubauen.56 Sie begründeten dies mit den “archaischen Grunderfahrungen des Menschen, der
während der frühen Menschheitsgeschichte gelernt habe, ruhende Tiere als Zeichen einer
gefahrlosen Umwelt zu deuten.”57
Nach Greiffenhagen können Tiere auch für soziale Unterstützung sorgen, zum einen indirekt als
soziale Katalysatoren, zum anderen aber auch direkt durch ihre eigene Zuneigung und
Bewunderung.58 Das Tier als Hilfe für (körperlich) behinderte Menschen in Form von
ausgebildeten Blindenführ-, Behindertenbegleit -, und Signalhunden ist ebenfalls ein sehr
wichtiges Beispiel für die positiven Einflussmöglichkeiten von Tieren.
Ferner finden Tiere auch im Strafvollzug therapeutische Verwendung. Bereits 1975 hat der
Sozialhelfer und Psychiater David Lee in Ohio ein Tiertherapieprogramm in einem staatlichen
Krankenhaus für “geistig abnorme Rechtsbrecher” begonnen. “Sein Programm beruhte auf
lernpsychologischen Grundsätzen: Ein Gefangener musste sich den Besitz eines eigenen Tieres
verdienen, indem ihm zunächst die Pflege eines Stationstieres oder eines Aquariums anvertraut
wurde. Lee erwartete auch, dass die Männer bereit waren, das Geld für Futter und Käfig zu
erarbeiten.”59 Auch hier konnte die Katalysatorwirkung der Tiere beobachtet werden:
Gewalttätige Vorgänge nahmen ab, es zeigte sich kooperative Zusammenarbeit sowohl mit
anderen Patienten als auch mit den Pflegern und die Moral bei den Patienten wie auch bei dem
Pflegepersonal verbesserte sich ebenso wie das Vertrauensverhältnis. Aufgrund dieser
Ergebnisse kann gesagt werden, dass neben den Einflüssen von Tieren auf das Individuum
(Kind, Patient, Strafgefangener), auch Auswirkungen auf die Mitarbeiter, die Institution und die
Tiere selbst erkennbar sind. Die Auswirkungen auf die Mitarbeiter lassen sich ebenfalls durch
die Katalysatorwirkung erklären. Es lässt sich neben der verbesserten Atmosphäre auch das
Durchbrechen von Monotonie durch Spiel und Humor beobachten. Die Tiere als
Interaktionspartner können ebenfalls positive Auswirkungen erfahren, solange sie artgerecht
56
Vgl.: Greiffenhagen, Sylvia; Buck-W erner, Oliver N.: Tiere als Therapie - Neue W ege in Erziehung und
Heilung. S. 32-34
57
S. Ebenda: S. 174
58
Vgl.: Ebenda: S. 174
59
S.: Ebenda: S. 204
34
gehalten werden.
Dies sind nur einige Beispiele für positive Einflussmöglichkeiten von Tieren, aber sie vermitteln
ein breit gefächertes Wirkungsspektrum. Auf die spezifischen Wirkungen von Hunden auf
Kinder werde ich im nächsten Kapitel genauer eingehen.
3.3 Negative Effekte
Die Tiergestützte Arbeit wirkt sehr stark polarisierend. Im Bereich der Sozialen Arbeit gibt es
entweder Befürworter oder Gegner, ein Austausch findet leider wenig statt. In vielen Fällen wird
sie glorifizierend als Wundermittel beschworen, im Gegenzug dazu belächeln die Kritiker die
Tiergestützte Arbeit als Armutszeugnis für die Gesellschaft und die Professionelle pädagogische
und therapeutische Arbeit. Wie ‘gut’ kann schon jemand sein, der ein Hilfsmittel braucht um
therapeutisch oder pädagogisch zu arbeiten?
Aus diesem Grund möchte ich versuchen einen groben Überblick über negative Aspekte der
Tiergestützten Arbeit zu geben.
Tiergestützte Arbeit ist keinesfalls ein Wundermittel für jede Krankheit oder Störung. Sie ist
auch nicht dazu da, Therapeuten oder Pädagogen zu ersetzen. Sie kann meiner Meinung nach
unterstützend und begleitend eingesetzt werden, in allen therapeutischen und pädagogischen
Bereichen wenn es keine Indikatoren gibt, die gegen den Einsatz von Tieren sprechen. Zum
Beispiel darf keine Allergie vorliegen und die Verletzungsgefahr sollte ebenfalls nicht
unterschätzt werden. Aus diesem Grund muss die Wahl des Tieres in jedem Fall auf den
Klienten abgestimmt werden. Ein Mensch mit einer Multiplen Sklerose im akuten Schub darf
beispielsweise keine Reittherapie machen. Ein weiterer wichtiger Faktor der zu bedenken ist, ist
die fehlende Affinität zu Tieren. Menschen denen eine gewisse Affinität zu Tieren fehlt, werden
kaum eine Bindung zu ihnen aufbauen können, ohne diese ist aber die Tiergestützte Arbeit
wirkungslos. Die Auswahl des Tieres hängt stark zusammen mit den Bedürfnissen des
Menschen. Hier muss im vorhinein das passende Tier ausgewählt werden. Probleme können
entstehen wenn erstens der Zeitpunkt für einen Einsatz des Tieres falsch gewählt wird, im
problematischsten Fall könnte sich der Zustand des Klienten verschlechtern; zweitens kann der
Klient kognitiv oder physisch (noch) nicht dazu in der Lage sein, das Tier richtig zu versorgen,
hier müssen Fähigkeit und Befinden realistisch abgeschätzt werden. Drittens können Tiere
Anlass für Rivalitäten bieten, insbesondere in Gruppen, hier muss der Verantwortliche sensibel
35
entgegenwirken, sonst wären die Effekte kontraproduktiv. Viertens müssen die Tiere verlässlich
ausgebildet sein, sie dürfen nicht aggressiv reagieren und sollten einen stabilen Charakter haben.
Fünftens muss der artgemäße Umgang und genügende Überwachung durch den Therapeuten
oder Pädagogen sichergestellt sein. Dies stellt auch einen Schutz für das Tier vor Tierquälerei
dar, welches gerade im Kindesalter ein schwerwiegendes Problem ist. Sechstens sind ständige
tierärztliche Kontrolluntersuchungen und angemessene Hygienevorkehrungen und -vorschriften
notwendig, da einzelne Krankheiten von Tieren auf Menschen übertragen werden können.
Im Hinblick auf Kollegen zeigt sich eine negative Wirkung hauptsächlich in der Ablehnung,
Tiergestützte Arbeit als Interventionsform zu nutzen. Sie sehen es möglcherweise als zusätzliche
Arbeit und Auseinandersetzungen, haben vielleicht selber eine Abneigung gegen Tiere oder es
bestehen Allergien. Nichtsdestotrotz ist es ungemein wichtig, dass eine Akzeptanz hergestellt
werden kann, so dass das Projekt von allen mitgetragen wird. Personen, die keine Affinität zu
Tieren haben, sollten nicht mit in die Tiergestützte Arbeit einbezogen werden.
Auch für die Institution stellen sich viele Fragen. Geklärt werden muss zum Beispiel die
rechtliche Haftung bei Verletzungen oder Unfällen durch das Tier oder durch die Klienten. In
manchen Institutionen wie Pflegeheim oder Krankenhaus kann der Einsatz von Tieren generell
verboten sein oder auf die Besuchszeiten beschränkt sein. Auch das Risiko ansteckender
Krankheiten muss abgeschätzt werden.
Die Tiere können gleichfalls durch einen zu groben oder unsachgemäßen Umgang verletzt
werden und bevor der Fortpflanzungstrieb zu einem Problem werden kann müssen
entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Artgerechte Haltung und grundlegende
Erfordernisse zur Pflege von Tieren müssen ebenso erfüllt werden wie regelmäßige
Kontrolluntersuchungen beim Tierarzt.60
Diese Auflistung von negativen Wirkungsmöglichkeiten zeigt, wie wichtig es ist, sich zu
informieren und sensibel mit dem Thema umzugehen, denn wenn die Bedingungen erfüllt sind,
lassen sich viele Probleme beheben.
60
Vgl.: Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention - Grundlagen,
Konzepte, Praxisfelder. S. 105-108
36
4. Tiergestützte Pädagogik mit Hunden im Kindesalter
Die Beziehung die Kinder zu Tieren haben scheint etwas ganz Besonderes zu sein. Fast jedes
Kind wünscht sich zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens ein Haustier. Dieter Krowatschek
beschreibt in seinem Buch “Kinder brauchen Tiere” eine Studie die Reinhold Bergler vom
Institut für empirische Sozialforschung der Universität Bonn durchführte. Er befragte
dreihundert Kinder und Jugendliche wie sie die Beziehung zu ihrem Hund erleben.
“Fast alle äußerten sich wie folgt:
- Wenn ich von der Schule heimkomme, freut sich mein Hund und begrüßt mich.
- Es macht mir viel Spaß, mit dem Hund zu spielen.
- Mit meinem Hund habe ich immer viele schöne und auch lustige Erlebnisse.
- Ich freue mich auf meinen Hund, weil ich meine, dass er sich auf mich freut.
- Meinem Hund kann ich alles erzählen.
Und immerhin noch über zwei Drittel gaben an:
- Mein Hund versteht mich besser als so mancher Erwachsener.
- Mein Hund ist mein bester Freund.”61
Kinder werden nicht mit einer Abneigung gegen Tiere geboren. Sie müssen also nicht dazu
erzogen werden Tiere zu mögen. Eltern tragen aber die Verantwortung dafür, in welcher Weise
die Sympathie der Kinder gegenüber den Tieren wächst oder verschwindet. “Es muss Ziel jeder
Erziehung sein, Liebe und Interesse für Tiere zu vergrößern und Kinder anzuhalten, Tiere zu
respektieren und verantwortlich mit ihnen umzugehen. Dies geschieht zum Wohl der Tiere, aber
auch der Kinder und der Gesellschaft, in der wir alle leben.”62
Im Folgenden werde ich Positive sowie Negative Aspekte der Kind-Hund-Beziehung näher
beleuchten, den Hund als soziale Unterstützung betrachten und direkte und indirekte Einflüsse
deutlich machen.
61
S.: Krowatschek, Dieter: Kinder brauchen Tiere - W ie Tiere die kindliche Entwicklung fördern. S. 42
62
S.: Ebenda: S. 40
37
4.1 Der geeignete Hund
Eine spezielle Hunderasse die besonders geeignet für die Tiergestützte Arbeit ist gibt es nicht.
Zuerst einmal ist es wichtig in welchem Bereich der Hund später tätig sein soll. Wenn er
beispielsweise als Blindenhund oder Assistenzhund ausgebildet werden soll, müssen andere
Kriterien erfüllt werden, als wenn er im Tierbesuchsdienst seine Aufgaben ausführen soll.
Wichtig ist in jedem Fall eine sorgfältige Sozialisation in den ersten beiden Lebensjahren des
Hundes. Am besten sollte so früh wie möglich damit begonnen werden, den Hund an alles zu
gewöhnen mit dem er auch später in Kontakt kommen soll. Eine sorgfältige Auswahl des
Hundes unter Rücksichtnahme der Elterntiere sollte selbstverständlich sein, es gibt auch
spezielle Tests für Welpen die durchgeführt werden können, um den Charakter des Hundes zu
beurteilen. Frühzeitig sollte mit der Erziehung begonnen werden, dabei sollte berücksichtigt
werden, dass Hunde intensive Bindungen zu Einzelpersonen eingehen, daher ist es sinnvoll das
eine Bezugsperson die Hauptarbeit mit dem Hund übernimmt. Im Idealfall sollte das der
Therapeut/Pädagoge sein, der den Hund später in seiner Arbeit einsetzen möchte.
Therapiebegleithunde sollten den Grundgehorsam gelernt und eine Wesensprüfung abgelegt
haben in der überprüft wird, ob der Hund aggressives Verhalten zeigt. In der Regel wird eine
Ausbildung als Therapiebegleithund verlangt, die allerdings - wie viele andere Ausbildungen in
diesem Bereich - nicht geschützt ist. Daher sollte man sich im Vorfeld gut informieren welche
Ausbildung sinnvoll ist. Eine geeignete Tierhalterhaftpflichtversicherung sollte
selbstverständlich sein, in Absprache mit der Versicherung deckt sie normalerweise auch
Therapieeinsätze des Hundes.63
Nicht vergessen werden sollte, dass jeder Hund eigene, individuelle Charakter- und
Wesensmerkmale aufweist und es in der Verantwortung des Menschen liegt, “sehr sorgfältig
und auf der Basis kynologischen Fachwissens zu entscheiden, ob und in welcher Weise ein
bestimmter Hund innerhalb Tiergestützter Interventionen eingesetzt werden kann.”64
Unterschieden werden im Bereich der Tiergestützten Therapie und Pädagogik folgende
Bezeichnungen für die Hunde:
63
Vgl.: Prothmann, Anke: Tiergestützte Kinderpsychotherapie. S. 96/97
64
S.: Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention - Grundlagen, Konzepte,
Praxisfelder. S. 186
38
1. Therapie- bzw. Therapiebegleithund:
- diejenigen trainierten bzw. ausgebildeten Tiere, die in begleitender und unterstützender
Funktion in therapeutische Prozesse oder Konzepte eingebunden werden
2. Sozialhunde:
- diejenigen (mehr oder weniger) trainierten Hunde, die zeitweilig für die Begegnung mit
Menschen eingesetzt werden, um deren Wohlbefinden zu erhöhen oder bei der Entwicklung
bestimmter Kompetenzen als hilfreiches Medium zu fungieren. Sie werden vornehmlich
eingesetzt bei alten Menschen, bei unterschiedlich beeinträchtigten Menschen, bei Kindern und
Jugendlichen mit auffälligem und/oder delinquenten Verhalten. Die Tiere werden nicht für
spezifische Dienstleistungen ausgebildet.65
Meines Erachtens kommt in den Definitionen der Bereich der Pädagogik zu kurz, denn so wie
ich es kennen gelernt habe und es auch für wichtig erachte, wird der Therapiebegleithund nicht
nur für therapeutische Prozesse eingesetzt, sondern auch für pädagogische Bereiche. Denn die
Definition des Sozialhundes wird den Aufgaben der Tiergestützten Pädagogik nicht gerecht. Ein
weiterer wichtiger Punkt der angesprochen werden sollte, ist, das genügend Freiraum für den
Hund geschaffen wird, und er sich neben der Arbeit - die für den Hund oft mit sehr viel
Anstrengung verbunden ist - durch Spaziergänge, Hundegerechte Spiele und ähnlichem
austoben kann damit er auch weiterhin ein ausgeglichener, verträglicher Therapiebegleithund
sein kann. Daneben ist eine regelmäßige Kontrolle der Gesundheit erforderlich, der Hund sollte
gut gepflegt sein, er sollte keinen unangenehmen Körpergeruch, starken Haarausfall oder
Speichelfluss haben. Wichtig ist ebenfalls, dass er Freude an dem Zusammensein und
Körperkontakt mit (fremden) Menschen hat, nicht übermäßig schreckhaft ist und ein
freundliches Wesen hat.
Wie bereits angedeutet kann der Einsatz des Hundes immer nur im Team mit einem
fachkundigen Menschen erfolgen. Keinesfalls kann der Hund die therapeutische oder
pädagogische Funktion übernehmen.66
65
Vgl.: Ebenda: S. 191
66
Vgl.: Ebenda: S. 192
39
4.2 Positive Aspekte der Kind-Hund-Beziehung
Dr. Anke Prothmann hat mehrere Evaluationsstudien durchgeführt um die Wirksamkeit von
Tiergestützter Therapie zu untersuchen. Dabei hat sie die Tiergestützte Therapie durch die
Kinder bewerten lassen und folgende Aussagen zusammengefasst:
- die Kinder nannten am häufigsten (11 Mal) die körperliche Aktivität durch das Spielen mit
dem Hund die Spaß gemacht hat.
