Fakultät I: Bildungs- und Sozialwissenschaften Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik Bachelorstudiengang: Sonderpädagogik / Philosophie BACHELORARBEIT Deprivation im Kindesalter und deren Auswirkungen auf das schulische Lernen vorgelegt von Kathrin Schierenbeck Matrikelnummer: 1211547 Oldenburg, 14. September 2012 Betreuender Gutachter: Privat Dozent Dr. Heinrich Ricking Zweiter Gutachter: Bastian Rieß Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis………………………………………………………….IV Abkürzungsverzeichnis………………………………………………………...IV 1 Einleitung .......................................................................................................... 1 2 Deprivation ........................................................................................................ 4 2.1 Definition ..................................................................................................... 4 2.2 Bedingungsmodell........................................................................................ 7 2.2.1 Ursachen ........................................................................................................... 7 2.2.2 Erscheinungsbild und Auswirkungen ............................................................. 13 2.3 Klassifikation und Diagnostik .................................................................... 19 3 Lernstörungen ................................................................................................ 22 3.1 Definition Lernen ..................................................................................... 22 3.2 Definition, Diagnostik und Klassifikation von Lernstörungen ................... 23 3.3 Bedingungsmodell...................................................................................... 28 3.3.1 Ursachen, Erscheinungsbild und Auswirkungen ............................................ 28 3.3.2 LRS................................................................................................................. 35 3.3.3 Rechenschwäche und Dyskalkulie ................................................................. 37 4 Das komorbide Störungsbild der emotional-sozialen..................................... Auffälligkeiten ................................................................................................ 40 5 Prävention und Intervention bei Lernstörungen und .................................... Deprivationsprozessen................................................................................... 46 5.1 Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei ........................................... II Lernstörungen .......................................................................................... 46 5.2 Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei ........................................... Deprivationsprozessen ............................................................................. 50 6 Overlap von Deprivationsprozessen und Lernstörungen .......................... 51 7 Fazit................................................................................................................. 61 Quellenverzeichnis ............................................................................................... 64 Eidesstattliche Erklärung ................................................................................... 78 III Darstellungsverzeichnis Abbildung 1: Checkliste posttraumatischer Belastungsstörung…………………16 Abbildung 2: Zusammenspiel von innerer und äußerer Realität……………...…45 Abbildung 3: Mögliches Ursachenmodell von Lernstörungen…………………..56 Abbildung 4: Erweiterung des möglichen Ursachenmodells von………………….. Lernstörungen……………………………………………………..57 Abbildung 5: Mögliches Ursachenmodell von Lernstörungen 2………………...58 Tabelle 1: Kognitive Fähigkeiten zum Aufbau von Rechenfertigkeiten………..39 Tabelle 2: Zusammenfassung der Risikoverhaltenstypen………………………41 Abkürzungsverzeichnis ADHS Aufmerksamkeitsdefizit/-Hyperaktivitätsstörung ADS Aufmerksamkeitsdefizitstörung APA American Psychological Association ASCT Attachment Story Completion Test DSM-VI Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders GEV-B Geschichtenergänzungsverfahren zur Bindungserfassung ICD-10 Interantional Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems IQ Intelligenzquotient IV LRS Lese-Rechtschreib-Störung MCD minimale cerebrale Dysfunktion PTB Posttraumatische Belastungsstörung WHO Weltgesundheitsorganisation V 1 Einleitung „Schwierige Kinder werden nicht schwierig geboren, sondern das Leben hat sie dazu gemacht“ (Schrapper 2002, S. 20). Dieses Zitat von Schrapper beschreibt kurz und knapp die Grundhaltung dieser Bachelorarbeit. Mit dem Thema Deprivation im Kindesalter und deren Auswirkungen auf schulisches Lernen soll dargelegt werden, wie negative Erlebnisse langandauernde Auswirkungen zur Folge haben, die auf verschiedenen Ebenen dispositioniert werden können. Schon seit den 1970er Jahren ist wissenschaftlich bekannt, welche Folgen Deprivationserlebnisse haben können und wie wichtig die Bindung zu einer Bezugsperson ist (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 51, 110, 119). Viel zu häufig sind Kinder mit Lernschwierigkeiten Stigmatisierungen durch die Gesellschaft ausgesetzt, z.B. sie seien minder intelligent oder faul, um nicht weiter auf die Ursachen einzugehen. Lernstörungen sind oft so klassifiziert, dass sie trotz ausreichendem Intelligenzquotienten (IQ) vorliegen. Bei Lernstörungen ist jedoch die Aussagekraft eines Intelligenztests wenig förderlich bei der Frage welche Interventionen dem Kind helfen können. Bei angemessener Hilfemaßnahme kann sich der IQ nachträglich steigern lassen (123test BV, 2012; Thielicke & Sanides, 2012). Somit ist eine angemessene Anamnese bezüglich der Biographie eines Individuums notwendig. Eine Förderung, die auf das Individuum angepasst ist, erfordert zwar Zeit und Aufwand, jedoch sind positive und effektive Resultate schneller erzielbar. Eine angebrachte Intervention kann schnellstmöglich notwendige Kompetenzen und Fertigkeiten nachholen bzw. entwickeln. Ein wesentlicher Punkt des Erkenntnisinteresses dieser Arbeit liegt im psychologischen Kontext. Das seelische Wohlbefinden hat in jeder Lebenslage Konsequenzen auf die Prioritätssetzungen im Alltag. So sind bei schlechtem Wohlbefinden die Lernleistungen und Konzentrationsfähigkeiten auf die Zukunft, dementsprechend beeinträchtigt. Kinder verbringen einen Großteil ihres Alltags in der Schule. Gerade deshalb sollte hier jedem Kind das größtmögliche Maß an positiver Aufmerksamkeit gegeben und das Gefühl, akzeptiert zu sein vermittelt wer1 den. Außerdem soll gezeigt werden, dass das Wissen über biographische Einschnitte bei Kindern für Lehrer sinnvoll sein kann, da die Reaktion gegenüber ihren Schülern sich einerseits dadurch intensiviert, dass sie mehr in das Leben eingebunden sind, und andererseits den einzelnen Schülern angepasst wird. Die Lehrer-Schüler-Interaktion gestaltet sich dann emotionaler und persönlicher. Selbst wenn Risikofaktoren als Ursache in Betracht gezogen werden, trägt dies häufig zur defizitorientierten Diagnose bei, da diese Faktoren nur bezüglich der negativen Erwartungen berücksichtigt werden. Demzufolge ist die Motivation dieser Thematik, inwieweit sich ein lernförderliches Klassenumfeld gestalten lässt, welches tiefer greift, als nur auf die Symptomatik der Lernstörungen zu reagieren. Je mehr Lehrer über die Ursachen psychischer Störungen wissen, desto eher können sie individuell auf den Menschen und seine Bedürfnislage eingehen, ihn daher besser verstehen und daraufhin eine bessere Förderung bereit stellen. Solch eine Förderung, die durchaus therapeutische Kompetenzen impliziert, im Klassenverbund durchzuführen, lässt sich mittels einer einzigen Lehrkraft schwierig gestalten. Daher ist auch in Regelschulen ein Zwei-Pädagogen-System grundsätzlich sinnvoll, wie dies an Förderschulen schon teilweise gehandhabt wird (Stein & Stein, 2006, S. 61). So muss kein Kind stigmatisiert werden und der heterogene Klassenverband profitiert als Gemeinschaft davon. Deprivation ist ein weitläufiger Begriff, der allgemein Verlust bezeichnet, jedoch inzwischen auf viele Kontexte ausgelegt wird. In dieser Arbeit werden hauptsächlich Deprivationsprozesse im familiären Kontext betrachtet, jedoch werden körperliche oder sexuelle Gewalten weitestgehend außer Acht gelassen. Hierbei wird noch angemerkt, dass die Resilienzfaktoren überwiegend nicht berücksichtigt werden. Daher ist darauf hinzuweisen, dass nicht pauschal bei jedem Kind mit hohen Risikofaktoren zwangsläufige Defizite entstehen müssen. Darüber hinaus wird auf die Darstellung von Deprivationserlebnissen im Kontext von Heimerziehung verzichtet. Heimunterbringung wird generell aufgrund deprivierender familiärer Situationen unternommen, somit gehen traumatische Erlebnisse hierbei voraus. Trotzdem können auch im Heim deprivierende Erlebnisse dazukommen, wie dies auch häufig der Fall ist. 2 Zudem werden keine Erklärungen der verschiedenen Termini und deren Entwicklung bis heute von Lernen dargestellt. Ein Basiswissen über verschiedene Definitionen wie Lernstörungen, Lernbehinderung, Lernschwäche und viele mehr sollte bei dem Leser vorhanden sein. Eine ausführliche Erklärung der einzelnen Begriffe und Definitionen, vor allem des Behindertenbegriffs allgemein, würden den Rahmen dieser Bachelorarbeit übersteigen (z.B. Elbert & Ellinger, 2006, S. 319, 322). Ziel dieser Arbeit ist eine Darstellung der möglichen Auswirkungen deprivierender Familienprozesse und Verknüpfung der Auswirkungen auf Lernleistungen. Außerdem soll gezeigt werden, dass das Wissen über biographische Einschnitte bei Kindern für Lehrer sinnvoll sein kann, da die Reaktion gegenüber ihren Schülern sich einerseits dadurch intensiviert, dass sie mehr in das Leben eingebunden sind, und andererseits den einzelnen Schülern angepasst wird. Die Arbeit ist in drei Teile aufgebaut. Teil eins beschäftigt sich mit dem Themenbereich der Deprivation. Einführend wird der Deprivationsbegriff definiert, um einen Überblick über den Terminus zu erhalten. Folgend wird das Bedingungsmodell und Klassifikationen erläutert. Der zweite Teil dieser Arbeit widmet sich der Thematik des Lernens bzw. Lernstörungen. Die Strukturierung ist ähnlich aufgebaut wie im ersten Teil. Nach der Beschreibung der Definition, Klassifikation und Diagnostik, schließt sich das Bedingungsmodell für Lernstörungen an. Dies impliziert Bedingungsmodell. Zur Veranschaulichung wird auf Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) und Dyskalkulie in einem extra Kapitel zusätzlich eingegangen. Die Kapitel verlaufen pyramidenartig nach unten. Das heißt aus den beiden einzelnen Themen „Deprivation“ und „Lernstörungen“ soll ein Zusammenhang im dritten Teil der Arbeit dargestellt werden. Somit folgt ab Teil drei die Darstellung einer komorbiden Störung, die häufig in Zusammenhang gestellt wird – die emotional-soziale Beeinträchtigung. Dies ist die erste Zuspitzung der beiden ersten Teile. Daraus gehen Präventionen und Interventionen, für Lernstörungen einerseits und für Deprivationsprozesse andererseits, hervor. 3 Aus dieser Erarbeitung werden beide Themenbereiche bezüglich Hilfemaßnahmen zusammen gefügt. In dieser Arbeit wird ausschließlich die männliche Form bei personenbezogenen Nennungen verwendet auch wenn beide Geschlechter gemeint sind. Dies dient dem besseren Lesefluss der Arbeit. 2 Deprivation 2.1 Definition Bezüglich des Terminus‘, sind diverse Definitionen von Deprivation erläutert worden. Deprivation beschreibt einen Verlust und/oder eine Entbehrung eines oder mehrerer wichtiger Bedürfnisse (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 9). Diese Arbeit wird sich hauptsächlich psychischer Deprivation im familiären Kontext widmen. Seit den 1970er Jahren sind viele Termini für den Begriff der Deprivation verwendet worden. Damals wie heute sind unterschiedliche Begriffe wie partielle Deprivation, seelische Störung, maternal deprivation (mütterliche Deprivation), pädagogisches Defizit, psychisches Mangelleiden, paternal deprivation (väterliche Deprivation), psychosoziale Deprivation, Sensorische Deprivation und Hospitalismus gängige Beschreibungen des Themenbereiches. Weitere Formulierungen sind außerdem food deprivation (Mangelernährung) und sleep deprivation (Schlafmangel) (click for knowledge GmbH 2011; Langmeier & Matě jč ek 1977, S 9-12, S. 109). Psychische Deprivation wurde schon früh als ein Zustand definiert, bei dem das Individuum nicht die Möglichkeiten hat seine grundlegenden psychischen Bedürfnisse zu stillen (Reisenauer 1988, S. 28). Zusätzliche Termini für Deprivation im familiären Kontext sind Vernachlässigung und häusliche Gewalt. Die Formen sind weiträumig. Vernachlässigung und Misshandlung durch die Eltern werden hierbei genannt. Die Kinder haben häufig einen Mangel an Liebe und Zuneigung durch ihre Bezugspersonen. Das Interesse der Eltern an ihrem Kind ist wenig bis gar 4 nicht ausgeprägt. Prozesse wie Spielen werden häufig vermieden, so dass das Kind folglich keine oder wenig Reize hat (Butcher et al. 2009, S. 115). Heute wird hauptsächlich zwischen sensorischer und sozialer Deprivation unterschieden. Erstes bezieht sich auf den Mangel an auditiven, optischen und taktilen Sinnesreizen. Zweites erklärt das Fehlen an Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten als Definition von Deprivation (click for knowledge GmbH 2011; Dupuis & Kerkhoff 1992, S. 12; Langmeier & Matě jč ek 1977, S 9-12, S. 109; Reisenauer 1988, S. 28). Eine einheitliche Definition zu benennen ist schwierig. Deprivation wurde je nach Autor zum Beispiel als partielle Deprivation im Sinne einer Trennung der Mutter (Bowlby) oder ausschließlich als Mangel zwischen der Interaktion von Mutter und Kind (Ainsworth 1962) beschrieben. Einige Autoren versuchten die jeweilige Situation zu beschreiben, indem sie von versteckter oder markierter Deprivation sprachen (Prugh & Harlow 1962) oder indem gleichzeitig auf die Folgen versucht wurde einzugehen (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 9ff; click for knowledge GmbH 2011). Der Duden bestimmt heutzutage den Terminus als Mangel, Entzug oder Verlust von etwas wünschenswertem oder aber, knapp beschrieben, als Liebesentzug (Bibliographisches Institut GmbH 2012). Der Begriff der Deprivation wurde bereits im medizinischen Kontext geprägt. Pfaundler zeigte bereits 1915 den physischen Ablauf des Hospitalismus auf (Brisch & Hellbrügge 2006, S. 14). Durch die Beobachtung von Kindern in Krankenhäusern rückte Hospitalismus in den wissenschaftlichen Fokus. Viele der Kinder im Krankenhaus wiesen Störungen auf. Während generell die Kinder vor dem Krankenhausaufenthalt einen normalen Entwicklungsstand hatten, sie lachten und spontane Reizreaktionen aufwiesen, wurden als die stärksten Symptome des Hospitalismus unter anderem Apathie, Weinen, Traurigkeit und weitere beschrieben. „Im allgemeinen [sic!] wird angenommen, daß [sic!] ein Kind zu seiner gesunden Entwicklung insbesondere die beständige emotionale Zuwendung seiner Beziehungsperson(en) braucht; sei diese vorhanden, dann werde durch sie ein eventuel5 ler Mangel anderer Art, z.B. an Sinnesreizen, an Spielsachen, an Erziehung oder Bildung ausgeglichen.“ (Langmeier & Matě jč ek, 1977, S. 9). Unter dem Begriff Deprivation wurden auch Umstände wie Verlassenheit, Verwahrlosung oder Hospitalismus definiert. Bezüglich der medizinischen Verhältnisse veränderte sich nach dem ersten Weltkrieg das Sozialwesen. Da aber nur medizinischer und hygienischer Fortschritt im Vordergrund stand, minderte sich die Sterblichkeit nur im Hinblick auf Krankheiten (jedoch nicht bezüglich der Entwicklung). Nach dem erstem Weltkrieg wurde der Fokus erstmalig auf psychische Bedingungen gerichtet. Hierzu folgten diverse Studien zur geistigen Entwicklung von Kindern und von Heimkindern. Auch hier wurde deutlich, dass psychische Entbehrung Folgen auf die Intelligenz und den Charakter hat. In den Jahrzehnten zwischen 1850-1930 beschäftigte sich die Wissenschaft bezüglich Deprivation mit der Sammlung von Erfahrungen. Konkrete Analysen und Zuordnung in die spezifischen wissenschaftlichen Bereiche wurden noch nicht unternommen. Die Resultate dieser rein empirischen Studien offenbarten hauptsächlich die hohe Sterberate und verminderte Vitalität von Kindern in Findelhäusern, Kinderkrankenhäusern und Kinderheimen (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 1ff., 10, 36). Die frühe sozial-empirische Methode wurde durch bestehende Theorien ersetzt, welche die Persönlichkeitsentwicklung mit einbeziehen. Das Interesse der Deprivation in dem Sinne, dass Kinder aufgrund eines dauerhaften Zustandes der Nichtbefriedigung der grundlegenden Gefühlsbedürfnisse benachteiligt sind, ging hauptsächlich von Autoren aus, die im Bereich der Psychoanalyse tätig waren („z.B. in der Londoner Tavistock Clinic: Suttie, Edelston, später Bowlby, in USA R. Spitz) Schließlich folgte in den 1960er Jahren die Erforschung von Deprivationsprozessen innerhalb der Familie, da die meisten Kinder mit Symptomen der Deprivation mit der Mutter zusammenlebten. Eine weitere Kategorie ist die sensorische Deprivation (wesentliche Einschränkung der Sinnesreize) und die soziale Isolierung (Brisch & Hellbrügge 2006, S. 47; Langmeier & Matě jč ek, 1977, S. 4). Festzuhalten ist, dass Vernachlässigung, traumatische Entbehrung, Liebesentzug oder ähnliche negative Erlebnisse per Definition dem Terminus der Deprivation 6 zuzuordnen sind. Wie sich diese Erfahrungen jedoch äußern ist, von vielen Faktoren und Gegebenheiten abhängig. Deprivation kann in dem Moment des Geschehens durch Handlung (Schlagen, sexueller Missbrauch) oder auch passiv (Hungern-lassen, verbal, Isolation etc.) ausgeübt werden (Kennerly 2003, S. 21). 