Planeten bei Nachbarsternen

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28 | Vorarlberg
Sonntag, 30. April 2017
Vorarlberg | 29
Sonntag, 30. April 2017 Planeten bei
Nachbarsternen
Im Sternsystem im Zentaur
ist Alpha Centauri zumindest
ein Doppelstern. Diese beiden bilden möglicherweise
mit Proxima Centauri ein
Dreifachsystem. Eine Entdeckungsreise Lichtjahre vom
Nachbar Sonne entfernt.
Von Robert Seeberger
D
ie Begriffe Toliman und
Bungula sind selbst für
erfolgreiche Millionenshow-Kandidaten und versierte Hobbyastronomen schwer
einzuordnen. Harald Lesch,
Astrophysikprofessor an der
Universität München, moderierte zwischen 1998 und 2007
eine erfolgreiche Sendereihe
unter dem Titel „Alpha Centauri“. Der gleichnamige Stern ist
der dritthellste am Himmel. Die
beiden anderen Bezeichnungen
unseres Nachbarsterns gehen
auf arabische Wortursprünge
zurück und würdigen die historischen Verdienste der Araber
um die astronomische Wissenschaft.
In der Folge wird Alpha Centauri etwas genauer betrachtet.
In diesem Sternsystem hat ein
Forscherteam der Europäischen
Südsternwarte in Chile einen
Planeten mit erdähnlicher Masse gefunden. Es wurde schon
lange vermutet, dass um zumindest einige Sterne ebenfalls Pla-
Eine künstlerische
Darstellung
des Planeten
Proxima Centauri b. Der
Zentralstern
erscheint
drei Mal so
groß wie
unsere Sonne.
Die beiden
schwächeren
Sterne stellen
Alpha Centauri A und B dar.
Hintergrund
Die Suche nach dem blassen
roten Punkt
Der berühmte amerikanische Astronom Carl Sagan fragte sich, wie „Voyager“, die Sonde, die das Sonnensystem verlässt, die Erde sieht: „a pale
blue dot“ – ein blasser blauer Fleck,
der nicht einmal ein Pixel einer Kamera füllt. So ähnlich könnte ein Planet, der vom rötlichen Stern Proxima
Centauri angestrahlt wird, aussehen,
nur eben rot. Das Suchprojekt wurde
in Anlehnung an Sagans Bestseller
Pale Red Dot genannt.
neten kreisen. Ein Nachweis galt
noch um 1990 – wenn überhaupt
– nur in ferner Zukunft möglich.
Dafür gibt es zwei Gründe: Das
Zentralgestirn ist eine Milliarde
Mal heller als ein Planet, der
nur sein Licht reflektiert. Außerdem sind die beiden Objekte
so nahe beieinander, dass diese praktisch nicht voneinander
unterschieden werden können.
Im Maßstab 1:10-Milliarden gedacht, bedeutet das: Ein Stern
wie die Sonne schrumpft auf die
Größe einer Orange. Ein erdähnlicher Planet ist so klein wie eine
Stecknadel und 15 Meter von der
Orange entfernt. Die Größenverhältnisse sind so, als wollte
man von Peking aus die Stecknadel in Vorarlberg entdecken.
Bereits 1995 jedoch gelang
dieses Kunststück. Den ersten
extrasolaren Planeten, 51 Pegasi
b, entdeckten zwei Genfer Astronomen in 50 Lichtjahren Entfernung. Sie machten sich dabei
die Schwerkraftphänomene des
Planeten-Stern-Systems zunutze.
Anfang der 1990er-Jahre war
ich in Südfrankreich am Haute-
Provence-Observatorium
als
Gastastronom. Ich hatte einige
Nächte Beobachtungszeit erhalten, um mit dem großen Spiegelteleskop (1,93 Meter Durchmesser) Galaxien zu untersuchen.
Erstaunt hörte ich Kollegen, die
gleichzeitig am Observatorium waren, über Sternspektren
erzählen. Das klang relativ unspektakulär.
Erst später wurde mir der
Zweck der Messungen klar.
Sterne haben typische Linien
in ihren Spektren, die ein Fingerabdruck ihrer chemischen
Elemente sind. Meist sind diese Linien etwas in Richtung zu
blauerem Licht (zu kürzeren
Wellenlängen) oder zu röterem
Licht im Vergleich zu Labormessungen verschoben.
Rotverschobene Linien bedeuten, der Stern bewegt sich
vom Betrachter weg, bei blauverschobenen ist es umgekehrt.
Es ist dasselbe physikalische Gesetz, welches das Pfeifen eines
einfahrenden Zuges höher erscheinen lässt. Diesen nach dem
Österreicher Christian Doppler
ESO/KORNMESSER
benannten Effekt machen sich
Astronomen zu eigen, um Radialgeschwindigkeiten von Himmelsobjekten zu bestimmen.
