5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der Innenfinanzierung

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5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der Innenfinanzierung
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• der Sicherungsgeber (also der Bürge oder Schuldbeitretende) mit dem Hauptschuldner emotional verbunden ist, was insbesondere bei nahen Angehörigen
oder Ehepartnern anzunehmen ist (sogenannte strukturelle Unterlegenheit), und
• der Sicherungsgeber voraussichtlich noch nicht einmal die laufenden Zinsen der
Hauptforderung aufbringen kann (finanzielle Überforderung).
Unter diesen Voraussetzungen wird vermutet, dass sich der Sicherungsgeber bei
der Übernahme seiner Mithaftung nicht von seinen Interessen und einer rationalen
Risikoeinschätzung leiten ließ, sondern dass das Kreditinstitut seine emotionale
Nähe zum Hauptschuldner in anstößiger Weise ausnutzte (aus der Rechtsprechung
siehe BGH NJW 2001, 815 ff; BGH NJW 2000, 1182 ff. jeweils mit weiteren
Nachweisen).
5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der
Innenfinanzierung (Andreas Crone)
Die Generierung zusätzlicher Liquidität gestaltet sich für Unternehmen in der Krise
umso schwieriger, je fortgeschrittener der Verlauf der Krise ist.
Während ein Unternehmen in der Strategiekrise in der Regel noch über ausreichende
liquide Mittel und stille Reserven verfügt und das Thema zusätzlicher Liquiditätsgenerierung eher von untergeordneter Bedeutung ist, erhöht sich der Handlungsbedarf für
das Management spätestens mit Eintritt der Erfolgskrise und der damit verbundenen
Notwendigkeit, operative Verluste zu finanzieren. In dieser Phase müssen vorhandene
stille (Liquiditäts-)Reserven gehoben werden, um den Übergang des Unternehmens in
die Liquiditätskrise zu vermeiden, sofern keine geeigneten Außenfinanzierungsmaßnahmen greifen.
Bei der Versilberung von im Unternehmen vorhandenen Vermögenswerten sind dabei
auch die bilanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen zu beachten. Erfolgt eine Veräußerung von Vermögensgegenständen über Buchwert, geht der Liquiditätszufluss mit
zusätzlichen Buchgewinnen einher, die die Ertragssituation des Unternehmens verbessern. Erfolgt jedoch ein Verkauf unter Buchwert (stille Lasten), entspannt sich zwar
durch den Liquiditätszufluss die Finanzlage, aber aufgrund der realisierten Buchwertverluste verschlechtert sich die Ertragssituation der Gesellschaft und erhöht somit das
Überschuldungsrisiko.
Nachfolgend erfolgt eine exemplarische Darstellung einzelner Maßnahmen zur Liquiditätsverbesserung im Rahmen der Innenfinanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens.
5.3.1 Freisetzung bestehender Liquiditätsreserven
Je nach Krisenstadium verfügen Unternehmen mehr oder minder über die Möglichkeit der Freisetzung eigener liquider Mittel. Hierbei kann es sich beispielsweise um
langfristig angelegte Festgelder oder Wertpapiere handeln, die oftmals nur unter Inkaufnahme nicht unerheblicher Kosten aufgelöst werden können. Da solche Finanzmittelanlagen oftmals den finanzierenden Kreditinstituten als Sicherheit dienen, ist in
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5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
diesen Fällen mit dem Sicherungsnehmer eine Übereinkunft über die Verwendung der
Mittel zu treffen, insbesondere welcher Anteil dem Unternehmen als Liquidität tatsächlich zufließt.
5.3.2 Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen
Die Differenzierung zwischen betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem
Vermögen gewinnt insbesondere in Krisenunternehmen an zusätzlicher Bedeutung.
Der zunehmend schwierigere Zugang zum Kapitalmarkt oder zu anderen Formen der
Außenfinanzierung erhöht jedoch auch die Praxisrelevanz dieser Maßnahme für alle
Unternehmen.
Nicht betriebsnotwendiges Vermögen ist in der Krise schnellstmöglich zu liquidieren,
um zusätzliche Liquidität zu generieren. Erfahrungsgemäß fallen die Liquiditätszuflüsse jedoch recht gering aus, da sich bei Verkäufen unter Zeitdruck selten adäquate
(Markt-)Preise realisieren lassen.
Der Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen stellt eine klassische Form der
Innenfinanzierung dar. Vermögen, welches nicht oder nicht mehr zwingend für die
Aufrechterhaltung und die Fortführung des laufenden, heute existierenden Geschäftsbetriebes notwendig ist, d.h. für die eigene Wertschöpfung oder für das Kerngeschäft
entbehrlich geworden ist, kann unter Abwägung seiner derzeitigen und zukünftigen Ertragspotentiale zur Disposition gestellt werden.
In der Regel finden sich nicht betriebsnotwendige Vermögensgegenstände überraschenderweise zumeist im Sachanlagevermögen, obwohl gerade der Ausweis unter
diesem Bilanzposten definiert, dass die Vermögensgegenstände dazu geeignet sind,
dauerhaft dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Als häufige Beispiele finden sich hier die
klassischen Reservegrundstücke für die zukünftige Unternehmensexpansion sowie
nicht mehr betriebsnotwendige Immobilien, wie z.B. ehemalige Produktions-, Lagerund Betriebsstätten oder Mitarbeiterunterkünfte.
Ferner lassen sich oft gebrauchsfähige, aber aufgrund von Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen oder Produktionsverlagerungen ins Ausland nicht mehr eingesetzte
Maschinen oder ganze Maschinenparks als nicht mehr betriebsnotwendig identifizieren.
Darüber hinaus sind auch nicht mehr benötigte Ersatzteile oder Teile des Warenlagers
(Umlaufvermögen) in diese Betrachtungsweise einzubeziehen. Ferner sind Beteiligungen, Anteile an Unternehmen oder gar immaterielle Vermögenswerte, wie z.B. Patent- und Lizenzrechte kritisch auf deren betriebliche Notwendigkeit und Nutzen zu untersuchen.
Nicht betriebsnotwendiges Vermögen kann auch durch bewusste unternehmerische
Entscheidungen neu generiert werden, in dem z.B. Produktionsschritte ausgelagert
(Outsourcing) oder eigengenutzte Gebäude durch Umzug in Mietobjekte freigestellt
werden.
Die Desinvestitionsentscheidung wird in der Regel durch zwei Determinanten bestimmt, einerseits durch den aus dem Verkauf erwarteten Liquiditätszufluss, andererseits durch die mit dem Verkauf reduzierte Kapitalbindung und den damit einhergehenden sinkenden Finanzierungskosten.
Jedoch sind auch bei der Desinvestition von nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenständen einige Fragen im Vorfeld des Verkaufs zu klären, insbesondere auch
5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der Innenfinanzierung
183
dann, wenn sich das Unternehmen in einer kritischen Situation befindet und den Liquiditätszufluss dringend benötigt.
Zunächst muss geprüft werden, ob die vorhandenen nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände überhaupt marktgängig sind und einen Erwerber finden. Dies
vorausgesetzt, muss geprüft werden, ob die zur Veräußerung anstehenden Vermögensgegenstände frei von Rechten Dritter sind und ob gegebenenfalls eine Freigabe
durch den Dritten erfolgt. Dabei spielen insbesondere Mithaftungen des nicht betriebsnotwendigen Vermögens für betriebliche Schulden in Form von Grundschuldsicherheiten (bei Immobilien) sowie die Verpfändung des Warenlagers oder von Geschäftsanteilen eine praktische Rolle.
Dies kann zur Folge haben, dass dem Unternehmen nach einem erfolgreichen Verkauf seiner Vermögenswerte letztendlich keine oder nur teilweise neue Liquidität zu
fließt, sondern durch den Verkaufserlös lediglich eine Rückführung von Bankverbindlichkeiten erfolgt. Dies führt zwar zur Senkung der Fremdfinanzierungskosten, die oftmals in der Krise notwendige Liquiditätszufuhr für das Unternehmen bleibt jedoch
ganz oder teilweise aus.