2.2 Bedingungsmodell 2.2.1 Ursachen Die Bedingungen von Deprivationsprozessen sind wie die klare Definition des Begriffs, vielseitig und abhängig von den Gegebenheiten. Während der 1950er Jahre zeigte sich durch Autoren wie Bowlby, Spitz und Goldfarb, dass viele situative Faktoren für Deprivation verantwortlich sein können. In dem klassischen Buch zur Problematik der Deprivation Maternal care and mental health von John Bowlby wurden die wichtigsten Schlussfolgerungen und Bedingungen zusammengefasst. Daraus resultierte, dass ein Kind durch intime Emotionalität in einer angemessenen Umgebung aufgezogen werden soll. Eine enge, dauerhafte Bindung an die Bezugsperson ist sehr wichtig. Wenn ein Kind an dieser emotionalen Bindung Mangel leidet, folgen hieraus diverse Beeinträchtigungen der seelischen Befindlichkeit. Diese Folgen können je nach Dauer der Deprivation differenziert rehabilitiert werden (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 4f., 50). In der Bindungstheorie werden zwischen verschiedenen Bindungstypen unterschieden, die durch die Untersuchungen von Mary Ainsworth identifiziert wurden. In ihrer Studie trennte sie Kinder von ihren Müttern. Hierbei resultierten drei unterschiedliche Bindungstypen. Den Typ der sicheren Bindung (Typ B), den Typ der unsicher vermeidenden Bindung (Typ A) und den Typ der ambivalenten Bindung (Typ C). Die Episoden der Wiedervereinigung waren besonders relevant zur Bestimmung des Bindungstypus. Später wurde noch ein weiterer Bindungstyp kategorisiert, der Typ der desorganisierten-desorientieren Bindung (Typ D) (Voos, 2012). 7 Die erlernten Bindungsmuster werden in allen wichtigen Beziehungssituationen aktiviert. Das Bindungsmuster determiniert die innere Erwartungshaltung bezüglich Sicherheit in Beziehungen und Zuwendungen und des eigenen Selbstkonzeptes. Ungünstige Bindungsmuster führen zu einer ungenügenden Affektregulation. Außerdem ist das Bindungsmuster relevant für das psychische Wohlbefinden. (Stegmaier 2000; Daudert 2001, S. 6). Hieraus gehen entweder Schutzfaktoren hervor oder im negativen Fall werden Risikofaktoren begünstigt. Der Risikobegriff bedeutet die Wahrscheinlichkeit eines Eintretens von Schaden/Verlust mit dazugehörigen negativen Konsequenzen. Darunter sind Risiken als Selbstzurechnung zu bezeichnen und Gefahren als Fremdzurechnung. (Luhmann 1990, S. 148 ff.). Doch auch andere Autoren wie beispielsweise Knight (1964) oder Mensch (1991) haben für die Definition, Herleitung und Kausalität des Begriffes unterschiedliche Zusammenhänge erklärt. (Knight 1964, S. 233ff; Mensch 1991, S. 45). Auch Störungen wie Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen können als Komorbiditäten, durch Entwicklungsdefizite im Spracherwerb und der kognitiven Kompetenzen, auftreten. Symptome äußern sich oft durch schlechte Selbstregulation (Cierpka et al. 2007, S. 93). Viele Faktoren beeinflussen das Auftreten und die Form der Deprivation. Darunter „unterschiedliches wirtschaftliches und kulturelles Niveau, unterschiedliche Traditionen im erzieherischen Umgang mit den kleinsten Kindern, unterschiedliche gesellschaftliche Bedingungen, unterschiedliche Gesetzgebung, das Niveau und die Organisation der sozialen und gesundheitlichen Leistungen und viele andere Faktoren […]“ (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 8). Bis hierhin ist festzuhalten, dass, wenn ein Individuum nicht die Möglichkeit hat, in seiner gegenwärtigen Lebenssituation seine Grundbedürfnisse zu befriedigen, dies zu einem andauernden Zustand der Deprivation führt. Doch wie sind die einzelnen Faktoren zu benennen, die sich auf diesen Zustand auswirken? Zu den grundlegenden Bedürfnissen zählen Langmeier und Matě jč ek vier verschiedene Kategorien: 1. Das Bedürfnis nach einer gewissen Menge und Modalität von Reizen. 8 2. Das Bedürfnis eine Stabilität und Struktur zu erkennen und zu erfahren. 3. Das Bedürfnis nach primären gesellschaftlichen Beziehungen, welche die Integration der Persönlichkeit ermöglichen . 4. Das Bedürfnis sich gesellschaftlich geltend zu machen, wodurch dem Kind die Aneignung differenzierter gesellschaftlicher Rollen und wertvoller Lebensziele ermöglicht wird. (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 12, 230f.) Auch Fröhlich beschreibt die Bedürfnisse nach Bewegung, Anregung und Abwechslung. Außerdem sind Sicherheit und Stabilität der Beziehungen, eine Bindung zu einer Person, Zärtlichkeit und Angenommen sein von Bedeutung. Als Kontrapunkt sehnt sich das Individuum auch nach Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit (Fröhlich 1998b, S. 24ff.). Weiterhin gehören zu den wichtigen Bedürfnissen die Ernährung und Pflege, sowie emotionale Sicherheit und Geborgenheit. Gleichzeitig wichtig ist das Kennenlernen von Explorationsmöglichkeiten, Kommunikation und eigene Selbstwirksamkeit in der Welt (Papoušek 1998, S. 90.). Die Ursachen von Deprivation korrelieren zusammenfassend immer mit einem Mangel an Bedürfnissen. Der Grund kann innerhalb der Familie sein, z. B. in einer Großfamilie ohne Vater, bei einer depressiven Mutter (Separation trotz Vorhandensein der Mutter) oder bedingt durch Interaktionsmangel. Somit hat eine Zerrüttung innerhalb des familiären Kontextes eine gravierende Bedeutung bei der Entstehung von Deprivationsstörungen. Diese Ergebnisse wurden schon früh durch Studien in den 1950er Jahren festgestellt. Beispielsweise haben Langmeier, Konias und Dolejši 1957 bei einer Analyse herausgefunden, dass eine brüchige Familiensituation, hauptsächlich Verhaltensstörungen als Auswirkungen beinhaltet. Auch das Milieu, in dem das Kind aufwächst, ist von Bedeutung. So verlieren Kinder aus sozioökonomisch schwachen Familien mit zunehmendem Alter an IQ. Die Ursachen von sensorischer Deprivation beinhalten oft eine Isolierung des Kindes. Wird ein Kind nur Zuhause gelassen und von der Gesellschaft abge9 schirmt, so entsteht ein Reiz- und Wertemangel. Hierdurch entstehen dann wiederum Defizite im Kontakt zu Peers, Gruppenleben, im Spielen und an sozialen Erfahrungen (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 109f., 112, 124, 137). Laucht analysierte 2003 in der Mannheimer Risikokinderstudie den Verlauf psychischer Störungen und die Bedingungen für dessen Entstehung. Auch Kinder aus ungünstigen Familienverhältnissen und psychosozialen Belastungen wurden untersucht. Kinder mit Interaktionsstörungen und Beeinträchtigung der emotionalsozialen Entwicklung waren alarmierend hoch bei Müttern mit postpartalen Depressionen (Laucht 2003, S. 61ff.). Damit ein Säugling sich angemessen entwickeln kann, benötigt er mindestens eine zuverlässige feinfühlige Bezugsperson. Diese sollte in der Lage sein die Signale ihres Kindes wahrzunehmen und daraufhin richtig zu interpretieren, um sofort angemessen darauf reagieren zu können. Grundvoraussetzungen für angemessene Entwicklungsprozesse liegen in den frühsten Beziehungen zur Bezugsperson des Kindes. Das Kind adaptiert die Erfahrungen mit sich selbst, von Kommunikation, Sprache und Beziehung zu Personen und der Umwelt in andere situative Kontexte mit ein (Papoušek 2006, S. 62f.). Zu den wissenschaftlichen Forschungen bezüglich Deprivation zählen auch neurobiologische Ergebnisse. Rutter weißt darauf hin, dass Schore 1994 bereits neurowissenschaftliche Ergebnisse herangezogen hat, die besagen, dass Erfahrungen in den ersten drei Lebensjahren gemacht werden müssen, wenn sie eine langfristige Wirkung zeigen sollen. Dies liegt daran, dass das Gehirn zu dieser Zeit in einer besonders großen Wachstumsphase ist und die Funktionen von Organisation und Reorganisation besonders ausgeprägt sind. In den ersten Lebensjahren verändern sich Gehirnfunktion und Gehirnstruktur noch sehr stark. Nach der Phase des neuronalen Wachstums, in der die Entwicklung von Verbindungen zwischen Nervenzellen und die Wanderung von Nervenzellen sich bildet, kommt die Phase, in der überschüssige Nervenzellen, die nicht intensiv genutzt wurden, abgebaut werden. Dann werden „Fehler“, die sich in der Wachstumszeit gebildet haben, in der neuronalen Organisation korrigiert. Aber auch im Erwachsenenalter haben Erfahrungen Auswirkungen auf die Gehirnstruk10 tur. An dieser Stelle führt Rutter unter anderem Curtis & Nelson 2003, Greenough & Black 1992 und Huttenlocher 2002 an (Rutter 2006, S. 102f.). Der Entwicklungsprozess ist eine kontinuierliche, systematische Veränderung und beeinflusst die Verhaltensmuster (Rutter & Rutter 1993, S. 64). Hieraus lässt sich die Konklusion festhalten, dass die Auswirkungen von Erfahrungen in der frühen Kindheit besonders groß sind, da sie die Gehirnstruktur verändern können. Traumatische Erlebnisse zwischen einem Kind und seiner Bezugsperson können als Resultat Bindungsstörungen hervorrufen. Das daraufhin erlernte Bindungsmuster des Kindes wird in bindungsrelevanten Kontexten aktiviert (Brisch & Hellbrügge 2006, S. 229). Komplizierte familiäre Dispositionen, Migration sowie weitere biografische Erlebnisse können den Sozialisationsprozess beeinträchtigen. Scheitert dieser Prozess bei Kindern und/oder Jugendlichen, ist das Entwickeln von Fähigkeiten, die ein erwünschtes Leben ermöglichen, schwierig. Durch Überforderungsgefahr können Jugendliche die Anforderungen bei misslingender Sozialisation nicht bewältigen. Entwicklungsprobleme sind mögliche Folgen von missglückter Interaktion mit der Umwelt. Bei problematischen Sozialisationsbedingungen ergeben sich Schwierigkeiten für die Jugendlichen, Fähigkeiten zu entwickeln, die ihnen ein zufriedenes und erwünschtes gesellschaftliches Leben ermöglichen. Kinder und Jugendliche aus ärmeren Milieus leiden dann an mangelnder Befriedung ihrer materiellen Bedürfnisse. Zerrüttete Familienbeziehungen, Aggression gegenüber der Kinder und ähnliches, schränken die Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung und die seelische Befindlichkeit ein (Dassler 2009; Raithel 2011, S. 94; Stangl 2012; Universität Duisburg-Essen 2006). „Die Betroffenen verlieren im Falle einer Verlaufskurve aufgrund erlittener belastender biographischen Erfahrungen ihre aktiven Handlungsmöglichkeiten und fühlen sich durch übermächtig erlebte Situationen und Rahmenbedingungen wie getrieben.“ (Schütze 1995, S. 126). Das Resultat ist Vereinzelung statt Gemeinsamkeit, ausgelöst durch zu gravierende Leistungsanforderungen und Leistungsdruck (Raithel, 2011, S. 92). Die Jugendlichen haben keine Sicherheiten für die spätere berufliche Perspektive. Sozia11 le Selektion und Wettbewerbsdruck determinieren ihren Alltag und daher fehlen Solidaritätserfahrungen. Geschaffen wird stattdessen soziale Isolation. Auch die Veränderungen der Familienkonstellationen stellen einen weiteren Risikofaktor dar. Vermehrt lassen sich Menschen scheiden und viele „Ein-ElternteilFamilien“ entstehen. Eine soziale Unterstützung in der Lebenswelt des Kindes ist daher schwierig zu bewältigen. Durch Scheidung der Eltern, verliert das Kind oft eines der beiden Elternteile als Bezugsperson, was wiederum Verlustgefühle als Folge hat. Zusätzliche psychische, soziale, physische, Belastungen sowie finanzielle und materielle Ansprüche, erschweren die Perspektiven der Ein-Elternteils (Raithel, 2011, S. 92f.). „Um ein positives Selbstwertgefühl und prosoziale Orientierungen zu entwickeln, sind zuverlässige, stabile und berechenbare soziale Beziehungsstrukturen erforderlich. Eine gute Ausgangslage ist eine emotional positive, machtbalancierte und durch Konfliktlösung gekennzeichnete Beziehung.“ (Raithel 2011, S. 94f.). Faktoren, die für die Entwicklung des Jugendlichen relevant sind: • Finanzielle und soziale Lage der Eltern; • Familiale Wohnsituation; • Verwandtschaftliche Einbindung; • Biographische und Persönlichkeitsstruktur der Eltern; • Qualität der Partner-/ehelichen Beziehung; • Qualität der Eltern-Kind-Beziehung; • Innerfamiliäres Sozialklima. (Raithel 2011, S. 95). Die gesellschaftliche Struktur mit ihrer Armut, Arbeitslosigkeit, geringere Zukunftsperspektiven, sozialer Selektion etc. sind auch ursächlich für Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen (Nölke 1997, S. 190; Raithel, 2011, S. 92). 12 Bis hierin lässt sich, im Rahmen dieser Arbeit, die Begriffsbestimmung von Deprivation darauf schließen, dass diese Ursachen deprivierender Natur sind und somit Kernpunkte in der Kausalität von Verhaltensauffälligkeiten darstellen. 2.2.2 Erscheinungsbild und Auswirkungen Primär ist anzumerken, dass Deprivation nicht gleich Trauma bedeutet, jedoch aus Deprivationsprozessen häufig Traumata entstehen. Deprivation im familiären Kontext wird heutzutage mit Vernachlässigung erklärt (Kapitel 2.1). Die Symptome und Auswirkungen von Deprivation können individuell und vielseitig ausgeprägt sein. Gravierend ist gerade in dem Themenfeld der Deprivation, dass sie eine Vielzahl psychiatrischer Diagnosen beinhaltet. Die Symptomatik ist somit genauso vielseitig und somit ähnlich wie bei Traumata (Müller, 2011). Bei traumatischen oder deprivierenden Erlebnissen sind die Erscheinungsbilder unterschiedlicher Form. Das Erlebnis kann schon mehrere Jahre oder Jahrzehnte zurück liegen oder auch über einen längeren Zeitraum stattgefunden haben. Dies ist von dem Schweregrad des Traumas abhängig. Die traumatischen Ereignisse verankern bei dem Betroffenen responsive, vulnerabile Reize. Dies bedeutet, bestimmte Gerüche, Abfolgen von Ereignissen, Geräusche, die Passage eines Buches etc., das an die traumatische Situation erinnern (Trigger) und diese reaktivieren, lösen daraufhin Symptome bezüglich des Traumas aus. Oftmals werden diese jedoch nicht in einen Kontext mit dem Trauma gesehen, da die Zeitspanne sehr groß ist (Eisenberg 2012; Kennelry 2003, S. 28). Wurde das deprivierende Erlebnis erst einmal durch die Trigger reaktiviert (sogenannte Flashbacks), treten verschiedene Symptomatiken auf. Sie können sich durch eine gewisse Desorganisation ausdrücken. Konzentrationen fallen schwieriger, Betroffene fühlen sich schnell überfordert, sind erschöpft und der Tagesablauf scheint ohne Raum und Zeitgefühl zu vergehen. Aber auch psychosomatische Störungen wie Panikattacken und Angstzustände oder Schmerzen ohne medizinische Ursache treten auf. Des Weiteren können sich die Symptome auch in apathischen Zuständen ausdrücken, wenn der Traumatisierte sich gelähmt, abwesend 13 und erstarrt fühlt. Die Selbstregulation kann verloren gehen, sowie eine optimistische Einstellung bezüglich der Welt und ihrer eigenen Sicherheit in ihr. Viele Menschen isolieren sich auch selber von bestimmten Situationen. Emotionen werden nicht mehr gespürt und das Individuum fühlt sich innerlich leer. Viele Symptome können sich auch durch Essstörungen, Konsum- und Suchtverhalten äußern (hierauf wird im Kapitel 4 noch eingegangen) (Eisenberg 2012; Kennerly 2003, S. 28; Meijer & Döring-Meijer 2009). Sollte kein sicheres Bindungsmuster vorhanden sein, sind die Störungen umso größer. Die Probleme bei unsicher gebundenen Kindern können auf das gesamte spätere Leben Auswirkungen haben. Schwierigkeiten in Beziehungen zum Partner und den eigenen Kindern können sich zu einem infiniten Regress herausbilden (Eisenberg 2012). Auch Entwicklungsverzögerungen entstehen durch traumatische, deprivierende Erlebnisse, wenn keine anderen medizinischen Ursachen zur Debatte stehen (Fokus Kind Mediennetzwerk, 2012). Sehr prägnant ist die Tatsache, dass ein traumatisches Erlebnis zu vielen verschiedenen Auswirkungen in verschiedenen situativen Kontexten führen kann. Die Symptome sind spürbar innerhalb Beziehungen, im eigenen Handeln und Denken, in den Emotionen und im Selbstkonzept aber auch in der eigenen Körperwahrnehmung. Kontexte auf der Beziehungsebene sind geprägt von Misstrauen dem Partner gegenüber sowie der Wahrnehmung keiner anderen Perspektive als der Eigenen. Emotionale Labilität durch Rückzug und Wut sind oftmals Ausdruck der Verletzbarkeit und ist ein Schutzmechanismus. Fühlt ein Mensch sich wertlos und ungeliebt während des traumatischen Erlebnisses, wird dieser im Erwachsenenalter mehr darunter zu leiden haben, als jemand, der während oder nach dem Erlebnis Halt und Stabilität bekommen hat. Viele Faktoren gehen ineinander über oder bedingen sich offenbar gegenseitig. Handlungsweisen stellen sich per mangelnder Impulskontrolle, selbstzerstörerischen Verhaltens (external) dar. Jedoch sind auch gegenteilige Verhaltensweisen wie Schlafstörungen und Unterordnung (internal) zu beachten. Wer die eigenen Emotionen nicht fühlen kann, hat folglich auch Probleme seine emotionalen Zustände zu regulieren bzw. sie offenzulegen. 14 Weiterhin gehören zu den Auswirkungen nach traumatischen oder deprivierenden Erlebnissen Schwierigkeiten bezüglich des Lernens und der sensorischen und motorischen Entwicklung (Kennerly 2003, S. 22, 26; Meijer & Döring-Meijer 2009). Treten eins oder mehrere der oben genannten Symptome auf, ist die Bezeichnung hierfür posttraumatische Belastungsstörung (PTB). Die Christoph-Dornier-Klinik (2012) hat zur Überprüfung eine Checkliste erstellt, die durch die Beantwortung von Fragen Antwort darüber geben kann, ob eine PTB vorliegt: Checkliste PTB: A 1. Wiederkehrende und eindringliche Erinnerungen an das traumatische Ereignis 2. Belastende Träume von dem Ereignis 3. Das Gefühl, das Ereignis gerade im Moment wiederzuerleben; so zu fühlen, als passiere es gerade jetzt 4. Starke Belastung in Situationen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen oder daran erinnern B 1. Bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen, Gesprächen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen 2. Bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen 3. Sich nicht an alle Details des Traumas erinnern können 4. Sich von Freunden und Familie isolieren und Vermeidung von sozialen Situationen 5. Sich "emotional taub" oder losgelöst bzw. entfremdet von anderen fühlen 6. Nicht mehr in die Zukunft schauen können. Gefühl von Angst und Unglück bezüglich der Zukunft C 1. Schwierigkeiten einzuschlafen oder durchzuschlafen 2. Sich besonders launisch, irritierbar, ärgerlich oder ängstlich fühlen 3. Konzentrationsschwierigkeiten D 1. Sich durch Alltagssituationen überwältigt bzw. überfordert fühlen und vermindertes Interesse an täglichen Aufgaben und Beschäftigungen, die man früher gern hatte 2. Sich vermehrt auf Alkohol oder Tabletten bzw. Drogen verlassen, um durch 15 den Tag zu kommen 3. Sich schuldig fühlen, das Ereignis überlebt zu haben, das Ereignis nicht beeinflusst oder verhindert zu haben Abbildung 1: Checkliste Posttraumatischer Belastungsstörung (PTB(ChristophDornier-Klinik GmbH 2012). Das verinnerlichte Selbstkonzept nach deprivierenden Ereignissen führt dazu, dass die Leidtragenden sich wertlos, abgelehnt fühlen und negativ in die Zukunft blicken. Ein Gefühl für die eigene Identität und den Sinn im Leben ist nicht vorhanden (Kennerly 2003, S. 27). „Neben Bowlby waren es insbesondere Spitz und Goldfarb, die die schweren Folgen der langdauernden, vollständigen Deprivation, ihren dramatischen Verlauf, ihre Dauerhaftigkeit und den tiefen Einfluss auf die Struktur der Persönlichkeit hervorhoben.