Stellenwert der Koronarangiographie bei Herz

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Diplomarbeit
Stellenwert der Koronarangiographie bei Herzspendern
eingereicht von
Johannes Klüber
Matrikelnummer: 0733264
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
Ausgeführt an der
Klinischen Abteilung für Transplantationschirurgie
unter der Anleitung von
Dr.med.univ. Martin Schweiger
Univ.-Prof. Dr.med.univ. Florian Iberer
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht ve rwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, im Juni 2012
I
Danksagung
Ich danke Herrn Oberarzt Dr.med.univ. Martin Schweiger für die engagierte und
konstruktive Betreuung dieser Diplomarbeit.
Auch allen Anderen, die an der formalen Gestaltung mitgewirkt haben, sei an
dieser Stelle herzlich gedankt.
II
Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung ................................................................................................... I
Danksagung ..................................................................................................................... II
Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................III
Tabellenverzeichnis .......................................................................................................... V
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................... VI
Zusammenfassung ........................................................................................................... 1
Abstract ............................................................................................................................ 2
1. Einleitung ...................................................................................................................... 3
1.1 Die Organspende in Österreich ............................................................................... 5
1.2 Organverteilung durch Eurotransplant ..................................................................... 6
1.3 Die Feststellung des Hirntodes und dessen Auswirkungen auf das Herz................. 8
1.3.1 Die Hirntoddiagnostik ........................................................................................ 8
1.3.2 Pathophysiologische Folgen des Hirntodes für Herz und Kreislauf ..................10
1.4 Medizinische Versorgung potentieller Organspender..............................................12
1.5 Evaluierung potenzieller Herzspender-Spenderkriterien .........................................15
2. Koronarsklerose, Koronare Herzkrankheit und Koronarangiographie bei Herzspendern
........................................................................................................................................23
2.1 Risikofaktoren und Pathogenese der Koronarsklerose ...........................................23
2.2 Koronare Herzkrankheit ..........................................................................................26
2.3 Koronarangiographie bei Herzspendern .................................................................27
3. Ziel der Studie..............................................................................................................30
4. Methode.......................................................................................................................31
5. Ergebnisse ...................................................................................................................32
5.1 Patientengut ...........................................................................................................32
5.2 Gruppe 1 - Durch Koronarangiographie abgeklärte Organe ...................................33
5.3 Gruppe 2 - Primär durch das Universitätsklinikum Graz abgelehnte Organe ..........34
5.4 Gruppe 3 - Bei Eurotransplant angebotene Organe ................................................36
5.5 Gruppe 4 - Tatsächlich transplantierte Organe .......................................................38
III
6. Diskussion ...................................................................................................................38
6.1 Diskussion der Ergebnisgruppen ............................................................................39
6.2 Allgemeine Diskussion ...........................................................................................45
7. Schlussfolgerung .........................................................................................................46
Literaturverzeichnis ..........................................................................................................48
IV
Tabellenverzeichnis
Seite 33: Tabelle 1. Befunde der bereits vorgelegenen Koronarangiographien
Seite 34: Tabelle 2. Pathologische Befunde der Spender - Koronarangiographien
Seite 35: Tabelle 3. Ablehnungsgründe aller durch das Universitätsklinikum
Graz abgelehnten Spenderherzen
Seite 36: Tabelle 4. Ablehnungsgründe der Spenderherzen 45 Jahre alt oder
älter, die durch das Universitätsklinikum Graz abgelehnt wurden
Seite 37: Tabelle 5. Ablehnungsgründe der durch ET nicht allozierten Spenderherzen
Seite 38: Tabelle 6. Ablehnungsgründe der direkt am OP-Tisch abgelehnten
Spenderherzen
V
Abkürzungsverzeichnis
ADH
Antidiuretisches Hormon
aHT
Arterielle Hypertonie
ATP
Adenosintriphosphat
BMI
Body Mass Index
CMV
Cytomegalievirus
CPR
Cardiopulmonary Resuscitation
CT
Computertomographie
DA
Durchschnittsalter
EEG
Elektroenzephalogramm
EKG
Elektrokardiogramm
ET
Eurotransplant
FO
Foramen ovale
HDL
High Density Lipoprotein
HIV
Humanes Immundefizienz Virus
HTx
Herztransplantation
ISHLT
International Society for Heart & Lung Transplantation
KA
Koronarangiographie
sKA
Spender - Koronarangiographie
vKA
Vorliegende Koronarangiographie
KAKuG
Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten
KHK
Koronare Herzkrankheit
LAD
Left Anterior Descending (artery)
VI
LDL
Low Density Lipoprotein
LVEF
Linksventrikuläre Ejektionsfraktion
NHSBT
National Health Service Blood and Transplant
ÖBIG
Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen
PTCA
Perkutane Transluminale Coronare Angioplastie
RCA
Right Coronary Artery
SA
Standardabweichung
T3
Triiodthyronin
VAD
Ventricular Assist Device
VII
Zusammenfassung
Hintergrund: Aufgrund des weltweiten Mangels an Spenderherzen wurden die
Spenderkriterien für diese in den letzten Jahren kontinuierlich liberalisiert. In sbesondere die Altersgrenze möglicher Herzspender hat sich deutlich verschoben, sodass mittlerweile eine Altershöchstgrenze von 65 Jahren für die Herzspende gilt. Aufgrund der im Alter höheren Inzidenz der Koronarsklerose und
deren Einfluss auf das Transplantationsergebnis, empfiehlt der österreichische
Arbeitskreis für Herztransplantation die Durchführung einer Koronarangiographie (KA) zur Evaluierung potentieller Spenderherzen (sKA) bei Organspendern
ab einem Alter von 45 Jahren.
Methode: Alle Organspender bis zu 65 Jahren, welche dem Universitätsklinikum Graz im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 gemeldet wurden, wurden retrospektiv bezüglich einer durchgeführten KA evaluiert. Die KA konnte entweder
speziell zur Spenderevaluierung durchgeführt worden sein (sKA), oder im
Rahmen einer zu Lebzeiten durchgeführten medizinischen Abklärung bereits
vorgelegen haben (vKA). Die Ablehnungsgründe nicht transplantierter Herzen
wurden ausgewertet.
Ergebnisse: Von 292 möglichen Herzspendern wurden 17 durch KA abgeklärt.
Davon waren 6 vKA und 11 sKA. Von allen gemeldeten Personen waren 137
Spender 45 Jahre oder älter, dennoch wurde nur in 9 Fällen eine sKA durchgeführt. 91 Herzen wurden bei bei primärer Beurteilung als Spenderorgan abgelehnt. 61 Herzen wurden zwar bei Eurotransplant gemeldet, konnten aber im
weiteren Verlauf nicht transplantiert werden. 140 Herzen wurden tatsächlich
transplantiert.
Diskussion: Der Prozentsatz aller durchgeführter sKA ist sehr niedrig. Viele
Herzen werden aufgrund ihres Alters oder kardiovaskulärer Risikofaktoren abgelehnt, obwohl eine signifikante Koronarsklerose durch eine Spenderkoronarangiographie zweifelsfrei abgeklärt werden kann. Diese Praxis verschärft den
bestehenden Organspendermangel.
1
Abstract
Background: Due to the shortage on donor Hearts, the criteria for donation in
the past few years was continuously liberalized. Especially the age limit of potential donors has been noticeably changed to the age of 65. The risk to suffer
cardiovascular sclerosis is highly increased in advanced age, which influences
the transplant result. Thus, the Austrian federation for heart transplantation,
advises a coronary angiography (CA) to evaluate potential donor hearts above
the age of 45.
Methods: All organ donors registered at Graz University Hospital up to the age
of 65 were retrospectively evaluated regarding a performed coronary angiography. The CA could have been done especially for donation purposes (sKA)
or as a part of a medical examination during the donors lifetime (vKA). The reasons for rejection of not-transplanted hearts were further examined.
Results: 17 out of 292 possible heart donors were clarified by CA. 6 of those
were vKA and the other 11 sKA. In the sum of all registered cases, 137 of the
donors were age 45 and above. Nonetheless, a sKA was performed in only 9 of
these cases. 91 hearts have been rejected as donor hearts in an initial evaluation. Although 61 hearts were registered at the Eurotransplant, it was not poss ible to transplant them in further procedures. 140 hearts were actually transplanted
Discussion: The ratio of all sKA’s carried out is very low. Many hearts were rejected due to their age or cardiovascular risk factors, although a significant coronary sclerosis could be doubtlessly clarified through a donor coronary angiography.
This worsens the already present donor shortage.
2
1. Einleitung
Die Prävalenz der Herzinsuffizienz ist steigend und trotz Verbesserung der m edikamentösen Therapie ist die Prognose der ‚end stage’ Herzinsuffizienz äußerst schlecht. Aus den USA werden im Zeitraum von 1999 bis 2001 EinJahres - Mortalitätszahlen für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz von 12%
und Drei-Jahres-Mortalitätszahlen von 79% berichtet (1). Für diese Patienten
stellt die Herztransplantation (HTx) die Therapie der Wahl dar, mit exzellenten
Ein-Jahres- und Mehr-Jahres-Überleben. Die Statistik der Internationalen Gesellschaft für Herz und Lungentransplantation (International Society for Heart
and Lung Transplantation (ISHLT)) berichtet über eine gleichbleibende Anzahl
an durchgeführten HTx bei steigender Anzahl von Patienten auf der Warteliste
(2). Die Gründe dafür sind vielfältig, einer davon aber sicherlich der bekannte
Organspendermangel. Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr terminal Erkrankte auf den Erhalt eines lebensrettenden Spenderherzens hoffen müssen
(3), wird derzeit weltweit daran gearbeitet, diesen Mangel zu beheben. Neben
den Bemühungen durch Aufklärungskampagnen mehr Menschen zur Organspende zu motivieren, wird intensiv an den Möglichkeiten der Xenotransplant ation und dem „Züchten“ von Ersatzgeweben aus Stammzellen geforscht. Trotz
beachtlicher Fortschritte in den entsprechenden forschungstheoretischen
Grundlagen und in den biologisch-technischen Fertigkeiten, ist leider nicht davon auszugehen, dass die erwähnten Techniken den Mangel an benötigten Organen innerhalb der nächsten Jahre beheben könnten. Fortschritte auf dem
Gebiet der Herzunterstützungssysteme (ventricular assist devices [VAD])