- mit zehn Nennungen wurde die Lebendigkeit des Hundes bedacht, der Kommunikation zulässt
und mit dem es nie langweilig wird.
- acht Nennungen bekam die körperliche Nähe, die Kinder fanden es schön, den Hund zu
streicheln und mit ihm zu kuscheln.67
Ein Hund ermöglicht eine Vielzahl von Beschäftigungen. Er bietet dem Kind eine Beziehung an,
er nimmt das Kind so wie es ist, so kann das Kind sein Bedürfnis nach Nähe und Schutz
erfüllen. Daneben können Kinder einem Hund etwas beibringen und erfahren so ihre
Selbstwirksamkeit, gleichzeitig müssen sie den Hund aber auch versorgen, sich um ihn
kümmern und müssen dadurch Verantwortung übernehmen. Es ist wichtig, dass darauf geachtet
wird, dem Kind nur so viel Verantwortung zu geben, wie es auch übernehmen kann. Ein
Kindergartenkind kann zum Beispiel bei der Pflege mit helfen und auch einfache Dinge
übernehmen wie Futter zubereiten und sich um das Wasser kümmern, es kann aber keinen
Kaninchenstall säubern.
Überdies lässt ein Hund nicht alles mit sich machen. Er ist ein Lebewesen mit einem eigenen
Charakter und er setzt deutliche Grenzen, wenn ihm etwas unangenehm ist. So zeigt er natürlich
auch, wenn ihm etwas angenehm ist und versucht eventuell auch, Grenzen des Kindes zu
überschreiten. Das Kind wird lernen, die Reaktionen des Hundes mit sich selbst in Verbindung
zu bringen und die Fehler in seinem eigenen Verhalten zu ändern.
Die zuvor in Kapitel 3.2 angesprochene nonverbale Kommunikation spielt auch hier eine
bedeutende Rolle. Sie wird durch den Hund gefördert, denn aufgrund seiner fehlenden
sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten ist das Kind gezwungen, sich nonverbal zu verständigen,
um dem Hund zum Beispiel Befehle beizubringen.
67
Vgl.: Prothmann, Anke: Tiergestützte Kinderpsychotherapie. S. 164
40
Außerdem können Hunde Kindern viele Dinge geben, zu denen Erwachsene oft nicht in der
Lage sind: “Tiere haben Zeit, schicken Kinder nicht weg, sind da, wenn man sie braucht, sie
widersprechen und schimpfen nicht, haben keine schlechte Laune, sind geduldige Zuhörer,
können nicht so gemein und hinterhältig sein wie Menschen, sind ehrlich, akzeptieren das Kind
ohne Bedingungen, wollen nicht erziehen, stellen keine Fragen und bieten Schutz und
Sicherheit.”68
Anke Prothmann geht noch weiter und bescheinigt dem Zusammensein mit Tieren eine
Möglichkeit des besonderen Trainings für sozial verantwortungsvolles und verträgliches
Verhalten und damit eine hoch effiziente Erziehungshilfe.69 In einer weiteren Studie wurde
deshalb die Bedeutung von Hunden auf Kinder mit Entwicklungsrisiken untersucht und
festgestellt, dass Hunde eine wichtige stabilisierende Funktion übernehmen. “Der Hund half
gegen selbstempfundene Einsamkeit und Isolation, vermittelte Lebensfreude, Nähe, stelle eine
Verbindung zur Natur dar und förderte Verantwortung und Zuverlässigkeit. Insbesondere half
der Hund in existentiell bedrohlichen Lebenssituationen und schützte durch sein körperliches
und emotionales Dasein vor Suizidhandlungen.”70
Aber auch Erwachsene sehen die vielfältigen, entwicklungsfördernden Faktoren, die Tiere insbesondere Hunde - bieten:
Was lernen Kinder von Tieren aus Sicht Erwachsener?
Verantwortungsgefühl und Pflichtbewusstsein
Rücksichtnahme und Bedürfnisse anderer respektieren
Achtung vor und Sensibilität für andere Lebewesen
Freundschaftliche Bindungen und soziale Kompetenz
Toleranz und Hilfsbereitschaft im Umgang mit Schwächeren
Wichtigkeit von Bezugspersonen
Naturverbundenheit und Natürlichkeit
Integration in bestehende Gemeinschaften
68
S.: Prothmann, Anke: Tiergestützte Kinderpsychotherapie. S. 42
69
Vgl.: Ebenda: S. 43
70
S.: Ebenda: S. 44
41
Tab. 6: Einflüsse von Tieren auf Kinder71
Hunde werden zudem auch zur Therapie ängstlicher Kinder eingesetzt. Sie können durch den
Hund lernen, dass sie ihre Umwelt kontrollieren können, und dass ihr Verhalten verstanden und
akzeptiert wird.
Dieser Teil hat deutlich gemacht, in welchen unterschiedlichen Bereichen ein Hund positiv auf
ein Kind (ein-) wirken kann, nun wird im weiterem Teil darauf eingegangen werden, welche
negativen Effekte hervorgerufen werden können.
4.3 Negative Aspekte der Kind-Hund-Beziehung
Gerade mit Kindern und Hunden kann es auch zu Problemen kommen. Zum einen könnte das
Kind dem Hund nicht gewachsen sein, d. h. der Hund ist von seinem Charakter her nicht für das
Kind geeignet, weil er eventuell zu stürmisch, aufdringlich oder gar aggressiv ist. Zum anderen
muss das Kind natürlich die nötige Unterstützung mit dem Hund erfahren, es sollte nicht alleine
gelassen werden und jederzeit bei Problemen einen Ansprechpartner haben. Gut wäre es, wenn
das Kind eine Art Hundeführerschein machen könnte, so dass grundsätzliche Fragen schon im
vorhinein geklärt wären.
Ein anderes besonders schwerwiegendes Problem ist allerdings die Tierquälerei. Es sollte nicht
unterschätzt werden, dass Kinder Tiere auch quälen, verletzen oder grausame Versuche mit
ihnen machen können. Oft tun sie dies nicht mit Absicht, sondern aus Neugier, aber manchmal
werden Tiere auch ein Ersatzobjekt für Aggressionen, die eigentlich anderen Menschen gelten.
Allerdings kann auch das Gegenteil problematisch werden. Wenn Kinder ein Tier wie einen
Menschen behandeln und die Bedürfnisse des Tieres dadurch aus dem Blick geraten. Deswegen
steht die Vermittlung von einem artgerechten Umgang mit Tieren immer im Vordergrund.
Ein weiteres schwieriges Thema ist der Tod eines Tieres, der, bedingt durch einen Unfall,
Krankheit oder Altersschwäche, immer eine schmerzliche Erfahrung für das Kind bedeutet und
viel Einfühlungsvermögen von Eltern, Pädagogen oder Therapeuten erfordert. Das frühzeitige
Auseinander setzen mit dem Thema kann problematischen Situationen vorbeugen. Das Kind
sollte darauf vorbereitet werden, dass Krankheit und Tod zu dem Leben dazu gehören.
71
S.: Ebenda: S. 43
42
Tiere können aber auch Ängste oder Ekelgefühle auslösen. Hier müssen auch unterschiedliche
Kulturen in den Blick genommen werden. Je nach Nationalität unterscheiden sich darüber
hinaus die Vorlieben für bestimmte Tierarten. In der muslimischen Religion beispielsweise gilt
der Speichel des Hundes als unrein, wodurch Probleme in der Tiergestützten Arbeit mit Hunden
entstehen könnten.
Ängste können auch durch Missverständnisse hervorgerufen werden. Die Körpersprache der
Tiere unterscheidet sich bei Hund und Katze ziemlich deutlich. Der Hund zeigt zum Beispiel
durch eine erhobene Vorderpfote seine Spielbereitschaft, die Katze dagegen äußert so ihr
Angriffsverhalten. Ein Kind, dass nur das Verhalten des Hundes kennt und dieses Wissen auf
die Katze anwendet, kann sich Verletzungen durch die Katze zufügen. Hierdurch wird die
Wichtigkeit deutlich gemacht, dass Kinder über die Eigenarten der verschiedenen Tierarten gut
informiert werden müssen.
4.4 Hunde als (soziale) Unterstützung
Aufgrund der zuvor beschriebenen positiven Effekte von Hunden ist meines Erachtens schon
deutlich gemacht worden inwieweit Hunde - und Tiere allgemein - im Großen und Ganzen als
soziale Unterstützung agieren können. Nun werde ich aber speziell auf die Einflüsse eingehen,
die Hunde auf Kinder ausüben und diese in direkte und indirekte Einflüsse unterteilen. Hierbei
sollen auch Beispiele angewendet werden, um die Wirkungen zu verdeutlichen. Zuerst möchte
ich allerdings eine inhaltliche Klärung wichtiger Begriffe vornehmen, um deutlich zu machen,
wo und wie genau der Hund diese Prozesse beeinflussen und Kompetenzen erweitern kann:
Teilkompetenz
Inhaltliche Klärung
Selbstwertgefühl
- die Kenntnis und Akzeptanz der eigenen Stärken und Schwächen
(realistische
- die entwicklungsorientierte Zufriedenheit mit sich selbst
Selbsteinschätzung)
Selbstvertrauen
- ein auf die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten gegründetes
Gefühl von Handlungskompetenz
- begründete Erfolgs- statt Misserfolgsorientierung
43
Emotionale
- Fähigkeit zur Kontrolle der eigenen Gefühle und damit der
Selbststeuerung
Verhaltensweisen, die auf deren Basis entstehen
- Regulierung der Affektintensität
Anpassungs- und
- Fähigkeit, eine harmonische aber nicht spannungslose Beziehung
Kompromiss-
zu anderen aufzubauen und zu erhalten
bereitschaft
- aktive Anpassung im Sinne von gemeinsam verantworteter und
geschaffener Übereinkünfte
Soziale Sensibilität
- soziale Feinfühligkeit
- Fähigkeit, Gefühlsregungen, nonverbale Signale von anderen
wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren
-Fähigkeit, sozial-antizipierend zu denken
Einfühlungs-
- Fähigkeit, sich in andere Lebewesen hineinversetzen,
vermögen/Empathie
mitempfinden zu können
- Bemühen um das nicht-bewertende Verstehen eines Gegenüber
Soziale
- Eindeutigkeit im Verhalten gegenüber anderen
Zuverlässigkeit
- Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Verhaltens bezogen auf
Absprachen mit und Erwartungen von anderen
Fairness
- Bereitschaft zu korrektem, gerechtem, ehrlichem Verhalten
anderen gegenüber
- Regeln beachtendes, offenes, den Partner achtendes Verhalten
Authentizität/
- Übereinstimmung von nonverbalem und verbalem Ausdruck auf
(soziale)
der Basis der mentalen Gesinnung
Aufrichtigkeit
- Kongruenz von Gedanken, Gefühlen, Handlungen
- im Einklang mit sich selbst sein
Tab.7: Inhaltliche Schwerpunkte der Teilkompetenzen bezogen auf soziale/emotionale
Kompetenz72
Bei einem Vergleich der gerade dargestellten Teilkompetenzen mit den zuvor beschriebenen
72
S.: Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention - Grundlagen, Konzepte,
Praxisfelder. S. 125/126
44
Wirkungen von Tieren auf Kinder wird deutlich, dass Tiere durchaus in der Lage sein können,
einen bestimmten positiven Einfluss auf die Ausbildung von wichtigen Teilkompetenzen bei
Kindern zu haben. Im Folgenden werde ich zuerst die direkten Einflüsse von Hunden auf Kinder
darlegen, um danach auf die indirekten Einflüsse einzugehen.
4.4.1 Direkte Einflüsse
Der Hund kann direkt dazu beitragen bestimmte Kompetenzen zu beeinflussen. Das
Selbstwertgefühl kann zum Beispiel mit Hilfe eines Hundes verbessert oder sogar aufgebaut
werden indem das Kind erfolgreich Aufgaben übernimmt, die seinem Alter entsprechen.
Dadurch das es sich um den Hund kümmert und ihn (mit) versorgt, lernt es seine
Selbstwirksamkeit kennen. Wichtig ist das richtige Ermessen von den Möglichkeiten des
Kindes, so dass es nicht überfordert wird, denn dann würde es sein Handeln als nicht
ausreichend erleben und sein Selbstwertgefühl würde darunter leiden. Zusätzlich kann das Kind
Verantwortung übernehmen und Pflichtbewusstsein entwickeln. Neben den pflegerischen
Aufgaben die ein Kind für den Hund übernehmen kann, stärkt auch der Umgang mit dem Hund
das Selbstbewusstsein des Kindes. Es kann, wenn es die nötige Hilfe und das Wissen hat, dem
Hund etwas beibringen, ihn erziehen. Es ist eine elementare Erfahrung, wenn das Kind
realisieren kann, dass der Hund auf sein Kommando bestimmte Dinge tut. Wenn es soweit ist,
hat das Kind schon viel gelernt, denn der Hund reagiert nur, wenn das Verhalten des Kindes
stimmig ist, dass heißt, wenn seine nonverbalen und verbalen Signale ausreichend sind und es
den Hund selbstbestimmt und selbstsicher dazu auffordert ein bestimmtes Kommando
auszuführen. Wenn das Kind zum Beispiel durch seine Hand das Kommando für “Sitz”
(aufgerichteter Zeigefinger) gibt, mit seiner Stimme aber “Lauf” sagt, wird der Hund nicht
reagieren, weil der Befehl widersprüchlich ist. Hier ist also ebenso die Koordination gefragt um
komplexe Handlungen auszuführen.
Nur das richtige Wissen alleine reicht jedoch nicht aus, um eine haltbare Beziehung zu einem
Hund aufzubauen. “Will das Kind eine Beziehung zu dem Tier aufbauen und mit diesem
kommunizieren und/oder in Interaktion treten, so muss es lernen, Empathie für ein anderes
Lebewesen zu entwickeln und es bewusst als Interaktionspartner wahrzunehmen.”73 Anke
73
S.: Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention - Grundlagen, Konzepte,
45
Prothmann beschreibt in ihrem Buch eine Studie die untersuchte, ob Kinder, die Heimtiere
pflegen, mehr Empathie aufweisen als Kinder, die ohne Heimtiere aufwachsen. Laut dem
Ergebnis wiesen Kinder mit Heimtierkontakt höhere Werte auf.74 Ein Kind muss lernen, den
Hund zu beobachten um seine Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und auch darauf zu
reagieren. Wenn es einem Hund zu unruhig ist, oder er keine Lust mehr hat, gestreichelt zu
werden, sendet er Signale aus, die mitteilen, dass er in Ruhe gelassen werden möchte. Das
können zuerst einmal ganz kleine Signale sein, wie eine veränderte Rutenstellung oder angelegte
Ohren. Bemerkt das Kind diese feinen Signale nicht, wird der Hund deutlicher indem er ein
leichtes Knurren von sich gibt und weggeht. Wird er immer noch nicht in Ruhe gelassen, das
Kind folgt ihm trotz seiner Aufforderung ihn in Ruhe zu lassen, so kann der Hund als
endgültiges Zeichen seiner Aufforderung nach dem Kind schnappen, d.h. der Hund könnte das
Kind im schlimmsten Fall beißen. In dem Beispiel wird deutlich, wie wichtig empathisches
Verhalten im Umgang mit dem Hund sein kann, und mit welchen kleinen körpersprachlichen
Mitteln der Hund kommunizieren kann. Aber für das Kind ist es zu Anfang auch sehr schwierig,
zu akzeptieren, dass der Hund andere Bedürfnisse hat als das Kind, und wenn das Kind
beispielsweise mit dem Hund spielen möchte, der Hund aber seine Ruhe braucht, so muss das
Kind lernen, seine eigenen Bedürfnisse zurück zu stecken und die Bedürfnisse des Hundes zu
respektieren. Dieses Beispiel hängt eng zusammen mit der Erfahrung von Nähe und Distanz und
der Wichtigkeit von deutlicher Grenzensetzung. Der Hund ist selber in der Lage, Grenzen zu
setzen, so dass das Kind diese akzeptieren muss. Gleichzeitig kann er aber auch versuchen
Grenzen zu überschreiten, so dass im Gegenzug das Kind aufgefordert ist, eigene, deutliche
Grenzen zu setzen. Ein Hund braucht klare Strukturen, er ist als Rudeltier eine deutliche
Hierarchie gewöhnt und braucht den Menschen als eindeutigen Anführer. Meiner Meinung nach
ist es sehr wichtig an dieser Stelle nochmal eindringlich darauf hinzuweisen, dass Kinder
niemals alleine mit der Betreuung eines Hundes gelassen werden sollten, sondern dass immer
ein Erwachsener die Hauptbezugsperson des Hundes sein muss. Ein Kind kann unterstützen,
lernen, spielen, sich ausprobieren, seine Fähigkeiten erproben, pflegen, erziehen etc. aber immer
mit einem erfahrenen Erwachsenen an seiner Seite.
