175 © 2008 Schattauer GmbH Vorhofflimmern in der Neurologie Bedeutung und Management T. Duning1, P. Kirchhof2, S. Knecht1 Klinik und Poliklinik für Neurologie, 2Medizinische Poliklinik C, Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum Münster; Kompetenznetzwerk Vorhofflimmern (AFNET) 1 Schlüsselwörter Keywords Atrial fibrillation, prevention, stroke, anticoagulation, detection Zertifizierte Fortbildung für Ärzte aller Fachrichtungen Zusammenfassung Summary Die Nervenheilkunde bietet Ihnen interdisziplinäre Fortbildung aus Neurologie und Psychiatrie. Regelmäßig erscheinen CMEBeiträge, zu denen jeweils 10 Multiple-ChoiceFragen gestellt und ausschließlich online unter cme.schattauer.de beantwortet werden können. Die Fortbildungstexte werden von erfahrenen Autoren verfasst und decken das gesamte Spektrum klinisch relevanter Fragestellungen ab. Vorhofflimmern, Prävention, Schlaganfall, Antikoagulation, Detektion Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Ursache für ischämische Schlaganfälle. Paroxysmales, persistentes und permanentes VHF bedingen dabei ein gleich hohes Schlaganfallrisiko. Da die Prävalenz des VHF mit steigendem Alter zunimmt und die Bevölkerung weiter altert, wird die Bedeutung des VHF und seiner Folgen weiter zunehmen. Entscheidend in der Therapie ist die Prävention thrombembolischer Ereignisse. Liegen weitere vaskuläre Risikofaktoren vor, existiert mit der oralen Antikoagulation eine hocheffektive primär- und sekundärprophylaktische Therapie, die etwa zwei von drei thrombembolischen Komplikationen verhindert. Häufig kommt es bei älteren Patienten zu einer Überbewertung des Blutungsrisikos und zu einem Unterschätzen des Schlaganfallrisikos, weshalb viele Patienten keine Antikoagulation erhalten. Erschwert wird die Behandlung dadurch, dass VHF häufig paroxysmal und asymptomatisch auftritt und somit lange Zeit übersehen wird. In der folgenden Übersicht werden Hintergründe und Behandlungsempfehlungen sowie die Tücken der Detektion des VHF dargestellt. V orhofflimmern (VHF) ist die Ursache für etwa ein Fünftel aller ischämischen Schlaganfälle und zugleich der schwerwiegendste SchlaganfallRisikofaktor mit einem relativen Risiko zwischen 5 bis 17, abhängig vom Alter der Patienten und weiterer Begleiterkrankungen (Abb. 1) (1–3). Im Vergleich dazu beträgt das relative Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, für Patienten mit Bluthochdruck 3 bis 5 und für Raucher 1,5 bis 2 (4). Verglichen mit gesunden Normalprobanden haben Patienten mit VHF eine doppelt so hohe Sterblichkeit, wofür in erster Linie das erhöhte Embolierisiko verantwortlich ist (5). Das jährliche Risiko, einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden, steigt in Atrial fibrillation (AF) is the leading risk factor for ischemic stroke. Paroxysmal, persistent and permanent AF carry the same risk. Given the projected rising prevalence of AF, its impact will increase further. Since stroke risk in AF changes with comorbidity, individual risk stratification is essential for therapeutic decisions. Oral anticoagulation is highly efficacious for both primary and secondary prevention of stroke in AF. While the age-associated risk of intracerebral bleeding rises with anticoagulation, there generally is an overestimation of the bleeding risk combined with an underestimation of the stroke risk. Therefore many patients fail to receive effective preventive therapy. As AF is often asymptomatic and intermittent, diagnosis – and thus treatment – is frequently missed. This review discusses treatment strategies for atrial fibrillation with risks and benefits and elaborates on the difficulties of detecting AF. Atrial fibrillation in neurology: relevance and management Nervenheilkunde 2008; 27: 175–186 Alle CME-Artikel der Nervenheilkunde werden durch die Bayerische Landesärztekammer autorisiert und sind damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Die Zeitschrift ist offiziell zur Vergabe von Fortbildungspunkten im Rahmen der Fortbildungszertifikate berechtigt. Als Abonnent dieser Zeitschrift ist für Sie die Teilnahme an der CME-Fortbildung kostenlos. Nicht-Abonnenten benötigen für die Teilnahme CME-Credits. Weitere Informationen erhalten Sie unter cme.schattauer.de Abhängigkeit weiterer Risikofaktoren von etwa 1,5% pro Jahr bei 50-Jährigen mit VHF auf über 20% pro Jahr bei über 80-Jährigen (6). Derzeit