scheinen vielversprechend, jedoch bleiben die Langzeitergebnisse noch abzuwarten (4).
Um den hohen Bedarf besser bedienen zu können, hat sich schon früh der Gedanke etabliert, eine höhere Zahl der tatsächlich vorhandenen Herzen zur
Transplantation bringen zu wollen.
Zu diesem Zweck haben sich diverse Arbeitsgruppen mit der Überarbeitung der
bestehenden Richtlinien und Empfehlungen beschäftigt, die lange Zeit Beurte i3
lungsgrundlage dafür waren, ob ein Spenderherz transplantationstauglich ist
oder nicht. Diese Entwicklung ist nicht abgeschlossen und unterliegt laufend
neuen Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Forschung. Die Ergebnisse
dieser Arbeitsgruppen zeigen, dass evidenzbasiert einige dieser „Standardkriterien“ gelockert, beziehungsweise angepasst werden können. Diese Maßnahmen wären geeignet, die Zahl der verfügbaren Spenderherzen deutlich zu erhöhen (5). Oberstes Ziel der HTx ist es, dem betroffenen Organempfänger eine
zufriedenstellende Lebenserwartung bei guter Lebensqualität zu sichern. Ke inesfalls darf das Leben des Empfängers durch ein klar ersichtlich schlechteres
Spenderorgan gefährdet werden. Untersuchungen belegen, dass eine Koronarsklerose auch in frühen Lebensjahren auftritt und somit auch in jungen
Spendern gefunden werden kann (6). Es liegt auf der Hand, dass eine nicht
erkannte koronare Herzkrankheit (KHK) zu einer Gefährdung des Transplantationsergebnisses führt und die Langzeitprognose des Patienten deutlich herabsetzt (5). Daher gilt eine ausgeprägte KHK als Kontraindikation einer Herzorganspende.
Obwohl Fallberichte zeigen, dass nicht jedes von einer Koronarsklerose betroffene Herz zwangsläufig abgelehnt werden muss, sondern unter Umständen
auch während der Transplantation bestehende Stenosen mitversorgt werden
können (7,8), so gilt es dennoch eine KHK auszuschließen. Als Goldstandard
gilt hier nach wie vor die Koronarangiographie (KA) (9).
Ab welchem Alter eine KA bei Organspender durchgeführt werden sollte, ist
nicht abschließend geklärt und schwankt zwischen 40 und 60 Jahren beziehungsweise empfiehlt sich bei Organspendern mit auffälligem Risikoprofil
(4,5,6). Die Empfehlung des Arbeitskreises Herztransplantation der österreich ischen Gesellschaft für Kardiologie ist, eine Spenderkoronarangiographie ab 45
Jahren bei allen Organspendern und bei erhöhtem Risikoprofil durchzuführen
(10).
Diese Diplomarbeit widmet sich der Frage, ob es durch Umsetzung dieser
Maßnahme möglich ist, die Anzahl der zur Spende gebrachten Herzen am Un iversitätsklinikum Graz (zuständig für die Organspenderegion Süd in Österreich)
zu erhöhen. Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Befunde potentieller
4
Herzspender am LKH Graz der Jahre 2000 bis 2010 bezüglich ihrer Ablehnungsgründe ausgewertet.
1.1 Die Organspende in Österreich
In Österreich wird die Organspende im Bundesgesetz über Krankenanstalten
und Kuranstalten (KAKuG) geregelt. Dort heißt es im Hauptstück F, § 62a Absatz 1 (11):
„Es ist zulässig, Verstorbenen einzelne Organe oder Organteile zu entnehmen,
um durch deren Transplantation das Leben eines anderen Menschen zu retten
oder dessen Gesundheit wiederherzustellen. Die Entnahme ist unzulässig,
wenn Ärzten eine Erklärung vorliegt, mit der der Verstorbene oder, vor seinem
Tod, sein gesetzlicher Vertreter eine Organspende ausdrücklich abgelehnt hat.
Eine Erklärung liegt auch dann vor, wenn sie in dem bei der Gesundheit Öste rreich GesmbH, Geschäftsbereich ÖBIG, geführten Widerspruchsregister eingetragen ist“.
Damit herrscht in Österreich eine Widerspruchslösung: Eine Organentnahme ist
somit immer dann zulässig, wenn der Spender keinen ausdrücklichen Widerspruch zu Lebzeiten gemacht hat (12). Zur Dokumentation dieses Widerspruchs wird durch die Gesundheit Österreich GmbH ein Widerspruchsregister
geführt. Dieses ist hauptsächlich für die „österreichische Wohnbevölkerung“ (13) vorgesehen, allerdings werden auch andere Formen des festgestellten Widerspruchs berücksichtigt. So wird beispielsweise auch eine bei sich getragene schriftliche Widerspruchserklärung oder ein bezeugter Widerspruch bei
Verwandten akzeptiert. Eine Eintragung in das Widerspruchsregister ist ab dem
16. Lebensjahr möglich (13).
Weiter heißt es in § 62a Absatz 2 KAKuG (14):
„Die Entnahme darf erst durchgeführt werden, wenn ein zur selbstständigen
Berufsausübung berechtigter Arzt den eingetretenen Tod festgestellt hat. Dieser Arzt darf weder die Entnahme, noch die Transplantation durchführen. Er
5
darf an diesen Eingriffen auch sonst nicht beteiligt oder durch sie betroffen
sein.“
Entsprechend dem Beschluss des Obersten Sanitätsrates vom 17. Dezember
2005 hat das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen die „Empfehlungen der Hirntoddiagnostik bei einer geplanten Organentnahme“ herau sgegeben. Dort heißt es in Punkt 1.3: „Entsprechend dem aktuellen Stand der
Wissenschaft, ist der Hirntod identisch mit dem Individualtod eines Menschen“ (15). Damit ist derzeit der diagnostizierte Hirntod die Bedingung zur Organentnahme.
1.2 Organverteilung durch Eurotransplant
Die Verwendung menschlicher Organe zur Transplantation hat sich als gängige
Praxis etabliert und stellt bei Lungen- und Herzversagen die einzige dauerhafte
Behandlungsmöglichkeit dar. Jedes Jahr werden Spenderorgane zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union getauscht, was eine wichtige Möglichkeit
ist, deren Zahl zu erhöhen. Weiterhin wird dadurch eine verbesserte Abstimmung zwischen dem Spender und einem geeigneten Empfänger und damit
auch eine Verbesserung der Transplantationsqualität erreicht (16).
„Allerdings sind mit dem Einsatz von Organen zu Transplantationszwecken
auch Risiken verbunden. Die extensive therapeutische Verwendung von Organen zu Transplantationszwecken erfordert eine Qualität und Sicherheit der Organe, die das Risiko der Krankheitsübertragung minimieren. Durch gut organ isierte einzelstaatliche und internationale Transplantationssysteme und die Anwendung der besten verfügbaren Fachkenntnisse, Technologien sowie innovativer medizinischer Behandlungsverfahren können die mit transplantierten O rganen verbundenen Gefahren für die Empfänger deutlich verringert werden“ (17).
In Österreich ist die Organisation Eurotransplant (ET) für die internationale Verteilung von Spenderorganen zuständig. ET ist eine Stiftung mit Sitz in Leiden,
Niederlande und koordiniert die Zuteilung von Spenderorganen zwischen Ös6
terreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Kroatien und Slowenien. Hierzu ist eine enge Zusammenarbeit mit den nationalen Transplantationszentren erforderlich. Im Rahmen dieser engen internationalen Zusamme narbeit ergibt sich der Vorteil eines gemeinsamen Spender-Meldesystems und
einer zentralen Warteliste. Aufgrund des hohen Patientenpools ist es möglich,
nahezu jedes verfügbare Spenderorgan einem geeigneten Empfänger zuzuordnen (18).
Die Zahl der Transplantationszentren in den zusammengeschlossenen Ländern
wird von ET mit 72 beziffert, von welchen aus alle Daten von potentiellen O rganempfängern zentral zusammenlaufen. Ist ein potentielles Spenderorgan
verfügbar, werden auch dessen Daten zentral erfasst und es folgt eine Spender
– Empfänger Zuordnung nach 4 Prinzipien: Dem erwarteten Erfolg nach Transplantation, die festgelegte Dringlichkeit für ein Spenderorgan, die Wartezeit und
die nationale Organaustauschbilanz. Das Organ wird schließlich dem Tran splantationszentrum mit dem am höchsten gelisteten Patienten zugeordnet (18).
Die Listung erfolgt über die Datenbank von ET. In dieser sind die relevanten
medizinischen Daten der Empfänger dokumentiert. Wird nun ein Spenderorgan
verfügbar, werden die Spenderblutgruppe und Gewebemerkmale im Labor
festgestellt. Diese werden mit allgemeinen medizinischen Merkmalen des
Spenders und der einzelnen gespendeten Organe in die Datenbank eingegeben. Der Empfänger wird durch einen Algorithmus ermittelt, der die vier oben
genannten Prinzipien der Zuordnung berücksichtigt. Damit ist die Zuteilung
nicht durch individuelle Aspekte des wechselnden Personals bei ET beeinflussbar und gewährleistet ein Höchstmaß an Objektivität. Sobald ein möglicher
Empfänger ermittelt wurde, werden die zuständigen Ärzte der Zentren verständigt, in denen der Patient behandelt wird (19). Informiert werden sowohl das
behandelnde Zentrum des erstgelisteten, als auch das Transplantationszentrum des zweitgelisteten Patienten. Das Zentrum des zweitgelisteten erhält zunächst nur ein unverbindliches Angebot. Allerdings werden beiden Zentren nun
die Spenderinformationen zugänglich gemacht. Die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Organs muss nun von den zuständigen Chirurgen
der behandelnden Klinik getroffen werden (19).
7
Sobald die Entscheidung zur Annahme des Organs getroffen wurde, wird der
Empfänger durch seine behandelnden Ärzte informiert und Eurotransplant vermittelt den Kontakt zwischen dem Krankenhaus des Spenders und dem chiru rgischem Zentrum des Empfängers. In der Zeit der Explantation der betroffenen
Organe wird deren Transport durch die Transplantationskoordinatoren der betroffenen Kliniken organisiert. Sollte innerhalb der von Eurotransplant verwalteten Zone kein geeigneter Empfänger verfügbar sein, werden die betroffenen
Organe an die Verteilungsorganisationen anderer Länder oder Ländergruppen
weitergeleitet, beispielsweise Scandiatransplant (zuständig für Dänemark,
Schweden, Finnland, Island und Norwegen) oder an die NHSBT in Großbritannien (19).
1.3 Die Feststellung des Hirntodes und dessen Auswirkungen auf
das Herz
1.3.1 Die Hirntoddiagnostik
„Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel erloschenen Funktion
des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes.“
Empfehlungen zur Durchführung der Hirntoddiagnostik bei einer geplanten Organen tnahme, entsprechend dem Beschluss des obersten Sanitätsrates vom 17. Dezember
2005 (15)
Zur Durchführung der Hirntoddiagnostik müssen bestimmte Voraussetzungen
erfüllt sein. So muss eine akute primäre oder sekundäre Hirnschädigung zwe ifelsfrei vorliegen (15). Primäre Schädigungen betreffen unmittelbar das Gehirn,
beispielsweise Traumata oder intracerebrale Blutungen. Sekundäre Schädigungen treten konsekutiv auf, beispielsweise durch Hypoxie infolge eines Herzstillstandes. Bei primären Schäden ist insbesondere auch die Unterscheidung
zwischen supra- und infratentoriellen Läsionen zu beachten (20). Vor Beginn
der Untersuchungen müssen zudem andere Faktoren ausgeschlossen werden,
die die Ergebnisse der klinischen Untersuchung beeinflussen könnten. Dazu
zählen sowohl eine direkt oder indirekt das zentrale und/oder periphere Nervensystem beeinflussende Medikation, als auch Intoxikation, neuromuskuläre
8
Relaxation, primäre Hypothermie, hypovolämischer Schock und endokrines oder metabolisches Koma (20).
Die Untersuchungen selbst setzen sich aus einer klinisch- neurologischen Untersuchung und Zusatzuntersuchungen zusammen. In einem weiteren Untersuchungsschritt muss die Irreversibilität der klinischen Ausfallsymptome festgestellt werden.
Klinisch – neurologische Untersuchung
Folgende Symptome müssen hier klinisch bestätigt werden (15):
1. Koma: Die Beurteilung des Komas erfolgt mittels der Glascow - Coma –
Scale. Diese Beurteilungsskala darf höchstens den Wert 3 erreichen.
2. Areflexie des Hirnstammes: Hierbei erfolgt die Beurteilung verschiedener
Reflexe, die die verschiedenen Ebenen des Hirnstamms widerspiegeln:

Fehlende Pupillenreaktion

Fehlen des okulo - cephalen Reflexes

Fehlen des vestibulo - okulären Reflexes

Fehlen des Ciliospinalreflexes

Fehlen des Masseterreflexes

Fehlen des Kornealreflexes

Fehlen des Pharyngeal- und Hustenreflexes

Fehlen des Grimassierens, auf Druckprovokation an den Bulbi oder Austrittsstellen des Nervus trigeminus

Schlaffe Tetraplegie

Atropintest zur Beurteilung der Herzreaktion
3. Apnoe: Der Apnoetest wird als letzte klinische Untersuchung durchgeführt.
Der Test ist positiv, wenn der CO2 - Partialdruck auf mehr als 60 mmHg ansteigt, eine Spontanatmung jedoch ausbleibt. Bei positivem Ergebnis muss ke ine Wiederholung des Tests stattfinden.
9
Klinische Zusatzuntersuchungen
Diese dienen der Sicherung der Hirntoddiagnose. Hierbei wird zwischen Methoden unterschieden, welche den bioelektrischen Ausfall des Gehirns dokumentieren und solchen, welche den Stillstand des zerebralen Blutkreislaufes
nachweisen (20). Die angewendeten Untersuchungen können das EEG, die
transkranielle Dopplersonographie/farbcodierte Duplex-Sonographie und die
CT-Angiographie beinhalten (15).
Nachweis der Irreversibilität
Dieser muss mittels einer zweiten klinisch-neurologischen Untersuchung erbracht werden, sofern die erste Untersuchung und die ergänzenden Verfahren
die Diagnose eines Hirntodsyndroms bestätigen. Sollten keine ergänzenden
Verfahren anwendbar gewesen sein, erfolgt lediglich eine zweite klinisch neurologische Untersuchung. Diese darf erst in einem zeitlichen Abstand von
mindestens 12 Stunden durchgeführt werden (15).
1.3.2 Pathophysiologische Folgen des Hirntodes für Herz und Kreislauf
Im Rahmen des Hirntodes kommt es zu einer cerebralen Ischämie, welche zunächst das Großhirn und im weiteren Verlauf den Hirnstamm mit Pons und der
Medulla oblongata erfasst (21). Im Rahmen dieser fortschreitenden Ischämie
kommt es zu unterschiedlichen Reaktionen des vegetativen Nervensystems. So
kommt es nach einem zunächst rein vagalen Reaktionsmuster zu einer gemischten vagalen- und sympathischen Reaktion, sobald die Pons ischämisch
beeinträchtigt wird. Es kommt zu Hypertonie, Bradykardie und irregulärem
Atemmuster. Sobald die Ischämie auch die Medulla oblongata erfasst hat,
kommt es zu einem Funktionsausfall der kardiomotorischen Nuclei und eine
rein sympathische Reaktion mit intensiver Ausschüttung von Katecholaminen
tritt auf, der sogenannte „Sympathikussturm“. In dieser Phase kommt es durch
die Wirkung der Katecholamine zu einer massiven Zunahme der Herzfrequenz
und des peripheren arteriellen Widerstandes und dadurch zu einer deutlichen
10
Erhöhung des arteriellen Blutdrucks. Durch die exzessive Ausschüttung von
Katecholaminen kann es in dieser Phase auch zu Schädigungen des Myokards
kommen. Grund hierfür ist die relative Hypoxie. Diese entsteht durch die direkte
Stimulation des Myokards und dessen dadurch erhöhten Sauerstoffbedarf, bei
einer gleichzeitigen Vasokonstriktion der Koronargefäße und verminderter dia stolischer Durchblutung aufgrund der Tachykardie (22). Die auftretenden Sch äden zeigen sich histologisch als Myozytolysen, Nekrosen der Kontraktionsbänder und subendokardial als petechiale Blutungen (21). Das Ausmaß dieser
Schäden korreliert dabei mit der Menge an Katecholaminen, die im Rahmen
des Sympathikussturms ausgeschüttet werden. Hier bestehen deutliche Unterschiede, abhängig davon, wie schnell der intrakranielle Druck gestiegen ist. In
einem Experiment an Hunden wurde gezeigt, dass es bei rascher Hirndrucksteigerung die Serumkonzentration an Adrenalin nach Eintritt des Hirntodes um
den Faktor 1000 erhöht war. Bei graduellem Anstieg des Hirndrucks stiegen die
Serumkonzentrationen „lediglich“ um den Faktor 200 (21). Daher ist die Schwere der auftretenden Veränderungen in der Phase des Sympathikussturms auch
von der Ursache des Hirntodes abhängig (23).
Sobald im Rahmen der Ischämie auch die sympathischen Nervenfasern des
Rückenmarks ausfallen (21), kommt es in dieser Phase zu einem deutlichen
Absinken der Katecholamine, verursacht durch die erloschene Sympathikusfunktion. Daher kommt es zu einer Abnahme der Inotropie und der Chronotropie mit einer konsekutiven Abnahme des kardialen Auswurfes. Zusätzlich
kommt es durch den Ausfall der vasomotorischen Zentren zu einer generalisie rten Erweiterung der Gefäße und damit zu einer Abnahme des peripheren Widerstandes. Beide Mechanismen verursachen eine arterielle Hypotension (24).
Im Rahmen des Hirntodes kommt es auch zu einer Verminderung der Konzentrationen verschiedener Hormone. Insbesondere ein rapider Abfall de Triiodth yronins (T3) scheint hierbei von Bedeutung zu sein, da er mit einer Einschränkung des aeroben Stoffwechsels einhergeht (22). Dadurch findet eine metabolische Verschiebung von der aeroben Glykolyse zur anaeroben Glykolyse statt,
welche durch die schlechtere Energieverwertung zu einem Verbrauch der
Energiereserven des Herzens beiträgt. Dies geht einher mit einer schlechteren
Funktion des Herzens, welche in einer Verschlechterung des kardialen Au s11
wurfs und einer schlechteren initialen Funktion nach Transplantation resultieren
kann. Auch der Abfall des Kortisol- und Insulinspiegels wirken auf die Verminderung der kardialen Energiereserven ein (22).
1.4 Medizinische Versorgung potentieller Organspender
Da eine Organspende vom Toten nur nach diagnostiziertem Hirntod möglich ist,
ist das wichtigste Integrationsorgan des Spenders zwischen dem Zeitpunkt der
Diagnose und der Organentnahme irreversibel erloschen. Daher ist es wichtig,
dass nach der gesicherten Diagnose des Hirntodes, die Behandlung des potentiellen Spenders auf die Unterstützung und den Schutz der zu transplantierenden Organe fokussiert wird (24). Dazu ist insbesondere die Aufrechterhaltung
der inneren Homöostase entscheidend.
Stabilisierung des Kreislaufs
Hämodynamische Instabilität ist aufgrund der oben genannten Veränderungen
ein generelles Problem, das bei Organspendern nach Eintritt des Hirntodes auftritt. Diese kann potentiell alle zur Spende vorgesehenen Organe beeinträcht igen (25). Allgemein sollte eine Stabilisierung des Kreislaufes mit kurz wirks amen Medikamenten erfolgen, um auf die sich rasch ändernden Verhältnisse
nach Eintritt des Hirntodes adäquat reagieren zu können (23). Im Rahmen der
zunächst auftretenden ungezügelten sympathischen Reaktion sollte ein arterie ller Blutdruck höher als 160 mmHg oder ein mittlerer arterieller Blutdruck größer
als 90 mmHg therapiert werden. Hierfür sollten sowohl Vasodilatantien (Nitroprussid), als auch Beta-Blocker eingesetzt werden (23), wodurch auch möglicherweise am Myokard auftretende Schäden verringert werden.
Im Rahmen der sich durch den Ausfall des Sympathikus verschlechternden
Kreislaufsituation ist auch das Volumenmanagement bedeutend. So sollte nicht
zwangsläufig von der hämodynamischen Instabilität auf eine primäre kardiale
Dysfunktion geschlossen werden (25). Vor Beginn einer medikamentös kreislaufunterstützenden Therapie sollte eine Normovolämie wiederhergestellt wo rden sein. Aufgrund des pathophysiologischen Verlusts des Vasotonus sind va12
sopressorische Therapeutika die Mittel der Wahl. Bei Herzspendern sollten Vasopressoren mit gleichzeitiger ionotroper Wirkung, beispielsweise Adrenalin
und Noradrenalin vorsichtig eingesetzt werden. Durch die ionotrope Wirkung
können die myokardialen Reserven an ATP weiter aufgebraucht werden (23),
was mit einer schlechteren Initialfunktion des Herzens nach Transplantation
einhergeht (22). Zur Behandlung der arteriellen Hypotension wird daher in erster Linie Vasopressin empfohlen, da dieses sowohl eine Vasokonstriktion bewirkt, als auch Flüssigkeitsverlusten im Rahmen des auftretenden Diabetes insipidus entgegenwirkt (23).
Einige Autoren empfehlen Vassopressin insbesondere im Rahmen einer kombinierten Hormontherapie zu verabreichen. Diese besteht aus Schilddrüsenhormonen, Vasopressin und Methylprednisolon. Wenn T3 zur intravenösen Applikation vorhanden ist, sollte dieses bevorzugt in der Therapie angewandt
werden. Die kombinierte Hormontherapie wird empfohlen, wenn die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) in der Echokardiographie auf 40% oder weniger
absinkt (23).
Erst in zweiter Linie sollten ionotrope Substanzen zur Kreislaufunterstützung
eingesetzt werden. Die Dosierung von Adrenalin und Noradrenalin sollte sich
dabei an dem Erreichen der angestrebten hämodynamischen Grenzwerte orientieren, aber eine Dosierung von 0,2 Mikrogramm/kg/Minute nicht übersteigen.
Auch Dopamin sollte nicht höher als 10 Mikrogramm/kg/min appliziert werden
(23).
Therapie des Diabetes insipidus und Ausgleich von Elektrolytinbalancen
Aufgrund der Schädigung des Hypothalamus und der Hypophyse kommt es
zum Ausfall des Antidiuretischen Hormons (ADH). Ein konsekutiver zentraler
Diabetes insipidus wird in bis zu 98% aller potentiellen Organspender beobachtet (26). Aufgrund des hohen Flüssigkeitsumsatzes kommt es beim potentiellen
Spender zu einem Elektrolytungleichgewicht mit Hypernatriämie, Hypokaliämie,
Hypomagnaesämie, Hypocalcämie und Hypophosphatämie. Diese Elektrolytentgleisungen fördern das Auftreten kardialer Komplikationen wie Arrhythmien,
13
myokardialer Dysfunktion und Herzstillstand. Der Diabetes insipidus stellt hierbei die häufigste Ursache des Flüssigkeitsverlustes dar (24).
Als Therapie des Diabetes insipidus wird in der derzeitigen Literatur das ADH Analogon Vasopressin empfohlen (24,26). Zusätzlich können natriumarme
Flüssigkeitsinfusionen gegeben werden (10). Die ausschließliche Volumensubstitution ohne eine spezifische Therapie mit Vasopressin birgt durch den hohen
Flüssigkeitsumsatz die Gefahr von schweren metabolischen Störungen mit Gefährdung der zu transplantierenden Organe. So wird darauf hingewiesen, dass
polyurische Kaliumverluste und Verschiebungen des pH–Wertes zu gravierenden Hypokaliämien führen können. Auch auftretende intra– und extrazelluläre
Flüssigkeitsverschiebungen sind möglich und können zu organischen Schäden
führen (26).
Therapie des Zuckerstoffwechsels
Der Glukosestoffwechsel beim hirntoten Patienten ist durch verschiedene Fa ktoren beeinträchtigt: Zunächst durch die Hypersekretion adrenaler Hormone,
später durch deren Substitution zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs, Verabreichung glukosehaltiger Lösungen und eine Funktionsbeeinträchtigung des Pankreas. Diese resultiert aus einer Mikrozirkulationsstörung durch Abnahme der
Kapillardichte, erhöhte Adhärenz von Leukozyten und erhöhter Gewebsschäd igung, die im Rahmen des Hirntodes auftreten (27). Durch die Hyperglykämie
kommt es zu weiteren Beeinträchtigungen des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushaltes mit metabolischer Azidose, osmotischer Polyurie und dadurch zu
einer Hypovolämie (24).
Daher sollten Blutzucker - und Insulinspiegel möglicher Spender engmaschig
kontrolliert werden. Eine Substitution mit Insulin sollte durch Infusionen siche rgestellt werden(23).
14
Temperaturhomöostase
Durch den Ausfall der hypothalamischen Regelzentren und der vasomotorischen Zentren kommt es durch die Weitstellung der peripheren Gefäße zu einem Verlust von Körperwärme über die Haut. Dies kann zu kardialen Arrythmien führen, beispielsweise Überleitungsstörungen, Inversionen der T-Welle