Ein weiterer direkter Einfluss von Hunden auf Kinder ist der Einfluss auf die
Praxisfelder. S. 128
74
Vgl.: Prothmann, Anke: Tiergestützte Kinderpsychotherapie. S. 47
46
Sprachentwicklung. Ein Hund kann in vielerlei Hinsicht Einfluss auf die sprachliche
Entwicklung nehmen. Zum einen kann er das Kind direkt zur Kommunikation auffordern, indem
er vom Kind gegebene sprachliche Kommandos ausführt, zum anderen kann er Anlass zur
Kommunikation sein, weil über ihn geredet wird. Häufig reden Kinder gerne mit dem Hund, sie
erzählen ihm was in ihrem Leben passiert ist und vertrauen ihm sogar Geheimnisse an, denn ein
Hund wird sie keinesfalls aus Versehen ausplaudern.75
4.4.2 Indirekte Einflüsse
Ein Hund kann auch indirekt Einfluss nehmen auf die kindlichen Entwicklungsfaktoren. Ein
Tier verändert das Familienleben und die Beziehungen untereinander. Zum einen regt der Hund
dazu an, sich über ihn zu unterhalten, es müssen Absprachen getroffen werden wie
beispielsweise ‘Wer geht wann mit dem Hund spazieren? Wer kümmert sich um Wasser und
Futter?’ etc. Dann verbringen die Familienmitglieder auch mehr Zeit miteinander. Viele
Erwachsene, die überlegen, einen Hund in die Familie zu holen, haben als Kinder selber ein
Haustier besessen. Sie sehen den Hund als zusätzliche Hilfe bei der Erziehung an.76 Nicht
vergessen werden sollte, dass diese Einflüsse nur positiv sein können, solange der artgerechte
Umgang mit dem Hund stattfindet. Wenn die Eltern als negative Vorbilder z.B. den Hund nicht
hundegerecht halten und behandeln, werden auch die Kinder keinen positiven Nutzen daraus
ziehen können. Im Gegenteil, sie lernen vielleicht, Grenzen des Hundes zu missachten um
seinen eigenen Willen durchzusetzen oder das Tiere nicht anders als Gegenstände sind, die
immer wieder neu gekauft werden können. Diese Sichtweise ist meines Erachtens sehr
kontraproduktiv und findet in der Literatur zu Tiergestützter Arbeit noch viel zu wenig
Beachtung.
75
Vgl.: Ebenda: S. 47/48
76
Vgl.: Ebenda: S. 48/49
47
5. Soziale Gruppenarbeit mit Kindern
“Soziale Gruppenarbeit ist eine Methode der Sozialarbeit, die den Einzelnen hilft, ihre soziale
Funktionsfähigkeit durch zweckvolle Gruppenerlebnisse zu steigern und ihren persönlichen
Gruppen- oder gesellschaftlichen Problemen besser gewachsen zu sein.”77
Unter einer Gruppe versteht man üblicherweise eine Ansammlung von mindestens drei
Personen. Bis zu einer überschaubaren Anzahl von maximal 20 Mitgliedern (je nach Theorie
variieren diese Angaben) spricht man von einer Kleingruppe, alles was darüber liegt wird als
Großgruppe bezeichnet. In der Sozialen Gruppenarbeit handelt es sich um Kleingruppen, da die
Überschaubarkeit ungemein wichtig ist um bestimmte Ziele mit der Gruppe erreichen zu
können. Adalbert Metzinger hat eine Reihe von Merkmalen zusammengetragen, die eine Gruppe
auszeichnen:
1. Zusammengehörigkeitsgefühl
- abhängig von der Häufigkeit der Kontakte ist der Zusammenhalt und das Entstehen eines WirGefühls in der Gruppe. Hierzu zählt auch die Frage, ob die Gruppe sich freiwillig trifft oder
aufgrund von äußerem Druck. Abhängig von der Stärke des Zusammengehörigkeitsgefühls ist
die Unterscheidung und Abgrenzung der Gruppe nach außen.
2. Dauerhaftigkeit
- dadurch unterscheidet sich die Gruppe von einer flüchtigen Begegnung von Menschen oder
einer Masse.
3. Interaktion und Kommunikation
- Das gegenseitige Agieren und Reagieren zwischen den Mitgliedern der Gruppe wird als
Interaktion, die Übermittlung von Informationen als Kommunikation bezeichnet.
4. Gruppenziele
- diese tragen zum Zusammenhalt der Gruppe bei. Das Ziel sollte allerdings in erreichbarer Nähe
sein.
5. Normen und Werte
- entstehen aus dem Gruppenprozess heraus, dienen zur Orientierung und sollen befolgt werden.
6. Rollen
- kristallisieren sich im Laufe der Zeit heraus und bedeutet eine gewisse Arbeitsteilung auf das
77
S.: Schiller H. zitiert nach: Schmidt-Grunert, Marianne: Soziale Arbeit mit Gruppen - Eine Einführung. S. 62
48
Gruppenziel bezogen.78
Im allgemeinen können verschiedene Gruppentypen in der Gruppenarbeit mit Kindern
unterschieden werden:
1. Therapiegruppen
- sinnvoll für Kinder, die unter starkem emotionalen Druck stehen und/oder psychiatrischer
Behandlung bedürfen.
2. Beratungsgruppen
- sollen Kindern bei der Problembearbeitung helfen die Schwierigkeiten im Umgang mit
Stressfaktoren haben.
3. Gruppen für emotionales Lernen (psycho-pädagogische Gruppen)
- es wird zwischen zwei Ausprägungen unterschieden:
a) Veränderung emotionaler oder verhaltensmässiger Reaktionen von Kindern
b) Hilfe im Vorstadion verfestigter Verhaltensweisen, die Entwicklung von Problemen zu
verhindern und Lernstrategien zu entwickeln.
4. Gruppen für persönliches Wachstum
- bereichern das Handeln auf intrapersonaler und interpersonaler Ebene. Ziel ist das Erkennen
von eigenen Fähigkeiten, Stärken und Fertigkeiten, die Wertschätzung und die Erweiterung
dieser.
5. Unterstützungsgruppen
- sollen unterstützen und die emotionalen, kognitiven und verhaltensmäßigen Kompetenzen der
Kinder verändern und erweitern. Sie werden im allgemeinen für Kinder mit einem ähnlichen
Problem angeboten um eine gegenseitige Unterstützung zu erreichen.
6. Entwicklungsgruppen
- als Hilfe für Kinder mit einer Entwicklungsverzögerung, beispielsweise im Hinblick auf
Sprache oder Spielverhalten. Ziel ist soziale Kompetenz und Aufgabenbewältigung auf
interaktive Weise zu erwerben.
7. Offene und geschlossene Gruppen
- beschränken sich nicht auf einen Gruppentyp. Geschlossene Gruppen sind zeitlich begrenzt
und alle Mitglieder nehmen gleichmäßig und gleichzeitig and den Aktivitäten teil. Offene
78
Vgl.: Metzinger, Adalbert: Arbeit mit Gruppen. S. 9/10
49
Gruppen sind für neue Mitglieder offen, niemand ist an die Gruppe gebunden und kann sie
jederzeit wieder verlassen.
8. Themenorientierte und systemorientierte Gruppen
- Themenorientierte Gruppen sind für Kinder die ähnliche Bedürfnisse aufgrund ähnlicher
Charakteristika und/oder Erfahrungen entwickelt haben. Eine vergleichbare Entwicklungsstufe
wird vorausgesetzt. Systemorientierte Gruppen dagegen sind Gruppen von Kindern, die in ihrem
Alltagsleben einem bestimmten System angehören. Sie unterscheiden sich häufig in ihrer
Entwicklung, ihren Erfahrungen und Charakteristika.79
Die Übergänge zwischen den verschiedenen Gruppentypen sind teilweise fließend, oft kommt
es auch zu Überschneidungen.
Nachdem ich nun erst einmal die grundlegenden Fragen geklärt habe, werde ich in den nun
folgenden Punkten die Vorteile und Grenzen von Gruppenarbeit deutlich machen sowie die
Funktion und Zielsetzung. Danach möchte ich das Soziale Lernen in Gruppen darlegen und ein
Modell für Soziale Gruppenarbeit beschreiben.
5.1 Vorteile und Grenzen von Gruppenarbeit
Kathryn und David Geldard haben in ihrem Buch über Gruppenarbeit mit Kindern einige
Vorteile von Gruppenarbeit zusammengetragen. Ihrer Meinung nach kann es in Gruppen leichter
fallen, notwendige Veränderungen von Haltungen und Verhaltensweisen in die Wege zu leiten,
dass heißt, die Gruppe wird als Medium von Verhaltensänderung gesehen. Wichtig ist allerdings
für eine positive Entwicklung, dass die Zusammensetzung der Gruppe gut durchdacht und
pädagogisch/therapeutisch sinnvoll erarbeitet wurde. Denn Gruppen können Stabilisatoren eines
gezeigten Verhaltens sein, positiv oder negativ ausgerichtet. Hier liegt es am Gruppenleiter, der
durch Erfahrung und Wissen entweder unterstützen oder gegensteuern kann. Ausgangspunkt für
eine sinnvolle Verhaltensbearbeitung ist immer ein positives, schützendes Klima in der Gruppe.
Ein weiterer Vorteil von Gruppenarbeit ist, das sie den Sozialraum erweitern kann. Kinder
können sich in einer Gruppe, sofern sie denn einen Schutzraum darstellt, ausprobieren und
experimentieren. Sie können verschiedene Rollen einnehmen, ein eigenes Selbstverständnis
79
Vgl.: Geldard, Kathryn und David: Helfende Gruppen - Eine Einführung in die Gruppenarbeit mit Kindern.
S. 26-34
50
entwickeln und die Verhaltensweisen und Interaktionen anderer Gruppenmitglieder beobachten
un d v o n ei nan der l ernen, Gruppen bieten daher größere Möglichkeiten für
Verhaltensänderungen. Gruppenarbeit ist folglich ein Trainingsfeld zur Erprobung sozialer
Fertigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen, wie es eine individuelle Beratungssituation nie sein
kann. Zusätzlich vermitteln Gruppen ein Zugehörigkeitsgefühl, Gruppen lassen Kinder neue
“Dazugehörigkeitserfahrungen” machen, insbesondere eine wichtige Erfahrung für Kinder die
aufgrund von besonderen Problemen oft ausgegrenzt werden. Ist solch ein “Wir-Gefühl” erst
einmal entstanden, werden die Angelegenheiten Einzelner oft als Problem der ganzen Gruppe
behandelt und stärken so Mitgefühl und Empathie der einzelnen Kinder. Gruppen bieten ganz
besondere Vorteile für Kinder mit gleichen oder ähnlichen Bedürfnissen. Sie fühlen sich zum
Teil mehr verstanden und können unter Umständen ihre eigenen Probleme besser formulieren
und bearbeiten. Gleichzeitig hat Gruppenarbeit natürlich einen finanziellen Vorteil. Sie ist unter
genau definierten Umständen effizienter als eine individuelle Therapie.
Die beiden Autoren zeigen aber auch Grenzen auf, Problemkonstellationen, in denen
Gruppenarbeit wenig sinnvoll und sogar kontraproduktiv wäre:
- Für Kinder, denen es an einem Minimum an Selbstkontrolle mangelt und die ihre Überaktivität
und Aggressivität (noch) nicht zügeln können;
- für Kinder, die schnell aggressiv werden, die Eigentum zerstören, die Eigentum und Spielzeuge
als Waffe benutzen und deren Reaktionsweisen sich in einem Kontinuum zwischen Desinteresse
und Trotz bewegen;
- für Kinder unterschiedlichen und unvergleichbaren Entwicklungsalters;
- für Kinder mit psychotischen Ausfallerscheinungen, für die die soziale Interaktion in einer
Gruppe einen unerträglichen Stress darstellt;
- für Kinder mit expressiven und rezeptiven Sprachschwierigkeiten und mit der Schwierigkeit,
ihre Frustration anders auszudrücken als durch aggressive Ausbrüche.
Gleichermassen gibt es Kinder, die ihre persönlichen Probleme nicht in einer Gruppe
thematisieren können, dies erschwert die Gruppenarbeit ebenso wie Kinder die ihre Bedürfnisse
nicht vor der Gruppe zurück stecken können. In letzterem liegt allerdings ein Ziel der
Gruppenarbeit: aktuelle Bedürfnisse unter Umständen den aktuellen Bedürfnissen der
Gruppenmehrheit unterzuordnen. Grenzen können zudem natürlich auch infrastrukturelle
51
Voraussetzungen sowie unqualifizierte, ungebildete Gruppenleiter sein.80
5.2 Funktionen und Zielsetzungen
Soziale Gruppenarbeit ist ein ambulantes präventives Angebot, dass im Kinder- und
Jugendhilfegesetz fest verankert ist. Laut §29 heißt es wie folgt: “Die Teilnahme an sozialer
Gruppenarbeit soll älteren Kindern und Jugendlichen bei der Überwindung von
Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen helfen. Soziale Gruppenarbeit soll auf
der Grundlage eines gruppenpädagogischen Konzepts die Entwicklung älterer Kinder und
Jugendlicher durch soziales Lernen in der Gruppe fördern.”81 In dem Gesetzestext werden schon
wichtige Ziele von Sozialer Gruppenarbeit benannt. Da wären die Überwindung von
Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen und die Förderung durch soziales
Lernen. Auf die Möglichkeiten Sozialen Lernens werde ich im nächsten Kapitel genauer
eingehen. Gruppenarbeit ist ein ganzheitlicher Förderansatz, es wirkt einerseits entlastend für
das Kind, andererseits soll eine positive Entwicklung gefördert werden. Weitere Ziele sind:
- Beziehungsaufbau und -vertiefung
- Entwicklung und Verstärkung von (Selbst-) Vertrauen in andere
- Eintreten für eigene Bedürfnisse und Wünsche
- Stärkung des Selbstbewusstseins
- Einübung gruppenspezifischer Verhaltensweise, die auch übertragbar auf andere
Lebensbereiche sein sollen
- Einübung angemessener Konfliktstrategien
- Stärkung des Verantwortungsgefühls
- Vermeidung stationärer Angebote82
Bernstein und Lowy haben zudem vier Hauptströmungen benannt, aus denen sich
Zielformulierungen ableiten:
80
Vgl.: Ebenda: S. 12-20
81
S.: Jugendrecht - SGB VIII; 27. Auflage. S. 27
82
Vgl.: Geldard, Kathryn und David: Helfende Gruppen - Eine Einführung in die Gruppenarbeit mit Kindern.
