6) Integration und Maß 6.1. Motivation a) Ausdehnung der Integration auf formal vervollständigte L1‐Räume b) Maße, die in der Spektralanalysis von Operatoren (Teil B der M3) auftreten. Besonderheit: Anderson‐Lokalisierung, singulär stetiges Spektralmaß c) Hilberträume mit Funktionen auf Mannigfaltigkeiten 6.2. Drei Ziele a) von Riemann‐ zu Lebesgue‐Integration b) Verallgemeinerung des Maß‐Begriffes und der Integration für Funktionen auf c) Integration für Funktionen auf Mannigfaltigkeiten 6.3. Zur Strategie, Entsprechungen (Counterparts): Maß von Mengen Maße Additivität eines Maßes Integration von Funktionen Positive Lineare Funktionale Linearität der Integration 12 Strategie: Fortsetzung des linearen Funktionals auf vervollständigten abgeschlossenen Raum. 6.4. Lebesgue‐Integral Start mit dem Banach‐Raum, C([a,b]) mit der Supremumsnorm. Darauf das b lineare Funktional : (x) dx , (Integral, wie es Newton, Leibniz und a Riemann gemeint haben) Es ist beschränkt, |(ψ)| (b–a)∙||ψ||, also stetig. Nun betrachten wir denselben Vektorraum mit einer anderen b (schwächeren) Norm, der 1‐Norm, 1 (x) dx . In dieser Norm ist C([a,b]) nicht abgeschlossen. a Formaler Abschluss ganz in der formalen algebraischen Funktionalanalysis: Jeder Cauchyfolge wird ein Limes‐Element zugeordnet. Der schwierige Teil, den wir nun elegant beiseitelassen dürfen, ist, zu zeigen, dass es in jeder Cauchyfolge ψn eine Teilfolge gibt, die „fast überall“ punktweise gegen eine Funktion ψ(x) konvergiert. 13 Über die Limesbildung zerlegen wir jedes ψ in ψ = ψ1 – ψ2 + i (ψ3 – ψ4), wo jedes ψj „positiv“ ist. Nun ist das lineare Funktional stetig fortzusetzen b als (x) dx ( ) 1 2 i 3 4 a (Der Satz von Riesz und Fischer besagt, dass dieses Funktional identisch ist mit dem, üblicherweise ganz anders definierten, Lebesgue‐Integral.) 6.5. Andere Maße auf [a,b] in ↔ andere Integrale auf C([a,b]) Lebesgue‐Stieltjes: Definiere, mit m(x) monoton wachsend, (genauer: nicht fallend) b f I m (f ) f (x)dm(x) als lineares Funktional auf C[a,b] a Weg zur lückenlosen Definition (o.B.d.A.: m(a) = 0 ): 14 1) Zuerst problemlose Definition für stetig differenzierbare Funktionen m(x), mit dm(x) := m´(x)dx. Da m´(x) 0, ist das Integral positiver Funktionen f(x) positiv, folglich Im(g) Im(f) wenn g f. Man findet somit, mit der Annahme m(a) = 0, ‖Im‖ = m(b) Beweis: b I m (f ) f (x)m(x)dx fm f m supf (x) m(x)dx f m(b) x a 2) Im Teilraum solcher f(x), die stetig differenzierbar sind, ist partielle b Integration möglich: Im(f ) = m(b)f(b) – f (x) m(x) dx . a Das ermöglicht den nächsten Schritt: Definition eines stetigen Funktionals Im(f) für beliebige nicht‐fallende Funktionen m(x) – die sind nämlich alle integrierbar – auch nicht‐differenzierbare. Nur an den Rändern des Intervalls nehmen wir Stetigkeit von m(x) an. 15 Betrachte Approximation von m(x) durch differenzierbare mn(x): x mn(x): n x 1 n b b m(x) m a n m(y)dy ; m(x 1 n) m n (x) m(x) (x) dx (m(x) m(x 1 n))dx a b b 1 n m(x)dx 0 n schwache Konvergenz der Funktionale auf dem Teilraum, da ja b b b sup f (x) m(x) m (x) dx . f (x) m(x) dx f (x) m (x) dx n n a a x a 3) Es bleibt für die schwachen Limiten die Beschränktheit, daher Stetigkeit, und die Norm ‖Im‖ = m(b). Das ermöglicht als letzten Schritt die Fortsetzung dieses stetigen Funktionals auf den ganzen Raum der stetigen Funktionen. Siehe Bemerkung nach 5.4 und den Satz 5.5. 