und Verlängerung der QT-Zeit. Ab einer Körperkerntemperatur von unter 30°
Celsius kommt es schließlich zu Kammerflimmern. Des Weiteren können in der
Niere wichtige Ionengradienten nicht aufrechterhalten werden, dadurch kommt
es zur „kalten Diurese“. Diese kann Elektrolytverschiebungen des potentiellen
Spenders weiter begünstigen. Auch Koagulopathien mit daraus resultierenden
Störungen der Mikrozirkulation können zur Transplantation vorgesehene Organe schädigen (24).
Daher muss ein Erhalt der Körpertemperatur von über 35°C durch erwärmte
Infusionen, Heizdecken und gewärmten Beatmungsgasen sichergestellt werden
(24).
1.5 Evaluierung potenzieller Herzspender-Spenderkriterien
Aufgrund des weltweiten Mangels an Spenderherzen wurden in den vergangen
Jahren die Spenderkriterien erweitert, sodass man heute „marginale“ von „optimalen“ Spendern unterscheidet. Als marginale Herzspender werden solche
betrachtet, die Risikofaktoren aufweisen und daher nicht als optimale Spender
eingestuft werden (28). Diese würden unter Beachtung der herkömmlichen
Richtlinien als Herzspender abgelehnt. Aufgrund der erwähnten Organknappheit, sollte eine Entscheidung über die Transplantation eines Spenderorgans
vor allem durch die individuelle Beurteilung des Empfängers getroffen werden,
weniger durch das Einhalten starr festgelegter Kriterien (5).
Die Qualität eines Spenderorgans wird durch Parameter bestimmt, die vor der
Transplantation erhoben werden müssen (10).
15
Spenderalter
Bevor die Tendenz zu Erweiterung der Spenderkriterien aufkam, wurden mögliche Herzen von Spendern älter als 40 Jahre und mit weiteren Risikofaktoren
meistens nicht mehr zur Transplantation zugelassen. Dies wurde mit der Übe rlegung begründet, dass Transplantate von jüngeren Spendern besser gegen
die kardialen Schäden geschützt wären, die durch die Entgleisung der Katecholamine im Rahmen des Hirntodes auftreten (5).
Schon 1989 wurden Ergebnisse von Studien publiziert, in denen Herzspender
bis zu 49 Jahren inkludiert waren. Das Durchschnittsalter der in der Studie ve rglichenen Spendergruppen lag dabei bei 23 gegenüber 39 Jahren. Das Gesamtüberleben beider Gruppen war dabei nahezu identisch (39). Drinkwater et
altera bezogen in einer Studie auch Spenderherzen mit ein, die während der
Transplantation durch eine Bypassoperation versorgt wurden, also Herzen, in
denen arteriosklerotische Veränderungen der Koronargefäße bereits stattgefunden hatten.
In dieser Studie wurden Herzen von Spendern älter als 45 Jahre (Durchschnittsalter 51 Jahre), zu denen auch die Herzen mit Bypass-Operation gehörten, mit Herzen einer Spendergruppe unter 45 Jahren verglichen. Die Autoren
stellten ähnliche Quoten sowohl im kurzfristigen, als auch im langfristigen Übe rleben beider Gruppen fest, obwohl die Ein-Jahres-Überlebensrate der Empfänger von Bypass-versorgten Herzen nur 60% betrug. Die Fünf-JahresÜberlebensrate war hingegen in der gesamten Gruppe von Empfängern von
Spendern über 45 Jahren identisch mit der Gruppe, die die Herzen von jüngeren Spendern erhalten hatten. Ein Zusammenhang zwischen dem Spenderalter
und der Entwicklung einer Transplantat-assoziierten Koronaren Herzerkrankung wurde in dieser Studie nicht festgestellt (8). Mercer et altera stellten diesen Zusammenhang allerdings in einer weiteren Studie mit Herzspendern älter
als 49 Jahren fest. So zeigte sich in der Gruppe mit den Organen von Herzspendern älter als 49 Jahren nach 2 Jahren Koronarsklerose mit einer Prävalenz von 23%, wohingegen die Vergleichsgruppe eine Prävalenz von 9%
aufwies. Bezüglich der Ein- beziehungsweise der Fünf-Jahres-Überlebensrate
16
konnte auch hier kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen evaluiert
werden, jedoch wurde eine koronarangiographische Kontrolle 2 Jahre nach
Herztransplantation empfohlen. Des Weiteren wurde eine erhöhte Mortalität
innerhalb der Empfängergruppe älterer Herzen während der ersten 3 Monate
nach Transplantation festgestellt. Diese betrug hier 17%, während in der Ve rgleichsgruppe 12% der Empfänger verstarben (30).
Auch Studien mit Herzen von Spendern älter als 60 Jahren kamen zu dem Ergebnis, dass die Transplantation solcher Herzen kein geringeres Langzeitüberleben bedingt, das Auftreten von sklerotischen Veränderungen jedoch zunimmt
(31).
Lietz et altera arbeiteten in einer Studie heraus, dass die Mortalität kurz nach
HTx bei Empfängern von Herzen älter als 40 Jahren erhöht ist, ebenso wie die
Prävalenz einer KHK des Transplantats. Jedoch war die Mortalität über 6 Monate bei Empfängern solcher Herzen signifikant niedriger, als die derjenigen
Patienten, die weiterhin auf eine Transplantation warten mussten (32).
Spender/Empfänger Größenkompatibilität (size-match)
Körpergröße- und Gewicht sind relevante Kriterien um festzustellen, ob das
Spenderherz bezüglich seiner Größe für den Empfänger geeignet ist. Dies ist
wichtig, da ein zu kleines Herz möglicherweise nicht in der Lage ist, den Krei slaufanforderungen des Empfängers gerecht zu werden (33). Ein zu großes Herz
hingegen kann durch eine restriktive Dysfunktion funktionell eingeschränkt sein
(10). Eine exakte Festlegung bezüglich der Relation zwischen der Spender-und
der Empfängergröße gestaltet sich jedoch schwierig. Die Empfehlungen variieren hier, einige Autoren geben als geeignete Relation 30% Abweichung des
Spendergewichts von dem des Empfängers an (33). Auch eine Abweichung von
lediglich 20% wird in der Literatur als Toleranzgrenze vertreten (24). Diese Angaben beziehen sich allerdings nur auf das Körpergewicht, wobei auch die
Meinung vertreten wird, dass insbesondere der BMI entscheidender sei als das
Körpergewicht alleine (10). Von normalgewichtigen Spendern von 70-75 Kilogramm Körpergewicht wird angenommen, dass sie für die meisten Empfänger
17
geeignet sind. Ein größeres Herz kann sich allerdings speziell bei Empfängern
mit erhöhtem pulmonalen Widerstand als nötig erweisen (33).
Anamnese
Hier spielen insbesondere die kardialen Risikofaktoren arterielle Hypertension,
Diabetes mellitus und das Rauchverhalten des Spenders eine Rolle, da diese
ätiologisch an der Entstehung der Koronaren Herzkrankheit beteiligt sind. Diese
stellt, wie in den Ausführungen zum Spenderalter dargelegt, das Hauptproblem
bei der Transplantation älterer Spenderherzen dar, da sie die initiale Mortalität
kurz nach Transplantation erhöht. In einigen Ländern (beispielsweise Spanien)
werden anamnestische Risikofaktoren für Arteriosklerose daher auch immer
noch als relative Kontraindikationen zur Spende der Herzen betroffener Spender angesehen (24). Zusätzlich zu den oben genannten Faktoren muss daher
auch die Hypercholesterinämie genannt werden, welche ebenfalls die Entstehung der Koronarsklerose begünstigt.
Anamnestisch sollten relevante Aspekte der medizinischen und sozialen Vorgeschichte des Spenders evaluiert werden. Dies schließt das Sexualverhalten,
eine Infektionsanamnese und Drogenmissbrauch mit ein (24).
Für die Herztransplantation relevante medizinische Aspekte sind hier besonders auch vorbestehende Beeinträchtigungen des potentiellen Spenderherzens
wie bekannte KHK, Klappenvitien und Herzrhythmusstörungen. Insbesondere
sollten auch stattgefundene Herzoperationen und Myokardinfarkte evaluiert
werden (10).
Todesursache
Auch die Todesursache kann wichtige Hinweise auf eine mögliche kardiale B eeinträchtigung liefern. Hier sind speziell die Umstände des Hirntodes von Bedeutung, da verschiedene Schädigungsmuster des Gehirns unterschiedliche
Antwortreaktionen hervorrufen. Diese beeinflussen auch das Herz des Verstorbenen in unterschiedlicher Art und Weise (5). Dabei spielt insbesondere der
18
Sympathikussturm eine Rolle, bei dem im Rahmen des Hirntodes exzessiv Katecholamine ausgeschüttet werden. Die Intensität dieser Entgleisung hängt
auch davon ab, ob diese Steigerung kontinuierlich oder plötzlich stattfindet und
hat Einfluss auf die Intensität der hervorgerufenen kardialen Schäden (21). So
wurde beispielsweise festgestellt, dass atraumatische intrakranielle Blutungen
einen höheren Einfluss auf kardiale Schäden haben als etwa Schädel-HirnTraumata (34).
Auch indirekt kann die Todesursache Rückschlüsse auf mögliche kardiovaskuläre Beeinträchtigungen ermöglichen. So muss etwa die hypertensive Massenblutung als Zeichen einer vorbestehenden Hypertonie gedeutet werden, die mit
kardialen Beeinträchtigungen einhergehen kann (10).
Malignome
Die meisten diagnostizierten Malignome bedeuten als absolute Kontraindikation
den Spendeausschluss des Herzens. Ausnahmen sind hierbei supratentoriell
gelegene Tumore cerebraler Genese. Ist hier noch keine Fernmetastasierung
nachweisbar, besteht nach Auffassung der meisten Autoren keine Gefahr einer
Verschleppung der Neoplasie auf den Empfänger des Herzens (5). Einige Autoren schließen auch das Carcinoma in situ der Cervix uteri und das primäre Basalzellkarzinom nicht von der Spende aus (24). Dies macht insofern Sinn, als
dass diese die Basalmembran noch nicht infiltriert haben (Carcinoma in situ),
beziehungsweise als semimaligner Tumor (Basalzellkarzinom) nur sehr selten
metastasieren.
Infektionsserologie
Die Transplantation von Herzen mit Mikroorganismen infizierter Spender kann
zu einer Übertragung der Infektion auf den Empfänger führen. Dies kann eine
systemische Infektion zur Folge haben, bei bakteriellen Infektionen des Spenders besteht auch die Möglichkeit der Übertragung von Endotoxinen, mit Initiierung eines systemischen Schocks im Empfänger. Weiter kann eine Sepsis des
19
Spenders Einfluss auf eine myokardiale Dysfunktion des Herzens haben (33).
Eine Sepsis oder unkontrollierte Infektion bakterieller, fungoider oder viraler
Genese sollte ausgeschlossen werden und wird von einigen Autoren als absolute Kontraindikation für eine Herzspende aufgeführt. Auch durch Prionen ve rmittelte Krankheiten wie Creutzfeldt-Jacob oder Kuru sollten bei Verdacht abgeklärt werden. Auch dies wird als absolute Kontraindikation gewertet (24).
Serologisch sollten folgende virale Infektionen beurteilt werden: HIV, Hepatitis
B, Hepatitis C, CMV, Ebstein-Barr und Toxoplasmose. Herzen von Spendern
mit positivem Befund müssen nicht per se als Spenderorgan ausgeschlossen
werden. So können die Herzen von bezüglich HIV, Hepatitis B und Hepatitis C
positiven Spendern transplantiert werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn
der Empfänger ebenfalls mit dem entsprechenden Virus infiziert ist (10). Diese
Verfahrensweise ist allerdings bezüglich Hepatitis C aufgrund seiner vielen
Subtypen nicht unumstritten (5).
Hypernatriämie
Natriumspiegel über 150 mmol/l sollten vermieden werden, da diese möglicherweise das postoperative Ergebnis negativ beeinflussen (10). Einige Autoren
deuten Natriumspiegel größer als 160 mmol/l auch als Zeichen eines unzureichenden Managements des im Rahmen des Hirntodes auftretenden Diabetes
insipidus. Im Rahmen dieser Interpretation wird auch angemerkt, dass dieses
„Warnzeichen“ (35) möglicherweise Anlass geben sollte, auch weitere Aspekte
des Spendermanagements bei den betroffenen Patienten kritisch zu betrachten
(35). Eine isolierte Hypernatriämie wird allerdings nicht als Ausschlussgrund
eines Spenderherzens angesehen (10).
Kardiale Enzyme