leiden ca. 5,5 Millionen Menschen weltweit unter dieser Erkrankung und es werden jährlich ca. 720 000 Neuerkrankungen festgestellt. Damit ist VHF die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung (7, 8). Die Anzahl der Erkrankungen steigt mit dem Alter. Ca. 3% der 60-jährigen und ca. 8% der 80-jährigen Menschen leiden unter VHF (5, 9). Nach Daten der FraminghamStudie beträgt das Risiko, im Laufe des Lebens an VHF zu erkranken (Lebenszeitprävalenz), für 40-jährige Männer 26% und 40-jährige Frauen 23% (10). In den letzten Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 Eingegangen am: 5. November 2007; angenommen am: 5. November 2007 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Nervenheilkunde 3/2008 176 Duning, Kirchhof, Knecht wichtig zu wissen, dass selbst kurze Flimmerepisoden zu Tage und Wochen anhaltenden Kontraktionsstörungen des Vorhofs führen können (17). Durch die nachfolgende Stase des Blutes in den nicht kontrahierenden Vorhöfen und im linken Vorhofohr, kommt es zu einer Akkumulation von Fibrinogen, D-Dimeren und von-Willebrad-Faktor, welche ein lokales prothrombotisches Milieu schaffen (18). Es bilden sich Thromben, die in die Hirnarterien eingeschwemmt werden und kardiogen-embolische Hirninfarkte verursachen. U U Da auf diese Weise sehr große Thromben entstehen können, okkludieren die resultierenden Embolien häufiger als bei anderen Schlaganfallursachen besonders große intrakranielle Gefäße. Das Resultat sind besonders massive zerebrale Infarkte. Durch Fragmentierung des Thrombus können zudem Infarkte in mehreren Versorgungsgebieten auftreten. Abb. 1 Häufigste potenzielle kardiogene Emboliequellen. In Klammern deren relatives Schlaganfallrisiko pro Jahr (4, 14–16). Durch die Größe der entstehenden intrakardialer Thromben sind die durch VHF verursachten Schlaganfälle häufig besonders massiv und haben ein schlechtes klinisches Outcome. U U 20 Jahren hat sich die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegenVHF um 66% erhöht (11). Wegen der Alterung der Bevölkerung wird prognostiziert, dass sich diese Zahl in den nächsten 20 Jahren verdoppeln könnte (12). Damit wird das Erkennen und adäquate Behandeln des VHF in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Die Behandlung von VHF verursacht schon heute hohe Kosten (etwa 3 000 Euro/Patient und Jahr). Die jährliche kumulative Kostenbelastung innerhalb der Europäischen Union durch die VHF beträgt derzeit etwa 13,5 Milliarden Euro, was die sozioökonomische Relevanz der VHF und seiner Folgen verdeutlicht (13). Definition und Pathophysiologie VHF entsteht durch unkoordinierte elektrische Aktivierung der Vorhöfe, zumeist durch 4 bis 10 simultane elektrische Erregungsfronten. Dies führt zu Flimmerwellen im EKG und reduziert die mechanische Funktion der Vorhöfe erheblich (7, 8). Zum Verständnis der Pathophysiologie ist es Nervenheilkunde 3/2008 Klassifikation Die international übliche Klassifikation des VHF folgt dem zeitlichen Verlauf und weniger der Pathophysiologie (19, 20). Wenn Flimmerepisoden innerhalb von sieben Tagen spontan sistieren, wird das VHF als paroxysmal bezeichnet. Besteht die Arrhythmie länger, spricht man von anhaltendem VHF, das sich sinnvoll in persistierend oder permanent unterteilen lässt. Wenn bei anhaltendem VHF das Therapieziel der Beendigung des VHF besteht, etwa durch Kardioversion, liegt persistentesVHF vor. Beim permanenten VHF besteht das Therapieziel des Rhythmuserhaltes nicht mehr (Abb. 2). Somit kann erstmalig detektiertes VHF paroxysmal oder persistent sein. Die Bezeichnungen chronisches, konstantes oder etabliertes VHF entsprechen nicht mehr dem internationalen Klassifikationsschema und sollten zur Erleichterung der Kommunikation und zum Erreichen einheitlicher Behandlungsstrategien vermieden werden. IdiopathischesVHF („lone atrial fibrillation“) klassifiziert nach der Ätiologie des VHF und kennzeichnet VHF-Patienten, bei denen keine Ursache des VHF nachgewiesen werden kann. Üblicherweise sind dies Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 177 Vorhofflimmern in der Neurologie Patienten ohne kardiovaskuläre Grunderkrankung, zumeist auch ohne Hypertonus, mit normaler Vorhofgröße. Diese seltenen Patienten haben hinsichtlich Mortalität und thrombembolischer Ereignisse eine bessere Prognose (21). Valvuläres VHF kennzeichnet Patienten mit schweren Erkrankungen der