Bericht - Auslandspraktikum

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Wie haben Sie Ihr Auslandspraktikum gefunden? Wer hat Ihnen dabei geholfen?
Ich habe im April 2012 auf dem Jobportal der Außenhandelskammer Peking
(http://china.ahk.de/) mein Jobprofil hochgeladen. Dort kann man Interessengebiete angeben
und Unternehmen können die Profile einsehen. Im September 2012 bekam ich dann eine EMail von einem mittelständischen, chinesischen Unternehmen mit dem Namen Yingkou Ruigu Refractories. Nach einigen Emails hatte ich dann ein Telefoninterview auf Englisch mit
meinem Ansprechpartner vor Ort. Danach bekam ich die offizielle Einladung für das chinesische Visum. Die Firma ist eine komplett chinesische Firma.
Welche Erwartungen hatten Sie zu Beginn des Praktikums?
Ich habe mir erwartet, Einblicke in die chinesische Arbeitskultur zu bekommen. Ich habe mir
Sprachkurse erwartet, die mir versprochen wurden. Ich habe erwartet, Einblicke in die Arbeit
eines Wirtschaftsunternehmens zu bekommen, speziell in die Arbeit den internationalen Handel betreffend.
Welche wurden erfüllt und welche nicht und warum?
Von meinen Erwartungen haben sich leider gar keine erfüllt. Ich wurde in China mit vielen
Un- und Halbwahrheiten konfrontiert. Es fing schon mal damit an, dass ich nicht wie versprochen in der Stadt in einem eigenen Zimmer leben durfte, sondern in der Firma selbst, die sich
in einem abgeschiedenen Industriepark befindet. Es gab überhaupt keine Chinesischkurse. Nur
einmal hat mein Chef mir einige Worte chinesisch beigebracht, was aber relativ sinnlos war,
da ich keinen Überblick über die Sprachstruktur bekommen habe.
Wie haben Sie sich auf das Praktikum vorbereitet (Sprachkurse, interkulturelles Training, Einlesen in die Kultur des Gastlandes usw.)?
Ich spreche kein Chinesisch. Zu Beginn war klar, dass meine Arbeitssprache Englisch sein
würde. Deshalb habe ich mir eher noch einmal englische Grammatik und für mein Feld wichtige Wortfelder angesehen. Ansonsten Filme und Bücher auf Englisch gelesen und gesehen.
Darüber hinaus habe ich Personen, die ich kenne und die bereits in China waren, zu deren
Erfahrungen befragt.
Mit welchen Aufgaben wurden Sie im Praktikum betraut?
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Ich war dem „International Department“ zugeordnet. Deshalb sollte eine Standortanalyse für
die Städte Frankfurt, München und Berlin durchführen. Die Firma will sich in Deutschland
niederlassen und wollte deshalb Informationen für den besten Standort sammeln. Desweiteren
musste ich eine Marktrecherche für den Import von Kindersitzen in China erstellen. Die Aufgaben standen somit relativ alleine und hatten wenig miteinander zu tun (Magnesiumexport,
Kindersitzimport).
Konnten Sie dabei im Studium oder in bisherigen praktischen Erfahrungen Erlerntes
umsetzen?
Ich konnte die im Studium erlernte Fähigkeit zu schreiben anwenden. Für die anzufertigenden
Berichte war mir das hilfreich. Basiskonzepte aus der BWL waren außerdem hilfreich. Auf
diese wurde sich am Arbeitsplatz oft berufen (Modelle, Formeln). Ansonsten EDV Kenntnisse
und Englisch.
Waren Sie ausgelastet?
Nein. Es mangelte an einer guten Betreuung. Oft saß ich unbetreut im Büro ohne konkretes
Feedback zu meiner Arbeit. Wenn er sich zu meiner Arbeit äußerte, so leider nur sehr allgemein. Das führte dazu, dass ich mich nicht ausgelastet fühlte, da ich schlicht und ergreifend
nicht genau wusste, was ich arbeiten soll.
Wie haben Sie Neues gelernt und was?
Ich habe die Arbeitskultur eines anderen Kulturkreises kennengelernt. Inhaltlich habe ich leider nicht viel gelernt, bis auf das konkrete Durchführen einer Standortanalyse.
Gab es irgendwelche Probleme während des Praktikums und welche?
