Maturaarbeit Oktober 2011 Die Bedeutung des Lateins für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert Autorin, Klasse: Adresse Betreuende Lehrperson Büsra Beceren, 4B Baslerstrasse 108, 8048 Zürich Dr. Zeuch Ulrike Inhaltsverzeichnis: 1. Abstract 3 2. Vorwort 4 2.1 Motivation 4 2.2 Ziel, Eingrenzung des Themas und Vorgehensweise 5 3. Einleitung 7 3.1 Thesen 8 3.2 Die Popularität des Lateins im 21. Jahrhundert 10 3.3 Latein als Fremdsprache an den Gymnasien 11 3.4 Beiträge des Lateins zur gymnasialen Bildung 12 3.5 Die DAV-Matrix-Tabelle: Inhaltsbereiche des Lateinunterrichtes 15 3.6 Die universitäre Bildung 18 3.7 Die Universität Zürich 20 3.7.1 Latein als Fremdsprache an der Universität 21 3.7.2 Der Lateinkurs an der Universität Zürich 21 4. Empirische Arbeit: Die Wichtigkeit des Lateins für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert 23 4.1 Latein als Sprache der Rechtswissenschaft 23 4.2 Lateinkenntnisse für das Medizinstudium 25 4.3 Latein im Theologiestudium 27 4.4 Bedeutung des Lateins für das Geschichtsstudium 29 4.5 Englisch – das „moderne Latein“ im 21. Jahrhundert 31 4.6 Latein lebt an den Universitäten des 21. Jahrhunderts 33 4.7 Einstellungen der Hochschullehrer zum Lateinobligatorium 36 4.8 Folgerungen 42 4.9 Interviewpartner 49 5. Diskussion 50 5.1 Zusammenfassung 50 5.2 Ausblick und Schlusswort 53 1 6. Dank 55 7. Glossar 57 8. Quellenverzeichnis 60 9. Eigenständigkeitserklärung 65 10. Anhang 66 10.1 Fragebogen 66 10.2 Interview mit Prof. Dr. Martin Killias 68 10.3 Interview mit Prof. Dr. med. Anita Rauch 70 10.4 Interview mit Prof. Dr. Eva Ebel 73 10.5 Interview mit Prof. Dr. Claudia Zey 74 10.6 Interview mit Prof. Dr. Andreas Jucker 75 10.6 Interview mit Prof. Dr. Christian Utzinger 77 2 1. Abstract: Mit meiner Maturaarbeit möchte ich den Gymnasiasten der Kantonsschule Ausserschwyz auf der einen Seite bewusst machen, dass Latein selbst im 21. Jahrhundert eine Schlüsselqualifikation für sämtliche Disziplinen an der Universität Zürich darstellt, und auf der anderen Seite, dass es als Schwerpunktfach gewählt werden sollte, weil diese Sprache das Allgemeinwissen erweitert, die Leistungen vor allem in den sprachlichen und historischen Fächern fördert und eine Grundlage für die universitäre Bildung darstellt. Was aber den Unterschied zwischen universitärer Bildung und „gewöhnlicher“ Bildung ausmacht, das habe ich in meiner Arbeit genau analysiert und schliesslich anhand der Definitionen von Wilhelm von Humboldt und Prof. Dr. Andreas Jucker untermauert. Die Interviews mit den Dozenten der Universität Zürich bestärken meine These, dass Latein für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert wichtig ist und dass es sich dabei nicht nur um eine Sprache, sondern auch um ein Hilfsmittel für die restlichen gymnasialen Fächer handelt. Ausserdem entlarven sie die Behauptung, Latein sei eine tote Sprache, als blosses Vorurteil. 3 2.Vorwort 2.1 Motivation Die Idee, eine Arbeit im Fach Latein zu schreiben, geht zurück auf die Anregung meiner Privatnachhilfelehrerin Frau Pichler. Ihr habe ich meine Liebe zum Latein zu verdanken. Aufgrund des Schulwechsels an die Kantonsschule Stadelhofen konnte ich dank Ihrer Unterstützung in drei Wochen die Grundlagen des Lateins erarbeiten. Als Schülerin der Kantonsschule Ausserschwyz will ich mit meiner Maturaarbeit versuchen, die Bedeutung des Lateins, das auch als „Königin der europäischen Sprachen“1 bezeichnet wird, für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert zu analysieren. Als Befürworterin des altsprachlichen Profils werde ich sämtliche Argumente zusammenführen, um die Vorurteile, die in Bezug auf die Altsprache an meiner Schule bestehen, als blosse Vorurteile zu entlarven. Meiner Überzeugung nach sollte Latein ein gymnasiales Grundlagenfach wie in früheren Jahren sein, weil es Bildungsleistungen erbringt, die