Daher sollte mit den finanzierenden Kreditinstituten im Vorfeld des geplanten Verkaufs
Vereinbarungen über eine lediglich quotale Rückführung der besicherten Verbindlichkeiten getroffen werden, um einen tatsächlichen Liquiditätszufluss im Unternehmen sicherzustellen. Da vor diesem Hintergrund die finanzierenden Banken einen Teil ihrer
Sicherheiten zugunsten der Finanzierung der Gesellschaft aufgeben, ist eine nachvollziehbare und detaillierte Mittelverwendungsdarlegung im Rahmen eines Sanierungskonzeptes zwingend erforderlich, um eine solche Zustimmung zu erreichen.
Ferner müssen auch die bilanziellen und steuerlichen Folgen solcher Transaktionen geprüft werden. Erfolgt der Verkauf des oder der Vermögensgegenstände über dem handelsrechtlichen Buchwert, realisiert der Verkäufer zunächst einen Ertrag aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen des Anlage- oder Umlaufvermögens, der
unter Umständen zu einer Steuerpflicht führt, sofern nicht ausreichende Verluste des
laufenden Jahres oder steuerliche Verlustvorträge bestehen. Dabei sind insbesondere,
auch bei Vorliegen erheblicher Verlustvorträge, die Regelungen der so genannten Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 EStG zu beachten. Der unter Umständen aus der
Mindestbesteuerung resultierende Liquiditätsbedarf ist entsprechend in der Liquiditätsplanung des Unternehmens zu berücksichtigen und dessen Bedienung sicherzustellen.
Im Fall der Realisierung von stillen Reserven bei der Veräußerung einer Immobilie über
Buchwert kommt darüber hinaus grundsätzlich die Anwendung von § 6b EStG in Betracht. Demnach können die aufgedeckten stillen Reserven auf andere Immobilien des
Verkäufers übertragen oder in eine steuermindernde Rücklage eingestellt werden, wodurch u.U. die Versteuerung der stillen Reserven vermieden werden kann.
Erfolgt der Verkauf unter Buchwert, so realisiert das Unternehmen Verluste aus dem
Abgang von Vermögensgegenständen des Anlage- oder Umlaufvermögens. Diese
Aufwendungen schmälern das laufende Ergebnis mit der Folge einer (weiteren) Reduzierung des Eigenkapitals bzw. Reinvermögens.
Neben der Liquiditätssituation ist daher auch die Vermögenslage im Hinblick auf potentielle Überschuldungsrisiken aufgrund des Verkaufs von nicht betriebsnotwendigem
Vermögen zu überwachen.
184
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
5.3.3 Verkauf von betriebsnotwendigem Vermögen
Zum Verkauf von betriebsnotwendigem Vermögen wird auf die vorstehenden allgemeinen Ausführungen verwiesen. Nachfolgend wird der Sonderfall des Sale and lease
back dargestellt.
5.3.4 Sale and lease back
Sale and lease back Transaktionen gewinnen zunehmend auch für die Sanierungspraxis an Bedeutung. Gleichwohl ist der Abschluss solcher Verträge derzeit noch eher
unüblich, da sich die Anforderungen von Leasinggesellschaften an die Bonität und
Kreditwürdigkeit des Kunden nicht oder nicht wesentlich von denen einer Bank unterscheiden. Vor diesem Hintergrund sind die Sale and lease back Transaktionen als
Sanierungsmassnahme oftmals nur im Rahmen eines bestehenden Sanierungsplans
durchführbar, der dem potentiellen Leasinggeber offen gelegt wird.
Bei Sale and lease back Verträgen handelt es sich um eine Spezialform des Finanzierungsleasings, bei der abweichend zur Konstellation beim „normalen“ Leasing der
Leasinggeber den Leasinggegenstand nicht von einem Dritten, d.h. einem Lieferanten
bzw. dem Hersteller des Leasinggutes, sondern vom zukünftigen Leasingnehmer selbst
erwirbt. Der zukünftige Leasingnehmer veräußert (sale) eine in seinem rechtlichen Eigentum befindliche Sache an den Leasinggeber oder eine spezielle Objektgesellschaft,
welche er anschließend „zurück mietet“ (lease back).
Während das Leasing in seiner ursprünglichen Form ein klassisches Mittel der Fremdfinanzierung darstellt, ist das Sale and lease back eine Mischform mit Komponenten
der Innen- und Außenfinanzierung.
Durch diese Mischfinanzierungsform sollen sowohl die allgemeinen Vorteile des Finanzierungsleasings genutzt werden, als auch der liquiditätserhöhende Einmaleffekt
aus der Vereinnahmung des Veräußerungserlöses, der wiederum in Abhängigkeit der
Mittelverwendung direkten Einfluss auf die Finanzierungskosten des Verkäufers hat.
In der Regel handelt es sich bei dem zukünftigen Leasinggut, welches veräußert wird,
um betriebsnotwendiges Vermögen des Verkäufers, bspw. die Betriebsimmobilie oder
Produktionsmaschinen, auf dessen weitere Nutzung der Verkäufer zunächst angewiesen ist. Dieses Nutzungsrecht wird durch den Abschluss des Leasingvertrages gesichert.
Die Höhe des Transaktionspreises wird durch entsprechende Risikoabschläge des Erwerbers gemindert, in Abhängigkeit von Alter, Zustand, Lage und der Möglichkeit einer alternativen Verwendung für den Fall der Nichterfüllung des Leasingvertrages seitens des späteren Leasingnehmers. Die Abschläge werden umso höher ausfallen, je
weiter die Krise des Verkäufers fortgeschritten ist.
Der Vorteil der aufgrund des Verkaufserlöses geringeren Kapitalbindung bzw. der
Schaffung freier Liquidität geht mit dem Nachteil einher, dass der Verkäufer an künftigen Wertsteigerungen des Leasingobjektes nicht mehr teilnimmt. Diesem Nachteil
kann durch Abschluss einer Kaufoption zum steuerlichen Restbuchwert zum Ende der
Laufzeit begegnet werden.
In Bezug auf die bilanziellen und steuerlichen Folgen des Verkaufs an den Leasinggeber bzw. eine Objektgesellschaft gelten die Ausführungen im Kapitel „Verkauf von
nicht betriebsnotwendigen Vermögen“ analog, ebenso die Ausführungen zu den vor
der Transaktion zu klärenden Rahmenbedingungen, insbesondere das Thema der Mit-
5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der Innenfinanzierung
185
telverwendung bzw. Mittelfreigabe durch die finanzierenden Banken, die in der Regel
Sicherungsrechte am zukünftigen Leasinggegenstand haben.
Zur Vermeidung des Anfalls von Grunderwerbsteuer im Rahmen der Sale and lease
back Transaktion empfiehlt es sich, die Betriebsimmobilie an eine Objektgesellschaft
zu veräußern. Wird diese in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft geführt und
ist der Verkäufer zu 100 % am Kommanditkapital beteiligt, so entfällt die Grunderwerbsteuer gemäß § 5 Absatz 2 GrEStG, beträgt die Beteiligung weniger als 100 %,
so entfällt die Grunderwerbsteuer quotal.
Ergänzend zu diesen Überlegungen werden nachfolgend exemplarisch die wichtigsten
Vorteile und Nachteile des echten Finanzierungsleasings dargestellt.
Das echte Finanzierungsleasing zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um eine reine
Fremdfinanzierung handelt, in der in der Regel keine eigenen Mittel eingesetzt werden
müssen. Dies schont zunächst die Unternehmensliquidität.
Trotz der in der Regel vollständigen Fremdfinanzierung hat der Leasingnehmer jedoch
keine Verbindlichkeiten in seiner Bilanz zu passivieren. Dazu korrespondierend wird
das Leasinggut nicht aktiviert, da es wirtschaftlich nicht dem Leasingnehmer zu zurechnen ist.
Somit verbessert sich die Eigenkapitalquote im Vergleich zu einer echten Kreditfinanzierung, bei der der erworbene Gegenstand sowohl zu aktivieren, als auch die Kreditverbindlichkeit zu passivieren ist. Auf die Pflichtangaben im Anhang zum Jahresabschluss wird hingewiesen.
Ferner können bestimmte Steuervorteile bzw. Steuerstundungseffekte bei der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer im Rahmen einer Leasingtransaktion zu
Tage treten.
