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Fakultät I: Bildungs- und Sozialwissenschaften
Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik
Bachelorstudiengang: Sonderpädagogik / Philosophie
BACHELORARBEIT
Deprivation
im Kindesalter und deren Auswirkungen auf das
schulische Lernen
vorgelegt von
Kathrin Schierenbeck
Matrikelnummer: 1211547
Oldenburg, 14. September 2012
Betreuender Gutachter: Privat Dozent Dr. Heinrich Ricking
Zweiter Gutachter:
Bastian Rieß
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis………………………………………………………….IV
Abkürzungsverzeichnis………………………………………………………...IV
1 Einleitung .......................................................................................................... 1
2 Deprivation ........................................................................................................ 4
2.1 Definition ..................................................................................................... 4
2.2 Bedingungsmodell........................................................................................ 7
2.2.1 Ursachen ........................................................................................................... 7
2.2.2 Erscheinungsbild und Auswirkungen ............................................................. 13
2.3 Klassifikation und Diagnostik .................................................................... 19
3 Lernstörungen ................................................................................................ 22
3.1
Definition Lernen ..................................................................................... 22
3.2 Definition, Diagnostik und Klassifikation von Lernstörungen ................... 23
3.3 Bedingungsmodell...................................................................................... 28
3.3.1 Ursachen, Erscheinungsbild und Auswirkungen ............................................ 28
3.3.2 LRS................................................................................................................. 35
3.3.3 Rechenschwäche und Dyskalkulie ................................................................. 37
4 Das komorbide Störungsbild der emotional-sozialen.....................................
Auffälligkeiten ................................................................................................ 40
5 Prävention und Intervention bei Lernstörungen und ....................................
Deprivationsprozessen................................................................................... 46
5.1
Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei ...........................................
II
Lernstörungen .......................................................................................... 46
5.2
Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei ...........................................
Deprivationsprozessen ............................................................................. 50
6 Overlap von Deprivationsprozessen und Lernstörungen .......................... 51
7 Fazit................................................................................................................. 61
Quellenverzeichnis ............................................................................................... 64
Eidesstattliche Erklärung ................................................................................... 78
III
Darstellungsverzeichnis
Abbildung 1: Checkliste posttraumatischer Belastungsstörung…………………16
Abbildung 2: Zusammenspiel von innerer und äußerer Realität……………...…45
Abbildung 3: Mögliches Ursachenmodell von Lernstörungen…………………..56
Abbildung 4: Erweiterung des möglichen Ursachenmodells von…………………..
Lernstörungen……………………………………………………..57
Abbildung 5: Mögliches Ursachenmodell von Lernstörungen 2………………...58
Tabelle 1: Kognitive Fähigkeiten zum Aufbau von Rechenfertigkeiten………..39
Tabelle 2: Zusammenfassung der Risikoverhaltenstypen………………………41
Abkürzungsverzeichnis
ADHS
Aufmerksamkeitsdefizit/-Hyperaktivitätsstörung
ADS
Aufmerksamkeitsdefizitstörung
APA
American Psychological Association
ASCT
Attachment Story Completion Test
DSM-VI
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
GEV-B
Geschichtenergänzungsverfahren zur Bindungserfassung
ICD-10
Interantional Statistical Classification of Diseases and Related
Health Problems
IQ
Intelligenzquotient
IV
LRS
Lese-Rechtschreib-Störung
MCD
minimale cerebrale Dysfunktion
PTB
Posttraumatische Belastungsstörung
WHO
Weltgesundheitsorganisation
V
1 Einleitung
„Schwierige Kinder werden nicht schwierig geboren, sondern das Leben hat sie
dazu gemacht“ (Schrapper 2002, S. 20).
Dieses Zitat von Schrapper beschreibt kurz und knapp die Grundhaltung dieser
Bachelorarbeit.
Mit dem Thema Deprivation im Kindesalter und deren Auswirkungen auf schulisches Lernen soll dargelegt werden, wie negative Erlebnisse langandauernde
Auswirkungen zur Folge haben, die auf verschiedenen Ebenen dispositioniert
werden können.
Schon seit den 1970er Jahren ist wissenschaftlich bekannt, welche Folgen Deprivationserlebnisse haben können und wie wichtig die Bindung zu einer Bezugsperson ist (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 51, 110, 119).
Viel zu häufig sind Kinder mit Lernschwierigkeiten Stigmatisierungen durch die
Gesellschaft ausgesetzt, z.B. sie seien minder intelligent oder faul, um nicht weiter auf die Ursachen einzugehen. Lernstörungen sind oft so klassifiziert, dass sie
trotz ausreichendem Intelligenzquotienten (IQ) vorliegen.
Bei Lernstörungen ist jedoch die Aussagekraft eines Intelligenztests wenig förderlich bei der Frage welche Interventionen dem Kind helfen können. Bei angemessener Hilfemaßnahme kann sich der IQ nachträglich steigern lassen (123test BV,
2012; Thielicke & Sanides, 2012). Somit ist eine angemessene Anamnese bezüglich der Biographie eines Individuums notwendig. Eine Förderung, die auf das
Individuum angepasst ist, erfordert zwar Zeit und Aufwand, jedoch sind positive
und effektive Resultate schneller erzielbar. Eine angebrachte Intervention kann
schnellstmöglich notwendige Kompetenzen und Fertigkeiten nachholen bzw. entwickeln.
Ein wesentlicher Punkt des Erkenntnisinteresses dieser Arbeit liegt im psychologischen Kontext. Das seelische Wohlbefinden hat in jeder Lebenslage Konsequenzen auf die Prioritätssetzungen im Alltag. So sind bei schlechtem Wohlbefinden die Lernleistungen und Konzentrationsfähigkeiten auf die Zukunft, dementsprechend beeinträchtigt. Kinder verbringen einen Großteil ihres Alltags in der
Schule. Gerade deshalb sollte hier jedem Kind das größtmögliche Maß an positiver Aufmerksamkeit gegeben und das Gefühl, akzeptiert zu sein vermittelt wer1
den. Außerdem soll gezeigt werden, dass das Wissen über biographische Einschnitte bei Kindern für Lehrer sinnvoll sein kann, da die Reaktion gegenüber
ihren Schülern sich einerseits dadurch intensiviert, dass sie mehr in das Leben
eingebunden sind, und andererseits den einzelnen Schülern angepasst wird. Die
Lehrer-Schüler-Interaktion gestaltet sich dann emotionaler und persönlicher.
Selbst wenn Risikofaktoren als Ursache in Betracht gezogen werden, trägt dies
häufig zur defizitorientierten Diagnose bei, da diese Faktoren nur bezüglich der
negativen Erwartungen berücksichtigt werden.
Demzufolge ist die Motivation dieser Thematik, inwieweit sich ein lernförderliches Klassenumfeld gestalten lässt, welches tiefer greift, als nur auf die Symptomatik der Lernstörungen zu reagieren. Je mehr Lehrer über die Ursachen psychischer Störungen wissen, desto eher können sie individuell auf den Menschen und
seine Bedürfnislage eingehen, ihn daher besser verstehen und daraufhin eine bessere Förderung bereit stellen.
Solch eine Förderung, die durchaus therapeutische Kompetenzen impliziert, im
Klassenverbund durchzuführen, lässt sich mittels einer einzigen Lehrkraft schwierig gestalten. Daher ist auch in Regelschulen ein Zwei-Pädagogen-System grundsätzlich sinnvoll, wie dies an Förderschulen schon teilweise gehandhabt wird
(Stein & Stein, 2006, S. 61). So muss kein Kind stigmatisiert werden und der heterogene Klassenverband profitiert als Gemeinschaft davon.
Deprivation ist ein weitläufiger Begriff, der allgemein Verlust bezeichnet, jedoch
inzwischen auf viele Kontexte ausgelegt wird. In dieser Arbeit werden hauptsächlich Deprivationsprozesse im familiären Kontext betrachtet, jedoch werden körperliche oder sexuelle Gewalten weitestgehend außer Acht gelassen.
Hierbei wird noch angemerkt, dass die Resilienzfaktoren überwiegend nicht berücksichtigt werden. Daher ist darauf hinzuweisen, dass nicht pauschal bei jedem
Kind mit hohen Risikofaktoren zwangsläufige Defizite entstehen müssen.
Darüber hinaus wird auf die Darstellung von Deprivationserlebnissen im Kontext
von Heimerziehung verzichtet. Heimunterbringung wird generell aufgrund deprivierender familiärer Situationen unternommen, somit gehen traumatische Erlebnisse hierbei voraus. Trotzdem können auch im Heim deprivierende Erlebnisse
dazukommen, wie dies auch häufig der Fall ist.
2
Zudem werden keine Erklärungen der verschiedenen Termini und deren Entwicklung bis heute von Lernen dargestellt. Ein Basiswissen über verschiedene Definitionen wie Lernstörungen, Lernbehinderung, Lernschwäche und viele mehr sollte
bei dem Leser vorhanden sein. Eine ausführliche Erklärung der einzelnen Begriffe
und Definitionen, vor allem des Behindertenbegriffs allgemein, würden den Rahmen dieser Bachelorarbeit übersteigen (z.B. Elbert & Ellinger, 2006, S. 319, 322).
Ziel dieser Arbeit ist eine Darstellung der möglichen Auswirkungen deprivierender Familienprozesse und Verknüpfung der Auswirkungen auf Lernleistungen.
Außerdem soll gezeigt werden, dass das Wissen über biographische Einschnitte
bei Kindern für Lehrer sinnvoll sein kann, da die Reaktion gegenüber ihren Schülern sich einerseits dadurch intensiviert, dass sie mehr in das Leben eingebunden
sind, und andererseits den einzelnen Schülern angepasst wird.
Die Arbeit ist in drei Teile aufgebaut. Teil eins beschäftigt sich mit dem Themenbereich der Deprivation. Einführend wird der Deprivationsbegriff definiert, um
einen Überblick über den Terminus zu erhalten. Folgend wird das Bedingungsmodell und Klassifikationen erläutert.
Der zweite Teil dieser Arbeit widmet sich der Thematik des Lernens bzw. Lernstörungen. Die Strukturierung ist ähnlich aufgebaut wie im ersten Teil. Nach der
Beschreibung der Definition, Klassifikation und Diagnostik, schließt sich das Bedingungsmodell für Lernstörungen an. Dies impliziert Bedingungsmodell. Zur
Veranschaulichung wird auf Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) und Dyskalkulie
in einem extra Kapitel zusätzlich eingegangen.
Die Kapitel verlaufen pyramidenartig nach unten. Das heißt aus den beiden einzelnen Themen „Deprivation“ und „Lernstörungen“ soll ein Zusammenhang im
dritten Teil der Arbeit dargestellt werden.
Somit folgt ab Teil drei die Darstellung einer komorbiden Störung, die häufig in
Zusammenhang gestellt wird – die emotional-soziale Beeinträchtigung. Dies ist
die erste Zuspitzung der beiden ersten Teile. Daraus gehen Präventionen und Interventionen, für Lernstörungen einerseits und für Deprivationsprozesse andererseits, hervor.
3
Aus dieser Erarbeitung werden beide Themenbereiche bezüglich Hilfemaßnahmen zusammen gefügt.
In dieser Arbeit wird ausschließlich die männliche Form bei personenbezogenen
Nennungen verwendet auch wenn beide Geschlechter gemeint sind. Dies dient
dem besseren Lesefluss der Arbeit.
2 Deprivation
2.1 Definition
Bezüglich des Terminus‘, sind diverse Definitionen von Deprivation erläutert
worden. Deprivation beschreibt einen Verlust und/oder eine Entbehrung eines
oder mehrerer wichtiger Bedürfnisse (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 9). Diese
Arbeit wird sich hauptsächlich psychischer Deprivation im familiären Kontext
widmen.
Seit den 1970er Jahren sind viele Termini für den Begriff der Deprivation verwendet worden.
Damals wie heute sind unterschiedliche Begriffe wie partielle Deprivation, seelische Störung, maternal deprivation (mütterliche Deprivation), pädagogisches Defizit, psychisches Mangelleiden, paternal deprivation (väterliche Deprivation),
psychosoziale Deprivation, Sensorische Deprivation und Hospitalismus gängige
Beschreibungen des Themenbereiches. Weitere Formulierungen sind außerdem
food deprivation (Mangelernährung) und sleep deprivation (Schlafmangel) (click
for knowledge GmbH 2011; Langmeier & Matě jč ek 1977, S 9-12, S. 109). Psychische Deprivation wurde schon früh als ein Zustand definiert, bei dem das Individuum nicht die Möglichkeiten hat seine grundlegenden psychischen Bedürfnisse
zu stillen (Reisenauer 1988, S. 28). Zusätzliche Termini für Deprivation im familiären Kontext sind Vernachlässigung und häusliche Gewalt. Die Formen sind
weiträumig. Vernachlässigung und Misshandlung durch die Eltern werden hierbei
genannt. Die Kinder haben häufig einen Mangel an Liebe und Zuneigung durch
ihre Bezugspersonen. Das Interesse der Eltern an ihrem Kind ist wenig bis gar
4
nicht ausgeprägt. Prozesse wie Spielen werden häufig vermieden, so dass das
Kind folglich keine oder wenig Reize hat (Butcher et al. 2009, S. 115).
Heute wird hauptsächlich zwischen sensorischer und sozialer Deprivation unterschieden. Erstes bezieht sich auf den Mangel an auditiven, optischen und taktilen
Sinnesreizen. Zweites erklärt das Fehlen an Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten als Definition von Deprivation (click for knowledge GmbH 2011; Dupuis & Kerkhoff 1992, S. 12; Langmeier & Matě jč ek 1977, S 9-12, S. 109;
Reisenauer 1988, S. 28).
Eine einheitliche Definition zu benennen ist schwierig. Deprivation wurde je nach
Autor zum Beispiel als partielle Deprivation im Sinne einer Trennung der Mutter
(Bowlby) oder ausschließlich als Mangel zwischen der Interaktion von Mutter und
Kind (Ainsworth 1962) beschrieben. Einige Autoren versuchten die jeweilige Situation zu beschreiben, indem sie von versteckter oder markierter Deprivation
sprachen (Prugh & Harlow 1962) oder indem gleichzeitig auf die Folgen versucht
wurde einzugehen (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 9ff; click for knowledge
GmbH 2011).
Der Duden bestimmt heutzutage den Terminus als Mangel, Entzug oder Verlust
von etwas wünschenswertem oder aber, knapp beschrieben, als Liebesentzug
(Bibliographisches Institut GmbH 2012).
Der Begriff der Deprivation wurde bereits im medizinischen Kontext geprägt.
Pfaundler zeigte bereits 1915 den physischen Ablauf des Hospitalismus auf
(Brisch & Hellbrügge 2006, S. 14).
Durch die Beobachtung von Kindern in Krankenhäusern rückte Hospitalismus in
den wissenschaftlichen Fokus. Viele der Kinder im Krankenhaus wiesen Störungen auf. Während generell die Kinder vor dem Krankenhausaufenthalt einen normalen Entwicklungsstand hatten, sie lachten und spontane Reizreaktionen aufwiesen, wurden als die stärksten Symptome des Hospitalismus unter anderem Apathie, Weinen, Traurigkeit und weitere beschrieben.
„Im allgemeinen [sic!] wird angenommen, daß [sic!] ein Kind zu seiner gesunden
Entwicklung insbesondere die beständige emotionale Zuwendung seiner Beziehungsperson(en) braucht; sei diese vorhanden, dann werde durch sie ein eventuel5
ler Mangel anderer Art, z.B. an Sinnesreizen, an Spielsachen, an Erziehung oder
Bildung ausgeglichen.“ (Langmeier & Matě jč ek, 1977, S. 9).
Unter dem Begriff Deprivation wurden auch Umstände wie Verlassenheit, Verwahrlosung oder Hospitalismus definiert.
Bezüglich der medizinischen Verhältnisse veränderte sich nach dem ersten Weltkrieg das Sozialwesen. Da aber nur medizinischer und hygienischer Fortschritt im
Vordergrund stand, minderte sich die Sterblichkeit nur im Hinblick auf Krankheiten (jedoch nicht bezüglich der Entwicklung). Nach dem erstem Weltkrieg wurde
der Fokus erstmalig auf psychische Bedingungen gerichtet.
Hierzu folgten diverse Studien zur geistigen Entwicklung von Kindern und von
Heimkindern. Auch hier wurde deutlich, dass psychische Entbehrung Folgen auf
die Intelligenz und den Charakter hat.
In den Jahrzehnten zwischen 1850-1930 beschäftigte sich die Wissenschaft bezüglich Deprivation mit der Sammlung von Erfahrungen. Konkrete Analysen und
Zuordnung in die spezifischen wissenschaftlichen Bereiche wurden noch nicht
unternommen. Die Resultate dieser rein empirischen Studien offenbarten hauptsächlich die hohe Sterberate und verminderte Vitalität von Kindern in Findelhäusern, Kinderkrankenhäusern und Kinderheimen (Langmeier & Matě jč ek 1977, S.
1ff., 10, 36).
Die frühe sozial-empirische Methode wurde durch bestehende Theorien ersetzt,
welche die Persönlichkeitsentwicklung mit einbeziehen. Das Interesse der Deprivation in dem Sinne, dass Kinder aufgrund eines dauerhaften Zustandes der
Nichtbefriedigung der grundlegenden Gefühlsbedürfnisse benachteiligt sind, ging
hauptsächlich von Autoren aus, die im Bereich der Psychoanalyse tätig waren
(„z.B. in der Londoner Tavistock Clinic: Suttie, Edelston, später Bowlby, in USA
R. Spitz) Schließlich folgte in den 1960er Jahren die Erforschung von Deprivationsprozessen innerhalb der Familie, da die meisten Kinder mit Symptomen der
Deprivation mit der Mutter zusammenlebten.
Eine weitere Kategorie ist die sensorische Deprivation (wesentliche Einschränkung der Sinnesreize) und die soziale Isolierung (Brisch & Hellbrügge 2006, S. 47; Langmeier & Matě jč ek, 1977, S. 4).
Festzuhalten ist, dass Vernachlässigung, traumatische Entbehrung, Liebesentzug
oder ähnliche negative Erlebnisse per Definition dem Terminus der Deprivation
6
zuzuordnen sind. Wie sich diese Erfahrungen jedoch äußern ist, von vielen Faktoren und Gegebenheiten abhängig. Deprivation kann in dem Moment des Geschehens durch Handlung (Schlagen, sexueller Missbrauch) oder auch passiv (Hungern-lassen, verbal, Isolation etc.) ausgeübt werden (Kennerly 2003, S. 21).
2.2 Bedingungsmodell
2.2.1 Ursachen
Die Bedingungen von Deprivationsprozessen sind wie die klare Definition des
Begriffs, vielseitig und abhängig von den Gegebenheiten.
Während der 1950er Jahre zeigte sich durch Autoren wie Bowlby, Spitz und
Goldfarb, dass viele situative Faktoren für Deprivation verantwortlich sein können. In dem klassischen Buch zur Problematik der Deprivation Maternal care and
mental health von John Bowlby wurden die wichtigsten Schlussfolgerungen und
Bedingungen zusammengefasst.
Daraus resultierte, dass ein Kind durch intime Emotionalität in einer angemessenen Umgebung aufgezogen werden soll. Eine enge, dauerhafte Bindung an die
Bezugsperson ist sehr wichtig. Wenn ein Kind an dieser emotionalen Bindung
Mangel leidet, folgen hieraus diverse Beeinträchtigungen der seelischen Befindlichkeit. Diese Folgen können je nach Dauer der Deprivation differenziert rehabilitiert werden (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 4f., 50).
In der Bindungstheorie werden zwischen verschiedenen Bindungstypen unterschieden, die durch die Untersuchungen von Mary Ainsworth identifiziert wurden. In ihrer Studie trennte sie Kinder von ihren Müttern. Hierbei resultierten drei
unterschiedliche Bindungstypen. Den Typ der sicheren Bindung (Typ B), den Typ
der unsicher vermeidenden Bindung (Typ A) und den Typ der ambivalenten Bindung (Typ C). Die Episoden der Wiedervereinigung waren besonders relevant zur
Bestimmung des Bindungstypus. Später wurde noch ein weiterer Bindungstyp
kategorisiert, der Typ der desorganisierten-desorientieren Bindung (Typ D)
(Voos, 2012).
7
Die erlernten Bindungsmuster werden in allen wichtigen Beziehungssituationen
aktiviert. Das Bindungsmuster determiniert die innere Erwartungshaltung bezüglich Sicherheit in Beziehungen und Zuwendungen und des eigenen Selbstkonzeptes. Ungünstige Bindungsmuster führen zu einer ungenügenden Affektregulation.
Außerdem ist das Bindungsmuster relevant für das psychische Wohlbefinden.
(Stegmaier 2000; Daudert 2001, S. 6).
Hieraus gehen entweder Schutzfaktoren hervor oder im negativen Fall werden
Risikofaktoren begünstigt. Der Risikobegriff bedeutet die Wahrscheinlichkeit
eines Eintretens von Schaden/Verlust mit dazugehörigen negativen Konsequenzen. Darunter sind Risiken als Selbstzurechnung zu bezeichnen und Gefahren als
Fremdzurechnung. (Luhmann 1990, S. 148 ff.). Doch auch andere Autoren wie
beispielsweise Knight (1964) oder Mensch (1991) haben für die Definition, Herleitung und Kausalität des Begriffes unterschiedliche Zusammenhänge erklärt.
(Knight 1964, S. 233ff; Mensch 1991, S. 45).