Die Wichtigkeit der kardialen Enzyme Troponin und Kreatinkinase für die Spenderbeurteilung ist derzeit noch nicht gesichert. Insbesondere in Verbindung mit
einer linksventrikulären Dysfunktion dienen sie zur Abklärung einer möglicher20
weise aufgetretenen Ischämie. Auch ist keine eindeutige Evidenz zwischen den
erhöhten Enzymen und einem frühen Transplantatversagen bekannt (36). So
können diese Enzyme insbesondere auch nach Thoraxtraumata und kardiopulmonaler Wiederbelebung (CPR) ansteigen (10). Viele Herzspender weisen
allerdings auch davon unabhängig erhöhte Werte von Troponin – und Kreatininkinase auf, ohne dass Zeichen der ventrikulären Dysfunktion durch häm odynamische Parameter oder in der Bildgebung festgestellt werden könnten (36).
Vor einem Ausschluss des Spenderherzens lediglich aufgrund erhöhter kardialer Enzyme, sollten weitere Abklärungen bezüglich des Organs durchgeführt
werden, die auch die Koronarangiographie beinhalten kann (10).
Einsatz von Katecholaminen
Katecholamine kommen im Rahmen des hämodynamischen Managements zum
Einsatz. Das Ziel ist es, einen ausreichenden kardialen Auswurf zu erreichen,
ohne dabei auf hohe Dosen von Ionotropika zurückzugreifen. Diese bewirken
einen erhöhten Verbrauch von Sauerstoff und ATP im Myokard (36). Daher
können hohe Dosen von Katecholaminen auch strukturell gesunde Herzen
schädigen und sind erst nach einem Ausgleich der Flüssigkeitsbilanz und Erre ichen einer Normovolämie einzusetzen. Grenzwertüberschreitende Therapie mit
ionotropen Medikamenten stellt derzeit eine Kontraindikation zur Organentnahme dar (10).
Ischämiezeit
Die Ischämiezeit hat besonders in Kombination mit anderen Kriterien wie dem
Spenderalter und der ionotropen Therapie Einfluss auf die initiale Funktion des
Herzens nach Transplantation (33). Aufgrund der Abhängigkeit auch von anderen Risikofaktoren ist eine genaue Höchstgrenze der tolerierbaren Ischämiezeit
nicht festzulegen (33), in der derzeitigen Literatur variieren die Angaben zwischen 4 und 5 Stunden (33,24).
21
Elektrokardiogramm
Das EKG gibt nichtinvasiv bereits erste Hinweise auf mögliche kardiale Pathologien. Der Sinusrhythmus und eventuell vorbestehende Rhythmusstörungen
können ebenso beurteilt werden wie Präexzitationssyndrome (10). Bei Auftreten
von unbeherrschbaren ventrikulären Arrythmien sollte auf die Transplantation
des Herzens verzichtet werden (33). Auch Hinweise auf vorliegende ischämische Gebiete können im EKG gefunden werden, wodurch es möglich ist,
anamnestische Infarkte mit Narbenbildung zu verifizieren. Auch eine Hypertrophie des linken oder rechten Ventrikels kann hier bereits evaluiert werden (10).
Echokardiographie
Die Echokardiographie dient der Abklärung der Dimension der beiden Ventrikel,
der Funktion der Ventrikel und der Dicke des Ventrikelmyokards. Weiterhin wird
die Morphologie der Herzklappen beurteilt und das Vorhandensein kongenitaler
Vitien geprüft (10).
Der linke Ventrikel sollte einen enddiastolischen Durchmesser von 55 Millimetern hierbei nicht überschreiten (35). Der rechtsventrikuläre Grenzwert beträgt
30 Millimeter enddiastolisch (10).
Die Ventrikelfunktion kann durch verschiedene Einflüsse beeinträchtigt werden.
Im Rahmen des eingetreten Hirntodes hat hier insbesondere der auftretende
Katecholamin-Stress eine Bedeutung (10). Auch andere Faktoren wie beispielsweise der
auftretende Mangel an Schilddrüsenhormonen können vo-
rübergehende Beeinträchtigungen der Ventrikelfunktion mit sich bringen. Durch
eine angemessene intensivmedizinische Betreuung können diese Beeinträchtigungen allerdings positiv beeinflusst werden (37). Aufgrund der teilweisen Reversibilität möglicher, durch den Hirntod bedingter Dysfunktionen werden auch
mehrfache echokardiographische Untersuchungen für eine genaue Evaluierung
empfohlen, um einen unnötigen Ausschluss des Spenderorgans zu vermeiden
(35).
22
Eine feststellbare LVEF von über 45% gilt als unbedenklich für die Organfunktion nach Transplantation, darunterliegende Werte machen möglicherweise eine
Anpassung des hämodynamischen Managements erforderlich. Steigt die LVEF
trotz dieser Anpassung und unter ionotroper Therapie nicht über 40% an, sollte
das Herz abgelehnt werden (33). Bei der Beurteilung der Ventrikelfunktion sind
auch vorhandene Wandbewegungsstörungen zu beachten. Diese können möglicherweise dem Versorgungsgebiet einzelner Koronararterien zugeordnet we rden. Hier ist eine Korrelation mit dem vorhandenen EKG-Befund abzuklären.
Bei anamnestischem Vorhandensein kardiovaskulärer Risikofaktoren sollte hier
eine entsprechende Abklärung durch KA erfolgen (10).
Bei der Beurteilung der linksventrikulären Hypertrophie ist insbesondere auch
der Volumenstatus des Spenders zu beachten, da eine Hypovolämie eine Hypertrophie des Ventrikels vortäuschen kann (10).
Nicht minimale Klappenvitien und kongenitale Fehlbildungen stellen eine Kontraindikation für die Transplantation des betroffenen Herzens dar (10).
2. Koronarsklerose, Koronare Herzkrankheit und Koronarangiographie bei Herzspendern
2.1 Risikofaktoren und Pathogenese der Koronarsklerose
Die Koronarsklerose ist die Atherosklerose der Koronargefäße. In der Pathogenese der Atherosklerose besteht initial eine Schädigung der Funktion des G efäßendothels. Diese kann durch diverse Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Nikotin, Immunmechanismen, hämodynamische Faktoren oder eine Hyperlipidämie verursacht werden (siehe unten) (38). Die gestörte Funktion des Endothels
bedingt in weiterer Folge einen Einstrom von Lipoproteinen in die Intima der
geschädigten Gefäße. Insbesondere das sogenannte „minimal oxidierten
LDL“ (mo-LDL) spielt hier eine Rolle. Die Akkumulation des mo-LDL bewirkt
eine Expression von Adhäsionsmolekülen auf den Endothelzellen (38). Diese
23
ermöglichen die Adhäsion von Leukozyten mit einer nachfolgenden Invasion in
die Gefäßwand (39). Durch die Bildung von Chemokinen durch die Endothelze llen wird auch die Umwandlung von Monozyten in Makrophagen in der Intima
verstärkt. Diese eingewanderten Monozyten phagozytieren die eingelagerten
Lipide über Scavenger-Rezeptoren und entwickeln sich zu sogenannten
Schaumzellen (39). Die Phagozytose betrifft hierbei vermehrt Lipide, die durch
reaktive Sauerstoffspezies aus Endothelzellen und Makrophagen hochgradig
oxidiert wurden.
Im Rahmen der intimalen Entzündungsreaktion akkumulieren die Schaumzellen
in der Intima und sezernieren proinflammatorische Mediatoren, was eine Einwanderung von T-Lymphozyten initiiert (39). Diese fördern die Expression von
Scavenger-Rezeptoren auf den Makrophagen und verstärken dadurch den akkumulativen Prozess (38).
Im weiteren Verlauf gehen zahlreiche dieser mit Lipiden beladenen Makrophagen zu Grunde und hinterlassen in zunehmendem Maße die vorher aufgenommenen Lipide. In diesem Stadium zeigen sich morphologisch bereits arterielle
Lipidflecken, die sogenannten „fatty streaks“ (39). Diese sind die ersten Erscheinungen der Atherosklerose und sind ab der Adoleszenz auch in den Koronararterien sichtbar. Diese Veränderungen können sich noch zurückbilden, ein
Übergang zu den nachfolgenden Plaqueformen ist nicht zwingend (38).
Durch die Einwanderung von Lymphozyten in die Intima, deren Ausschüttung
von Entzündungsmediatoren und die Entstehung chemotaktischer Stoffe wird
die entzündliche Reaktion im entstandenen Lipidplaque weiter verstärkt. Im
Rahmen der Entzündungsreaktion kommt es auch zur gesteigerten Bildung von
Wachstumsfaktoren und daraufhin zur Vermehrung und Einwanderung glatter
Muskelzellen. In diesem Stadium zeigt sich die Bildung fibröser Plaques. Die
Lokalisation dieser Plaques ermöglicht eine Einteilung nach ihrem gehäuften
Auftreten (38).
Im weiteren Verlauf kommt es zu einer zellulär vermittelten Kalzifizierung der
Läsion und die Gefahr einer Ulzerierung mit nachfolgender Thrombosierung
steigt. Man spricht von atheromatösen Plaques (38).
24
Die Risikofaktoren und Pathogenese der Erkrankung entsprechen denen anderer arterieller Gefäße. Diverse Risikofaktoren, welche weiter in Risikofaktoren 1.
und 2. Ordnung unterteilt werden können, sind für die Entstehung entscheidend.
Als nicht zu beeinflussende Risikofaktoren höchsten Grades sind das Lebensalter und das Geschlecht zu betrachten. Bereits in der 2. Lebensdekade können
Lipideinlagerungen in der Intima der Koronargefäße nachgewiesen werden (38).
Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl der Läsionen zu, wie auch die Entwicklung zu manifester atherosklerotischer Veränderungen. Während Frauen
bis zur Menopause von dem protektiven Effekt der Östrogene profitieren, sind
Männer früher und proportional öfter von Arterienveränderungen betroffen. In
der Altersgruppe von 60 bis 80 Jahren gleicht sich die Mortalität durch Gefäßveränderungen ausgelöster Erkrankungen zwischen den Geschlechtern wieder
an (38).
Während Alter und Geschlecht nicht verändert werden können, sind Hochrisikofaktoren wie arterielle Hypertonie (aHT), Hyperlipidämie und Nikotinabusus
sehr wohl beeinflussbar. Eine aHT führt zu Endothelschädigungen und fördert
damit die Entwicklung atherosklerotischer Läsionen. LDL-Cholesterin ist direkt
an der Entstehung atherosklerotischer Läsionen beteiligt, da es passiv die interzellulären Verbindungen zwischen den Endothelzellen passiert. Günstig
können sich zu diesem Zeitpunkt noch hohe Serumspiegel an HDL-Cholesterin
auswirken, da dieses in der Lage ist, den Cholesterinanteil der abgelagerten
LDL-Moleküle abzutransportieren. Erfolgt dieser Abtransport nicht, können die
abgelagerten Lipoproteine durch Stoffwechselprodukte der Endothelzellen oxidiert werden (38).
Einige Autoren messen dem LDL-Cholesterin und gesättigten Fettsäuren eine
Bedeutung bereits bei der Entstehung der endothelialen Dysfunktion bei (39).
Nikotinkonsum bewirkt ein früheres Auftreten der Erkrankung mit einer schne lleren Progression. Die exakten pathogenetischen Einflüsse sind noch nicht klar
(38).
Einer der wichtigsten Risikofaktoren stellt Diabetes mellitus dar: Durch den erhöhten Glukosespiegel kommt es zu Autoglykolisierung von Proteinen. Diese
können Endothelschäden verursachen und spielen auch durch die Förderung
25
einer verstärkten Phagozytose in der Pathogenese der Artherosklerose eine
Rolle. Sekundäre Risikofaktoren sind Adipositas, körperliche Inaktivität, Hyperurikämie, Stress (hier vor allem Distress) und hormonelle Faktoren (38).
Anamnestisch ist bei der Evaluierung eines potenziellen Spenderherzens immer auf diese Risikofaktoren zu achten, diese sollten aber nicht als alleiniger
Ablehnungsgrund eines Organs gelten. Häufiger sollte im Zweifelsfall durch
eine sKa abgeklärt werden, ob, verursacht durch diese Risikofaktoren, tatsächlich eine relevante Koronarsklerose feststellbar ist.
2.2 Koronare Herzkrankheit
Als Koronare Herzkrankheit (KHK) bezeichnet man die Manifestation der
Atherosklerose in den Koronargefäßen. Im Verlauf der Erkrankung kommt es
durch eine oder mehrere Stenosierungen zu einer Limitation des Blutflusses in
den betroffenen Herzkranzgefäßen. Konsekutiv kommt es zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf des Myokards (9).
Hierbei ist es wichtig, die Zahl der epikardialen Gefäße zu definieren, die durch
Stenosen funktionell betroffen sind.
Hier sind besonders 4 Gefäße von Bedeutung:

Die rechte Koronararterie mit akut marginalen Ast, dem posterior deszendierenden Ast und posterolateralen Ast

Der Hauptast der linken Koronararterie

Die linke anteriore deszendierende Arterie und deren diagonale Äste

Die linke Arteria circumflexa und deren Marginaläste
Nach Anzahl der stenosierenden Läsionen unterscheidet man sowohl angiographisch als auch pathologisch-anatomisch zwischen Ein-, Zwei-, Drei- und
Viergefäßerkrankungen (38).
26
Entsprechend der Verminderung des Lumendurchmessers in Prozent können
verschiedene Grade der Gefäßstenose unterschieden werden (9):

Grad I:
25-49%

Grad II:
50-74% (signifikante Stenose)

Grad III:
75-99% (kritische Stenose)
Perfusionsstörungen im Stromgebiet einer betroffenen Arterie sind erst bei einer Lumeneinengung von mehr als 50% zu erwarten, hier spielt jedoch auch
das Ausmaß möglicherweise ausgebildeter Kollateralgefäße eine Rolle (9).
Sind keine Kollateralgefäße ausgebildet, kommt es ab einer Lumeneinengung
von 75% zu einer belastungsabhängigen Angina pectoris, da die Koronarreserve des betroffenen Gefäßes erschöpft ist (9). Ab einer Stenosierung von 90%
ist auch unter Ruhebedingungen nicht mehr mit einer ausreichenden Blutve rsorgung des Myokards zu rechnen (38). Neben der klinischen Manifestationsform der Angina pectoris kann sich die KHK auch als akuter Myokardinfarkt
präsentieren. Auch Herzrhythmusstörungen treten häufig im Rahmen der Erkrankung auf und können zum plötzlichen arrhythmiebedingten Herztod führen
(40).
2.3 Koronarangiographie bei Herzspendern
Durchführung und Aussagekraft der Koronarangiographie
Die KA ist eine Röntgenkontrastdarstellung der Koronararterien. Diese erfolgt
im Rahmen einer Katheterisierung des linken Herzens (41) und ist damit ein
invasives Verfahren. Der arterielle Zugang kann hierbei auf zwei Arten erfolgen.
Üblicherweise wird initial die Arteria femoralis punktiert (Judkins-Technik),
selten erfolgt eine Punktion der Arteria brachialis oder der Arteria radialis
(modifizierte Sones-Technik) (9). Bei Punktion der Arteria femoralis wird der
Katheter im weiteren Verlauf über die Arteria iliaca externa und die Aorta bis an
die Abgänge der Koronarterien vorgeschoben (41). Anschließend werden die
27
Ostien der linken und rechten Koronararterie katheterisiert. Durch den
vorgebrachten Katheter wird nun Röntgenkontrastmittel in die entsprechenden
Gefäße injiziert (40).
Zusätzlich können durch Kontrastmittelinjektion in den linken Ventrikel (Laevo kardiographie)
zusätzliche
Informationen
über
Größe,
Form
und
Kontraktionsverhalten des linken Ventrikel gewonnen werden.
In der bildgebenden Diagnostik zur Beurteilung der Koronararterien stellt die
KA derzeit den Goldstandard dar (9). Die Nachweisbarkeitsgrenze zur
Erkennung einer Stenosierung liegt hierbei bei einer Stenosierung von bis zu
40% (9).
Bedeutung der Koronarangiographie in der Beurteilung von Herzspendern
Eine vorbestehende signifikante Stenose in mindestens einem Herzkranzgefäß
des
Spenderherzens
ist
mit
einem
2-3fach
erhöhten
Risiko
der
Transplantatdysfunktion nach erfolgter Transplantation verbunden (10). Hierbei
zeigen sich geringradige Unterschiede zwischen gesunden Herzen und Herzen
mit einer 1-Gefäßerkrankung. Bei 2- und 3-Gefäßerkrankungen ist allerdings
mit einer deutlich erhöhten Mortalität in den ersten 30 Tagen nach
Transplantation zu rechnen (7). Dennoch zeigten Untersuchungen, dass eine
signifikante Koronarsklerose, die zum Teil auch mehrere Gefäße betrifft, trotz
echokardiographischer Abklärung und Inspektion durch den entnehmenden
Chirurgen, in bis zu 7% der Fälle übersehen und daher mittransplantiert wird
(7).
Das Auftreten koronarsklerotischer Läsionen ist dabei nicht nur vom Alter des
Spenderherzens
abhängig.
Sehr
frühe
Studien
haben
gezeigt,
dass
Koronarsklerose bereits bei sehr jungen Patienten auftreten kann (6). So
weisen schon Spender unter 20 Jahren in 17% aller Fälle atherosklerotische
Läsionen ohne signifikante Stenosierungen auf. In der Spendergruppe von 40 49 Jahren sind diese Läsionen in 71% vorhanden (10). Die Pathogenese der
Atherosklerose
zeigt
jedoch,
dass
28
die
progressive
Veränderung
der
auftretenden Läsionen ein stufenhafter Prozess ist, in dem sich signifikante
Stenosierungen erst im zeitlichen Verlauf bilden.
Die Evaluierung potentieller Spenderherzen durch EKG und Echokardiographie
ist in weiten Bereichen darauf ausgelegt, ob signifikante Stenosen in den
Herzkranzgefäßen vorhanden sind, die in ischämischen Beeinträchtigungen
des
Herzens
resultieren.
Veränderungen,
die
sekundär
durch
den
eingetretenen Hirntod hervorgerufen werden, können solche Veränderungen
simulieren, sind aber potentiell reversibel (42).
Ab welchem Grad der durch das Spenderherz übertragenen Koronarsklerose
die initiale Funktion nach Transplantation beeinflusst wird ist allerding noch
unklar, da eine KA bei Spendern unter 60 Jahren in der derzeitigen
Spenderevaluierung
die
Ausnahme
koronarsklerotische
Läsionen
und
darstellt
Herzen
(35).
mit
Diffus
verteilte
Koronarsklerose
bei
vorausgegangenen Infarkt stellen unbestrittene Ausschluskriterien dar (35).
Einzelne Stenosen mit akzeptabler Funktion in dem durch das betroffene Gefäß
versorgten Myokardareal können aber nach momentanen Stand der Forschung
akzeptiert werden, insbesondere wenn eine PTCA im Rahmen der KA, oder
eine Bypassversorgung im Rahmen der Herztransplantation in Betracht
gezogen wird (35).
Empfehlungen zur Koronarangiographie in der Beurteilung von Herzspendern
Im
österreichischen
Konsensusbericht
von
2010
des
Arbeitskreises
„Herztransplantation“ der österreichischen Gesellschaft für Kardiologie (10)
wird folgendes Vorgehen für die KA bei Herzspendern empfohlen:
Bei Spendern ab 60 Jahren oder älter, bei koronarer Anamnese oder
auffälligem Risikoprofil sollte verpflichtend eine KA durchgeführt werden
Bei Spendern älter als 45 Jahre ist eine KA als Standarduntersuchung
erwünscht
29
Hierbei sollte die KA als letzter Untersuchungsschritt und nur dann
durchgeführt werden, wenn das Organ bei apathologischem Befund sicher
akzeptiert wird (10).
Andere Empfehlungen zur Evaluierung von Herzspendern legen nahe,
männliche Spender ab einem Alter von 55 Jahren, Spenderinnen ab einem
Alter von 60 Jahren standardmäßig einer KA zu unterziehen. Bei Vorliegen von
2 Risikofaktoren wird hier eine Abklärung ab 40 Jahren bei Männern, ab 45
Jahren bei Frauen empfohlen. Bei Vorliegen von 3 Risikofaktoren sollte
altersunabhängig koronarangiographiert werden (23).
Manche Autoren betrachten eine generelle KA zur Evaluierung potentieller
Herzspender ab 40 Jahren als Grundvoraussetzung für eine adäquate
Beurteilung
(35).
Dies wird
damit begründet,
dass auch
signifikante,
asymptomatische Stenosen mindestens eines Herzkranzgefäßes bereits in
Populationen mit einem Durchschnittsalter von 20-25 Jahren mit einer
Prävalenz von 20% vorliegen können (35).
3. Ziel der Studie
Durch den Spendermangel von Herzorganen müssen alle Anstrengungen
unternommen werden, jedes geeignete Organ zur Organspende zu bringen. Zu
einer adäquaten Herzorganspenderpflege zählt auch die Durchführung einer
KA, um eine mögliche KHK als Kontraindikation der HTx festzustellen.
Primäres Ziel ist die retrospektive Auswertung der Anzahl der KA, die rein zum
Zweck einer Spenderevaluierung durchgeführt wurden (sKA) und deren
Befunde. Weiter wird der Prozentsatz bereits vorliegender KA (vKA) und deren
Befunde ausgewertet.
Die sekundären Ziele waren der Prozentsatz nicht angebotener Spenderherzen
bei ET, abgelehnter Spenderherzen durch ET, intraoperativ abgelehnter
Spenderherzen sowie die Gründe der Ablehnungen und die Auswirkung nicht
durchgeführter sKA auf die Organspende.
30
4. Methode
Alle zwischen 2000 und 2010 gemeldeten Herzspender am Universitätsklinikum
Graz wurden retrospektiv durch Chartanalyse evaluiert. Als Einschlusskriterium
zur Auswahl der Patienten wurde hierbei ein Patientenalter jünger oder höchstens 65 Jahre alt festgelegt. Es wurde kein Mindestalter als Einschlusskriterium
definiert, die beurteilte Gruppe beinhaltete sowohl Frauen als auch Männer.
Ausschlusskriterien waren Patienten über 65 Jahre und Spender, welche nicht
auf einer Intensivstation des Universitätsklinikum Graz versorgt wurden.
Wir evaluierten, bei wie vielen der Patienten eine sKA durchgeführt wurde, rein
zum Zweck der Abklärung des Koronarstatus für eine mögliche Herztransplantation. Zusätzlich wurde evaluiert, ob bereits im Rahmen einer vorausgegangenen medizinischen Abklärung eine vKA stattgefunden hatte. Die Ergebnisse
dieser Untersuchungen wurden diesbezüglich ausgewertet, ob sie zu einer Annahme oder zu einer Ablehnung des Organs beigetragen haben.
In einem weiteren Schritt wurde evaluiert, wie viele der gemeldeten Herzen tatsächlich transplantiert und wie viele Spenderorgane letztlich abgelehnt wurden.
Aufgrund dieser Auswertung wurden die Herzen weiter in folgende Gruppen
unterteilt: Herzen, die bereits primär in Graz durch die Befunde der klinischen
Untersuchungen von einer Transplantation ausgeschlossen wurden und Herzen,
die aufgrund der Befundlage als Spenderorgan an Eurotransplant gemeldet
wurden.
Die Ablehnungsgründe der primär in Graz abgelehnten Spender wurden erfasst
und ausgewertet.
Die an Eurotransplant angebotenen Herzen konnten wiederum in zwei Gruppen
gegliedert werden: Herzen, die durch Eurotransplant abgelehnt wurden und
solche, die durch Eurotransplant akzeptiert und tatsächlich transplantiert wu rden.
Die Ablehnungsgründe wurden aus den Patientendokumentationen von Eurotransplant erfasst und ausgewertet.
31
Es ergaben sich daher 4 Aspekte, unter denen die Spenderherzen betrachtet
werden können:
1. Durch Koronarangiographie abgeklärte Organe
2. Primär durch das Universitätsklinikum Graz abgelehnte Organe
3. Bei Eurotransplant angebotene Organe
4. Tatsächlich transplantierte Organe
Die Studie wurde bei der Ethikkommission der Medizinischen Universität Graz
eingereicht (EK Nummer 24-159 ex 11/12). Es wurde kein Einwand gegen die
Datenauswertung erhoben und die Studie damit bewilligt.
Die Daten wurden aus Krankenakten, Befunden der koronarangiographischen
Untersuchung und den Koordinationsbüchern der Klinischen Abteilung für
Transplantationschirurgie retrospektiv gewonnen. Das Datenmaterial wurde in
Excel Tabellen eingegeben. Die Daten wurden in das SPSS 15.0 (SPSS ICN,
Chicago, IL USA) eingegeben und ausgewertet. Die Auswertung war in erster
Linie deskriptiver Art.
5. Ergebnisse
5.1 Patientengut
Zwischen den Jahren 2000 und 2010 wurden 292 hirntote Personen (187
männlich, 105 weiblich; Durchschnittsalter 42 Jahre +/- 14,7 Standardabweichung) welche jünger als 66 Jahre waren, dem Universitätsklinikum Graz, Abteilung für Transplantationschirurgie als mögliche Organspender gemeldet. In
17 Fällen (Gruppe1) lag entweder eine ältere KA vor (n=6), so dass auf eine
sKA verzichtet werden konnte, oder es wurde eine sKA durchgeführt (n=11).
Von 292 potenziell verfügbaren Organen wurden 91 durch das lokale universitäre Transplantationskoordinationszentrum als nicht transplantabel eingestuft
32
(Gruppe 2) und somit 201 Herzspenderorgane bei Eurotransplant zum weiteren
matching eines geeigneten Empfängers gemeldet (Gruppe 3). 140 Herzen
konnten schlussendlich erfolgreich transplantiert werden (Gruppe 4).
5.2 Gruppe 1 - Durch Koronarangiographie abgeklärte Organe
Von 292 gemeldeten Organspendern fanden wir lediglich bei 17 Patienten (6%)
den Befund einer KA zur Beurteilung der Organqualität. Von diesen 17 KA waren 6 (2%) (4 m, 2 w; DA 50.7 Jahre +/- 5.9 SA) als KA aus einer früheren medizinischen Abklärung bereits vorliegend. Im Rahmen der Spenderevaluierung
lag in 11 Fällen (4%) (5 m, 6w; DA 49 Jahre +/- 3.97 SA) eine sKA vor. Die 6
vKA hatten alle einen pathologischen Befund (siehe Tabelle 1) und wurden
primär durch das lokale Koordinationszentrum (Universitätsklinikum Graz) als
nicht transplantabel eingestuft und von der Transplantation ausgeschlossen.
Koronarangiographie
Befund der Koronarangiographie/Bekannte Behandlung