“ (Langmeier & Matě jč ek 1977 , S. 5). Heutzutage werden viele Ehen geschieden und die Ein-Elternteil-Familie rückt in den Vordergrund (Peuckert 1999, S. 161f.). Schon in den 1970er Jahren wurde die Zerrüttung der Familie als mögliche Ursache von Deprivationsprozessen bekannt. Das Milieu und/ oder Scheidung der Eltern können dazu führen, dass das Kind nicht genügend soziale und emotionale Reize bekommt. Aber auch wenn die Reize objektiv gegeben sind, genügt dies dem Kind nicht, wenn die Beziehung und Bindung zu einer Bezugsperson fehlt. Kinder aus einer geschiedenen Ehe können sich in einer ähnlichen Situation befinden. Denn die Scheidung der Eltern tritt vorwiegend nicht plötzlich auf. D.h. „die innere Einheit und gegenseitigen Beziehungen der Familienmitglieder sind in der Regel schon früher gestört. Es kommt oft vor, dass das Kind nur eine schwache Bindung an den Elternteil hat, von welchem es jetzt getrennt wird – es kann aber auch sein, daß [sic!] diese Bindung sehr eng ist und das Kind die Trennung fast so schmerzvoll wie den Tod eines Elternteils erlebt“ (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 110, 119). Kernmerkmale von Erscheinungsbildern der Deprivation sind somit, dass ein Kind dadurch, dass dieses durch die Deprivation dauerhaft unbefriedigt in seinen 16 Bedürfnissen geblieben ist, seine psychischen Bedürfnisse nicht an die gegebenen situativen Umstände, die der gesellschaftlichen Norm entsprechen, anpassen kann. Weiterhin weisen Langmeier und Matě jč ek (1977) auf eine Studie aus dem Jahre 1678 hin, bei der „von 2000 in das Waisenhaus aufgenommenen Kindern nach 10 Jahren nur 7 am Leben blieben.“ (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 12, 51.). Salmon und Dover beweisen aufgrund ihrer Fallberichte, wie wichtig positive Bindungserfahrungen, für die Entwicklung des Kindes sind. Fehlen diese positiven Erfahrungen, wirken sich diese negativ auf die Lernprozesse des erfahrenen Kindes aus. So sind bei negativen Bindungserfahrungen emotionale und kognitive Entwicklung betroffen, wodurch das Selbstkonzept des Kindes leidet. Diese schädlichen Resultate können sich bei Nichterkennung soweit ausprägen, dass die Sprachkompetenz schlecht ausgeprägt ist, was wiederum Auswirkungen auf das Schulleistungsniveau hat. Da dies auf das Bindungsmuster zurückzuführen ist, also psychische Ursachen hat, sind diese wiederum ursächlich für die richtige Handlungsweise im Unterricht. Negative Bindungserfahrungen können auch Angst hervorrufen. Des Weiteren können sich auch Angstgefühle (durch Deprivation entstanden) negativ auf Denkprozesse und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit auswirken (Salmon & Dover, 2011, S. 15ff. 58). Häufig treten auch Komorbiditäten, wie Hyperaktivität und externalisierten Verhaltensweisen auf. Nach deprivierenden Erlebnissen steigert sich die Vulnerabilität des Menschen und die Wahrscheinlichkeit, dass er Probleme entwickelt wird umso höher (Kennerly 2003, S. 25; Glaser & Brunstein 2004, S. 26). Jedes Kind reagiert auf jede negative Erfahrung anders. Dieses kann jedoch nicht pauschalisiert werden. So tendieren Kinder nach Traumata auch zu emotionalen und sozialen Auffälligkeiten. Aggressive Verhaltensweisen, Angstzustände und psychosomatische Störungen gehören zu den durchschnittlichen Reaktionen nach Deprivationserlebnissen. Weitere Auswirkungen können aber auch in Depressionen oder Angstzuständen übergehen. Wie bereits erwähnt können diese Auswirkungen mit Schwierigkeiten bei der Sprachentwicklung zusammenhängen (Butcher et al. 2009, S. 115). 17 Neben diesen externalen, sichtbaren/spürbaren Auswirkungen verändern traumatische Erlebnisse, unmittelbar nach dem Ereignis, die Aktivität des Gehirns. Die Aktivität der Hirnbereiche sind während des traumatischen Ereignisses und während eines Erinnerungsprozesses zu einem späteren Zeitpunkt, dieselben. Sogar ohne Erinnerung bleibt die hervorgerufene Veränderung im Gehirn bestehen. In dem Moment der Deprivation wird das Großhirn nicht mit allen Informationen versorgt und merkt sich das Erlebnis oft nicht. Hierdurch wird dem Großhirn, durch Trennung von Amygdala und Hippokampus, die Entscheidungsfähigkeit genommen. Demnach sind Reaktionsweisen während eines traumatischen Erlebnisses biologisch und nicht von dem Verstand gesteuert. Da das Großhirn zu wenige Informationen bekommt, erreichen die Amygdala zu viele ungefilterte von diesen. Diese Reizüberflutung führt dazu, dass Teile des Traumas nicht im Großhirn ankommen. Bis zu dem Zeitpunkt der posttraumatischen Belastungsstörung, kann dieser Zustand des Nichtwissens über Jahrzehnte bestehen bleiben. Erst durch das Triggern (Auslösen) und den daraus resultierenden Flashback kommen die Erlebnisse zunächst wieder ungefiltert im impliziten Gedächtnis (wirkt sich auf Lernen und Verhalten aus) zutage (Focus Online 2009; Psychotherapeutische Praxis Furth im Wald, 2007; Stangl, 2012). Der Lernvorgang erfolgt über den Hippokampus. Die durch Erfahrungen entstandenen Gefühle sind in der Amygdala gespeichert. Traumatische Erlebnisse werden zwar in der Amygdala als Gefühlszustände, physische Reaktionen und Bilder gespeichert, jedoch wird dies nicht in einen Kontext mit konkreten Ereignissen gebracht. Dies ist in der Auswirkung der Hormonausschüttung auf die Nervenzellen bedingt. Dadurch wird die Funktionsweise des Gehirns verändert und die Verbindung zwischen Amygdala und Hippokampus ist gestört. Dadurch reagiert der Mensch während des Erlebnisses nach Instinkt, das Großhirn nimmt keine zeitlich aufwändige Beurteilung vor. Jedoch durch die Auswirkungen auf die Nervenzellen können diese in veränderter Form bestehen bleiben und eine Unterbrechung zu den anderen Gehirnpartien erzeugen (Kitzelmann 2008; Schwarz 2009; Team der Borderlinezone 2007). 18 Treten Störungen innerhalb des Konzentrations- und Lernniveaus auf, kann dies auf Ängste zurückzuführen sein. Angst vor Erwartungen von Erwachsenen, Leistungserwartungen und Angst vor Kontrollverlust der eigenen Gefühle mindern das Konzentrationsniveau und somit die Lernleistungen. Da durch das Trauma die Informationsverarbeitung im Gehirn beeinträchtigt ist, kann dies dazu führen, dass auch früher Abgespeichertes nicht mehr abrufbar ist. Dies führt zwangsläufig zu Problemen in der Schule. Auch Flashbacks können die Aufmerksamkeit des Gehirns so vereinnahmen, dass die Möglichkeit sich auf Lerninhalte zu konzentrieren wegfällt (Schulz 2009). 2.3 Klassifikation und Diagnostik Um Krankheiten und psychische Störungen zu klassifizieren, sind zwei Diagnosesysteme hervorzuheben. Die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10) und die Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) (vgl. Walter 2009). Der Abdeckungsbereich der beiden Systeme ist unterschiedlich. ICD-10 befasst sich mit Krankheiten allgemein, während DSM-IV sich nur auf psychische Störungen bezieht (vgl Piesbergen 2010). Die ICD-10 ist ein Handbuch, das von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben wird, in dem alle anerkannten Krankheiten und Diagnosen registriert sind (vgl. Ristau 2012). Die DSM-IV wurde von der American Psychiatric Association (APA) herausgegeben. Aktuell ist die vierte Auflage, daher die Bezeichnung DSM-IV. Wie bei der ICD-10 werden psychische Störungen klassifiziert und beschrieben. Erweiternd formuliert die DSM-IV unter anderem auch die Ursachen der Störungen, geschlechtsspezifische Statistiken und Prognosen, die auf die richtige Behandlungsweise erforscht werden (vgl. Heffner 2003). Eine konkrete Klassifikation für Deprivation ist nicht vorhanden. Je nach Symptomatik kann anhand ICD-10 zum Beispiel PTB (F43.1) diagnostiziert werden, die in das Kapitel „Neurotische, Belastungs- und somatische Störungen“ (F4019 F48) gehört. F43 zählt zu den Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, welche von F43.- bis F43.9 aufgelistet sind. Die Kapitel der ICD-10 reichen von F00 bis F99 (zuzüglich Unterkapitel). Erscheinungsbilder, die nach deprivierenden Ereignissen auftreten, können sich auch in affektiven Störungen (F30-F39), Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (F50-F59), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60-F69), Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90-F98) und in nicht näher bezeichnete psychische Störungen (F99) darstellen (ICD-10-GM 2012). DSM-IV greift weiter in die Symptomatik und besonders auch in die Auswirkungen bei der Klassifikation von PTB (DSM-IV 309.81). Zusätzlich wird auch auf Flashback-Reaktionen eingegangen. Wichtig zu bemerken ist, dass DSM-IV Konzentrationsschwierigkeit zu den Symptomen einer PTB zählt. Jedoch fordert DSM-IV als Kriterien, dass das traumatische Ereignis regelmäßig wieder erlebt wird und die Betroffenen versuchen, Gedanken diesbezüglich zu vermeiden (Elze 2012; versteckte-scham.de 2006). Aufgrund dessen, dass DSM-IV sich ausschließlich psychischen Störungen widmet, kann hier davon ausgegangen werden, dass eine Vielzahl der in den Kapiteln von DSM-IV beschriebenen Erscheinungsbildern, nach deprivierenden Erlebnissen auftreten können. Je nachdem welche Symptome aufgezeigt werden und je nachdem welche Kriterien sie erfüllen, wird eine Diagnose gestellt wie zum Beispiel AufmerksamkeitsDefizit-(Hyperaktivitäts)-Syndrom (AD(H)S). Die Symptome, die bei ADHS auftreten, können folglich bedingt durch ein Trauma sein. Bei der Recherche war jedoch nicht festzustellen, dass dies bei den Klassifikationssystemen berücksichtigt wird. Jedoch wird auf Komorbiditäten hingewiesen, dass differentialdiagnostische Probleme auftreten können, wenn die entsprechende „Symptomatik auch bei Störungsbildern vorkommt, die anderen diagnostischen Kategorien zuzuordnen sind“ (Bundesärztekammer 2006). Da die vorangegangenen Erfahrungen wie Vernachlässigung, Traumata etc. und situative Faktoren wie Milieu, Erziehung etc. allesamt zu Deprivationserlebnissen 20 dazugehören, wird die Diagnostik immer abhängig sein von den repräsentierten Symptomen des Betroffenen. Entsprechend kann daraufhin die jeweilige Diagnostik erfolgen. Da nach traumatischen Erlebnissen diverse Faktoren die Entwicklung und Handlungsweise des Individuums determinieren, können Symptome auftreten, die den oben genannten Klassifikationen der ICD-10 zugeordnet sind. Komorbiditäten werden hierbei eingeschlossen. Nicht zu verachten sind die Ressourcen des Individuums selbst. Hierzu ist nun wichtig sich die Ursachen vor Augen zu führen, um mit dem Trauma als angemessen umgehen zu können. Weist ein Kind z.B. Störungen im Konzentrationsbereich auf, wird dieses vermutlich einem AD(H)S-Diagnoseverfahren unterzogen. Dies liegt daran, dass eine Konzentrationsschwäche zu einem Hauptmerkmal von AD(H)S gehört. Deprivation beeinflusst in großem Maße die Bindungsqualität, somit werden in diesem Kontext Verfahren zur Erfassung der Bindungsqualität angewandt. Im Grundschulalter dienen Verfahren wie beispielsweise der Attachment Story Completion Test (ASCT). Dieser wurde von Golger-Tippelt und König in Deutschland in das Geschichtenergänzungsverfahren (GEV-B) überarbeitet. Bei der Verfahrensdurchführung werden fünf Situationen mit Puppen gespielt, die durch zunehmende Dramatisierung der dargestellten Szenen das Bindungsverhalten der Kinder auslösen sollen. Danach muss das Kind die Geschichte mit Hilfe der Puppen zu Ende erzählen. Je nachdem, wie die Geschichte von dem Kind weitererzählt wird, repräsentiert dies die Eltern-Kind Beziehung und somit auch die verschiedenen Bindungsorganisationen (Gloger-Tippelt & König 2009, S. 65f.; Kennedy 2012). Emotionale Vernachlässigung und frühkindliche Deprivation sind die potenziell schwerwiegendsten Faktoren für eine gestörte seelische oder geistige Entwicklung des Menschen und werden als Kofaktor auch bei der Mehrzahl der übrigen Misshandlungsformen gefunden. Sie sind gekennzeichnet durch die fehlende Berücksichtigung der Entwicklungsbedürfnisse von Kindern und eine Störung der ElternKind-Interaktion durch ein nicht hinreichendes oder ständig wechselndes und dadurch nicht ausreichendes emotionales Beziehungsangebot (Jacobi et al. 2010). „Die am häufigsten vorkommende Misshandlungsform mit den gravierendsten langfristigen Auswirkungen stellt die Vernachlässigung dar. Sie kann im physi21 schen Bereich medizinisch diagnostiziert werden, ansonsten nur über psychische Auffälligkeiten und Verhaltensvariablen (Jacobi et al. 2010). 3 Lernstörungen 3.1 Definition Lernen Eine Definition des Lernbegriffs geht immer mit subjektiven Anforderungen und Maßstäben einher. Dadurch resultiert, dass eine Definition von Lernstörungen (mit ihren verschiedenen Begriffen) auch verbunden ist mit dem Anforderungsniveau, das von dem Lernenden erwartet wird (Elbert & Ellinger, 2006, S.319). Lernen beschreibt dauerhafte Verhaltensänderungen, die auf Erfahrung beruhen. Der Mensch zählt zu den Wirbeltieren, bei dem die Fähigkeiten des Lernens am größten ausgeprägt sind. Jedes menschliche Verhalten kann durch Lernen verändert werden. Was gelernt wird bestimmen oftmals die inneren Mechanismen (Trieb, Motiv, Instinkt). Diese sind wiederum vererbt. Konditionierung gehört zu den einfachen Lernvorgängen, genauso wie das Lernen durch den Versuch. Hierbei ist problemlösendes Verhalten auch ohne Wissen darüber möglich. Lernen wird außerdem zwischen zielgerichtetem und beiläufigem Lernen differenziert. Beiläufiges Lernen findet eher im Alltag statt und bezeichnet das beiläufige Aufnehmen von Inhalten ohne dass dies dem Lernenden bewusst ist. Bezüglich der Vorgänge sind viele Theorien entstanden (Behaviorismus, Psychoanalyse etc.). Keine der Lerntheorien genügt jedoch, um das Lernen umfassend zu erklären. Lernen ist eine durch Erfahrung entstandene Verhaltensänderung. Sie bietet außerdem Verhaltensmöglichkeiten, die die Menschen befähigen, aufgrund früherer und aktueller Erfahrungen situationsangemessen zu reagieren. Beim Lernen ist der Mensch weitestgehend aktiv, einsichtig und eignet sich sozial vermittelte Kenntnisse an. Außerdem hängt der Lernprozess auch von den Einstellungen, Verhaltensweisen und von der Interaktion mit der Umwelt ab (Meyers Lexikonverlag, 1997, S. 529; Microsoft & Brockhaus, 1999; Schmidbauer, 1995, S. 123ff.; Zimbardo & Gerring, 1999, S. 229). 22 Neuere Definitionen beziehen sich auf die neuronalen Vorgänge des Lernens. Lernen wird als nicht direkt sichtbare Prozesse in einem Organismus, „vor allem in seinem zentralen Nervensystem (Gehirn), die durch Erfahrung (aber nicht durch Reifung, Ermüdung, Drogen o.ä.) bedingt sind und eine relativ dauerhafte Veränderung bzw. Erweiterung des Verhaltensrepertoires zur Folge haben“ (Krüger & Helsper, 2002, S. 97). Während des Lernens, werden biochemische Veränderungen in den Nervenzellen aktiviert. Hierbei werden die einzelnen Nervenzellen anhand komplexer Synapsenverbindungen zusammen verknüpft. „Dafür muss ein Lerninhalt (z.B. ein neu zu lernender Begriff) mehrmals in so genannten reverbatorischen Kreisen ein Erregungsmuster durchlaufen. Auf diese Weise verschalten sich Nervenzellen zu Zellverbänden, die den gelernten Sachverhalt nicht nur speichern, sondern auch eine Verhaltensbereitschaft dahingehend erzeugen, dass diese Zellen bei einer erneuten Aktivierung rasch und stark reagieren und so das künftige Verhalten beeinflussen [kann]“ (Lauth et al. 2004, S. 16). 3.2 Definition, Diagnostik und Klassifikation von Lernstörungen Lernstörungen werden in inhaltlich begrenzte (partielle) und allgemeine (generelle) Lernstörungen kategorisiert. LRS und Dyskalkulie zählen zu den inhaltlichen Störungsbildern. Kombinierte Störungen, Lernbehinderungen und Underachievement zählen zu den allgemeinen Erscheinungsbildern (Linderkamp & Grünke, 2007, S. 17). Auch um Lernstörungen international zu klassifizieren, sind ICD-10 und die DSM-IV zu verwenden. Der ICD-10 Code für Lernbeeinträchtigungen ist unter F81.9 zu finden und wird dort mit drei Begriffen definiert: Lernstörung, Lernschwäche und Lernbehinderung. Veranschaulicht werden alle drei Klassifikationen gleich. Sie implizieren allesamt unter anderem Entwicklungsprobleme des Lernvermögens, Schwierigkeiten Kenntnisse zu erwerben und/oder Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (Walter, 2009). Der ICD-10 Code F81.- beschreibt das Kapitel „Umschriebene 23 Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“ und definieren von F81.- bis F81.3, F81.8 und F81.9 die einzelnen Lernstörungen. Bei der Information von Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) ist „Das Hauptmerkmal [ist] eine umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist“ (ICD-10-GM 2012). Lernstörungen werden bei DSM-IV mit den dazugehörigen Codes zwischen Lesestörungen (315.00), Rechenstörungen (315.1) und Störungen des Schriftlichen Ausdrucks unterschieden (315.2). Beschrieben wird hierbei, dass schulische Leistungsprobleme vorliegen müssen, um diese Störung zu diagnostizieren. Bei DSM-IV zählen Lernstörungen zu Kapitel „Störungen, die gewöhnlich zuerst im Kleinkindalter, in Kindheit oder Adoleszenz diagnostiziert werden“ (König & Sonne 2010; Piesbergen 2010). Generell werden bei der Diagnostik von Lernstörungen zwei Verfahrensweisen unterschieden. Förderdiagnostische Verfahren und Screenings. Screenings dienen zur Identifikation und Normierung des Störungsbildes (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2007, S.95f.). Lernstörungen und Lernschwierigkeiten können verschiedene Bezeichnungen haben. So werden zwischen einer allgemeinen Lernschwäche und einer Lernbehinderung unterschieden, aber auch konkrete Lernstörungen wie LRS oder Rechenschwäche unterschieden. Lernschwierigkeiten aufgrund von Deprivationserlebnissen fallen nach Castello et al. in die Kategorie Lernschwächen bei Entwicklungsretardierungen (Castelleo et al., 2004, S. 78-80; Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 46; Grünke, 2004, S. 65; Lauth, 2004, S. 55; Lorenz, 2004, S. 34). Lernstörungen bei Entwicklungsretardierungen sind tiefgreifende Einschränkungen „in der Informationsverarbeitung und Handlungsregulierung im Kleinkindbzw. Vorschulalter. Sie [äußern] sich hauptsächlich in Störungen • „der Intelligenz, • der Wahrnehmung, • der Sprache bzw. des Sprechens, des Gedächtnisses bzw. der Merkfähigkeit, 24 • der Aufmerksamkeit und Konzentration oder • des problemlösenden Denkens“ (Castello et al., 2004, S. 79). Die Diagnostik bei Entwicklungsretardierungen erfolgt durch zwei Arten standardisierter Tests. Dies sind auf der einen Seite Entwicklungstests und auf der anderen Seite Intelligenztests. Die Diagnostik verfolgt das Ziel Störungsbild und Leistungen zu kategorisieren und die Faktoren zu erkennen, die Einfluss auf die Störung nehmen. Ziel ist hierbei eine Förderdiagnostik, um angemessene Interventionsmöglichkeiten schaffen zu können. Die Diagnostik bei Entwicklungsretardierungen hat zudem ein Interesse an den Ursachen der Störungen und versucht diese durch Benennung zu verändern. Für die Definition von LRS hat die ICD-10 zwei Diagnosekategorien. F81.0 beschreibt die (kombinierte) Lese- und Rechtschreibstörung, bei dem Lesen und Schreiben dem Alter unangemessen ist. Die zweite Kategorie ist die isolierte Rechtschreibstörung (F81.1). Hierbei beschränken sich die Schwierigkeiten lediglich auf das Rechtschreiben. Der Verlauf des Lesens ist hierbei ungestört. Bei der isolierten Rechtschreibstörung ist die Leseleistung im Normbereich. Eine klare Definition, ab wann und in welchem Ausmaß eine mindere Leistung im Schreiben besorgniserregend ist, ist nicht gegeben. Demzufolge werden die Kinder mit den schlechtesten Leistungen als Lernbeeinträchtigt stigmatisiert. Als Ausschlusskriterien zur Diagnose von LRS gelten medizinisch bedingte Krankheitsbilder wie Sehstörungen, geistige Beeinträchtigung, Hirnschädigung und unangemessene Beschulung. Die Diagnose LRS wird erkannt, wenn bestimmte Merkmale konstant sind. Dazu gehören, dass ein Rückstand der Lese- und Rechtschreibentwicklung gegenwärtig ist. Außerdem muss die Störung sich auf das schulische Leistungsniveau auswirken. Weitere Merkmale sind das fehlerhafte Lesen, welches sich unter anderem durch das Verdrehen und Auslassen der Wörter zeigt. Später entwickelt sich dies zu langsamen, mühevollen und stockendem Lesen. 