Herzklappen, was sich meist klinisch als Klappenersatz oder stattgehabter chirurgischer Revision der Herzklappen fassen lässt. Diese Patienten haben ein besonders hohes thrombembolisches Risiko und unterliegen daher eigenen Therapieempfehlungen. Heute stellt diese Patientengruppe eine Minorität der Fälle dar. Beim sogenannten Vorhofflattern sind die P-Wellen im EKG im Gegensatz zum VHF regelmäßig und in Form und Größe gleich, ihre Frequenz liegt zwischen 220/min und 350/min. Entgegen früheren Meinungen weiß man heute aus prospektiven Studien, dass das Risiko ischämischer Schlaganfälle beim Vorhofflattern genauso groß ist wie beim VHF, wahrscheinlich auch deshalb, weil zwischendurch immer wieder Episoden mit VHF auftreten und viele Patienten nachfolgend persistentes VHF entwickeln. Deshalb unterscheidet man bei den präventiven therapeutischen Ansätzen nicht zwischen VHF und Vorhofflattern (22). Andererseits besteht für die häufigen, isthmusabhängigen Formen des Vorhofflatterns mit der Katheterablation eine langfristig erfolgreiche kurative Behandlungsmöglichkeit, die eine Prophylaxe thrombembolischer Komplikationen unnötig macht. Da etwa 30% der Patienten zunächst an intermittierenden Episoden von paroxysmalem VHF leiden und dabei oft asymptomatisch sind, wird diese gefährliche Erkrankung meist nicht erkannt (23). In großen epidemiologischen Studien waren etwa ein Drittel der Patienten sowohl mit paroxysmalem als auch persistierendem VHF zuvor nicht diagnostiziert. In einem Viertel der Fälle VHF-assoziierter Schlaganfälle war die Erkrankung vorher nicht bekannt (3, 9). Paroxysmales VHF wird sehr viel seltener als persistentes oder permanentes VHF entdeckt. Die Insultgefährdung ist nach den vorliegenden Daten durch alle Formen gleich groß (24, 25). U U So werden Patienten mit VHF oft erst durch den stattgehabten Schlaganfall auffällig. Erwähnenswert ist Abb. 2 Formen des VHF. Paroxysmales VHF sistiert innerhalb von längstens 7 Tagen spontan. Persistentes VHF hält mehr als 7 Tage an und endet nicht spontan, sondern wird durch ärztliche Maßnahmen beendet. Permanentes VHF wird frequenzregulierend, das heißt, unter Belassen der Rhythmusstörung behandelt. Weitere Erläuterungen im Text. noch, dass einmalige Episoden paroxysmalen VHF sehr selten sind. In einer kanadischen Studie an Patienten mit nur einer dokumentierten Flimmerepisode waren nach fünf Jahren nur 15,5% ohne Rezidiv (26). Langzeitstudien an Patienten mit persistentem VHF haben gezeigt, dass selbst unter optimalem Management der Anteil des permanenten VHF kontinuierlich steigt und nach 3 bis 4 Jahren bei etwa 75% liegt (27). Prinzipien des Therapiemanagements Unabhängig von der Klassifikation des VHF nach zeitlichem Verlauf richtet sich die Behandlung nach den klinischen Symptomen und Komorbiditäten. Bei allen Arten des VHF wird eine Frequenzregulierung, insbesondere bei symptomatischen Patienten auch eine Rhythmus-erhaltende Therapie angestrebt (Abb. 3). Bei der Frequenzregulierung ist das Ziel, die Herzfrequenz in der Kammer an den Bedarf anzupassen. Hierbei wird ein Ruhepuls in den Herzkammern von 100/min angestrebt. Dies wird medikamentös durch eine Verlangsamung der Überleitung im AV-Knoten erreicht. Zumeist sind dafür Kalziumkanalblocker (z. B. Verapamil 120 bis 360 mg/d oder Diltiazem 90 bis 360 mg/d) oder ß–Blocker (z. B. Atenolol 25 bis 100 mg/d, Metoprolol 50 bis 200 mg/d) geeignet. Wegen des zusätzlichen positiven inotropen Effektes ist Digi- U U Ein stattgehabter Schlaganfall ist oft das erste Symptom, mit dem Patienten mit unentdecktem VHF auffällig werden. Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Nervenheilkunde 3/2008 178 Duning, Kirchhof, Knecht b) a) Abb. 3 a) Prinzipien des Therapiemanagements von VHF und b) Therapieschemata zum Rhythmuserhalt (16). toxin (0,0625 bis 0,375 mg/d) bei Patienten mit Hypotonie oder Herzinsuffizienz eine sinnvolle Alternative (16, 27). Digitalispräparate beeinflussen jedoch die Kammerfrequenz vor allem in Ruhe. Wenn diese Medikamente keine ausreichende Regulierung der Kammerfrequenz erreichen, ist Amiodaron ein zusätzliches Präparat zur Frequenzregulierung. Rhythmuserhaltende Medikamente sollen Zahl und Länge der Paroxysmen vermindern und den Erhalt eines Sinusrhythmus bewirken sowie beim persistierenden VHF die Kardioversion unterstützen und Rezidive verhindern. Ein Verkürzen der Flimmerepisoden