Auch Störungen wie Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen können als Komorbiditäten, durch Entwicklungsdefizite im Spracherwerb und der
kognitiven Kompetenzen, auftreten. Symptome äußern sich oft durch schlechte
Selbstregulation (Cierpka et al. 2007, S. 93).
Viele Faktoren beeinflussen das Auftreten und die Form der Deprivation. Darunter „unterschiedliches wirtschaftliches und kulturelles Niveau, unterschiedliche
Traditionen im erzieherischen Umgang mit den kleinsten Kindern, unterschiedliche gesellschaftliche Bedingungen, unterschiedliche Gesetzgebung, das Niveau
und die Organisation der sozialen und gesundheitlichen Leistungen und viele andere Faktoren […]“ (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 8).
Bis hierhin ist festzuhalten, dass, wenn ein Individuum nicht die Möglichkeit hat,
in seiner gegenwärtigen Lebenssituation seine Grundbedürfnisse zu befriedigen,
dies zu einem andauernden Zustand der Deprivation führt.
Doch wie sind die einzelnen Faktoren zu benennen, die sich auf diesen Zustand
auswirken? Zu den grundlegenden Bedürfnissen zählen Langmeier und Matě jč ek
vier verschiedene Kategorien:
1. Das Bedürfnis nach einer gewissen Menge und Modalität von Reizen.
8
2. Das Bedürfnis eine Stabilität und Struktur zu erkennen und zu erfahren.
3. Das Bedürfnis nach primären gesellschaftlichen Beziehungen, welche die
Integration der Persönlichkeit ermöglichen .
4. Das Bedürfnis sich gesellschaftlich geltend zu machen, wodurch dem Kind
die Aneignung differenzierter gesellschaftlicher Rollen und wertvoller Lebensziele ermöglicht wird.
(Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 12, 230f.)
Auch Fröhlich beschreibt die Bedürfnisse nach Bewegung, Anregung und Abwechslung. Außerdem sind Sicherheit und Stabilität der Beziehungen, eine Bindung zu einer Person, Zärtlichkeit und Angenommen sein von Bedeutung. Als
Kontrapunkt sehnt sich das Individuum auch nach Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit (Fröhlich 1998b, S. 24ff.).
Weiterhin gehören zu den wichtigen Bedürfnissen die Ernährung und Pflege, sowie emotionale Sicherheit und Geborgenheit. Gleichzeitig wichtig ist das Kennenlernen von Explorationsmöglichkeiten, Kommunikation und eigene Selbstwirksamkeit in der Welt (Papoušek 1998, S. 90.).
Die Ursachen von Deprivation korrelieren zusammenfassend immer mit einem
Mangel an Bedürfnissen. Der Grund kann innerhalb der Familie sein, z. B. in einer Großfamilie ohne Vater, bei einer depressiven Mutter (Separation trotz Vorhandensein der Mutter) oder bedingt durch Interaktionsmangel.
Somit hat eine Zerrüttung innerhalb des familiären Kontextes eine gravierende
Bedeutung bei der Entstehung von Deprivationsstörungen. Diese Ergebnisse wurden schon früh durch Studien in den 1950er Jahren festgestellt. Beispielsweise
haben Langmeier, Konias und Dolejši 1957 bei einer Analyse herausgefunden,
dass eine brüchige Familiensituation, hauptsächlich Verhaltensstörungen als
Auswirkungen beinhaltet. Auch das Milieu, in dem das Kind aufwächst, ist von
Bedeutung. So verlieren Kinder aus sozioökonomisch schwachen Familien mit
zunehmendem Alter an IQ.
Die Ursachen von sensorischer Deprivation beinhalten oft eine Isolierung des
Kindes. Wird ein Kind nur Zuhause gelassen und von der Gesellschaft abge9
schirmt, so entsteht ein Reiz- und Wertemangel. Hierdurch entstehen dann wiederum Defizite im Kontakt zu Peers, Gruppenleben, im Spielen und an sozialen Erfahrungen (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 109f., 112, 124, 137).
Laucht analysierte 2003 in der Mannheimer Risikokinderstudie den Verlauf psychischer Störungen und die Bedingungen für dessen Entstehung. Auch Kinder aus
ungünstigen Familienverhältnissen und psychosozialen Belastungen wurden untersucht. Kinder mit Interaktionsstörungen und Beeinträchtigung der emotionalsozialen Entwicklung waren alarmierend hoch bei Müttern mit postpartalen Depressionen (Laucht 2003, S. 61ff.).
Damit ein Säugling sich angemessen entwickeln kann, benötigt er mindestens eine
zuverlässige feinfühlige Bezugsperson. Diese sollte in der Lage sein die Signale
ihres Kindes wahrzunehmen und daraufhin richtig zu interpretieren, um sofort
angemessen darauf reagieren zu können.
Grundvoraussetzungen für angemessene Entwicklungsprozesse liegen in den
frühsten Beziehungen zur Bezugsperson des Kindes. Das Kind adaptiert die Erfahrungen mit sich selbst, von Kommunikation, Sprache und Beziehung zu Personen und der Umwelt in andere situative Kontexte mit ein (Papoušek 2006, S.
62f.).
Zu den wissenschaftlichen Forschungen bezüglich Deprivation zählen auch neurobiologische Ergebnisse.
Rutter weißt darauf hin, dass Schore 1994 bereits neurowissenschaftliche Ergebnisse herangezogen hat, die besagen, dass Erfahrungen in den ersten drei Lebensjahren gemacht werden müssen, wenn sie eine langfristige Wirkung zeigen sollen.
Dies liegt daran, dass das Gehirn zu dieser Zeit in einer besonders großen Wachstumsphase ist und die Funktionen von Organisation und Reorganisation besonders
ausgeprägt sind.
In den ersten Lebensjahren verändern sich Gehirnfunktion und Gehirnstruktur
noch sehr stark. Nach der Phase des neuronalen Wachstums, in der die Entwicklung von Verbindungen zwischen Nervenzellen und die Wanderung von Nervenzellen sich bildet, kommt die Phase, in der überschüssige Nervenzellen, die nicht
intensiv genutzt wurden, abgebaut werden. Dann werden „Fehler“, die sich in der
Wachstumszeit gebildet haben, in der neuronalen Organisation korrigiert. Aber
auch im Erwachsenenalter haben Erfahrungen Auswirkungen auf die Gehirnstruk10
tur. An dieser Stelle führt Rutter unter anderem Curtis & Nelson 2003, Greenough & Black 1992 und Huttenlocher 2002 an (Rutter 2006, S. 102f.). Der Entwicklungsprozess ist eine kontinuierliche, systematische Veränderung und beeinflusst die Verhaltensmuster (Rutter & Rutter 1993, S. 64).
Hieraus lässt sich die Konklusion festhalten, dass die Auswirkungen von Erfahrungen in der frühen Kindheit besonders groß sind, da sie die Gehirnstruktur verändern können.
Traumatische Erlebnisse zwischen einem Kind und seiner Bezugsperson können
als Resultat Bindungsstörungen hervorrufen. Das daraufhin erlernte Bindungsmuster des Kindes wird in bindungsrelevanten Kontexten aktiviert (Brisch &
Hellbrügge 2006, S. 229).
Komplizierte familiäre Dispositionen, Migration sowie weitere biografische Erlebnisse können den Sozialisationsprozess beeinträchtigen. Scheitert dieser Prozess bei Kindern und/oder Jugendlichen, ist das Entwickeln von Fähigkeiten, die
ein erwünschtes Leben ermöglichen, schwierig. Durch Überforderungsgefahr
können Jugendliche die Anforderungen bei misslingender Sozialisation nicht bewältigen. Entwicklungsprobleme sind mögliche Folgen von missglückter Interaktion mit der Umwelt. Bei problematischen Sozialisationsbedingungen ergeben
sich Schwierigkeiten für die Jugendlichen, Fähigkeiten zu entwickeln, die ihnen
ein zufriedenes und erwünschtes gesellschaftliches Leben ermöglichen. Kinder
und Jugendliche aus ärmeren Milieus leiden dann an mangelnder Befriedung ihrer
materiellen Bedürfnisse. Zerrüttete Familienbeziehungen, Aggression gegenüber
der Kinder und ähnliches, schränken die Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung und die seelische Befindlichkeit ein (Dassler 2009; Raithel 2011, S. 94;
Stangl 2012; Universität Duisburg-Essen 2006).
„Die Betroffenen verlieren im Falle einer Verlaufskurve aufgrund erlittener belastender biographischen Erfahrungen ihre aktiven Handlungsmöglichkeiten und
fühlen sich durch übermächtig erlebte Situationen und Rahmenbedingungen wie
getrieben.“ (Schütze 1995, S. 126).
Das Resultat ist Vereinzelung statt Gemeinsamkeit, ausgelöst durch zu gravierende Leistungsanforderungen und Leistungsdruck (Raithel, 2011, S. 92). Die Jugendlichen haben keine Sicherheiten für die spätere berufliche Perspektive. Sozia11
le Selektion und Wettbewerbsdruck determinieren ihren Alltag und daher fehlen
Solidaritätserfahrungen. Geschaffen wird stattdessen soziale Isolation.
Auch die Veränderungen der Familienkonstellationen stellen einen weiteren Risikofaktor dar. Vermehrt lassen sich Menschen scheiden und viele „Ein-ElternteilFamilien“ entstehen. Eine soziale Unterstützung in der Lebenswelt des Kindes ist
daher schwierig zu bewältigen.
Durch Scheidung der Eltern, verliert das Kind oft eines der beiden Elternteile als
Bezugsperson, was wiederum Verlustgefühle als Folge hat. Zusätzliche psychische, soziale, physische, Belastungen sowie finanzielle und materielle Ansprüche,
erschweren die Perspektiven der Ein-Elternteils (Raithel, 2011, S. 92f.).
„Um ein positives Selbstwertgefühl und prosoziale Orientierungen zu entwickeln,
sind zuverlässige, stabile und berechenbare soziale Beziehungsstrukturen erforderlich. Eine gute Ausgangslage ist eine emotional positive, machtbalancierte und
durch Konfliktlösung gekennzeichnete Beziehung.“ (Raithel 2011, S. 94f.).
Faktoren, die für die Entwicklung des Jugendlichen relevant sind:
•
Finanzielle und soziale Lage der Eltern;
•
Familiale Wohnsituation;
•
Verwandtschaftliche Einbindung;
•
Biographische und Persönlichkeitsstruktur der Eltern;
•
Qualität der Partner-/ehelichen Beziehung;
•
Qualität der Eltern-Kind-Beziehung;
•
Innerfamiliäres Sozialklima.
(Raithel 2011, S. 95).
Die gesellschaftliche Struktur mit ihrer Armut, Arbeitslosigkeit, geringere Zukunftsperspektiven, sozialer Selektion etc. sind auch ursächlich für Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen (Nölke 1997, S. 190; Raithel, 2011, S.
92).
12
Bis hierin lässt sich, im Rahmen dieser Arbeit, die Begriffsbestimmung von Deprivation darauf schließen, dass diese Ursachen deprivierender Natur sind und
somit Kernpunkte in der Kausalität von Verhaltensauffälligkeiten darstellen.
2.2.2 Erscheinungsbild und Auswirkungen
Primär ist anzumerken, dass Deprivation nicht gleich Trauma bedeutet, jedoch aus
Deprivationsprozessen häufig Traumata entstehen.
Deprivation im familiären Kontext wird heutzutage mit Vernachlässigung erklärt
(Kapitel 2.1). Die Symptome und Auswirkungen von Deprivation können individuell und vielseitig ausgeprägt sein. Gravierend ist gerade in dem Themenfeld der
Deprivation, dass sie eine Vielzahl psychiatrischer Diagnosen beinhaltet. Die
Symptomatik ist somit genauso vielseitig und somit ähnlich wie bei Traumata
(Müller, 2011).
Bei traumatischen oder deprivierenden Erlebnissen sind die Erscheinungsbilder
unterschiedlicher Form. Das Erlebnis kann schon mehrere Jahre oder Jahrzehnte
zurück liegen oder auch über einen längeren Zeitraum stattgefunden haben. Dies
ist von dem Schweregrad des Traumas abhängig. Die traumatischen Ereignisse
verankern bei dem Betroffenen responsive, vulnerabile Reize. Dies bedeutet, bestimmte Gerüche, Abfolgen von Ereignissen, Geräusche, die Passage eines Buches etc., das an die traumatische Situation erinnern (Trigger) und diese reaktivieren, lösen daraufhin Symptome bezüglich des Traumas aus. Oftmals werden diese
jedoch nicht in einen Kontext mit dem Trauma gesehen, da die Zeitspanne sehr
groß ist (Eisenberg 2012; Kennelry 2003, S. 28).
Wurde das deprivierende Erlebnis erst einmal durch die Trigger reaktiviert (sogenannte Flashbacks), treten verschiedene Symptomatiken auf. Sie können sich
durch eine gewisse Desorganisation ausdrücken. Konzentrationen fallen schwieriger, Betroffene fühlen sich schnell überfordert, sind erschöpft und der Tagesablauf scheint ohne Raum und Zeitgefühl zu vergehen. Aber auch psychosomatische
Störungen wie Panikattacken und Angstzustände oder Schmerzen ohne medizinische Ursache treten auf. Des Weiteren können sich die Symptome auch in apathischen Zuständen ausdrücken, wenn der Traumatisierte sich gelähmt, abwesend
13
und erstarrt fühlt. Die Selbstregulation kann verloren gehen, sowie eine optimistische Einstellung bezüglich der Welt und ihrer eigenen Sicherheit in ihr. Viele
Menschen isolieren sich auch selber von bestimmten Situationen. Emotionen werden nicht mehr gespürt und das Individuum fühlt sich innerlich leer. Viele Symptome können sich auch durch Essstörungen, Konsum- und Suchtverhalten äußern
(hierauf wird im Kapitel 4 noch eingegangen) (Eisenberg 2012; Kennerly 2003, S.
28; Meijer & Döring-Meijer 2009).
Sollte kein sicheres Bindungsmuster vorhanden sein, sind die Störungen umso
größer. Die Probleme bei unsicher gebundenen Kindern können auf das gesamte
spätere Leben Auswirkungen haben. Schwierigkeiten in Beziehungen zum Partner
und den eigenen Kindern können sich zu einem infiniten Regress herausbilden
(Eisenberg 2012).
Auch Entwicklungsverzögerungen entstehen durch traumatische, deprivierende
Erlebnisse, wenn keine anderen medizinischen Ursachen zur Debatte stehen (Fokus Kind Mediennetzwerk, 2012).
Sehr prägnant ist die Tatsache, dass ein traumatisches Erlebnis zu vielen verschiedenen Auswirkungen in verschiedenen situativen Kontexten führen kann. Die
Symptome sind spürbar innerhalb Beziehungen, im eigenen Handeln und Denken,
in den Emotionen und im Selbstkonzept aber auch in der eigenen Körperwahrnehmung. Kontexte auf der Beziehungsebene sind geprägt von Misstrauen dem
Partner gegenüber sowie der Wahrnehmung keiner anderen Perspektive als der
Eigenen. Emotionale Labilität durch Rückzug und Wut sind oftmals Ausdruck der
Verletzbarkeit und ist ein Schutzmechanismus.
Fühlt ein Mensch sich wertlos und ungeliebt während des traumatischen Erlebnisses, wird dieser im Erwachsenenalter mehr darunter zu leiden haben, als jemand,
der während oder nach dem Erlebnis Halt und Stabilität bekommen hat.
Viele Faktoren gehen ineinander über oder bedingen sich offenbar gegenseitig.
Handlungsweisen stellen sich per mangelnder Impulskontrolle, selbstzerstörerischen Verhaltens (external) dar. Jedoch sind auch gegenteilige Verhaltensweisen
wie Schlafstörungen und Unterordnung (internal) zu beachten.
Wer die eigenen Emotionen nicht fühlen kann, hat folglich auch Probleme seine
emotionalen Zustände zu regulieren bzw. sie offenzulegen.
14
Weiterhin gehören zu den Auswirkungen nach traumatischen oder deprivierenden
Erlebnissen Schwierigkeiten bezüglich des Lernens und der sensorischen und motorischen Entwicklung (Kennerly 2003, S. 22, 26; Meijer & Döring-Meijer 2009).
Treten eins oder mehrere der oben genannten Symptome auf, ist die Bezeichnung
hierfür posttraumatische Belastungsstörung (PTB). Die Christoph-Dornier-Klinik
(2012) hat zur Überprüfung eine Checkliste erstellt, die durch die Beantwortung
von Fragen Antwort darüber geben kann, ob eine PTB vorliegt:
Checkliste PTB:
A
1. Wiederkehrende und eindringliche Erinnerungen an das traumatische Ereignis
2. Belastende Träume von dem Ereignis
3. Das Gefühl, das Ereignis gerade im Moment wiederzuerleben; so zu fühlen,
als passiere es gerade jetzt
4. Starke Belastung in Situationen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen
oder daran erinnern
B
1. Bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen, Gesprächen, die mit dem
Trauma in Verbindung stehen
2. Bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen
3. Sich nicht an alle Details des Traumas erinnern können
4. Sich von Freunden und Familie isolieren und Vermeidung von sozialen Situationen
5. Sich "emotional taub" oder losgelöst bzw. entfremdet von anderen fühlen
6. Nicht mehr in die Zukunft schauen können. Gefühl von Angst und Unglück
bezüglich der Zukunft
C
1. Schwierigkeiten einzuschlafen oder durchzuschlafen
2. Sich besonders launisch, irritierbar, ärgerlich oder ängstlich fühlen
3. Konzentrationsschwierigkeiten
D
1. Sich durch Alltagssituationen überwältigt bzw. überfordert fühlen und vermindertes Interesse an täglichen Aufgaben und Beschäftigungen, die man
früher gern hatte
2. Sich vermehrt auf Alkohol oder Tabletten bzw. Drogen verlassen, um durch
15
den Tag zu kommen
3. Sich schuldig fühlen, das Ereignis überlebt zu haben, das Ereignis nicht beeinflusst oder verhindert zu haben
Abbildung 1: Checkliste Posttraumatischer Belastungsstörung (PTB(ChristophDornier-Klinik GmbH 2012).
Das verinnerlichte Selbstkonzept nach deprivierenden Ereignissen führt dazu,
dass die Leidtragenden sich wertlos, abgelehnt fühlen und negativ in die Zukunft
blicken. Ein Gefühl für die eigene Identität und den Sinn im Leben ist nicht vorhanden (Kennerly 2003, S. 27).
„Neben Bowlby waren es insbesondere Spitz und Goldfarb, die die schweren Folgen der langdauernden, vollständigen Deprivation, ihren dramatischen Verlauf,
ihre Dauerhaftigkeit und den tiefen Einfluss auf die Struktur der Persönlichkeit
hervorhoben.“ (Langmeier & Matě jč ek 1977 , S. 5).
Heutzutage werden viele Ehen geschieden und die Ein-Elternteil-Familie rückt in
den Vordergrund (Peuckert 1999, S. 161f.). Schon in den 1970er Jahren wurde
die Zerrüttung der Familie als mögliche Ursache von Deprivationsprozessen bekannt. Das Milieu und/ oder Scheidung der Eltern können dazu führen, dass das
Kind nicht genügend soziale und emotionale Reize bekommt. Aber auch wenn die
Reize objektiv gegeben sind, genügt dies dem Kind nicht, wenn die Beziehung
und Bindung zu einer Bezugsperson fehlt.
Kinder aus einer geschiedenen Ehe können sich in einer ähnlichen Situation befinden. Denn die Scheidung der Eltern tritt vorwiegend nicht plötzlich auf. D.h.
„die innere Einheit und gegenseitigen Beziehungen der Familienmitglieder sind in
der Regel schon früher gestört. Es kommt oft vor, dass das Kind nur eine schwache Bindung an den Elternteil hat, von welchem es jetzt getrennt wird – es kann
aber auch sein, daß [sic!] diese Bindung sehr eng ist und das Kind die Trennung
fast so schmerzvoll wie den Tod eines Elternteils erlebt“ (Langmeier & Matě jč ek
1977, S. 110, 119).
Kernmerkmale von Erscheinungsbildern der Deprivation sind somit, dass ein
Kind dadurch, dass dieses durch die Deprivation dauerhaft unbefriedigt in seinen
16
Bedürfnissen geblieben ist, seine psychischen Bedürfnisse nicht an die gegebenen
situativen Umstände, die der gesellschaftlichen Norm entsprechen, anpassen kann.
Weiterhin weisen Langmeier und Matě jč ek (1977) auf eine Studie aus dem Jahre
1678 hin, bei der „von 2000 in das Waisenhaus aufgenommenen Kindern nach 10
Jahren nur 7 am Leben blieben.“ (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 12, 51.).
Salmon und Dover beweisen aufgrund ihrer Fallberichte, wie wichtig positive
Bindungserfahrungen, für die Entwicklung des Kindes sind. Fehlen diese positiven Erfahrungen, wirken sich diese negativ auf die Lernprozesse des erfahrenen
Kindes aus. So sind bei negativen Bindungserfahrungen emotionale und kognitive
Entwicklung betroffen, wodurch das Selbstkonzept des Kindes leidet.
Diese schädlichen Resultate können sich bei Nichterkennung soweit ausprägen,
dass die Sprachkompetenz schlecht ausgeprägt ist, was wiederum Auswirkungen
auf das Schulleistungsniveau hat. Da dies auf das Bindungsmuster zurückzuführen ist, also psychische Ursachen hat, sind diese wiederum ursächlich für die richtige Handlungsweise im Unterricht.