Ist der Leasinggegenstand dem Leasinggeber zuzurechnen, so stellen die geleisteten
Leasingraten für den Leasingnehmer sofort abziehbare Betriebsausgaben dar, die das
steuerliche Ergebnis mindern. Ein Steuervorteil entsteht dann, wenn die Leasingraten
höher sind als die korrespondierenden Abschreibungen zuzüglich Finanzierungskosten, wovon in der Regel auszugehen ist, da im Normalfall die Grundmietzeit eines
Leasingverhältnisses kürzer ist als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasingobjektes. Der Vorteil erhöht sich bei Vereinbarung degressiver Leasingraten.
Als wesentlicher Nachteil des Leasings müssen andererseits die teilweise, im Vergleich
zu einem echten Investitionskredit, höheren laufenden Kosten gesehen werden. Diese
resultieren daraus, dass der Leasinggeber nicht nur die Finanzierung zur Verfügung
stellt, sondern darüber hinaus auch seine weiteren Risiken, insbesondere das Verwertungsrisiko am Ende der Leasinglaufzeit, absichern muss. Ferner sind oftmals weitere
Kosten zu tragen, wie bspw. Versicherungen und Wartungen, über die der Unternehmer im Falle des Eigentums anders disponieren könnte. Sind die laufenden Kosten des
Leasings höher als die vergleichbaren Aufwendungen für Abschreibungen, Instandhaltung u.a., so wirkt sich der positive Einmaleffekt des Transaktionsjahres mittel- bis
langfristig negativ auf die Ertragslage des Unternehmens aus.
5.3.5 Working Capital Management
Als weitere Innenfinanzierungsmaßnahme sind die Möglichkeiten der Verbesserung
bzw. Optimierung des Nettoumlaufvermögens zu sehen. Dabei können liquiditätswirk-
186
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
same Reserven sowohl im Bereich der Forderungen, als auch im Vorrats- sowie Verbindlichkeitenbereich zu finden sein.
5.3.5.1 Forderungsbereich
Dem Forderungsmanagement kommt im Rahmen des Liquiditätsmanagements und
der Liquiditätssicherung eine besondere Bedeutung für Unternehmen zu, unabhängig
davon, ob und wenn ja, in welchem Krisenstadium sich ein Unternehmen befindet.
In diesem Zusammenhang wird auf die allgemeinen nachfolgenden Ausführungen zur
„Financial Supply Chain“ verwiesen und an dieser Stelle lediglich auf einige Besonderheiten in Bezug auf die Reduzierung des Forderungsbestandes hingewiesen.
Prinzipiell kann der Forderungsbestand durch Verkauf der Forderungen an einen Factor reduziert werden. Dem sofortigen Geldzufluss stehen dabei oftmals nicht unerhebliche Factoringgebühren gegenüber, die sich nachteilig auf den Geldzufluss und die Ertragslage auswirken. Ferner überprüft der Factor im Vorfeld des Ankaufs die Bonität
der angedienten Forderungen, so dass insbesondere die Kunden mit schlechter oder
zweifelhafter Bonität beim Unternehmen verbleiben.
Damit wird das Mahnwesen zu einer wichtigen Unternehmensfunktion, welche mit der
notwendigen Konsequenz verfolgt werden muss. Leider zeigen Krisenunternehmen in
diesem Bereich erhebliche Schwächen, teilweise durch personelle Unterkapazitäten,
teilweise durch psychologische Hemmschwellen. Unternehmen fürchten, durch stringentes und konsequentes Mahnen auf eigene Liquiditätsprobleme hinzuweisen, welche
vor dem Kunden verheimlicht werden sollen, um weitere Bestellungen und Käufe nicht
zu gefährden. Hier muss die Abwägung getroffen werden, ob alternativ zu schriftlichen
Mahnungen direkte, persönliche Gespräche mit dem Kunden gesucht werden, um den
Zahlungseingang zu beschleunigen. In anderen Fällen kann es durchaus angebracht
sein, Kunden gegenüber die angespannte Liquiditätssituation offen zulegen und Vorkasse zu vereinbaren. Dies kann immer dann sinnvoll sein, wenn der Kunde von weiteren Belieferungen abhängig ist und bei Nichtbelieferung einen erheblichen Schaden
erleiden würde, bspw. ein Automobilhersteller bei Ausfall eines wichtigen Just-in-time
oder Just-in-sequence-Zulieferers.
Generell kann auch die Verkürzung der Zeitspanne zwischen Lieferung und Fakturierung, zwischen Rechnungsstellung und erster Mahnung sowie die allgemeine Reduzierung der Zahlungsziele positiv auf den Forderungsbestand wirken.
5.3.5.2 Vorratsbereich
Erfahrungsgemäß ist der Vorratsbereich der Bereich bei Krisenunternehmen, in dem
sich die höchsten Einsparpotenziale identifizieren lassen. Dabei ist zwischen kurzfristigen sowie mittel- bis langfristigen Potenzialen zu unterscheiden.
Ursachen für Überbestände werden in der Regel durch eine überhöhte Produktvariantenanzahl sowie Fehldispositionen (Mindestbestellmengen, „eiserner Bestand“) und
mangelhaftes Controlling verursacht.
Durch den Verkauf von fertigen Erzeugnissen, aber auch von nicht mehr benötigten
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Waren, lassen sich kurzfristig liquide Mittel generieren. Verkaufsunterstützend können dabei befristete Rabattaktionen oder Sonderkonditionen wirken. Inwieweit durch diese Maßnahmen auch positive Erträge generiert werden können, hängt im Wesentlichen von der bilanziellen Behandlung dieser
5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der Innenfinanzierung
187
Vermögensgegenstände in der Vergangenheit ab. Wurden adäquate Reichweitenabschläge oder sonstige Wertberichtigungen auf den Vorratsbestand in der Vergangenheit unterlassen, so können u.U. Buchverluste entstehen, die die Ertragssituation des
Unternehmens zusätzlich belasten. Umgekehrt können bei entsprechender Risikovorsorge in den Vorperioden stille Reserven mit positiven Ertragseffekten realisiert werden.
Indirekte Liquiditätseffekte durch Reduktion der Lagerhaltungskosten können durch
die Verschrottung oder aber auch die unentgeltliche Abgabe von nicht gängigen Waren, bspw. an soziale Organisationen, erreicht werden. In diesem Zusammenhang ist
auch über die Zusammenlegung von Lägern oder die Inanspruchnahme von Konsignationslägern nachzudenken. Jedoch sind solche Maßnahmen sinnvoller Weise
nicht isoliert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit einer allgemeinen Optimierung des Bestandswesens.
Weitere Ansatzpunkte restriktiver Ausgabenpolitik sind in der Bestellmengendisposition und den vereinbarten Einkaufskonditionen zu sehen, anderseits bedingt insbesondere die Bestellmengendisposition (bis hin zur „Just-in-time-Belieferung“ ohne eigene
Lagerhaltung) optimierte Produktionsprozesse und ein ausgeprägtes, permanentes
und effizientes Bestandscontrolling, um Produktionsengpässe oder gar Produktionsausfälle zu vermeiden. Positive Beispiele hierfür sind insbesondere in der Automobilindustrie zu finden.
5.3.5.3 Verbindlichkeitenbereich
Im Bereich der Verbindlichkeiten sind Verbesserungspotentiale in der Praxis bei Krisenunternehmen nur eingeschränkt identifizierbar. Klassischerweise ist bei der Betrachtung von Verbindlichkeiten ein Augenmerk auf die vereinbarten Zahlungskonditionen zu legen. Die Inanspruchnahme von Skonti ist Krisenunternehmen aufgrund
der angespannten Liquiditätssituation kaum möglich, im Gegenteil muss es verhindert
werden, dass Lieferanten nur noch gegen Vorkasse liefern. Dem hieraus resultierenden vorzeitigen Liquiditätsabfluss kann durch die Hingabe von Avalen begegnet werden. Aber auch dies gestaltet sich in der Praxis als schwierig, da Banken die Avallinien in der Regel in die bestehenden Kreditlimite einbeziehen und somit die Möglichkeit
der Inanspruchnahme der Kontokorrentlinie reduziert wird.