1
KA mit durchgeführter PTCA
2
KHK1 mit rupturierter Plaque in der LAD, Tandemläsion, Persistierendes FO 4mm
3
KA mit mehrfachen Stents
4
KHK3 mit Hauptstammbeteiligung von 95%
5
KHK3, rupturierter Plaque in der RCA, dünn-diffus sklerosierte
Koronargefäße
6
KHK3 mit Hauptstammbeteiligung 50%, Rupturierter Plaque in
RCA
Tabelle 1. Befunde der bereits vorgelegenen Koronarangiographien
Bei 11 Patienten erfolgte eine Koronarangiographie gezielt zur Spenderevaluierung im
Sinne einer sKA. Es ergaben sich 4 (3 m, 1w; DA 49 Jahre+/- 2.4 SA) pathologische
Befunde (Tabelle2) und in 7 Patienten (2 m, 5w; DA 49 Jahre+/- 4.7 SA) konnten keine
pathologischen Befunde nachgewiesen werden. Bei den 4 möglichen Organspendern,
33
bei welchen sich eine Pathologie der Koronararterien gezeigt hatte, wurde die weitere
Spenderevaluierung beendet. In den 7 normal befundeten Herzen (63% aller gezielten
Spender-Angiographien) konnten alle als Spenderorgane an Eurotransplant gemeldet
werden. Hier wurde lediglich eines dieser Organe durch Eurotransplant selbst abgelehnt (der Ablehnungsgrund war allerdings nicht koronar bedingt, sondern eine Hypernatriämie des Spenders), während die anderen 6 erfolgreich transplantiert werden
konnten.
Koronarangiographie
Befund der Koronarangiographie
7
KHK2
8
KHK2
9
KHK3, diffus
10
KHK1, linker Ventrikel stark hypertrophiert
Tabelle 2. Pathologische Befunde der Spender-Koronarangiographien
5.3 Gruppe 2 - Primär durch das Universitätsklinikum Graz abgelehnte Organe
Insgesamt wurden 152 Herzen nicht transplantiert (92 m, 60 w; DA 47.7 Jahre
±13.4 SA). Dies entspricht 52% aller gemeldeten Organe. 91 Herzen (50 m,
41w; DA 48.8 Jahre ±12.7SA) sind nach ihrer Bewertung bereits in Graz abgelehnt worden und wurden in weiterer Folge nicht an Eurotransplant gemeldet,
da das Organ als nicht transplantabel eingestuft wurde. Bei 10 Patienten war
die vorliegende KA (siehe 5.2) oder die durchgeführte sKA (siehe 5.2) der
Grund für die Ablehnung. Die weiteren Ablehnungsgründe sind in Tabelle 3
aufgeführt.
34
Anzahl der
abgelehnten
Patienten
Grund der Ablehnung
Abnormale Echokardiographie
16
Kardiopulmonale Wiederbelebung / Herzstillstand
6
Hohe Katecholamin - Serumkonzentration
4
Rhythmusstörungen
3
Vorangegangene Herzoperation / Myokardinfarkt
6
Alter
4
Anamnese / Risikofaktoren (Rauchen, Hypercholesterinämie, Hypertension)
20
Andere organische Erkrankungen, die zum Ausschluss führten
6
Wunsch von Angehörigen
2
Angiographie
10
Unbekannt
14
Tabelle 3. Ablehnungsgründe aller durch das Universitätsklinikum Graz abgelehnten
Spenderherzen
Unterteilt man die Patienten dem Alter nach (jünger/gleich 45 Jahre alt oder
älter), so waren von den 91 abgelehnten Spenderorganen 64 (67% der primär
abgelehnten Organe) älter oder genau 45 Jahre alt. In der gesamten Gruppe
waren 10 KA (6 KA und 4 sKA) zur Beurteilung der Organqualität verfügbar;
alle ergaben pathologische Werte und waren der Grund, das Organ nicht weiter
zu evaluieren. 8 dieser KA wurden bei Patienten von 45 Jahren oder älter
durchgeführt. Die weiteren Ablehnungsgründe für diese Herzspender sind in
Tabelle 4 dargestellt:
35
Anzahl der
abgelehnten
Patienten
Grund der Ablehnung
Abnormale Echokardiographie
10
Kardiopulmonale Wiederbelebung / Herzstillstand
6
Hohe Katecholamin-Serumkonzentration
2
Rhythmusstörungen
1
Vorangegangene Herzoperation / Myokardinfarkt
3
Alter
3
Anamnese / Risikofaktoren (Rauchen, Hypercholesterinämie,
Hypertension)
15
Andere organische Erkrankungen, die zum Ausschluss führten
5
Wunsch von Angehörigen
2
Angiographie
8
Unbekannt
9
Tabelle 4. Ablehnungsgründe der Spenderherzen 45 Jahre alt oder älter, die durch
das Universitätsklinikum Graz abgelehnt wurden
5.4 Gruppe 3 - Bei Eurotransplant angebotene Organe
Insgesamt wurden nach initialer Beurteilung durch das Universitätsklinikum
Graz 201 Spenderherzen bei ET angeboten. 140 Herzen wurden akzeptiert und
konnten in geeignete Empfänger transplantiert werden. 61 Herzen (42 m, 19 w;
DA 45.9 Jahre+/- 14.2 SA) konnten jedoch nicht zur Transplantation gebracht
werden, das entspricht 21 Prozent aller gemeldeten möglichen Herzorgane.
Diese 61 Herzen wurden also zunächst als transplantationstauglich bewertet,
im weiteren Verlauf wurde das Organ jedoch als ungeeignet eingestuft. Hier
gab es zwei verschiedene Szenarien:
36
Das Organ konnte von ET nicht alloziiert werden (d.h. es wurde kein geeigneter
Empfänger gefunden, beziehungsweise andere Herztransplantationszentren
stuften das Risiko der Herztransplantation mit diesem Spenderorgan für ihren
Empfänger als zu hoch ein), dies traf für 39 Spenderherzen zu.
Oder das Organ wurde vorläufig für einen Herzempfänger akzeptiert, aber aufgrund von neu aufgetretenen Befunden oder einer Verschlechterung des Organspenders nicht zur Transplantation gebracht. Letzteres war bei 22 Orga nspendern (20 m, 2 w; DA 44.1 Jahre +/- 12.6 SA) der Fall. Diese wurden initial
von ET akzeptiert und an die Transplantationszentren geeigneter Empfänger
vermittelt. In 18 Fällen wurde ein Explantationsteam von außen eingeflogen,
ohne dass es schließlich zu einer Transplantation des Herzens gekommen wäre. In vier Fällen erfolgte die Exploration durch Chirurgen aus dem lokalen
Herztransplantationszentrum des Universitätsklinikum Graz.
Die Ablehnungsgründe für die 39 nicht allozierbaren Spenderherzen (22 m, 17 w;
DA 46.9 Jahre +/- 15.3 SA) sind in Tabelle 5 aufgeführt.
Anzahl der
abgelehnten
Spenderherzen
Grund der Ablehnung
Hypernatriämie
2
Size- missmatch
30
Keine Koronarangiographie durchgeführt
3
Cor hypertonicum
1
Sonstige
3
Tabelle 5. Ablehnungsgründe der durch ET nicht allozierten Spenderherzen
Die Ablehnungsgründe der direkt am Operationstisch abgelehnten Herzen sind
in der folgenden Tabelle 6 ersichtlich.
37
Anzahl der
abgelehnten
Spenderherzen
Grund der Ablehnung
Sklerose/Palpationsbefund
17
Hypertrophie
4
Sonstig
1
Tabelle 6. Ablehnungsgründe der direkt am OP-Tisch abgelehnten Spenderherzen
7 der abgelehnten Herzen konnten als Homograft (ein Herzklappenersatz aus
behandeltem menschlichen Gewebe) weiter verwertet werden.
5.5 Gruppe 4 - Tatsächlich transplantierte Organe
Insgesamt wurden 140 Herzen erfolgreich transplantiert (94 m, 46 w, DA 35.7 Jahre +/- 12.1 SA).
6. Diskussion
Die Herztransplantation stellt für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz die
Therapie der Wahl dar. Durch Verbesserung der chirurgischen Techniken, der
intensivmedizinischen Betreuung und die Weiterentwicklung der Immunsupre ssion (44) sind die Kurz- wie auch Langzeiterfolge äußerst zufriedenstellend. Da
es bis heute keine akzeptablen Alternativen bezüglich der Langzeitergebnisse
gibt, wird diese Therapieform weiterhin von großem Interesse sein, besonders
unter dem Gesichtspunkt der steigenden Lebenserwartung und damit zunehmenden Inzidenz der Herzinsuffizienz in der westlichen Welt.
Durch den weltweiten Organspendermangel nimmt die Wartezeit für Transplantationen kontinuierlich zu und führt oft dazu, dass Patienten, welche für eine
HTx gelistet sind, eine intravenöse Therapie mit Katecholaminen benötigen.
38
Um wartenden Patienten dennoch ein Überleben zu sichern, sind Herzunterstützungssysteme (ventricual assist device VAD) entwickelt worden. Patienten
welche eine intravenöse Katecholaminunterstützung brauchen, zeigen einen
Überlebensvorteil durch eine VAD-Therapie verglichen mit optimaler konservativer Therapie (45). Darum hat in den letzten Jahren der Anteil an Implantationen von VADs deutlich zugenommen. Obwohl sich das 1 Jahresüberleben verglichen zwischen VAD Therapie und HTx in letzter Zeit angeglichen hat, ist die
HTx nach wie vor der ‚golden Standard’ in der Therapie der terminalen Herzinsuffizienz, insbesondere in Bezug auf den Langzeiterfolg (4).
Aus diesen Gründen ist es besonders wichtig, jedes verfügbare Spenderorgan
einer Transplantation zuzuführen. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, gibt es
Empfehlungen zur Evaluierung und Versorgung von Organspendern. Der KA
kommt hier ein besonders hoher Stellenwert zu. So ist eine Graftsklerose mit
einer erhöhten Inzidenz an primären Graftversagen assoziiert (7) und der
Langzeiterfolg deutlich limitiert.
Die Graftvasculopathie ist die Koronarsklerose im transplantierten Herz und
stellt im Langzeitverlauf einen der meist limitierenden Faktoren bezogen auf
das Überleben des Patienten dar (46). Es wird die Diskussion geführt, ob eine
bereits vorbestehende Erkrankung der Herzkranzgefäße die Manifestation der
Graftvasculopathie beschleunigt und ab welchem Zeitpunkt das Langzeitübe rleben beeinflusst wird (10,47-50). Aus diesen Gründen ist die Durchführung
einer KA sinnvoll und sowohl für das Überleben wie auch die Lebensqualität
des Patienten wichtig.
6.1 Diskussion der Ergebnisgruppen
Gruppe 1 – Durch Koronarangiographie abgeklärte Organe
Insgesamt wurden bei 292 gemeldeten Organspendern lediglich 11 sKA durchgeführt. In 6 Fällen war bereits eine ältere KA vorhanden. Insgesamt konnte
man also bei 17 Spenderevaluierungen auf den Befund einer KA zurückgreifen.
39
Dies entspricht lediglich 6% aller Fälle. Ohne die durch vKA befundeten Herzen
wäre lediglich eine Quote von 4% erreicht worden.
Von insgesamt 152 nicht transplantierten Organen wurden 91 nicht bei ET gemeldet. Weitere 61 Organe wurden bei ET angeboten, konnten aber nicht
transplantiert werden. Von diesen 61 durch ET nicht transplantierten Organen
wurden 22 Spenderherzen von ET initial als Spenderorgan akzeptiert und b ereits einem Empfänger zugeordnet (siehe Gruppe 3 unten).
Somit wurden 130 Herzen entweder nicht ET angeboten (n:91) oder von ET
keinem Zentrum alloziiert (n:39) (siehe auch Gruppe 3). Von diesen 130 nicht
transplantierten Herzen sind lediglich 10 auf Grund einer KA abgelehnt worden,
in 7 Fällen wurde eine sKA zum Ausschluss einer KHK durchgeführt und das
Herz wurde nur in einem einzigen Fall auf Grund einer Hypernatriämie nicht
transplantiert.
Dies bedeutet, von 140 transplantierten Organen wurden lediglich 6 durch eine
sKA bezüglich ihres Koronarstatus abgeklärt und damit eine vorbestehende
signifikante Stenose sicher ausgeschlossen.
Bezüglich des Alters gab es in dem hier eingeschlossenen Organspenderpool
insgesamt 137 Spenderherzen, die 45 Jahre oder älter waren (58m, 79w). Bei
diesen empfiehlt der Arbeitskreis für Herztransplantation in Österreich die
Durchführung einer sKA zur Abklärung des Koronarstatus. In dieser Gruppe
wurden lediglich 9 sKA durchgeführt.
Insgesamt fanden sich 29 Spender, die 60 Jahre oder älter waren (14m, 15w),
von denen keiner mittels einer sKA abgeklärt wurde. Der Großteil dieser Organe wurde aufgrund des Alters der Organspender nicht weiter durch sKA evaluiert, obwohl diese in den derzeitigen Richtlinien stark empfohlen wird. Interessanterweise wurden 3 Herzen dieser Altersgruppe dennoch transplantiert, obwohl in der gängigen Literatur ab der Altersgrenze von 60 Jahren eine sKA
dringend empfohlen wird.
Bei unter 45 jährigen Spendern wurden überhaupt nur 2 sKA durchgeführt.
40
Beachtet werden muss auch der Vergleich der Gruppe bereits vorliegender KA
(vKA) mit der Gruppe der sKA. Es fällt auf, dass diese nahezu identische Altersgruppen umfassen. Wie oben erwähnt waren lediglich 4 der 11 Befunde der
durchgeführten sKA pathologisch. Die 6 vKA zeigten alle einen pathologischen
Befund. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da die Indikationsstellung zur KA
beim lebenden Patienten insbesondere die Abklärung einer symptomatischen
KHK umfasst. Dies unterstreicht, dass das Spenderalter alleine keinen geeigneten Indikator für die Qualität des Spenderherzens darstellt.
Gruppe 2 - Primär durch das Universitätsklinikum Graz abgelehnte Organe
Von 152 nicht transplantierten Organen wurden 91 Organe bereits durch die
beurteilenden Ärzte des Universitätsklinikum Graz abgelehnt und daher nicht
transplantiert. In der Abklärung dieser 91 Organe ergab die Echokardiographie
16 pathologische Befunde, welche eine weitere Evaluierung kontrainidzierte, in
