Basel.Stadt. Seite 20 So lebt es sich mit einem künstlichen Herzen Wie Fritz Gurtner trotz schwerer Herzschwäche wieder mehr Lebensqualität geniesst Grapow, leitender Arzt Herzchirurgie, «damals waren die Systeme noch gross und unförmig». Zum Einsatz seien sie vor allem bei Patienten auf der Warteliste für eine Herztransplantation gekommen, wenn sich ihr Gesundheitszustand so rapide verschlechterte, dass ein Überleben ohne künstliche Unterstützung undenkbar gewesen wäre. Mittlerweile seien die künstlichen Herzpumpen um ein Vielfaches kleiner, sicherer und leistungsstärker. Die Tatsache, dass ein Mangel an Spenderherzen besteht, sowie die Erkenntnis, dass es Patienten mit Kunstherzen lange Jahre sehr gut gehen kann, habe dazu geführt, solche Unterstützungssysteme vermehrt anzubieten. Mittlerweile versorgt das Ärzteteam sieben Patienten damit. Lebenswichtiges Steuergerät im Beutel. Herzpatient Fritz Gurtner mit seinem Ärzteteam vom Basler Unispital. Foto C. Jaeggi Von Christian Fink Basel. Fritz Gurtners Lebensqualität hat in den vergangenen Jahren stark gelitten. Nach hundert Meter zu Fuss war er erschöpft und atemlos und musste sich erst mal wieder ausruhen. Und es kam noch schlimmer. Die Herzschwäche machte sich immer stärker bemerkbar. Gleichzeitig bereitete ihm die Lunge Probleme. Körperliche Anstrengungen vermied er zusehends. Nach zwei Herzinfarkten stand er vor der Entscheidung: So weiterleben – mit absehbaren Folgen – oder sich eine Herzunterstützungs-Pumpe implantieren lassen, mit der Aussicht auf eine stark verbesserte Lebensqualität. Gurtner entschied sich für den Eingriff. Dabei wird die Pumpe unten an der linken Herzkammer direkt mit dem Herz verbunden, wo sie sauerstoffreiches Blut ansaugt, in die Aorta pumpt und von dort aus in den Körper verteilt. Ein Kabel ist mit der Pumpe verbunden, tritt über einen kleinen Schnitt aus dem Körper aus und verläuft dann zur Steuereinheit, die der Patient stets mit sich trägt. Weniger Komplikationen Heute fühlt sich der 72-Jährige wieder viel besser als vor dem Eingriff, der vor einem Jahr am Universitätsspital Basel erfolgte. Dort wurde 2014 ein interdisziplinäres Behandlungs-Team aus Herzchirurgen, Kardiologen, Kardiotechnikern, Anästhesisten, Intensivmedizinern, Pflegefachkräften und OP-Personal formiert. Ziel war und ist es, in der Region Nordwestschweiz eine direkte und umfassende Betreuung von Patientinnen und Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz sicherzustellen. Das Leben an einem Ventricular Assist Device, kurz VAD, ermöglicht den Patienten trotz schwerem Krankheitsbild ein annähernd normales Leben. Die Unterstützungspumpen werden heute nicht mehr nur überbrückend von Patienten genutzt, die auf eine Herztransplantation warten, sondern sind mittlerweile als dauerhafte Lösung anerkannt. Hierfür sei eine gewisse Eigenaktivität des Herzens Voraussetzung, sagt Kardiologe Otmar Pfister, Leiter Herzinsuffizienz am Universitätsspital Basel: «Die Technik ist sehr wertvoll für Leute, die für eine Herztransplantation wegen des Alters oder aus anderen Gründen nicht infrage kommen.» Bei Jüngeren überbrücke das System die Zeit bis zur Transplantation. Es gebe jedoch auch Patienten, die sich dazu entscheiden, mit diesem Gerät weiterzuleben. Generelle Voraussetzung ist ein gewisses technisches Verständnis des Patienten. Dies sei ein wichtiges Kriterium dafür, ob ein solches System angewandt werden kann oder eben nicht. «Am Universitätsspital Basel begannen wir vor rund 20 Jahren mit der Implantation künstlicher Unterstützungssysteme», erläutert Martin Trainiert und instruiert Im Schnitt würden in der Schweiz jährlich nur 35 Herztransplantationen durchgeführt, dies nicht zuletzt aufgrund der Organknappheit. Bei Patienten, bei denen keine Transplantation vorgenommen werden kann, werden die Kosten für das VAD-System seit 2014 von den Krankenkassen getragen. Mit der Anerkennung der Therapie haben die nicht herztransplantierenden Universitätsspitäler in Basel und Genf begonnen, ihr Augenmerk vermehrt auf herzunterstützende Systeme zu richten. Die Spezialisten sehen in der künstlichen Unterstützung eine TherapieErweiterung. Bei schwer kranken Patienten, die an einer gravierenden Herzinsuffizienz leiden, kann so die Lebensqualität verbessert und das Leben verlängert werden. Die Sterblichkeit innerhalb von zwölf Monaten liegt ohne dieses System bei rund 70 Prozent, mit ihm bei 15 bis 20 Prozent. Anfänglich war Fritz Gurtner bei der Vorstellung, eine solche Pumpe an seinem Herzen und eine Steuereinheit an seinem Körper zu tragen, skeptisch, wie er sagt. Heute könne er alles machen und weder mit der Technik noch mit dem Gewicht des Steuergeräts (zwei Kilo) habe er Probleme. Dafür, dass das Leben mit einem VAD-System auf einen guten Weg gebracht wird, ist VAD-Koordinator Simon Scheifele verantwortlich. Er instruiert und trainiert den Patienten und dessen Umfeld, ist ständige Ansprechperson und überwacht das System.