25 Bei Leseschwierigkeiten können die Kinder oft den gelesenen Text nicht verstehen, ihm keinen Sinn geben und keine Verknüpfungen erstellen. (Castello et al., S. 80f.; Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 46f.; Linderkamp & Grünke, 2007, S. 17f.; Universität München 2012). Bei der Überprüfung, ob eine LRS vorliegt, sind Kriterien wie Lesefähigkeit, Leseverständnis und Lesegeschwindigkeit standardisiert. Dies impliziert auch das auditive Verständnis, also das Verstehen vorgelesener Texte. Weitere Kriterien des diagnostischen Verfahrens bei LRS sind die Berücksichtigung vertrauter und langer Wörter und der Umgang der Kinder mit ihnen. Weiterhin zu berücksichtigen ist inwieweit das Kind orthographische Regeln benutzt und lautgetreu schreibt („d.h. die Übersetzung von Phoneme in Grapheme, wie z.B. „fa-rad“ für Fahrrad“) (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 51). Kinder mit LRS haben häufig Defizite im phonologischen Bewusstsein. Eine Differenzierung zwischen den Lauten /ba/ -/da/, /ri/-/li/ oder /sa/-/sta/ fällt ihnen schwer. Die Kooperation mit den Bezugspersonen ist bei der Diagnostik und Intervention nicht außer Acht zu lassen. Bei dem Diagnoseverfahren von LRS ist die Ausrichtung auf den Zusammenhang der Intelligenz fokussiert. Dies bedeutet, dass trotz normaler oder überdurchschnittlicher Intelligenz, eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt. Jedoch werden hierbei keinerlei kausale Faktoren berücksichtigt. Glaser & Brunstein (2004) formulieren dieses Phänomen als Underachievement. Schüler, die hierunter leiden, weisen eine große Diskrepanz zwischen ihren Fähigkeiten und ihren Schulleistungen auf. Sie haben einen entsprechenden Intelligenzquotienten, jedoch sind die Schulnoten widersprüchlich hierzu. Sowohl bei ICD-10 als auch bei DSM-VI ist die Lernstörung Underachievement nicht als eigenständige Lernstörung berücksichtigt. „Das DSM berücksichtigt Underachievement allerdings als V-Kategorie (V62.30 – Schulschwierigkeiten: Mangelhafte Noten oder bedeutsame Leistungsmängel bei einer Person mit ausreichenden intellektuellen Fähigkeiten).“ (Beinstein-Verlag 2012; Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 51; Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2007, S. 96; Glaser & Brunstein, 2004, S. 24f.). 26 Der ICD-10 Code F81.2 bezeichnet das Störungsbild der Rechenschwäche. Um die Diagnose stellen zu können sind einige Kriterien aufgeführt. Eine Rechenschwäche kann nur vorhanden sein, wenn neurologische und andere medizinische Ursachen ausgeschlossen werden können. Fundamentale Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Division und Multiplikation sind nicht erworben worden. Außerdem ist wichtig, dass die Beeinträchtigung nicht bedingt durch eine Intelligenzminderung oder unangemessener Beschulung vorhanden ist (Lorenz, 2004, S. 34). Schwierigkeiten oder Störungen im Rechnen wurden in der Pädagogik und in der Psychologie lange vernachlässigt. Bereits in der Grundschule leiden ca. drei bis sieben Prozent der Schüler unter einer Rechenstörung. Es gibt zwei Definitionen von Rechenschwäche. Es wird unterschieden zwischen einer pädagogischen und einer wissenschaftlichen Zugangsweise. Im internationalen Krankheitsklassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO/ICD10 1999) werden Rechenstörungen als Entwicklungsstörungen schulischer Fähigkeiten (F81) zugeordnet. Eine Rechenstörung wird diagnostiziert, wenn vor allem die einfachen Rechenoperationen schwer fallen, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division und nicht die höheren mathematischen Fähigkeiten wie Algebra, Trigonometrie, Geometrie, Differenzialrechnung, Stochastik oder Vektorrechnung (vgl. Born &Oehler 2009, S. 3f.). Das DSM-IV-TR des amerikanischen Klassifikationssystems für Erkrankungen hat ähnliche Grundkriterien wie das ICD-10. Dort werden auch durch Testverfahren Diskrepanzen zwischen Leistung und Alter etc. ermittelt (APA 2003, S.87). Bei der Diagnostik von Rechenschwierigkeiten werden verschiedene Etappen durchgeführt. Diese verfolgen das Ziel Verständnisschwierigkeiten, inhaltliche und kognitive Lücken aufzudecken und zu benennen. Die Reihenfolge der Durchführung beginnt mit der Durchführung eines Rechentests, gefolgt von einer Fehleranalyse der schulischen Aufgaben und Tests. Hierbei wird auch die Präsentationsebene des Kindes getestet. Dies geschieht durch eine mündliche Aufgabenstel- 27 lung, da der Schüler „besser ausgeprägte Fähigkeiten im Hinblick auf Gedächtnis und Sprachrezeption benötigt“ (Lorenz, 2004, S. 38). Der dritte Schritt bei der Diagnostik ist die Überprüfung der Gedächtnisleitung. Wichtig bei der Diagnostik von Rechenstörungen ist die Anamnese. Schulische Leistungen hängen von vielen zusammenhängenden Faktoren ab. Lorenz nennt hier die Persönlichkeitsmerkmale, die didaktisch-methodische Ausführung der Schule. Diese impliziert unter anderem die Lehrer und die Methoden zur Veranschaulichung (Lorenz, 2004, S. 39f.). Dennoch wird darauf aufmerksam gemacht, dass gesellschaftlich die Beschulung als Dienstleistung angesehen wird. Auf die Kompetenzen des Lehrers wird hierbei keine Kausalität zwischen Schülerleistungen hergestellt. Der Schüler ist demnach der zwischenmenschlichen Ebene in seiner schulischen Situation ausgesetzt. Schüler erhalten Leistungsbeurteilungen dafür, welchen Nutzen sie aus dem gebotenen Unterricht ziehen können (Linderkamp & Grünke, 2007, S. 15). Wenn folglich die institutionelle Beschulung vorhanden ist, wird die Vermittlungskompetenz der Lehrkraft hier völlig außer Acht gelassen und nicht als unangemessene Beschulung interpretiert. 3.3 Bedingungsmodell 3.3.1 Ursachen, Erscheinungsbild und Auswirkungen Die Ursachen für Lernschwierigkeiten zu benennen ist nicht pauschal möglich. Je nach Individuum können verschiedene Faktoren als Ursache zutreffen. Die frühkindliche Prägung hat, wie vorangegangen erörtert, Auswirkungen auf die Bindungsrepräsentation des Kindes. Diese wird in jeder bindungsrelevanten Situation aktiviert und das Kind verhält sich dem Erwachsenen (zum Beispiel dem Lehrer) gegenüber wie seine Erfahrungen seine Erwartungshaltung geprägt haben. Bei der Entstehung von Lernstörungen stehen psychische, soziale und biologische Faktoren in einer Interaktion zueinander. Des Weiteren gehen Castello et al. 28 (2004) davon aus, dass kognitive und körperliche Zuwendung bedeutsam für die Entwicklung des Kindes sind (Castello et al., 2004, S. 80). Kinder mit Lernschwierigkeiten verfügen nicht über Strategien der Informationsverarbeitung und -entnahme. Sie weisen Schwierigkeiten auf, Verknüpfungen zu bekanntem Wissen herzustellen. Techniken der Metakognition, wie Selbstanweisungen bei der Bearbeitung von Aufgaben, fallen Kindern mit Lernschwierigkeiten schwer. Ein weiterer Punkt ist, dass diesen Kindern häufig das Vorwissen fehlt, sodass aufgrund dessen keine Verknüpfungen hergestellt werden können. Durch ständig erfahrene Misserfolge ist zudem die Lernmotivation gering. Bedingt durch mangelnde oder gar nicht ausgeprägte Lernstrategien bemerken Kinder mit Lernschwierigkeiten ihre Fehler meist nicht. Das Lernen basiert somit auf unsystematischen Zufällen. Vier Komponenten des Lernens lassen sich unterscheiden. Lerngestörte Kinder wiesen markante Defizite auf in: 1. Basisfertigkeiten: Aufnahme von Akustik und Visualisierung, also Fertigkeiten der Informationsverarbeitung, die essentiell sind, um Regelsysteme oder ähnliche zu lernen. 2. Wissens-und Begriffssysteme: Fehlt ein Grundstock an Wissen, ist es schwierig, beziehungsweise gar nicht möglich darauf Wissen aufzubauen, da die nötigen Schemata und das Vorwissen fehlen. Hierzu gehören auch Lernstrategien, die wichtig sind um neues Wissen zu erwerben („z.B. kognitive Strategien, welche die Aufnahme, Speicherung und den Abruf verbaler Informationen fördern“). 3. Metakognitive Fertigkeiten: Hierzu zählen die Planung, Reflexion, Beobachtung des eigenen Lernens und über die eigenen gedanklichen Prozesse. Die Analyse von Fehlern während des Lernens gehört auch zu den metakognitiven Fertigkeiten 4. Motivation: Lernen verlangt wiederholend die Überwindung von Schwierigkeiten. Das Gelingen hängt von der Eigenwahrnehmung und der Selbstwirksamkeit ab. Selbstvertrauen, Lernziele durch eigenes Bemühen erreichen zu können sind wichtige Faktoren. Schülern mit Lernstörungen fehlt dieses Vertrauen häufig. 29 Kinder mit Lernstörungen haben beträchtliche Schwierigkeiten Informationen aufzunehmen. Die Informationen, die sie aufnehmen, sind willkürlich und vereinzelt aus einer Vielfalt von Informationen. „Die eingehenden Informationen bleiben flüchtig, notwendige Vernetzungen und Tiefenverarbeitungen finden nicht statt. „Zug um Zug“ entstehen Lernrückstände, obwohl geradezu verzweifelte Versuche unternommen werden, dies zu verhindern“ (Büttner, 2007, S. 46f.; Lauth et al., 2004, S. 16-20; Pinquart & Silbereisen, 2007, S. 41, 44). Weiterhin ist auch das soziale Umfeld von Bedeutung bei der Entwicklung von Rechenschwierigkeiten. Bei der Diagnostik werden daher mehrere relevante Punkte angesprochen, die als Ursachenfaktoren mitwirken können: • Frühkindliche Symptomatik (z.B. Entwicklungsretardierungen […]); • Vorliegen einer Aufmerksamkeitsstörung; • Spezifische kognitive Ausfälle auf Grund von Verzögerungen in der motorischen Entwicklung; • Belastende häusliche Situationen (z.B. kein ungestörtes Lernumfeld, Scheidungsproblematik); • Erziehungshaltung und Erziehungsweisen der Eltern. (Lorenz, 2004, S. 39f.). Da die frühkindliche Beziehung zu einer Bezugsperson sich auf die jeweiligen Bindungsmuster auswirkt, entsteht je nach bindungstheoretischer Erfahrung, das dementsprechende Bindungsmodell. Bei Kindern, die ein vermeidendes Bindungsmuster haben, war die Bezugsperson oft ablehnend. In der Schule treten Situationen auf, in denen das Kind die Lehrkraft ignoriert und nur mit sich selbst auskommt. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Lehrer wird dann durch eine negative Haltung bezüglich der unterrichtlichen Aufgaben ausgedrückt. „Um die unerträglichen Gefühle, die aus der Erfahrung nicht verfügbarer Eltern resultieren, aushalten zu können, baut das Kind eine Abwehr auf, die [der Lehrer] als die Schwierigkeiten des Schülers wahrnimmt, 30 seine eigene Hilfsbedürftigkeit anzuerkennen und die Hilfe [des Lehrers] anzunehmen“ (Salmon & Dover 2011, S. 64f.). Zu den Ursachen bei Entwicklungsretardierungen können sowohl neuronale und sensorische Defizite gehören. Jedoch auch ausgeprägte Vernachlässigung und Misshandlung können zu den oben genannten Störungen führen. Hier wird noch einmal deutlich, wie wichtig affektive, kognitive und körperliche Zuwendung für die Entwicklung des Kindes ist. Sollten diese Kriterien nicht erfüllt werden, wird von einem Deprivationssyndrom gesprochen. Hierzu gehören auch die Erfahrungen von (sexuellem) Missbrauch (Castello et al., 2004, S. 80). Ursachenerklärungen für Lernstörungen und auffällige Verhaltensweisen werden in lerntheoretische und biopsychologische Theorien gegliedert. Um Lern- und Verhaltensstörungen zu erklären wurden bereits einige biopsychosoziale Aspekte erläutert. Diese Modelle gliedern sich in interaktionistische und transaktionale Modelle. Die interaktionistischen Modelle nehmen an, dass die Entstehung von Lern- und Verhaltensstörungen von einer Interaktion (gegenseitiges Einwirken) zwischen psychischen, biologischen und sozialen Faktoren determiniert sind. Bei den transaktionalen Modellen wird zusätzlich davon ausgegangen, dass diese einzelnen Komponenten sich ständig selbst verändern. Zunächst wurde nur von biologisch-genetischer Vulnerabilität bezüglich Umwelteinflüssen ausgegangen. Inzwischen werden aber auch psychisch-soziale Faktoren mit einbezogen (Pinquart & Silbereisen, 2007, S. 31). Hierbei ist jedoch verwunderlich, dass bereits seit den 1970er Jahren Studien und Theorien zu psychischen, milieubedingten deprivierenden Ursachen empirisch untersucht worden sind. Außerdem wurde der Mangel an kognitiven Reizen damals auch schon als Kausalität bezeichnet (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 110124, 206). Gravierend sind auch die psychischen Aspekte bei Lernstörungen. Ist das psychologische Wohlbefinden nicht ausgeglichen, ist das Erreichen einer Leistungsnorm schwierig. Leistungsniveau steht in unmittelbarem situativen und individuellen 31 Zusammenhang. Hierbei spielen Motivation und Emotionen eine Rolle. Sie gelten als Grundvoraussetzungen für Lernen (Dupuis & Kerkhoff, 1992, S. 400). Die Faktoren, die Einflüsse auf die Lernleistungen haben, sind wie bei Deprivation abhängig von mehreren Dispositionen: In welchem öko-sozialem Milieu jemand aufwächst, welche Peers ein Mensch hat, Erziehungskompetenzen der Eltern, Konflikte innerhalb der Familie, Scheidung der Eltern, deprivierende Lebensereignisse, Delinquenz der Eltern etc. All diese Faktoren gehören zu dem Kriterium der ungeteilten Umwelt und beeinflussen (als Risikofaktoren) die interindividuelle Entwicklung des Menschen. Gerade strafendes Erziehungsverhalten der Eltern steht in engem Zusammenhang mit Lernstörungen. Wichtig ist, dass eine Wechselwirkung der gegebenen Faktoren stattfindet und nicht eine einzige Ursache definiert werden kann (Pinquart & Silbereisen, 2007, S. 38, 40). Kinder, die ein ambivalentes Bindungsverhalten haben, hatten unzuverlässige Eltern. Die Verhaltensmuster solcher Kinder sind oft oppositionell und ihre Beziehungsformen ambivalent. Ihre bindungsbedingten Stressbewältigungsstrategien äußern sich durch Klammern und gleichzeitiger Zurückweisung gegenüber den unzuverlässig erlebten Bezugspersonen. In der Schule erfordert ihr Verhalten ständige Aufmerksamkeit durch den Lehrer. Auch in der Schule wird die Bindungsrepräsentation angeregt und sie reagieren übermäßig feindlich eingestellt dagegen sich unterrichten zu lassen. Auch Schulaufgaben dienen als Mittel gegen den Lehrer anzukämpfen. Diese Kinder reagieren stärker auf bindungsrelevante Informationen als vermeidend gebundene Kinder. Dadurch fällt ihnen die Konzentration auf die Arbeit schwer. In der pädagogisch-psychotherapeutischen Behandlung braucht das Kind gegebenenfalls genügend Zeit, damit ihm geholfen werden kann sich zeitweise von der erwachsenen Bezugsperson zu lösen und seine Aufmerksamkeit auf die Arbeitsaufgaben zu richten (Salmon & Dover 2010, S. 65). Kinder mit einem desorganisierten Bindungsmuster haben ängstliche und beängstigende Erfahrungen gemacht. Ihnen gelingt nicht, beständige Beziehungen zu ihren Bezugspersonen aufzubauen. Da sich das Erziehungsverhalten der Eltern beschützend und strafend oder umsorgend und kontrollierend äußert, sind desorganisierte Kinder in der Schule von den Lehrern als abgekapselt und unerreichbar bzw. als unberechenbar empfunden. 32 Hierbei ist es für Lehrer besonders wichtig, eine beständige und sichere Umgebung bereitzustellen. Weiß die Lehrperson, dass Verhaltensreaktionen auf einen logischen Ursprung zurückzuführen ist, ist diese in der Lage, angemessen zu reagieren und mit dem Kind produktiv Hilfemaßnahmen zu erarbeiten. So kann das Kind dadurch ein Bewusstsein über sich selbst schaffen (Salmon & Dover 2011, S. 65-67). Lernen beginnt folglich mit dem Aufbau einer stabilen Bindung an eine Bezugsperson. Die primären infantilen Erfahrungen führen später zu unbewussten Vorstellungen, die später schulische Lerninhalte und –prozesse durchdringen und die Beziehungsgestaltung zum Lehrer beeinflussen können. Unbewusste Vorstellungen können einen erheblichen Einfluss auf das Lernen ausüben. Zudem sind Kinder mit negativen Erfahrungen prädestinierter für spätere Negativerfahrungen. Demzufolge steht ein feindseliges häusliches Erziehungsmilieu in Zusammenhang mit Lernstörungen, Lernblockaden innerhalb der Problembewältigung in ihrem Lernumfeld. Zusätzlich treten signifikante Komorbiditäten zwischen ADHS, LRS, Dyslexie und emotionalen Schwierigkeiten auf. Kinder mit Entwicklungsverzögerungen und bereichsspezifischen Lernrückständen neigen zu Lernschwierigkeiten. Die Ursachen hierfür sind folgende: • Fehlende Lernvoraussetzungen. „Kinder mit Lese-Rechtschreibstörungen haben beispielsweise bei Schulbeginn einen reduzierten Wortschatz, können sich neue Lautfolgen weniger gut einprägen und haben Schwierigkeiten, gesprochene Sprache wahrzunehmen. Sie weisen Defizite im phonologischen Rekodieren, im phonematischen Bewusstsein und in der lexikalischen Entwicklung auf“. Kinder mit allgemeinen Lernschwierigkeiten weisen oft Defizite in verschiedenen Bereichen auf, wie kognitive Entwicklungsverzögerungen, geringe Sprachkompetenz, wenig selektive Aufmerksamkeit und Beeinträchtigungen im Arbeitsgedächtnis. Um Wissen zu erwerben sind Strategien notwendig. Diese kognitiven Strategien dienen als Transfer für Erwerb und Anwendung von Wissen. Bei 33 Kindern mit Lernschwierigkeiten fehlen oft die Lernstrategien und die strukturierten Vorkenntnisse. • Einschleichende Lernstörungen. Lernstörungen können auch nebenbei und zufällig entstehen. Sie fangen mit minimalen Defiziten an, die sich stetig steigern, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Die PISA Studie hat offenbart, dass das Milieu eng verwurzelt ist mit dem Schulleistungsniveau des Kindes. Die Förderung im familiären Umfeld ist ein wichtiger Faktor beim schulischen Erfolg des Kindes. Wenn die Wertevermittlung, Realitätskonstruktionen und Rollen innerhalb der Familie im Widerspruch zur schulischen Realität stehen, kann dies die Lernaktivität des Kindes beeinträchtigen. Weitere komorbide Störungen bei niedrigem Leistungsverhalten sind auf der kognitiv-emotionalen Verarbeitungsebene und in der Lebenswelt des Kindes zu finden. Somit kann minderes Leistungsniveau auch durch psychosoziale Aspekte bedingt sein. Zum Beispiel verfestigen sich bei einer negativen Lernbiographie, geprägt durch Unverständnis der Eltern/Lehrern und missglückten Leistungserfahrungen, ein negatives Slebstbild im Kind und die positiven Lernerfahrungen bleiben aus. Je nach Milieu sind meist auch die Kompetenzen, die die Eltern vermitteln, gering, sodass die Kinder aus niedrigerem Milieu, weniger Sprachkompetenzen, Konzentration, Selbststeuerung und Bereitschaft zu kognitiver Anstrengung aufweisen, als die aus dem sozialökonomisch höheren Ständen (Linderkamp & Grünke, 2007, S. 7; Lorenz, 2004, S. 40; Salmon & Dover 2011, S. 19ff., 77f.). Dementsprechend sind diese Punkte besonders bei Interventionsmaßnahmen von Bedeutung. Daraus auch folgend sind Lernstörungen, aber auch Verhaltensstörungen „immer das Resultat komplexer Wechselwirkungen zwischen bestimmten Merkmalen des jungen Menschen und seiner Umwelt“ (Linderkamp & Grünke, 2007, S. 15). Auch die Instanzen wie Schule und die gesellschaftlichen Normvorstellungen liefern Bedingungsfaktoren zur Entstehung von Lernschwierigkeiten. Bei dem Begriff von Lernschwierigkeiten ist zu bedenken, dass dieser eine Vokabel ist, die die Kommunikation vereinfachen soll. 34 Die Prävalenzrate bei Leistungsschwierigkeiten und Verhaltensstörungen ist steigend. Dies hängt damit zusammen, dass sich die Risikofaktoren (Familienzerrüttung, Armut, Medien etc.) steigern (Grünke & Linderkamp, 2007, S. 15f.). Wie bereits erwähnt werden Lernstörungen in inhaltliche und allgemeine Störungsbilder eingeteilt. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend Symptomatik und Auswirkungen von LRS und Dyskalkulie (partiell) näher beschrieben. 3.3.2 LRS Eine LRS zeigt sich durch viele Merkmale, die die Fertigkeit betreffen. Das phonologische Bewusstsein ist nicht vorhanden. Einzelne Laute (Phoneme) werden zu Wörtern zusammengesetzt und beim Lesen werden die Wörter in Phoneme getrennt. Kinder, die ein gut ausgeprägtes phonologisches Bewusstsein besitzen, sind in der Lage, Reime und Alliterationen zu bilden (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 48). Kinder mit Lernschwierigkeiten haben oft allgemeine phonologische Defizite. Sie können Buchstabenfolgen nicht zu Lautfolgen dekodieren. Im orthographischen Gedächtnis werden Schriftwörter abgespeichert und können dann automatisch beim Lesen abgerufen werden. Bei Kindern mit Lernstörungen ist das orthographische Lexikon häufig sehr gering ausgeprägt. Daher ist ihre Lese- und Schreibgeschwindigkeit langsamer. Auch Konzentrationsprobleme und der familiäre Kontext sind zu beachten. Je nach Familiensituation werden Kinder unterschiedlich durch Vorlesen und Sprachspiele gefördert. Werden Kinder also falsch oder kaum gefördert, hat dies Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Dies kann somit den Schriftspracherwerb negativ beeinflussen (vgl. Bundschuh et al. 2007, S. 186). Auch sind bereits Komorbiditäten bekannt, die mit LRS häufig auftreten. Ist neben der LRS auch Dyskalkulie zu beobachten, wird von einer kombinierten Schulleistungsstörung gesprochen. Außerdem treten oftmals emotional-soziale Auffälligkeiten auf. Dies ist auf das niedrige Selbstwertgefühl und das Selbstkonzept zurückzuführen. Welches, wie vorangegangen erwähnt, sich auch auf Deprivationserlebnisse zurückführen lässt. 35 Des Weiteren gehen mit LRS auch Aufmerksamkeitsschwierigkeiten und Hyperaktivität einher (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 48). Die Ursachen von Legasthenie und Dyslexie sind, wie bei anderen Lernstörungen, sehr vielseitig. Sie bedingen und verstärken die Symptomatik. Die soziale Herkunft, das Milieu, der sozialökonomische Status und der Bildungsgrad der Eltern haben einen großen Einfluss auf die Leistungsmöglichkeiten des Kindes. Aber auch genetische und psychische Dispositionen können mit ursächlich sein für die Beeinträchtigung des Schriftspracherwerbs. Fehlfunktionen des Gehirns wie minimale cerebrale Dysfunktion (MCD) aber auch ADS oder ADHS können für die Ausprägung einer LRS verantwortlich sein. Da ADS und ADHS zu verminderter Konzentration führen, folgt bei dieser Beeinträchtigung häufig eine Komorbidität. LRS Symptome treten auf, die Ursache ist jedoch die Aufmerksamkeitsstörung (Gumpert 2012). Um festzustellen, ob ein Kind an einer LRS leidet, ist eine Einzeldiagnostik notwendig. Hierbei wird zunächst die Lesefähigkeit überprüft. Die wichtigen Kriterien sind das korrekte Lesen und die fehlerfreie Lesegeschwindigkeit. Weiterhin wird getestet, wie die Kinder mit Wörtern, die sie bereits kennen, umgehen. Schwierigkeiten bei Kindern mit LRS treten oftmals beim Lesen von unvertrauten Wörtern auf oder bei Pseudowörtern. Dass ihnen dies schwer fällt ist unter anderem auf die phonologischen Defizite zurückzuführen (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 51; Gastiger Klicpera & Klicpera, 2007, S. 96). Außerdem wird noch die Rechtschreibungsfähigkeit überprüft. Durch eine Analyse der Schreibfehler, wird der Entwicklungsstand des Kindes dargestellt und dies gibt Aufschluss über mögliche Interventionen. „Zur Feststellung einer LRS werden verschiedene psychodiagnostische Testverfahren eingesetzt. Standardmäßig wird in der LRS-Diagnostik • ein standardisierter und normierter Rechtschreibtest • ein standardisierter und normierter Lesetest • ein Test zur auditiven Merkfähigkeit • und ein Test zur allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit 36 durchgeführt. Je nach Art und Ausmaß der Schwierigkeiten schließen sich evtl. weitere Tests (z.B. zur visuellen und auditiven Differenzierungsfähigkeit, zur Konzentrationsfähigkeit, zur Händigkeit etc.) an“ (Breidbach 2010). 3.3.3 Rechenschwäche und Dyskalkulie Als Ursache gilt nicht, wenn eine unangemessene Beschulung stattfindet (Lorenz, 2004, S. 34). Dies beinhaltet allerdings, dass wir von einer guten und angemessenen Beschulung in unserem Bildungssystem ausgehen. Es bleibt also noch ungeklärt, ob nicht auch eine falsche Vermittlung in der Schule zu Rechenproblemen führen kann (Born & Oehler 2009, S. 8). „Bei der Entwicklung einer Lernschwäche wie der Dyskalkulie spielen auch psychosoziale Bedingungen eine wichtige Rolle. Seelische Ruhe, Stabilität und Ausgeglichenheit, ein gesundes Selbstwertgefühl und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind unabdingbare Voraussetzungen für den Lernerfolg des Kindes, gerade im Fach Mathematik. Eine ganze Reihe von Bedingungen kann die Lernentwicklung des Kindes jedoch ungünstig beeinflussen“ (Biel & Ardorno 2012). Beispiele sind unter anderem darin zu finden, wie die Kinder heutzutage aufwachsen. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem schnellen Wandel und die Familienkonstellation hat sich verändert. Viele Kinder haben geschiedene Eltern und leben oft bei nur einem Elternteil. Dies ist ein Beispiel für eine psychosoziale Ursache, die das Kind dann belastet. Durch eine Scheidung haben Eltern oft wenig Zeit. Dies impliziert häufig wenig Zuwendung und deren Auswirkungen (Biel & Adorno 2012). Die Erscheinungsbilder von Dyskalkulie oder Rechenschwäche sind nicht bei jedem Betroffenem einheitlich. Auffälligkeiten des Einzelnen sind das nicht Lösen von Fingerrechnen, das Verwechseln von Rechenarten, das nicht Erkennen von größeren Zahlenmengen usw. Kinder mit Dyskalkulie oder einer Rechenschwäche verrechnen sich sehr häufig und können oftmals zwischen einer Ziffer (3) und einem Zahlwort (drei) nicht differenzieren (Landesverband Bayern 2010). Die Symptome einer Dyskalkulie oder Rechenschwäche sind jedoch vielseitig. 37 Eltern sind in dieser Situation oft hilflos und fordern von ihrem Kind, dass es mehr üben soll, sich mehr anstrengen und besser konzentrieren soll. Die Leistung verbessert sich jedoch nicht oder nicht in dem erhofften Maße. Die Eltern und Lehrer reagieren an diesem Brennpunkt dann oft falsch, in dem sie dem Kind Vorwürfe wie <<du wirst einfach nicht besser>> machen. Und auch in der Schule erfahren die Kinder dann von ihren Mitschülern Hänseleien. Durch die anhaltenden Misserfolge in jeder neuen Prüfungssituation stabilisiert sich im Kind die Auffassung, dass es dumm sei (Born & Oehler 2009, S. 12). Kinder und Jugendliche mit Rechenschwierigkeiten benutzen selten Rechenstrategien und gehen unstrukturiert an Aufgaben heran. Dieser Mangel an Wissensund Begriffssystemen führt dazu, dass mathematische Bedeutungen nicht aufgenommen und verstanden werden können. Ihre metakognitiven Fähigkeiten sind wenig ausgeprägt, so dass sie keine Verknüpfungen zwischen verschiedenen Darstellungsformen herstellen können. Dies bedeutet, dass sie beispielsweise weder Steuerung noch Kontrolle über ihre Handlungen haben (Koordination, Planung, Überwachung und Ergebnisüberprüfung, noch aus einem Text keine Verbindung zu Bildern oder Symbolen herstellen können. Lernschwache Kinder verfügen generell über eine geringere Menge an strategischen Fertigkeiten. Verschiedene kognitive Fähigkeiten sind von erheblicher Bedeutung um mathematische Fertigkeiten auszubilden. Tabelle 1: Kognitive Fähigkeiten zum Aufbau von Rechenfertigkeiten Fähigkeiten Notwendig Störungssymptomatik für Vorstellungsfä- Den Aufbau Zählendes Rechnen, kein Erkennen der Größenbeziehun- higkeit von Zahlen- gen zwischen Zahlen, Umkehrung der Rechenoperationen, vorstellung Schwierigkeiten bei Textaufgaben. und Rechenoperationen; die Ausbil- Typische Fehler: Kein Verorten von Zahlen am Zahlenstrahl möglich; Abstände zwischen Zahlen werden nicht 38 dung eines erkannt; Verdopplungen und Halbierungen sind nicht anschauungs- möglich; kein Schätzen (und damit Korrektur) möglich mäßigen Zah- (liegt 3 x 255 näher an 7500, 75 oder 750?); keine Opera- lenraumes tionsfindung im Sinne von „Zahlensinn“ (3[] 6 = 9, 5 [] 4 = 20, 18[] 2 = 9, 15 [] 3 = 12). Sprachrezeption Verstehen der Falsche Handlungsdurchführung, Probleme bei Textaufga- komplexen ben, („Jan hat 3 Murmeln, Silvie hat 5 Murmeln mehr. Erklärungen Wie viele hat sie?“ – „5, denn im Text steht sie hat 5, und über räumli- das ist mehr als 3“) che und zeitliche Handlungsabläufe Gedächtnis Die (wenigen) Trotz Übens keine Behaltensleistung beim Kleinen Ein- zu memorisie- spluseins, kleinen Einmaleins; schriftliche Rechenverfah- renden Inhalte ren sind im Ablauf fehlerhaft bei sonstigem Verstehen der Zahl- und Operationszusammenhänge Rechts-Links Die Schreib- Zahleninversion (57-75), Operationsumkehr (+ statt -, x Diskriminati- richtung der statt :), Kombination von beiden wie 45 + 3 = 24 (Oder 51, onsfähigkeit Zahlen (ent- 15, 57, 84); Umkehrung der Zeichenrichtung beim Nach- gegen der malen von Figuren; Orientierung am eigenen Körper und Hörrichtung), im Raum gelingt nur unzureichend die Operationsrichtung (Lorenz, 2004, S. 35ff; Ricken, 2007, S. 62). Die Tabelle zeigt auf, welche kognitiven Fähigkeiten relevant für die mathematischen Rechenfertigkeiten sind. So ist beispielsweise die Vorstellungsfähigkeit wichtig für die Wahrnehmung von Zahlenräumen und Zahlen als solches. Ist diese Vorstellungsfähigkeit nicht ausgeprägt, zeigt sich die Störungssymptomatik darin, 39 dass Größenabstände zwischen Zahlen nicht erkannt werden. Dies wird daran deutlich, dass Zahlen auf dem Zahlenstrahl nicht lokalisiert werden können. Mathematische Aufgaben können nicht durchgeführt werden, da die Zahlen mit ihren Abständen keinen Sinn ergeben. Weiterhin sind kognitive Fähigkeiten wie Sprachrezeption zum Verstehen der Erklärungen oder Aufgabenstellungen notwendig, Gedächtnisfähigkeiten beim Merken der Inhalte der Aufgaben, sowie Rechts-Links Diskriminationsfähigkeit, also Zahlen nicht zu verdrehen, sind von großer Bedeutung (Lorenz, 2004, S. 35ff.). 4 Das komorbide Störungsbild der emotional-sozialen Auffälligkeiten „Unter Risikoverhalten lassen sich in sozialisationstheoretischer Perspektive alle Verhaltensweisen zusammenfassen, bei denen mittel- und langfristig die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass sie zu Schwierigkeiten der sozialen Integration oder zu Problemen bei der Weiterentwicklung einer stabilen und gesunden Persönlichkeit führen“ (Engel & Hurrelmann 1993, S. 9). Verschiedene Verhaltenstypen werden beim Risikoverhalten kategorisiert. Dies geschieht durch Unsicherheitsformen, welche die Arten der Schäden assoziieren. Hierzu führt Raithel vier Risikoverhaltenstypen an: Gesundheitliches Risikoerhalten, delinquentes Risikoverhalten, finanzielles – und ökologisches Risikoverhalten. Tabelle 2: Zusammenfassung der Risikoverhaltenstypen Risikoverhaltenstypen Unsicherheiten und/oder Hauptsächliche Verhaltens- mögliche Schäden bereiche bzw. Handlungsfelder Gesundheitliches Risi- Lebensbedrohung, Unfall; Ver- Ernährung, Straßenverkehr, 40 koverhalten letzung, Krankheit, Tod. Lärm, Sexualität, Gewalt, Sport, Hygiene, Alkohol, Tabak, illegale Drogen, Suizid, Mutproben. Delinquentes Risiko- Sanktion, Strafmaßnahme. verhalten Straßenverkehr, illegale Drogen, (sexuelle) Gewalt, Eigentumskriminalität, Mutproben. Finanzielles Risikover- Finanzielle Verpflichtung, Ver- Warenkonsum, Glücksspiel, halten schuldung, Pfändung. (illegale Drogen, Straßenverkehr, Sexualität, Gewalt- und Eigentumskriminalität). Ökologisches Risiko- Verschmutzung, Zerstörung verhalten Straßenverkehr, Freizeitsport, Müllentsorgung. (Raithel 2001, S. 17). Die Schädigungsform im gesundheitlichen Risikoverhalten ist in diesem Sinne zum Beispiel Lebensbedrohung oder physische und/oder psychische Einbußen durch Krankheit, Tod oder Verletzung. Die Schädigungsform bei delinquentem Risikoverhalten ist eine Strafe und die daraus resultierenden Konsequenzen im Rechtssystem. Finanzielles Risikoverhalten hat zum Beispiel Verschuldung oder ähnliches als Folge und ökologisches Risikoverhalten kann Verschmutzung oder Zerstörung auslösen. Wichtig zu beobachten ist, dass das Risikoverhalten multidimensional zu betrachten ist und somit ein Verhalten verschiedene Schäden auslösen kann (Raithel 2011, S. 27 f.). Die Bedingungen und Kausalität von risikohaften Verhaltensweisen, sind häufig ökonomische- sowie soziokulturelle Einflüsse in den Familien der Kinder und Jugendlichen. Das Milieu und die familiären Verhältnisse spielen also eine gravierende Rolle. Auch die Aufnahme in Jugendgruppen kann den Entwicklungsprozess des Jugendlichen negativ beeinflussen (Bundesministerium des Inneren/ Bundesministerium der Justiz 2001, S. 46, 482 f., 602). 41 Gewalttätige Jugendliche implizieren emotionale Vernachlässigung und innerfamiliäre Gewalt-/Opfererfahrungen. Diese führen dazu, dass sie gewalttätiges Verhalten positiv bewerten. Gewalterfahrungen und emotionale Vernachlässigung in der Kindheit sind hauptsächlich bei Jugendlichen anzutreffen, die gewalttätig handeln. Auch wenn Gewalt- und Opfererfahrungen gemacht wurden, hat dies einen gravierenden Einfluss auf die Gewaltbereitschaft von jungen Individuen (Böttger 1998, S. 129). Das Bundesministerium verweist hier auf die Studien von Lösel 1999. Im Modell kumulierender Risikofaktoren wird deutlich, welche Bedingungen risikohaftes Verhalten verstärken. Darunter zählen Misshandlung, elterliche Gewalt, familiäre Disharmonie, Erziehungsdefizit und emotionale Vernachlässigung (Bundesministerium des Inneren/ Bundesministerium der Justiz 2001, S. 511; Lösel & Bender, 1999, S. 37,43). Hieraus ergibt sich, dass die Familie als primäre Sozialisationsinstanz ergiebig dazu beitragen kann, ob das Kind risikohafte, delinquente Handlungsmuster entwickelt. Bleibt emotionale Unterstützung aus, wird dem Kind die Möglichkeit genommen, Probleme innerhalb der Familie abzuwehren und diese werden gegebenenfalls verstärkt. Auch bestrafender Erziehungsstil, Gewalttätigkeit und Wegstoßen der Eltern sind ein Verstärker von Risikofaktoren, die sich defizitär auf die Entwicklung des Kindes/Jugendlichen auswirken können (Raithel 2011, S. 39). Da ein Kind im familiären Kontext Werte und Handlungsmuster erlernt, sind somit unter anderem Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen angelernt und beispielsweise nur als Mittel zum Zweck eine normierte Reaktionsweise. Dies belegten schon Heitmeyer et al. 1995 (Heitmeyer et al., 1995, S.178-184). Daraus ist zu schließen, dass wenn Handlungsweisen zuhause als normal gelten, diese auch in andere Kontexte übertragen werden und somit von dem Ausführenden nicht verstanden werden können, wenn andere ihnen sagen, dass sie sich unangebracht verhalten. Dementsprechend suchen sich Kinder und Jugendliche nach oder während Deprivationsprozessen oftmals einen Ausgleich durch risikohafte Verhaltensweisen wie delinquentes, gewalttätiges oder konsumierendes Verhalten. Oftmals lässt sich die Begründung auf Deprivation zurückführen. So gehört das Verhalten der Kauf42 sucht zu den kompensatorisch ausgelegten Verhaltensweisen. Hierbei bietet der Akt des Kaufens eine Ausgleichsbefriedigung für die Frustration, die ein oder mehrere ungelöste Konflikte ausgelöst haben (Scherhorn et al. 1992, S 4). Kaufsucht gehört zum internalen Verhalten, delinquentes Verhalten hingegen zu den externalen. Lange (2000) kennzeichnet vier Hauptfaktoren als Ursachen risikohaften Verhaltens: 1) Selbstwertschwäche: Sie äußert sich in Schwierigkeiten beim selbständigen Treffen von Entscheidungen und die eigenen Fähig- und Fertigkeiten einzuschätzen. Diese Selbstwertschwäche beinhaltet noch andere unvorteilhafte psychische Dispositionen. Dazu gehören wenig Selbstkontrolle und Leistungsmotivation. Der Konsum ist dann eine Strategie, kontrollierend sich dem eigentlichen Problem zu entziehen. 2) Negatives Erziehungsverhalten: Dieses geht einher mit dem Selbstwertgefühl. Die Eltern sind nicht in der Lage ihrem Kind Anerkennung und emotionale Wärme im richtigen Maße entgegenzubringen. 3) Schulisches Leistungsniveau: Schulleistungen und deren Anforderungen haben eine große Bedeutung. Je nach Bestehen, vermitteln sie Wertschätzung und das Bestehen in der Gesellschaft oder bei Negation Leistungsversagen. Schüler, die sich als Leistungsversager aufgrund ihrer Schulnoten fühlen, kompensieren dies durch Konsum und Kauf. 4) Position in der Gleichaltrigen Gruppe: Je nach Milieu der Peers, ist auch das Konsumverhalten. Bei minderer sozialer Position ist die Tendenz um so höher ausbleibende Anerkennung durch Konsum auszugleichen. (Lange 2000, S. 2, 5-7). Hieraus lässt sich die Frage formulieren, wie weit der Grad der Definition von Deprivation zu fassen ist. Herrscht in einem dieser vier Faktoren ein Mangelzustand, wird risikohaftes Verhalten in verschiedenen Kontexten verstärkt. Diese Faktoren könnten sich auch gegenseitig bedingen, z.B. dass bei negativem Erziehungsverhalten der Eltern ein anderes Merkmal, wie das schulische Lernniveau, leidet. 