6 Fällen lag eine vorausgegangene Herzoperation vor, die eine Herzorganspende ebenfalls ausschloss. 2 Herzen wurden ohne medizinische Indikation,
sondern wegen des Wunsches von Angehörigen nicht zur Spende freigegeben.
Sollte dies dem bezeugten Widerspruch des Verstorbenen entsprechen, ist dieses konform mit der in Österreich geltenden Widerspruchslösung (siehe Punkt
1.1).
Somit bleiben in dieser Gruppe 57 Herzen, bei denen eine Diskussion über eine
nicht durchgeführte sKA gerechtfertigt ist.
Die Ablehnung dieser 57 bei ET nicht angebotenen Herzen (siehe auch Tabelle
3) erfolgte aufgrund hoher Katecholamin-Serumkonzentrationen (n:4), Rhythmusstörungen (n:3), Anamnese (n:20), anderer organischer Erkrankungen (n:6),
Alter (n:4), CPR (n:6), oder unbekannten Gründen (n:14).
Es finden sich 20 Spenderherzen, die allein wegen der anamnestischen Risikofaktoren Rauchen, Hypercholesterinämie oder Hypertension abgelehnt wurden.
Von diesen waren 15 älter als 45 Jahre (siehe Tabelle 4). Für diese Spender
wäre eine KA nach geltenden Richtlinien in zweierlei Hinsicht notwendig gewesen: Zum einen wegen ihres Lebensalters über 45 Jahren, zum anderen wegen
41
ihres Risikoprofils. 5 potentielle Spender wurden wegen ihrer Risikoanamnese
abgelehnt, obwohl sie unter 45 Jahre alt waren. Auch bei diesen Spendern wäre eine KA zur Spenderevaluierung dringend empfehlenswert gewesen, da man
Vorhandensein und Ausmaß koronarsklerotischer Läsionen nur mutmaßen
kann.
4 Spenderherzen wurden ausschließlich aufgrund ihres Alters abgelehnt, einer
der Spender war hier sogar jünger als 45 Jahre. Ein Alter unter 65 Jahren kann
ohne weitere pathologische Befunde jedoch nicht als Ausschlusskriterium angenommen werden. Auch hier wäre eine KA notwendig gewesen.
Auch die Ablehnung von 6 Herzen (4% aller nicht transplantierten Herzen) wegen stattgefundener kardiopulmonaler Reanimation muss hinterfragt werden.
So können im Rahmen der Wiederbelebung kardiale Schäden auftreten, deren
Ausmaß hängt aber auch von der Dauer der Maßnahme und der eingesetzten
Menge an Katecholaminen ab. Daher wäre in diesen Fällen eine genaue Beobachtung der Herzfunktion unter optimalem Spendermanagement nötig. Eine
sKA könnte bei akzeptabler Hämodynamik einen Ausschluss eine KHK erbringen und das Organ einer Organspende zugänglich gemacht werden.
Ebenso Katecholaminspiegel und Rhytmusstörungen müssen nicht per se Ausdruck eines nicht transplantablen Herzens sein. So gelten hohe Dosen von Katecholaminen als Ablehnungsgrund, wenn diese trotz optimalen Spenderman agements mit Optimierung der Vor- und Nachlast zur hämodynamischen Stabilisierung benötigt werden. Herzen mit Rhythmusstörungen sollten abgelehnt
werden, wenn diese nicht therapeutisch beherrschbar sind (33).
Akzeptiert man die Tatsache, dass die hohe Katecholamindosis, Rythmusstörungen, CPR und die unbekannten Gründe der Ablehnung tatsächlich nicht in
Frage kamen für eine weitere Abklärung durch eine sKA, so bleibt zu bemerken,
dass anamnestische Risikofaktoren und ein Alter unter 65 Jahren alleine keine
Kontraindikation zur Organspende des Herzens darstellen und eine sKA hier
wünschenswert gewesen wäre. In diesem Organspenderpool betrifft dies 20
Ablehnungen aufgrund der Anamnese und 4 weitere Ablehnungen aufgrund
des Alters.
42
Diese Ergebnisse zeigen, dass in Gruppe 2 mindestens 24 KA mehr zur Spe nderevaluierung indiziert waren. Dies hätte eine Steigerung der an ET gemeldeten Spenderherzen um 12% bedeuten können, abhängig von der Befundlage.
14 Herzen wurden aus nicht recherchierbaren Gründen (als „medizinische
Gründe“ angegeben; in Tabelle 3 und 4 unter „Unbekannt“ aufgeführt) von der
Transplantation ausgeschlossen.
Hinsichtlich des Durchschnittsalters in Gruppe 2 von 48,8 Jahren und einem
Anteil von männlichen Spendern von 55% kann davon ausgegangen werden,
dass auch für diese Herzen eine sKA indiziert gewesen wäre. Dies wird auch
durch die Tatsache gestützt, dass kein konkreter pathologischer Befund zur
Ablehnung dieser Herzen führte, sondern anscheinend die medizinische Gesamtbetrachtung des einzelnen Spenders. Für diese sollte im Zweifel auch der
Koronarstatus vorhanden sein. Im Rahmen der KA hätte in diesen Fällen auch
eine zusätzliche Laevographie zur Beurteilung der Ventrikelfunktion stattfinden
können.
Unter Einbezug dieser Herzen hätten bei apathologischer Befundsituation bis
zu 38 Herzen mehr an ET gemeldet werden können. Dies hätte einen Zuwachs
von 19% bedeutet.
Gruppe 3 – Bei Eurotransplant angebotene Organe
In der gesamten Gruppe durch ET abgelehnter Herzen war lediglich ein Spenderherz (1,6%) mittels KA abgeklärt worden (diese war apathologisch, jedoch
erfolgte die Ablehnung aufgrund von Hypernatriämie), das Durchschnittsalter
der Herzspender dieser Gruppe lag bei etwa 46 Jahren.
39 Organe konnten nicht durch ET vermittelt werden (siehe Tabelle 5) aufgrund: Hypernatriämie (n:2), Size – missmatch (n:30), keine sKA (n:3), Cor hypertonicum (n:1), sonstige Ablehnungsgründe (n:3)
Der Anteil an Herzen, die abgelehnt wurden weil keine KA durchgeführt wo rden war, lag trotz des (im Vergleich zur derzeitigen Obergrenze für Organspe n-
43
der von 65 Jahren) niedrigen Durchschnittsalters dieser Gruppe (45,9 Jahre)
bei 4,9% (n=3).
Auch diese 3 Herzen wären möglicherweise transplantiert worden, hätte man
sie vorher durch sKA abgeklärt.
Bei 17 Herzen, die nach einer Abklärung durch das Universitätsklinikum Graz
initial als spendertauglich eingeschätzt wurden, wurde während der Exploration
ein sklerotischer Befund erhoben, der schließlich zu einer Ablehnung führte.
Dies bedeutet, in 5,8 % aller Spenderevaluierungen führte die Beurteilung b ezüglich des Koronarstatus ohne durchgeführte KA zu keinem adäquaten Ergebnis.
Betrachtet man alle durchgeführten Operationen, setzen sich diese zusammen
aus 140 Explantationen (diese Organe wurden tatsächlich transplantiert) und
den 22 Explorationen mit nachfolgender Ablehnung der Herzen. Nimmt man an,
dass in zumindest 13 Fällen der Exploration von Herzen mit palpatorisch feststellbaren koronarsklerotischen Veränderungen ein externes Chirurgenteam
beteiligt war (in den 18 Einsätzen auswärtiger Chirurgen könnten auch alle 5
Herzen mit festgestellter Hypertrophie oder sonstigen Ablehnungsgründen exploriert worden sein), ist dieses in mindestens 8 % unnötig angereist. Hätte
man in diesen Fällen eine KA durchgeführt, wäre dies vermeidbar gewesen.
Gruppe 4 – Tatsächlich transplantierte Organe
140 Herzen konnten tatsächlich transplantiert werden (94 m, 46 w; DA 35.7
Jahre ±12.1 SA). Im Vergleich zu den von ET abgelehnten Herzen (DA 45.9
Jahre ±14.2 SA) und den initial durch das Universitätsklinikum Graz abgelehnten Spenderherzen (Durchschnittsalter 47.7 Jahre ± 13.4SA) fällt das nied rige
Durchschnittsalter dieser Gruppe auf. 6 sKA wurden in Gruppe 4 durchgeführt,
die alle einen apathologischen Befund zeigten und eine signifikante Stenose
eines Koronargefäßes sicher ausschlossen. Die 6 evaluierten Spender waren
alle über 40 Jahre alt, 4 von ihnen über 45 Jahre alt.
44
6.2 Allgemeine Diskussion
Das Aufkommen einer Vielzahl von Richtlinien verschiedener Institutionen zur
Evaluierung von Herzspendern zeigt die sich ändernde Charakterisierung des
„typischen“ Organspenders in den letzten Jahrzehnten hin zu älteren und
‚schlechteren’ Organspendern. So zeigt die Datenlage der ISHLT, dass im Zeitraum von Januar 2010 bis September 2011 über 63% der gemeldeten Organspender älter als 35 Jahre waren, 26% waren älter als 50 Jahre (44). Lediglich
4,5% aller Spender starben durch ein Schädel-Hirn-Trauma, cerebrovaskuläre
Ereignisse stellten mit 16,7% die häufigste dokumentierte Todesursache dar.
Dies entspricht auch den festgestellten Verhältnissen in unserem Patientengut.
Gerade die Spendergruppe älter als 50 Jahre und mit cerebrovaskulärer Todesursache hat auch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer
Erkrankungen und eine KHK ist hier unbedingt auszuschließen, will man das
Herz transplantieren. Dennoch sollte durch den Organmangel speziell bei diesen Patienten unnötige Ablehnungen basierend auf Vermutungen vermieden
und ein Mehraufwand akzeptiert werden, um so viele Herzen wie möglich zur
Spende zu bringen.
Das Konzept des marginalen Spenders für marginale Empfänger spiegelt den
dramatischen Spendermangel am ehesten wieder. Dieses Konzept hat den
Sinn, Empfängern, die sonst aufgrund ihrer Befundlage nicht mehr für eine
Herztransplantation in Frage kämen, Herzen zuzuordnen, die als marginal eingestuft wurden und für andere Patienten nicht geeignet erscheinen (36). Dies
wird zwar kontrovers diskutiert (36), zeigt jedoch die unternommenen Bemühungen, so viele Herzen wie möglich an Empfänger zu vermitteln, auch wenn
diese möglicherweise nicht von einem kardial unbeeinträchtigten Spender
stammen. Daher ist die Ablehnung eines Spenderorgans auf Grund von Anamnese (Risikofaktoren einer KHK) ohne Vorliegen eine sKA nicht vertretbar. Die
hier vorliegenden Daten zeigen jedoch, dass dies praktiziert wird und daher
durch sKA die Zahl verfügbarer Spenderherzen erhöht werden kann.
45
Wirtschaftlich erscheint die generelle sKA bei Spendern über 45 Jahren machbar. So beziffern deutsche Autoren die Kosten für eine KA mit 800 Euro, die
Kosten für die An- und Abreise eines auswärtigen Chirurgenteams zum Zwecke der Exploration eines nicht transplantablen Herzens mit 5.000 Euro (51).
Betrachtet man unser Patientengut, so waren 137 potentielle Spender 45 Jahre
alt oder älter. 23 wurden durch pathologische Vorbefunde ausgeschlossen. Bei
114 Spendern wäre damit eine KA durchzuführen gewesen, dadurch wären
Kosten von 91.200 Euro verursacht worden. Durch die mindestens 13 Einsätze
auswärtiger Chirurgen ohne Transplantationserfolg wurden 65.000 Euro ausgegeben. Dies ergibt Mehrkosten von 26.200 Euro für die sKA von Spendern
über 45 Jahre im Zeitraum von 2000 bis 2010 oder Mehrkosten von 2.620 Euro
pro Jahr. Allein die Folgekosten für die Behandlung der übersehenen, spende rvermittelten Koronarsklerose mit initialer Transplantatdysfunktion werden diese
Mehrkosten übersteigen.
7. Schlussfolgerung
Die sKA bei Herzspendern über 45 Jahren entspricht dem empfohlenen Vorgehen des Konsensusberichts des Arbeitskreises „Herztransplantation“ der öste rreichischen Gesellschaft für Kardiologie und ist bezüglich der oben genannten
Aspekte ein sinnvolles Verfahren zur Evaluierung von Spenderherzen dieser
Altersgruppe.
Es konnte gezeigt werden, dass die leitliniengerechte Anwendung dieser Untersuchung die Anzahl der zur Transplantation gebrachten Herzen deutlich e rhöhen kann. So hätten bis zu 41 Herzen mehr transplantiert werden können,
wären diese durch eine sKA abgeklärt worden. Dies hätte eine Steigerung von
29% bedeutet.
Der Prozentsatz tatsächlich durchgeführter Koronarangiographien zum Zwecke
der Beurteilung eines brauchbaren Spenderorgans ist jedoch derzeit, speziell
auch bei Spendern ab 45 Jahren, sehr niedrig. Gerade in dieser Altersklasse
46
zeigt sich allerdings eine höhere Inzidenz an Koronarer Herzkrankheit, wie
auch unsere Daten untermauern.
Daher ist die Umsetzung der Empfehlung des Arbeitskreises „Herztransplantation“ in Österreich in zweierlei Hinsicht wichtig:
Erstens für den Erfolg einer Herztransplantation, indem das Risiko für das
Kurz-, wie auch das Langzeitüberleben abgeschätzt werden kann. Zweitens,
um jedes transplantable Herz eines Spenders auch zur Transplantation zu
bringen, um auf diese Weise dem weltweiten Organspendermangel entgegenzutreten.
Schließlich sollte der Mehraufwand einer durchgeführten Spenderkoronarangiographie dem finanziellen und logistischen Mehraufwand einer Evaluierung des
Spenderherzens durch ein extra angereistes, externes Team gegenübergestellt
werden.
Die Ablehnung von Organen aufgrund anamnestischer Risikofaktoren wie Alter,
arterieller Hypertonus und Diabetes mellitus ohne die Durchführung einer Spenderkoronarangiographie verschärft den Organspendermangel.
47
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