Mikrochirurgische Papillenrekonstruktion nach Kalla Autoren: Dr.med.dent. Viktoria Kalla Dr.med.dent. Robert Kalla Indizes MAD (Microscope Asssisted Dentistry) Mikrochirurgie, minimalinvasive Chirurgie, Papillenrekonstruktion, Weichgewebemanagement, Weichgewebeplastik, rote Ästhetik Zusammenfassung: Das in diesem Bericht nachfolgend aufgezeigte operative Vorgehen soll eine Möglichkeit aufzeigen, mittels einer differenzierten Schnitt- und Adaptationstechnik die mukogingivalen Strukturen bei unvorteilhafter Ausgangssituation bezüglich der Mukogingivallinie und der zu erwartenden Papillenhöhe um ein Implantat herum durch einen einzeitigen Eingriff bei der non-submerge (transmukosalen) Implantatinsertion oder beim Reentry-Eingriff bei einer submerge (submukosalen) Implantatinsertion durchzuführen. Dadurch können in gewissen Situationen dem Patienten zusätzliche Eingriffe erspart werden. Die Limitierung dieser Technik liegt einerseits in der Dicke des mukosalen Gewebes, der Ausgangslage der Mukogingivallinie und des Implantatdurchmessers. Die nachfolgend aufgezeigte Technik eignet sich nur, wenn der nachfolgend beschriebene Kammschnitt in angewachsener Mukosa durchgeführt werden kann. Kann dies nicht erreicht werden, muss vorgängig mit anderen chirurgischen Massnahmen diese Ausgangssituation erziehlt werden. Die nachfolgend beschriebene Technik hat zum Ziel, mit lokal vorhandenem Gewebe die Ausgangslage einer Weichgewebesituation zu verbessern. Diese Technik ermöglicht es nicht, bei vollständigem Fehlen der Papillen wieder jugendlich hohe Papillensituationen zu kreieren. EiD Excellence in Dentistry Margarethenstr. 59 CH-4053 Basel Tel.: +41 61 272 63 63 Fax: +41 61 272 63 61 e-mail: [email protected] www.kalla.ch Privates dentales Forschungsinstitut ZAHNARZTPRAXIS KALLA & EID DR. MED. DENT. VIKTORIA KALLA DR. MED. DENT. ROBERT KALLA Einleitung: Der Einsatz von Lupenbrillen, Dentalmikroskopen und neue Instrumentarien wie Mikroscalpelle und feinste Nahtmaterialien mit Mikronadeln ermöglichen eine differenziertere Schnittführung und exaktere Adaptation feinerer mukosaler Strukturen als dies in der Vergangenheit möglich war. Die nachfolgend beschriebene Technik soll eine Möglichkeit der Optimierung des Weichgewebevolumens im Bereich der Papillen und einer simultanen Verlagerungsmöglichkeit der mukogingivalen Grenze nach vestibulär bei Situationen von verlorengegangenen Papillen in einem Extraktionssitus einer Einzelzahnlücke aufzeigen, welche mittels Einzelzahnimplantat versorgt werden soll. Diese Technik eignet sich insbesondere bei vorgängigem Verlust der Papillen in dieser Schaltlücke post Extraktionem, welche bei nonsubmerge Implantation gleichzeitig oder bei submerge Implantation beim Reentry-Eingriff durchgeführt werden kann. Diese Technik eignet sich modifiziert insbesondere bei Situationen, in welchen die Mukogingivallinie nachteilig gegen den Kieferkamm hin verschoben liegt und die Situation dahingehend verbessert werden soll, dass das zu inserierende Implantat möglichst von angewachsener Gingiva umgeben sein soll. Die nachfolgend beschriebene Technik ermöglicht eine simultane Verlagerung der Mukogingivallinie um maximal 1/3 des zur Implantation vorgesehenen Implantatdurchmessers nach vestibulär. Je grösser der geplante Implantatdurchmesser ist, desto weiter lässt sich die Mukogingivallinie verschieben und desto grösser ist der zu erwartende Gewinn an Papillenhöhe. Es sollen die Technik für eine isolierte Papillenrekonstruktion von palatinal und die modifizierte Variante mit Verschiebung der Mukogingivallinie von buccal her beschrieben werden. Ausgangssituation: Es soll eine Einzelzahnlücke mittels Einzelzahnimplantat versorgt werden, wobei die Papillen an den benachbarten Zähnen teilweise oder vollständig vorgängig verlorengegangen sind. Die Mukogingivallinie ist unvorteilhaft gegen die Kieferkammmitte hin