Somit verbleiben als Optimierungsmöglichkeiten lediglich die Vereinheitlichung von
Zahlungskonditionen (insbesondere bei Konzernunternehmen) und die Sicherstellung,
dass diese entsprechend ausgenutzt werden und keine durch automatisierte Zahlläufe
vorfälligen Zahlungen geleistet werden.
5.3.6 Geschäftsprozessoptimierung zur Verbesserung
des Cash-Flows
Das wichtigste Innenfinanzierungsinstrument eines Unternehmens stellt die Optimierung der eigenen Geschäftsprozesse dar. In diesem Bereich besteht insbesondere im
Hinblick auf die Generierung von liquiden Mitteln ein erhebliches Potenzial.
Wie verschiedene Studien belegen, haben Unternehmen in Europa und USA zwischen
20 % und 30 % mehr Liquidität in ihrem Working Capital gebunden als notwendig, ferner sind zwei Drittel der deutschen Top-1.000-Unternehmen nicht mit ihren Finanzprozessen zufrieden, über 50 % haben hierbei bereits Verbesserungspotential in ihrem
188
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
eigenen Unternehmen gefunden18. Nun bleibt zu vermuten, dass diese Ergebnisse
durchaus auch auf den typischen mittelständischen Unternehmer zu übertragen sind,
der in der Regel über wenig systematisierte und automatisierte Finanzprozesse in seinem Unternehmen verfügt.
Nachfolgend wird daher der Grundgedanke des Financial Supply Chain Management
dargestellt, der im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung der liquiditätsverbessernden Prozesse um die Themen Umsatzgenerierung (Revenue Assurance), Bestandsmanagement und Finanzierungsmanagement punktuell und insbesondere um
Hinweise in Bezug auf die Prozesse bei Krisenunternehmen ergänzt wird.
• Financial Supply Chain Management
Die Financial Supply Chain ist definiert als der parallel verlaufende, monetäre Teil der
physischen Logistikkette (Supply Chain) eines Unternehmens19. Nachdem unzweifelhaft die Funktionalität und Effizienz der Supply Chain einen, wenn nicht den entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen darstellt, so wird die Financial Supply
Chain vor dem Hintergrund eines schwieriger werdenden Finanzierungsumfeldes
enorm an Bedeutung gewinnen.
Im Rahmen der Abbildung der Financial Supply Chain wird grundsätzlich der gesamte Prozess von Beginn der Anbahnung der Kundenbeziehung über den Vertragsabschluss bis hin zur Lieferung und Zahlung der Rechnung betrachtet.
Dabei teilt sich die Financial Supply Chain zunächst in die Teilprozesse des Financial
Trade Enablement und des Financial Trade Settlements ein.
Zu den nachfolgenden Ausführungen wird auf die Veröffentlichung von Skiera/König/
Geisler/Weitzel/Beimborn/Blumenberg/Franke/Pfaff, „Financial Supply Chain Management, Prozessanalyse, Effizienzpotentiale und Outsourcing – Eine empirische Studie
mit den 1.000 Größten Deutschen Unternehmen“ eFinance Lab, Frankfurt, 2003,
verwiesen.
– Financial Trade Enablement
Das Financial Trade Enablement kann grundsätzlich in vier Teilschritte untergliedert
werden:
Schritt 1: Qualifizierung
Dem zu Beginn der Financial Supply Chain stehenden, ersten Prozessschritt kommt
eine entscheidende Bedeutung im Rahmen der gesamten Folgeprozesse zu, da in Abhängigkeit von den hier getroffenen Entscheidungen und gewonnenen Erkenntnissen
alle Folgeprozesse determiniert sind. Zunächst erfolgt die Suche nach einem potentiellen neuen oder bereits bestehenden Kunden/Lieferanten. Im Anschluss daran steht
die Überprüfung der Echtheit des Kontaktes (Authentifizierung), gefolgt von einer eingehenden Bonitäts- und Kreditwürdigkeitsprüfung. Dabei kann sowohl auf externe Daten (Bankauskunft, Creditreform, Presseberichte u.a.) sowie auf eigene, mit dem Kunden/Lieferanten gemachte Erfahrungen (Zahlungsverhalten) zurückgegriffen werden.
Die Entscheidung, ob mit dem Kunden/Lieferanten eine Geschäftsbeziehung einge18
19
Skiera/König/Geisler/Weitzel/Beimborn/Blumenberg/Franke/Pfaff 2003, „Financial Supply
Chain Management, Prozessanalyse, Effizienzpotentiale und Outsourcing – Eine empirische
Studie mit den 1.000 Größten Deutschen Unternehmen,“ eFinance Lab, Frankfurt.
Killen & Associates, I., 2002, „Optimizing the Financial Supply Chain“, Report, Palo Alto,
Californien.
5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der Innenfinanzierung
189
gangen wird oder ob nicht, wirkt direkt auf die Folgeprozesse. Insbesondere bei eingeschränkter oder mangelhafter Bonität ist zu entscheiden, ob das mögliche Ausfallrisiko versichert werden kann (und zu welchem Preis) oder ob der Kunde/Lieferant abzulehnen ist.
Erfahrungsgemäß wird dieser Prozessschritt von Unternehmen in der Krise oftmals
sträflich vernachlässigt, sowohl in Bezug auf Bestandskunden als auch bei Neukunden.
Da in der Krise häufig das Heilmittel in der Annahme neuer Aufträge gesehen wird,
ohne sich über die die Krise verschärfenden Konsequenzen möglicher Forderungsausfälle oder Zahlungsverzögerungen Gedanken zu machen, werden Bestandskunden,
auch mit schlechter Bonität und mangelhaftem Zahlungsverhalten weiterbeliefert,
auch wenn erhebliche Zahlungsrückstände bestehen, Neukundengeschäft wird ohne
Bonitätsprüfung angenommen.
Ferner werden Kreditversicherungen aufgrund bereits vollständig ausgenutzter Linien
bei Warenkreditversicherern oder mangels freier Liquidität nicht abgeschlossen.
Schritt 2: Finanzierung
Der sich an das Thema Kunden-/Lieferantenauswahl anschließende Prozessschritt befasst sich mit den verschiedenen Formen der Finanzierung eines vereinbarten Warenoder Dienstleistungsgeschäftes. Dieses Thema betrifft in gleicher Weise den Verkäufer
wie Käufer.
Die auch heute noch üblichste Form der Finanzierung stellt der Lieferantenkredit dar,
bei dem der Verkäufer dem Erwerber ein Zahlungsziel einräumt. Dies bedeutet jedoch,
dass der Produzent oder der Erbringer einer Dienstleistung in erhebliche Vorleistungen
treten muss (Material-, Lohn- und Versandkosten), die er, zumindest bei Krisenunternehmen, in der Regel selbst fremd finanzieren muss. Diese Kosten werden ferner zumeist weder im Preis auf den Abnehmer überwälzt, noch in der Preiskalkulation
berücksichtigt. Da oftmals weder Vorkasse noch Abschlagszahlungen vereinbart werden können, stößt der Unternehmer in der Krise oft auf das Problem, dass teilweise
lukrative Aufträge mit positiven Deckungsbeiträgen (auch unter Berücksichtigung der
Finanzierungskosten) aufgrund voll ausgenutzter oder begrenzter Kreditlimite nicht angenommen werden können.
Für andere Kreditformen (bspw. Avale) sind in der Regel Kreditinstitute einzubinden,
was zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen im Vertragsabschluss führen kann.
Schritt 3: Preisfindung
In der Preisfindungsphase werden neben dem Preis auch alle weiteren Nebenbedingungen für das abzuschließende Waren- oder Dienstleistungsgeschäft vereinbart,
bspw. Nachlässe (Rabatte, Skonti) oder Zahlungs- und Lieferkonditionen.
In dieser Phase neigen Krisenunternehmen dazu, da in der Regel in der Krise umsatzgetrieben, dass erhebliche Zugeständnisse in Bezug auf den Nettopreis und/oder
den Zahlungszeitpunkt gemacht werden, ohne eine Differenzierung nach dem Kundenverhalten in der Vergangenheit vorzunehmen. Eine objektivierte Preisdifferenzierung anhand von Kriterien wie Bonität, Zahlungs- und Reklamationsverhalten erfolgt
in der Regel nicht.