43 Hurrelmann führt zur Verdeutlichung der Entwicklung der Persönlichkeit ein Beispiel an: Hierbei ist der Jugendliche selbst aktiv bei der Gestaltung seiner Umwelt. Er nimmt diese in sich auf und verarbeitet sie und von dem Individuum aufgrund seiner Selbst „beeinflusst, verändert und gestaltet wird“ (Hurrelmann 2002, S.21). Abbildung 2: Zusammenspiel von innerer und äußerer Realität (Hurrelmann 2002, S. 27). Hieran wird deutlich, dass die Persönlichkeitsentwicklung durch die körperlichen, psychischen und sozialen Bedingungen determiniert ist. Wichtig ist Hurrelmann hierbei, dass diese Entwicklung davon abhängt, wie der Einzelne damit umgeht. Die innere Realität beinhaltet also die Veranlagung, die Psyche und das Temperament und die äußere Realität ist durch die Umwelt, Familie usw. bedingt. Die innere und äußere Realität nimmt Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und diese verändert sich in jeder Entwicklungsphase von Neuem. „Wie ein Mensch mit den inneren Anlagen umgeht und in welcher Weise er sie auf die äußeren (Umwelt-) Bedingungen anzupassen versteht, entscheidet sich nach der Kompetenz, die innere Realität realistisch einzuschätzen und ihr Potenzial für eigene Handlungen und Entwicklungen auszuschöpfen (Hurrelmann 2002, S. 26f.). 44 Badura und Pfaff definieren das Stattfinden von Stress als „eine Diskrepanz oder […] Konflikt […] zwischen Lebensbedingungen, Zwängen und Erwartungen auf der einen Seite und individuell gegebenen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Ressourcen auf der anderen – und dieses Mißverhältnis [sic!] vom einzelnen als sein Wohlbefinden bedrohend oder beeinträchtigend erfahren wird“ (Badura & Pfaff 1989, S. 644). Auch der gestiegene Druck bezüglich der gesellschaftlichen Anforderungen (Traditionen, sozio-ökonomische Ungleichheiten, Erschaffung des eigenen Werte- und Normensystems etc.) stellen neue Belastungspotenziale dar. Mehr Eigenverantwortung und weniger festgelegte Sicherheiten und Unterstützungen erschweren außerdem die subjektive Eingebundenheit in die Gesellschaft. Dies impliziert in der modernen Sozialisation, dass der Schulleistungsanspruch immer steigt und dass sich das Individuum zwischen Ausleseverfahren und Wettbewerben beweisen soll. Persönlichkeitsentwicklung und Peer-Interaktion bleiben dabei oftmals vernachlässigt und sind irritierend für den Jugendlichen, da die Gesellschaft Leistung vor soziale Beziehungen stellt. „Dem vielfach angestrebten hohen Bildungsniveau, mit dem Ziel, die bestmögliche Chance im gesellschaftlichen Positionskampf zu sichern, fehlt die Entsprechung in Form von gesicherten Arbeitsplätzen. Diese ambivalente Situation von einerseits steigenden Bildungserwartungen und Bedeutungszunahme von Schullaufbahnen […], macht es nahezu unmöglich, die zukünftige Lebens- und Berufslaufbahn und damit die soziale Positionierung realistisch zu planen. Statusverunsicherungen sind die Folge und stehen den unbestrittenen Chancen eines ausgedehnten Bildungssystems gegenüber“ (Raithel 2011, S. 86ff.). Vor allem familiäre Belastungen und durch die Sozialisationsprozesse entstehende Belastungen, sind ein wichtiger Faktor für das Entstehen jugendlichen Risikoverhalten (Raithel 2011, S. 101). Die moderne Gesellschaft drängt die Jugendlichen in eine verunsichernde und irritierende Lage. Egoistisches Handeln scheint eher zu gesellschaftlicher Anerkennung zu führen. Individuen, die daran scheitern, müssen ihren Frust kompensieren und sich auf anderen Wegen Anerkennung suchen, um sich individuell und 45 wertgeschätzt fühlen zu können. Außerdem fallen Komponenten wie Hilfsbereitschaft und menschliche Gefühle von Zusammengehörigkeit weg und werden durch Leistungsstigmata ersetzt. Abschließend lässt sich feststellen, dass Deprivationsprozesse auschlaggebend Verhaltensstörungen und Lernstörungen beeinflussen. Auch bei den beiden Schwerpunkten der emotional-sozialen Entwicklung und des Lernens zeigt sich, aufgrund der vorangegangenen Kapitel, dass sie als Komorbiditäten von Deprivationsprozessen auftreten. Die gesellschaftlichen Normen stellen somit für Betroffene Schwierigkeiten bezüglich der Anpassung und der eigenen Lebenswelt dar. 5 Prävention und Intervention bei Lernstörungen und Deprivationsprozessen 5.1 Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei Lernstörungen In diesem Abschnitt werden zunächst einerseits Interventions- und Präventionsmaßnahmen von Lernstörungen erörtert, danach folgt derselbe Aufbau für Deprivationsprozesse. Abschließend sollen diese beiden Themenbereiche zusammenfließen und herausgefunden werden, wie präventiv und intervenierend bei beiden Handlungsfeldern kombiniert gefördert werden kann. . Eine effektive Möglichkeit zur Prävention bei Lernschwierigkeiten wäre Kinder mit einem hohen Risikofaktor für Lernschwächen zu identifizieren und ihnen vor Schuleintritt präventiv zu helfen. Hierbei ist wichtig, Kinder, die zu Problemen phonologischen Bewusstseins neigen, zu identifizieren und zu klären, wie die Literalität in der Familie ausgeprägt ist. Auch wenn eine Förderung bereits vor dem Schuleintritt stattfindet, sollten risikobehaftete Kinder auch danach weiter gefördert werden, damit eine LRS optimal vermieden werden kann (GasteigerKlicpera & Klicpera, 2007, S. 97f.). 46 Um Lernfortschritte zu fördern ist operante Verstärkung eine gute Methode. Jeder kleine Erfolg sollte mit positiven Konsequenzen einhergehen. Mit der Zeit können die externen Verstärker durch interne Verstärker des Kindes ausgewechselt werden. Weiterhin ist wichtig, dass den Kindern Lernstrategien systematisch vermittelt werden. Dies bedeutet, die Lehrperson muss dem Kind zeigen, wie die zu bearbeitende Aufgabe Schritt für Schritt durch Lern- und Denkstrategien zu lösen ist. Indem die Lehrperson als Modell fungiert und systematische Hilfe und Erklärung anbietet, kann richtiges, effektives Lernverhalten bei dem Kind erzielt werden. Bedeutsam ist auch das Selbstkonzept des Kindes (durch ständiges Scheitern an den schulischen Anforderungen, misserfolgsorientiert). Diese Tatsachen legen nahe, dass die persönlichen Dispositionen des Kindes und sein Selbstkonzept analysiert, trainiert und gestärkt werden müssen. Dazu dient ein systematisches Nachlernen der versäumten Inhalte. Hierzu muss motivationsbedingt das Schwierigkeitsniveau auf den bisherigen Lernstand des Kindes angeglichen werden, um dann positive Entwicklungen hervorzubringen. „Voraussetzung dafür bildet ein therapeutisches Vorgehen, das in hohem Maße strukturiert ist. Dazu gehört, dass der Lernende (überhaupt) zu Reaktionen veranlasst wird, dass korrekte Reaktionen sofort belohnt werden, falsche Reaktionen hingegen bereits im Ansatz verhindert und korrigiert werden“ (Lauth et al. 2004, S. 18ff.). „Entscheidend für absichtsvolles Lernen ist daher, dass ein Inhalt mehrmals gleiche, regelhafte Erregungsmuster hervorruft. Erst dadurch eröffnet sich die Chance, dass die notwendigen Synapsenverbindungen hergestellt werden“ (Lauth et al. 2004, S. 15f.). Die Intervention muss gegebenenfalls eine Kooperation zwischen Schule und Elternhaus bieten. Um Eltern, die ihre Kinder nicht unterstützen können, Hilfestellungen zu geben, kann eine systematische Anleitung zur Förderung ihrer Kinder Zuhause hilfreich sein (Lauth et al. 2004, S. 22). 47 Bei einer Intervention im Bereich Lernen ist das primäre Ziel die Verbesserung der Schulleistungen. Hierzu müssen die dafür notwendigen Kompetenzen erworben beziehungsweise nachgeholt werden. „Die Ziele der Intervention konzentrieren sich auf drei Bereiche: • Vermittlung von Lernstrategien (z.B. Leseverständnis und Aufsatzschreiben) und Arbeitstechniken (z.B. Zeiteinteilung), die der Schüler unzureichend beherrscht […]; • Anregung metakognitiver Aktivität (Selbstkontrolle des Lernverhaltens […]) und Aufbau leistungsförderlicher Ursachenerklärungen (Attributionstraining […]); • Steigerung der Lernmotivation (Lern- und Übungszeit) und Förderung selbstregulierten Lernens (Formulierung eigener Lernziele, Selbstbeobachtung und Selbstverstärkung […])“. (Glaser & Brunstein, 2004, S. 28f.). Je nach Auswirkung und Ausmaß der Beeinträchtigung sind verschiedene Interventionen vorzunehmen. Dies verbindet kognitive Fähigkeiten, Lernstrategien, aber auch die motivationalen Förderungen. Dazu wird das Kind gefördert seine Fähigkeiten emotional zu erleben und Vermeidungsverhalten abzubauen. Bei Entwicklungsretardierungen wird die Intervention eher als präventives Anliegen betrachtet. Da für das schulische Leistungsniveau kognitive Basisfertigkeiten unabdingbar sind, zielt die Intervention auf die Förderung der Informationsverarbeitung und auf die Förderung der Handlungsregulation ab. Die Fähigkeit der Informationsverarbeitung wird dem Kind versucht zu vermitteln, damit dieses lernen kann Informationen „aus der Umwelt aufzunehmen, zu sortieren und mit seinem Vorwissen so zu verknüpfen, dass es aus den Einzeldaten brauchbare Schlüsse ziehen kann“ (Lorenz, 2004, S.41, 83). Hierbei werden die einzelnen Schritte der Aufgabenlösung, wie in Kapitel 4.2 erwähnt, Schritt für Schritt erläutert. Ob ein Kind diese Strategien bereits beherrscht ist irrelevant, da bei Wiederholung kein Nachteil gezogen wird. So werden bei der Planungsphase 48 Fragen wie <Was ist meine Aufgabe? Kann ich meine Aufgabe gliedern? Kenne ich Strategien oder muss ich einen neuen Weg zur Bewältigung suchen? Habe ich Vorwissen zu der Aufgabe? Wo und wie beginne ich?>. Bei der Überwachung werden die Planungsresultate beobachtet, zum Beispiel wie das Vorwissen eingesetzt wird etc. Dabei sollte die Kontrolle mit der Überwachung einhergehen. Metakognition umfasst also das Selbstreflexionsvermögen des Schülers während des Arbeitsprozesses. Nicht außer Acht zu lassen ist, dass die metakognitiven Fähigkeiten auch mit den Selbstüberzeugungen der Kinder bezüglich ihrer Selbstwirksamkeit zusammenhängen (Rolus-Borgward, 2002, S. 100f.; Schröder, 2007, S. 176). Die Förderung der Handlungsregulation umfasst die metakognitiven Prozesse (Selbstüberprüfung, Selbstermahnung, Selbstreflexion) und das schrittweise Herangehen an eine Aufgabe. Die Metakognition umfasst also das Können über die eigenen Fähigkeiten bezüglich Aufgabenlösens, Aufgabenschwierigkeiten und über Zeiteinteilung Bescheid zu wissen. Wenn die inneren Sprachkompetenzen, wie bei Lernstörungen typisch, nicht sehr gut ausgeprägt sind, sind die Nutzung von metakognitiven Prozessen beeinträchtigt. Die Kinder wissen nichts über ihre Kognition und können sie dann nicht bewusst steuern. Die exekutiven Prozesse beschreiben die Regulation und Kontrolle der Kognition. Bei interventiven Maßnahmen sollte demnach ein metakognitives Training durchgeführt werden, dass den Kindern verbal die einzelnen Schritte der Aufgabenlösung im exekutiven Bereich vermittelt. Hierzu zählen Planung, Überwachung während der Ausführung und die Kontrolle nach Beendigung der Aufgabe (Schröder, 2007, S. 175f.). Um interventiv bei Lernschwierigkeiten Fortschritte zu erzielen sind mehrere Fertigkeiten bei dem Kind zu trainieren. Hierzu gehört zunächst die Übernahme von Selbstverantwortung, indem mit dem Schüler besprochen wird, in welchem Bereich seine Defizite liegen und wie das Kind selber damit glaubt am besten umgehen zu können. Da häufig die relevanten Lernstrategien fehlen, werden diese, je nach vorhandenen Defiziten, nachgeholt; durch Modelllernen, Selbstinstruktionstraining und das Beibringen, wie man „Schritt für Schritt“ an eine Aufgabe herantritt. Jedoch sind nicht nur die Lernstrategien wesentlich für den Lernerfolg, sondern auch die Selbststeuerung. Das heißt, dem Kind wird beigebracht, sich selber zu überwa49 chen und zu überprüfen, es wird ihm gezeigt, wie übereiltes Vorgehen verhindert und eine Struktur in den gesamten Lernprozess erlangt werden kann. Durch Steigerung des Selbstvertrauens des Schülers, mithilfe von Methoden operanter Konditionierung und regelmäßiger positiver Feedbacks bei jedem Lernerfolg, wird die Motivation des Schülers gesteigert. An dieser Stelle ist von besonderer Bedeutung, dass Schule und Eltern angemessen kooperieren. Auch beim Verfallen des Schülers in alte Lernschemata sollten die Lehrer und Eltern keinesfalls negative Kritik üben, da dies auch negative Emotionen gegenüber Lernen bei dem Kind mit sich bringen würde (Glaser & Brunstein, 2004, S. 29-32). 5.2 Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei Deprivationsprozessen Anders als vorherige Wissenschaftler annahmen, zeigten Studien in den 60er Jahren von präventiven und therapeutischen Maßnahmen Erfolge in der Deprivationsforschung. Z.B. von Flint 1966 (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 6). Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung von Deprivationserlebnissen können durchgeführt werden, indem das Urvertrauen des Kindes schon direkt nach der Geburt gefördert wird. Dies geschieht, indem beim so genannten Rooming die Eltern nachts bei ihren Babies sein dürfen und somit der Hautkontakt (Bonding) gestattet wird (Keefe, 1988). Bei Kindern, die deprivierende Erlebnisse mit in den Unterricht bringen, kann die Lehrkraft ihnen Halt im Sinne des Containings bieten, das heißt, in dem sie in der Lage ist, die Gefühle der Kinder aufzunehmen und zu demonstrieren, dass diese angebracht und ernst zunehmen sind. Bei dieser „Behälterfunktion“ nimmt die Bezugsperson Gefühle, die für das Kind vielleicht überwältigend und unlogisch erscheinen, in sich auf. Durch angemessene Reaktionen der Bezugsperson lernt das Kind dann seine Gefühle wahrzunehmen und die Sinnhaftigkeit darin zu erkennen. 50 „Das geschieht zum Beispiel, wenn ein Kind von unerträglicher Angst überflutet wird, die es nicht einordnen kann, und anfängt zu schreien. Die Mutter nimmt es in ihrem Arm und hält es sicher, weil sie seine Angst wahrnimmt. Das Kind erlebt dabei auch, dass es der Mutter möglich ist, das ihn selbst unerträglich erscheinende Gefühl auszuhalten, mit diesem Schrecklichen umzugehen, ohne in Panik zu verfallen oder von der Angst überwältigt zu werden. Es kann sich dann mit dieser Haltung identifizieren und die so gemilderte Angst wieder zu sich nehmen und als eigene wahrnehmen“ (Auchter & Viviana 2003, S. 51f.). Schafft es die Lehrperson den Kindern einen Halt im Sinne des Contaiments zu bieten, gelingt den Kindern die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen ihrem Verhalten und ihren Gefühlen. Wichtig ist auch, dass Lehrer methodisch dazu in der Lage sind, ihren Schülern den Unterricht mitgestalten zu lassen (Salmon & Dover 2011, S. 165). Im schulischen Kontext ist auch die Biographieforschung eine sinnvolle Methode, voreilige Stigmatisierungen zu vermeiden und die Kinder als ganze Individuen zu betrachten (Nölke 1997, S. 190). Wie in Kapitel 4 verdeutlicht wurde, sind Verhaltensauffälligkeiten, durch eine nicht gelungene Organisation des biographischen Lebensweges, lediglich Verhaltensweisen, die dem gesellschaftlichen Anspruch missfallen. Scheitern Individuen an ihrem biographischen Weg, sind Pädagogen und Therapeuten dafür zuständig, eine Handlungsmodifikationen zur Erweiterung von Handlungsspielräumen zu schaffen (Alheit 1995, S. 277; Buchinger & Klinkhammer 2007, S.159). 6 Overlap von Deprivationsprozessen und Lernstörungen Da Lernstörungen oftmals ursächlich durch psychische Deprivationsprozesse sind, sind Hilfeangebote, die sich ausschließlich auf das Leistungsniveau konzentrieren, nicht ausreichend. In diesem Sinne spricht Winnicott den Begriff des Haltens an (holding), der sich auf die psychische und physische Ebene in der frühen Kindheit bezieht. Das Gehaltenwerden von der Bezugsperson oder Familie begünstigt die Selbstsicherheit und Stabilität in der Umwelt (Winnicott 1984, S. 56). Wenn die 51 Ursachen als psychische Ursachen in diesem Sinne definiert worden sind, kann in der Intervention dementsprechend eingegangen werden und dem Kind auch innere Sicherheit und Selbstvertrauen vermittelt werden. Bezüglich Interventionen bei Deprivationsprozessen im schulischen Bezugsrahmen sind literaturbedingt hauptsächlich Möglichkeiten im psychologischtherapeutischen Setting zu finden. Dies ist anhand der bisherigen Arbeit deutlich geworden. Die pädagogische Psychotherapie leitet sich aus psychoanalytischen Konzepten ab. Diese Konzepte sollen zunächst unbewusste Prozesse identifizieren, die zu dem Schulleistungsverhalten beitragen. Dadurch werden Ursachen der Lernstörungen recherchiert und Schlussfolgerungen der Bindungsrepräsentation, die die Lehrkraft auf den Schüler abgeleitet hat, hergeleitet. Außerdem ist die Begutachtung des emotionalen Entwicklungsstandes von erheblicher Bedeutung. Die Lehrperson sollte immer darauf achten zu erkennen, wie sich die Kinder selber repräsentieren. So versucht ein Schüler, der ständig ausagiert und albern ist, möglicherweise von einem Lerndefizit abzulenken, indem er andere zum Lachen bringt (Salmon & Dover 2011, S. 56, 61ff.). Für eine Intervention bei Deprivationsprozessen und bei Lernstörungen empfehlen sich daher z.B. für die Schule Ansätze aus pädagogisch-therapeutischen Ansätzen. Um dabei angemessen intervenieren zu können, sollte der Lehrer sich zunächst auch über die Vergangenheit des Kindes informieren. Somit können Hypothesen darüber zugelassen werden, die dazu beigetragen haben, was die Lernfähigkeit beeinträchtigt. Bevor interveniert werden kann, ist ein Diagnostikverfahren erforderlich. Zunächst sollten die schulischen Lernprobleme genau definiert, ein angemessenes Lernniveau festgelegt und die emotionalen Hintergründe der Probleme lokalisiert werden. Danach können Hypothesen gebildet werden, wie die Probleme entstanden sind und was zu ihrer Stabilität beiträgt. Daher werden die Grundfertigkeiten im Rechnen, Lesen und Schreiben sowie die sprachlichen Fähigkeiten (Ausdruck und Verständnis) überprüft. Zusätzlich werden die Leistungen überprüft, die das Kind inklusive Hilfestellungen absolvieren kann (Salmon & Dover, 2011, S. 56). 