Von Planet umkreist. Die Ver-
messung der Spektrallinien
mit dem Teleskop in Südfrankreich zeigte Erstaunliches: Eine gewisse Zeit bewegten sich
die Sterne von uns weg, dann
wieder auf uns zu. Irgendetwas
musste an dem Stern mit regelmäßigem Rhythmus ziehen. Das
konnte nur ein Planet sein, der
den Stern 51 Pegasi umkreiste.
250 Kilometer pro Stunde ist
die kleinste Sterngeschwindigkeit, die der Spektrograf messen
konnte. Daher wurden die ersten
Jahre schwere, jupiterähnliche
Planeten auf engen Bahnen um
ihre Zentralsterne entdeckt. Diese waren in der Lage, den Zentralstern auf große Geschwindigkeiten zu bringen.
Mittlerweile wird noch eine zweite Methode eingesetzt,
um Exoplaneten zu entdecken:
Befindet sich ein Planet bei
seinem Umlauf unmittelbar
vor dem Stern, so dunkelt er
diesen ein bisschen ab – eine
Minifinsternis, könnte man sagen. Regelmäßige geringfügige
Helligkeitsschwankungen von
Sternen werden nach genauer
Analyse als Exoplaneten interpretiert. Bis heute wurden mit
diesen beiden Methoden zirka
3600 Planeten um fremde Sonnen entdeckt, und die Zahl steigt
fast wöchentlich an.
Zurück zum Sternsystem im
Zentaur. Alpha Centauri ist
zumindest ein Doppelstern.
Möglicherweise bilden die beiden mit Proxima Centauri ein
Dreifachsystem. Proxima heißt
übersetzt „der Nächste“, und er
ist mit einer Entfernung von 4.2
Lichtjahren Nachbar der Sonne.
Trotzdem ist er nur durch ein
Teleskop zu sehen.
Hinweise auf Nachbarn. Der Ro-
te Zwergstern wurde erst 1915
entdeckt. Seit 1998 gab es Hinweise auf einen Planeten um unseren nächsten Nachbarn. 2016
war die Zeit für eine ernsthafte
Suche reif. „High Accuracy Ra-
dial Velocity Planet Searcher“,
kurz Harps, ist ein Spektrograf,
der Sterngeschwindigkeiten bis
zu einem Meter pro Sekunde
vermessen kann. Das entspricht
dem Schlendern eines gemütlichen Spaziergängers.
Unter besten Himmelsbedingungen am ESO-Observatorium
in Chile arbeitete ein Team um
Guillem Anglada Escudé 60 Beobachtungsnächte am leistungsfähigen 3,6-Meter-Teleskop. Ein
periodisches Schwanken der
Spektrallinien von Proxima Centauri verriet einen Planeten, der
zirka 30 Prozent schwerer als
die Erde ist. Für einen Umlauf
in einer sehr engen Bahn (1/20
der Erdbahn) benötigt er nur 11,2
Tage. Proxima Centauri b führt
eine sogenannte gebundene Rotation durch, das heißt, der Planet zeigt immer mit der gleichen
Seite zum Zentralstern. Er hat
gerade die richtige Distanz zum
Stern, sodass gemäßigte Temperaturen, bei denen Wasser flüssig ist, herrschen. Dieser Bereich
wird habitable oder bewohnbare
Zone genannt.
Das 3,6-Meter-Teleskop der ESO
in Chile. Damit wurde der Proxima Centauri b entdeckt.
ESO/SALGADO
Statt über mögliches Leben im
Nachbarsystem zu philosophieren, gilt es, die Unwägbarkeiten
dieser Entdeckung zu analysieren. Die Masse von 1,3 Erdmassen ist nur dann richtig, wenn
der Planet genau in einer Ebene
kreist, auf die wir von der Seite
her sehen. Diese Neigung ist un-
bekannt – die Masse könnte daher auch einige wenige Erdmassen betragen. Dass der Planet
aus festem Material und nicht
aus Gas besteht, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht bewiesen.
Ob er eine Lufthülle und, wenn
ja, eine lebensfreundliche hat, ist
völlig unklar. Selbst wenn alles
am Planeten lebensfreundlich
wäre, könnte der Zentral­
stern
ungemütlich werden. Denn:
Proxima Centauri ist ein sogenannter Flare-Stern. Er neigt zu
heftigen Strahlungsausbrüchen
mit Materieauswürfen. Diese
könnten eine mögliche Atmosphäre weggeblasen haben. Auch
die starke Röntgenstrahlung
während der Ausbrüche ist alles
andere als lebensfreundlich.
Die nächste optische Teleskopgeneration wird manche
der obigen Fragen beantworten
und wahrscheinlich neue aufwerfen. Inzwischen gibt es die
schöne Erkenntnis, dass der
nächstgelegene Stern einen Planeten mit erdähnlicher Masse
und lebensfreundlichen Temperaturen hat.
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