52
1. Werte der Sozialarbeit
2. Die Ziele der Einrichtung, in der Sozialarbeit mit Gruppen durchgeführt wird
3. Die Ziele der Gruppe
4. Die Ziele des Groupworkers in seiner Eigenschaft als Vertreter eines Berufsstandes, als
Initiator von Veränderungen und als Angehöriger des Personals einer Organisation
(Dienststelle)83
Es ist die Kunst der Gruppenarbeit, diese Zielformulierungen zu koordinieren, um die Ziele auch
erreichen zu können. Neben den individuellen Zielen die für jedes Gruppenmitglied festgelegt
werden, gibt es dementsprechend auch Ziele, die durch die Gruppe erreicht werden sollen. Hier
wird zwischen “Fern- oder Grobzielen” und “Nah- oder Feinzielen” unterschieden. “Nahziele
sind Zielvorstellungen, die kurzfristig und detailliert formuliert werden und sich über das
Gruppenprogramm konkretisieren. Eine Beurteilung des Sinns aufgestellter “Nahziele” ist also
mit der Auswertung der durchgeführten Gruppenarbeit möglich. Den Fernzielen nähert sich die
Gruppe also mit jeder durchgeführten Gruppenstundeneinheit durch das darin verortete und
aktuell durchgeführte Gruppenstundenprogramm.”84
5.3 Soziales Lernen in Gruppen
Soziales Lernen beinhaltet die Fähigkeit in der Gesellschaft zu interagieren, sich einzubringen
und demokratische Grundprinzipien zu vertreten. Voraussetzung für soziales Lernen ist meiner
Meinung nach die soziale Kompetenz. Dazu zählen unter anderem Selbstvertrauen, Empathie,
Toleranz, Respekt, Kooperation, Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Verantwortung, Emotionale
Intelligenz etc. Gruppen bieten hierfür ein ideales Lernfeld. Kinder können in einem geschützten
Rahmen unterschiedliche Rollen ausprobieren, sie können durch Feedback ihre
Eigenwahrnehmung verbessern, Fremdwahrnehmung schulen und in Konfliktsituationen stehen
sie nicht alleine da sondern können unterschiedliche Strategien ausprobieren und Hilfe erfragen.
Gruppen können auch neue Strategien aufzeigen, verinnerlichte Verhaltensmuster aufbrechen
und neue Muster einüben. Soziale Kompetenz ist meiner Meinung nach nur in Gruppen lernbar.
83
Vgl.: Bernstein, Saul; Lowy, Louis: Neue Untersuchungen zur Sozialen Gruppenarbeit. S. 32
84
S.: Schmidt-Grunert, Marianne: Soziale Arbeit mit Gruppen - Eine Einführung. S. 87
53
In Einzelberatungen kann diese nicht adäquat vermittelt werden, da sie nur im Austausch und
Ausprobieren mit anderen erlernbar ist.
5.4 Das „Entwicklungsstufenmodell“ (Developmental Model)
Entwickelt wurde das Modell schon in den 1960er Jahren von Garland, Jones und Kolodny an
der School of Social Work in Boston, USA und 1969 von den Autoren Bernstein und Lowy
veröffentlicht. Es soll Gruppenprozesse deutlich machen und ein theoretisches Hilfsmittel für
die Soziale Gruppenarbeit sein. Hauptthema ist laut diesem Modell die Nähe, also die
Beziehungen der Gruppenmitglieder untereinander. Ihrer Meinung nach verändern sich die
Beziehungen im Laufe der Gruppenentwicklung in ihrer Qualität und werden auch durch die
Gruppenmitglieder auf unterschiedliche Weise wahrgenommen.
Das Entwicklungsstufenmodell besteht aus fünf Entwicklungsstufen, die nach Meinung der
Autoren in allen Sozialen Gruppen auftreten, ein Unterschied kann in der Ausprägung der
Phasen bestehen.85 Ziel des Groupworkers sollte es sein, durch Interventionen und die
Programmgestaltung, “den Prozeß der Gruppe so zu steuern, dass sie möglichst rasch die
Entwicklungsstufe oder Phase erreicht, in der optimales Arbeiten oder Lernen möglich ist.”86
Es folgt nun eine kurze Zusammenfassung der fünf Entwicklungsstufen:
1. Entwicklungsstufe:
Dies ist die Orientierungsphase (‘Forming’), in der das Problem der Gruppenzusammensetzung
gelöst werden muss und erste Ziele für die Gruppe formuliert werden. Kennzeichen für diese
Phase sind das Wechselseitige Kennenlernen, das mit einem Abtasten und Erforschen von
Situation, Gruppenleiter und den übrigen Gruppenmitgliedern einhergeht. Die Teilnehmer geben
noch nicht viel von sich Preis, sind auf sich bezogen und nutzen frühere, erlernte
Kommunikationsmuster. Sie suchen Signale, die ihnen zeigen, dass sie in der Gruppe
willkommen sind.
2. Entwicklungsstufe:
In der Machtkampf - Übergangsphase (‘Storming’) steht die Kontraktklärung im Vordergrund.
85
Vgl.: Ebenda: S. 173-174
86
S.: Krapohl, Lothar in: Nebel, Georg; W oltmann-Zingsheim, Bernd (Hrsg.): W erkbuch für das Arbeiten mit
Gruppen. S.40
54
Drei Hauptprobleme sind in dieser Phase zu lösen. Zum Einen entsteht ein “Machtkampf” in
dem um den “Einfluss” in der Gruppe “gekämpft” wird, auch der Gruppenleiter wird von den
Mitgliedern miteinbezogen. Resultat ist die Vergabe von unterschiedlichen Rollen an die
Teilnehmer der Gruppe. Der zweite Punkt beinhaltet die normative Krise, in der eine stärkere
Auseinandersetzung mit der Gruppenleitung entsteht, die sich bis zu einem Widerstand gegen
die Leitung entwickeln kann. Wenn Mitglieder keine passenden Rollen in der Gruppe für sich
finden, ist ein Verlassen oft möglich. Das dritte Problem das in dieser Phase auftritt ist die Suche
nach Schutz von den ‘Schwächeren’ Gruppenmitgliedern vor den ‘Mächtigeren’. Sobald alle
Mitglieder ihre Rollen akzeptiert haben, kann sich jeder Teilnehmer in der Gruppe als
“autonom” wiederfinden.
3. Entwicklungsstufe:
Die Phase der Vertrautheit (‘Norming’) hat die Aufgabe der emotionalen Beziehungsabklärung,
des Treffens von Entscheidungen und der Konfliktbewältigung. Kennzeichen dieser Phase ist
die Intensivierung des persönlichen Engagements, die Bereitschaft, Gefühle zu äußern und sich
persönlicher innerhalb der Gruppe einzubringen. Außerdem bilden sich Gruppennormen, die
von den Mitgliedern auch vertreten werden, sie sind zudem bereit, in die Gruppe zu investieren.
4. Entwicklungsstufe:
In der Kooperationsphase, oder auch Differenzierungsphase (‘Performing’) sind die wichtigen
Fragen das Lösen von Gruppenaufgaben und das Miteinanderarbeiten. Kennzeichen dieser Phase
sind die Akzeptanz der Gruppenmitglieder untereinander, und die Anerkennung und das
Verständnis für die Funktion der Gruppenleitung. Die Gruppe ist bereit, an sie gestellte
Aufgaben zu erfüllen. Förderung eines starken “Wir-Gefühls”, die Gruppenleitung tritt immer
mehr in den Hintergrund und kann der Gruppe die Bearbeitung von Aufgaben überlassen.
5. Entwicklungsstufe:
Die Phase der Trennung - Ablösung (‘Separation’) beinhaltet zwei wichtige Aufgaben: Erstens
die Klärung, ob die Trennung gruppenentwicklungsbedingt oder durch die Umstände erzwungen
ist, und zweitens die Frage nach der Zukunft. Kennzeichen sind hier häufig Regressionen in
frühere Gruppenentwicklungsstufen und die Rekapitulierung von früheren Gruppenerlebnissen.
Dadurch das die Gruppenerfahrung abgeschlossen ist, streben einzelne Gruppenmitglieder nach
neuen Erfahrungen und Orientierung in anderen Gruppen. Im Gegensatz dazu möchten andere
Mitglieder das Ende nicht akzeptieren und bringen das durch Leugnung des Gruppenendes zum
55
Ausdruck, oder sie entwickeln Phantasien darüber, dass die Gruppe unbedingt gebraucht wird.
Außerdem findet sich auch Trauer über den Verlust der Gruppe.87
Krapohl beschreibt die Gruppe als Trainingsraum, “in dem neue Rollen und soziales Verhalten
erprobt werden können. Die jeweils gemachten Erfahrungen und deren Übertragbarkeit
(Transfer) auf andere Situationen sind in diesem Modell Gegenstand von durchgängiger
Reflexion.” Das Ziel ist seiner Meinung nach erreicht, “wenn die Gruppe für die Teilnehmer zur
Bezugsgruppe geworden ist, aus der sie ihre Verhaltensorientierungen beziehen.”88
Das Entwicklungsstufenmodell kann und darf nur als Reflexionshilfe dienen, nicht aber ein
Ersatz für die situationsspezifische Erklärung beobachteter Verhaltensphänomene in der Gruppe
sein. Eine weitere Kritik ist, das ein Missverständnis entstehen kann, weil angenommen wird,
dass das Phasenmodell die “natürliche” Entwicklung von sozialen Gruppen beschreibe. Aus
diesem Grund ist es ebenso wichtig, dass klargestellt wird, dass die Phasen des
Entwicklungsstufenmodells nur Leitlinien sind, und sie nie in ähnlicher Weise verlaufen,
sondern in jeder Gruppe eine andere Ausprägung entwickeln.89
87
Vgl.: Nebel, Georg; W oltmann-Zingsheim, Bernd (Hrsg.): W erkbuch für das Arbeiten mit Gruppen. S. 362371 und Schmidt-Grunert, Marianne: Soziale Arbeit mit Gruppen - Eine Einführung. S. 173-186
88
S.: Ebenda: S. 41
89
Vgl.: Schmidt-Grunert, Marianne: Soziale Arbeit mit Gruppen - Eine Einführung. S. 179-186
56
6. Hunde in der Gruppenarbeit mit ADHS Kindern
Nachdem ich in den vorherigen Kapiteln die Grundlagen beschrieben und erklärt habe, möchte
ich in diesem Kapitel die Möglichkeiten von Gruppenarbeit mit Hunden und ADHS-Kindern
beschreiben, erläutern und anhand eines Praxisbeispiels in Form von der teilnehmenden
Beobachtung die aufgestellten Hypothesen überprüfen.
6.1 Einsatzmöglichkeiten
Gruppenarbeit mit ADHS-Kindern ist eine Arbeit, die zur Zeit einen Aufschwung erlebt.
Allerdings wird sie häufig nur dort durchgeführt, wo es keine andere Wahl gibt, nämlich in
Kindergärten und -tagesstätten und Offenen Ganztagsschulen. Leider erleben ADHS-Kinder in
diesen “Zwangsgruppen”oft keine oder die falsche Gruppenarbeit, denn häufig ist die
Betreuungssituation schlecht. Betreuer sind oftmals unqualifizierte und überforderte
Ehrenamtliche, die viel zu viele Kinder versorgen müssen. Und selbst wenn qualifiziertes
Personal in den Gruppen ist, sind die Gruppen mit 20-30 Kindern für eine spezifische
pädagogische Gruppenarbeit deutlich zu groß. Wenn Gruppenarbeit mit Hunden und ADHSKindern stattfinden soll kann sie in den Bereichen nur als Extra-Angebot in Form von AG’s
stattfinden. Allerdings bietet sich dann eine Art Belohnungssystem an. Da der Hund wie schon
beschrieben einen großen motivationalen Faktor auf ADHS-Kinder ausübt, kann die
Gruppenarbeit mit Hund als Belohnung für die Kinder eingesetzt werden, die sich in der
Großgruppe bewährt haben, das heißt, es wird über ein Punktesystem ermittelt, welches Kind die
zuvor bestimmten Regeln über einen bestimmten Zeitrahmen eingehalten hat und diese Kinder
dürfen an der Gruppenstunde mit dem Hund teilnehmen. Es ist also ein Privileg, mit dem Hund
zusammen sein zu dürfen und mit ihm gewisse Aufgaben und Ziele zu erfüllen. Sie haben somit
ein Ziel worauf sie hin arbeiten können.
In der Tiergestützten Therapie ist die Einzeltherapie häufig das Mittel der Wahl,
Gruppenangebote gibt es selten. Im Therapeutischen Reiten wird Gruppenarbeit inzwischen
häufiger angewandt und im heilpädagogischen Reiten ist Gruppenarbeit das Mittel der Wahl.
Doch Gruppenarbeit mit Hunden ist zur Zeit noch selten anzutreffen. In der Schulpädagogik
werden Hunde als sogenannte ‘Klassenhunde’ immer beliebter, auch in der Behindertenarbeit.
Mitunter gibt es Hundebesuchsdienste in Kindergärten oder Schulen, die den richtigen Umgang
mit Hunden fördern sollen. Pädagogisch wirksam wird der Hund allerdings immer noch sehr
57
selten eingesetzt, obwohl er viele Möglichkeiten bietet, wie ich im folgenden Praxisbeispiel
deutlich machen werde.
6.1.1 Beschreibung der Einrichtung
Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich eine Einrichtung gesucht, die Tiergestützte Pädagogik
mit Hunden und ADHS-Kindern durchführt. Im Internet bin ich nach längerer Suche fündig
geworden auf der Homepage von Karl Mayer90. Karl Mayer ist Staatlich geprüfter Fachwirt für
Sozialwesen und anerkannter Jugend- und Heimerzieher. Zudem ist er geprüfter und anerkannter
Pädagogik-/ Therapiehundeführer und engagiert sich als 2. Vorsitzender im Berufsverband
Therapiebegleithunde Deutschland e.V. Er hat zusammen mit seiner Frau drei Hunde, einer ist
bereits ausgebildeter Therapiehund, dieser arbeitet im Team mit Herrn Mayer. Der zweite
befindet sich gemeinsam mit Frau Mayer in der Ausbildung zum Therapiehundeteam, und der
dritte ist noch sehr jung und wird im Laufe der Zeit seine Ausbildung erhalten. Herr Mayer
arbeitet in verschiedenen Bereichen mit seinem Hund “Tayler”. Hauptsächlich ist er in einer
Tagesgruppe für Erziehungsschwierige Kinder beschäftigt, in der er mit seinem Hund
tiergestützt arbeitet. In diesem Kontext habe ich ihn auch besucht und meine Beobachtungen
vorgenommen. Daneben bietet er tiergestützte therapeutische Begleitung an und auch
sogenannte “Tier-AGs” an Schulen, in denen Kinder den richtigen Umgang mit dem Hund
lernen sollen. Zusätzlich hält er Vorträge und Seminare für Interessierte, die mehr über
Tiergestützte Pädagogik wissen wollen.
Die Tagesgruppe für Erziehungsschwierige Kinder ist ein Teil der Diakonischen Jugendhilfe
Region Heilbronn e.V.91 und wird neben Herrn Mayer von einem Sozialpädagogen geleitet. Die
Tagesgruppe bietet Platz für zur Zeit neun Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren. Zu dem
Zeitpunkt meiner Hospitation sind von den neun Kindern acht Jungen und ein Mädchen. Herr
Mayer teilt mir allerdings mit, dass die Gruppe in einem Wechsel von Kindern steckt, es ist
geplant mindestens ein weiteres Mädchen in die Gruppe zu nehmen und den ursprünglichen
Stand von acht Kindern wieder herzustellen. Die Tagesgruppe ist speziell für Kinder
eingerichtet, die aufgrund von Entwicklungsdefiziten, Erziehungsschwierigkeiten und einem
90
S.: www.paeddog.de (Stand: 18.8.2008)
91
S.: www.djhn.de (Stand: 18.8.2008)
58
ungenügenden Sozialverhalten die Schule für Erziehungsschwierige Kinder besuchen. Häufig ist
es so, dass die Schwierigkeiten der Kinder in einem problematischen Elternhaus begründet sind,
oder die Eltern mit dem Oppositionellen Verhalten des Kindes nicht zurecht kommen. Aus
diesem Grund wird mit Hilfe des Jugendamtes ein Platz in einer Tagesgruppe eingerichtet, so
dass die Kinder einen noch besseren Lernerfolg erfahren können. Denn die Mitarbeiter der
Schule arbeiten sehr eng mit den Mitarbeitern der Tagesgruppe zusammen und binden ebenfalls
die Eltern in diese Kooperation mit ein. Die Tagesgruppe ist offen von 11.30 Uhr bis 17.00 Uhr,
die Kinder kommen direkt nach der Schule in die Gruppe. In der Tagesgruppe “Oase”, dessen
Leiter Herr Mayer ist, ist eine klare Strukturierung vorgegeben. Da die Hälfte der Kinder eine
ADHS Problematik hat und auch medikamentös behandelt wird, ist eine strenge Regelführung
sehr wichtig. Zudem kommt natürlich der Einsatz des Hundes dazu, der eindeutige Strukturen
erwartet. Darauf gehe ich in den folgenden Kapiteln noch genauer ein.