Negative Bindungserfahrungen können auch Angst hervorrufen. Des Weiteren
können sich auch Angstgefühle (durch Deprivation entstanden) negativ auf Denkprozesse und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit auswirken (Salmon & Dover,
2011, S. 15ff. 58).
Häufig treten auch Komorbiditäten, wie Hyperaktivität und externalisierten Verhaltensweisen auf. Nach deprivierenden Erlebnissen steigert sich die Vulnerabilität des Menschen und die Wahrscheinlichkeit, dass er Probleme entwickelt wird
umso höher (Kennerly 2003, S. 25; Glaser & Brunstein 2004, S. 26).
Jedes Kind reagiert auf jede negative Erfahrung anders. Dieses kann jedoch nicht
pauschalisiert werden. So tendieren Kinder nach Traumata auch zu emotionalen
und sozialen Auffälligkeiten. Aggressive Verhaltensweisen, Angstzustände und
psychosomatische Störungen gehören zu den durchschnittlichen Reaktionen nach
Deprivationserlebnissen. Weitere Auswirkungen können aber auch in Depressionen oder Angstzuständen übergehen. Wie bereits erwähnt können diese Auswirkungen mit Schwierigkeiten bei der Sprachentwicklung
zusammenhängen
(Butcher et al. 2009, S. 115).
17
Neben diesen externalen, sichtbaren/spürbaren Auswirkungen verändern traumatische Erlebnisse, unmittelbar nach dem Ereignis, die Aktivität des Gehirns. Die
Aktivität der Hirnbereiche sind während des traumatischen Ereignisses und während eines Erinnerungsprozesses zu einem späteren Zeitpunkt, dieselben. Sogar
ohne Erinnerung bleibt die hervorgerufene Veränderung im Gehirn bestehen.
In dem Moment der Deprivation wird das Großhirn nicht mit allen Informationen
versorgt und merkt sich das Erlebnis oft nicht. Hierdurch wird dem Großhirn,
durch Trennung von Amygdala und Hippokampus, die Entscheidungsfähigkeit
genommen. Demnach sind Reaktionsweisen während eines traumatischen Erlebnisses biologisch und nicht von dem Verstand gesteuert. Da das Großhirn zu wenige Informationen bekommt, erreichen die Amygdala zu viele ungefilterte von
diesen. Diese Reizüberflutung führt dazu, dass Teile des Traumas nicht im Großhirn ankommen.
Bis zu dem Zeitpunkt der posttraumatischen Belastungsstörung, kann dieser Zustand des Nichtwissens über Jahrzehnte bestehen bleiben.
Erst durch das Triggern (Auslösen) und den daraus resultierenden Flashback
kommen die Erlebnisse zunächst wieder ungefiltert im impliziten Gedächtnis
(wirkt sich auf Lernen und Verhalten aus) zutage (Focus Online 2009; Psychotherapeutische Praxis Furth im Wald, 2007; Stangl, 2012).
Der Lernvorgang erfolgt über den Hippokampus. Die durch Erfahrungen entstandenen Gefühle sind in der Amygdala gespeichert. Traumatische Erlebnisse werden zwar in der Amygdala als Gefühlszustände, physische Reaktionen und Bilder
gespeichert, jedoch wird dies nicht in einen Kontext mit konkreten Ereignissen
gebracht. Dies ist in der Auswirkung der Hormonausschüttung auf die Nervenzellen bedingt. Dadurch wird die Funktionsweise des Gehirns verändert und die Verbindung zwischen Amygdala und Hippokampus ist gestört. Dadurch reagiert der
Mensch während des Erlebnisses nach Instinkt, das Großhirn nimmt keine zeitlich
aufwändige Beurteilung vor. Jedoch durch die Auswirkungen auf die Nervenzellen können diese in veränderter Form bestehen bleiben und eine Unterbrechung zu
den anderen Gehirnpartien erzeugen (Kitzelmann 2008; Schwarz 2009; Team der
Borderlinezone 2007).
18
Treten Störungen innerhalb des Konzentrations- und Lernniveaus auf, kann dies
auf Ängste zurückzuführen sein. Angst vor Erwartungen von Erwachsenen, Leistungserwartungen und Angst vor Kontrollverlust der eigenen Gefühle mindern das
Konzentrationsniveau und somit die Lernleistungen. Da durch das Trauma die
Informationsverarbeitung im Gehirn beeinträchtigt ist, kann dies dazu führen, dass
auch früher Abgespeichertes nicht mehr abrufbar ist. Dies führt zwangsläufig zu
Problemen in der Schule.
Auch Flashbacks können die Aufmerksamkeit des Gehirns so vereinnahmen, dass
die Möglichkeit sich auf Lerninhalte zu konzentrieren wegfällt (Schulz 2009).
2.3 Klassifikation und Diagnostik
Um Krankheiten und psychische Störungen zu klassifizieren, sind zwei Diagnosesysteme hervorzuheben. Die International Statistical Classification of Diseases
and Related Health Problems (ICD-10) und die Diagnostic and Statistical Manual
of Mental Disorders (DSM-IV) (vgl. Walter 2009).
Der Abdeckungsbereich der beiden Systeme ist unterschiedlich. ICD-10 befasst
sich mit Krankheiten allgemein, während DSM-IV sich nur auf psychische Störungen bezieht (vgl Piesbergen 2010).
Die ICD-10 ist ein Handbuch, das von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben wird, in dem alle anerkannten Krankheiten und Diagnosen registriert sind
(vgl. Ristau 2012).
Die DSM-IV wurde von der American Psychiatric Association (APA) herausgegeben. Aktuell ist die vierte Auflage, daher die Bezeichnung DSM-IV. Wie bei
der ICD-10 werden psychische Störungen klassifiziert und beschrieben. Erweiternd formuliert die DSM-IV unter anderem auch die Ursachen der Störungen,
geschlechtsspezifische Statistiken und Prognosen, die auf die richtige Behandlungsweise erforscht werden (vgl. Heffner 2003).
Eine konkrete Klassifikation für Deprivation ist nicht vorhanden. Je nach Symptomatik kann anhand ICD-10 zum Beispiel PTB (F43.1) diagnostiziert werden,
die in das Kapitel „Neurotische, Belastungs- und somatische Störungen“ (F4019
F48) gehört. F43 zählt zu den Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen, welche von F43.- bis F43.9 aufgelistet sind.
Die Kapitel der ICD-10 reichen von F00 bis F99 (zuzüglich Unterkapitel). Erscheinungsbilder, die nach deprivierenden Ereignissen auftreten, können sich auch
in affektiven Störungen (F30-F39), Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen
Störungen und Faktoren (F50-F59), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
(F60-F69), Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend (F90-F98) und in nicht näher bezeichnete psychische Störungen (F99)
darstellen (ICD-10-GM 2012).
DSM-IV greift weiter in die Symptomatik und besonders auch in die Auswirkungen bei der Klassifikation von PTB (DSM-IV 309.81). Zusätzlich wird auch auf
Flashback-Reaktionen eingegangen. Wichtig zu bemerken ist, dass DSM-IV Konzentrationsschwierigkeit zu den Symptomen einer PTB zählt. Jedoch fordert
DSM-IV als Kriterien, dass das traumatische Ereignis regelmäßig wieder erlebt
wird und die Betroffenen versuchen, Gedanken diesbezüglich zu vermeiden (Elze
2012; versteckte-scham.de 2006).
Aufgrund dessen, dass DSM-IV sich ausschließlich psychischen Störungen widmet, kann hier davon ausgegangen werden, dass eine Vielzahl der in den Kapiteln
von DSM-IV beschriebenen Erscheinungsbildern, nach deprivierenden Erlebnissen auftreten können.
Je nachdem welche Symptome aufgezeigt werden und je nachdem welche Kriterien sie erfüllen, wird eine Diagnose gestellt wie zum Beispiel AufmerksamkeitsDefizit-(Hyperaktivitäts)-Syndrom (AD(H)S). Die Symptome, die bei ADHS auftreten, können folglich bedingt durch ein Trauma sein. Bei der Recherche war
jedoch nicht festzustellen, dass dies bei den Klassifikationssystemen berücksichtigt wird. Jedoch wird auf Komorbiditäten hingewiesen, dass differentialdiagnostische Probleme auftreten können, wenn die entsprechende „Symptomatik auch
bei Störungsbildern vorkommt, die anderen diagnostischen Kategorien zuzuordnen sind“ (Bundesärztekammer 2006).
Da die vorangegangenen Erfahrungen wie Vernachlässigung, Traumata etc. und
situative Faktoren wie Milieu, Erziehung etc. allesamt zu Deprivationserlebnissen
20
dazugehören, wird die Diagnostik immer abhängig sein von den repräsentierten
Symptomen des Betroffenen. Entsprechend kann daraufhin die jeweilige Diagnostik erfolgen.
Da nach traumatischen Erlebnissen diverse Faktoren die Entwicklung und Handlungsweise des Individuums determinieren, können Symptome auftreten, die den
oben genannten Klassifikationen der ICD-10 zugeordnet sind. Komorbiditäten
werden hierbei eingeschlossen. Nicht zu verachten sind die Ressourcen des Individuums selbst. Hierzu ist nun wichtig sich die Ursachen vor Augen zu führen,
um mit dem Trauma als angemessen umgehen zu können.
Weist ein Kind z.B. Störungen im Konzentrationsbereich auf, wird dieses vermutlich einem AD(H)S-Diagnoseverfahren unterzogen. Dies liegt daran, dass eine
Konzentrationsschwäche zu einem Hauptmerkmal von AD(H)S gehört. Deprivation beeinflusst in großem Maße die Bindungsqualität, somit werden in diesem
Kontext Verfahren zur Erfassung der Bindungsqualität angewandt. Im Grundschulalter dienen Verfahren wie beispielsweise der Attachment Story Completion
Test (ASCT). Dieser wurde von Golger-Tippelt und König in Deutschland in das
Geschichtenergänzungsverfahren (GEV-B) überarbeitet. Bei der Verfahrensdurchführung werden fünf Situationen mit Puppen gespielt, die durch zunehmende
Dramatisierung der dargestellten Szenen das Bindungsverhalten der Kinder auslösen sollen. Danach muss das Kind die Geschichte mit Hilfe der Puppen zu Ende
erzählen. Je nachdem, wie die Geschichte von dem Kind weitererzählt wird, repräsentiert dies die Eltern-Kind Beziehung und somit auch die verschiedenen
Bindungsorganisationen (Gloger-Tippelt & König 2009, S. 65f.; Kennedy 2012).
Emotionale Vernachlässigung und frühkindliche Deprivation sind die potenziell
schwerwiegendsten Faktoren für eine gestörte seelische oder geistige Entwicklung
des Menschen und werden als Kofaktor auch bei der Mehrzahl der übrigen Misshandlungsformen gefunden. Sie sind gekennzeichnet durch die fehlende Berücksichtigung der Entwicklungsbedürfnisse von Kindern und eine Störung der ElternKind-Interaktion durch ein nicht hinreichendes oder ständig wechselndes und dadurch nicht ausreichendes emotionales Beziehungsangebot (Jacobi et al. 2010).
„Die am häufigsten vorkommende Misshandlungsform mit den gravierendsten
langfristigen Auswirkungen stellt die Vernachlässigung dar. Sie kann im physi21
schen Bereich medizinisch diagnostiziert werden, ansonsten nur über psychische
Auffälligkeiten und Verhaltensvariablen (Jacobi et al. 2010).
3 Lernstörungen
3.1 Definition Lernen
Eine Definition des Lernbegriffs geht immer mit subjektiven Anforderungen und
Maßstäben einher. Dadurch resultiert, dass eine Definition von Lernstörungen
(mit ihren verschiedenen Begriffen) auch verbunden ist mit dem Anforderungsniveau, das von dem Lernenden erwartet wird (Elbert & Ellinger, 2006, S.319).
Lernen beschreibt dauerhafte Verhaltensänderungen, die auf Erfahrung beruhen.
Der Mensch zählt zu den Wirbeltieren, bei dem die Fähigkeiten des Lernens am
größten ausgeprägt sind. Jedes menschliche Verhalten kann durch Lernen verändert werden. Was gelernt wird bestimmen oftmals die inneren Mechanismen
(Trieb, Motiv, Instinkt). Diese sind wiederum vererbt. Konditionierung gehört zu
den einfachen Lernvorgängen, genauso wie das Lernen durch den Versuch. Hierbei ist problemlösendes Verhalten auch ohne Wissen darüber möglich. Lernen
wird außerdem zwischen zielgerichtetem und beiläufigem Lernen differenziert.
Beiläufiges Lernen findet eher im Alltag statt und bezeichnet das beiläufige Aufnehmen von Inhalten ohne dass dies dem Lernenden bewusst ist. Bezüglich der
Vorgänge sind viele Theorien entstanden (Behaviorismus, Psychoanalyse etc.).
Keine der Lerntheorien genügt jedoch, um das Lernen umfassend zu erklären.
Lernen ist eine durch Erfahrung entstandene Verhaltensänderung. Sie bietet außerdem Verhaltensmöglichkeiten, die die Menschen befähigen, aufgrund früherer
und aktueller Erfahrungen situationsangemessen zu reagieren. Beim Lernen ist der
Mensch weitestgehend aktiv, einsichtig und eignet sich sozial vermittelte Kenntnisse an. Außerdem hängt der Lernprozess auch von den Einstellungen, Verhaltensweisen und von der Interaktion mit der Umwelt ab (Meyers Lexikonverlag,
1997, S. 529; Microsoft & Brockhaus, 1999; Schmidbauer, 1995, S. 123ff.;
Zimbardo & Gerring, 1999, S. 229).
22
Neuere Definitionen beziehen sich auf die neuronalen Vorgänge des Lernens.
Lernen wird als nicht direkt sichtbare Prozesse in einem Organismus, „vor allem
in seinem zentralen Nervensystem (Gehirn), die durch Erfahrung (aber nicht
durch Reifung, Ermüdung, Drogen o.ä.) bedingt sind und eine relativ dauerhafte
Veränderung bzw. Erweiterung des Verhaltensrepertoires zur Folge haben“ (Krüger & Helsper, 2002, S. 97).
Während des Lernens, werden biochemische Veränderungen in den Nervenzellen
aktiviert. Hierbei werden die einzelnen Nervenzellen anhand komplexer Synapsenverbindungen zusammen verknüpft. „Dafür muss ein Lerninhalt (z.B. ein neu
zu lernender Begriff) mehrmals in so genannten reverbatorischen Kreisen ein Erregungsmuster durchlaufen. Auf diese Weise verschalten sich Nervenzellen zu
Zellverbänden, die den gelernten Sachverhalt nicht nur speichern, sondern auch
eine Verhaltensbereitschaft dahingehend erzeugen, dass diese Zellen bei einer
erneuten Aktivierung rasch und stark reagieren und so das künftige Verhalten beeinflussen [kann]“ (Lauth et al. 2004, S. 16).
3.2 Definition, Diagnostik und Klassifikation von Lernstörungen
Lernstörungen werden in inhaltlich begrenzte (partielle) und allgemeine (generelle) Lernstörungen kategorisiert. LRS und Dyskalkulie zählen zu den inhaltlichen
Störungsbildern.
Kombinierte
Störungen,
Lernbehinderungen
und
Underachievement zählen zu den allgemeinen Erscheinungsbildern (Linderkamp
& Grünke, 2007, S. 17).
Auch um Lernstörungen international zu klassifizieren, sind ICD-10 und die
DSM-IV zu verwenden.
Der ICD-10 Code für Lernbeeinträchtigungen ist unter F81.9 zu finden und wird
dort mit drei Begriffen definiert: Lernstörung, Lernschwäche und Lernbehinderung.
Veranschaulicht werden alle drei Klassifikationen gleich. Sie implizieren allesamt
unter anderem Entwicklungsprobleme des Lernvermögens, Schwierigkeiten
Kenntnisse zu erwerben und/oder Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (Walter, 2009). Der ICD-10 Code F81.- beschreibt das Kapitel „Umschriebene
23
Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“ und definieren von F81.- bis
F81.3, F81.8 und F81.9 die einzelnen Lernstörungen. Bei der Information von
Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) ist „Das Hauptmerkmal [ist] eine umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist“ (ICD-10-GM 2012).
Lernstörungen werden bei DSM-IV mit den dazugehörigen Codes zwischen Lesestörungen (315.00), Rechenstörungen (315.1) und Störungen des Schriftlichen
Ausdrucks unterschieden (315.2). Beschrieben wird hierbei, dass schulische Leistungsprobleme vorliegen müssen, um
diese Störung zu diagnostizieren. Bei
DSM-IV zählen Lernstörungen zu Kapitel „Störungen, die gewöhnlich zuerst im
Kleinkindalter, in Kindheit oder Adoleszenz diagnostiziert werden“ (König &
Sonne 2010; Piesbergen 2010).
Generell werden bei der Diagnostik von Lernstörungen zwei Verfahrensweisen
unterschieden. Förderdiagnostische Verfahren und Screenings. Screenings dienen
zur Identifikation und Normierung des Störungsbildes (Gasteiger Klicpera &
Klicpera, 2007, S.95f.).
Lernstörungen und Lernschwierigkeiten können verschiedene Bezeichnungen
haben. So werden zwischen einer allgemeinen Lernschwäche und einer Lernbehinderung unterschieden, aber auch konkrete Lernstörungen wie LRS oder Rechenschwäche unterschieden. Lernschwierigkeiten aufgrund von Deprivationserlebnissen fallen nach Castello et al. in die Kategorie Lernschwächen bei Entwicklungsretardierungen (Castelleo et al., 2004, S. 78-80; Gasteiger Klicpera &
Klicpera, 2004, S. 46; Grünke, 2004, S. 65; Lauth, 2004, S. 55; Lorenz, 2004, S.
34).
Lernstörungen bei Entwicklungsretardierungen sind tiefgreifende Einschränkungen „in der Informationsverarbeitung und Handlungsregulierung im Kleinkindbzw. Vorschulalter. Sie [äußern] sich hauptsächlich in Störungen
•
„der Intelligenz,
•
der Wahrnehmung,
•
der Sprache bzw. des Sprechens, des Gedächtnisses bzw. der Merkfähigkeit,
24
•
der Aufmerksamkeit und Konzentration oder
•
des problemlösenden Denkens“
(Castello et al., 2004, S. 79).
Die Diagnostik bei Entwicklungsretardierungen erfolgt durch zwei Arten standardisierter Tests. Dies sind auf der einen Seite Entwicklungstests und auf der anderen Seite Intelligenztests. Die Diagnostik verfolgt das Ziel Störungsbild und Leistungen zu kategorisieren und die Faktoren zu erkennen, die Einfluss auf die Störung nehmen. Ziel ist hierbei eine Förderdiagnostik, um angemessene Interventionsmöglichkeiten schaffen zu können. Die Diagnostik bei Entwicklungsretardierungen hat zudem ein Interesse an den Ursachen der Störungen und versucht diese
durch Benennung zu verändern.
Für die Definition von LRS hat die ICD-10 zwei Diagnosekategorien. F81.0 beschreibt die (kombinierte) Lese- und Rechtschreibstörung, bei dem Lesen und
Schreiben dem Alter unangemessen ist. Die zweite Kategorie ist die isolierte
Rechtschreibstörung (F81.1). Hierbei beschränken sich die Schwierigkeiten lediglich auf das Rechtschreiben. Der Verlauf des Lesens ist hierbei ungestört. Bei der
isolierten Rechtschreibstörung ist die Leseleistung im Normbereich. Eine klare
Definition, ab wann und in welchem Ausmaß eine mindere Leistung im Schreiben
besorgniserregend ist, ist nicht gegeben. Demzufolge werden die Kinder mit den
schlechtesten Leistungen als Lernbeeinträchtigt stigmatisiert.
Als Ausschlusskriterien zur Diagnose von LRS gelten medizinisch bedingte
Krankheitsbilder wie Sehstörungen, geistige Beeinträchtigung, Hirnschädigung
und unangemessene Beschulung.
Die Diagnose LRS wird erkannt, wenn bestimmte Merkmale konstant sind. Dazu
gehören, dass ein Rückstand der Lese- und Rechtschreibentwicklung gegenwärtig
ist. Außerdem muss die Störung sich auf das schulische Leistungsniveau auswirken.
Weitere Merkmale sind das fehlerhafte Lesen, welches sich unter anderem durch
das Verdrehen und Auslassen der Wörter zeigt. Später entwickelt sich dies zu
langsamen, mühevollen und stockendem Lesen.
25
Bei Leseschwierigkeiten können die Kinder oft den gelesenen Text nicht verstehen, ihm keinen Sinn geben und keine Verknüpfungen erstellen. (Castello et al.,
S. 80f.; Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 46f.; Linderkamp & Grünke,
2007, S. 17f.; Universität München 2012).
Bei der Überprüfung, ob eine LRS vorliegt, sind Kriterien wie Lesefähigkeit, Leseverständnis und Lesegeschwindigkeit standardisiert. Dies impliziert auch das
auditive Verständnis, also das Verstehen vorgelesener Texte. Weitere Kriterien
des diagnostischen Verfahrens bei LRS sind die Berücksichtigung vertrauter und
langer Wörter und der Umgang der Kinder mit ihnen. Weiterhin zu berücksichtigen ist inwieweit das Kind orthographische Regeln benutzt und lautgetreu schreibt
(„d.h. die Übersetzung von Phoneme in Grapheme, wie z.B. „fa-rad“ für Fahrrad“) (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 51).