Ja. Das größte Problem war, dass sich mein Vorgesetzter versucht hat, meine Mitpraktikantin
aus Deutschland gegen ihren Willen zu küssen und zu bedrängen. Dies geschah während der
fast einwöchigen Chinese New Year Festtage. Danach äußerte er sich dazu nicht; er entschuldigte sich auch nicht für sein Verhalten. Die Betreuung am Arbeitsplatz wurde danach noch
sporadischer. Wir saßen eine Woche ohne seine Anwesenheit im Büro ohne konkrete Arbeitsaufgabe. Wir beschlossen dann, das Praktikum abzubrechen.
Wie gestalteten sich die Kontakte zu Kollegen am Arbeitsplatz?
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Eher schwierig, da alle nur Chinesisch sprachen, ich aber nur englisch. Es lief auf freundliches
Grüßen und gemeinsames Mittagessen hinaus.
Konnten Sie Kontakte zu anderen Einheimischen aufbauen und wie?
Nein, da ich in der Firma wohnte, die außerhalb der Stadt in einem Industriegebiet lag. So
konnte ich nach der Arbeit nicht in die Stadt, da keine Busse mehr fuhren. Und es stand wiederum die Sprache im Weg.
Haben Sie Tipps für zukünftige Studenten an Ihrem Praktikumsort?
Ich würde bei einem Auslandspraktikum in China dazu raten, in eine nicht-chinesische Firma
in ein international gemischtes Team zu gehen. Es gibt zu große kulturelle Hürden, wenn man
in einem rein chinesischen Umfeld ist. Sobald es Probleme gibt, ist man sehr aufgeschmissen.
Auch würde ich dazu raten, in große Städte zu gehen, in denen es eine ausgeprägte Expatgemeinschaft gibt (=ausländische Arbeitnehmer). Da es sehr schwer ist, mit Chinesen in Kontakt
zu kommen und ein wirkliches Gespräch zu führen (auch jenseits von Sprachbarrieren), ist es
schön, mit anderen in Kontakt kommen zu können. Auch würde ich empfehlen, sich ein chinesisches Konto anzulegen, denn es ist teilweise schwierig, Geld an den Automaten abzuheben (geht nur an den großen Banken).
Wie haben Sie eine Unterkunft gefunden und wie bewerten sie?
Ich habe in der Firma gewohnt. Da diese sehr weit außerhalb war, war ich sehr abgeschlossen
von der Stadt. Hier ein paar Bilder. Meine Mitpraktikantin und ich haben versucht, das recht
karge Zimmer zu verschönern.
Oben links: mein Zimmer. Daneben: Gemeinschaftsraum. Unten: Meine Toilette
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Wie hat sich durch das Praktikum Ihre Studienmotivation, Ihr Studienverhalten
und/oder Ihre Einstellung zum künftigen Beruf geändert?
Ich möchte nicht mehr in die freie Wirtschaft gehen. Das hat aber auch etwas mit meinen
früheren Berufserfahrungen zu tun. Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, der inneren Leidenschaft für etwas zu folgen, und diese liegt bei mir im kulturellen Feld. Nichtsdestotrotz möchte ich gerne wieder ins Ausland, auch wenn diese Erfahrung eher schlecht war.
Wäre die Praktikumstelle bereit, auch zukünftig ausländische
nen/Praktikanten aufzunehmen?
Ja. Aber ich würde es auf keinen Fall empfehlen, vor allem Frauen nicht.
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Praktikantin-
Können Sie diese Stelle anderen Praktikantinnen/Praktikanten empfehlen? Bitte begründen Sie.
Ich kann die Stelle nicht empfehlen, aufgrund des eindeutigen Fehlverhaltens meines Vorgesetzten und der mangelnden Betreuung. Außerdem wurden vorherige Versprechungen nicht
eingehalten. Das zeugt von einer Unzuverlässigkeit, die sich durch das gesamte Praktikum
zog.
Haben Sie Verbesserungsvorschläge für die Organisation durch Student und Arbeitsmarkt?
S&A hat mich in der Phase, in der ich über das Abbrechen nachdachte, weil die Situation unerträglich war, sehr schnell und gut betreut, weswegen ich Herrn Hoch sehr dankbar bin. Vielleicht könnte man eine Art „Black List“ für schlechte Arbeitgeber anlegen, sodass zukünftige
Studenten vor ihnen gewarnt werden können.
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