Folgende Tagesstrukturierung ist jeden Tag gleich:
11.30-12.45: Ankommen der Kinder aus dem Unterricht, die Betreuer lesen die Tagebücher der
Kinder in denen alle drei Parteien (Lehrer, Tagesgruppenleiter und Eltern) alles Wichtige
notieren, was das Kind betrifft, zum Beispiel Hausaufgaben, Strafarbeiten, sonstige
Rückmeldungen.
Zwischen 13.00 und 13.30 gibt es gemeinsames Mittagessen, das von den Kindern in
wechselndem Dienst vorbereitet wird. Das Essen wird von einer Großküche geliefert, die Kinder
kümmern sich selbstständig um das Decken des Tisches.
Nach dem Mittagessen, gegen 14.00 findet die “Entspannung” statt. Es gibt einen separaten
Raum, in dem Matratzen und Kissen liegen und die Kinder dürfen sich dort hinlegen und
bekommen entweder eine kleine Geschichte vorgelesen, oder machen eine ‘Fantasiereise’ oder
sogar ‘Entspannung mit dem Hund’. Die Entspannung dauert durchschnittlich zwanzig Minuten
und an den beiden Tagen an denen ich teilgenommen habe - einmal mit Hund und einmal ohne
Hund - sind tatsächlich alle teilnehmenden Kinder eingeschlafen und mussten nach den zwanzig
Minuten geweckt werden.
Ab 14.30 werden in der Tagesgruppe Hausaufgaben gemacht. Die Kinder sind dafür in zwei
Gruppen zu je vier Kindern aufgeteilt, jede Gruppe arbeitet mit je einem Betreuer in einem
separaten Raum in dem die Schreibtische durch Regale optisch voneinander getrennt sind.
Zusätzlich hat Herr Mayer einen Punkteplan entwickelt. Pro Tag bekommen die Kinder dort
59
zwei positive oder negative Punkte. Jedes Kind gibt nach den Hausaufgaben seine eigene
Einschätzung dazu ab, wie sein Verhalten, seine Konzentration und seine Aufmerksamkeit
während der Hausaufgaben war, ob es gestört hat oder sich an die Regeln gehalten hat. Dann
können die anderen Kinder ebenfalls ihre Beobachtung in Hinblick auf dieses Kind mitteilen
und zum Schluss gibt der Betreuer seine Rückmeldung an das Kind. Bekommt das Kind an
diesem Tag zwei positive Rückmeldungen, so darf es ein Leckerli aus der Dose nehmen und
dem Hund geben. Hat es in einer Woche eine bestimmte Anzahl von positiven Punkten
bekommen, erhält es ein ‘Wochenplus’. Die Kinder, die innerhalb eines Zeitrahmens von ca.
einem Jahr genügend ‘Wochenplusse’ gesammelt haben, dürfen an einer größeren Aktion
teilnehmen, wie zum Beispiel ein Ausflug ins Schwimmbad oder in den Zoo, oder ähnliches.
Wenn die Hausaufgaben beendet sind, beginnt das Nachmittagsprogramm. Häufig dauert der
vorangegangene ‘Pflichtteil’ ziemlich lange, so dass für das Nachmittagsprogramm nicht mehr
viel Zeit bleibt. Zum Programm gehört jeden Tag eine andere Aktivität. Die Kinder können aus
zwei verschiedenen Angeboten pro Tag auswählen. Herr Mayer bietet drei Mal in der Woche ein
Programm mit Hund an, dazu gehört zum einen Psychomotorik mit dem Hund, die PaeddogAssistentenausbildung und Gaukeley mit dem Hund. In der Psychomotorik steht vor allem die
Förderung von Grob- und Feinmotorik im Vordergrund, aber durch gezielte Gruppenübungen
auch Förderung der Kommunikation, Abstimmung und Einstellung auf andere
Gruppenmitglieder. In der Psychomotorik werden unterschiedliche Bewegungsabläufe mit dem
Hund trainiert, z.B. werden Hindernisse aufgebaut, die erst das Kind durchlaufen muss um dann
den Hund dadurch führen zu können. Gleichzeitig ist schon das Einüben der unterschiedlichen
Kommandos ein Trainieren der Koordination von Hand und Sprachsteuerung, da die Kinder
gleichzeitig mit dem sprachlichen Kommando ‘Sitz’ ein Handzeichen mit der rechten Hand
geben müssen und mit der linken Hand kurz darauf, wenn der Hund das Kommando ausgeführt
hat, dem Hund das Leckerli als Belohnung geben müssen. Dies erfordert viel Koordination von
Bewegungsabläufen.
Die Päddog-Assistentenausbildung hat Herr Mayer selbst entwickelt und setzt sich aus drei
Teilen zusammen: dem Theorieteil, dem Praxisteil und dem Prüfungsteil. Im Theorieteil werden
zunächst die Regeln zum richtigen Umgang mit Hunden in einem Video vorgestellt und in
Verbindung mit bisherigen Erlebnissen und Erfahrungen der Kinder in der Gruppe besprochen.
Weiterhin werden Arbeitsblätter zu unterschiedlichen Hundethemen bearbeitet, wie
60
beispielsweise Abstammung, Verhalten, Körper, Sinnesorgane, Hunderassen, Hundeberufe,
Hundesprache. Das dritte Element ist das Brettspiel “Jolly Hundequiz”, das in der Gruppe
gespielt wird, dabei gibt es keine Gewinner oder Verlierer, das Spiel wird mit gegenseitiger
Unterstützung und Hilfe so lange gespielt, bis jeder das Ziel erreicht hat. Der Praxisteil enthält
ebenfalls mehrere Elemente. Als Erstes lernt das Kind richtig Kommandos zu geben, so dass der
Hund sie auch versteht und ausführen kann. Dann übt das Kind zunächst ohne Hund
verschiedene Techniken des Frisbee-Wurfes um dies im Anschluss mit dem Hund so zu
trainieren, das dieser die Frisbee fangen kann. Das dritte Element des praktischen Teils ist der
Hindernisparcours, der auch so ähnlich in der Psychomotorik eingesetzt wird. Hierbei wird
zunächst im Team ein Modell eines Parcours aufgestellt und überlegt, wie der Hund diesen
überwinden kann und soll. Dann wird dieser in Originalgröße aufgebaut und die Kinder führen
sich im Rollenwechsel durch den Parcours, bevor dann der Hund den Parcours mit Hilfe der
richtigen Kommandos (nur mit Stimme und Körpersprache) der Kinder bewältigen muss.
Der letzte Teil der Päddog-Assistentenausbildung ist der Prüfungsteil. Dieser besteht aus dem
Theoretischen und dem Praktischen Teil. Bei dem theoretischen Prüfungsteil muss das Kind die
Regeln zum richtigen Umgang mit dem Hund kennen und einige davon in der Gruppe mit
Beispielen erklären können. Danach müssen zehn Fragen zu den Arbeitsblättern schriftlich
beantwortet werden und als letztes Element wird das Spiel ‘Jolly Hundequiz’ in der Gruppe
gemeinsam bis zum Ende gespielt. Der praktische Prüfungsteil beinhaltet zum Einen drei
Aufforderungen: Das Kind soll den Hund aus fünfzehn Metern Entfernung mit ‘Komm’ zu sich
rufen, ihn mit ‘Sitz’ vor sich sitzen lassen und sich bei ‘Pfote’ die Pfote geben lassen. Danach
sind drei Frisbeewürfe gefordert, die so geworfen werden sollen, dass der Hund sie auch alle drei
fangen kann. Der letzte Teil der praktischen Prüfung ist der Hindernisparcours, der in einem
zweier Team an einem Modell entworfen wurde, und nun in Originalgröße gebaut und fehlerfrei
bewältigt werden soll. Fehlerfrei heißt aber in dem Fall, dass Fehler gemacht werden dürfen, sie
aber bemerkt und korrigiert werden sollen.
Sind alle Prüfungsteile bestanden, so bekommt der Prüfling einen “TherapiebegleithundTrainerassistenten-Ausweis” und im Rahmen einer kleinen Feier wird er zum
“Therapiebegleithund-Assistenten” ernannt und erhält damit die Berechtigung, das
Therapiebegleithund-team auch bei öffentlichen Einsätzen zu begleiten und zu unterstützen.
Die Päddog-Gaukeley, die ebenfalls zum Nachmittagsprogramm dazugehört, ist ein Konzept,
61
dass auf den Erfahrungen der Päddog-Akademie aufbaut und neben der tiergestützten Pädagogik
Elemente verschiedener darstellender Künste miteinbezieht wie beispielsweise Zirkus, Zauberei
und Akrobatik. “Die Kinder erarbeiten sich, ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend,
kleine Kunststücke, Darbietungen und sehenswerte Tricks. Diese üben und trainieren sie in
Kleingruppen bis zur ‘Vorstellungsreife’. Diese unterschiedlichen Darbietungen werden dann in
Gemeinschaftsarbeit der Gesamtgruppe mit einer ‘Choreographie’ versehen, gemeinsam
einstudiert, immer wieder geübt und dann im Stile einer ‘Gauklertruppe’ zu verschiedenen
Anlässen vor Publikum aufgeführt. Möglichkeiten für Vorführungen bieten sich bei SchulVereins- Strassen- oder Stadtfesten im Lebensfeld der Kinder, bei Besuchen in Kindergärten,
Seniorenheimen etc.”92
Andere Nachmittagsprogramme, die ohne Hund angeboten werden sind zum Beispiel: ein
Computerkurs, Zauberei, ein Sportprogramm und Gaukeley ohne Hund.
Der Hund ist an insgesamt nur drei Tagen mit in der Tagesgruppe. Herr Mayer hat auch jederzeit
die Möglichkeit, den Hund wieder aus der Gruppe herauszunehmen, sollten die Kinder sich an
abgemachte Regeln nicht halten. Sind sie zum Beispiel trotz mehrmaligem Ermahnen zu laut,
oder rennen herum, so wird der Hund aus der Gruppe genommen und kommt erst wieder, wenn
die Regeln wieder befolgt werden. Da die meisten Kinder sehr viel Wert auf die Anwesenheit
des Hundes legen, reicht meistens schon die Androhung, und sie akzeptieren die Regeln und
setzen sich auch innerhalb der Gruppe für die Einhaltung der Regeln ein. Außerdem legt Herr
Mayer viel Wert darauf, das sein Hund genügend Ausgleich zu seiner ‘Arbeit’ hat, er geht
morgens und abends jeweils eine Stunde mit ihm spazieren und betreibt selber aktiv Hundesport
mit ihm (Disc-Dogging93).
6.1.2 Teilnehmende Beobachtung
Es gibt unterschiedliche Techniken um eine Überprüfung von Hypothesen vorzunehmen. Sie
haben zunächst den Charakter von Hilfsmitteln und sollen eigene Hypothesen überprüfen oder
verwerfen. Forschungstechniken sind beispielsweise die Dokumentenanalyse, die Befragung
92
S.: www.paeddog.de/39238/180522.html (Stand: 18.8.2008)
93
Disc-Dogging: auch Hundefrisbee genannt. Näheres hier: http://www.paeddog.de/39238/47077.html (Stand:
18.8.2008)
62
(Interview) und die Beobachtung. Da ich mich für die Beobachtung als Technik entschieden
habe, will ich kurz näher darauf eingehen. Der Gegenstand ist das “effektive soziale Verhalten
von Individuen oder Gruppen.”94 Um meine Hypothesen überprüfen zu können, habe ich die
teilnehmende Beobachtung ausgewählt, da dort eine direkte, persönliche Beziehung mit den
Beobachteten im Vordergrund steht. Der Beobachter ist Teil der natürlichen Lebenssituation und
kann so näher am Gegenstand sein und die Innenperspektive besser erheben. Als Problem stellt
sich bei der Teilnehmenden Beobachtung der Zugang zum Untersuchungsfeld dar, denn der
Beobachter möchte nicht Störfaktor sein, damit die Beobachtungsergebnisse nicht verfälscht
werden. Wichtig ist ein zuvor genau überlegter Beobachtungsleitfaden, der verinnerlicht und
Grundlage für die Beobachtungsprotokolle sein sollte. Diese sollen sich auf den Leitfaden
beziehen, können aber durchaus darüber hinausgehen.95 Philipp Mayring hat einen Ablaufplan
der teilnehmenden Beobachtung entwickelt, darauf folgt dem Bestimmen der
Beobachtungsdimension und dem Erstellen des Beobachtungsleitfadens das Herstellen des
Kontakts zum Untersuchungsfeld. Weiterhin kommt im Anschluss daran das Handeln im Feld,
also die teilnehmende Beobachtung währenddessen Feldnotizen und Beobachtungsprotokolle
erstellt werden, basierend auf dem Beobachtungsleitfaden. Mithilfe dieser Notizen und
Protokolle kann dann die Schlussauswertung erfolgen.96
Da ich einen Hospitationszeitraum von zwei Tagen Herrn Mayer vereinbart hatte, und wir den
Termin so legen konnten, dass ich an beiden Tagen die Tiergestützte Arbeit miterleben konnte,
habe ich mir im Vorfeld zwei leitende Fragen überlegt, die ich durch die teilnehmende
Beobachtung zu beantworten erhoffte:
1. Wie wird der Hund (speziell im Hinblick auf ADHS-typisches Verhalten) eingesetzt?
2. Welche Ziele werden (im Hinblick auf die ADHS-Symptomatik) verfolgt?
Ich habe die Fragen sehr offen gelassen, da ich mich nicht einengen wollte und möglichst alle
Aspekte erfassen wollte. Den ersten Tag meiner Hospitation habe ich dazu genutzt, Fragen mit
Herrn Mayer zu klären, und mich in die Gruppe einzufinden, um auszuschließen, dass ich als
Störfaktor wirke. Den zweiten Tag habe ich mich intensiv damit befasst, die Antworten auf
94
S.: Schmidt-Grunert, Marianne: Soziale Arbeit mit Gruppen - Eine Einführung. S. 135
95
Vgl.: Mayring, Philipp: Einführung in die Qualitative Sozialforschung. S.80-82
96
Vgl.: Ebenda: S. 83
63
meine Fragen zu finden. Deswegen habe ich speziell die Kinder beobachtet, bei denen eine
ADHS insofern vorhanden war, als das sie medikamentös behandelt wurden. Im folgenden
werde ich die Ergebnisse meiner Beobachtung dokumentieren.
6.1.3 Ergebnisse
Mein erster Schwerpunkt in der Beobachtung lag in den Einsatzmöglichkeiten des Hundes. Ich
wollte wissen, in welchen Bereichen der Hund eingesetzt wurde und wie die Durchführung
aussah. Im folgenden werde ich das in Stichworten gefertigte Beobachtungsprotokoll als
Grundlage für die Beschreibung der Ergebnisse nutzen.