Kinder mit LRS haben häufig Defizite im phonologischen Bewusstsein. Eine Differenzierung zwischen den Lauten /ba/ -/da/, /ri/-/li/ oder /sa/-/sta/ fällt ihnen
schwer.
Die Kooperation mit den Bezugspersonen ist bei der Diagnostik und Intervention
nicht außer Acht zu lassen.
Bei dem Diagnoseverfahren von LRS ist die Ausrichtung auf den Zusammenhang
der Intelligenz fokussiert. Dies bedeutet, dass trotz normaler oder überdurchschnittlicher Intelligenz, eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt. Jedoch werden hierbei keinerlei kausale Faktoren berücksichtigt. Glaser & Brunstein (2004)
formulieren dieses Phänomen als Underachievement. Schüler, die hierunter leiden, weisen eine große Diskrepanz zwischen ihren Fähigkeiten und ihren Schulleistungen auf. Sie haben einen entsprechenden Intelligenzquotienten, jedoch sind
die Schulnoten widersprüchlich hierzu.
Sowohl bei ICD-10 als auch bei DSM-VI ist die Lernstörung Underachievement
nicht als eigenständige Lernstörung berücksichtigt. „Das DSM berücksichtigt
Underachievement allerdings als V-Kategorie (V62.30 – Schulschwierigkeiten:
Mangelhafte Noten oder bedeutsame Leistungsmängel bei einer Person mit ausreichenden intellektuellen Fähigkeiten).“ (Beinstein-Verlag 2012; Gasteiger
Klicpera & Klicpera, 2004, S. 51; Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2007, S. 96;
Glaser & Brunstein, 2004, S. 24f.).
26
Der ICD-10 Code F81.2 bezeichnet das Störungsbild der Rechenschwäche. Um
die Diagnose stellen zu können sind einige Kriterien aufgeführt. Eine Rechenschwäche kann nur vorhanden sein, wenn neurologische und andere medizinische
Ursachen ausgeschlossen werden können. Fundamentale Rechenfertigkeiten wie
Addition, Subtraktion, Division und Multiplikation sind nicht erworben worden.
Außerdem ist wichtig, dass die Beeinträchtigung nicht bedingt durch eine Intelligenzminderung oder unangemessener Beschulung vorhanden ist (Lorenz, 2004, S.
34).
Schwierigkeiten oder Störungen im Rechnen wurden in der Pädagogik und in der
Psychologie lange vernachlässigt. Bereits in der Grundschule leiden ca. drei bis
sieben Prozent der Schüler unter einer Rechenstörung. Es gibt zwei Definitionen
von Rechenschwäche. Es wird unterschieden zwischen einer pädagogischen und
einer wissenschaftlichen Zugangsweise. Im internationalen Krankheitsklassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO/ICD10 1999) werden Rechenstörungen als Entwicklungsstörungen schulischer Fähigkeiten (F81) zugeordnet.
Eine Rechenstörung wird diagnostiziert, wenn vor allem die einfachen Rechenoperationen schwer fallen, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division
und nicht die höheren mathematischen Fähigkeiten wie Algebra, Trigonometrie,
Geometrie, Differenzialrechnung, Stochastik oder Vektorrechnung (vgl. Born
&Oehler 2009, S. 3f.).
Das DSM-IV-TR des amerikanischen Klassifikationssystems für Erkrankungen
hat ähnliche Grundkriterien wie das ICD-10. Dort werden auch durch Testverfahren Diskrepanzen zwischen Leistung und Alter etc. ermittelt (APA 2003, S.87).
Bei der Diagnostik von Rechenschwierigkeiten werden verschiedene Etappen
durchgeführt. Diese verfolgen das Ziel Verständnisschwierigkeiten, inhaltliche
und kognitive Lücken aufzudecken und zu benennen. Die Reihenfolge der Durchführung beginnt mit der Durchführung eines Rechentests, gefolgt von einer Fehleranalyse der schulischen Aufgaben und Tests. Hierbei wird auch die Präsentationsebene des Kindes getestet. Dies geschieht durch eine mündliche Aufgabenstel-
27
lung, da der Schüler „besser ausgeprägte Fähigkeiten im Hinblick auf Gedächtnis
und Sprachrezeption benötigt“ (Lorenz, 2004, S. 38).
Der dritte Schritt bei der Diagnostik ist die Überprüfung der Gedächtnisleitung.
Wichtig bei der Diagnostik von Rechenstörungen ist die Anamnese. Schulische
Leistungen hängen von vielen zusammenhängenden Faktoren ab. Lorenz nennt
hier die Persönlichkeitsmerkmale, die didaktisch-methodische Ausführung der
Schule. Diese impliziert unter anderem die Lehrer und die Methoden zur Veranschaulichung (Lorenz, 2004, S. 39f.).
Dennoch wird darauf aufmerksam gemacht, dass gesellschaftlich die Beschulung
als Dienstleistung angesehen wird. Auf die Kompetenzen des Lehrers wird hierbei
keine Kausalität zwischen Schülerleistungen hergestellt. Der Schüler ist demnach
der zwischenmenschlichen Ebene in seiner schulischen Situation ausgesetzt.
Schüler erhalten Leistungsbeurteilungen dafür, welchen Nutzen sie aus dem gebotenen Unterricht ziehen können (Linderkamp & Grünke, 2007, S. 15).
Wenn folglich die institutionelle Beschulung vorhanden ist, wird die Vermittlungskompetenz der Lehrkraft hier völlig außer Acht gelassen und nicht als unangemessene Beschulung interpretiert.
3.3 Bedingungsmodell
3.3.1 Ursachen, Erscheinungsbild und Auswirkungen
Die Ursachen für Lernschwierigkeiten zu benennen ist nicht pauschal möglich. Je
nach Individuum können verschiedene Faktoren als Ursache zutreffen. Die frühkindliche Prägung hat, wie vorangegangen erörtert, Auswirkungen auf die Bindungsrepräsentation des Kindes. Diese wird in jeder bindungsrelevanten Situation
aktiviert und das Kind verhält sich dem Erwachsenen (zum Beispiel dem Lehrer)
gegenüber wie seine Erfahrungen seine Erwartungshaltung geprägt haben.
Bei der Entstehung von Lernstörungen stehen psychische, soziale und biologische
Faktoren in einer Interaktion zueinander. Des Weiteren gehen Castello et al.
28
(2004) davon aus, dass kognitive und körperliche Zuwendung bedeutsam für die
Entwicklung des Kindes sind (Castello et al., 2004, S. 80).
Kinder mit Lernschwierigkeiten verfügen nicht über Strategien der Informationsverarbeitung und -entnahme. Sie weisen Schwierigkeiten auf, Verknüpfungen zu
bekanntem Wissen herzustellen. Techniken der Metakognition, wie Selbstanweisungen bei der Bearbeitung von Aufgaben, fallen Kindern mit Lernschwierigkeiten schwer. Ein weiterer Punkt ist, dass diesen Kindern häufig das Vorwissen
fehlt, sodass aufgrund dessen keine Verknüpfungen hergestellt werden können.
Durch ständig erfahrene Misserfolge ist zudem die Lernmotivation gering.
Bedingt durch mangelnde oder gar nicht ausgeprägte Lernstrategien bemerken
Kinder mit Lernschwierigkeiten ihre Fehler meist nicht. Das Lernen basiert somit
auf unsystematischen Zufällen.
Vier Komponenten des Lernens lassen sich unterscheiden. Lerngestörte Kinder
wiesen markante Defizite auf in:
1. Basisfertigkeiten: Aufnahme von Akustik und Visualisierung, also Fertigkeiten der Informationsverarbeitung, die essentiell sind, um Regelsysteme
oder ähnliche zu lernen.
2. Wissens-und Begriffssysteme: Fehlt ein Grundstock an Wissen, ist es
schwierig, beziehungsweise gar nicht möglich darauf Wissen aufzubauen,
da die nötigen Schemata und das Vorwissen fehlen. Hierzu gehören auch
Lernstrategien, die wichtig sind um neues Wissen zu erwerben („z.B. kognitive Strategien, welche die Aufnahme, Speicherung und den Abruf verbaler Informationen fördern“).
3. Metakognitive Fertigkeiten: Hierzu zählen die Planung, Reflexion, Beobachtung des eigenen Lernens und über die eigenen gedanklichen Prozesse. Die Analyse von Fehlern während des Lernens gehört auch zu den
metakognitiven Fertigkeiten
4. Motivation: Lernen verlangt wiederholend die Überwindung von Schwierigkeiten. Das Gelingen hängt von der Eigenwahrnehmung und der
Selbstwirksamkeit ab. Selbstvertrauen, Lernziele durch eigenes Bemühen
erreichen zu können sind wichtige Faktoren. Schülern mit Lernstörungen
fehlt dieses Vertrauen häufig.
29
Kinder mit Lernstörungen haben beträchtliche Schwierigkeiten Informationen
aufzunehmen. Die Informationen, die sie aufnehmen, sind willkürlich und vereinzelt aus einer Vielfalt von Informationen. „Die eingehenden Informationen bleiben flüchtig, notwendige Vernetzungen und Tiefenverarbeitungen finden nicht
statt. „Zug um Zug“ entstehen Lernrückstände, obwohl geradezu verzweifelte
Versuche unternommen werden, dies zu verhindern“ (Büttner, 2007, S. 46f.;
Lauth et al., 2004, S. 16-20; Pinquart & Silbereisen, 2007, S. 41, 44).
Weiterhin ist auch das soziale Umfeld von Bedeutung bei der Entwicklung von
Rechenschwierigkeiten. Bei der Diagnostik werden daher mehrere relevante
Punkte angesprochen, die als Ursachenfaktoren mitwirken können:
•
Frühkindliche Symptomatik (z.B. Entwicklungsretardierungen […]);
•
Vorliegen einer Aufmerksamkeitsstörung;
•
Spezifische kognitive Ausfälle auf Grund von Verzögerungen in der motorischen Entwicklung;
•
Belastende häusliche Situationen (z.B. kein ungestörtes Lernumfeld,
Scheidungsproblematik);
•
Erziehungshaltung und Erziehungsweisen der Eltern.
(Lorenz, 2004, S. 39f.).
Da die frühkindliche Beziehung zu einer Bezugsperson sich auf die jeweiligen
Bindungsmuster auswirkt, entsteht je nach bindungstheoretischer Erfahrung, das
dementsprechende Bindungsmodell.
Bei Kindern, die ein vermeidendes Bindungsmuster haben, war die Bezugsperson
oft ablehnend. In der Schule treten Situationen auf, in denen das Kind die Lehrkraft ignoriert und nur mit sich selbst auskommt. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Lehrer wird dann durch eine negative Haltung bezüglich der unterrichtlichen Aufgaben ausgedrückt. „Um die unerträglichen Gefühle, die aus der Erfahrung nicht verfügbarer Eltern resultieren, aushalten zu können, baut das Kind eine
Abwehr auf, die [der Lehrer] als die Schwierigkeiten des Schülers wahrnimmt,
30
seine eigene Hilfsbedürftigkeit anzuerkennen und die Hilfe [des Lehrers] anzunehmen“ (Salmon & Dover 2011, S. 64f.).
Zu den Ursachen bei Entwicklungsretardierungen können sowohl neuronale und
sensorische Defizite gehören. Jedoch auch ausgeprägte Vernachlässigung und
Misshandlung können zu den oben genannten Störungen führen. Hier wird noch
einmal deutlich, wie wichtig affektive, kognitive und körperliche Zuwendung für
die Entwicklung des Kindes ist. Sollten diese Kriterien nicht erfüllt werden, wird
von einem Deprivationssyndrom gesprochen. Hierzu gehören auch die Erfahrungen von (sexuellem) Missbrauch (Castello et al., 2004, S. 80).
Ursachenerklärungen für Lernstörungen und auffällige Verhaltensweisen werden
in lerntheoretische und biopsychologische Theorien gegliedert.
Um Lern- und Verhaltensstörungen zu erklären wurden bereits einige biopsychosoziale Aspekte erläutert. Diese Modelle gliedern sich in interaktionistische und
transaktionale Modelle.
Die interaktionistischen Modelle nehmen an, dass die Entstehung von Lern- und
Verhaltensstörungen von einer Interaktion (gegenseitiges Einwirken) zwischen
psychischen, biologischen und sozialen Faktoren determiniert sind. Bei den transaktionalen Modellen wird zusätzlich davon ausgegangen, dass diese einzelnen
Komponenten sich ständig selbst verändern.
Zunächst wurde nur von biologisch-genetischer Vulnerabilität bezüglich Umwelteinflüssen ausgegangen. Inzwischen werden aber auch psychisch-soziale Faktoren
mit einbezogen (Pinquart & Silbereisen, 2007, S. 31).
Hierbei ist jedoch verwunderlich, dass bereits seit den 1970er Jahren Studien und
Theorien zu psychischen, milieubedingten deprivierenden Ursachen empirisch
untersucht worden sind. Außerdem wurde der Mangel an kognitiven Reizen damals auch schon als Kausalität bezeichnet (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 110124, 206).
Gravierend sind auch die psychischen Aspekte bei Lernstörungen. Ist das psychologische Wohlbefinden nicht ausgeglichen, ist das Erreichen einer Leistungsnorm
schwierig. Leistungsniveau steht in unmittelbarem situativen und individuellen
31
Zusammenhang. Hierbei spielen Motivation und Emotionen eine Rolle. Sie gelten
als Grundvoraussetzungen für Lernen (Dupuis & Kerkhoff, 1992, S. 400).
Die Faktoren, die Einflüsse auf die Lernleistungen haben, sind wie bei Deprivation abhängig von mehreren Dispositionen: In welchem öko-sozialem Milieu jemand aufwächst, welche Peers ein Mensch hat, Erziehungskompetenzen der Eltern, Konflikte innerhalb der Familie, Scheidung der Eltern, deprivierende Lebensereignisse, Delinquenz der Eltern etc. All diese Faktoren gehören zu dem
Kriterium der ungeteilten Umwelt und beeinflussen (als Risikofaktoren) die interindividuelle Entwicklung des Menschen. Gerade strafendes Erziehungsverhalten
der Eltern steht in engem Zusammenhang mit Lernstörungen. Wichtig ist, dass
eine Wechselwirkung der gegebenen Faktoren stattfindet und nicht eine einzige
Ursache definiert werden kann (Pinquart & Silbereisen, 2007, S. 38, 40).
Kinder, die ein ambivalentes Bindungsverhalten haben, hatten unzuverlässige
Eltern. Die Verhaltensmuster solcher Kinder sind oft oppositionell und ihre Beziehungsformen ambivalent. Ihre bindungsbedingten Stressbewältigungsstrategien
äußern sich durch Klammern und gleichzeitiger Zurückweisung gegenüber den
unzuverlässig erlebten Bezugspersonen.
In der Schule erfordert ihr Verhalten ständige Aufmerksamkeit durch den Lehrer.
Auch in der Schule wird die Bindungsrepräsentation angeregt und sie reagieren
übermäßig feindlich eingestellt dagegen sich unterrichten zu lassen. Auch Schulaufgaben dienen als Mittel gegen den Lehrer anzukämpfen. Diese Kinder reagieren stärker auf bindungsrelevante Informationen als vermeidend gebundene Kinder. Dadurch fällt ihnen die Konzentration auf die Arbeit schwer. In der pädagogisch-psychotherapeutischen Behandlung braucht das Kind gegebenenfalls genügend Zeit, damit ihm geholfen werden kann sich zeitweise von der erwachsenen
Bezugsperson zu lösen und seine Aufmerksamkeit auf die Arbeitsaufgaben zu
richten (Salmon & Dover 2010, S. 65).
Kinder mit einem desorganisierten Bindungsmuster haben ängstliche und beängstigende Erfahrungen gemacht. Ihnen gelingt nicht, beständige Beziehungen zu
ihren Bezugspersonen aufzubauen.
Da sich das Erziehungsverhalten der Eltern beschützend und strafend oder umsorgend und kontrollierend äußert, sind desorganisierte Kinder in der Schule von den
Lehrern als abgekapselt und unerreichbar bzw. als unberechenbar empfunden.
32
Hierbei ist es für Lehrer besonders wichtig, eine beständige und sichere Umgebung bereitzustellen.
Weiß die Lehrperson, dass Verhaltensreaktionen auf einen logischen Ursprung
zurückzuführen ist, ist diese in der Lage, angemessen zu reagieren und mit dem
Kind produktiv Hilfemaßnahmen zu erarbeiten. So kann das Kind dadurch ein
Bewusstsein über sich selbst schaffen (Salmon & Dover 2011, S. 65-67).
Lernen beginnt folglich mit dem Aufbau einer stabilen Bindung an eine Bezugsperson. Die primären infantilen Erfahrungen führen später zu unbewussten Vorstellungen, die später schulische Lerninhalte und –prozesse durchdringen und die
Beziehungsgestaltung zum Lehrer beeinflussen können. Unbewusste Vorstellungen können einen erheblichen Einfluss auf das Lernen ausüben. Zudem sind Kinder mit negativen Erfahrungen prädestinierter für spätere Negativerfahrungen.
Demzufolge steht ein feindseliges häusliches Erziehungsmilieu in Zusammenhang
mit Lernstörungen, Lernblockaden innerhalb der Problembewältigung in ihrem
Lernumfeld. Zusätzlich treten signifikante Komorbiditäten zwischen ADHS, LRS,
Dyslexie und emotionalen Schwierigkeiten auf.
Kinder mit Entwicklungsverzögerungen und bereichsspezifischen Lernrückständen neigen zu Lernschwierigkeiten. Die Ursachen hierfür sind folgende:
•
Fehlende Lernvoraussetzungen. „Kinder mit Lese-Rechtschreibstörungen
haben beispielsweise bei Schulbeginn einen reduzierten Wortschatz, können sich neue Lautfolgen weniger gut einprägen und haben Schwierigkeiten, gesprochene Sprache wahrzunehmen. Sie weisen Defizite im phonologischen Rekodieren, im phonematischen Bewusstsein und in der lexikalischen Entwicklung auf“.
Kinder mit allgemeinen Lernschwierigkeiten weisen oft Defizite in verschiedenen Bereichen auf, wie kognitive Entwicklungsverzögerungen, geringe Sprachkompetenz, wenig selektive Aufmerksamkeit und Beeinträchtigungen im Arbeitsgedächtnis.
Um Wissen zu erwerben sind Strategien notwendig. Diese kognitiven Strategien dienen als Transfer für Erwerb und Anwendung von Wissen. Bei
33
Kindern mit Lernschwierigkeiten fehlen oft die Lernstrategien und die
strukturierten Vorkenntnisse.
•
Einschleichende Lernstörungen. Lernstörungen können auch nebenbei und
zufällig entstehen. Sie fangen mit minimalen Defiziten an, die sich stetig
steigern, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird.
Die PISA Studie hat offenbart, dass das Milieu eng verwurzelt ist mit dem Schulleistungsniveau des Kindes. Die Förderung im familiären Umfeld ist ein wichtiger
Faktor beim schulischen Erfolg des Kindes. Wenn die Wertevermittlung, Realitätskonstruktionen und Rollen innerhalb der Familie im Widerspruch zur schulischen Realität stehen, kann dies die Lernaktivität des Kindes beeinträchtigen.
Weitere komorbide Störungen bei niedrigem Leistungsverhalten sind auf der kognitiv-emotionalen Verarbeitungsebene und in der Lebenswelt des Kindes zu finden. Somit kann minderes Leistungsniveau auch durch psychosoziale Aspekte
bedingt sein. Zum Beispiel verfestigen sich bei einer negativen Lernbiographie,
geprägt durch Unverständnis der Eltern/Lehrern und missglückten Leistungserfahrungen, ein negatives Slebstbild im Kind und die positiven Lernerfahrungen bleiben aus.
Je nach Milieu sind meist auch die Kompetenzen, die die Eltern vermitteln, gering, sodass die Kinder aus niedrigerem Milieu, weniger Sprachkompetenzen,
Konzentration, Selbststeuerung und Bereitschaft zu kognitiver Anstrengung aufweisen, als die aus dem sozialökonomisch höheren Ständen (Linderkamp &
Grünke, 2007, S. 7; Lorenz, 2004, S. 40; Salmon & Dover 2011, S. 19ff., 77f.).
Dementsprechend sind diese Punkte besonders bei Interventionsmaßnahmen von
Bedeutung.
Daraus auch folgend sind Lernstörungen, aber auch Verhaltensstörungen „immer
das Resultat komplexer Wechselwirkungen zwischen bestimmten Merkmalen des
jungen Menschen und seiner Umwelt“ (Linderkamp & Grünke, 2007, S. 15).
Auch die Instanzen wie Schule und die gesellschaftlichen Normvorstellungen
liefern Bedingungsfaktoren zur Entstehung von Lernschwierigkeiten. Bei dem
Begriff von Lernschwierigkeiten ist zu bedenken, dass dieser eine Vokabel ist, die
die Kommunikation vereinfachen soll.
34
Die Prävalenzrate bei Leistungsschwierigkeiten und Verhaltensstörungen ist steigend. Dies hängt damit zusammen, dass sich die Risikofaktoren (Familienzerrüttung, Armut, Medien etc.) steigern (Grünke & Linderkamp, 2007, S. 15f.).
Wie bereits erwähnt werden Lernstörungen in inhaltliche und allgemeine Störungsbilder eingeteilt. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend Symptomatik
und Auswirkungen von LRS und Dyskalkulie (partiell) näher beschrieben.