Schritt 4: Absicherung
Da alle geschäftlichen Transaktionen mehr oder minder risikobehaftet sind, kommt
der Thematik „Risikoabsicherung“ eine weitere, zentrale Bedeutung zu. Als generelle
190
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
Risiken sind hierbei das allgemeine Kreditrisiko (Forderungsausfallrisiko), Preisänderungs-, Zins- und Währungsrisiken, aber auch Produktbeschädigungsrisiken, Gewährleistungsrisiken und Erfüllungsbetrug denkbar.
– Financial Trade Settlement
Nach der Lieferung bzw. der Übergabe der Ware bzw. der vollständigen Erbringung
der vereinbarten Dienstleistung (Fulfillment) schließt sich der Prozess des Financial
Trade Settlements an, welches ebenfalls in vier Teilschritte untergliedert werden kann:
Schritt 1: Rechnungsstellung
Die Rechnungsstellung erfolgt in den meisten Betrieben immer noch papierbasiert,
was eine erhöhte Fehlerquote, höhere Transaktionskosten und im gesamten Abwicklungsprozess Zeitverzögerungen nach sich zieht. Die Rechnungsstellung ist im Rahmen des Financial Trade Settlements der entscheidende Prozessschritt, bei dessen
Optimierung, bspw. durch elektronische Rechnungen, sich in den nachfolgend dargestellten Folgeprozesse erhebliche Optimierungen ergeben können.
Im Zeitpunkt der Rechnungsstellung ergeben sich jedoch auch noch einige andere Fragestellungen, die mit dem Begriff Revenue Assurance bezeichnet werden können.
Prinzipiell ist zu untersuchen, ob dem Rechnungswesen alle preis- und konditionenrelevanten Informationen vorliegen. Beispielsweise ergeben sich in der Praxis häufig
Schwachpunkte bei der Erfassung und Dokumentation von erbrachten, vertraglich jedoch nicht fixierten Sonderleistungen oder Zusatzaufträgen bzw. Nachträgen. Nur
wenn diese Informationen zeitnah und vollständig vorliegen, kann beurteilt werden, ob
diese im Vertrags- und Leistungsumfang enthalten waren oder gesondert abgerechnet
werden können. Weitere Beispiele dieser Art sind die Gewährung von Sonderkonditionen und Rabatten, die mit dem Kunden in der Vergangenheit vereinbart waren, dem
Kunden jedoch aufgrund seines geänderten Einkaufsverhalten objektiv nicht mehr zustehen (bspw. die Gewährung von Mengen- bzw. Großkundenrabatte, obwohl der
Kunde nicht mehr in diese Kategorie fällt). Insbesondere wenn derartige Konditionen
systemseitig hinterlegt sind, werden sie im normalen Geschäftsverkehr oft nicht mehr
hinterfragt und automatisch gewährt. Hierbei ist insbesondere darauf hinzuweisen,
dass ein solcher System- oder Organisationsfehler erhebliche Auswirkungen auf das
Unternehmensergebnis haben kann, da diese „leicht“ zu generierenden Umsätzen, die
mit Bestandskunden erreicht werden können, sofort vollständig ergebnisverbessernd
wirken, da Ihnen in der Regel keine weiteren Kosten entgegenstehen, d.h. jeder Euro
mehr Umsatz bedeutet in diesem Fall einen Euro mehr Ergebnis.
Schritt 2: Prüfung
Dieser Prozessschritt beinhaltet auf Erwerberseite die Prüfung der Rechnung in Zusammenhang mit der Prüfung des Wareneingangs bzw. der ausgelösten Bestellung mit
den vertraglich vereinbarten Konditionen.
Auf Verkäuferseite hat hier ein Abgleich der Ausgangsrechnungen mit den Zahlungseingängen des betreffenden Debitors zu erfolgen.
Schritt 3: Reklamation
Führt die Rechnungsprüfung zu Abweichungen oder Differenzen, folgt der Prozessschritt der Reklamation. Als Folge des papierbasierten Versandes werden fehlerhafte
Rechnungen erst spät erkannt, so dass aufgrund der Reklamationsdauer die ursprünglich vereinbarten Zahlungsziele überschritten werden. Kritisch ist dies insbeson-
5.3 Liquiditätsbeschaffung im Rahmen der Innenfinanzierung
191
dere auch für Krisenunternehmen, die auf schnelle Zahlungseingänge zur Finanzierung
ihres Working Capital angewiesen sind. Es zeigt sich aber, dass gerade in Krisenunternehmen, oft durch zu wenig und teilweise schlecht qualifiziertes Buchhaltungspersonal in der Reklamationsabwicklung erhebliche zeitliche Verzögerungen eintreten.
Dieser Effekt wird in der Regel dadurch verstärkt, dass reklamierte Rechnungen durch
den Kunden oft vollständig nicht beglichen werden, obwohl nur Teile der Rechnung
(oder der Lieferung) reklamiert werden.
Schritt 4: Zahlung
Nach Überprüfung und Freigabe der Rechnung erfolgt im Normalfall die Zahlung.
Auch hier liegen Potentiale zur Verbesserung und Beschleunigung der Zahlungsströme. Studien belegen, dass insbesondere Zahlungsinstrumente, die der Käufer initiiert,
wie bspw. Überweisungen, Scheck- oder Wechselzahlungen, die Außenstandstage einer Forderung erhöhen, während die vom Leistungserbringer initiierten Zahlungsinstrumente, wie bspw. Lastschrifteinzug, die Außenstandsdauer signifikant verringern.
Erfahrungsgemäß herrschen in Krisenunternehmen die erwerberbasierten Zahlungsinstrumente vor, oftmals ergänzt durch ein schwaches, wenig effizientes Mahnwesen.
Eine Optimierung der Financial Supply Chain führt insgesamt zu erheblichen Effizienzgewinnen und als Folge daraus zu erheblichen Zeit- und Kostenersparnissen.
Da der Zahlungsstrom zeitlich versetzt zum eigentlichen Warenstrom entsteht, besteht
für Unternehmen grundsätzlich das Problem der Zwischenfinanzierung für diese Zeitspanne, da zunächst Rohstoffe erworben und Löhnen bis zur Produktfertigstellung gezahlt werden müssen.
5.3.7 Cash Management
Unter dem Begriff des Cash Managements werden prinzipiell alle Maßnahmen der Liquiditätssteuerung und des Liquiditätsausgleichs im Rahmen der Innenfinanzierung eines Konzerns verstanden.
Während die Steuerungsfunktion in der Vergangenheit in der Regel durch die Konzernobergesellschaft wahrgenommen wurde, zeigt sich zunehmend der Trend zur
Gründung und Einschaltung von Finanzierungsgesellschaften, die die Aufgabe der Organisation und Durchführung des zentralen Cash Managements übernehmen. Dies ist
insbesondere auch vor dem Hintergrund eines zunehmend systematisierten und automatisierten, globalen Geldverkehrs zu sehen.
Der Grundgedanke des zentralen Cash Managements ist es, freie Geldmittel über Gesellschafts- und Ländergrenzen hinweg im Konzernverbund dort einzusetzen, wo diese benötigt werden bzw. benötigte Geldmittel zunächst im Konzern selbst und nicht
am Kapitalmarkt zu beschaffen. Damit soll verhindert werden, dass einerseits Unternehmen mit frei verfügbaren Geldmitteln diese zu relativ niedrigen Zinssätzen anlegen,
andererseits andere Unternehmen des Konzernverbunds mit Liquiditätsbedarf sich relativ teurer am Kapitalmarkt refinanzieren. Insgesamt führt daher ein erfolgreiches
Cash Management zur Reduzierung der Finanzierungskosten und einer geringeren Inanspruchnahme bzw. Bedarf an Kreditlinien.
• Formen des Cash Managements
Im Rahmen des Cash Managements ist zwischen der reinen Verrechnungsfunktion
und der Bestandsführungsfunktion zu unterscheiden.