beugt den elektrischen und strukturellen Umbauvorgängen des Vorhofgewebes vor, die ihrerseits ein Andauern des VHF begünstigen. Da durch den Verlust der Vorhofkontraktion das Herzzeitvolumen um 15 bis 20% abnehmen kann, Nervenheilkunde 3/2008 führt der Erhalt des Sinusrhythmus zudem zur Reduktion klinischer Symptome und so zu einer Verbesserung der Lebensqualität (28). An neueren, nicht-medikamentösenTherapien sei die Ablationstherapie des die Ostien der Pulmonalvenen umgebenen Myokards erwähnt. Sie bietet in jüngster Zeit die Möglichkeit eines Rhythmuserhalts durch direktes Eliminieren auslösender Trigger und Modifizieren des elektrophysiologischen Substrates der Arrhythmie. Dennoch muss ein großerTeil der Patienten auch nach dieser Therapie medikamentös-antiarrhythmisch behandelt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, wie groß der Anteil tatsächlich geheilter Patienten ist, sodass man die Ergebnisse größerer prospektiver Studien abwarten sollte (29). Bei hochsymptomatischen Patienten ist die Katheterablation jedoch schon heute eine gute Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 179 Vorhofflimmern in der Neurologie Behandlungsmethode, wenn antiarrhythmische Medikamente versagen. U U Entscheidend ist, dass unabhängig von diesen Behandlungsprinzipien für alle Klassen des VHF die antithrombotische Therapie die Prognose bestimmt und deshalb den Risikofaktoren angepasst erfolgen sollte, und zwar in aller Regel unabhängig davon, ob die Rhythmusstörung aktuell vorliegt. Antithrombotische Therapie und Schlaganfallprävention Neben dem erwähnten Risiko großer zerebraler Territorialinfarkte, das unabhängig von der Art des VHF und dem scheinbaren Erfolg einer Rhythmus-erhaltenden Therapie ist (24, 25), besteht zudem bei Patienten mit VHF ein erhöhtes Risiko, kleinere, zunächst asymptomatische zerebrale Embolien zu erleiden, welche kognitive Defizite bis hin zur vaskulären Demenz bedingen können (30). Mit der oralen Antikoagulation existiert eine hocheffektive primär- und sekundärprophylaktische Therapie. Diese senkt nicht nur das generelle Risiko eines ischämischen Schlaganfalls durch VHF um bis zu 70% (15, 31–34), sondern auch Sterblichkeit und Morbidität eines solchen Schlaganfalls und wird mittlerweile von allen neurologischen und kardiologischen Leitlinien weltweit mit höchstem Evidenzgrad empfohlen (4, 7, 35–38). Die Number Needed to Treat (NNT), um einen Schlaganfall zu verhindern, beträgt zur Primärprophylaxe 30. Um die Effektivität richtig einschätzen zu können, sei vergleichend die NNT der Statintherapie bei Hyperlipidämie erwähnt, die 13 333 beträgt; die einer antihypertensive Therapie bei arteriellem Hypertonus beträgt 7 937 (4, 39). In der Sekundärprävention beträgt die NNT der oralen Antikoagulation, um einen erneuten Schlaganfall bei bestehendem VHF zu verhindern, nur noch 8, bei der Hyperlipidämie 230 und beim Hypertonus 110 (40). Orale Antikoagulation versus Therapie mit Thrombozytenfunktionshemmern In einer jüngsten Metaanalyse konnte erneut gezeigt werden, dass die an die International Normalized Ratio (INR) von 2,0 bis 3,0 adjustierte orale Antikoagulation (6 Studien, n = 2 900) das Risiko eines Schlaganfalls um 64% senkt (Tab. 1) (41). DieTherapie mit Thrombozytenfunktionshemmern war mit einer Risikoreduktion um 22% erneut substanziell weniger effektiv (8 Studien, n = 4 876). Das gleiche Ergebnis lieferte die kürzlich veröffentlichte BAFTA-Studie. Hier war die orale Antikoagulation mit einem INR zwischen 2 und 3 in einem älteren Patientenkollektiv (> 75 Jahre) signifikant wirksamer als die Behandlung mit Azetylsalizylsäure (ASS), bei vergleichbarer Rate an schweren Blutungen (42). Somit erwies sich die orale Antikoagulation, speziell in einem älteren Patientenkollektiv mit hohem Schlaganfallrisiko, erneut als überlegen und hocheffektiv. Ein Cochrane-Übersichtsartikel über die Wirksamkeit von Aspirin zur Primärprophylaxe bei Patienten mit VHF (3 Studien, n = 1 965) zeigte keine signifikante Reduktion ischämischer Schlaganfälle, des Grades der Behinderung oder eines vaskulär bedingten Todes. Nur die Kombination von ischämischen Schlaganfällen, Myokardinfarkt und Tod wurde durch die Behandlung mit Aspirin reduziert (43). Da die Antikoagulation ein Blutungsrisiko mit sich bringt und im klinischen Alltag eine permanente Therapiesteuerung über die INR nötig macht, hat