3.3.2 LRS
Eine LRS zeigt sich durch viele Merkmale, die die Fertigkeit betreffen. Das phonologische Bewusstsein ist nicht vorhanden. Einzelne Laute (Phoneme) werden zu
Wörtern zusammengesetzt und beim Lesen werden die Wörter in Phoneme getrennt. Kinder, die ein gut ausgeprägtes phonologisches Bewusstsein besitzen,
sind in der Lage, Reime und Alliterationen zu bilden (Gasteiger Klicpera &
Klicpera, 2004, S. 48).
Kinder mit Lernschwierigkeiten haben oft allgemeine phonologische Defizite. Sie
können Buchstabenfolgen nicht zu Lautfolgen dekodieren.
Im orthographischen Gedächtnis werden Schriftwörter abgespeichert und können
dann automatisch beim Lesen abgerufen werden. Bei Kindern mit Lernstörungen
ist das orthographische Lexikon häufig sehr gering ausgeprägt. Daher ist ihre Lese- und Schreibgeschwindigkeit langsamer.
Auch Konzentrationsprobleme und der familiäre Kontext sind zu beachten. Je
nach Familiensituation werden Kinder unterschiedlich durch Vorlesen und
Sprachspiele gefördert. Werden Kinder also falsch oder kaum gefördert, hat dies
Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Dies kann somit den Schriftspracherwerb
negativ beeinflussen (vgl. Bundschuh et al. 2007, S. 186).
Auch sind bereits Komorbiditäten bekannt, die mit LRS häufig auftreten. Ist neben der LRS auch Dyskalkulie zu beobachten, wird von einer kombinierten Schulleistungsstörung gesprochen. Außerdem treten oftmals emotional-soziale Auffälligkeiten auf. Dies ist auf das niedrige Selbstwertgefühl und das Selbstkonzept
zurückzuführen. Welches, wie vorangegangen erwähnt, sich auch auf Deprivationserlebnisse zurückführen lässt.
35
Des Weiteren gehen mit LRS auch Aufmerksamkeitsschwierigkeiten und Hyperaktivität einher (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2004, S. 48).
Die Ursachen von Legasthenie und Dyslexie sind, wie bei anderen Lernstörungen,
sehr vielseitig. Sie bedingen und verstärken die Symptomatik. Die soziale Herkunft, das Milieu, der sozialökonomische Status und der Bildungsgrad der Eltern
haben einen großen Einfluss auf die Leistungsmöglichkeiten des Kindes.
Aber auch genetische und psychische Dispositionen können mit ursächlich sein
für die Beeinträchtigung des Schriftspracherwerbs. Fehlfunktionen des Gehirns
wie minimale cerebrale Dysfunktion (MCD) aber auch ADS oder ADHS können
für die Ausprägung einer LRS verantwortlich sein. Da ADS und ADHS zu verminderter Konzentration führen, folgt bei dieser Beeinträchtigung häufig eine
Komorbidität. LRS Symptome treten auf, die Ursache ist jedoch die Aufmerksamkeitsstörung (Gumpert 2012).
Um festzustellen, ob ein Kind an einer LRS leidet, ist eine Einzeldiagnostik notwendig. Hierbei wird zunächst die Lesefähigkeit überprüft. Die wichtigen Kriterien sind das korrekte Lesen und die fehlerfreie Lesegeschwindigkeit.
Weiterhin wird getestet, wie die Kinder mit Wörtern, die sie bereits kennen, umgehen. Schwierigkeiten bei Kindern mit LRS treten oftmals beim Lesen von unvertrauten Wörtern auf oder bei Pseudowörtern. Dass ihnen dies schwer fällt ist
unter anderem auf die phonologischen Defizite zurückzuführen (Gasteiger
Klicpera & Klicpera, 2004, S. 51; Gastiger Klicpera & Klicpera, 2007, S. 96).
Außerdem wird noch die Rechtschreibungsfähigkeit überprüft. Durch eine Analyse der Schreibfehler, wird der Entwicklungsstand des Kindes dargestellt und dies
gibt Aufschluss über mögliche Interventionen.
„Zur Feststellung einer LRS werden verschiedene psychodiagnostische Testverfahren eingesetzt. Standardmäßig wird in der LRS-Diagnostik
•
ein standardisierter und normierter Rechtschreibtest
•
ein standardisierter und normierter Lesetest
•
ein Test zur auditiven Merkfähigkeit
•
und ein Test zur allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit
36
durchgeführt. Je nach Art und Ausmaß der Schwierigkeiten schließen sich evtl.
weitere Tests (z.B. zur visuellen und auditiven Differenzierungsfähigkeit, zur
Konzentrationsfähigkeit, zur Händigkeit etc.) an“ (Breidbach 2010).
3.3.3 Rechenschwäche und Dyskalkulie
Als Ursache gilt nicht, wenn eine unangemessene Beschulung stattfindet (Lorenz,
2004, S. 34). Dies beinhaltet allerdings, dass wir von einer guten und angemessenen Beschulung in unserem Bildungssystem ausgehen. Es bleibt also noch ungeklärt, ob nicht auch eine falsche Vermittlung in der Schule zu Rechenproblemen
führen kann (Born & Oehler 2009, S. 8).
„Bei der Entwicklung einer Lernschwäche wie der Dyskalkulie spielen auch psychosoziale Bedingungen eine wichtige Rolle. Seelische Ruhe, Stabilität und Ausgeglichenheit, ein gesundes Selbstwertgefühl und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind unabdingbare Voraussetzungen für den Lernerfolg des Kindes, gerade
im Fach Mathematik. Eine ganze Reihe von Bedingungen kann die Lernentwicklung des Kindes jedoch ungünstig beeinflussen“ (Biel & Ardorno 2012). Beispiele
sind unter anderem darin zu finden, wie die Kinder heutzutage aufwachsen. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem schnellen Wandel und die Familienkonstellation hat sich verändert. Viele Kinder haben geschiedene Eltern und leben oft bei
nur einem Elternteil. Dies ist ein Beispiel für eine psychosoziale Ursache, die das
Kind dann belastet. Durch eine Scheidung haben Eltern oft wenig Zeit. Dies impliziert häufig wenig Zuwendung und deren Auswirkungen (Biel & Adorno
2012).
Die Erscheinungsbilder von Dyskalkulie oder Rechenschwäche sind nicht bei
jedem Betroffenem einheitlich. Auffälligkeiten des Einzelnen sind das nicht Lösen von Fingerrechnen, das Verwechseln von Rechenarten, das nicht Erkennen
von größeren Zahlenmengen usw. Kinder mit Dyskalkulie oder einer Rechenschwäche verrechnen sich sehr häufig und können oftmals zwischen einer Ziffer
(3) und einem Zahlwort (drei) nicht differenzieren (Landesverband Bayern 2010).
Die Symptome einer Dyskalkulie oder Rechenschwäche sind jedoch vielseitig.
37
Eltern sind in dieser Situation oft hilflos und fordern von ihrem Kind, dass es
mehr üben soll, sich mehr anstrengen und besser konzentrieren soll. Die Leistung
verbessert sich jedoch nicht oder nicht in dem erhofften Maße. Die Eltern und
Lehrer reagieren an diesem Brennpunkt dann oft falsch, in dem sie dem Kind
Vorwürfe wie <<du wirst einfach nicht besser>> machen. Und auch in der Schule
erfahren die Kinder dann von ihren Mitschülern Hänseleien. Durch die anhaltenden Misserfolge in jeder neuen Prüfungssituation stabilisiert sich im Kind die
Auffassung, dass es dumm sei (Born & Oehler 2009, S. 12).
Kinder und Jugendliche mit Rechenschwierigkeiten benutzen selten Rechenstrategien und gehen unstrukturiert an Aufgaben heran. Dieser Mangel an Wissensund Begriffssystemen führt dazu, dass mathematische Bedeutungen nicht aufgenommen und verstanden werden können.
Ihre metakognitiven Fähigkeiten sind wenig ausgeprägt, so dass sie keine Verknüpfungen zwischen verschiedenen Darstellungsformen herstellen können. Dies
bedeutet, dass sie beispielsweise weder Steuerung noch Kontrolle über ihre Handlungen haben (Koordination, Planung, Überwachung und Ergebnisüberprüfung,
noch aus einem Text keine Verbindung zu Bildern oder Symbolen herstellen können. Lernschwache Kinder verfügen generell über eine geringere Menge an strategischen Fertigkeiten.
Verschiedene kognitive Fähigkeiten sind von erheblicher Bedeutung um mathematische Fertigkeiten auszubilden.
Tabelle 1: Kognitive Fähigkeiten zum Aufbau von Rechenfertigkeiten
Fähigkeiten
Notwendig
Störungssymptomatik
für
Vorstellungsfä-
Den Aufbau
Zählendes Rechnen, kein Erkennen der Größenbeziehun-
higkeit
von Zahlen-
gen zwischen Zahlen, Umkehrung der Rechenoperationen,
vorstellung
Schwierigkeiten bei Textaufgaben.
und Rechenoperationen;
die Ausbil-
Typische Fehler: Kein Verorten von Zahlen am Zahlenstrahl möglich; Abstände zwischen Zahlen werden nicht
38
dung eines
erkannt; Verdopplungen und Halbierungen sind nicht
anschauungs-
möglich; kein Schätzen (und damit Korrektur) möglich
mäßigen Zah-
(liegt 3 x 255 näher an 7500, 75 oder 750?); keine Opera-
lenraumes
tionsfindung im Sinne von „Zahlensinn“ (3[] 6 = 9, 5 [] 4
= 20, 18[] 2 = 9, 15 [] 3 = 12).
Sprachrezeption
Verstehen der
Falsche Handlungsdurchführung, Probleme bei Textaufga-
komplexen
ben, („Jan hat 3 Murmeln, Silvie hat 5 Murmeln mehr.
Erklärungen
Wie viele hat sie?“ – „5, denn im Text steht sie hat 5, und
über räumli-
das ist mehr als 3“)
che und zeitliche Handlungsabläufe
Gedächtnis
Die (wenigen)
Trotz Übens keine Behaltensleistung beim Kleinen Ein-
zu memorisie-
spluseins, kleinen Einmaleins; schriftliche Rechenverfah-
renden Inhalte
ren sind im Ablauf fehlerhaft
bei sonstigem
Verstehen der
Zahl- und
Operationszusammenhänge
Rechts-Links
Die Schreib-
Zahleninversion (57-75), Operationsumkehr (+ statt -, x
Diskriminati-
richtung der
statt :), Kombination von beiden wie 45 + 3 = 24 (Oder 51,
onsfähigkeit
Zahlen (ent-
15, 57, 84); Umkehrung der Zeichenrichtung beim Nach-
gegen der
malen von Figuren; Orientierung am eigenen Körper und
Hörrichtung),
im Raum gelingt nur unzureichend
die Operationsrichtung
(Lorenz, 2004, S. 35ff; Ricken, 2007, S. 62).
Die Tabelle zeigt auf, welche kognitiven Fähigkeiten relevant für die mathematischen Rechenfertigkeiten sind. So ist beispielsweise die Vorstellungsfähigkeit
wichtig für die Wahrnehmung von Zahlenräumen und Zahlen als solches. Ist diese
Vorstellungsfähigkeit nicht ausgeprägt, zeigt sich die Störungssymptomatik darin,
39
dass Größenabstände zwischen Zahlen nicht erkannt werden. Dies wird daran
deutlich, dass Zahlen auf dem Zahlenstrahl nicht lokalisiert werden können. Mathematische Aufgaben können nicht durchgeführt werden, da die Zahlen mit ihren
Abständen keinen Sinn ergeben.
Weiterhin sind kognitive Fähigkeiten wie Sprachrezeption zum Verstehen der
Erklärungen oder Aufgabenstellungen notwendig, Gedächtnisfähigkeiten beim
Merken der Inhalte der Aufgaben, sowie Rechts-Links Diskriminationsfähigkeit,
also Zahlen nicht zu verdrehen, sind von großer Bedeutung (Lorenz, 2004, S.
35ff.).
4 Das komorbide Störungsbild der emotional-sozialen
Auffälligkeiten
„Unter Risikoverhalten lassen sich in sozialisationstheoretischer Perspektive alle
Verhaltensweisen zusammenfassen, bei denen mittel- und langfristig die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass sie zu Schwierigkeiten der sozialen Integration
oder zu Problemen bei der Weiterentwicklung einer stabilen und gesunden Persönlichkeit führen“ (Engel & Hurrelmann 1993, S. 9).
Verschiedene Verhaltenstypen werden beim Risikoverhalten kategorisiert. Dies
geschieht durch Unsicherheitsformen, welche die Arten der Schäden assoziieren.
Hierzu führt Raithel vier Risikoverhaltenstypen an: Gesundheitliches Risikoerhalten, delinquentes Risikoverhalten, finanzielles – und ökologisches Risikoverhalten.
Tabelle 2: Zusammenfassung der Risikoverhaltenstypen
Risikoverhaltenstypen
Unsicherheiten und/oder
Hauptsächliche Verhaltens-
mögliche Schäden
bereiche bzw. Handlungsfelder
Gesundheitliches Risi-
Lebensbedrohung, Unfall; Ver-
Ernährung, Straßenverkehr,
40
koverhalten
letzung, Krankheit, Tod.
Lärm, Sexualität, Gewalt,
Sport, Hygiene, Alkohol, Tabak, illegale Drogen, Suizid,
Mutproben.
Delinquentes Risiko-
Sanktion, Strafmaßnahme.
verhalten
Straßenverkehr, illegale Drogen, (sexuelle) Gewalt, Eigentumskriminalität, Mutproben.
Finanzielles Risikover-
Finanzielle Verpflichtung, Ver-
Warenkonsum, Glücksspiel,
halten
schuldung, Pfändung.
(illegale Drogen, Straßenverkehr, Sexualität, Gewalt- und
Eigentumskriminalität).
Ökologisches Risiko-
Verschmutzung, Zerstörung
verhalten
Straßenverkehr, Freizeitsport,
Müllentsorgung.
(Raithel 2001, S. 17).
Die Schädigungsform im gesundheitlichen Risikoverhalten ist in diesem Sinne
zum Beispiel Lebensbedrohung oder physische und/oder psychische Einbußen
durch Krankheit, Tod oder Verletzung. Die Schädigungsform bei delinquentem
Risikoverhalten ist eine Strafe und die daraus resultierenden Konsequenzen im
Rechtssystem. Finanzielles Risikoverhalten hat zum Beispiel Verschuldung oder
ähnliches als Folge und ökologisches Risikoverhalten kann Verschmutzung oder
Zerstörung auslösen. Wichtig zu beobachten ist, dass das Risikoverhalten multidimensional zu betrachten ist und somit ein Verhalten verschiedene Schäden auslösen kann (Raithel 2011, S. 27 f.).
Die Bedingungen und Kausalität von risikohaften Verhaltensweisen, sind häufig
ökonomische- sowie soziokulturelle Einflüsse in den Familien der Kinder und
Jugendlichen. Das Milieu und die familiären Verhältnisse spielen also eine gravierende Rolle. Auch die Aufnahme in Jugendgruppen kann den Entwicklungsprozess des Jugendlichen negativ beeinflussen (Bundesministerium des Inneren/
Bundesministerium der Justiz 2001, S. 46, 482 f., 602).
41
Gewalttätige Jugendliche implizieren emotionale Vernachlässigung und innerfamiliäre Gewalt-/Opfererfahrungen. Diese führen dazu, dass sie gewalttätiges Verhalten positiv bewerten. Gewalterfahrungen und emotionale Vernachlässigung in
der Kindheit sind hauptsächlich bei Jugendlichen anzutreffen, die gewalttätig
handeln. Auch wenn Gewalt- und Opfererfahrungen gemacht wurden, hat dies
einen gravierenden Einfluss auf die Gewaltbereitschaft von jungen Individuen
(Böttger 1998, S. 129).
Das Bundesministerium verweist hier auf die Studien von Lösel 1999. Im Modell
kumulierender Risikofaktoren wird deutlich, welche Bedingungen risikohaftes
Verhalten verstärken. Darunter zählen Misshandlung, elterliche Gewalt, familiäre
Disharmonie, Erziehungsdefizit und emotionale Vernachlässigung (Bundesministerium des Inneren/ Bundesministerium der Justiz 2001, S. 511; Lösel & Bender,
1999, S. 37,43).
Hieraus ergibt sich, dass die Familie als primäre Sozialisationsinstanz ergiebig
dazu beitragen kann, ob das Kind risikohafte, delinquente Handlungsmuster entwickelt. Bleibt emotionale Unterstützung aus, wird dem Kind die Möglichkeit
genommen, Probleme innerhalb der Familie abzuwehren und diese werden gegebenenfalls verstärkt. Auch bestrafender Erziehungsstil, Gewalttätigkeit und Wegstoßen der Eltern sind ein Verstärker von Risikofaktoren, die sich defizitär auf die
Entwicklung des Kindes/Jugendlichen auswirken können (Raithel 2011, S. 39).
Da ein Kind im familiären Kontext Werte und Handlungsmuster erlernt, sind somit unter anderem Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen angelernt
und beispielsweise nur als Mittel zum Zweck eine normierte Reaktionsweise. Dies
belegten schon Heitmeyer et al. 1995 (Heitmeyer et al., 1995, S.178-184).
Daraus ist zu schließen, dass wenn Handlungsweisen zuhause als normal gelten,
diese auch in andere Kontexte übertragen werden und somit von dem Ausführenden nicht verstanden werden können, wenn andere ihnen sagen, dass sie sich unangebracht verhalten.
Dementsprechend suchen sich Kinder und Jugendliche nach oder während Deprivationsprozessen oftmals einen Ausgleich durch risikohafte Verhaltensweisen wie
delinquentes, gewalttätiges oder konsumierendes Verhalten. Oftmals lässt sich die
Begründung auf Deprivation zurückführen. So gehört das Verhalten der Kauf42
sucht zu den kompensatorisch ausgelegten Verhaltensweisen. Hierbei bietet der
Akt des Kaufens eine Ausgleichsbefriedigung für die Frustration, die ein oder
mehrere ungelöste Konflikte ausgelöst haben (Scherhorn et al. 1992, S 4). Kaufsucht gehört zum internalen Verhalten, delinquentes Verhalten hingegen zu den
externalen. Lange (2000) kennzeichnet vier Hauptfaktoren als Ursachen risikohaften Verhaltens:
1) Selbstwertschwäche: Sie äußert sich in Schwierigkeiten beim selbständigen Treffen von Entscheidungen und die eigenen Fähig- und Fertigkeiten
einzuschätzen. Diese Selbstwertschwäche beinhaltet noch andere unvorteilhafte psychische Dispositionen. Dazu gehören wenig Selbstkontrolle
und Leistungsmotivation. Der Konsum ist dann eine Strategie, kontrollierend sich dem eigentlichen Problem zu entziehen.
2) Negatives Erziehungsverhalten: Dieses geht einher mit dem Selbstwertgefühl. Die Eltern sind nicht in der Lage ihrem Kind Anerkennung und emotionale Wärme im richtigen Maße entgegenzubringen.
3) Schulisches Leistungsniveau: Schulleistungen und deren Anforderungen
haben eine große Bedeutung. Je nach Bestehen, vermitteln sie Wertschätzung und das Bestehen in der Gesellschaft oder bei Negation Leistungsversagen. Schüler, die sich als Leistungsversager aufgrund ihrer Schulnoten fühlen, kompensieren dies durch Konsum und Kauf.
4) Position in der Gleichaltrigen Gruppe: Je nach Milieu der Peers, ist auch
das Konsumverhalten. Bei minderer sozialer Position ist die Tendenz um
so höher ausbleibende Anerkennung durch Konsum auszugleichen.
(Lange 2000, S. 2, 5-7).
Hieraus lässt sich die Frage formulieren, wie weit der Grad der Definition von
Deprivation zu fassen ist. Herrscht in einem dieser vier Faktoren ein Mangelzustand, wird risikohaftes Verhalten in verschiedenen Kontexten verstärkt. Diese
Faktoren könnten sich auch gegenseitig bedingen, z.B. dass bei negativem Erziehungsverhalten der Eltern ein anderes Merkmal, wie das schulische Lernniveau,
leidet.
43
Hurrelmann führt zur Verdeutlichung der Entwicklung der Persönlichkeit ein Beispiel an: Hierbei ist der Jugendliche selbst aktiv bei der Gestaltung seiner Umwelt. Er nimmt diese in sich auf und verarbeitet sie und von dem Individuum aufgrund seiner Selbst „beeinflusst, verändert und gestaltet wird“ (Hurrelmann 2002,
S.21).
Abbildung 2: Zusammenspiel von innerer und äußerer Realität (Hurrelmann
2002, S. 27).
Hieran wird deutlich, dass die Persönlichkeitsentwicklung durch die körperlichen,
psychischen und sozialen Bedingungen determiniert ist. Wichtig ist Hurrelmann
hierbei, dass diese Entwicklung davon abhängt, wie der Einzelne damit umgeht.
Die innere Realität beinhaltet also die Veranlagung, die Psyche und das Temperament und die äußere Realität ist durch die Umwelt, Familie usw. bedingt.
Die innere und äußere Realität nimmt Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung
und diese verändert sich in jeder Entwicklungsphase von Neuem. „Wie ein
Mensch mit den inneren Anlagen umgeht und in welcher Weise er sie auf die äußeren (Umwelt-) Bedingungen anzupassen versteht, entscheidet sich nach der
Kompetenz, die innere Realität realistisch einzuschätzen und ihr Potenzial für
eigene Handlungen und Entwicklungen auszuschöpfen (Hurrelmann 2002, S.
26f.).