verlagert, wie dies oft als Status nach buccaler Lappenmobilisierung zur Deckung eines Gewebedefizites im Bereich der Extraktionsalveole oder bei einer Hart- oder Weichgewebeaugmentation der Fall ist. Es soll eine Verbesserung der Weichgewebesituation im Bereich der künftigen Papillen (im Idealfall eine vollständige Papillenrekonstruktion) mit einer Vestibulärverschiebung der Mukogingivallinie als simultanem Eingriff bei der non-submerge Implantatinsertion oder beim Reentry-Eingriff bei der submerge Implantation (z.B. bei simultaner Knochenaugmentation bei Implantatinsertion und dadurch bevorzugter submerge-Einheilung) durchgeführt werden, unter Vermeidung eines zusätzlichen chirurgischen Weichgewebeeingriffes, wie z.B. eines eigenständig durchgeführten Weichgewebetransplantates. Ausgangssituation: (Abb. 1) Einzelzahnimplantat zwischen zwei natürlichen Zähnen Fehlen der Papillen an den der Lücke benachbarten Zähnen zum geplanten Implantat hin bei konventionellem Vorgehen mit Entfernung des über dem Implantat liegenden Weichgewebe würde eine zu schmale Zone der angewachsenen Gingiva resultieren oder das Implantat würde vestibulär gar nur von freier, nicht angewachsener Mukosa begrenzt werden. Abb. 1: Das Implantat ist entweder vorgängig submerge inseriert worden oder ist an dieser Position geplant. Die gestrichelte Linie stellt die ungünstig zur Kieferkammitte hin verschobene Mukogingivalline dar. Diese Ausgangssituation findet sich bei nachfolgenden Situationen: Status nach: Bestehender unversorgter Extraktionslücke Selbständigem Weichgewebe- und/oder KnochenAugmentationseingriff Ersatz einer Brücke durch Einzelzahnimplantat und Einzelkronen bei insuffizienten Papillen Rekonstruktionsziel: Insertion eines Einzelzahnimplantates zwischen zwei natürliche Zähne Rekonstruktion der Papillen an den der Lücke benachbarten Zähnen zum geplanten Implantat hin Vestibulärverschiebung der Mukogingivallinie Möglichst wenige operative Eingriffe Minimaltraumatisches Vorgehen Idealfall: Ein einzelner minimaltraumatischer Eingriff mit simultaner: Implantatinsertion GgF. Knochenaugmentation/-remodelation Weichgewebekonfiguration, wenn notwendig mit der Möglichkeit einer vestibulären Weichgewebeverdickung mittels simultan eingebrachtem Bindegewebetransplantat Papillenrekonstruktion Transgingivaler Einheilung des Implantates Operatives Vorgehen: Es wird ein modifizierter Envelope-Flap ohne Entlastungsinzisionen wie folgt durchgeführt: 1. Schnittführung: Kieferkammschnitt (Abb. 2) Der Kieferkammschnitt fängt 1/4 bis 1/3 vestibulär am distalen Nachbarzahn an (abhängig von der angestrebten/notwendigen Papillenhöhe und der geplanten Form der definitiven prothetischen Rekonstruktion) Der Schnitt wird schlangenlinienförmig um die künftige orale Durchtrittsstelle des Implantates geführt (die Schnittführung im Zweifelsfalle etwas weiter vestibulär halten) Die Insertion endet 1/4 bis 1/3 vestibulär am mesialen Nachbarzahn Diese Insertion wird am einfachsten mit Mikroskalpellen oder mit einer 12d-Klinge durchgeführt (Abb. 2b) Abb. 2a: schlangenlinienförmiger Kammschnitt Abb. 2b: verschiedene Skalpelle: von links nach rechts: Standardklingen: 12d und 15c, Mikroskalpellklingen eid/Analytics CK-1 (gerundete Spitze) und eid/Analytics CK-2 (spitz) 2. Schnittführung: (Abb. 3a und 3b) Intrasulculäre Umschneidung der die Lücke begrenzenden Nachbarzähne: 3/4 der Zirkumferenz zur Lücke hin, die Papillen der weiteren Nachbarzähne bleiben unberührt Diese Insertion wird von Vorteil mit an der Spitze runden Mikroskalpellen durchgeführt Abb. 3a: sulculäre Umschneidung der Nachbarzähne Abb. 3b: sulculäre Umschneidung der Nachbarzähne: zu Beachten ist die ungünstig zur Kieferkammitte hin verlagerte Mukogingivallinie (3. Schnittführung bereits durchgeführt). Lappenmobilisierung: Die künftigen oralen Papillenanteile werden mit dem konkaven oralen Lappen mobilisiert