sich für andere Fächer auszahlen.2 Durch das Übersetzen von Fabeln, Geschichten, Texten aus dem Neuen Testament und vielen anderen verbessert der einzelne Gymnasiast seine schulischen Leistungen, weil die Texte genau analysiert, interpretiert und ausgewertet werden. Aber was mag der Grund dafür sein, dass es trotzdem viele Gymnasiasten ablehnen? Fragen wie: Braucht man Latein noch an der Universität? Ist Latein etwa schon vor einigen Jahrhunderten gestorben? In welchem Bereich wird der Schüler überhaupt durch das Lernen einer alten Sprache gebildet? wollte ich beantworten und dies war auch der Grund dafür, dass ich mich ein ganzes Jahr auf diese Thematik spezialisiert habe. Maßgeblich wollte ich mich dem Thema „Die Bedeutung des Lateins für die gymnasiale Bildung im 21. Jahrhundert“ widmen. Schnell aber tauchte bei mir der Gedanke auf, dass meine Maturaarbeit sich auf einem seriösen wissenschaftlichen Niveau bewegen und meine Zielgruppe die Dozenten an den Universitären sein sollten. Deshalb entschied ich 1 Tore Janson. 2006.: Die Erfolgsgeschichte einer Sprache. Buske. Hamburg Karl-Willhelm Weber. 1998.: Mit dem Latein am Ende? Traditionen mit Perspektiven. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2 4 mich, meine Arbeit an der Universität auszuführen und ihr einen anderen Titel zu geben, nämlich: „Die Bedeutung des Lateins für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert“. 2.2 Ziel, Eingrenzung des Themas und Vorgehensweise Im Focus meiner Arbeit steht die Frage, ob Latein für die Disziplinen Geschichte, moderne Sprachen (insbesondere Englisch), Theologie, Jura und Medizin im 21. Jahrhundert noch eine Schlüsselqualifikation darstellt, die die Studienordnung den Studenten abverlangt. Auch die Behauptung, Latein sei im 21. Jahrhundert nicht mehr lebendig, soll mit den Begründungen der Fachleute als falsch erwiesen werden. Nebst den Recherchen in zahlreichen Büchern stellt das Interview mit den Dozenten an der Universität Zürich und das Auswerten der Fragebogen den Kernpunkt meiner Arbeit dar. Von Anfang an ahnte ich, dass ich mich mit einem anspruchsvollen Thema beschäftigen und besonders auf die Bereitschaft der Professoren angewiesen und davon abhängig sein würde. Die Schwierigkeit meiner Arbeit lag nicht darin, ein trockenes Thema zu untersuchen, sondern, dass ich erst dann Erfolg haben könnte, wenn ich auch die gewünschten Professoren interviewen dürfte. Meine Motivation und mein Ehrgeiz hielten mich trotz allem nicht davon ab, eine Arbeit über das Latein in Verbindung mit der Universität zu schreiben. Dabei wollte ich meine Thesen nicht an allen Universitäten in der Schweiz erhärten, sondern beschränkte mich auf die Universität Zürich, weil es im Vergleich zu Bern und Basel lateinfreundlich geblieben ist und für 32 BachelorStudiengänge das Lateinobligatorium voraussetzt.3 Nebst den Literaturrecherchen wollte ich durch eine Umfrage im Internet von den Dozenten erfahren, in welchen Studien das Latein noch an der Universität Zürich eine Rolle spielt. Die Fächer Geschichte, Theologie und die modernen Sprachen wurden überwiegend genannt. Nach langen Recherchen in zahlreichen Büchern beschloss ich schliesslich, wie von den Professoren vorgeschlagen, meine Untersuchungen in den drei Studiengängen Theologie, Geschichte und Englisch durchzuführen. Früher waren auch an den medizinischen und rechtswissenschaftlichen Fakultäten Lateinkenntnisse vorausgesetzt. Um die anhaltende Wichtigkeit des Lateins in diesen Studiengängen, in NZZ online 2008: Diskussion um Lateinobligatorium an der Universität Zürich URL:http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/diskussion_um_lateinobligatorium_an_der_un iversitaet_zuerich_1.703631.html (25.09.2011) 3 5 denen keine Lateinpflicht mehr herrscht, veranschaulichen zu können, wollte ich auch hier Untersuchungen anstellen. In Medizin, weil