44
Badura und Pfaff definieren das Stattfinden von Stress als „eine Diskrepanz oder
[…] Konflikt […] zwischen Lebensbedingungen, Zwängen und Erwartungen auf
der einen Seite und individuell gegebenen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Ressourcen auf der anderen – und dieses Mißverhältnis [sic!] vom einzelnen als sein
Wohlbefinden bedrohend oder beeinträchtigend erfahren wird“ (Badura & Pfaff
1989, S. 644).
Auch der gestiegene Druck bezüglich der gesellschaftlichen Anforderungen (Traditionen, sozio-ökonomische Ungleichheiten, Erschaffung des eigenen Werte- und
Normensystems etc.) stellen neue Belastungspotenziale dar. Mehr Eigenverantwortung und weniger festgelegte Sicherheiten und Unterstützungen erschweren
außerdem die subjektive Eingebundenheit in die Gesellschaft.
Dies impliziert in der modernen Sozialisation, dass der Schulleistungsanspruch
immer steigt und dass sich das Individuum zwischen Ausleseverfahren und Wettbewerben beweisen soll. Persönlichkeitsentwicklung und Peer-Interaktion bleiben dabei oftmals vernachlässigt und sind irritierend für den Jugendlichen, da die
Gesellschaft Leistung vor soziale Beziehungen stellt.
„Dem vielfach angestrebten hohen Bildungsniveau, mit dem Ziel, die bestmögliche Chance im gesellschaftlichen Positionskampf zu sichern, fehlt die Entsprechung in Form von gesicherten Arbeitsplätzen. Diese ambivalente Situation von
einerseits steigenden Bildungserwartungen und Bedeutungszunahme von Schullaufbahnen […], macht es nahezu unmöglich, die zukünftige Lebens- und Berufslaufbahn und damit die soziale Positionierung realistisch zu planen. Statusverunsicherungen sind die Folge und stehen den unbestrittenen Chancen eines ausgedehnten Bildungssystems gegenüber“ (Raithel 2011, S. 86ff.).
Vor allem familiäre Belastungen und durch die Sozialisationsprozesse entstehende
Belastungen, sind ein wichtiger Faktor für das Entstehen jugendlichen Risikoverhalten (Raithel 2011, S. 101).
Die moderne Gesellschaft drängt die Jugendlichen in eine verunsichernde und
irritierende Lage. Egoistisches Handeln scheint eher zu gesellschaftlicher Anerkennung zu führen. Individuen, die daran scheitern, müssen ihren Frust kompensieren und sich auf anderen Wegen Anerkennung suchen, um sich individuell und
45
wertgeschätzt fühlen zu können. Außerdem fallen Komponenten wie Hilfsbereitschaft und menschliche Gefühle von Zusammengehörigkeit weg und werden
durch Leistungsstigmata ersetzt.
Abschließend lässt sich feststellen, dass Deprivationsprozesse auschlaggebend
Verhaltensstörungen und Lernstörungen beeinflussen. Auch bei den beiden
Schwerpunkten der emotional-sozialen Entwicklung und des Lernens zeigt sich,
aufgrund der vorangegangenen Kapitel, dass sie als Komorbiditäten von Deprivationsprozessen auftreten. Die gesellschaftlichen Normen stellen somit für Betroffene Schwierigkeiten bezüglich der Anpassung und der eigenen Lebenswelt dar.
5 Prävention und Intervention bei Lernstörungen und
Deprivationsprozessen
5.1 Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei
Lernstörungen
In diesem Abschnitt werden zunächst einerseits Interventions- und Präventionsmaßnahmen von Lernstörungen erörtert, danach folgt derselbe Aufbau für Deprivationsprozesse. Abschließend sollen diese beiden Themenbereiche zusammenfließen und herausgefunden werden, wie präventiv und intervenierend bei beiden
Handlungsfeldern kombiniert gefördert werden kann. .
Eine effektive Möglichkeit zur Prävention bei Lernschwierigkeiten wäre Kinder
mit einem hohen Risikofaktor für Lernschwächen zu identifizieren und ihnen vor
Schuleintritt präventiv zu helfen. Hierbei ist wichtig, Kinder, die zu Problemen
phonologischen Bewusstseins neigen, zu identifizieren und zu klären, wie die
Literalität in der Familie ausgeprägt ist. Auch wenn eine Förderung bereits vor
dem Schuleintritt stattfindet, sollten risikobehaftete Kinder auch danach weiter
gefördert werden, damit eine LRS optimal vermieden werden kann (GasteigerKlicpera & Klicpera, 2007, S. 97f.).
46
Um Lernfortschritte zu fördern ist operante Verstärkung eine gute Methode. Jeder
kleine Erfolg sollte mit positiven Konsequenzen einhergehen. Mit der Zeit können
die externen Verstärker durch interne Verstärker des Kindes ausgewechselt werden.
Weiterhin ist wichtig, dass den Kindern Lernstrategien systematisch vermittelt
werden. Dies bedeutet, die Lehrperson muss dem Kind zeigen, wie die zu bearbeitende Aufgabe Schritt für Schritt durch Lern- und Denkstrategien zu lösen ist.
Indem die Lehrperson als Modell fungiert und systematische Hilfe und Erklärung
anbietet, kann richtiges, effektives Lernverhalten bei dem Kind erzielt werden.
Bedeutsam ist auch das Selbstkonzept des Kindes (durch ständiges Scheitern an
den schulischen Anforderungen, misserfolgsorientiert). Diese Tatsachen legen
nahe, dass die persönlichen Dispositionen des Kindes und sein Selbstkonzept analysiert, trainiert und gestärkt werden müssen.
Dazu dient ein systematisches Nachlernen der versäumten Inhalte. Hierzu muss
motivationsbedingt das Schwierigkeitsniveau auf den bisherigen Lernstand des
Kindes angeglichen werden, um dann positive Entwicklungen hervorzubringen.
„Voraussetzung dafür bildet ein therapeutisches Vorgehen, das in hohem Maße
strukturiert ist. Dazu gehört, dass der Lernende (überhaupt) zu Reaktionen veranlasst wird, dass korrekte Reaktionen sofort belohnt werden, falsche Reaktionen
hingegen bereits im Ansatz verhindert und korrigiert werden“ (Lauth et al. 2004,
S. 18ff.).
„Entscheidend für absichtsvolles Lernen ist daher, dass ein Inhalt mehrmals gleiche, regelhafte Erregungsmuster hervorruft. Erst dadurch eröffnet sich die Chance, dass die notwendigen Synapsenverbindungen hergestellt werden“ (Lauth et al.
2004, S. 15f.).
Die Intervention muss gegebenenfalls eine Kooperation zwischen Schule und
Elternhaus bieten. Um Eltern, die ihre Kinder nicht unterstützen können, Hilfestellungen zu geben, kann eine systematische Anleitung zur Förderung ihrer Kinder Zuhause hilfreich sein (Lauth et al. 2004, S. 22).
47
Bei einer Intervention im Bereich Lernen ist das primäre Ziel die Verbesserung
der Schulleistungen. Hierzu müssen die dafür notwendigen Kompetenzen erworben beziehungsweise nachgeholt werden.
„Die Ziele der Intervention konzentrieren sich auf drei Bereiche:
•
Vermittlung von Lernstrategien (z.B. Leseverständnis und Aufsatzschreiben) und Arbeitstechniken (z.B. Zeiteinteilung), die der Schüler unzureichend beherrscht […];
•
Anregung metakognitiver Aktivität (Selbstkontrolle des Lernverhaltens
[…])
und
Aufbau
leistungsförderlicher
Ursachenerklärungen
(Attributionstraining […]);
•
Steigerung der Lernmotivation (Lern- und Übungszeit) und Förderung
selbstregulierten Lernens (Formulierung eigener Lernziele, Selbstbeobachtung und Selbstverstärkung […])“.
(Glaser & Brunstein, 2004, S. 28f.).
Je nach Auswirkung und Ausmaß der Beeinträchtigung sind verschiedene Interventionen vorzunehmen. Dies verbindet kognitive Fähigkeiten, Lernstrategien,
aber auch die motivationalen Förderungen. Dazu wird das Kind gefördert seine
Fähigkeiten emotional zu erleben und Vermeidungsverhalten abzubauen. Bei
Entwicklungsretardierungen wird die Intervention eher als präventives Anliegen
betrachtet. Da für das schulische Leistungsniveau kognitive Basisfertigkeiten unabdingbar sind, zielt die Intervention auf die Förderung der Informationsverarbeitung und auf die Förderung der Handlungsregulation ab.
Die Fähigkeit der Informationsverarbeitung wird dem Kind versucht zu vermitteln, damit dieses lernen kann Informationen „aus der Umwelt aufzunehmen, zu
sortieren und mit seinem Vorwissen so zu verknüpfen, dass es aus den Einzeldaten brauchbare Schlüsse ziehen kann“ (Lorenz, 2004, S.41, 83). Hierbei werden
die einzelnen Schritte der Aufgabenlösung, wie in Kapitel 4.2 erwähnt, Schritt für
Schritt erläutert. Ob ein Kind diese Strategien bereits beherrscht ist irrelevant, da
bei Wiederholung kein Nachteil gezogen wird. So werden bei der Planungsphase
48
Fragen wie <Was ist meine Aufgabe? Kann ich meine Aufgabe gliedern? Kenne
ich Strategien oder muss ich einen neuen Weg zur Bewältigung suchen? Habe ich
Vorwissen zu der Aufgabe? Wo und wie beginne ich?>. Bei der Überwachung
werden die Planungsresultate beobachtet, zum Beispiel wie das Vorwissen eingesetzt wird etc. Dabei sollte die Kontrolle mit der Überwachung einhergehen. Metakognition umfasst also das Selbstreflexionsvermögen des Schülers während des
Arbeitsprozesses.
Nicht außer Acht zu lassen ist, dass die metakognitiven Fähigkeiten auch mit den
Selbstüberzeugungen der Kinder bezüglich ihrer Selbstwirksamkeit zusammenhängen (Rolus-Borgward, 2002, S. 100f.; Schröder, 2007, S. 176).
Die Förderung der Handlungsregulation umfasst die metakognitiven Prozesse
(Selbstüberprüfung, Selbstermahnung, Selbstreflexion) und das schrittweise Herangehen an eine Aufgabe. Die Metakognition umfasst also das Können über die
eigenen Fähigkeiten bezüglich Aufgabenlösens, Aufgabenschwierigkeiten und
über Zeiteinteilung Bescheid zu wissen. Wenn die inneren Sprachkompetenzen,
wie bei Lernstörungen typisch, nicht sehr gut ausgeprägt sind, sind die Nutzung
von metakognitiven Prozessen beeinträchtigt. Die Kinder wissen nichts über ihre
Kognition und können sie dann nicht bewusst steuern. Die exekutiven Prozesse
beschreiben die Regulation und Kontrolle der Kognition. Bei interventiven Maßnahmen sollte demnach ein metakognitives Training durchgeführt werden, dass
den Kindern verbal die einzelnen Schritte der Aufgabenlösung im exekutiven
Bereich vermittelt. Hierzu zählen Planung, Überwachung während der Ausführung und die Kontrolle nach Beendigung der Aufgabe (Schröder, 2007, S. 175f.).
Um interventiv bei Lernschwierigkeiten Fortschritte zu erzielen sind mehrere Fertigkeiten bei dem Kind zu trainieren. Hierzu gehört zunächst die Übernahme von
Selbstverantwortung, indem mit dem Schüler besprochen wird, in welchem Bereich seine Defizite liegen und wie das Kind selber damit glaubt am besten umgehen zu können.
Da häufig die relevanten Lernstrategien fehlen, werden diese, je nach vorhandenen Defiziten, nachgeholt; durch Modelllernen, Selbstinstruktionstraining und das
Beibringen, wie man „Schritt für Schritt“ an eine Aufgabe herantritt. Jedoch sind
nicht nur die Lernstrategien wesentlich für den Lernerfolg, sondern auch die
Selbststeuerung. Das heißt, dem Kind wird beigebracht, sich selber zu überwa49
chen und zu überprüfen, es wird ihm gezeigt, wie übereiltes Vorgehen verhindert
und eine Struktur in den gesamten Lernprozess erlangt werden kann.
Durch Steigerung des Selbstvertrauens des Schülers, mithilfe von Methoden operanter Konditionierung und regelmäßiger positiver Feedbacks bei jedem Lernerfolg, wird die Motivation des Schülers gesteigert. An dieser Stelle ist von besonderer Bedeutung, dass Schule und Eltern angemessen kooperieren. Auch beim
Verfallen des Schülers in alte Lernschemata sollten die Lehrer und Eltern keinesfalls negative Kritik üben, da dies auch negative Emotionen gegenüber Lernen bei
dem Kind mit sich bringen würde (Glaser & Brunstein, 2004, S. 29-32).
5.2 Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei
Deprivationsprozessen
Anders als vorherige Wissenschaftler annahmen, zeigten Studien in den 60er Jahren von präventiven und therapeutischen Maßnahmen Erfolge in der Deprivationsforschung. Z.B. von Flint 1966 (Langmeier & Matě jč ek 1977, S. 6).
Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung von Deprivationserlebnissen können
durchgeführt werden, indem das Urvertrauen des Kindes schon direkt nach der
Geburt gefördert wird. Dies geschieht, indem beim so genannten Rooming die
Eltern nachts bei ihren Babies sein dürfen und somit der Hautkontakt (Bonding)
gestattet wird (Keefe, 1988).
Bei Kindern, die deprivierende Erlebnisse mit in den Unterricht bringen, kann die
Lehrkraft ihnen Halt im Sinne des Containings bieten, das heißt, in dem sie in der
Lage ist, die Gefühle der Kinder aufzunehmen und zu demonstrieren, dass diese
angebracht und ernst zunehmen sind. Bei dieser „Behälterfunktion“ nimmt die
Bezugsperson Gefühle, die für das Kind vielleicht überwältigend und unlogisch
erscheinen, in sich auf. Durch angemessene Reaktionen der Bezugsperson lernt
das Kind dann seine Gefühle wahrzunehmen und die Sinnhaftigkeit darin zu erkennen.
50
„Das geschieht zum Beispiel, wenn ein Kind von unerträglicher Angst überflutet
wird, die es nicht einordnen kann, und anfängt zu schreien. Die Mutter nimmt es
in ihrem Arm und hält es sicher, weil sie seine Angst wahrnimmt. Das Kind erlebt
dabei auch, dass es der Mutter möglich ist, das ihn selbst unerträglich erscheinende Gefühl auszuhalten, mit diesem Schrecklichen umzugehen, ohne in Panik zu
verfallen oder von der Angst überwältigt zu werden. Es kann sich dann mit dieser
Haltung identifizieren und die so gemilderte Angst wieder zu sich nehmen und als
eigene wahrnehmen“ (Auchter & Viviana 2003, S. 51f.).
Schafft es die Lehrperson den Kindern einen Halt im Sinne des Contaiments zu
bieten, gelingt den Kindern die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen ihrem Verhalten und ihren Gefühlen. Wichtig ist auch, dass Lehrer methodisch dazu
in der Lage sind, ihren Schülern den Unterricht mitgestalten zu lassen (Salmon &
Dover 2011, S. 165).
Im schulischen Kontext ist auch die Biographieforschung eine sinnvolle Methode,
voreilige Stigmatisierungen zu vermeiden und die Kinder als ganze Individuen zu
betrachten (Nölke 1997, S. 190).
Wie in Kapitel 4 verdeutlicht wurde, sind Verhaltensauffälligkeiten, durch eine
nicht gelungene Organisation des biographischen Lebensweges, lediglich Verhaltensweisen, die dem gesellschaftlichen Anspruch missfallen. Scheitern Individuen
an ihrem biographischen Weg, sind Pädagogen und Therapeuten dafür zuständig,
eine Handlungsmodifikationen zur Erweiterung von Handlungsspielräumen zu
schaffen (Alheit 1995, S. 277; Buchinger & Klinkhammer 2007, S.159).
6 Overlap von Deprivationsprozessen und Lernstörungen
Da Lernstörungen oftmals ursächlich durch psychische Deprivationsprozesse sind,
sind Hilfeangebote, die sich ausschließlich auf das Leistungsniveau konzentrieren,
nicht ausreichend. In diesem Sinne spricht Winnicott den Begriff des Haltens an
(holding), der sich auf die psychische und physische Ebene in der frühen Kindheit
bezieht. Das Gehaltenwerden von der Bezugsperson oder Familie begünstigt die
Selbstsicherheit und Stabilität in der Umwelt (Winnicott 1984, S. 56). Wenn die
51
Ursachen als psychische Ursachen in diesem Sinne definiert worden sind, kann in
der Intervention dementsprechend eingegangen werden und dem Kind auch innere
Sicherheit und Selbstvertrauen vermittelt werden.
Bezüglich Interventionen bei Deprivationsprozessen im schulischen Bezugsrahmen sind literaturbedingt hauptsächlich Möglichkeiten im psychologischtherapeutischen Setting zu finden. Dies ist anhand der bisherigen Arbeit deutlich
geworden.
Die pädagogische Psychotherapie leitet sich aus psychoanalytischen Konzepten
ab. Diese Konzepte sollen zunächst unbewusste Prozesse identifizieren, die zu
dem Schulleistungsverhalten beitragen. Dadurch werden Ursachen der Lernstörungen recherchiert und Schlussfolgerungen der Bindungsrepräsentation, die die
Lehrkraft auf den Schüler abgeleitet hat, hergeleitet. Außerdem ist die Begutachtung des emotionalen Entwicklungsstandes von erheblicher Bedeutung.
Die Lehrperson sollte immer darauf achten zu erkennen, wie sich die Kinder selber repräsentieren. So versucht ein Schüler, der ständig ausagiert und albern ist,
möglicherweise von einem Lerndefizit abzulenken, indem er andere zum Lachen
bringt (Salmon & Dover 2011, S. 56, 61ff.).
Für eine Intervention bei Deprivationsprozessen und bei Lernstörungen empfehlen
sich daher z.B. für die Schule Ansätze aus pädagogisch-therapeutischen Ansätzen.
Um dabei angemessen intervenieren zu können, sollte der Lehrer sich zunächst
auch über die Vergangenheit des Kindes informieren. Somit können Hypothesen
darüber zugelassen werden, die dazu beigetragen haben, was die Lernfähigkeit
beeinträchtigt. Bevor interveniert werden kann, ist ein Diagnostikverfahren erforderlich. Zunächst sollten die schulischen Lernprobleme genau definiert, ein angemessenes Lernniveau festgelegt und die emotionalen Hintergründe der Probleme lokalisiert werden. Danach können Hypothesen gebildet werden, wie die Probleme entstanden sind und was zu ihrer Stabilität beiträgt. Daher werden die
Grundfertigkeiten im Rechnen, Lesen und Schreiben sowie die sprachlichen Fähigkeiten (Ausdruck und Verständnis) überprüft. Zusätzlich werden die Leistungen überprüft, die das Kind inklusive Hilfestellungen absolvieren kann (Salmon &
Dover, 2011, S. 56).
52
Zunehmend wird in der Institution Schule bemerkt, dass unsichere Kinder mehr
Zeit brauchen, um Beziehungen zu den Lehrkräften aufbauen zu können. Die
Kinder ziehen daher einen Vorteil daraus, dass sie ihren Klassenlehrer über mehrere Jahre betreut. Eine kontinuierliche Vertrauensperson, die unmittelbar zur
Verfügung steht, ist demnach notwendig.
Vor allem bei Kindern mit einer negativen Bindungsrepräsentation sollte diesen
eine sichere Bezugsperson durch den Lehrer geboten werden. Dies kann rehabilitierend bei Deprivationserlebnissen sein. Dadurch wird dem Schüler vermittelt,
Beziehungen als stabil und angstfrei zu empfinden und emotionale Kontinuität zu
erfahren (Butcher et al. 2009, S. 116; Hillenbrand 2011, S. 140; Salmon & Dover
2011, S. 137, 139).
Bringen Schüler aufgrund ihrer Erfahrungen negative Bindungsformen in den
Unterricht, ist eine verbale Spiegelung hilfreich. Je nach Bindungsmodell werden
erlebte Situationen mit bindungsrelevanten Personen auf die Lehrer übertragen
(psychoanalytisch). Lehrer können dies aufnehmen und im Sinne Rogers spiegeln
(humanistisch). Auch die Authentizität und das Einfühlungsvermögen des Lehrers
sind von besonderer Bedeutung (Kreuziger, 2000; Meir, 2012; Rheinberger, 2009;
Stein & Stein, 2006, S. 144f.). Wichtig zu beachten ist, dass Interventionen sich
nicht gegen die Persönlichkeit des Individuums richten dürfen, sondern ausschließlich gegen das Verhalten. Die Spiegelung der Gefühle von den Schülern
durch den Lehrer dient als angemessene Kommunikation und ist ein effektives
Hilfeangebot für diejenigen, die schon eine lange Zeit Lernschwierigkeiten haben.
Die unterrichtlichen Zielsetzungen dürfen genannt werden. Auch die Hoffnung
auf deren Erfüllung können durch die Lehrperson geäußert werden (Hillenbrand,
2011, S. 140).
Für die Lehrperson ist von besonderer Bedeutung, auf die Kinder einzugehen und
deren Perspektiven zu berücksichtigen, wie sie mit ihren Lernproblemen umgehen. Hierdurch wird die Basis zu positiven Lernerfahrungen gelegt.
Da das Gehirn sich durch Erfahrungen verändern kann und vor allem das Gehirn
von Kindern noch sehr formbar ist, helfen positive Erfahrungen in der Schule im
pädagogisch-therapeutischen Sinn.