52 Zunehmend wird in der Institution Schule bemerkt, dass unsichere Kinder mehr Zeit brauchen, um Beziehungen zu den Lehrkräften aufbauen zu können. Die Kinder ziehen daher einen Vorteil daraus, dass sie ihren Klassenlehrer über mehrere Jahre betreut. Eine kontinuierliche Vertrauensperson, die unmittelbar zur Verfügung steht, ist demnach notwendig. Vor allem bei Kindern mit einer negativen Bindungsrepräsentation sollte diesen eine sichere Bezugsperson durch den Lehrer geboten werden. Dies kann rehabilitierend bei Deprivationserlebnissen sein. Dadurch wird dem Schüler vermittelt, Beziehungen als stabil und angstfrei zu empfinden und emotionale Kontinuität zu erfahren (Butcher et al. 2009, S. 116; Hillenbrand 2011, S. 140; Salmon & Dover 2011, S. 137, 139). Bringen Schüler aufgrund ihrer Erfahrungen negative Bindungsformen in den Unterricht, ist eine verbale Spiegelung hilfreich. Je nach Bindungsmodell werden erlebte Situationen mit bindungsrelevanten Personen auf die Lehrer übertragen (psychoanalytisch). Lehrer können dies aufnehmen und im Sinne Rogers spiegeln (humanistisch). Auch die Authentizität und das Einfühlungsvermögen des Lehrers sind von besonderer Bedeutung (Kreuziger, 2000; Meir, 2012; Rheinberger, 2009; Stein & Stein, 2006, S. 144f.). Wichtig zu beachten ist, dass Interventionen sich nicht gegen die Persönlichkeit des Individuums richten dürfen, sondern ausschließlich gegen das Verhalten. Die Spiegelung der Gefühle von den Schülern durch den Lehrer dient als angemessene Kommunikation und ist ein effektives Hilfeangebot für diejenigen, die schon eine lange Zeit Lernschwierigkeiten haben. Die unterrichtlichen Zielsetzungen dürfen genannt werden. Auch die Hoffnung auf deren Erfüllung können durch die Lehrperson geäußert werden (Hillenbrand, 2011, S. 140). Für die Lehrperson ist von besonderer Bedeutung, auf die Kinder einzugehen und deren Perspektiven zu berücksichtigen, wie sie mit ihren Lernproblemen umgehen. Hierdurch wird die Basis zu positiven Lernerfahrungen gelegt. Da das Gehirn sich durch Erfahrungen verändern kann und vor allem das Gehirn von Kindern noch sehr formbar ist, helfen positive Erfahrungen in der Schule im pädagogisch-therapeutischen Sinn. 53 Wie bei der pädagogisch-therapeutischen Intervention ist das Erstgespräch auf den schulischen Kontext übertragbar. Hier dient dieses dazu - die Familienhistorie, Verlust- und Trennungserfahrungen aufzunehmen und den Migrationshintergrund zu klären. - Schwierigkeiten des Kindes mit innerfamiliären Interaktionsmustern aufzuführen - und die Familie gegebenenfalls zu motivieren, Veränderungen vorzunehmen (Hillenbrand 2011, S. 140; Salmon & Dover 2011, S. 59, 67, 70, 79). Desweiteren sollte für eine hilfreiche Intervention ein klares Bild über den Aneignungsprozess der Schriftsprache und der numerischen Fertigkeiten bei der Lehrperson vorhanden sein. Dies ist notwendig um die notwendigen und fehlenden Fertigkeiten dem Kind zu vermitteln. Eine Orientierung am Individuum ist hierbei unerlässlich (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2007, S. 95; Salmon & Dover 2011, S. 49). Selbstverständlich sollte bei der ersten Begegnung das Kind zuerst beobachtet werden und Notizen aufgeschrieben werden, bevor man zu einer Konklusion kommt. Wie in Kapitel 3 erwähnt, werden Lernschwierigkeiten durch Deprivationsprozesse, als Lernschwierigkeiten bei Entwicklungsretardierungen definiert. Salmon & Dover bezeichnen diese Lernstörung jedoch als emotional-soziale Lernschwierigkeiten. So kann das Nachholen von emotional relevanten Beziehungen sich positiv auf die Lernerfahrungen auswirken. „Allgemein scheint der Ansatz der Pädagogischen Psychotherapie besonders geeignet zu sein für Kinder, die • unterdurchschnittliche Schulleitungen zeigen, die auf emotionale Hintergründe zurückzuführen sind; • abwehrend und zerbrechlich sind und gut auf Strukturen ansprechen; • einen indirekten Ansatz bevorzugen, um persönliche Themen zu bearbeiten; 54 • einer Regulierung der Nähe [zum Lehrer] bedürfen; • Familiengeheimnisse oder >>unaussprechliche<< Gedanken mit sich herumtragen; • sich mit einer Aufgabe oder Aktivität beschäftigen können; • an ihre Bezugsperson >>ängstlich gebunden<< sind“ (Salmon & Dover 2011, S. 56). Da die Synapsenverschaltungen im Kindesalter deutlich höher sind, als im Jugendalter und ungebrauchte Synapsenverbindungen mit zunehmendem Alter sich nicht entwickeln, ist eine Intervention im späteren Kindesalter schwieriger zu vollziehen als im frühen (Castello et al., 2004, S. 83f.) Die Synapsenverbindungen fallen also bei Nichtnutzung weg und nur die schließen sich zusammen, die genutzt werden. Dadurch erklärt sich warum Traumata die Gehirnstruktur verändern Daraus lässt sich schlussfolgern, dass eine Förderung mehr Möglichkeiten für das Kind eröffnet, wenn diese früh einsetzt. Hauptkriterium ist die Kontinuität. Bei Deprivationsprozessen ist die Beziehungsebene sehr bedeutsam, da je nach Bindungsqualität sich auch hierbei die Synapsen verschalten. Dies gilt ebenso im Bereich des Lernens. Bei häufiger Benutzung verbinden sich die Synapsen. Folglich sind kontinuierliche, stabile Beziehungen in der Schule und regelmäßige Wiederholung der Lernstrategien förderlich für die Weiterentwicklung des Kindes. Mangelnde Informations- Deprivation Lernstörungen verarbeitung Abbildung 3: Mögliches Ursachenmodell von Lernstörungen Wenn ein Kind von negativen Lernerlebnissen in der Schule geprägt ist und einen Großteil seines Alltags in dieser Institution verbringt, können weitere Folgen von Lernstörungen wieder als deprivierende Erlebnisse betrachtet werden und in einem infinitem Regress enden: 55 Mangelnde Informations- Deprivation verarbeitung Lernstörungen Abbildung 4: Erweiterung des möglichen Ursachenmodells von Lernstörungen.. Die Grafik 4 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen Deprivation und Lernstörungen. Die beiden Kategorien müssen nicht immer zwangsläufig getrennt betrachtet werden, sondern lassen sich auch in Zusammenhang bringen. Zu den Ursachen bei Lernstörungen wurde mangelnde Informationsverarbeitung als Ursache angegeben (Kapitel 3.3.1). Jedoch können deprivierende Erlebnisse die Informationsverarbeitung beeinträchtigen (Kapitel 2.2.2). Demzufolge sind Interventionen in der Schule im Bereich der Deprivation und Lernstörungen soweit zusammenzuführen und müssen nicht zwangsläufig getrennt betrachtet werden. Einerseits liegt dies daran, dass Lernstörungen als Folge von Deprivation entstehen, andererseits müssen im schulischen Kontext Maßnahmen für eine heterogene Gruppe so angepasst werden, dass der einzelne berücksichtigt wird, die ganze Gruppe aber nicht dabei verloren geht. In Kapitel 3.1 wurden Deprivationsprozesse als Ursache für Lernstörungen bei Entwicklungsretardierungen klassifiziert. Jedoch kann Deprivation zunächst Entwicklungsverzögerungen verursachen, und diese können wiederum zu weiteren negativen Folgeketten führen. Lernstörungen bei Deprivation sind desweiteren in allen Klassifikationsbereichen anzutreffen, also auch LRS, Dyskalkulie etc. können bedingt durch traumatische Erlebnisse entstehen. 56 Aus dieser Kausalitätskette lässt sich eine weitere Schlussfolgerung darstellen: Deprivation Entwicklungsverzögerungen Lernstörungen Abbildung 5: Erweiterung des möglichen Ursachenmodells von Lernstörungen 2 Die Grafik Abbildung 4 lässt sich auf viele Auswirkungen von Deprivation übertagen. Auch Entwicklungsverzögerungen können durch Deprivation bedingt sein. Demzufolge können Intervention in der Schule auf mehrere Bereiche angeglichen werden. Beispielsweise bedingen Entwicklungsverzögerungen (entstanden durch Deprivation, Kapitel 2.2.2) unter anderem die metakognitiven Kompetenzen. So führt eine Reizarmut in der Kindheit dazu, dass sich viele kognitive Kompetenzen nicht ausbilden können Für Lehrkräfte empfiehlt sich zur Selbstreflexion der Fragebogen zur Reflexion von Unterricht und Schule aus systemisch-konstruktivistischer Sicht von Voß & Schemmann (2006) (siehe Anhang 1). Reflexion ist eins der Kernkriterien bei dem Umgang und der Arbeit mit Menschen. In diesem Fragebogen können Lehrer über ihr eigenes Selbstbild im biographischen Sinne reflektieren. Weiterhin stehen der eigene Unterricht und deren Gestaltung im methodisch-didaktischen Kontext, Beziehungsgestaltung mit den Schülern und deren Partizipation am Unterrichtsgeschehen etc. (Voß & Schemmann, 2006, S. 103-112). Um in der Schule so unterrichten zu können, dass auf jedes Störungsbild Rücksicht genommen werden kann, sind einige wichtige Basisfertigkeiten relevant. Neben dem Training von metakognitiven Fertigkeiten ist bei jedem Kind methodisches Vorgehen im Sinne der operanten Konditionierung hilfreich. Einerseits, um während des Arbeitsprozesses durch Konsequenzen Lernstrategien zu vermit57 teln, andererseits um Lernerfahrungen mit etwas Positiven in Verbindung bringen zu können (Lauth et al. 2004, S. 18f.). Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kooperation mit den Bezugspersonen. Falls ein Kind sich unangemessen entwickelt, sollten die Erziehungskompetenzen und Einstellungen der Erziehungsberechtigten zu Gunsten des Kindes modifiziert werden. Um also präventiv Entwicklungsretardierungen zu vermeiden, sollten soziale Institutionen wie Kindergarten Schule, Tagesstätten auf das Verhalten der Kinder und dem Umgang der Eltern mit ihnen achten. Da Deprivationserlebnisse sehr häufig Auswirkungen auf die Bindungsqualität haben und auch Lernstörungen verursachen können, scheint ein pädagogisches Setting, das von Stabilität, Kontinuität der Bezugsperson geprägt ist, sinnvoll. Auch bei Schülern mit Lernschwierigkeiten und optimaler Bindungsqualität ist eine gelungene Beziehungsebene zum Lehrer sinnvoll, da dadurch folglich die Vermittlungsbasis stimmig ist. Folgend wird in diesem Kapitel Bezug auf methodisch-didaktische Handlungsmöglichkeiten genommen: Jede Lerngruppe weißt eine Heterogenität auf. Daher ist unerlässlich auf jedes Individuum einzugehen. So sind für unsicher-vermeidend gebundene Kinder von Vorteil, wenn diese gestellte Aufgaben selbständig bearbeiten können und dabei nicht auf die Hilfe des Lehrers angewiesen sind. Ambivalente (resistente) Kinder sind im Gegensatz dazu jedoch besonders auf die Sicherheit seitens der Lehrperson angewiesen. Für sie ist es von Vorteil, wenn die Lehrkraft jederzeit verfügbar ist. Dadurch stellt sie eine Sicherheit dar und dient so als Beruhigung. Kurzaufgaben und kontinuierlicher Kontakt zur Lehrperson sind dabei angemessen. Kinder mit einem desorganisierten Bindungsmuster brauchen ein hoch strukturiertes, von Ritualen geprägtes und damit vorhersehbares schulisches Lernumfeld (Salmon & Dover, 2011, S. 64f.). Metaphern und geschriebene Texte dienen als Verarbeitungs- und Ausdrucksmittel erlebter Erfahrungen. Projektive Materialien dienen dazu, Einsicht über die Weltsicht des Kindes zu bekommen. Für Kinder mit hohem Kontrollbedürfnis 58 sind Aufgaben erstrebenswert, die eine eigene Entscheidung erfordern, indem beispielsweise zwischen einer A und einer B Aufgabe gewählt werden kann. Somit sollte in jeder Lerneinheit auf die Bedürfnisse der Gruppe, aber auch auf die jedes Einzelnen Rücksicht genommen werden. Hierzu sind differenzierte Aufgabenverteilungen hilfreich. Bei Kindern, die ihre eigenen Empfindungen nicht wahrnehmen können, jedoch feinfühlig die von anderen Menschen erkennen, können von Methoden im Unterricht profitieren, die gemeinsam diskutiert werden (Rheinberger, 2009; Salmon & Dover, 2011, S. 65., 70, 152f.). Wenn Kinder unter deprivierenden psychosozialen Lebensumständen leiden und Schwierigkeiten in der Schule haben, ist wichtig, dass die Lehrperson das Kind versucht zu verstehen. Dies erleichtert die Rehabilitation. Diese sollten in der Gruppe aufgearbeitet und besprochen werden um daraufhin als nächsten Schritt das Selbstkonzept der Schüler zu stärken. Mögliche Methoden hierzu sind unter anderem das Rollenspiel aber auch Gespräche. In psychoanalytischer Weise können die negativen Erlebnisse dann aufgearbeitet werden. Konfliktorientierte Geschichten, etwa selbsterfundene Fabeln, dienen als zweckmäßige Methode. Wenn die Schüler Vertrauen aufgebaut haben, bringen sie ggf. ihre eigenen belastenden biographischen Erlebnisse mit in den Unterricht. An dieser Stelle sollte im therapeutischen Sinne eine Spiegelung durch die Lehrkraft unternommen werden. Hierbei kann die Lehrperson versuchen, eine Distanzierung und Bearbeitung der Probleme für die Kinder zu schaffen (Geisler 2010; Hillenbrand 2011, S. 141f.). Der systemisch-konstruktivistische Ansatz geht davon aus, dass Lernen als selbstgesteuerter, aktiver und strukturabhängiger Prozess stattfindet und von dem psychischen System des Lernenden abhängt. Um angemessen fördern zu können, müssen vorhandene Handlungs- und Problemlösestrategien beobachtet werden. Dieses diagnostische Vorgehen versucht Motivation, Selbstkonzept und Lernstrategien des Individuums zu analysieren. Auch aus einer systemisch- konstruktivistischen Perspektive wird zunächst die Lebenswelt des Kindes mit seinen subjektiven Erfahrungsbereichen in den Mittelpunkt gerückt. Somit sind auch Lernstörungen Folgen einer negativen Kopplung zwischen psychischem System und dem sozialen Schulsystem. Eine Intervention kann demnach nur an dem 59 unmittelbar vorhandenen System des Schülers ansetzen (Balgo, 2006, S. 113f). Die personenzentrierten Gesprächstherapie von Rogers (1982, humanistische Psychologie) hat ihren Einsatz bereits auch in der Pädagogik als schülerzentrierten Unterricht bekommen (Schmider, 2009; Stein & Stein, 2006, S. 144-148). Das Handeln im Unterrichtsgeschehen sollte seinen Fokus demnach auf die Beziehungsgestaltung von Schüler und Lehrer, zur Bewältigung von Konfliktverarbeitungen, zur Ich-Stützung und zur Stärkung des Selbstkonzepts legen. Stigmatisierungen sollten vermieden und ihnen entgegengewirkt werden. Ein Unterrichtskonzept im humanpsychologischen Sinne der personenzentrierten Psychotherapie bzw. im pädagogischen Sinne des schülerzentrierten Unterrichts nach Rogers umfasst viele der vorangegangen Kompetenzvoraussetzungen. Jedoch ist ein pädagogisch-therapeutisches Handlungsniveau der Lehrkraft von großer Bedeutung und stellt eine große Gefahr dar, wenn diese nicht ausreichend ausgeprägt ist (Hillenbrand, 2011, S. 138; Stein & Stein, 2006, S. 144-150). Desweiteren von Vorteil um differenzierten Unterricht angemessen durchführen und individuell gestalten zu können, sind Zwei-Pädagogen-Systeme. In Förderschulen für emotional-sozial beeinträchtigte Kinder ist dieses System durchaus schon vorhanden. Auch pädagogisch-therapeutische-Einzelförderung findet dort statt, die auch auf biographische Hintergründe Rücksicht nimmt und sich vor allem die Zeit dazu nimmt, sie zu erarbeiten (Stein & Stein, 2006, S. 61). Um in einer heterogenen Gruppe differenziert arbeiten zu können, sollte zunächst geklärt werden, was im curricularen Rahmen ist und welche Aktionsformen (Metaphern, projektive Materialien etc.) und Sozialformen sich hierzu eignen. Da eine Gruppe immer heterogen ist, sollten die Bedürfnisse des Einzelnen im Mittelpunkt stehen. Dies beinhaltet, eine Beziehung zu dem Kind aufzubauen, ihm Halt zu bieten und im Sinne des Containments gegebenenfalls Verhaltensweisen und emotionale Ausbrüche zu modifizieren. Ein schülerzentrierter Unterricht (pädagogisch-therapeutisch) nach Rogers ist damit naheliegend. Auf der didaktischen Ebene sollte nochmals betont werden, dass per operanter Konditionierung Erfolg verstärkt wird. Dies steigert die Motivation und damit die Lernerfolge (behavioristisch). Auf kognitivistischer Basis können die Schüler dabei Problemlöseverfahren erlernen und metakognitive Fähigkeiten ausbilden. 60 Dadurch werden die Möglichkeiten eröffnet selbständig (konstruktivistisch) zu lernen. 7 Fazit Im Verlaufe der Arbeit werden die beiden Themenbereiche Lernstörungen und Deprivation getrennt und nahezu abstrakt voneinander, erörtert. Während des Arbeitsprozesses konnte jedoch schnell festgestellt werden, dass diese beiden Störungen nicht so weit auseinander liegen. Im Gegenteil: Deprivationsprozesse sind ganz oft ursächlich für Lernstörungen bzw. Lernstörungen können vorhandene Deprivationsprozesse noch verstärken. Hervorheben lässt sich für den schulischen Rahmen, dass Differenzierungen im Unterricht für Schüler und Lehrer gleichermaßen hilfreich sind. Hierdurch akzeptieren Lehrer die Heterogenität ihrer Schüler und können somit angemessenen Unterricht gestalten. Um anhaltende Schulprobleme zu rehabilitieren, sollten, wie in Kapitel 3.2.1 angedeutet, die psychosozialen Aspekte der Lernbiographie berücksichtigt werden, damit Erfahrungen in positiver Lernleistung ermöglicht werden können. Jedes Kind bringt andere Erfahrungen und Erscheinungsformen mit in den Unterricht und somit auch differenzierte Bedürfnisgrundlagen. Einige sind hyperaktiv, andere wiederum zurückgezogen, dennoch versuchen sie die Kontrolle zu bewahren, da sie Angst davor haben, dem Erwachsenen Vertrauen entgegen zu bringen. Jedes Kind sollte bezüglich der Lehrperson und des schulischen Settings Sicherheit empfinden. Dies lässt sich durch eigene Materialien und Rückzugsorte innerhalb des Klassenraums verstärken. Der Lehrer hilft, wenn er sich mit dafür verantwortlich fühlt, dass jedes Kind gute, eigene Unterrichtsutensilien hat (Salmon & Dover, 2011, S. 140-143). Durch die bindungsbezogenen Arbeitsmodelle bringt das Kind der Lehrperson bestimmte Erwartungen entgegen, da die eigenen in die Lehrkraft projiziert werden (psychoanalytisch). Positiv für den Schüler ist dann, wenn die Lehrkraft dieses differenzieren kann (Kapitel 2.2.2) und methodisch-didaktische Maßnahmen ergreift, die dem Schüler nahe liegen. Sollte ein Schüler z.B. durch Instruktionen nicht so gut lernen können, der Lehrer 61 aber ausschließlich seinen Unterricht damit gestaltet, fällt dem Schüler das Aufgabenlösen schwieriger. Ausblickend sollten in jedem Unterricht genaue Ziele formuliert und erarbeitet werden (lernzielorientierte Didaktik) aber auch jeder Schüler emanzipiert sich beteiligen (kritisch-kommunikative-Didaktik). Eine Fixierung auf nur ein Modell kann entweder zu maschinellem Lernen ohne Reflexion führen, bei der Inhalte zwar gespeichert, aber nicht verstanden werden (lernzielorientiert), oder aber zu reinen Diskussionen ohne Struktur, bei dem Lerneffekte nicht greifbar gemacht werden können (kritisch-kommunikativ) (Meir, 2012, Riedl, 2004, S. 55-59). Auch Hillenbrand macht deutlich, dass Verhalten sich nicht stabilisieren kann, wenn die Lebenswelt des Kindes von Stigmatisierungen und nicht Bestehen der gesellschaftlichen Ansprüche geprägt ist (Hillenbrand, 2011, S. 141). Therapeutische Methoden in Förderschulen sind längst kein neues Thema mehr. Regelschulen können Abstand vom rein institutionellem System nehmen und mehr auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen eingehen und die gesamte Lebenswelt berücksichtigen (Stein & Stein, 2006, S. 75). Psychisch belastende Erfahrungen haben immer Einfluss auf den Charakter und jedem Menschen sollte bewusst sein, dass psychisch belastende Erfahrungen sich immer auf den Charakter und die situative Lebenswelt eines Individuums auswirken können. In sozialen Berufen, in zwischenmenschlichen Beziehungen und letztlich zur persönlichen Weiterentwicklung kommt es immer auch auf Reflexion des eigenen Verhaltens an. Diese Basiskompetenz ist Bedingung für Empathiefähigkeit. Wenn jemand nicht in der Lage ist über sich selbst nachzudenken, wird dieser Mensch Schwierigkeiten haben sich in die Perspektive eines Anderen hineinzuversetzen. Dies ist jedoch Voraussetzung wenn das Berufsziel des Sonderpädagogen angestrebt wird. Aus systemischer Sicht helfen hierfür Empathie, Wertschätzung und Verständnis für angemessenes Handeln, ohne voreilig zu stigmatisieren. Weitere Handlungsmöglichkeiten für Lehrkräfte sind Sensibilität, Fürsorge und die Vermeidung von Triggern, die negative Flashbacks auslösen können. 