Alarmgebung medizintechnischer Geräte – Probleme - Medizin-EDV

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Ausgabe 6/2010
Alarme
Alarmgebung medizintechnischer Geräte –
Probleme, Lösungen
Daten-Validität und Schnittstellen-Kompatibilität
Die Alarmgebung medizintechnischer Geräte erfüllt in vielen Bereichen nicht die Anforderung, die Patientenüberwachung sicherer zu machen. Dr. Christian E. Wrede,
HELIOS Kliniken GmbH, skizziert kritische
Kernpunkte und weist auf Lösungswege hin.
Ziel einer Patientenüberwachung mit Hilfe medizintechnischer Geräte ist es, rechtzeitig Änderungen des Patientenzustandes
zu erkennen und entsprechend darauf reagieren zu können. Anwendungsgebiete
hierfür sind medizinische Bereiche mit einem hohen Risiko einer Änderung des Patientenzustandes, wie in der Intensivmedizin, Anästhesie und Notfallmedizin. Im
Rahmen der technischen Fortentwicklung
nimmt die Patientenüberwachung durch
medizintechnische Geräte im Krankenhaus
jedoch insgesamt zu, da sowohl mehr Funktionen in Überwachungsgeräte implementiert werden als auch zusätzliche Geräte
zur Patientenüberwachung zur Verfügung
stehen. Darüber hinaus werden die
Anwendungsgebiete des Monitorings zunehmend um weitere Bereiche wie die
Überwachung von Patienten auf Normalstationen erweitert.
Mit der Zunahme des Monitorings kommt
es auch zu einer stetig steigenden Anzahl an
visuellen und akustischen Alarmen, wobei
bereits jetzt auf durchschnittlichen Intensivstationen mehr als 40 akustisch unterschiedliche Alarme mit Lärmpegeln von über
80 dB, vergleichbar mit Geräuschen im Bereich befahrenen Hauptverkehrsstraße, auftreten. Viele solcher Alarme treten in so genannten Alarmketten auf und sind auf
denselben medizinischen Zustand zurückzuführen. Dieser Lärm stellt eine erhebliche Belastung dar, die zum Burn-Out von Mitarbeitern sowie zu verzögerter Rekonvaleszenz
und Delir bei Patienten führen kann.
Bestehende Alarmsysteme weisen zwar
eine hohe Sensitivität für die Erkennung kritischer Zustände auf, die meisten der Alarme
ziehen jedoch keine klinische Konsequenz
nach sich. In einer eigenen Untersuchung
waren lediglich 15 % aller Alarme des kardiovaskulären Monitorings auf einer Intensivstation klinisch relevant. Dies führt zu einer gefährlichen Desensibilisierung des
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Personals, in manchen Untersuchungen wurden nur 10% aller Alarme und nur jeder zweite klinisch bedeutsame Alarm vom medizinischen Personal wahrgenommen. Obwohl
die Sensitivität des medizintechnischen Gerätes an sich sehr hoch ist, weist die Kombination „Gerät + Anwender“ aufgrund der hohen Rate an Fehlalarmen eine klinisch
deutlich niedrigere Sensitivität auf. In diesem Zusammenhang sind auch Berichte über
eine ausbleibende Alarmierung von kritischen Situationen zu werten, die dem
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet wurden und die in
der überwiegende Mehrzahl der Fälle auf
Fehlbedienungen zurückzuführen waren.
Desensibilisierung der Mitarbeiter
Das Problem der hohen Rate an zumeist
klinisch irrelevanten Alarmen verbunden
mit einer Desensibilisierung der Mitarbeiter ist seit längerem bekannt, wobei die Lösungsansätze eine bessere Schulung der
Mitarbeiter, eine verbesserte Ergonomie der
Geräte, die Erkennung von Artefakten
durch verschiedene Algorithmen der Signalverarbeitung, eine Reduktion der
zu alarmierenden physiologischen Parameter durch geräteübergreifende Analysen
der Alarmketten bis zu der Generierung
und Alarmierung von abgeleiteten Indices
und letztlich auch eine Identifikation
neuer physiologischer Parameter zur früheren Erkennung kritischer Patientenzustände umfassen.
Algorithmen zur Reduktion von Fehlalarmen umfassen die Erhöhung von so genannten Alarmbestätigungszeiten, wobei dies
von der Höhe der Überschreitung der Grenzwerte abhängig sein kann, die Filterung und
Glättung des Datensignals durch in Echtzeit
angewandte statistische Filter, z. B. repeated
median, und die Analyse charakteristischer
Muster, wie sie beispielsweise bei der invasiven arteriellen Blutdruckmessung während
der Blutabnahme entstehen. Intelligente
Alarmsysteme interpretieren Meßwerte im
Kontext weiterer Informationen, beispielsweise der Störung einer Messung der Pulsoxymetrie bei gleichzeitiger nichtinvasiver
Blutdruck-Messung am selben Arm, oder der
fehlenden Vereinbarkeit einer Asystolie im
EKG-Signal bei gleichzeitiger Pulsatilität einer invasiv gemessenen Blutdruckkurve. In
solchen Fällen würde aufgrund der KontextInformation der Alarm unterdrückt.
Eine Geräte-übergreifende Signalverarbeitung zur Kontext-basierten Erkennung
von Fehlalarmen oder auch zur Generierung
neuer Indices wurde bislang nicht in kommerzielle Monitoring-Systeme implementiert.
Eine solche Technik setzt eine absolute Validität der über ein Netzwerk vermittelten
physiologischen Daten und die Kompatibilität der Schnittstellen verschiedener Hersteller voraus. Mit der Verabschiedung der DIN
80001 entsteht darüber hinaus aus der Vernetzung der Geräte ein neues Medizinprodukt mit Haftbarkeit des Betreibers. Diese
Probleme wurden vom Fachausschuss Patientenüberwachung der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT)
und der Sektion IT und Medizintechnik der
DIVI adressiert und werden in einem gemeinsamen Workshop diskutiert.
Zusammengenommen erfüllt die
Alarmgebung medizintechnischer Geräte in vielen Bereichen nicht die an sie
gestellten Anforderungen, die Patientenüberwachung sicherer zu machen.
Hierzu ist eine Reduktion klinisch irrelevanter Alarme
nötig, um die Desensibilisierung des Personals zu überwinPriv.-Doz. Dr.med. Chrisden. Bislang sind nur tian Wrede, Chefarzt des
sehr wenige der hier Interdisziplinären Notskizzierten Methoden fallzentrums mit Rettungsstelle, HELIOS
in kommerziellen Klinikum Berlin-Buch:
Systemen verfügbar, „Eine
geräteüberviele der Methoden greifende Signalverarbeitung zur Kontextkönnten jedoch be- basierten Erkennung von
reits implementiert Fehlalarmen oder auch
werden. Für platt- zur Generierung neuer
Indices wurde bislang
formübergreifende
nicht in kommerzielle
Lösungen ist jedoch Monitoring-Systeme imweiterer Forschungs- plementiert.“
bedarf vorhanden.
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