53
Wie bei der pädagogisch-therapeutischen Intervention ist das Erstgespräch auf
den schulischen Kontext übertragbar. Hier dient dieses dazu
-
die Familienhistorie, Verlust- und Trennungserfahrungen aufzunehmen
und den Migrationshintergrund zu klären.
-
Schwierigkeiten des Kindes mit innerfamiliären Interaktionsmustern aufzuführen
-
und die Familie gegebenenfalls zu motivieren, Veränderungen vorzunehmen
(Hillenbrand 2011, S. 140; Salmon & Dover 2011, S. 59, 67, 70, 79).
Desweiteren sollte für eine hilfreiche Intervention ein klares Bild über den Aneignungsprozess der Schriftsprache und der numerischen Fertigkeiten bei der Lehrperson vorhanden sein. Dies ist notwendig um die notwendigen und fehlenden
Fertigkeiten dem Kind zu vermitteln. Eine Orientierung am Individuum ist hierbei
unerlässlich (Gasteiger Klicpera & Klicpera, 2007, S. 95; Salmon & Dover 2011,
S. 49). Selbstverständlich sollte bei der ersten Begegnung das Kind zuerst beobachtet werden und Notizen aufgeschrieben werden, bevor man zu einer Konklusion kommt.
Wie in Kapitel 3 erwähnt, werden Lernschwierigkeiten durch Deprivationsprozesse, als Lernschwierigkeiten bei Entwicklungsretardierungen definiert. Salmon &
Dover bezeichnen diese Lernstörung jedoch als emotional-soziale Lernschwierigkeiten. So kann das Nachholen von emotional relevanten Beziehungen sich positiv auf die Lernerfahrungen auswirken.
„Allgemein scheint der Ansatz der Pädagogischen Psychotherapie besonders geeignet zu sein für Kinder, die
•
unterdurchschnittliche Schulleitungen zeigen, die auf emotionale Hintergründe zurückzuführen sind;
•
abwehrend und zerbrechlich sind und gut auf Strukturen ansprechen;
•
einen indirekten Ansatz bevorzugen, um persönliche Themen zu bearbeiten;
54
•
einer Regulierung der Nähe [zum Lehrer] bedürfen;
•
Familiengeheimnisse oder >>unaussprechliche<< Gedanken mit sich herumtragen;
•
sich mit einer Aufgabe oder Aktivität beschäftigen können;
•
an ihre Bezugsperson >>ängstlich gebunden<< sind“
(Salmon & Dover 2011, S. 56).
Da die Synapsenverschaltungen im Kindesalter deutlich höher sind, als im Jugendalter und ungebrauchte Synapsenverbindungen mit zunehmendem Alter sich
nicht entwickeln, ist eine Intervention im späteren Kindesalter schwieriger zu
vollziehen als im frühen (Castello et al., 2004, S. 83f.) Die Synapsenverbindungen
fallen also bei Nichtnutzung weg und nur die schließen sich zusammen, die genutzt werden. Dadurch erklärt sich warum Traumata die Gehirnstruktur verändern
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass eine Förderung mehr Möglichkeiten für das
Kind eröffnet, wenn diese früh einsetzt. Hauptkriterium ist die Kontinuität. Bei
Deprivationsprozessen ist die Beziehungsebene sehr bedeutsam, da je nach Bindungsqualität sich auch hierbei die Synapsen verschalten. Dies gilt ebenso im Bereich des Lernens. Bei häufiger Benutzung verbinden sich die Synapsen. Folglich
sind kontinuierliche, stabile Beziehungen in der Schule und regelmäßige Wiederholung der Lernstrategien förderlich für die Weiterentwicklung des Kindes.
Mangelnde Informations-
Deprivation
Lernstörungen
verarbeitung
Abbildung 3: Mögliches Ursachenmodell von Lernstörungen
Wenn ein Kind von negativen Lernerlebnissen in der Schule geprägt ist und einen
Großteil seines Alltags in dieser Institution verbringt, können weitere Folgen von
Lernstörungen wieder als deprivierende Erlebnisse betrachtet werden und in einem infinitem Regress enden:
55
Mangelnde Informations-
Deprivation
verarbeitung
Lernstörungen
Abbildung 4: Erweiterung des möglichen Ursachenmodells von Lernstörungen..
Die Grafik 4 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen Deprivation und Lernstörungen. Die beiden Kategorien müssen nicht immer zwangsläufig getrennt betrachtet werden, sondern lassen sich auch in Zusammenhang bringen. Zu den Ursachen bei Lernstörungen wurde mangelnde Informationsverarbeitung als Ursache
angegeben (Kapitel 3.3.1). Jedoch können deprivierende Erlebnisse die Informationsverarbeitung beeinträchtigen (Kapitel 2.2.2).
Demzufolge sind Interventionen in der Schule im Bereich der Deprivation und
Lernstörungen soweit zusammenzuführen und müssen nicht zwangsläufig getrennt betrachtet werden. Einerseits liegt dies daran, dass Lernstörungen als Folge
von Deprivation entstehen, andererseits müssen im schulischen Kontext Maßnahmen für eine heterogene Gruppe so angepasst werden, dass der einzelne berücksichtigt wird, die ganze Gruppe aber nicht dabei verloren geht.
In Kapitel 3.1 wurden Deprivationsprozesse als Ursache für Lernstörungen bei
Entwicklungsretardierungen klassifiziert. Jedoch kann Deprivation zunächst Entwicklungsverzögerungen verursachen, und diese können wiederum zu weiteren
negativen Folgeketten führen.
Lernstörungen bei Deprivation sind desweiteren in allen Klassifikationsbereichen
anzutreffen, also auch LRS, Dyskalkulie etc. können bedingt durch traumatische
Erlebnisse entstehen.
56
Aus dieser Kausalitätskette lässt sich eine weitere Schlussfolgerung darstellen:
Deprivation
Entwicklungsverzögerungen
Lernstörungen
Abbildung 5: Erweiterung des möglichen Ursachenmodells von Lernstörungen 2
Die Grafik Abbildung 4 lässt sich auf viele Auswirkungen von Deprivation übertagen. Auch Entwicklungsverzögerungen können durch Deprivation bedingt sein.
Demzufolge können Intervention in der Schule auf mehrere Bereiche angeglichen
werden.
Beispielsweise bedingen Entwicklungsverzögerungen (entstanden durch Deprivation, Kapitel 2.2.2) unter anderem die metakognitiven Kompetenzen. So führt eine
Reizarmut in der Kindheit dazu, dass sich viele kognitive Kompetenzen nicht ausbilden können
Für Lehrkräfte empfiehlt sich zur Selbstreflexion der Fragebogen zur Reflexion
von Unterricht und Schule aus systemisch-konstruktivistischer Sicht von Voß &
Schemmann (2006) (siehe Anhang 1). Reflexion ist eins der Kernkriterien bei
dem Umgang und der Arbeit mit Menschen. In diesem Fragebogen können Lehrer
über ihr eigenes Selbstbild im biographischen Sinne reflektieren. Weiterhin stehen
der eigene Unterricht und deren Gestaltung im methodisch-didaktischen Kontext,
Beziehungsgestaltung mit den Schülern und deren Partizipation am Unterrichtsgeschehen etc. (Voß & Schemmann, 2006, S. 103-112).
Um in der Schule so unterrichten zu können, dass auf jedes Störungsbild Rücksicht genommen werden kann, sind einige wichtige Basisfertigkeiten relevant.
Neben dem Training von metakognitiven Fertigkeiten ist bei jedem Kind methodisches Vorgehen im Sinne der operanten Konditionierung hilfreich. Einerseits,
um während des Arbeitsprozesses durch Konsequenzen Lernstrategien zu vermit57
teln, andererseits um Lernerfahrungen mit etwas Positiven in Verbindung bringen
zu können (Lauth et al. 2004, S. 18f.).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kooperation mit den Bezugspersonen. Falls
ein Kind sich unangemessen entwickelt, sollten die Erziehungskompetenzen und
Einstellungen der Erziehungsberechtigten zu Gunsten des Kindes modifiziert
werden. Um also präventiv Entwicklungsretardierungen zu vermeiden, sollten
soziale Institutionen wie Kindergarten Schule, Tagesstätten auf das Verhalten der
Kinder und dem Umgang der Eltern mit ihnen achten.
Da Deprivationserlebnisse sehr häufig Auswirkungen auf die Bindungsqualität
haben und auch Lernstörungen verursachen können, scheint ein pädagogisches
Setting, das von Stabilität, Kontinuität der Bezugsperson geprägt ist, sinnvoll.
Auch bei Schülern mit Lernschwierigkeiten und optimaler Bindungsqualität ist
eine gelungene Beziehungsebene zum Lehrer sinnvoll, da dadurch folglich die
Vermittlungsbasis stimmig ist.
Folgend wird in diesem Kapitel Bezug auf methodisch-didaktische Handlungsmöglichkeiten genommen:
Jede Lerngruppe weißt eine Heterogenität auf. Daher ist unerlässlich auf jedes
Individuum einzugehen. So sind für unsicher-vermeidend gebundene Kinder von
Vorteil, wenn diese gestellte Aufgaben selbständig bearbeiten können und dabei
nicht auf die Hilfe des Lehrers angewiesen sind.
Ambivalente (resistente) Kinder sind im Gegensatz dazu jedoch besonders auf die
Sicherheit seitens der Lehrperson angewiesen. Für sie ist es von Vorteil, wenn die
Lehrkraft jederzeit verfügbar ist. Dadurch stellt sie eine Sicherheit dar und dient
so als Beruhigung. Kurzaufgaben und kontinuierlicher Kontakt zur Lehrperson
sind dabei angemessen. Kinder mit einem desorganisierten Bindungsmuster brauchen ein hoch strukturiertes, von Ritualen geprägtes und damit vorhersehbares
schulisches Lernumfeld (Salmon & Dover, 2011, S. 64f.).
Metaphern und geschriebene Texte dienen als Verarbeitungs- und Ausdrucksmittel erlebter Erfahrungen. Projektive Materialien dienen dazu, Einsicht über die
Weltsicht des Kindes zu bekommen. Für Kinder mit hohem Kontrollbedürfnis
58
sind Aufgaben erstrebenswert, die eine eigene Entscheidung erfordern, indem
beispielsweise zwischen einer A und einer B Aufgabe gewählt werden kann.
Somit sollte in jeder Lerneinheit auf die Bedürfnisse der Gruppe, aber auch auf
die jedes Einzelnen Rücksicht genommen werden. Hierzu sind differenzierte Aufgabenverteilungen hilfreich. Bei Kindern, die ihre eigenen Empfindungen nicht
wahrnehmen können, jedoch feinfühlig die von anderen Menschen erkennen,
können von Methoden im Unterricht profitieren, die gemeinsam diskutiert werden
(Rheinberger, 2009; Salmon & Dover, 2011, S. 65., 70, 152f.).
Wenn Kinder unter deprivierenden psychosozialen Lebensumständen leiden und
Schwierigkeiten in der Schule haben, ist wichtig, dass die Lehrperson das Kind
versucht zu verstehen. Dies erleichtert die Rehabilitation.
Diese sollten in der Gruppe aufgearbeitet und besprochen werden um daraufhin
als nächsten Schritt das Selbstkonzept der Schüler zu stärken. Mögliche Methoden
hierzu sind unter anderem das Rollenspiel aber auch Gespräche. In psychoanalytischer Weise können die negativen Erlebnisse dann aufgearbeitet werden. Konfliktorientierte Geschichten, etwa selbsterfundene Fabeln, dienen als zweckmäßige Methode. Wenn die Schüler Vertrauen aufgebaut haben, bringen sie ggf. ihre
eigenen belastenden biographischen Erlebnisse mit in den Unterricht. An dieser
Stelle sollte im therapeutischen Sinne eine Spiegelung durch die Lehrkraft unternommen werden. Hierbei kann die Lehrperson versuchen, eine Distanzierung und
Bearbeitung der Probleme für die Kinder zu schaffen (Geisler 2010; Hillenbrand
2011, S. 141f.).
Der systemisch-konstruktivistische Ansatz geht davon aus, dass Lernen als selbstgesteuerter, aktiver und strukturabhängiger Prozess stattfindet und von dem psychischen System des Lernenden abhängt. Um angemessen fördern zu können,
müssen vorhandene Handlungs- und Problemlösestrategien beobachtet werden.
Dieses diagnostische Vorgehen versucht Motivation, Selbstkonzept und Lernstrategien
des
Individuums
zu
analysieren.
Auch
aus
einer
systemisch-
konstruktivistischen Perspektive wird zunächst die Lebenswelt des Kindes mit
seinen subjektiven Erfahrungsbereichen in den Mittelpunkt gerückt. Somit sind
auch Lernstörungen Folgen einer negativen Kopplung zwischen psychischem System und dem sozialen Schulsystem. Eine Intervention kann demnach nur an dem
59
unmittelbar vorhandenen System des Schülers ansetzen (Balgo, 2006, S. 113f).
Die personenzentrierten Gesprächstherapie von Rogers (1982, humanistische
Psychologie) hat ihren Einsatz bereits auch in der Pädagogik als schülerzentrierten Unterricht bekommen (Schmider, 2009; Stein & Stein, 2006, S. 144-148).
Das Handeln im Unterrichtsgeschehen sollte seinen Fokus demnach auf die Beziehungsgestaltung von Schüler und Lehrer, zur Bewältigung von Konfliktverarbeitungen, zur Ich-Stützung und zur Stärkung des Selbstkonzepts legen. Stigmatisierungen sollten vermieden und ihnen entgegengewirkt werden. Ein Unterrichtskonzept im humanpsychologischen Sinne der personenzentrierten Psychotherapie
bzw. im pädagogischen Sinne des schülerzentrierten Unterrichts nach Rogers umfasst viele der vorangegangen Kompetenzvoraussetzungen. Jedoch ist ein pädagogisch-therapeutisches Handlungsniveau der Lehrkraft von großer Bedeutung und
stellt eine große Gefahr dar, wenn diese nicht ausreichend ausgeprägt ist (Hillenbrand, 2011, S. 138; Stein & Stein, 2006, S. 144-150).
Desweiteren von Vorteil um differenzierten Unterricht angemessen durchführen
und individuell gestalten zu können, sind Zwei-Pädagogen-Systeme. In Förderschulen für emotional-sozial beeinträchtigte Kinder ist dieses System durchaus
schon vorhanden. Auch pädagogisch-therapeutische-Einzelförderung findet dort
statt, die auch auf biographische Hintergründe Rücksicht nimmt und sich vor allem die Zeit dazu nimmt, sie zu erarbeiten (Stein & Stein, 2006, S. 61).
Um in einer heterogenen Gruppe differenziert arbeiten zu können, sollte zunächst
geklärt werden, was im curricularen Rahmen ist und welche Aktionsformen (Metaphern, projektive Materialien etc.) und Sozialformen sich hierzu eignen. Da eine
Gruppe immer heterogen ist, sollten die Bedürfnisse des Einzelnen im Mittelpunkt
stehen. Dies beinhaltet, eine Beziehung zu dem Kind aufzubauen, ihm Halt zu
bieten und im Sinne des Containments gegebenenfalls Verhaltensweisen und
emotionale Ausbrüche zu modifizieren. Ein schülerzentrierter Unterricht (pädagogisch-therapeutisch) nach Rogers ist damit naheliegend.
Auf der didaktischen Ebene sollte nochmals betont werden, dass per operanter
Konditionierung Erfolg verstärkt wird. Dies steigert die Motivation und damit die
Lernerfolge (behavioristisch). Auf kognitivistischer Basis können die Schüler
dabei Problemlöseverfahren erlernen und metakognitive Fähigkeiten ausbilden.
60
Dadurch werden die Möglichkeiten eröffnet selbständig (konstruktivistisch) zu
lernen.
7 Fazit
Im Verlaufe der Arbeit werden die beiden Themenbereiche Lernstörungen und
Deprivation getrennt und nahezu abstrakt voneinander, erörtert. Während des Arbeitsprozesses konnte jedoch schnell festgestellt werden, dass diese beiden Störungen nicht so weit auseinander liegen. Im Gegenteil: Deprivationsprozesse sind
ganz oft ursächlich für Lernstörungen bzw. Lernstörungen können vorhandene
Deprivationsprozesse noch verstärken.
Hervorheben lässt sich für den schulischen Rahmen, dass Differenzierungen im
Unterricht für Schüler und Lehrer gleichermaßen hilfreich sind. Hierdurch akzeptieren Lehrer die Heterogenität ihrer Schüler und können somit angemessenen
Unterricht gestalten. Um anhaltende Schulprobleme zu rehabilitieren, sollten, wie
in Kapitel 3.2.1 angedeutet, die psychosozialen Aspekte der Lernbiographie berücksichtigt werden, damit Erfahrungen in positiver Lernleistung ermöglicht werden können. Jedes Kind bringt andere Erfahrungen und Erscheinungsformen mit
in den Unterricht und somit auch differenzierte Bedürfnisgrundlagen. Einige sind
hyperaktiv, andere wiederum zurückgezogen, dennoch versuchen sie die Kontrolle zu bewahren, da sie Angst davor haben, dem Erwachsenen Vertrauen entgegen
zu bringen. Jedes Kind sollte bezüglich der Lehrperson und des schulischen Settings Sicherheit empfinden. Dies lässt sich durch eigene Materialien und Rückzugsorte innerhalb des Klassenraums verstärken. Der Lehrer hilft, wenn er sich
mit dafür verantwortlich fühlt, dass jedes Kind gute, eigene Unterrichtsutensilien
hat (Salmon & Dover, 2011, S. 140-143). Durch die bindungsbezogenen Arbeitsmodelle bringt das Kind der Lehrperson bestimmte Erwartungen entgegen, da die
eigenen in die Lehrkraft projiziert werden (psychoanalytisch). Positiv für den
Schüler ist dann, wenn die Lehrkraft dieses differenzieren kann (Kapitel 2.2.2)
und methodisch-didaktische Maßnahmen ergreift, die dem Schüler nahe liegen.
Sollte ein Schüler z.B. durch Instruktionen nicht so gut lernen können, der Lehrer
61
aber ausschließlich seinen Unterricht damit gestaltet, fällt dem Schüler das Aufgabenlösen schwieriger. Ausblickend sollten in jedem Unterricht genaue Ziele
formuliert und erarbeitet werden (lernzielorientierte Didaktik) aber auch jeder
Schüler emanzipiert sich beteiligen (kritisch-kommunikative-Didaktik). Eine Fixierung auf nur ein Modell kann entweder zu maschinellem Lernen ohne Reflexion führen, bei der Inhalte zwar gespeichert, aber nicht verstanden werden (lernzielorientiert), oder aber zu reinen Diskussionen ohne Struktur, bei dem Lerneffekte nicht greifbar gemacht werden können (kritisch-kommunikativ) (Meir, 2012,
Riedl, 2004, S. 55-59).
Auch Hillenbrand macht deutlich, dass Verhalten sich nicht stabilisieren kann,
wenn die Lebenswelt des Kindes von Stigmatisierungen und nicht Bestehen der
gesellschaftlichen Ansprüche geprägt ist (Hillenbrand, 2011, S. 141).
Therapeutische Methoden in Förderschulen sind längst kein neues Thema mehr.
Regelschulen können Abstand vom rein institutionellem System nehmen und
mehr auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen eingehen und die gesamte
Lebenswelt berücksichtigen (Stein & Stein, 2006, S. 75).
Psychisch belastende Erfahrungen haben immer Einfluss auf den Charakter und
jedem Menschen sollte bewusst sein, dass psychisch belastende Erfahrungen sich
immer auf den Charakter und die situative Lebenswelt eines Individuums auswirken können.
In sozialen Berufen, in zwischenmenschlichen Beziehungen und letztlich zur persönlichen Weiterentwicklung kommt es immer auch auf Reflexion des eigenen
Verhaltens an. Diese Basiskompetenz ist Bedingung für Empathiefähigkeit. Wenn
jemand nicht in der Lage ist über sich selbst nachzudenken, wird dieser Mensch
Schwierigkeiten haben sich in die Perspektive eines Anderen hineinzuversetzen.
Dies ist jedoch Voraussetzung wenn das Berufsziel des Sonderpädagogen angestrebt wird.
Aus systemischer Sicht helfen hierfür Empathie, Wertschätzung und Verständnis
für angemessenes Handeln, ohne voreilig zu stigmatisieren. Weitere Handlungsmöglichkeiten für Lehrkräfte sind Sensibilität, Fürsorge und die Vermeidung von
Triggern, die negative Flashbacks auslösen können.
62
Beruhend auf der Ausgangslage des Kindes kann eine Förderung ansetzen und
Belastungen, die ihre derzeitige Situation prägen, können mithilfe von Gesprächen mindestens mitgeteilt werden. Konstant sollten Möglichkeiten geboten werden, mit ihnen umzugehen und sie zu bewältigen. Jedes Kind wird somit als Ganzes gesehen. Es wird deutlich, dass Lernstörungen nicht einzeln als Lernstörung
betrachtet werden können, sondern dass immer erst eine Hinterfragung über die
Ursachen gestellt werden muss (Diagnostik). Eine grobe Anamnese stellt sicher
Schwierigkeiten in dem Kontext Schule dar, brächte jedoch auch einige Vorteile
bezüglich der Beziehungsgestaltung zwischen Lehrer und Schüler. Außerdem
könnten psychologische Fortbildungen Lehrkräften helfen, Verhaltensweisen und
Lernschwächen ihrer Schüler besser nachzuvollziehen und angemessene Interventionen einzusetzen. Weiterhin ergibt sich aus dem Arbeitsprozess, dass bei Förderungsmaßnahmen im Bereich der Deprivation kombiniert mit Lernstörungen sowohl therapeutische Aspekte, als auch pädagogisches Handeln als Handlungsbasis
betrachtet werden müssen. Pädagogisches Handeln ist hierbei definiert als Maßnahmen, durchgeführt von bestimmten Personen (Lehrer, Erzieher etc.) zur Veränderungen und Ermöglichung einer positiven, Erziehung und Bildung von anderen Menschen (Kinder, Schüler etc.) (Giesecke, 1996, S. 22; Kron, 1989, S. 38).