62 Beruhend auf der Ausgangslage des Kindes kann eine Förderung ansetzen und Belastungen, die ihre derzeitige Situation prägen, können mithilfe von Gesprächen mindestens mitgeteilt werden. Konstant sollten Möglichkeiten geboten werden, mit ihnen umzugehen und sie zu bewältigen. Jedes Kind wird somit als Ganzes gesehen. Es wird deutlich, dass Lernstörungen nicht einzeln als Lernstörung betrachtet werden können, sondern dass immer erst eine Hinterfragung über die Ursachen gestellt werden muss (Diagnostik). Eine grobe Anamnese stellt sicher Schwierigkeiten in dem Kontext Schule dar, brächte jedoch auch einige Vorteile bezüglich der Beziehungsgestaltung zwischen Lehrer und Schüler. Außerdem könnten psychologische Fortbildungen Lehrkräften helfen, Verhaltensweisen und Lernschwächen ihrer Schüler besser nachzuvollziehen und angemessene Interventionen einzusetzen. Weiterhin ergibt sich aus dem Arbeitsprozess, dass bei Förderungsmaßnahmen im Bereich der Deprivation kombiniert mit Lernstörungen sowohl therapeutische Aspekte, als auch pädagogisches Handeln als Handlungsbasis betrachtet werden müssen. Pädagogisches Handeln ist hierbei definiert als Maßnahmen, durchgeführt von bestimmten Personen (Lehrer, Erzieher etc.) zur Veränderungen und Ermöglichung einer positiven, Erziehung und Bildung von anderen Menschen (Kinder, Schüler etc.) (Giesecke, 1996, S. 22; Kron, 1989, S. 38). Hier kann dann im Weiteren geklärt werden, welche Maßnahmen pädagogisch und/oder psychologisch greifen können. 63 Quellenverzeichnis 123test BV (Hrsg.) (2012). Können Sie ihren IQ steigern? Zugriff am 31. August 2012 unter http://www.123test.de/steigerung-ihres-iqs/ Alheit, P. (1995). „Biographizität“ als Lernpotential: Konzeptionelle Überlegungen zum biographischen Ansatz in der Erwachsenenbildung. In Krüger, H.H & Marotzki, W. (Hrsg.), Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung. Opladen: Leske + Budrich. American Psychiatric Association (Hrsg.) (2003). Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen – Textversion DSM – IV – TR, Göttingen. Auchter, T & Viviana, L. (Hrsg.) (2003). Kleines Wörterbuch der Psychoanalyse. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Badura, B. & Pfaff, H. (Hrsg.) (1989). Streß, ein Modernisierungsrisiko? Mikround Makroaspekte soziologischer Belastungsforschung im Übergang zur postindustriellen Zivilisation. 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Mit diesem Fragebogen möchten wir einen Impuls zur Reflexion über Unterricht und Schule aus verschiedenen Perspektiven geben. Durch das Bearbeiten der Fragen werden wir zum Beobachter unseres eigenen Unterrichts, unseres eigenen Verhaltens im Kontext von Schule, zum Beobachter 2. Ordnung. Diese Selbstbeobachtung bzw. -befragung kann uns z. B. helfen, uns ein Bild unseres Unterrichts, der jeweiligen Schule vor Augen zu führen, blinde Flecken zu entdecken, hilfreiche und weniger hilfreiche Verhaltensmuster aufzudecken, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen oder uns auf die systemisch-konstruktivistischen Grundideen zu besinnen. Der Fragebogen kann zur Reflexion in ganz unterschiedlicher Weise genutzt werden. Denkbar sind Selbstreflexion oder Selbstcoaching, ebenso wie Reflexion in Peergroups oder im Kollegium. Es kann mit einzelnen 1 Dieser Fragebogen wurde von Reinhard Voß für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Weiterbildung Systemische Pädagogik (Internationale Gesellschaft für Systemische Therapie bzw. Helm-Stierlin-Institut) in Heidelberg entwickelt (Literaturhinweise siehe S. 112). Gemeinsam mit Ulrike Schemmann wurde der Fragebogen überarbeitet, wobei die Anregungen der Teilnehmer der Weiterbildung eingearbeitet wurden. Die Entwicklung dieses Fragenbogens zur Reflexion von Unterricht und Schule hat besonders im 2. Teil wichtige Impulse aus der Reflexionsliste zur systemischen Prozessgestaltung in psychiatrischen Einrichtungen (Hirschberger u. a. 1998) erhalten. Übernahmen aus der Reflexionsliste sind mit * gekennzeichnet. 78 Fragen, ganzen oder allen Frageblöcken gearbeitet werden. Auch können ausgewählte Aspekte von Unterricht oder Schule in ihrer Entwicklung über einen bestimmten Zeitraum beobachtet werden. Veränderungen können so im zeitlichen Vergleich bewusst werden und neue Impulse setzen. 1. Selbstbild/Selbstreflexion des Lehrers/der Lehrerin • • • • • • • • Welches sind die bedeutenden biografischen Erfahrungen (aus Ihrer eigenen Erziehung, Ihrer eigenen Lerngeschichte, Ihrer bisherigen beruflichen Sozialisation), die in Ihre Arbeit als Lehrer/Lehrerin einfließen? Wie würden Sie Ihre Grundhaltung im Kontext von Erziehung und Unterricht beschreiben? Wie würden Sie Ihre Rolle als Lehrer/Lehrerin beschreiben: a) im Kontext Ihrer Schule? b) in Ihrem Unterricht? Wo sehen Sie Ihre persönlichen Kompetenzen und sozialen Ressourcen? Welche Ihrer persönlichen Kompetenzen und sozialen Ressourcen können Sie für Ihren Arbeitsalltag nutzen? In welchen Kontexten reflektieren Sie a) Ihre Rolle als Lehrer/Lehrerin? b) Ihre Grundhaltung im Kontext von Erziehung und Unterricht? c) Ihre eigenen Erfahrungen mit Erziehung, Lernen und Lehren? Haben Sie Erfahrung damit, in Unterrichts- oder Erziehungssituationen eine Außenperspektive einzunehmen, bei der ›Sie sich selber zusehen‹? Sehen Sie für sich einen Veränderungsbedarf hinsichtlich Ihrer Selbstreflexion als Lehrer/Lehrerin? 2. Unterrichtsreflexion 2.1 Lernen und Lernbegleitung • • • • • • • Wie würden Sie Ihr Verständnis von »Lernen« beschreiben? Was verstehen Sie unter selbstverantwortlichem, selbst organisiertem und/oder vernetztem Lernen? Welchen Raum lassen Sie für selbst organisiertes Lernen? Welche Bedeutung messen Sie selbstverantwortlichem, selbst organisiertem und/oder vernetztem Lernen bei? Inwieweit verstehen Sie die Rolle des Lehrers/der Lehrerin als die eines Coachs, Facilitators oder Lernbegleiters? Welche Aspekte sind für Sie bei der Gestaltung der Lernumgebungen von Bedeutung? Beobachten und fördern Sie individuelle bzw. unterschiedliche Lernwege und -prozesse bei Ihren Schülern/Schülerinnen? 79 • • • In welchem Zusammenhang stehen Lernen und die Faktoren »Zeit« und »Eigenzeit« für Sie? In welcher Beziehung steht aus Ihrer Sicht Lernen mit Wahrnehmung und Bewegung? Welche Bedeutung messen Sie »Fehlern« bei? 2.2 Ziele und Inhalte • • • • • • • • • • • • Wie ist der prozentuale Anteil lehrplan- bzw. nichtlehrplanbezogener Inhalte in Ihrem Unterricht? Worum handelt es sich bei den nichtlehrplanbezogenen Inhalten in Ihrem Unterricht, und wer wählt diese aus? Welche Bedeutung messen Sie fächerübergreifendem Unterricht bei? Sind die Inhalte Ihres Unterrichts in einen Sinn gebenden Kontext eingebettet und für die Lernenden alltags-, lebens- und/oder berufsrelevant? Zu welchen Anteilen ist Ihr Unterricht handlungs-, produktund/ oder prozessorientiert gestaltet? Welche Rolle spielt eine ›Ermöglichungsdidaktik‹ in Ihrem Unterricht? Inwieweit nutzen Sie Perspektivenwechsel, Kontextänderung und individuelle Lernbegleitung als didaktische Mittel? Welche Anteile haben jeweils die Konstruktion, Rekonstruktion und Dekonstruktion von Wissen in Ihrem Unterricht? Wie stehen Sie zu der Aussage »Inhaltsvermittlung setzt Beziehungsarbeit voraus«? Inwieweit fördern Sie neben der inhaltlichen Kompetenz auch die Methoden-, Selbst-, Sozial-, Kommunikations- und Teamkompetenz Ihrer Schüler/Schülerinnen? In welcher Weise und in welchem Ausmaß sind Ihre Schüler/ Schülerinnen bei der Planung, Gestaltung und Auswertung des Unterrichts beteiligt? Gibt es eine Verantwortungsteilhabe der Schüler/Schülerinnen bei der Notenfindung? 2.3 Methoden und Medien • • • • Welche Methoden setzen Sie in Ihrem Unterricht ein, die Sie als systemisch-konstruktivistische Unterrichtsmethoden bezeichnen würden? Welche »instruktiven Methoden« finden sich in Ihrem Unterricht? Welche Kriterien legen Sie bei der Auswahl Ihrer Unterrichtsmethoden zugrunde? Welche Beziehung sehen Sie zwischen Ihrer Person und der Auswahl der Methoden? 80 • • Inwiefern nutzen Sie die Methode des Teamteachings? In welchem Rahmen unterrichten Sie jahrgangsübergreifend? 2.4 Voraussetzungen von Lernen und Lernbegleitung • • • • • • • • Welche Rolle spielen die Biografie und die subjektiven Lerngeschichten Ihrer Schüler/Schülerinnen in Ihrem Unterricht? In welcher Weise aktivieren Sie das Vorwissen Ihrer Schüler/ Schülerinnen? Inwiefern berücksichtigen die kulturellen (Sprache, Ethnie), sozialen (Schicht, Bildung) und ökonomischen Hintergründe Ihrer Schüler/Schülerinnen? Welche Beachtung finden geschlechtsspezifische Unterschiede in Ihrem Unterricht? Welche Rolle spielen Wünsche, Gefühle, Bilder und Vorstellungen in Ihrem Unterricht? Inwieweit orientieren Sie sich an den vorhandenen individuellen Kompetenzen und sozialen Ressourcen Ihrer Schüler/Schülerinnen? In welcher Weise handhaben Sie unterschiedliche Fähigkeitsniveaus innerhalb einer Klasse? Inwieweit fühlen Sie sich hinreichend vorbereitet, um Lernprozesse Ihrer Schüler/Schülerinnen zu analysieren und fördern? 2.5 Umgang mit schwierigen Situationen • • • • • • • • • • Welche Position haben Sie zu der Unterscheidung »normal«/ »nicht normal«? Welche Situationen würden Sie als »schwierig« beschreiben? Sehen Sie die Ursachen für schwierige Situationen eher in Personen oder im sozialen Kontext begründet? Wie reagieren Sie in der Regel in schwierigen Situationen, und was bewirken Sie damit? Wie sicher fühlen Sie sich in Ihrer Beratungskompetenz, um in schwierigen Situationen handeln zu können? Welche Kooperationspartner sind Ihnen vertraut und hilfreich in schwierigen Situationen? Inwiefern und wann setzen Sie Grenzen und verhandeln Konsequenzen? Wen beziehen Sie in diese Verhandlungen mit ein? Welche Rolle spielt für Sie die Methode des Reframings im Umgang in schwierigen Situationen? Gibt es andere Modelle (z. B. Moderation) im Umgang mit schwierigen Situationen, die Sie gerne ausprobieren würden? 2.6 Erziehung/Beziehung • Gibt es für Sie ein Primat der Beziehung? 81 • • • • • • • • • Welche Bedeutung messen Sie den Beziehungsebenen Person, Gruppe, Inhalt und Kontext zu? Inwiefern verstehen Sie Erziehung als koevolutionären Prozess? Wie fördern Sie die zunehmende Selbstverantwortung der Kinder bzw. der Lernenden? In welcher Weise öffnen Sie den Blick für eine Vielfalt von Ansichten, Meinungen und Lebensformen? In welchen formellen und in welchen informellen Kontexten gibt es in der Beziehung zwischen Ihnen und Ihren Schülern/ Schülerinnen Raum und Zeit für Wertschätzung? Welche Lernatmosphäre ist in Ihrem Unterricht wahrnehmbar, und wie wird sie hergestellt? Inwieweit ist das Thema der Klassenführung für Sie ein bemerkenswertes Thema? Gibt es bestimmte Regeln in Ihrem Unterricht, und wer stellt sie auf? Wie werden in erzieherischen Gesprächen Probleme, Lösungen, Defizite, Ressourcen und die Bedürfnisse aller Teilnehmenden berücksichtigt? 2.7 Metakommunikation • • • Was verstehen Sie unter »Metakommunikation«, und welche Bedeutung messen Sie ihr bei? In welchen Situationen metakommunizieren Sie mit Ihren Schülern/Schülerinnen über Erziehungsziele und Beziehungsgestaltung? Gibt es eine informelle bzw. formelle Reflexion mit Ihren Schülern/ Schülerinnen über Ihren Unterricht bezüglich: a) der festgelegten Lernziele? b) der Lerninhalte? c) der Auswahl der Lernkontexte? d) der ausgewählten Unterrichtsmethoden? e) der ausgewählten Medien? f) der Lernwege/-prozesse der Schüler/Schülerinnen? g) der Lernergebnisse? h) der Leistungsbeurteilung? i) persönlichen Verhaltens? j) Konfliktsituationen? k) Ihres Lehrverhaltens und Ihrer Lernbegleitung? 3. Beratungstätigkeit bezüglich Schüler/Schülerinnen und Eltern • • • • Wie häufig führen Sie Gespräche? Wer initiiert die Gespräche, und wer ist daran beteiligt? Welche Inhalte bzw. Ziele haben diese Gespräche? Welche Interaktionsformen sind Ihrer Meinung nach hilfreich 82 • • • in Gesprächssituationen, die auf Veränderung zielen (z. B. des Verhaltens, des Lernens, der Kooperation)? Verhandeln Sie über Wünsche und Aufträge von Schülern/ Schülerinnen, Eltern und/oder anderen Gesprächsteilnehmern? Inwieweit zeigen Sie in Konfliktsituationen Handlungsalternativen auf und verhandeln darüber? Geben Sie die Verantwortung über das zukünftige Handeln gegebenenfalls wieder zurück? 4. Eltern(mit)arbeit • • • • • Welche Bedeutung messen Sie einer Elternarbeit auf der Basis einer gleichberechtigten Partnerschaft bei, und wie organisieren Sie diese? In welchen Kontexten findet Elternmitarbeit (z. B. Elternsprechtag, -sprechstunde, -abend, -stammtisch) statt? Welche Interessen und welche Verantwortlichkeiten zeigen sich in der Elternmitarbeit? Inwieweit binden Sie Eltern(teile) und/oder andere Mitglieder aus der Gemeinde (Jugendliche, Pensionäre usw.) in Ihre Arbeit mit ein? In welchen Situationen sind die Mitarbeit und die gemeinsame Verantwortung von besonderer Bedeutung? 5. Schulleben • • • • • Welche Bedeutung messen Sie dem Schulleben bei, und was findet statt (z. B. Orchester, Chor, Theater, Arbeitsgemeinschaften)? Welche Vernetzung von Leben und Lernen, Schulleben und Privatleben pflegen Sie an Ihrer Schule? Können Schüler/Schülerinnen aktiv am Schulleben teilhaben? Wie, mit wem und in welchem Umfang? Welchen Spielraum haben Schüler/Schülerinnen, Lehrer/Lehrerinnen und Eltern bei der Gestaltung der Schulräume und des Schulgeländes? 6. Partizipation der Lehrer/Lehrerinnen und Leitungskultur 6.1 Besprechungen/Konferenzen • • Welche Art von Besprechungen und Konferenzen halten Sie für bedeutsam, und in welcher Form bringen Sie sich ein? Wie oft können Lehrer/Lehrerinnen an Ihrer Schule ihre Vorschläge 83 • in Besprechungen oder Konferenzen äußern und gegenüber der Schulleitung durchsetzen?* Inwieweit besteht Raum und Zeit, die Wünsche, Gefühle, Bilder und Vorstellungen aller Beteiligten zu berücksichtigen? 6.2 Entscheidungsspielräume der Lehrer/Lehrerinnen • • • In welchen Situationen dürfen Sie als Lehrer/Lehrerin eigenverantwortlich entscheiden und werden dabei von der Schulleitung gestützt?* In welchen Situationen gibt es eine Teilung der Verantwortung zwischen Lehrern/Lehrerinnen und Schulleitung?* Wo wünschen Sie sich mehr Eigenverantwortung und mehr Unterstützung? 6.3 Personalentwicklung • • • • Gibt es an Ihrer Schule formelle bzw. informelle Rituale, Plätze, Zeiträume für Anerkennung und gegenseitiges Feedback zwischen Leitungskräften und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen?* Erwachsen aus dem Feedback Handlungs- bzw. Veränderungsimpulse? Wie werden die Ressourcen und Kompetenzen der einzelnen Lehrer/Lehrerinnen und des Kollegiums von der Schulleitung gefördert und genutzt (z. B. Weiterbildung, Mitwirkung)? Welche Reflexionssettings bestehen an Ihrer Schule (Supervision, Teamberatung, Coaching)?* 6.4 Schulentwicklung • • • Wie viele schulentwicklungsspezifische Aktivitäten fanden an Ihrer Schule im letzten Schuljahr statt? Welcher Art sind diese schulentwicklungsspezifischen Aktivitäten (Befragungen, Konferenzen, Pädagogische Tage, Entwicklungsgruppen, Weiterbildung intern und extern etc.), und wie bewerten Sie diese? Wie viele Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen waren in welcher Form an diesen schulentwicklungsspezifischen Aktivitäten beteiligt? 6.5 Organisation und Information • • • Welche formellen und informellen Möglichkeiten der Mitwirkung gibt es an Ihrer Schule in Bezug auf Personalfragen? Für welche Bereiche gibt es Budgetverantwortung und wie gestaltet sich diese (z. B. Bottom-up-Budgetierung)? Inwiefern gibt es an Ihrer Schule ausreichend Transparenz 84 • hinsichtlich der Kontextbedingungen Ihrer Schule und ihrer Veränderungen (z. B. Finanzen, rechtlicher Rahmen, Lehrplan)? Wie werden Sie in der Regel über Veränderungen informiert? 7. Reflexions- und Kooperationskultur bezüglich verschiedener Umwelten* 7.1 Einladungen an die Umwelt, der eigenen Schule Feedback zu geben* • • • • In welchem Umfang wird Feedback von anderen Einrichtungen eingeholt (z. B. durch gegenseitige Besuche, im Zusammenhang mit Einschulung und Schulwechsel)? Besteht die Möglichkeit, durch externe Fachkräfte Feedback zu erhalten? Für welche Bereiche bestehen gute Feedbackmöglichkeiten, und für welche Bereiche wünschen Sie sich eine Verbesserung der Feedbackmöglichkeiten? Welche Impulse hat das Feedback gegeben? 7.2 Kooperationen im pädagogischen Umfeld • • • • • Gibt es Kooperationen mit externen Schulen, Pädagogen/Pädagoginnen, Sonderpädagogen/-pädagoginnen, Sozialarbeitern/arbeiterinnen, Ämtern etc.? Welchem Zweck dienen diese Kooperationen? Sind diese Kooperationen institutionalisiert? Erweisen sich diese Kooperationen als nützlich? Können Schüler/Schülerinnen und Eltern an den Kooperationen und Konferenzen teilnehmen bzw. darauf Einfluss nehmen? 7.3 Vernetzung mit anderen Einrichtungen • • • Welche Vernetzung mit anderen Einrichtungen (z. B. Schulen, kulturellen, gemeinnützigen oder politischen Institutionen) besteht an Ihrer Schule? Welche Ziele werden mit dieser Vernetzung verfolgt? In welchen Bezügen erweist sich die Vernetzung als förderlich?“ 85 Eidesstattliche Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Außerdem versichere ich, dass ich die allgemeinen Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit und Veröffentlichung, wie sie in den Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg festgelegt sind, befolgt habe. Oldenburg, den 13.09.2012 __________________ Kathrin Schierenbeck 86