man in der ACTIVE-W-Studie (n = 6 706) untersucht, ob die Unabhängig von der Rhythmusoder Frequenzkontrolle oder der Klassifikation des VHF ist die antithrombotische Therapie für die Prognose entscheidend. U U Tab. 1 Publizierte Metaanalysen randomisierter Studien zur antithrombotischen Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern (41). Vergleich von Zahl der Studien Teilnehmerzahl Relative Risikoreduktion ischämischer Schlaganfälle (%) oraler Antikoagulation vs. Kontrollen 06 02 900 64 Thrombozytenfunktionshemmern vs. Kontrollen 08 04 876 22 oraler Antikoagulation vs. Thrombozyten- 12 funktionshemmern 12 721 39 Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Nervenheilkunde 3/2008 180 Duning, Kirchhof, Knecht Tab. 2 Antithrombotische Therapieempfehlungen für Patienten mit VHF der American Heart Association und der European Society of Cardiology (7). Risikokategorie Empfohlene antithrombotische Therapie Keine Risikofaktoren ASS, 81 mg bis 325 mg täglich Ein moderater Risikofaktor ASS, 81 mg bis 325 mg täglich oder orale Antikoagulation, Ziel-INR 2 bis 3 Jeder Hochrisikofaktor oder > 1 moderater Risikofaktor Orale Antikoagulation, Ziel-INR 2 bis 3 Wenig valide Risikofaktoren Moderate Risikofaktoren Hochrisikofaktoren Weibliches Geschlecht Alter über 75 Jahre Stattgehabter Schlaganfall (auch transiente Ischämien) Alter > 64 < 75 Jahre Arterieller Hypertonus Andere Thrombembolien in Körperarterien Koronare Herzerkrankung Diabetes mellitus Mitralklappenstenose Thyreotoxikose LV Ejektionsfraktion über 35% Herzklappenersatz (biologisch oder mechanisch) Herzinsuffizenz U U Vier unabhängige Risikofaktoren beeinflussen das Schlaganfallrisiko bei VHF entscheidend: – Stattgefundener Schlaganfall – Bluthochdruck – Diabetes – Alter Kombination von ASS mit Clopidogrel (75 bis 100 mg/75mg pro Tag) eine Alternative zur oralenAntikoagulation bei Patienten mit VHF darstellen kann (44). Diese Studie wurde jedoch bereits nach 1,3 Jahren vorzeitig abgebrochen, da die kombiniert behandelten Patienten signifikant mehr Endpunktereignisse aller Kategorien aufwiesen (Myokardinfarkt, Hirninfarkt, systemische Embolien und vaskulärer Tod). Speziell im Verhindern ischämischer Hirninfarkte ließ sich eine klare Überlegenheit der oralen Antikoagulation erkennen (1,0 vs. 2,15% pro Jahr), und das Blutungsrisiko war unter der oralen Antikoagulation sogar geringer (2,21 vs. 2,42% pro Jahr). Solange keine alternativen Antikoagulatien wie etwa direkte Thrombinantagonisten verfügbar sind, Tab. 3 CHADS2-Risiko-Index bei Vorhofflimmern, nach (37); 0 bis 1 Punkt: Geringes Schlaganfallrisiko, 2 bis 3 Punkte: Mittleres Schlaganfallrisiko, 3 bis 4 Punkte: Hohes Schlaganfallrisiko. Merkmal Nervenheilkunde 3/2008 Punktewert ● Kardiale Insuffizienz 1 ● Hypertonus 1 ● Alter ≥ 75 Jahre 1 ● Diabetes mellitus 1 ● Schlaganfall (auch flüchtiger) in Anamnese 2 bleibt die orale Antikoagulation mit einem INR zwischen 2 bis 3 die antithrombotische Standardtherapie für Patienten mit VHF und moderatem bis hohem Schlaganfallrisiko (Tab. 1). Aspirin scheint den Haupteffekt in einer moderaten Prävention nicht-kardiogener Schlaganfälle zu haben, von denen Patienten mit VHF und kardiovaskulären Komorbiditäten sicher ebenfalls profitieren. Bewertung des Schlaganfallrisikos Das Risiko eines Schlaganfalls bei VHF wird von weiteren klinischen Faktoren mitbestimmt. Diese müssen bei einer Therapiefestlegung berücksichtigt werden. Inzwischen gibt es zahlreiche Kriterien zur Risikostratifizierung mit entsprechenden Behandlungsempfehlungen und einigen Scores, die von unterschiedlichen Fachgesellschaften empfohlen werden (z. B. der American Heart Association, Tab. 2) (4, 7, 35–38). Ein valider und klinisch praktikabler Wert ist beispielsweise der CHADS2-Index, welcher nochmals den kumulativen Charakter der einzelnen Risikofaktoren betont (Tab 3) (37). U U Vier unabhängige klinische Risikofaktoren erscheinen dabei konsistent in allen Leitlinien: Stattgehabter – auch flüchtiger – Schlaganfall, Alter, Bluthochdruck und Diabetes (37). Dennoch wird ein großer Teil von Hochrisikopatienten trotz eindeutiger Indikation nicht antikoaguliert und entgeht somit einer effektiven Präventivtherapie (45). Oft lehnen Patienten die Therapie aus Angst vor Blutungen oder wegen der lästigen Blutuntersuchungen ab, ohne ihr enormes Risiko eines Schlaganfalls richtig einschätzen zu