Hier kann dann im Weiteren geklärt werden, welche Maßnahmen pädagogisch
und/oder psychologisch greifen können.
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Schule aus systemisch-konstruktivistischer Sicht. In Balgo, R. & Lindemann, H.
(Hrsg.), Theorie und Praxis systematischer Pädagogik (Band I). Heidelberg: CarlAuer.
Voos, D. (Hrsg.) (2012). Medizin im Text - Das Blog rund um die Psychoanalyse
und Psychosomatik: Die Bindungstheorie. Zugriff am 25. August 2012 unter
http://www.medizin-im-text.de/blog/2012/100/die-bindungstheorie-warum-wirbeziehungen-brauchen/
Walter, O. (Hrsg.) (2009). Psychische Störungen: Klassifikation psychischer Störungen.
Zugriff
am
01.
August
2012
unter
http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychologie/Psychische_Storungen/psychis
che_storungen.htm#Klassifikation
Winnicott, D.W. (Hrsg.) (1884). Reifungsprozesse und fördernde Umwelt. Frankfurt/Main: Fischer.
76
Zimbardo, P. G. & Gerrig, R. J. (Hrsg.) (1999). Psychologie. Berlin, Heidelberg:
Springer.
77
8 Anhang
Anhang 1: Fragebogen zur Reflexion von Unterricht und Schule aus systemischkonstruktivistischer- Sicht (Voß & Schemmann, 2006, S. 103-112).
„Fragebogen zur Reflexion von Unterricht und
Schule aus systemisch-konstruktivistischer Sicht1
Reinhard Voß und Ulrike Schemmann
Der folgende Fragebogen ist dazu gedacht, Lehrer und Lehrerinnen bei
der Reflexion ihres berufsbezogenen Denkens und Handelns zu unterstützen.
Reflektieren, d. h. beobachten, beschreiben, interpretieren und
hinterfragen, ist zentraler Bestandteil jeglichen Lernens. Um die Lernprozesse
unserer Schüler und Schülerinnen zu unterstützen, regen wir
als Lehrer und Lehrerinnen die Reflexion von z. B. Gefühlen, Verhalten,
Problemen, Lösungswegen und Ergebnissen an. Aber verstehen wir unsererseits
auch unser eigenes berufliches Wirken in ausreichendem
Maße als Lernprozess, und reflektieren wir unser eigenes berufliches
Wirken vor diesem Hintergrund hinreichend?
Mit diesem Fragebogen möchten wir einen Impuls zur Reflexion
über Unterricht und Schule aus verschiedenen Perspektiven geben.
Durch das Bearbeiten der Fragen werden wir zum Beobachter unseres
eigenen Unterrichts, unseres eigenen Verhaltens im Kontext von Schule,
zum Beobachter 2. Ordnung. Diese Selbstbeobachtung bzw. -befragung
kann uns z. B. helfen, uns ein Bild unseres Unterrichts, der jeweiligen
Schule vor Augen zu führen, blinde Flecken zu entdecken, hilfreiche
und weniger hilfreiche Verhaltensmuster aufzudecken, neue Ideen
zu entwickeln und umzusetzen oder uns auf die systemisch-konstruktivistischen
Grundideen zu besinnen.
Der Fragebogen kann zur Reflexion in ganz unterschiedlicher Weise
genutzt werden. Denkbar sind Selbstreflexion oder Selbstcoaching,
ebenso wie Reflexion in Peergroups oder im Kollegium. Es kann mit einzelnen
1
Dieser Fragebogen wurde von Reinhard Voß für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Weiterbildung
Systemische Pädagogik (Internationale Gesellschaft für Systemische Therapie bzw. Helm-Stierlin-Institut) in
Heidelberg entwickelt (Literaturhinweise siehe S. 112). Gemeinsam mit Ulrike Schemmann wurde der Fragebogen überarbeitet, wobei die Anregungen der Teilnehmer der Weiterbildung eingearbeitet wurden.
Die Entwicklung dieses Fragenbogens zur Reflexion von Unterricht und Schule hat besonders im 2. Teil
wichtige Impulse aus der Reflexionsliste zur systemischen Prozessgestaltung in psychiatrischen Einrichtungen (Hirschberger u. a. 1998) erhalten. Übernahmen aus der Reflexionsliste sind mit * gekennzeichnet.
78
Fragen, ganzen oder allen Frageblöcken gearbeitet werden. Auch
können ausgewählte Aspekte von Unterricht oder Schule in ihrer Entwicklung
über einen bestimmten Zeitraum beobachtet werden. Veränderungen
können so im zeitlichen Vergleich bewusst werden und neue
Impulse setzen.
1. Selbstbild/Selbstreflexion des Lehrers/der Lehrerin
•
•
•
•
•
•
•
•
Welches sind die bedeutenden biografischen Erfahrungen (aus Ihrer eigenen Erziehung, Ihrer eigenen Lerngeschichte, Ihrer bisherigen beruflichen
Sozialisation), die in Ihre Arbeit als Lehrer/Lehrerin einfließen?
Wie würden Sie Ihre Grundhaltung im Kontext von Erziehung und Unterricht beschreiben?
Wie würden Sie Ihre Rolle als Lehrer/Lehrerin beschreiben:
a) im Kontext Ihrer Schule?
b) in Ihrem Unterricht?
Wo sehen Sie Ihre persönlichen Kompetenzen und sozialen Ressourcen?
Welche Ihrer persönlichen Kompetenzen und sozialen Ressourcen können
Sie für Ihren Arbeitsalltag nutzen?
In welchen Kontexten reflektieren Sie
a) Ihre Rolle als Lehrer/Lehrerin?
b) Ihre Grundhaltung im Kontext von Erziehung und Unterricht?
c) Ihre eigenen Erfahrungen mit Erziehung, Lernen und Lehren?
Haben Sie Erfahrung damit, in Unterrichts- oder Erziehungssituationen eine Außenperspektive einzunehmen, bei der ›Sie sich selber zusehen‹?
Sehen Sie für sich einen Veränderungsbedarf hinsichtlich Ihrer Selbstreflexion als Lehrer/Lehrerin?
2. Unterrichtsreflexion
2.1 Lernen und Lernbegleitung
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•
•
Wie würden Sie Ihr Verständnis von »Lernen« beschreiben?
Was verstehen Sie unter selbstverantwortlichem, selbst organisiertem
und/oder vernetztem Lernen?
Welchen Raum lassen Sie für selbst organisiertes Lernen?
Welche Bedeutung messen Sie selbstverantwortlichem, selbst
organisiertem und/oder vernetztem Lernen bei?
Inwieweit verstehen Sie die Rolle des Lehrers/der Lehrerin als
die eines Coachs, Facilitators oder Lernbegleiters?
Welche Aspekte sind für Sie bei der Gestaltung der Lernumgebungen von
Bedeutung?
Beobachten und fördern Sie individuelle bzw. unterschiedliche Lernwege
und -prozesse bei Ihren Schülern/Schülerinnen?
79
•
•
•
In welchem Zusammenhang stehen Lernen und die Faktoren
»Zeit« und »Eigenzeit« für Sie?
In welcher Beziehung steht aus Ihrer Sicht Lernen mit Wahrnehmung
und Bewegung?
Welche Bedeutung messen Sie »Fehlern« bei?
2.2 Ziele und Inhalte
•
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•
Wie ist der prozentuale Anteil lehrplan- bzw. nichtlehrplanbezogener
Inhalte in Ihrem Unterricht?
Worum handelt es sich bei den nichtlehrplanbezogenen Inhalten
in Ihrem Unterricht, und wer wählt diese aus?
Welche Bedeutung messen Sie fächerübergreifendem Unterricht
bei?
Sind die Inhalte Ihres Unterrichts in einen Sinn gebenden Kontext
eingebettet und für die Lernenden alltags-, lebens- und/oder
berufsrelevant?
Zu welchen Anteilen ist Ihr Unterricht handlungs-, produktund/
oder prozessorientiert gestaltet?
Welche Rolle spielt eine ›Ermöglichungsdidaktik‹ in Ihrem Unterricht?
Inwieweit nutzen Sie Perspektivenwechsel, Kontextänderung
und individuelle Lernbegleitung als didaktische Mittel?
Welche Anteile haben jeweils die Konstruktion, Rekonstruktion
und Dekonstruktion von Wissen in Ihrem Unterricht?
Wie stehen Sie zu der Aussage »Inhaltsvermittlung setzt Beziehungsarbeit
voraus«?
Inwieweit fördern Sie neben der inhaltlichen Kompetenz auch
die Methoden-, Selbst-, Sozial-, Kommunikations- und Teamkompetenz
Ihrer Schüler/Schülerinnen?
In welcher Weise und in welchem Ausmaß sind Ihre Schüler/
Schülerinnen bei der Planung, Gestaltung und Auswertung des
Unterrichts beteiligt?
Gibt es eine Verantwortungsteilhabe der Schüler/Schülerinnen
bei der Notenfindung?
2.3 Methoden und Medien
•
•
•
•
Welche Methoden setzen Sie in Ihrem Unterricht ein, die Sie als
systemisch-konstruktivistische Unterrichtsmethoden bezeichnen
würden?
Welche »instruktiven Methoden« finden sich in Ihrem Unterricht?
Welche Kriterien legen Sie bei der Auswahl Ihrer Unterrichtsmethoden
zugrunde?
Welche Beziehung sehen Sie zwischen Ihrer Person und der
Auswahl der Methoden?
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•
•
Inwiefern nutzen Sie die Methode des Teamteachings?
In welchem Rahmen unterrichten Sie jahrgangsübergreifend?
2.4 Voraussetzungen von Lernen und Lernbegleitung
•
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•
•
•
•
•
•
Welche Rolle spielen die Biografie und die subjektiven Lerngeschichten
Ihrer Schüler/Schülerinnen in Ihrem Unterricht?
In welcher Weise aktivieren Sie das Vorwissen Ihrer Schüler/
Schülerinnen?
Inwiefern berücksichtigen die kulturellen (Sprache, Ethnie), sozialen
(Schicht, Bildung) und ökonomischen Hintergründe Ihrer
Schüler/Schülerinnen?
Welche Beachtung finden geschlechtsspezifische Unterschiede
in Ihrem Unterricht?
Welche Rolle spielen Wünsche, Gefühle, Bilder und Vorstellungen
in Ihrem Unterricht?
Inwieweit orientieren Sie sich an den vorhandenen individuellen
Kompetenzen und sozialen Ressourcen Ihrer Schüler/Schülerinnen?
In welcher Weise handhaben Sie unterschiedliche Fähigkeitsniveaus
innerhalb einer Klasse?
Inwieweit fühlen Sie sich hinreichend vorbereitet, um Lernprozesse
Ihrer Schüler/Schülerinnen zu analysieren und fördern?
2.5 Umgang mit schwierigen Situationen
•
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•
Welche Position haben Sie zu der Unterscheidung »normal«/
»nicht normal«?
Welche Situationen würden Sie als »schwierig« beschreiben?
Sehen Sie die Ursachen für schwierige Situationen eher in Personen
oder im sozialen Kontext begründet?
Wie reagieren Sie in der Regel in schwierigen Situationen, und
was bewirken Sie damit?
Wie sicher fühlen Sie sich in Ihrer Beratungskompetenz, um in
schwierigen Situationen handeln zu können?
Welche Kooperationspartner sind Ihnen vertraut und hilfreich
in schwierigen Situationen?
Inwiefern und wann setzen Sie Grenzen und verhandeln Konsequenzen?
Wen beziehen Sie in diese Verhandlungen mit ein?
Welche Rolle spielt für Sie die Methode des Reframings im Umgang
in schwierigen Situationen?
Gibt es andere Modelle (z. B. Moderation) im Umgang mit
schwierigen Situationen, die Sie gerne ausprobieren würden?
2.6 Erziehung/Beziehung
•
Gibt es für Sie ein Primat der Beziehung?
81
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Welche Bedeutung messen Sie den Beziehungsebenen Person,
Gruppe, Inhalt und Kontext zu?
Inwiefern verstehen Sie Erziehung als koevolutionären Prozess?
Wie fördern Sie die zunehmende Selbstverantwortung der Kinder
bzw. der Lernenden?
In welcher Weise öffnen Sie den Blick für eine Vielfalt von Ansichten,
Meinungen und Lebensformen?
In welchen formellen und in welchen informellen Kontexten
gibt es in der Beziehung zwischen Ihnen und Ihren Schülern/
Schülerinnen Raum und Zeit für Wertschätzung?
Welche Lernatmosphäre ist in Ihrem Unterricht wahrnehmbar,
und wie wird sie hergestellt?
Inwieweit ist das Thema der Klassenführung für Sie ein bemerkenswertes
Thema?
Gibt es bestimmte Regeln in Ihrem Unterricht, und wer stellt sie
auf?
Wie werden in erzieherischen Gesprächen Probleme, Lösungen,
Defizite, Ressourcen und die Bedürfnisse aller Teilnehmenden
berücksichtigt?
2.7 Metakommunikation
•
•
•
Was verstehen Sie unter »Metakommunikation«, und welche
Bedeutung messen Sie ihr bei?
In welchen Situationen metakommunizieren Sie mit Ihren
Schülern/Schülerinnen über Erziehungsziele und Beziehungsgestaltung?
Gibt es eine informelle bzw. formelle Reflexion mit Ihren Schülern/
Schülerinnen über Ihren Unterricht bezüglich:
a) der festgelegten Lernziele?
b) der Lerninhalte?
c) der Auswahl der Lernkontexte?
d) der ausgewählten Unterrichtsmethoden?
e) der ausgewählten Medien?
f) der Lernwege/-prozesse der Schüler/Schülerinnen?
g) der Lernergebnisse?
h) der Leistungsbeurteilung?
i) persönlichen Verhaltens?
j) Konfliktsituationen?
k) Ihres Lehrverhaltens und Ihrer Lernbegleitung?
3. Beratungstätigkeit bezüglich Schüler/Schülerinnen
und Eltern
•
•
•
•
Wie häufig führen Sie Gespräche?
Wer initiiert die Gespräche, und wer ist daran beteiligt?
Welche Inhalte bzw. Ziele haben diese Gespräche?
Welche Interaktionsformen sind Ihrer Meinung nach hilfreich
82
•
•
•
in Gesprächssituationen, die auf Veränderung zielen (z. B. des
Verhaltens, des Lernens, der Kooperation)?
Verhandeln Sie über Wünsche und Aufträge von Schülern/
Schülerinnen, Eltern und/oder anderen Gesprächsteilnehmern?
Inwieweit zeigen Sie in Konfliktsituationen Handlungsalternativen
auf und verhandeln darüber?
Geben Sie die Verantwortung über das zukünftige Handeln gegebenenfalls
wieder zurück?
4. Eltern(mit)arbeit
•
•
•
•
•
Welche Bedeutung messen Sie einer Elternarbeit auf der Basis
einer gleichberechtigten Partnerschaft bei, und wie organisieren
Sie diese?
In welchen Kontexten findet Elternmitarbeit (z. B. Elternsprechtag,
-sprechstunde, -abend, -stammtisch) statt?
Welche Interessen und welche Verantwortlichkeiten zeigen sich
in der Elternmitarbeit?
Inwieweit binden Sie Eltern(teile) und/oder andere Mitglieder
aus der Gemeinde (Jugendliche, Pensionäre usw.) in Ihre Arbeit
mit ein?
In welchen Situationen sind die Mitarbeit und die gemeinsame
Verantwortung von besonderer Bedeutung?
5. Schulleben
•
•
•
•
•
Welche Bedeutung messen Sie dem Schulleben bei, und was
findet statt (z. B. Orchester, Chor, Theater, Arbeitsgemeinschaften)?
Welche Vernetzung von Leben und Lernen, Schulleben und Privatleben
pflegen Sie an Ihrer Schule?
Können Schüler/Schülerinnen aktiv am Schulleben teilhaben?
Wie, mit wem und in welchem Umfang?
Welchen Spielraum haben Schüler/Schülerinnen, Lehrer/Lehrerinnen
und Eltern bei der Gestaltung der Schulräume und des
Schulgeländes?
6. Partizipation der Lehrer/Lehrerinnen
und Leitungskultur
6.1 Besprechungen/Konferenzen
•
•
Welche Art von Besprechungen und Konferenzen halten Sie für
bedeutsam, und in welcher Form bringen Sie sich ein?
Wie oft können Lehrer/Lehrerinnen an Ihrer Schule ihre Vorschläge
83
•
in Besprechungen oder Konferenzen äußern und gegenüber
der Schulleitung durchsetzen?*
Inwieweit besteht Raum und Zeit, die Wünsche, Gefühle, Bilder
und Vorstellungen aller Beteiligten zu berücksichtigen?
6.2 Entscheidungsspielräume der Lehrer/Lehrerinnen
•
•
•
In welchen Situationen dürfen Sie als Lehrer/Lehrerin eigenverantwortlich
entscheiden und werden dabei von der Schulleitung
gestützt?*
In welchen Situationen gibt es eine Teilung der Verantwortung
zwischen Lehrern/Lehrerinnen und Schulleitung?*
Wo wünschen Sie sich mehr Eigenverantwortung und mehr
Unterstützung?
6.3 Personalentwicklung
•
•
•
•
Gibt es an Ihrer Schule formelle bzw. informelle Rituale, Plätze,
Zeiträume für Anerkennung und gegenseitiges Feedback zwischen
Leitungskräften und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen?*
Erwachsen aus dem Feedback Handlungs- bzw. Veränderungsimpulse?
Wie werden die Ressourcen und Kompetenzen der einzelnen
Lehrer/Lehrerinnen und des Kollegiums von der Schulleitung
gefördert und genutzt (z. B. Weiterbildung, Mitwirkung)?
Welche Reflexionssettings bestehen an Ihrer Schule (Supervision,
Teamberatung, Coaching)?*
6.4 Schulentwicklung
•
•
•
Wie viele schulentwicklungsspezifische Aktivitäten fanden an
Ihrer Schule im letzten Schuljahr statt?
Welcher Art sind diese schulentwicklungsspezifischen Aktivitäten
(Befragungen, Konferenzen, Pädagogische Tage, Entwicklungsgruppen,
Weiterbildung intern und extern etc.), und wie
bewerten Sie diese?
Wie viele Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen waren in welcher
Form an diesen schulentwicklungsspezifischen Aktivitäten beteiligt?
6.5 Organisation und Information
•
•
•
Welche formellen und informellen Möglichkeiten der Mitwirkung
gibt es an Ihrer Schule in Bezug auf Personalfragen?
Für welche Bereiche gibt es Budgetverantwortung und wie gestaltet
sich diese (z. B. Bottom-up-Budgetierung)?
Inwiefern gibt es an Ihrer Schule ausreichend Transparenz
84
•
hinsichtlich der Kontextbedingungen Ihrer Schule und ihrer Veränderungen (z. B. Finanzen, rechtlicher Rahmen, Lehrplan)?
Wie werden Sie in der Regel über Veränderungen informiert?
7. Reflexions- und Kooperationskultur bezüglich
verschiedener Umwelten*
7.1 Einladungen an die Umwelt, der eigenen Schule Feedback zu
geben*
•
•
•
•
In welchem Umfang wird Feedback von anderen Einrichtungen
eingeholt (z. B. durch gegenseitige Besuche, im Zusammenhang
mit Einschulung und Schulwechsel)?
Besteht die Möglichkeit, durch externe Fachkräfte Feedback zu
erhalten?
Für welche Bereiche bestehen gute Feedbackmöglichkeiten,
und für welche Bereiche wünschen Sie sich eine Verbesserung
der Feedbackmöglichkeiten?
Welche Impulse hat das Feedback gegeben?
7.2 Kooperationen im pädagogischen Umfeld
•
•
•
•
•
Gibt es Kooperationen mit externen Schulen, Pädagogen/Pädagoginnen,
Sonderpädagogen/-pädagoginnen, Sozialarbeitern/arbeiterinnen, Ämtern etc.?
Welchem Zweck dienen diese Kooperationen?
Sind diese Kooperationen institutionalisiert?
Erweisen sich diese Kooperationen als nützlich?
Können Schüler/Schülerinnen und Eltern an den Kooperationen und Konferenzen teilnehmen bzw. darauf Einfluss nehmen?
7.3 Vernetzung mit anderen Einrichtungen
•
•
•
Welche Vernetzung mit anderen Einrichtungen (z. B. Schulen,
kulturellen, gemeinnützigen oder politischen Institutionen) besteht
an Ihrer Schule?
Welche Ziele werden mit dieser Vernetzung verfolgt?
In welchen Bezügen erweist sich die Vernetzung als förderlich?“
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als
die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Außerdem versichere ich, dass ich
die allgemeinen Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit und Veröffentlichung, wie sie in den
Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
festgelegt sind, befolgt habe.
Oldenburg, den 13.09.2012
__________________
Kathrin Schierenbeck
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