Der vestibuläre konvexe Lappen wird mobilisiert Der vestibuläre wie der orale Lappen werden bis 2/3 des Nachbarzahnes mobilisiert: es entsteht ein modifizierter Envelope-Flap Diese Lappenmobilisierung wird von Vorteil mit feinsten Raspatorien und Papillenhebern durchgeführt Es folgt die Implantatinsertion mit einer allfälligen Knochenaugmentation. Wenn die vestibuläre Schleimhaut zu dünn erscheint, kann aus dem Gaumen (nicht in der unmittelbaren Nähe des Implantatsitus, um die Vaskularisation des Rekonstruktionsgebietes nicht zu kompromitieren) ein entsprechendes Bindegewebstransplantat vestibulär eingesetzt und mit feiner Naht fixiert werden, vorgängige Periostschlitzung und Gewebesplittung vestibulär semilunar bis 2/3 der Nachbarzähne mittels Mikroskalpell oder 12d Klinge. Montage der transgingivalen Einheilkappe entsprechend der Gewebedicke, so dass die transgingivale Einheilkappe sicher bis zur geplanten Papillenhöhe reicht: anatomisch geformte Einheilkappen sind hier von Vorteil: individuell angefertigte oder konfektionierte, je nach Implantatsystem Abb. 4: mobilisierter Lappen, Implantat mit montierter transgingivaler Einheilkappe in situ: Die Höhe der Einheilkappe ist so gewählt, dass diese bis mindestens zur geplanten Papillenhöhe reicht, um die neu zu gestaltenden Papillen zu stützen (3. und 4. Schnittführung bereits durchgeführt). 3. Schnittführung: (Abb. 5a und 5b) Der vestibuläre Lappen wird nun von der Mitte des Implantates her im oralsten Teil der Schlangenlinien-Kurvatur im rechten Winkel in der Länge 2/3 des Durchmessers des inserierten Implantatdurchmessers eingeschnitten: dies bilden die zwei vestibulären Anteile der jeweiligen künftigenPapille Abb.5a Schnitt im rechten Winkel zum lingualsten Teil der schlangenförmigen Kurvatur: Schnittlänge 2/3 des Implantatdurchmessers Abb.5b Schnitt im rechten Winkel zum lingualsten Teil der schlangenförmigen Kurvatur 4. Schnittführung: (Abb.6 und Abb. 7) Exzision zweier dreieckförmiger stumpfer Pyramidenteile: vom dem Nachbarzahn zugewandten Seite der künftigen vestibulären Papille wird je ein dreieckförmiger stumpfer Pyramidenteil exzidiert: dies ermöglicht die Adaptation dieses vestibulären Papillenanteiles, ohne dass eine sich bildende Falte die Gewebeadaptation kompromitiert. Die Basis dieser dreieckförmigen stumpfen Pyramidenteile ist am Periost und verjüngt sich gegen den epithelisierten Anteil des Gewebes hin. Die exzidierten kleinen Weichgewebeteile werden deepithelisiert unter den vestibulären Lappen gelegt und verdicken dort das Gewebe als freie Minitransplantate. Eine Fixierung selbiger ist nicht notwendig. Werden diese beiden pyramidenförmigen Gingivaanteile nicht exzidiert, so lassen sich die buccalen Papillenanteile nicht sauber zu den Nachbarzähnen rotieren und es entstehen kleine Gewebewülste, deren insuffizient adaptierte Anteile über Granulationsgewebe sekundär zuheilen müssen, was eine verstärkte Schrumpfung dieser Papillenanteile während der Abheilung zur Folge hat. Abb. 6: Exzission zweier dreieckförmiger stumpfer Pyramidenteile an der den Nachbarzähnen zugewandten Seite der künftigen vestibulären Papillenanteile Abb. 7: Die Basis der stumpfen Pyramide liegt dem Periost zugewandt 5. Schritt: (Abb. 8 und Abb. 9) Vestibulärverschiebung des vestibulären Lappens mit Verschiebung der Mukogingivallinie und Adaptierung der jeweiligen künftigen Papillenanteile: Vestibulärveschiebung des vestibulären Lappens Adaptierung der jeweiligen künftigen Papillenanteile Abb. 8: Verschiebung des vestibulären Lappens nach vestibulär: Verbesserung der Lage der Mukogingivallinie Abb. 9: Verschiebung der vestibulären Papilenanteile in die definitive Form 6. Nahtlegung: (Abb. 10 bis Abb. 13b) Vernähen der dreieckförmigen Exzisionen: empfohlene Nahtstärke 7-0 (Abb. 10) Horizontale Matratzennaht zur Stabilisierung der Weichgewebeposition: dies verhindert ein Absinken