Ein sehr wichtiger aber schwer greifbarer Punkt ist meines Erachtens die Schaffung eines
positiven Klimas durch den Hund. Dieses positive Klima ist Basis für jede tiergestützte Arbeit,
ich habe folgendes beobachten können: die Kinder kommen mit einer positiveren Einstellung
in die Gruppe, sie begrüßen den Hund und erhalten eine ebenso nette Begrüßung durch den
Hund, dadurch werden eventuelle negative Erlebnisse, die zuvor in der Schule stattgefunden
haben schnell vergessen und ein positives Grundgefühl entsteht. Dieses positive Klima zieht
sich durch die gesamte gemeinsame Zeit hindurch, nicht zu vergessen ist auch die positive
Grundstimmung der Gruppenleiter, die das Klima ebenso maßgeblich bestimmen. Während
meiner Beobachtung konnte ich den ganzen Tag eine sehr angenehme Stimmung gegenüber den
Kindern beobachten. Es wurde sehr ruhig mit den Kindern gesprochen und alle Entscheidungen
wurden den Kindern bei Bedarf erklärt. Der Hund war in der Anfangszeit bis nach dem
Mittagessen einfach nur “da”. Trotzdem waren den Kindern verschiedene Regeln bekannt, die
sie wegen dem Hund beachten mussten. Beispielsweise durfte in den Räumen nicht gerannt und
geschrien werden. Es muss Rücksicht auf den Hund genommen werden, er hat ein empfindliches
Gehör und darf daher keinen lauten Schrei-Geräuschen ausgesetzt werden. Auch soll der Hund
die Möglichkeit haben, sich ausruhen zu können, Hunde schlafen um die achtzehn Stunden am
Tag. Hier wird der Hund sozusagen als Mitglied der Gruppe eingesetzt, auf das Rücksicht
genommen werden muss. Dadurch dass Herr Mayer die Regeln anhand von Beispielen am Hund
deutlich gemacht hat, können die Kinder sie besser erinnern und sehen zudem einen Sinn in der
Umsetzung. Oftmals ist es doch so, dass Regeln aufgestellt werden, der Sinn den Kindern aber
verborgen bleibt. Und ohne Sinnhaftigkeit ist die Akzeptanz sehr gering.
Während dem Mittagessen ist der Hund ebenfalls anwesend, erfüllt aber keine zusätzliche
64
Funktion. Erst in der Entspannung wird der Hund direkt eingesetzt. Zum einen soll er durch
seine Anwesenheit zu einer stressfreieren Atmosphäre beitragen, zum anderen nutzte Herr
Mayer den Hund auch direkt am Kind. Während eine entspannende Musik im Hintergrund läuft
und die Kinder auf Matratzen und Kissen liegen, sucht Herr Mayer ein oder zwei Kinder aus, die
an diesem Tag positiv aufgefallen sind. Dann dirigiert er den Hund so, dass er sich direkt neben
das Kind legt, so dass dieses eine Hand auf den Hund legen kann und sein weiches Fell spüren
kann, den Atem und den Herzschlag. Das Kind erfährt so zum Einen Geborgenheit, Ruhe,
Entspannung, zum Anderen aber auch eine sehr schön positive Rückmeldung zu seinem
Verhalten. Dies ist etwas, wofür es sich lohnt, sein Verhalten zu ändern und zu verbessern!
Während den Hausaufgaben dient der Hund als Ruhestifter. Er soll die Regeln repräsentieren
und die Kinder motivieren, ihre Hausaufgaben ruhig, schnell und ordentlich zu erledigen. Denn
zusätzlich wird mit einem Verstärkerplan positives Verhalten gefördert. Bei genügend positiven
Rückmeldungen pro Tag, darf das Kind dem Hund ein Leckerli geben.
In den Nachmittagsprogrammen wird der Hund gezielt eingesetzt. Je nach individuellen
Fördermaßnahmen wird der Hund schwerpunktmäßig eingesetzt. In der Gruppe Psychomotorik
steht die Motorikförderung im Vordergrund, die mit Hilfe des Hundes spielerisch gefördert
wird. In der Päddog-Akademie und der Päddog Gaukeley ist ebenfalls der Hund Hauptakteur
neben den Kindern.
Ich konnte also zwei verschiedene Einsatzmöglichkeiten des Hundes beobachten: Einmal den
indirekten Einsatz, indem der Hund indirekt auf die Kinder wirkt (als Mitglied der Gruppe) und
daneben den direkten Einsatz, indem der Hund gezielt zur Förderung unterschiedlicher Ziele
eingesetzt wurde.
Daran schließt sich direkt meine zweite Fragestellung an: Welche Ziele wurden verfolgt,
insbesondere im Hinblick auf die ADHS-Problematik? In dem Beobachtungsleitfaden habe ich
die wichtigsten Kriterien einer ADHS nochmal kurz zusammengefasst, um die Ziele auch mit
dem passenden Hintergrundwissen zu beobachten. Darunter fallen die drei Hauptsymptome
Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Motivation ist ein überaus wichtiges
Stichwort. Kinder mit ADHS sind durchaus in der Lage längere Zeit die Aufmerksamkeit bei
Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten - solange sie motiviert sind. Das Thema für
diese Kinder besteht also zum Größten Teil in der Frage, wie ist es möglich, die Motivation
herzustellen. In meinen Beobachtungen wird der Hund ganz deutlich mit dem Ziel eingesetzt, als
65
Motivator für unterschiedliche Bereiche zu fungieren. In der allgemeinen Gruppenzeit dient der
Hund als Motivator, sich an Regeln zu halten. Wenn die Gruppe - und dazu zählt jedes Kind sich nicht an die Regeln hält, kann dies dazu führen, dass der Hund nicht mehr in die
Tagesgruppe kommt. Beobachten konnte ich, dass die Leiter kein einziges Mal auf die Regeln
hinweisen mussten. Sobald ein Kind zu laut wurde, durch den Flur rannte oder weil es auf ein
anderes Kind sauer war mit einem Gegenstand warf, traten andere Kinder sehr deutlich für die
Regeln ein. “Nicht so laut, sonst darf der Tayler nicht mehr kommen!” In der Entspannung dient
der Hund ebenfalls als Motivator, wer bis zur Entspannung ein positives Verhalten gezeigt hat,
darf sich mit dem Hund zusammen entspannen. Ebenso während der Hausaufgaben. Neben dem
Verstärkerplan der ohne den Hund nicht funktionieren kann, wissen die Kinder, wenn sie ihre
Hausaufgaben ordentlich und schnell erledigen, können sie mehr Zeit in den
Nachmittagsprogrammen mit dem Hund verbringen. Dort dient der Hund als Motivator für das
Durchhaltevermögen und die Aufmerksamkeit der Kinder. In der Päddog-Akademie, in der das
Ziel der Therapiebegleithund-Trainerassistent ist, motiviert neben den Privilegien, die dem
Inhaber des Ausweises zuteil werden auch der Hund an sich zu Durchhaltevermögen und
Aufmerksamkeit. Denn wer möchte nicht wissen, wie man einen Hund erziehen, ihm Tricks
beibringen und mit ihm kommunizieren kann? Hier wird gleichzeitig das Selbstbewusstsein
gefördert, der Ausweis wird mit viel Stolz getragen. Ein stolzer neuer Besitzer des PäddogAusweises hat ihn mir kurz nach seiner Ankunft in der Tagesgruppe präsentiert und konnte mir
auch direkt erklären, wofür dieser gut ist. Diese Stärkung des Selbstbewusstseins funktioniert
auch außerhalb der Tagesgruppe, denn die Kinder tragen den ‘Beweis’ für ihr Können in Form
von dem Päddog-Ausweis immer mit sich herum. Stärkung des Selbstbewusstseins, ist ein
extrem wichtiger Punkt für Kinder mit ADHS. In ihrem Umfeld erfahren sie nur zu oft eine
Erniedrigung. Wenn sie immer wieder ermahnt werden, ihnen zum wiederholten Mal gesagt
werden, was sie schon wieder falsch gemacht haben, obwohl sie es doch so gut es ging versucht
haben, oder auch gar nicht genau wissen, wie sie es besser machen können. Meistens steckt ja
keine Absicht hinter ihrer Vergesslichkeit, ihrer Unaufmerksamkeit und ihrer Impulsivität. Und
trotzdem erfahren sie in der Familie, im Kindergarten und in der Schule immer wieder
ablehnendes Verhalten, nicht nur durch Erzieher, Eltern und Lehrer, sondern auch durch
Klassenkameraden und Freunde. Sonderbares Verhalten eckt immer wieder an, ihr
Sozialverhalten ist scheinbar gestört und eigentlich wollen sie doch nur so sein wie die
66
‘anderen’. All dies beeinflusst das Selbstbewusstsein ungemein. In der Tagesgruppe habe ich
beobachten können, wie stolz einzelne Kinder waren, wenn sie etwas mit dem Hund erreicht
haben. Sei es durch den Päddog-Ausweis oder aber in der Psychomotorikstunde, als sie
beispielsweise mit einem Hundeleckerli auf einem Löffel über eine ca. fünf Meter lange und
zehn Zentimeter breite Stange balancieren mussten, um am Ende der Stange in die Hocke zu
gehen und dem Hund das Leckerli auf dem Löffel zu geben ohne das es herunterfällt.
In der Entspannung fördert der Hund das ‘zur Ruhe kommen’ und das aktive Entspannen.
Alleine durch seine Anwesenheit wird Stress reduziert, die Kinder können sich ausruhen haben
den Hund als ‘Beschützer’ dabei.
Der Hund wurde direkt eingesetzt, um Verantwortungsübernahme zu lernen und auszuprobieren.
Den Kindern werden Aufgaben übertragen, wie beispielsweise die Versorgung des Hundes mit
Wasser. Es ist wichtig, dass jederzeit frisches Wasser für den Hund bereitsteht, wenn ein Kind
dafür geeignet ist, wird ihm die Verantwortung übertragen. Sollte es seine Aufgaben aus
irgendeinem Grund nicht mehr ernst nehmen, werden ihm die Aufgaben wieder entzogen und es
muss sich das Vertrauen wieder neu erarbeiten. Neben der Bereitstellung des Wassers, ist auch
die regelmäßig Pflege des Hundes sehr wichtig. Der Hund hatte zum Beispiel noch einige
Kletten im Fell, von dem Spaziergang am vormittag. Die Kinder fragten Herrn Mayer, nachdem
sie dies festgestellt hatten, ob sie ihm die Kletten vorsichtig entfernen dürften. Zur
Verantwortungsübernahme gehören aber auch die Beobachtung und das Einfühlen in den Hund.
Ich konnte beobachten, wie einem Jungen auffiel, dass der Hund in seinen Augen traurig aussah.
Er wunderte sich warum dies so wäre und machte sich Gedanken darum, ob er eventuell der
Auslöser dafür sein könnte, und was er dagegen tun könnte. Dazu gehört einerseits das Wissen
um die Körpersprache des Hundes, aber auch eine gute Beobachtung um die Signale des Hundes
wahrzunehmen. Gleichzeitig muss Einfühlungsvermögen und Empathie vorhanden sein, damit
das Kind die richtigen Rückschlüsse ziehen kann. Zum Beispiel: Der Hund zieht sich vor mir
zurück, weil ich zu laut/zu hektisch/zu trampelig war. Wenn ich dieses Verhalten abschalte,
nähert er sich mir wieder an/will wieder was mit mir zu tun haben. Dieses Verhalten konnte ich
des öfteren bei den Kindern beobachten. Insbesondere die Kinder die schon länger in der Gruppe
waren beobachteten sehr genau wie die Kinder die noch relativ neu in der Gruppe waren mit
dem Hund umgingen und korrigierten diese und wiesen sie unermüdlich auf die Regeln hin.
Ihnen war es scheinbar sehr wichtig, dass der Hund weiterhin in der Gruppe bleiben konnte.
67
Weiterhin konnte ich den Hund als Hilfe bei der Förderung der Psychomotorik beobachten. In
der Nachmittagsstunde wurde spielerisch mit dem Hund die Fein- und Grobmotorik gefördert
durch unterschiedliche Spiele mit dem Hund. Kommandos wurden eingeübt, die Kinder mussten
einen kleinen Parcours bewältigen, oder dem Hund das Leckerli mit den Zehen aufheben und
geben. Die Koordination wird durch die komplexen Kommandos gefördert, die gleichzeitig
sprachlich und körpersprachlich gegeben werden. Ebenso wird das Durchhaltevermögen und
Durchsetzungsvermögen gefördert. Sind die Kinder abwesend, geben die Kommandos falsch
oder zur falschen Zeit, so führt der Hund die Kommandos nicht aus. Reagieren die Kinder nun
genervt oder in einem anderen erlernten Muster wie Aggressivität, wird der Hund sich abwenden
und einer anderen Beschäftigung zuwenden. Die Kinder lernen so, alte Verhaltensmuster zu
durchbrechen und in einem geschützten Rahmen neues auszuprobieren. Sie müssen
Durchhaltevermögen beweisen, aber auch Durchsetzungsvermögen. Der Hund befolgt die
Kommandos nicht, wenn das Kind nicht deutlich macht, was es von ihm will. Ein Hund kann
auch mal testen, meint das Kind seine Aufforderung wirklich ernst, oder kann ich doch lieber
das tun, was mir Spaß macht? Während meiner Beobachtung unterhielt sich Herr Mayer mit
jemandem. Der Hund war schon im Raum, bewegte sich frei. Ein Kind hatte die Aufgabe, dem
Hund die Füße mit einem Handtuch abzuwischen, weil es auf dem Weg in den Raum geregnet
hatte. In dem Raum roch es für den Hund sehr spannend, er war abgelenkt und sehr damit
beschäftigt, überall zu schnuppern und interessierte sich nicht für die Bemühungen des Kindes.
Das Kind versuchte sehr zaghaft, den Hund dazu zu überreden, stehen zu bleiben um sich die
Pfoten abtrocknen zu lassen. Der Hund schien davon unbeeindruckt und ließ sich bei seiner
Schnuppertour nicht stören. Das Kind krabbelte dem Hund samt Handtuch hinterher, der Hund
zeigte ihm die kalte Schulter. Nach mehreren erfolglosen Versuchen ermunterte Herr Mayer das
Kind, dem Hund ein klares Kommando zu geben, sich durchzusetzen und eine Reaktion des
Hundes zu verlangen. Dem Kind fehlte es ganz deutlich an Selbstorganisation, dies spiegelte der
Hund indem er nicht reagierte. Nachdem das Kind seine Kommandos sortiert hatte und dem
Hund verständlich gemacht hatte, dass er ‘Sitz’ machen sollte, konnte es ihm in Ruhe alle vier
Pfoten abtrocknen. Andere Kinder, die in ihrer Entwicklung bereits weiter fortgeschritten sind
erarbeiten mit dem Hund eigene Problemlösestrategien. Wäre der Junge aus dem Beispiel zuvor
schon so weit gewesen, hätte er ohne die Hilfe von Herrn Mayer auf die Lösung des
Aufmerksamkeitsproblems des Hundes kommen können. Zusätzlich wird auch die Gruppe
68
miteinbezogen. Hat ein Kind Probleme bei der Durchführung unterschiedlicher Kommandos, so
wird zuerst die Gruppe befragt, wie das Kind es doch schaffen könnte. Hier wird die Fähigkeit
trainiert, Lösungen von anderen anzunehmen, und natürlich erst einmal: Sich vor der Gruppe
einzugestehen, dass man Schwierigkeiten hat und Hilfe braucht.
Als elementar wichtig erschienen mir während meiner Beobachtungen die Regeln, die Struktur
und die beiden Gruppenleiter, die diese beiden Punkte sehr deutlich verkörperten. Die beiden
Gruppenleiter haben ein sehr positives Klima verbreitet, aber gleichzeitig die Regeln und die
Struktur der Gruppe sehr deutlich vertreten. Ich denke, ohne dies wäre die Arbeit mit dem Hund
auch nicht möglich. Es wurde sehr deutlich, dass die Regeln von den Kindern verstanden und
akzeptiert wurden, das heißt, dass sie von den Gruppenleitern so entwickelt und formuliert
wurden, dass sie für die Kinder verständlich und akzeptabel waren. Meiner Ansicht nach spielt
der Hund hier natürlich eine große Rolle, weil durch ihn die Möglichkeit besteht, die Regeln gut
erklärbar zu vermitteln und die Kinder einen Grund darin sehen, die Regeln auch einzuhalten. Es
müssen nicht zusätzliche Sanktionen gefunden werden, um die Einhaltung der Regeln
durchzusetzen.