192
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
– Netting bzw. Clearing Funktion
Im Rahmen des Nettings erfolgt eine Verrechnung/Saldierung aller konzerninternen
Forderungen und Verbindlichkeiten mit dem Ziel der Verringerung der Kosten des konzerninternen Geldverkehrs.
– Pooling Funktion
Im Rahmen des Poolings erfolgt eine zentrale Geldbestandsführung für alle am CashPool beteiligten Gesellschaften. Dabei kann das Cash-Pooling einerseits tatsächlich,
d.h. physisch erfolgen (Zero Balancing) oder rein virtuell (Notional Pooling).
Im Rahmen des Zero Balancing erfolgt ein tatsächlicher Geldtransfer der am CashPooling beteiligten Gesellschaften. Dabei transferieren Unternehmen, die Guthabensalden führen, täglich ihre Banksalden auf ein zentrales Geldsammelkonto (Master Account), welches durch den Poolführer oder eine Finanzierungsgesellschaft (Pooling
Agent bzw. Master Account Holder) geführt und verwaltet wird. Negative Banksalden
von anderen Tochterunternehmen werden hingegen zu Lasten des Master Accounts
täglich ausgeglichen bzw. glattgestellt. Neben der Reduzierung der konzernweiten
Zinskosten kann als weiterer Vorteil die Bündelung der gesamten konzernweit kurzfristig verfügbaren Liquidität auf einem Konto angesehen werden, was die Transparenz
und die Dispositionsfreiheit für die Konzernführung erhöht.
Anders als beim Zero Balancing erfolgt beim Notional Pooling kein physischer Liquiditätstransfer. Die Banksalden der am Pool beteiligten Gesellschaften werden lediglich
rechnerisch auf einem Geldsammelkonto zusammengeführt, dessen Saldo der den
Konzern finanzierenden Bank als Basis für die Berechnung der Finanzierungskosten
dient. Somit kommt bei dieser Form des Cash-Pooling lediglich der Vorteil der Zinsoptimierung zum Tragen.
– Cash Management und betriebswirtschaftliche Risiken
Im Rahmen eines zentralen Cash Managements muss darauf geachtet werden, dass
nicht unbemerkt und dauerhaft eine Verlustfinanzierung von unrentablen Geschäftsbereichen bzw. Tochterunternehmen erfolgt, welches bei zu spätem Erkennen oder
Gegensteuern zu erheblichen negativen, im schlimmsten Fall zu existenzbedrohenden
Konsequenzen für den gesamten Konzern führen kann. Verfügt die Obergesellschaft
über ausreichende finanzielle Mittel und Kreditlinien und befinden sich andere, ertragsstarke Tochterunternehmen im Konzernverbund, so ist die Verlustfinanzierung
einzelner Gesellschaften oftmals nicht sofort augenfällig, sofern das Geldsammelkonto im Guthaben geführt wird und andere adäquate Controlling- und Reportinginstrumente im Konzern fehlen.
Die Problematik eskaliert, sobald die Verluste des oder der defizitären Tochterunternehmen weiter ansteigen und/oder die Ertragsstärke der bislang erfolgreichen Töchter nachlässt. Einerseits werden die Finanzmittel an das Geldsammelkonto abgeführt,
ferner verfügen die Töchter im Rahmen eines Cash-Poolings oftmals nicht mehr über
eigene Kreditlinien bei Banken, andererseits werden durch das tägliche Glattstellen der
Negativsalden der defizitären Töchter der Geldmittelbestand insgesamt reduziert.
Entsteht nun auch ein Liquiditätsbedarf auf Ebene der ertragsstarken Tochterunternehmen, bspw. zur Finanzierung des eigenen laufenden Geschäftsbetriebs oder
aufgrund notwendiger Investitionen, kann dies zur Folge haben, dass nun auch die
Obergesellschaft trotz Cash-Pooling und eigener Kreditlinien an den Rand ihrer Innenfinanzierungskraft gelangt.
5.4 Bilanztechnische Maßnahmen
193
Oftmals wird erst in dieser Phase, in der ein weiterer Bedarf nach externen Finanzmitteln notwendig wird, die Verlustsubventionierung von Tochterunternehmen erkannt
oder in ihrem tatsächlichen Ausmaß überblickt.
In solch einer Situation entsteht aber oftmals für die Konzernobergesellschaft ein weiteres Problem und Risiko. In der Regel besitzt die Konzernobergesellschaft als Holding
lediglich die Beteiligungen an ihren Tochterunternehmen als Vermögenswerte. Sind
diese jedoch nachhaltig defizitär, so sind diese Beteiligungen im Zweifel wertzuberichtigen bzw. abzuschreiben. Damit ergibt sich das Problem sinkender Vermögenswerte
bei gleichzeitig steigendem Fremdmittelbedarf, insbesondere dann, wenn in der Vergangenheit auf die Anpassung der Wertansätze verzichtet wurde. Diese gilt in gleicher
Weise für die Forderungen an diese Unternehmen, die ebenfalls unter Umständen
wertzuberichtigen sind. Damit kann sich für die Obergesellschaft recht schnell das Problem der Liquiditätsenge zu einem insolvenzrechtlich relevanten Überschuldungstatbestand ausweiten. Aber auch für die ertragsstarken Tochterunternehmen kann sich vor
diesem Hintergrund ein Überschuldungsproblem ergeben, da nun die Frage nach der
Werthaltigkeit der Forderungen gegenüber der Obergesellschaft aus dem Cash-Pooling gestellt werden muss.
Rechtliche Risiken im Zusammenhang mit dem Cash-Pooling können sich insbesondere dann ergeben, wenn das Stammkapital der Gesellschaft, seine Aufbringung oder
Erhaltung betroffen ist. Hierauf sowie auf die anlässlich der geplanten Reform des
GmbH-Rechtes diskutierten Änderungen wird auf die Ausführungen in Kapitel 7.2.4
und 7.2.5 verwiesen.
5.4 Bilanztechnische Maßnahmen
Die vorgenannten Maßnahmen beschreiben Wege, dem krisenbehafteten Unternehmen neue Mittel unter Beteiligung von Altgesellschaftern oder von Neuinvestoren zuzuführen. Durch diese Maßnahmen werden positive Auswirkungen auf Bilanz und
Liquidität des Unternehmens geschaffen. Daneben können aber schon die wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Unternehmens – unter Einbeziehung der bestehenden Unternehmensfremdfinanzierung durch Banken, Lieferantenkredite oder Gesellschafterdarlehen – Ansatzpunkte zu Maßnahmen einer
vorzugsweise bilanziellen (oft dabei auch liquiditätsmäßigen) Verbesserung bieten. Dabei gilt der Blick vor allem der bestehenden „Passivseite“ des Unternehmens.
Zur Durchführung bilanzieller Maßnahmen bedarf es der Einbeziehung der Gläubiger
des Unternehmens, welche sehr häufig dadurch zur Mitwirkung an den Verbesserungsmaßnahmen motiviert sind, dass sie ohne entsprechende Mitwirkung Gefahr laufen, die bestehenden Forderungen in toto abschreiben zu müssen oder aber Kunden
dauerhaft zur verlieren.
5.4.1 Forderungsverzicht
Der einfachste Weg zur Verbesserung der Bilanzstruktur des krisenbehafteten Unternehmens bzw. gar zur schnellen Überwindung einer finanziellen Überschuldung ist der
vollständige oder teilweise Verzicht auf Forderungen durch Gläubiger des Unternehmens. Durch den vollständigen oder teilweisen Wegfall dieser Verbindlichkeit wird die
194
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
Passivseite sofort entlastet. So weit der Forderungsverzicht fällige Forderungen er fasst,
kann er zusätzlich zur Beseitigung einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit führen. Häufig wird in der Praxis ein teilweiser Forderungsverzicht verknüpft mit der gesamten
oder teilweisen Rückführung der Restverbindlichkeit des Gläubigers.