des so modellierten Weichgewebesegmentes, was mit einem Höhenverlust der so gestalteten Papillen einhergehen würde: empfohlene Nahtstärke 5-0 oder 6-0 (Abb. 11) Abb. 10: Fixierung der dreieckförmigen Exisionen mittels Einzelknopfnaht (empfohlene Nahtstärke: 7-0) Abb. 11: Horizontale Matratzennaht zur Stabilisierung der Weichgewebeposition (empfohlene Nahtstärke: 0-5 oder 0-6) Vernähen der buccalen und lingualen/palatinalen Papillenanteile: o vertikale Matratzennaht durch die Papillen, papillenspitzenfern: verhindert ein zusammensacken der Papillen in einer frühen Abheilphase: empfohlene Nahtstärke 6-0 oder 7-0 (Abb. 12) o Einzelknopfnaht durch die Papilllenspitze zur Vermeidung des Auseinanderklaffens der Papillenspitzenanteile: empfohlene Nahtstärke 7-0 (Abb. 13a und 13b) Abb. 12: vertikale Matratzennaht durch die Papillen, papillenspitzenfern (empfohlene Nahtstärke: 6-0 oder 7-0) Abb. 13a: Einzelknopfnaht durch die Papilllenspitze zur Vermeidung des Auseinanderklaffens der Papillenspitzenanteile (empfohlene Nahtstärke: 7-0) Abb. 13b: Horizontale Matratzennaht und Einzelknopfnaht (Nahtstärke 7-0) durch die Papilllenspitze in situ: zu beachten die neue Papillenhöhe und die neue optimierte Lage der Mukogingivallinie im Vergleich zur Ausgangssituation in Abb. 3b/5b. Die exzidierten und deepitelisierten pyramidenförmigen Gewebeanteile sind vestibulär unter den Lappen als freie Minischleimhauttransplantate ohne Fixierung eingelegt worden. Abb. 13c: Situation zu Abb. 13b von lingual Das Operationsgebiet sollte zum besseren Schutz vor mechanischen Irritationen und Auswaschung des Fibrins mit einer Dental-Adhesivpaste (Solcoseryl, Firma Solco) abgedeckt werden. Dies wird vom Patienten vor und nach jeder Mahlzeit wiederholt Der Patient wird instruiert, das Wundgebiet nicht mechanisch zu reinigen, 3 mal/Tag mit einer chlorhexidinhaltigen Mundspüllösung zu spülen und körnige, harte Speisen zu meiden. 6. Nahtentfernung: Die Entfernung der feinen Nähte (speziell der 7-0 Nähte) sollte mittels Vergrösserungshilfen erfolgen (Lupenbrille oder Mikroskop), um das Gewebe nicht unnötig zu traumatisieren. (Abb. 14) Die Entfernung der 7-0 Naht kann bereits nach 4 Tagen erfolgen Die Entfernung der horizontalen Papillennaht kann nach 4 bis 6 Tagen erfolgen Die Entfernung der horizontalen Matratzennaht sollte erst nach frühestens 7 bis 10 Tagen erfolgen. Diese Naht kann bei Bedarf bis zu 14 Tagen belassen werden. Das Gewebe ist in der Regel nach 3 Wochen soweit abgeheilt, dass eine definitive Abformung erfolgen kann (Abb. 15 bis Abb. 17). In ästhetisch anspruchsvollen Gebieten und bei zusätzlicher buccaler Weichgewebeaugmentation sollte aber bis zu 3 Monaten bis zur definitiven Versorgung gewartet werden. Abb. 14: Nahtentfernung mittels Mikroschere im Mikroskop Abb. 15: Status nach Abheilung: 3 Wochen post operationem Abb. 16: Status nach Abheilung: ausgeformtes Gewebe Abb. 17: Status nach fertiggestellter Versorgung Resumee: Die hier dargestellte Operationstechnik ermöglicht eine Optimierung der periimplantären Weichgewebesituation zum Zeitpunkt der Implantatinsertion (non-submerge Implantation) oder des Reentrys (submerge Implantation), ohne dass für den Patienten ein zusätzlicher Eingriff notwendig wird. Die Operationstechnik erfordert bei geübtem Behandler einen zusätzlichen Zeitaufwand gegenüber der konventionellen Vorgehensweise von ca. 15 bis 20 Minuten. Die erzielten mukogingivalen optimierten Verhältnisse verbessern die Langzeitprognose des betreffenden Implantates und rechtfertigen diesen geringen Zusatzaufwand nach Meinung der Autoren. Nachteile dieser Technik gegenüber konventionellen Aufklappungs-Techniken konnten von den Autoren keine festgestellt werden. In allen behandelten Fällen mit suboptimaler Ausgangslage konnte eine signifikante Optimierung der Weichgewebesituation gegenüber der Ausgangssituation erzielt werden.