können (46). Aber auch die ärztliche Entscheidung zur Antikoagulation wird bei älteren Patienten aus Furcht vor Blutungskomplikationen oft falsch gewichtet. Insbesondere bei Patienten ab dem 80. Lebensjahr mit VHF scheint diese Entscheidung schwierig, da sowohl ein stark erhöhtes Schlaganfallrisiko besteht als auch das Blutungsrisiko unter Antikoagulation – aber auch ohne diese – erhöht ist (Abb. 4) (47). Auch die Leitlinien der DGN bleiben aufgrund fehlender Evidenzen ohne eindeutige Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 181 Vorhofflimmern in der Neurologie Empfehlung (36). U U Somit verwundert es nicht, dass lediglich 50 bis 60% der über 80 Jahre alten Patienten mit VHF antikoaguliert sind, obwohl mehr als 50% der Hirninfarkte gerade in diesem Kollektiv auf VHF zurückzuführen sind (48). Blutungsrisiko Die publizierten Daten zu relevanten intraund extrakraniellen Blutungen unter oraler Antikoagulation sind uneinheitlich und abhängig vom Studiendesign. Sie schwanken zwischen 0,3 und 7,4% pro Jahr (49). Die Daten entstammen zumeist Studien zur Primärprävention. Hingegen ist das Blutungsrisiko in der Sekundärprävention von Schlaganfällen bei VHF wenig untersucht. Führende Faktoren, die eine relevante Blutung begünstigen, sind neben dem hohen Alter (> 75 Jahre) die Intensität der Antikoagulation, systolische Blutdruckwerte ≥ 160 mmHg, vorangegangene Hirninfarkte und eine Kombinationstherapie mit Thrombozytenaggregationshemmern. Letztere erhalten immerhin bis zu 20% der Patienten mit VHF, zumeist aufgrund einer begleitenden koronaren Herzerkrankung. Hier ist das Risiko, verglichen mit der alleinigen oralen Antikoagulation, um das Dreifache erhöht, allerdings immer noch mit geringem absolutem Risiko (0,9 vs. 0,3%) (50). Dennoch sollte die Indikation zur Antikoagulation (ein hohes embolisches und koronares Risiko) streng gestellt werden. Da die absolute Zahl intrakranieller Blutungen sprunghaft ab einem INR > 3,5 steigt (Abb. 4 und 5), sollte der INR-Wert besonders in den ersten Wochen nach Therapiebeginn engmaschig kontrolliert werden (51). Ein weiterer behandelbarer Risikofaktor für Blutungen ist der Hypertonus. Eine Reduktion des systolischen Blutdrucks um nur 12 mmHg führt zu einer Risikoreduktion der intrakraniellen Hämorrhagien um 76% (52). Da die Behandlung eines Hypertonus bei Patienten mit VHF neben dem Blutungsrisiko auch das Risiko ischämischer Schlaganfällen um 34% senkt, sollte die antikoaglulative Therapie unbedingt mit einer strengen Blutdruckkontrolle einhergehen. Hindernisse in der Behandlung des Vorhofflimmerns U U Nur 50 bis 60% der älteren Patienten (≥ 80 Jahre) werden trotz evidenzbasierter Indikation mit oraler Antikoagulation therapiert. Das Risiko für einen Hirninfarkt durch VHF ist um ein Vielfaches höher als das Blutungsrisiko unter Antikoagulation (bei über 80-Jährigen etwa 25%/Jahr versus 0,3 bis 1,8%/Jahr; Abb. 5) (15, 35, 51, 54). In der Praxis wird aber die Gefahr einer Blutung Abb. 4 Vergleich der Inzidenzen ischämischer Schlaganfälle und intrakranieller Hämorrhagien bei unterschiedlichen INRWerten, nach (53). Das Risiko eines kardiogen-embolischen Schlaganfalls ist bis zu einem INR von 3,5 durchgehend größer als das einer Blutung und steigt bei einem INR < 2 nochmals massiv an. Abb. 5 Unkorrigierte, altersabhängige Raten an intrakraniellen Blutungen bei 13 559 Patienten mit Vorhofflimmern, jeweils unter oraler Antikoagulation und ohne diese (47). Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Nervenheilkunde 3/2008 182 Duning, Kirchhof, Knecht U Das Risiko eines ischämischen Schlaganfalls ist bei Patienten ≥ 80 Jahre um ein Vielfaches höher als der Blutungsrisiko unter oraler Antikoagulation. Oft wird das Blutungsrisiko in der Praxis bei diesen Patienten irrtümlich als zu hoch bewertet. U U Eine Reduktion des Ziel-INR auf < 2 ist nicht zu empfehlen, da hier die präventive Effektivität der oralen Antikoagulation drastisch abnimmt, jedoch das Blutungsrisiko gleich bleibt. Nervenheilkunde 3/2008 irrtümlich meist höher bewertet als das Schlaganfallrisiko infolge einer unterlassenen antithrombotischen Therapie. Insbesondere hierbei wird subjektive Evidenz anders erlebt als Studienevidenz. In einer Untersuchung an 530 niedergelassenen Ärzten sank innerhalb von 90 Tagen nach Auftreten einer Antikoagulation-assoziierten Blutung eines ihrer Patienten die Verschreibungsrate