16 Allgemein ist jedes m(x) eindeutig zerlegbar in m = mpp + mac + msc „pure point“ dmpp(x) = p n (x x n ) n (Nach der angegebenen Methode sind die xn im Inneren des Intervalls. Nun kann und soll man aber formal auch die beiden Ränder zulassen.) „absolutely continuous“ dmac(x) = mac´(x)dx „singular continuous“ dmsc(x) das, was noch möglich ist, wie folgendes 6.6. Beispiel: Cantor‐Funktion Auf dem Intervall [0,1] definieren wir 1 m1(x) 1 3, 1 (x) 2 1 1 m n+1 (x) = m1 (x) + m n (3x) 0, 1 3 (x) m n (3x-2) 2 3, 1 (x) 2 2 17 Alle mn(x) sind < 1 und punktweise – ∀x – in n wachsend, daher konvergent. Jedes mn(x) hat diskrete Sprungstellen der Höhe 1/2n. Diese Sprünge werden immer kleiner, sie verschwinden, im Limes n → ∞. dm Cantor (x) = lim dm n (x) ist „singulär stetig“. n Die Funktion m(x) ist nicht fallend, fast überall konstant, überall stetig, wächst von 0 bis 1. Die Cantor‐Menge, die Menge der Punkte außerhalb der Konstanz‐Intervalle, ist überabzählbar. Beweis: man kann diese Menge (zusammen mit den abzählbar vielen Randpunkten der Konstanz‐Intervalle) umkehrbar auf das Intervall [0, 1] abbilden: In der Entwicklung der reellen Zahlen nach den Potenzen von drei ist das Intervall [0,1] = x t n 3 n , t n {0,1,2} . n 1 der Zahlen, wo in dieser Entwicklung kein einziges tn = 1 ist. Die Cantormenge ist die Menge Abbildung auf ganz [0,1]: x (t n 2) 2 n , t n {0, 2} n 1 18 6.7. Maßtheorie ↔ Theorie der Integration Was es grundsätzlich noch Wichtiges gibt: Mengen ↔ Charakteristische Funktionen Durchschnitt von Mengen ↔ Produkte von Funktionen messbare Mengen ↔ integrable Funktionen „Enthalten in“‐Relation ↔ „Kleiner gleich“‐Relation Damit ermöglicht: Ausdehnung der Integration auf formal vervollständigte L p ‐Räume. Zum Aufbau der vollständigen Maßtheorie braucht man daher eine „Algebra“ von Mengen, z.B. die „Borel‐Mengen“: Die kleinste Menge von Teilmengen von , die folgendes enthält: 1) die offenen Intervalle 2) zu jeder Borel‐Menge auch die Komplementärmenge 3) jede Vereinigung abzählbar vieler Borel‐Mengen 19 6.8. Maße auf n und auf Mannigfaltigkeiten Unbeschränkte Maße, sowie Maße auf ganz definiert durch Limesbildungen. Produktmaße im n, definiert erst für Produkte von Funktionen der einzelnen Koordinaten, dann für Linearkombinationen und den Abschluss L1 (n). → Linearkombinationen bilden den Dualraum Maße auf Mannigfaltigkeiten definiert über Koordinaten, Maße im n, z.B. Kugeloberfläche: d sin d d 20 6.8. Maßtheorie Was es grundsätzlich noch Wichtiges gibt: Mengen ↔ Charakteristische Funktionen Durchschnitt von Mengen ↔ Produkte von Funktionen messbare Mengen ↔ integrable Funktionen „Enthalten in“‐Relation ↔ „Kleiner gleich“‐Relation Damit ermöglicht: Ausdehnung der Integration auf formal vervollständigte L p ‐Räume. Zum Aufbau der vollständigen Maßtheorie braucht man daher eine „Algebra“ von Mengen, z.B. die „Borel‐Mengen“: Die kleinste Menge von Teilmengen von , die folgendes enthält: 1) die offenen Intervalle 2) zu jeder Borel‐Menge auch die Komplementärmenge 3) jede Vereinigung abzählbar vieler Borel‐Mengen 21 22