Rechtlich ist der Forderungsverzicht ein Erlassvertrag nach § 397 BGB. Ein Forderungsverzicht führt von Gesetzes wegen zum Erlöschen der für die Forderung gegebenenfalls bestellten akzessorischen Sicherheiten (Bürgschaften, Pfandrechte, Hypotheken). In der Praxis wird mit Sicherungsgebern aber häufig eine ergänzende,
abweichende Vereinbarung getroffen, durch welche die Sicherheiten aus ihrer Abhängigkeit von der betroffenen Forderung herausgelöst und als Haftungsgrundlage für die
Restfinanzierung eingesetzt werden; dies setzt selbstverständlich die Mitwirkung/Zustimmung der Sicherungsgeber voraus.
Anstelle eines isolierten Forderungsverzichtes wird in der Praxis ein Forderungsverzicht ferner häufig mit einem so genannten „Besserungsschein“ verknüpft. Ein solcher
Besserungsschein gewährleistet dem verzichtenden Gläubiger, dass er, wenn er „im
Rahmen eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs zum Zwecke der Erhaltung der Liquidität des Schuldners auf einen Teil seiner Forderung verzichtet hat,
Nachzahlungen erhält, wenn und so weit sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners bessern (Eintritt des Besserungsfalles)20“. Dabei ist die rechtliche Bewertung von
der konkreten Ausgestaltung des Besserungsscheines abhängig. So kann es sich dabei
entweder um
• einen unbedingten Forderungsverzicht mit aufschiebend bedingter Neuverpflichtung
• einen unbedingten Forderungsverzicht mit auflösend bedingtem Wiederaufleben
der Altverpflichtung
• ein aufschiebend bedingtes Schuldanerkenntnis oder um
• eine Stundung mit aufschiebend bedingter Fälligkeit
handeln. Die rechtliche Ausgestaltung hat unmittelbare Auswirkungen auf die gestellten Sicherheiten: Mit der ursprünglichen Forderung erlöschen auch die dafür gestellten akzessorischen Sicherheiten. Nichtakzessorische Sicherheiten müssen freigegeben
werden. Soll die Haftung für die Sicherungsgeber ganz oder teilweise erhalten bleiben,
so muss mit ihnen eine gesonderte Vereinbarung getroffen werden. Entsprechend gilt
dies, falls die Sicherheitengeber auch an einem Besserungsschein teilhaben sollen.
Zuerst einmal wird der Forderungsverzicht mit Besserungsschein als Mittel zur Verbesserung von Bilanzstrukturen verstanden. Danach soll der Verlust des mit dem Besserungsschein ausgestatteten Gläubigers durch zukünftige Jahresüberschüsse oder
aber durch einen Anteil am Liquidationserlös kompensiert werden. Der Gläubiger soll
danach solange diese Überschusszahlungen vor allen anderen Gesellschaftern erhalten, bis er seine Einlage zurückerhalten hat. Insoweit wird er vor den Gesellschaftern
bevorzugt. In der praktischen Umsetzung wird der Besserungsschein häufig so gestaltet, dass nicht der gesamte Jahresüberschuss den so ausgestatteten Gläubigern zusteht, sondern ein zu vereinbarender Teil davon als Anreiz den (geschäftsführenden)
Gesellschaftern verbleibt.
20
LAG Hamm vom 25. November 2005, Az: 4 Sa 2419/04 (amtlicher Leitsatz).
5.4 Bilanztechnische Maßnahmen
195
5.4.2 Sonderproblematik Sanierungsgewinne
Mit dem Erlöschen einer Verbindlichkeit ist ertragssteuerlich ein außerordentlicher Ertrag verbunden; entsteht dadurch ein Gewinn im Unternehmen, spricht man von einem Sanierungsgewinn. Ein solcher Sanierungsgewinn war bis einschließlich des Wirtschaftsjahres, das vor dem 1. Januar 1998 endete (§ 52 Abs. 2h EStG i.V.m. § 3
Nr. 66 EStG), steuerbefreit. Seither ist bei der Planung von Strukturschritten eine eventuelle Steuerbelastung durch Sanierungsgewinne unbedingt mit zu bedenken21. Ertragssteuern auf Sanierungsgewinne, die in Folge von Forderungsverzichten entstehen, können auf entsprechenden Antrag des betroffenen Unternehmens erlassen oder
gestundet werden22.
5.4.3 Rangrücktritt
Anstelle eines Forderungsverzichtes kann eine bilanzielle Überschuldung eines Unternehmens auch durch einen qualifizierten Rangrücktritt aufgehoben werden. Bei der
Rangrücktrittsvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag, mit welchem Gläubiger
mit dem Unternehmen vereinbaren, dass sie mit ihren Forderungen hinter alle anderen Gläubigern zurücktreten und sie ihre Forderung nur dann und in dem Umfang wieder geltend machen, wie sie aus einem künftigen Jahresüberschuss oder aus einem die
sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden (freien) Vermögen oder
aus einem Liquidationsüberschuss getilgt werden können23.
Dies hat zur Folge, dass Forderungen nicht unwiederbringlich verloren gehen, sondern
dass Gläubiger im Falle einer positiven Zukunftsentwicklung über die Rangrücktrittsvereinbarungen die Erfüllung ihrer Forderung erreichen können. Abgestellt wird auf
die zukünftige Ertragskraft bzw. das zukünftige Vermögen des Unternehmens.
Mit dem Abschluss der Rangrücktritts-Vereinbarung wird die Gläubiger-Leistung dem
Eigenkapital gleich und den Rechtsfolgen der §§ 32a, b GmbHG und § 135 InsO unterstellt. Bilanziell ist zu differenzieren: In der Handelsbilanz des Unternehmens bleibt
die Forderung erhalten; im Rahmen einer Überschuldungsbilanz bzw. bei einer Betrachtung im Rahmen eines Überschuldungsstatus aber ist die mit dem Rangrücktritt
belegte Verbindlichkeit nicht zu passivieren24.
Die konkrete Rangrücktrittsvereinbarung hat auch unmittelbare ertragssteuerliche Auswirkungen: Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. August
200425 wird zu Fällen, in denen zwischen Schuldnern und Gläubigern eine Rangrücktrittsvereinbarung abgeschlossen wurde, wie folgt Stellung genommen:
1) Regelung des § 5 Abs. 2a EStG
Gem. § 5 Abs. 2a EStG darf weder eine Verbindlichkeit angesetzt noch eine Rückstellung gebildet werden, wenn die Verpflichtung nur zu erfüllen ist, soweit künftig Ein21
22
23
24
25
Unterbleibt dies, können den Beratern des Unternehmens Beratungsfehler vorgeworfen werden.
Vgl. Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums vom 27. März 2003, IV A6 – S 2140–
8/03 – ZIP 2003, 690.
BGH vom 9. Februar 1987 – II Z 104/86 –, NJW 1987, 1697 f.
BGH vom 9. Februar 1987 – II Z 104/86 –, a. a. O.
Schreiben BMF vom 18. August 2004, Bundessteuerblatt 2004 – Teil I, S. 850 (Anwendung
des § 5 Abs. 2 lit. a EStG im Zusammenhang mit Rangrücktrittsvereinbarungen).
196
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
nahmen oder Gewinne anfallen. Eine solche Verbindlichkeit oder Rückstellung darf
erst angesetzt werden, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
2) Begriff der Rangrücktrittsvereinbarung
Vereinbart ein Schuldner mit dem Gläubiger, dass eine Rückzahlung der Verbindlichkeit nur dann zu erfolgen hat, wenn der Schuldner dazu aus zukünftigen Gewinnen,
aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem – freiem – Vermögen künftig in
der Lage ist, und dass der Gläubiger mit seiner Forderung im Rang hinter allen Gläubigern zurücktritt, bewirkt diese Rangrücktrittsvereinbarung anders als z.B. ein Forderungsverzicht nicht eine Minderung oder das Erlöschen der Schuld. Sie führt lediglich
zu einer veränderten Rangordnung bei den Verbindlichkeiten und wirkt sich damit auf
die Fälligkeit der Verbindlichkeit aus.
3) Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG auf Rangrücktrittsvereinbarungen im Sinne
von Nr. 2
Voraussetzung für die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG und damit für die Passivierung
einer Rangrücktrittserklärung in der Steuerbilanz ist, dass zwischen dem Ansatz der
Verbindlichkeit und Gewinn und Einnahmen im Zahlungsjahr keine Abhängigkeit besteht. Haben Schuldner und Gläubiger vereinbart, dass der Schuldner die Verbindlichkeit nur zurückzahlen muss, wenn er dazu aus künftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem – freiem – Vermögen dazu in der Lage ist, und
dass der Gläubiger damit mit seiner Forderung im Rang hinter alle anderen Gläubiger
zurücktritt, soll eine solche Abhängigkeit zwischen Verbindlichkeit und Einnahmen
oder Gewinn nicht bestehen. Die Rangordnung der Verbindlichkeiten wird unter diesen Umständen verändert und die Fälligkeit der von der besagten Vereinbarung betroffenen Verbindlichkeit verschoben. Die Verbindlichkeit selbst bleibt zu passivieren.
Fehlt einer Rangrücktrittsvereinbarung dagegen einer der genannten Bestandteile (z.B.
die Bezugnahme auf die Möglichkeit einer Tilgung auch aus sonstigem freien Vermögen), ist der Ansatz der betroffenen Verbindlichkeiten oder Rückstellungen ausgeschlossen, bevor auf sie Einnahmen oder Gewinne erzielt werden.
Das genannte Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zu Rangrücktrittsvereinbarungen macht letztlich die ertragssteuerliche Konsequenz aus einer Rangrücktrittsvereinbarung davon abhängig, ob Forderungen im Rangrücktritt lediglich aus
künftigen Einnahmen oder Gewinnen bedient werden, oder ob sie auch aus einem
eventuellen Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem, freiem Vermögen bedient
werden können. Rangrücktritt-Erklärungen sind in diesem Punkt somit unabdingbar
präzise zu formulieren, um die erheblichen steuerlichen Ertragswirkungen aus einer
erst später entstehenden Passivierungsmöglichkeit zu vermeiden.
5.4.4 Debt-equity-swap
Eine weitere elegante Variante zur Verbesserung des Bilanzbildes ist die Umwandlung
von Gesellschaftsschulden in Eigenkapital. Technisch erfolgt dies dadurch, dass Gläubiger ihre Forderungen im Rahmen von Kapitalerhöhungsmaßnahmen ganz oder teilweise in das Eigenkapital des Krisenunternehmens einbringen. Für das Unternehmen
führt dies zu einer unmittelbaren Entlastung im Fremdkapital und damit zu einer positiven Veränderung der Bilanzrelationen (Fremdkapital zu Eigenkapital), gegebenenfalls
sogar zur Korrektur einer Überschuldung. Darüber hinaus wird das Unternehmen unmittelbar von Finanzierungskosten entlastet.
5.4 Bilanztechnische Maßnahmen
197
Technisch wird der Debt-equity-swap durch eine Kapitalerhöhung umgesetzt. Diese ist
klassischerweise eine Sachkapitalerhöhung, da nicht Bargeld, sondern eine im wirtschaftlichen Gehalt von der Leistungsfähigkeit des Schuldnerunternehmens abhängige
Forderung eingebracht wird. Das bedeutet, dass die einzubringende Forderung in ihrer Werthaltigkeit im Rahmen der Sachkapitalerhöhung bewertet werden muss. Im
Rahmen der Einlageerbringung müssen die eingebrachten Forderungen nämlich mindestens die Höhe des Einbringungswertes decken26. Zeigt sich, dass der wirtschaftliche
Wert der Forderung niedriger war als der in der Kapitalerhöhung zu erbringende, führt
dies zur Differenzhaftung des einbringenden Gesellschafters (§ 9 Abs. 1 GmbHG) und
damit zur Pflicht zur baren Nachzahlung in Höhe der Differenz.
So weit die eingebrachten Darlehen Eigenkapitalersatz-Charakter (§§ 32a und b
GmbHG) haben, sind darüber hinaus Rückzahlungen auf diese Forderungen von den
Begünstigten zurückzuerstatten.
Da diese Rechtsfolgen sinnvolle Swap-Maßnahmen unmöglich machen können, wurden durch § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG (so genanntes „Kleinstbeteiligungsprivileg“)27 die
Vorschriften über den Eigenkapitalersatz ausgeschlossen, falls der durch den Swap beitretende Gesellschafter keine Geschäftsführerstellung inne hat und mit maximal 10 %
am Stammkapital beteiligt ist. Dieses Privileg gilt nicht, wenn der am Swap beteiligte
Gesellschafter seine Beteiligung unter die Schwellengrenze reduziert oder eine Geschäftsführerstellung aufgibt; ein zuvor gewährtes Darlehen bleibt dann eigenkapitalersatzverhaftet.
Für Aktiengesellschaften fehlt eine entsprechende Regelung. Die Rechtsprechung hat
die Schwelle für die analoge Anwendung des Kleinstbeteiligungsprivilegs auf Aktiengesellschaften aufgrund der Struktur der Aktiengesellschaft anstelle bei einer 10 %Schwelle (wie bei der GmbH) auf einen Wert von 25 % festgelegt28.
Privilegiert sind zudem nach § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG Darlehensgeber, die in der
Krise der Gesellschaft zum Zweck der Überwindung dieser Krise Geschäftsanteile erwerben; auf die von ihnen an die Gesellschaft ausgereichten Kredite sind die Eigenkapitalersatzregeln nicht anzuwenden. Das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3
GmbHG gilt nur für bisher nicht an der Gesellschaft beteiligte Dritte, die für die positive Signalsetzung durch ihr freiwilliges Engagement „belohnt“ werden sollen. So
genannte „Sanierungsgesellschafter“ können beispielsweise Kreditinstitute, professionelle Sanierer oder auch bisherige Fremdgeschäftsführer sein. Wie hoch die Beteiligungsquote ist, die sie erwerben, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass ihr Anteilserwerb (durch Kapitalerhöhung oder durch Übernahme von Geschäftsanteilen von
Altgesellschaftern) in einer Krise der Gesellschaft erfolgt, diese sanierungsfähig ist, die
zur Sanierung geplanten oder begonnenen Maßnahmen objektiv geeignet sind, die
Gesellschaft in überschaubarer Zeit zu sanieren, und der Anteilserwerb subjektiv in Sanierungsabsicht erfolgt. Von der Wirkung des Sanierungsprivilegs sind die der Gesellschaft bisher gewährten Kredite sowie sämtliche zur Erfüllung des Sanierungszwecks
neu zur Verfügung gestellten Mittel erfasst, auch wenn diese Mittel der Gesellschaft
erst (einige Zeit) nach dem Anteilserwerb zufließen.
26
27
28
BHG vom 15. Januar 1990 – II Z 164/88 – BGHZ 110, 47, 52.
Art. 2 des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes (KapAEG), BGBl. Teil I 1998, 707 und Art. 10
des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BGBl. Teil I
1998, 786.
BGH vom 11. Januar 1999 – II Z 247/97 – ZIP 1999, 408.
198
5. Finanzwirtschaftliche Finanzierungsmaßnahmen
5.4.5 Kombination der dargestellten bilanztechnischen
Maßnahmen
Die vorbeschriebenen Einzelmaßnahmen können im Rahmen der Vertragsautonomität
kombiniert werden. Dadurch ergeben sich in der Vertrags-Praxis diverse hybride Regelungen. So sind selbstverständlich Verzichtszenarien auch kombiniert mit Kapitalerhöhungen zu bevorzugten Konditionen möglich. Gleiches gilt für die Kombination
von Sanierungsbeiträgen in vorbeschriebener Variante verbunden mit einer kompensierenden Barkapitalerhöhung durch den Gläubiger, der das Unternehmen in dieser Situation begleitet.
Allen genannten Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie zu einer positiven Verschiebung
der Bilanzrelationen – Fremdkapital zu Eigenkapital – führen. Entweder gilt diese Verschiebung unmittelbar in der Handelsbilanz oder sie gilt zumindest – je nach Ausgestaltung – in der Ermittlung eines Überschuldungsstatus/einer Überschuldungsbilanz.
Richtig eingesetzt leisten sie aber alle einen wesentlichen Beitrag zur bilanziellen Restrukturierung des Unternehmens. Sie können zudem die Interessen aller wirtschaftlich
am Unternehmen interessierten Personen wahren.
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