für Antikoagulation um 20%. Nach einemVHF-assoziierten Hirninfarkt blieb das Verschreibungsverhalten jedoch unverändert (55). U Das Überbewerten des Blutungsrisikos und das gleichzeitige Unterschätzen des Schlaganfallrisikos verhindert in vielen Fällen eine effektive Präventivtherapie und verursacht verhinderbare Schlaganfälle. Eine vermutete schlechte Compliance älterer Patienten wegen kognitiver Defizite ist ein häufigesArgument gegen eine prinzipiell indizierte orale Antikoagulation. Hier zeigen Studien, dass das höhere Alter keineswegs zwangsläufig zu einer schlechten Compliance und damit zu schlecht kontrollierten INR-Werten führt. Sowohl bei oral antikoagulierten Patienten unter 75 Jahren als auch bei älteren Patienten zeigte ein gleich großer Anteil einen INR im therapeutischen Bereich (~ 70%) (56). Ähnliches konnte in einer Verlaufsstudie an 4 500 Patienten mit VHF und oraler Antikoagulation gezeigt werden, bei denen ein INR-Wert außerhalb des Zielbereichs keinesfalls mit höherem Alter anstieg (57). Zwar scheinen bildmorphologisch nachgewiesene, ausgeprägte mikroangiopathische Veränderungen des Gehirns das Risiko einer intrakraniellen Blutung zu erhöhen, jedoch ist dies bisher nur für einen INRZielwert von 3 bis 4,5 und bei Patienten mit nicht-kardiogenem Hirninfarkt nachgewiesen worden (58). Unklar ist, ob sich diese Ergebnisse auf niedrigere INR-Werte oder Patienten mit kardiogen-embolischer Infarktquelle übertragen lassen. Gleiches gilt für den Nachweis zerebraler Mikroblutungen in der MRT mittels besonders Blutungssensitiver Sequenzen (T2*). Somit stellen sowohl eine Leukoaraiose als auch Mikroblutungen keine absolute Kontraindikationen zur oralenAntikoagulation dar (59). Die aktuelle Datenlage rechtfertigt daher bei Patienten mit VHF keinesfalls ein Ausrichten der antithrombotischen Therapie an bildmorphologischen Befunden. Obwohl die überwiegende Zahl der Hämorrhagien bei älteren Patienten mit VHF nichttraumatisch ist, ist die Sturzgefahr der häufigste, von Ärzten angegebene Grund für einen Verzicht auf eine orale Antikoagulation (60). Die Analyse von 1 245 Patienten mit VHF hat zwar gezeigt, dass diese einem erhöhten Risiko traumatischer intrakranieller Blutungen ausgesetzt sind, dass sie jedoch wegen ihres gleichzeitig weitaus höheren Schlaganfallrisikos dennoch von der oralen Antikoagulation profitieren (61). Eine statistische Analyse zur antithrombotischen Behandlung zeigte, dass ältere Patienten (> 65 Jahre) mit VHF und einem durchschnittlichen Schlaganfallrisiko von jährlich 5% etwa 295-mal pro Jahr stürzen müssten, bevor das intrakranielle Blutungsrisiko den Nutzen der oralen Antikoagulation überwiegt (62). Die Sorge vor Blutungskomplikationen führt oft auch zu einer Reduktion des INRZielbereichs auf Werte zwischen 1,5 und 2. U U Das Risiko einer intrakraniellen Blutung ist für ältere Patienten aber bei einem INR von 1,5 bis 2 genauso groß wie bei INR-Werten zwischen 2 und 3, während das Risiko für Thrombembolien in der Zone 1,5 bis 2,0 bereits erheblich steigt (Abb. 5) (2, 51). Die Antikoagulation mit niedrigeren INR-Zielwerten ist somit auch bei älteren Patienten nicht zu empfehlen. Diagnose des Vorhofflimmerns Hinweise auf VHF ergeben sich aus den anamnestischenAngaben des Patienten mit typischen Symptomen oder bildmorphologischen Hinweisen auf stumme Hirninfarkte unterschiedlichen Alters in verschiedenen Gefäßversorgungsgebieten. Allein die wiederholte Palpitation des Radialispulses kann die Detektionsrate des VHF entscheidend verbessern (63). Dies gilt für Patienten auf der Stroke Unit ebenso wie in der nervenärztlichen Praxis. Abbildung 6 gibt einen Überblick über typische Symptome des VHF. Im klinischen Alltag und in der kardiologischen Literatur wird häufig die „Präsynkope“ als VHF-typisches Symptom er- Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 183 Vorhofflimmern in der Neurologie wähnt. Gemeint ist ein unspezifischer Symptomenkomplex aus Schwindel, Unwohlsein, Verschwommensehen oder Benommenheit, letztendlich jedoch ohne Bewusstseinsverlust. Wegen der unscharfen Definition und des unklaren pathophysiologischen Hintergrunds erscheint uns aus neurologischer Warte diese Wortschöpfung wenig hilfreich, insbesondere weil sie im Gegensatz zur klar definierten Synkope kaum prognostische und therapeutische Relevanz besitzt. Für eine adäquate Präventivtherapie