Während meiner Beobachtungen konnte ich verschiedene Ansätze beobachten, die gezielt die
ADHS-typischen Probleme ansprechen sollten. Einige der zuvor beschriebenen Beispiele sollen
eine Verhaltensänderung bewirken, die im Laufe der Zeit von den spezifischen Kind-HundInteraktionen auf andere Kind-Kind-Interaktionen und auch Kind-Erwachsener-Interaktionen
übertragen werden sollen. Zunächst wird also mit dem Kind und dem Hund das Verständnis, das
Kennenlernen von Hundespezifischen Verhalten und der Hundesprache eingeübt. Wenn die
Basis bekannt ist und das Kind genügend Reife zeigt, werden immer mehr Möglichkeiten dazu
genommen, in unterschiedlichen Situationen werden Verhaltensweisen ausprobiert,
verschiedene Rollen eingenommen und Verhalten verändert. Ist das Kind erfolgreich, wendet es
erfolgreiche Strategien, die es im geschützten Rahmen ausprobieren durfte auch im
Lebensumfeld an, in der Tagesgruppe, aber auch in der Familie.
Neben der Verhaltensänderung konnte ich auch die psychosoziale Unterstützung beobachten.
Der Hund verhalf dem Kind zu mehr Selbstbewusstsein, zu mehr Durchsetzungsfähigkeit, zu
mehr Motivation, zu mehr Selbstorganisation, zu mehr Konzentrationsfähigkeit, zu mehr
Gruppen- und Teamfähigkeit und mehr Konfliktfähigkeit.
Die teilnehmende Beobachtung war eine interessante Erfahrung und ich habe meine Hypothesen
69
bestätigt gesehen. Allerdings ist dies in keinem Fall eine wissenschaftliche Überprüfung sondern
einzig und allein eine subjektive Überprüfung der von mir aufgestellten Thesen, dass ein Hund
Kinder mit ADHS unterstützen kann in einem bestimmten Bereich und unter bestimmten
Bedingungen.
6.2 Hunde als Helfer oder Therapeuten?
In der verfügbaren Literatur wird ganz klar betont, dass Hunde niemals ohne einen geschulten
Therapeuten oder Pädagogen eingesetzt werden sollten, genauso wenig wie sie diesen ersetzen
können. “Der Einsatz des Hundes kann immer nur im Team mit einem fachkundigen Menschen
erfolgen.”97 Daneben ist es meines Erachtens ungemein wichtig, dass der Hund mit dem
Therapeuten oder Pädagogen eine Zusatzausbildung als Therapiebegleithund und
Therapiebegleithundeführer absolviert hat. Da die Anerkennung von Tiergestützter Therapie und
Pädagogik in Deutschland nicht einheitlich ist und die Bezeichnungen nicht geschützt sind,
findet natürlich ein Missbrauch dessen statt. Verschiedene Vereine wie der TBD e.V.
(Berufsverband Therapiebegleithunde Deutschland e.V.) betreiben Aufklärung genauso wie
einige qualifizierte Ausbildungsstätten für Tiergestützte Therapie und Pädagogik. Trotzdem gilt
auch hier für Interessierte: Informationen sammeln, Erkundigungen einholen und sich nicht auf
dubiose Angebote einlassen. Es wird einfach auch zu viel Missbrauch betrieben indem
ungeschulte ‘Fachkräfte’ mit ungeeigneten Tieren vermeintlich pädagogisch oder therapeutisch
arbeiten wollen.
Tiergestützte Pädagogik zeigt nur eine positive Wirkung, wenn sie kompetent und mit genügend
Erfahrung und Wissen durchgeführt wird. Es reicht nicht, das die Eltern ihrem ADHS-Kind
einen Hund kaufen und alle Probleme sind gelöst. Es reicht auch nicht, einen Hund mit in die
Klasse zu nehmen und darauf zu warten, dass die Kinder ruhig werden. Ebenfalls ist es nicht
ausreichend, “ein bisschen mit dem Hund und dem Kind zu spielen”. In meinem Praxisbeispiel
ist deutlich geworden, welche Möglichkeiten Tiergestützte Pädagogik mit Hunden bietet, wenn
sie durchdacht und kompetent durchgeführt wird. Der Hund wird aber immer als Helfer
angesehen, er ist niemals alleine mit den Kindern, die Aufsicht über das Ganze haben immer die
97
S.: Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention - Grundlagen, Konzepte,
Praxisfelder. S. 192
70
ausgebildeten Gruppenleiter.
Helfer bedeutet zum einen Medium und zum anderen Gefährte. Der Hund ist Medium im
gruppenpädagogischen Prozess. Er wird gezielt eingesetzt um Verhaltensänderungen
einzuleiten, einzuüben und zu festigen. Der Hund als Gefährte ist die Basis für vertrauensvolle
Beziehungen und später Ausgangspunkt für Psychosoziale Unterstützung.
Ein Tier kann kein Therapeut sein. Es braucht immer einen ‘Übersetzer’, sonst entsteht sehr
schnell eine Überforderung auf einer der beiden Seiten. Entweder das Kind zeigt sich
überfordert, weil es mit den Aufforderungen des Hundes nichts anzufangen weiß, oder der Hund
zeigt sich überfordert, weil er mit den unbeholfenen Aktionen des Kindes nicht umgehen kann.
In beiden Fällen endet das Treffen negativ für das Kind ebenso wie den Hund.
Die Tiergestützte Arbeit mit Pferden hat ein Beziehungsdreieck entworfen um die
Beziehungsgestaltung während der pädagogischen oder therapeutischen Einheit genauer
beschreiben zu können, und auch, um die Arbeit erklärbar zu machen.98 Ich glaube, dass dieses
Beziehungsdreieck auch auf andere Tiere übertragbar ist. Es geht davon aus, das eine Interaktion
zwischen Klient, Pädagoge und Tier stattfindet. Zu Beginn der Intervention ist die Interaktion
zwischen Klient und Tier größer als zwischen Klient und Pädagoge. Dies verdeutlicht die ‘TürÖffner-Funktion’ die Tiere inne haben und die Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung. Gleichzeitig
ist aber auch die Interaktion zwischen Tier und Pädagoge vorhanden und dient als
Vorbildfunktion für Mensch-Tier-Kommunikation. Das Lernen am Modell zeigt in der
Tiergestützten Arbeit eine besonders starke Wirkung und darf daher nicht unterschätzt werden.
Der Pädagoge sollte daher eine positive, vertraute Beziehung zum Tier haben. Die Interaktion
zwischen Klient und Pädagoge beschränkt sich zunächst auf ein ‘Übersetzen’ der Klient-TierKommunikation. Daraus entsteht im Laufe der Zeit eine stabile Beziehung, die
Verhaltensänderungen möglich macht. Der Pädagoge nutzt dafür die Feedback-Möglichkeiten
über das Tier.
In allen vorgestellten theoretischen Grundlagen zur Tiergestützten Pädagogik ist sie unmöglich
realisierbar ohne den geschulten Pädagogen. Seine Vorbildfunktion ist es, die das Lernen am
Modell möglich macht, seine ‘Übersetzungshilfe’ erlaubt die Kommunikation zwischen Tier
und Mensch und sein gezieltes Nutzbarmachen des Tieres in den verschiedenen Prozessen lässt
98
Vgl.: Kröger, Antonius: Partnerschaftlich miteinander umgehen. S. 167-169
71
das Lernen und die Umsetzung durch den Klienten erst zu.
Niemals dürfen die natürlichen Bedürfnisse des Hundes aus den Augen verloren werden, sie
sollten Bestandteil der Arbeit sein. Eine Integration dessen in die pädagogische Arbeit bedeutet
in meinen Augen eine zusätzliche Möglichkeit Empathiefähigkeit, Beobachtungsfähigkeit und
Verantwortungsbewusstsein zu fördern.
Die Frage, ob Tiere als Therapeuten agieren können, lässt sich meiner Meinung nach leicht
beantworten. Allerdings finde ich die in der Sozialen Arbeit immer wieder aufkommende Frage
nach der Brauchbarkeit der Tiergestützten Pädagogik weitaus spannender und schwieriger zu
beantworten. Ebenfalls regt der Hinweis zum Nachdenken an, dass es schon schlecht um die
Berufsgruppe bestellt sein muss, wenn sie schon Tiere als Helfer braucht, um pädagogisch
arbeiten zu können. Beziehungsweise, anders formuliert: wie schlecht steht es um die
Gesellschaft, wenn sie Tiere braucht um zu lernen, wie Beziehungen gestaltet werden? Dieser
Frage werde ich im nun folgenden Punkt nachgehen.
6.3 Vorteile, die der Hund für die Soziale Arbeit bietet
In der Sozialen Arbeit werden seit jeher verschiedenste Medien dazu benutzt, Menschen in
unterschiedlichsten Problemlagen zu unterstützen und sie dazu befähigen, ein selbstständiges
Leben führen zu können. Meines Erachtens nach geht es nicht darum WIE dies erreicht wird,
sondern DAS es erreicht wird. Hilfsmittel wie Kunst, Musik und Sport werden schon seit
langem erfolgreich eingesetzt, Tiergestützte Pädagogik bildet einen weiteren Teil dieser
Methoden. Viele Kompetenzen die Soziale Arbeit in den unterschiedlichsten Bereichen zu
unterstützen versucht, sind mit Hilfe der Tiergestützten Pädagogik ebenfalls zu fördern. Im
Bereich der Pädagogik mit ADHS-Kindern finde ich die Möglichkeiten, die Tiere und
insbesondere Hunde bieten sehr beeindruckend.
Soziale Arbeit bietet Beziehungsaufbau an. Soziale Arbeit braucht Beziehungsgrundlagen, um
wirkungsvoll ihre ‘Arbeit’ durchführen zu können. Häufig gibt es in dem Bereich
Schwierigkeiten, weil die Klienten sich auf keine (professionelle) Beziehung (mehr) einlassen
wollen. Von Menschen lebenslang trainierte Verhaltensmuster und Strategien erschweren die
Lage für professionelle Helfer. Um alte, festgefahrene Verhaltensmuster zu verändern, bedarf es
häufig einiger neuer Ideen. Oft müssen mehrere Ansätze ausprobiert werden, um den ‘richtigen’
Schlüssel zu finden, mit dem die symbolische Tür zu einem Menschen geöffnet werden kann.
72
Ein Tier kann einer dieser Schlüssel sein. Tiere sind Beziehungsprofis, sie bieten auch da
Beziehungen an, wo in der Gesellschaft Ausgrenzung stattfindet. ADHS-Kinder stehen häufig
am Rand der Gesellschaft, sie ecken mit ihrem Verhalten an, oft erfahren sie Aus- und
Abgrenzung, sie haben aufgrund ihrer Störung Schwierigkeiten, langanhaltende Beziehungen
aufzubauen und zu erhalten. Tiere als Beziehungsprofis können ihnen den Beweis dafür liefern,
dass es auch für sie möglich ist, akzeptiert und geliebt zu werden. Häufig sind auch schon zu
viele Beziehungen in die Brüche gegangen, ihr Vertrauen in andere Menschen ist verschwunden.
Ein Tier ist authentisch und kann nicht lügen. Zudem ist die Kommunikation wesentlich
einfacher, da sie sich auf den analogen Bereich beschränkt. Für ADHS-Kinder ein wichtiger
Faktor, denn ihre Probleme hängen in vielen Fällen damit zusammen, dass ihre Wahrnehmung
mit einem Zuviel an Stimulation überfordert ist.
Ein Hund kann also im Bereich der Sozialen Arbeit eine wichtige Funktion als ‘Tür-Öffner’
einnehmen, die Beziehungsarbeit und den Zugang zum Menschen erleichtern. Gleichzeitig ist er
aber auch Motivator für die schwierige Arbeit mit dem Menschen. Verhaltensänderungen sind
zum einen problematisch als das sie erst einmal vom Menschen selbst als änderungsbedürftig
erkannt werden müssen, zum anderen ist die selbstkritische und -reflexive Arbeit immer ein
komplexes und schwieriges Thema, dass nicht selten ein hohes Maß an Eigenverantwortung
benötigt. Ein Hund kann auch in schwierigen Zeiten motivieren, weiter zu machen und nicht
aufzugeben. Denn er bietet gleichzeitig ein direktes Ziel an, nämlich Freundschaft und ein weiter
entferntes Ziel: Kommunikation in dem Sinne, dass der Hund - wenn der Mensch richtig zu
kommunizieren und die Hundesprache zu deuten gelernt hat - die Kommandos befolgt, sich
freudig neue Dinge beibringen lässt und eine intensivere Beziehung einzugehen bereit ist.
Ein weiterer positiver Aspekt den Hunde bieten, ist die Verhaltenskorrektur. Ein Hund ist ein
sehr strukturiertes Tier. Er braucht klare Regeln und Grenzen, auch weil er eine klare
Rangordnung bevorzugt. Als Rudeltier werden schon die Welpen von der Mutter sehr gründlich
erzogen und wenn sie die Möglichkeit bekommen auch in den wichtigsten ersten
Lebensmonaten viel Kontakt zu Artgenossen haben so entwickeln sie ein ausgeprägtes
Sozialverhalten. Hier beziehen sie auch die Menschen mit ein. Das bedeutet, dass Hunde bei
Grenzüberschreitungen deutliche Signale senden. Genauso bei Regelverstößen. Dies können
sich Pädagogen zu Nutze machen indem sie den Hund gezielt dafür einsetzen. In der
pädagogischen Arbeit mit ADHS-Kindern ist dies ein klarer Vorteil, denn sie sind aufgrund der
73
häufigen Verhaltenskorrekturen durch Eltern, Erzieher, Lehrer wenig aufgeschlossen und
reagieren meist mit oppositionellem Trotzverhalten. Ein Hund sendet eindeutige Botschaften
und kann nicht diskutieren. Die Kinder müssen die Grenzen akzeptieren, wenn sie eine
freundschaftliche Beziehung zu dem Tier eingehen möchten, und nur diese ist Grundlage für
jede weitere Arbeit.
Der Hund kann Gesprächsthema sein. Viele Kinder projizieren eigene Gefühle in ein Tier. Diese
Äußerungen bieten häufig die Möglichkeit sich ein Bild über die Problemlage des Kindes zu
machen oder in ein Gespräch einzusteigen. In der Tiergestützten Therapie wird sich dies sehr oft
zu Nutze gemacht. In der Sozialen Gruppenarbeit können diese geäußerten Gefühle Anlass dafür
sein, Einfühlungsvermögen zu fördern. Neben vielen positiven Faktoren, gibt es allerdings auch
Grenzen dieser Methode, diese möchte ich im nächsten Punkt deutlich machen.
6.4 Grenzen
Grenzen für die Tiergestützte Arbeit zeigen sich meiner Meinung nach in den zum Teil
fehlenden wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, die die Wirksamkeit von Tiergestützter
Arbeit dokumentieren und verdeutlichen. Aufgrund dieses Mangels haftet der Tiergestützten
Pädagogik häufig ein Bild an, dass ihr jedwede Wissenschaftlichkeit abspricht, und es als
neuartiger Trend abgetan wird. Grenzen sind auch Uneinheitlichkeiten in der Ausbildung, keine
einheitliche Berufsbezeichnung die den Missbrauch fördert und ein falsches Bild in den Medien,
das Aufklärung bedarf. Grenzen liegen aber auch in Institutionen, die Tiergestützte Arbeit
unmöglich machen können, Mitarbeitern, die ihre Zustimmung verweigern und Vorschriften, die
von Menschen vertreten werden, die für die Tiergestützte Arbeit kein Verständnis aufbringen
können oder wollen.