muss das VHF elektrokardiografisch dokumentiert sein. Das 24-Stunden-LangzeitEKG (Holter-EKG) ist bei der Diagnose des VHF der heutige methodische Standard und verdoppelt die VHF-Detektionsraten gegenüber dem konventionellen EKG (64). Deshalb gehört das Langzeit-EKG zur Standarddiagnostik der Schlaganfallpatienten. U U Dennoch ist die Sensitivität des Langzeit-EKG zur Detektion des paroxysmalen VHF trotz elektronisch unterstützter Analyse relativ gering (~ 50%) (65). So blieb das 24-Stunden-Langzeit-EKG in einem Drittel der Patienten, die während einer zusätzlichen 7-tägigen EKG-Ableitung als Krankheitsträger identifiziert wurden, unauffällig, und 44% der mit Event-Rekordern identifizierten Fälle von paroxysmalem VHF zeigten ein normales Langzeit-EKG (66). Selbst bei paroxysmalem VHF mit langen Flimmerepisoden liegt die Sensitivität des Langzeit-EKG nur zwischen 23% und 58%, bei negativen prädiktiven Werten um lediglich 20% (67). Zwar erhöhen längere Ableitungszeiten generell die Wahrscheinlichkeit eines Nachweises, jedoch sind diese Methoden wegen ihres Zeit-, Personal- und Kostenaufwandes klinisch im Alltag bislang nicht praktikabel (68). Auch eine automatisierte Arrhythmiedetektion in der LangzeitEKG-Analyse verbessert die Detektionsraten von paroxysmalem VHF nicht. Modernere, nichtlineare und lineare dynamische EKG-Analyseverfahren haben zwar die Komplexität der Rhythmusdynamik des VHF erhellt, sind aber bislang noch in keinem, im klinischen Alltag verwendbaren Analysesystem implementiert (69, 70). Während desAufenthaltes auf der Stroke Unit werden die lebenswichtigen Parameter der Patienten per Monitor abgeleitet, so Abb. 6 Hämodynamische Veränderungen und Symptome bei VHF auch das EKG-Signal. Derzeit wird dieses Signal oft nicht gespeichert oder systematisch analysiert. Für die Zukunft wünschenswert wäre die Anwendung potenter Analyseverfahren, die das ohnehin abgeleitete EKG-Signal auf der Stroke Unit nutzen und auf diese Weise die Detektionsraten des VHF bei Schlaganfallpatienten erhöhen könnten. Heute bleiben noch etwa 25% der Schlaganfall-Ätiologien (~ 45 000 Patienten/Jahr in Deutschland) trotz ausgiebiger Diagnostik ungeklärt (71). In etwa 20% (~ 40 000 Patienten/Jahr) der Schlaganfälle wird VHF diagnostiziert, wovon annähernd 30% als paroxysmales VHF klassifiziert werden (12 000 Patienten/Jahr) (23). Bei der bekannten Sensitivität des Langzeit-EKG von etwa 50% muss vermutet werden, dass jährlich bei weiteren 12 000 Patienten paroxysmales VHF nicht diagnostiziert und der Insult fälschlich als kryptogener Hirninfarkt klassifiziert wird. U Dies entspräche einem guten Viertel aller kryptogenen Hirninfark- Die Sensitivität des 24-Stunden-LangzeitEKG zur Detektion von paroxysmalen VHF ist gering (~ 50%), weshalb ein großer Teil dieser Patienten trotz Standarddiagnostik unentdeckt bleibt. U U Etwa ein Viertel aller Schlaganfälle ungeklärter Ätiologie sind durch unentdecktes paroxysmales VHF hervorgerufen und entgehen somit einer hocheffektive sekundärprophylaktischen Therapien (in Deutschland etwa 12 000 Patienten pro Jahr). U Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-31 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Nervenheilkunde 3/2008 184 Duning, Kirchhof, Knecht Abb. 7 Ätiologie und Patientenzahlen ischämischer Schlaganfälle in Deutschland (gesamt ca. 200 000/Jahr). te. Diese 12 000 Patienten bleiben ohne effektive sekundärprophylaktische Therapie und tragen daher ein sehr hohes Risiko, weitere, verhinderbare Schlaganfälle zu erleiden (Abb. 7). Literatur 1. Hart RG, Pearce LA, McBride R, Rothbart RM, Asinger RW. Factors associated with ischemic stroke during aspirin therapy in atrial fibrillation: analysis of 2012 participants in the SPAF I-III clinical trials. The Stroke Prevention in Atrial Fibrillation (SPAF) Investigators. Stroke 1999; 30(6): 1223–1229. 2. Hylek EM, Go AS, Chang Y, Jensvold NG, Henault LE, Selby JV et al. Effect of intensity of oral anticoagulation on stroke severity and mortality in atrial fibrillation. N Engl J Med 2003; 349(11): 1019–1026. 3. Lin HJ, Wolf PA, Benjamin EJ, Belanger AJ, D'Agostino RB. Newly diagnosed atrial fibrillation and acute stroke. The Framingham Study. Stroke 1995; 26(9): 1527–1530. 4. Straus SE, Majumdar SR, McAlister FA. New evidence for stroke prevention: scientific review. 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