Grenzen liegen im Tier selber, nicht jedes Tier ist für jede pädagogische Arbeit einsetzbar. Ein
Hund der sehr gut als Verhaltenskorrektor mit ADHS-Kindern eingesetzt werden kann, hat zum
Beispiel Probleme, wenn er in einem Altenheim auf einmal stundenlang gestreichelt werden
soll. Grenzen sind auch im Tierschutz verankert. Es muss zum Beispiel gewährleistet sein, dass
der Hund nicht stundenlang eingesetzt wird ohne eine Möglichkeit zum Rückzug zu haben. Er
muss einen guten Ausgleich zu seiner pädagogischen Arbeit haben, damit er die Freude an der
Arbeit behält. Ebenso muss gewährleistet sein, dass seine natürlichen Bedürfnisse befriedigt
werden können.
74
Grenzen sind auch Hygienevorschriften in Krankenhäusern beispielsweise, oder auch in der
Psychiatrie. Gleichsam müssen Krankheiten beachtet werden, die ein Zusammensein mit einem
Tier gesundheitsgefährdend werden lassen. Allergien sind die problematischsten Krankheiten,
die Tiergestützte Arbeit unmöglich werden lassen.
Nicht zu unterschätzen sind die Menschen, die kein Interesse an Tieren haben. Für sie sind
Tiergestützte Interventionen ungeeignet, sie würden keine Wirkung zeigen.
Als Grenze sehe ich auch die Tierquälerei. Selbst wenn sie ein Symptom ist, dass behandelt
werden kann, darf kein Tier das Leidtragende sein. In einem solchen Fall müssen andere Wege
eingeschlagen werden.
75
7. Fazit
Ich habe in dieser Arbeit versucht die Problematik der Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitäts-Störung deutlich zu machen die sich erstens aus den verschiedenen
Erklärungsansätzen und zweitens aus den daraus resultierenden unterschiedlichen
Behandlungsansätzen ergibt. Darauf aufbauend habe ich versucht ersichtlich zu machen, welche
Ansätze die Tiergestützte Pädagogik bietet, um die Symptomatik der ADHS zu verringern. Um
dies zu erreichen habe ich zunächst die theoretischen Hintergründe der Tiergestützten Arbeit
dargestellt und allgemeine Einflussmöglichkeiten beschrieben. Im Folgenden ging es speziell
um die Wirkungen von Hunden auf Kinder und positive Unterstützungsmöglichkeiten, die der
Hund in der pädagogischen Arbeit bietet. Da es neben der Tiergestützten Pädagogik auch um die
Soziale Gruppenarbeit als Interaktionsspielraum für Kinder mit ADHS geht, habe ich im
weiteren Verlauf die theoretischen Hintergründe der Sozialen Gruppenarbeit kurz umrissen. Der
Kernpunkt dieser Arbeit liegt in der Zusammenführung dieser drei Teile und zeigt sich neben
den Einsatzmöglichkeiten zum Einen in der Einrichtungsbeschreibung und den darauffolgenden
Beobachtungsergebnissen, zum Anderen aber auch in der Reflexion über Vorteile und Grenzen
dieser Methode.
Diese Arbeit zeigt die unterschiedlichen Ansätze und Einflussfaktoren Tiergestützter Pädagogik,
sie zeigt aber meines Erachtens auch, dass noch sehr viel weitere Forschung nötig ist, um die
beobachteten Wirkungen von Hunden auf speziell ADHS-Kinder auch wissenschaftlich zu
untermauern und ihre positiven Einflussmöglichkeiten beweisbar zu machen. Dieses ist ein
Schritt zu einer wissenschaftlich fundierteren Theoriebildung und führt somit auch zu mehr
Anerkennung im pädagogischen Bereich.
Herausstellen möchte ich nochmals, dass ich die Tiergestützte Soziale Gruppenarbeit in keinem
Fall als das Mittel gegen ADHS ansehe und dass diese Methode nur eine
Unterstützungsmöglichkeit sein soll in Ergänzung zu einer nötigen Verhaltenstherapie und/oder
Medikation. Die Behandlung obliegt dem behandelnden Arzt. Ich habe aber sehr deutlich
gemacht, dass es viele Ansätze in dieser Methode gibt, die fördernd und unterstützend wirken
und deshalb ergänzend - wie in meinem Praxisbeispiel - eingesetzt werden können.
76
8. Literaturverzeichnis
Aust-Claus, Elisabeth; Hammer, P.-M.: Das A-D-S-Buch: Auferksamkeits-Defizit-Syndrom neue Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer; neu: das OptiMind- Konzept für
Eltern, Lehrer, Therapeuten. Ratingen: Oberstebrink-Verlag, 2000
Barkley, Russel A.: Das große ADHS-Handbuch für Eltern. Verantwortung übernehmen für
Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität. Bern: Verlag Hans Huber, 2002
Bernstein, Saul; Lowy, Louis: Neue Untersuchungen zur Sozialen Gruppenarbeit. Freiburg im
Breisgau: Lambertus Verlag, 1978
Bundesärztekammer (Hrsg.): Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) Stellungnahme herausgegeben vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des
Wissenschaftlichen Beirats. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2007
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): adhs - was bedeutet das? Essen, 2006
Krause, Klaus-Henning; Dresel, Stefan; Krause, Johanna: Neurobiologie der
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. In: Psycho 26 (2000) Nr. 4 S. 199-208
Döpfner, Manfred; Frölich, Jan; Wolf Metternich, Tanja: Ratgeber ADHS - Informationen für
Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher zu Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätsstörungen. Hogrefe Verlag, 2007
Galuske, Michael: Methoden der Sozialen Arbeit - Eine Einführung. Grundlagentexte
Sozialpädagogik/Sozialarbeit. Weinheim/München: Juventa Verlag, 1999
Geißler, Karlheinz A.; Hege, Marianne: Konzepte sozialpädagogischen Handelns - Ein
Leitfaden für soziale Berufe. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, 2001
77
Geldard, Kathryn und David: Helfende Gruppen - Eine Einführung in die Gruppenarbeit mit
Kindern. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag, 2003
Greiffenhagen, Sylvia; Buck-Werner, Oliver N.: Tiere als Therapie - Neue Wege in Erziehung
und Heilung. Mürlenbach: Kynos Verlag: 2007
Heinemann, Evelyn; Hopf, Hans: AD(H)S - Symptome, Psychodynamik, Fallbeispiele,
Psychoanalytische Theorie und Therapie. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH: 2006
Hüther, Gerald; Bonney, Helmut: Neues vom Zappelphilipp - ADS: verstehen, vorbeugen und
behandeln. Düsseldorf: Patmos Verlag, 2007
Jugendrecht - SGB VIII; 27. Auflage. München: Verlag C.H. Beck, 2006
Krowatschek, Dieter: Kinder brauchen Tiere - Wie Tiere die kindliche Entwicklung fördern.
Düsseldorf: Patmos Verlag, 2007
Kröger, Antonius: Partnerschaftlich miteinander umgehen. Warendorf: Fnverlag, 2005
Lamnek, Siegfried: Qualitative Sozialforschung - Band 1 Methodologie. Weinheim: Beltz
Psychologie Verlags Union, 1995
Mayring, Philipp: Einführung in die Qualitative Sozialforschung. Weinheim und Basel: Beltz
Verlag, 2002
Metzinger, Adalbert: Arbeit mit Gruppen. Freiburg im Breisgau: Lambertus, 1999
Morris, Desmond: Dogwatching - Die Körpersprache des Hundes. München: Wilhelm Heyne
Verlag, 1999
78
Nebel, Georg; Woltmann-Zingsheim, Bernd (Hrsg.): Werkbuch für das Arbeiten mit Gruppen.
Aachen: Kersting, 1997
Neuhaus, Cordula: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - Symptome,
Ursachen, Diagnose und Behandlung. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, 2007
Otterstedt, Carola: Tiere als therapeutische Begleiter - Gesundheit und Lebensfreude durch
Tiere - eine praktische Anleitung. Stuttgart: Frankh-Kosmos Verlags-GmbH und Co.: 2001
Otterstedt, Carola (Hrsg.); Olbrich, Erhard: Menschen brauchen Tiere - Grundlagen und Praxis
der tiergestützten Pädagogik und Therapie. Stuttgart: Frankh-Kosmos Verlags-GmbH und Co.:
2003
Paal, Doren: ADHS - Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Alle Alternativen
zu Ritalin & Co. München: F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung, 2007
Prothmann, Anke: Tiergestützte Kinderpsychotherapie. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH,
2007
Roggensack, Claudia: Mythos ADHS - Konstruktion einer Krankheit durch die
monodisziplinäre Gesundheitsforschung. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme, 2006
Rose, Lotte: Tiere und Soziale Arbeit - Versuch einer kritischen Thematisierung. In: Neue
Praxis - Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolititk Nr. 2 (2006) S. 208224
Schäfer, Ulrike; Gerber, Wolf-Dieter: AD(H)S - Die AufmerksamkeitsdefizitHyperaktivitätsstörung. Ein Ratgeber für Eltern, Erzieher und Lehrer. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht: 2007
79
Schmidt-Grunert, Marianne: Soziale Arbeit mit Gruppen - Eine Einführung. Freiburg im
Breisgau: Lambertus, 2002
Simchen, Helga: ADS - Unkonzentriert, verträumt, zu langsam und viele Fehler im Diktat;
Hilfen für das hypoaktive Kind. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH: 2003
Vernooij, Monika A.; Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention Grundlagen, Konzepte, Praxisfelder. Wiebelsheim: Quelle & Meyer Verlag: 2008
Vopel, Klaus W.: Handbuch für Gruppenleiter/innen. Salzhausen: iskopress, 2000
Weber, Christian: Liebe, Treue, Hundekuchen. In: Focus Nr. 49 (2003)
Wenke, Matthias: ADHS: Diagnose statt Verständnis? Wie eine Krankheit gemacht wird. Eine
phänomenologische Kritik. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel Verlag, 2006
www.paeddog.de (Stand: 18.8.2008)
www.tipi-koeln.de (Stand: 29.7.2008)
www.tiere-als-therapie.de (Stand: 31.7.2008)
www.marcellosendos.ch/comics/ch/1989/04/198904.html (Stand: 26.8.2008)
www.djhn.de (Stand: 18.8.2008)
80
9. Anhang
A: Bewerbung
B: Beobachtungsnotizen
81
A: Bewerbung
Katharina Casper
Algenweg 1
52477 Alsdorf
Geb.-Datum: 09.12.1983
mobil: 0176-24632534
5. Juni 2008
Karl Mayer
Vogelsbergstr. 23
75031 Eppingen
Betreff: Bewerbung zur Hospitation am 25./26. Juni
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit bewerbe ich mich für eine Hospitation in ihrer Einrichtung am 25./26 Juni. Ich studiere
im 8. Semester Sozialpädagogik und schreibe zur Zeit meine Diplomarbeit zu dem Thema
“Hunde als Helfer in der sozialen Gruppenarbeit mit ADHS-Kindern”. Aus diesem Grund
würde ich gerne einen Einblick in ihre Arbeit erhalten und Beobachtungen in meiner
Diplomarbeit verarbeiten.
Ich würde mich sehr freuen wenn ich die Gelegenheit erhalten würde, ihre Einrichtung kennen
zulernen!
Mit freundlichen Grüßen,
Katharina Casper
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B: Beobachtungsnotizen
Allgemeines:
TG Oase
2 Betreuer, 1 Sozialpädagoge, ein Erzieher, 1-2 Therapiebegleithunde (3 Tage in der Woche)
zur Zeit 9 Kinder (1 Mädchen, 8 Jungen) normalerweise 8 Kinder, die Gruppe ist zur Zeit im
Wechsel, 2 Jungen gehen, ein Mädchen kommt noch dazu.
Alter: 7-11
Problematik: alle Kinder gehen auf eine Schule für Erziehungsschwierige Kinder
Zeitraum: 11.30-17.00, nach der Schule kommen die Kinder in die Tagesgruppe
Tagesstrukturierung: 11.30-12.45: Ankommen, die Betreuer lesen das Tagebuch der Kinder
(Strafarbeiten, Hausaufgaben, Rückmeldungen von Eltern, Lehrern und TG-Betreuern werden
dort für jeden Tag aufgeschrieben)
zwischen 13.00 und 13.30 Mittagessen, danach “Entspannung” (-> nicht immer für alle
Kinder)
Hausaufgabenbetreuung, jedes Kind hat seinen eigenen Arbeitsplatz, mit Regal räumlich von
den anderen getrennt, Punkteplan, die Kinder bekommen pro Tag positive oder negative
Punkte. Jeder gibt seine Einschätzung dazu ab, derjenige selber, wie seine Konzentration,
Aufmerksamkeit während der Hausaufgaben war, Störungen? Etc. Dann Rückmeldung des
Betreuers (je vier Kinder pro Betreuer und Zimmer) und der anderen Kinder. Wenn das Kind
an einem Tag zwei positive Rückmeldungen bekommen hat, darf es dem Hund ein Leckerli
geben. Wenn es in der Woche eine bestimmte Anzahl von positiven Punkten bekommen hat,
bekommt es ein “Wochenplus”. Die Kinder die nach einem Zeitraum von ca. Einem halben
Jahr genügend Wochenplusse gesammelt haben, dürfen an einer größeren Aktion teilnehmen.
Nach den Hausaufgaben: Nachmittagsprogramm:
- verschiedene Tiergestützte Aktivitäten:
- Päddog-Assistentenausbildung
- Sportprogramm
- Psychomotorik mit dem Hund
- Computerkurs
- Zauberei
- Gaukeley mit dem Hund
Ergebnisse:
1) Wie wird der Hund eingesetzt?
- als Motivator (im Punkteplan bei den Hausaufgaben, im täglichen Umgang)
- zur Entspannung
- zur Förderung der Psychomotorik (-> Motivation), Fein- und Grobmotorik
- als Mitglied der Gruppe auf das Rücksicht genommen werden muss (Lautstärkeregler,
Verantwortungsübernahme -> Wassernapf)
- als Motivator für das Durchhaltevermögen (Päddog-Ausweise) -> Privilegien
83
- Schaffung eines positiven Klimas
2) Welche Ziele werden verfolgt?
- Motivation
- Stärkung des Durchhaltevermögens, der Aufmerksamkeit
- Stärkung des Selbstbewusstseins (ein starker Hund tut das was “ich” ihm sage, -> PäddogAusweis, Bevollmächtigung für die Fähigkeit mit dem Hund umzugehen, Stolz auch außerhalb
der Tagesgruppe
- zur Ruhe kommen, entspannen
- Verantwortungsübernahme für ein anderes Lebewesen, sich hineinversetzen, “wie geht es
dem Hund?”, “Selbstreflexion”, was habe ich damit zu tun wie es dem Hund geht? Durch
eindeutige Signale des Hundes funktioniert die Rückmeldung besser, das Kind bekommt eine
eindeutige Rückmeldung zu seinem Verhalten
- Förderung der Psychomotorik, mehr Motivation durch den Hund mitzumachen (Spaßfaktor),
Koordination, Einüben von bestimmten Abläufen, damit der Hund einen bestimmten Trick
ausführt (z.B: Pfote geben funktioniert nur, wenn Leckerli in der linken Hand, Kommandos
mit der rechten usw.)
- Durchsetzungsvermögen, sie lernen sich bei dem Hund durchzusetzen, wenn der Hund nicht
aufmerksam ist, nicht zuhört, zu fokussieren und die Aufmerksamkeit des Hundes wieder auf
sich zu lenken
- Problemlösestrategien selbstständig erarbeiten (wie kriege ich den Hund dazu auf mich zu
hören?)
- Rücksichtnahme, Verantwortungsübernahme, Kontrolle des Verhaltens der anderen Kinder,
verhält sich einer nicht “hundegerecht” (laut, rennt rum...) Wird dieser darauf aufmerksam
gemacht, REGELN, STRUKTUR
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Alsdorf, den 2. September 2008
Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig verfasst habe und
keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet sowie Zitate kenntlich
gemacht habe.
Katharina Casper
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