meiner Überzeugung nach Latein für dieses Fach eine wichtige Rolle spielt, in den Rechtswissenschaften, weil ich nach der Matura Jura studieren möchte. Um optimale Ergebnisse zu erhalten, musste ich, bevor ich meine Gespräche an der Universität durchführen konnte, mir über den Begriff „Bildung“ Klarheit verschaffen. Wie oben ausgeführt habe ich ihn auf die universitäre Bildung eingegrenzt, für die die Aussagen von Humboldt eine zentrale Rolle spielen. Nach Recherchen in fachspezifischer Literatur Büchern glaubte ich dazu bereit zu sein und über das nötige Grundwissen verfügen, um meine Befragungen durchführen zu können. Die Interviews sollten gemäss meinen Vorstellungen ungefähr eine halbe Stunde dauern. Die Aussagen der Dozenten wollte ich danach genau analysieren und miteinander vergleichen, damit ich am Schluss zu einer allgemeingültigen Aussage komme. Die Interviews sollten nicht per Telefon geführt werden, sondern mein Ziel war es, mich mit den Professoren zu treffen, weil sie, wie ich hoffte, bei einem persönlichen Gespräch freundlicher und hilfsbereiter sein würden. Tatsächlich boten sie mir ihre Betreuung bis zum Ende der Arbeit an. Um einen Überblick zur aktuellen Lage des Lateins an der Universität zu erhalten, musste ich schliesslich auch einen Dozenten für Latein interviewen. Letzte Informationen über das Latinum an der Universität verschaffte ich mir am Donnerstag, den 08.09.2011, dem Tag er offenen Tür, an dem ich mir Vorlesungen im Fach Latein anhörte, damit ich meine Arbeit mit mehr Wissen bereichern konnte. Zusätzlich zu den Interviews habe ich Fragebogen ausgearbeitet, die die Einstellung der Dozenten zum Lateinobligatorium zeigen sollten. Nebst dem Auswerten der Fragebogen und Interviews bringe ich einige Beispiele zum Thema „Beiträge des Lateins für die gymnasiale Bildung“ aus der Kantonsschule Stadelhofen, weil ein paar Ereignisse an dieser Schule zeigen, welchen Beitrag Latein für die Allgemeinbildung leistet. 6 3. Einleitung: Latein, eine Sprache, die im 21. Jahrhundert keine Bedeutung mehr für die universitäre Bildung hat und auch keine Schlüsselqualifikation mehr für das Studium darstellt? Die Mehrheit der Gymnasiasten behauptet das. An der Kantonsschule Ausserschwyz kommt das Schwerpunktfach Latein seit drei Jahren nicht mehr zustande. Auch an der Kantonsschule Stadelhofen ist die Zahl der Lateinschüler sehr klein, denn dieses Jahr beträgt die Anzahl der Maturanden, die das altsprachliche Profil gewählt haben, nur noch vier. Durch das musische, naturwissenschaftliche, neusprachliche und wirtschaftlich-rechtliche Profil wird die alte Sprache verdrängt.4 Latein wird an unserer Schule, der KSA, bald als eine tote Sprache gelten, sofern man es „tot“ nennen kann. Laut Prof. Dr. Christian Utzinger, einem Dozenten für Latein an der Universität Zürich, kann eine Sprache als tot bezeichnet werden, wenn sich niemand mehr damit befasst bzw. wenn sie nicht mehr unterrichtet oder gelesen wird. 5 An den Mittelschulen wird Latein aufgrund des Rufes, eine schwere Sprache zu sein, immer weniger gewählt. Schon der Gedanke, eine weitere anspruchsvolle Sprache zu lernen, die eine Menge Fleiss und Ehrgeiz voraussetzt, schreckt viele Gymnasiasten ab. Die Schüler gehen oft den Weg des geringsten Widerstandes und hoffen, während der vier Jahre Gymnasium mit einem möglichst minimalen Lernaufwand durchzukommen und die Matura zu bestehen. Jedoch nicht wenige von ihnen stellen nach diesen vier Jahren an der Universität fest, dass ohne das Latinum oder wenigstens einige Lateinkenntnisse ihr Studium erheblich schwieriger wird. 6 Die Universität Zürich verlangt nämlich für rund 32 Hauptfächer das Latinum. 7 Einige von den Studenten müssen sogar den Standort wechseln, weil die Universität Zürich im Vergleich zu den anderen Universitäten, das heisst Bern und Basel, lateinfreundlicher geblieben ist.8 Um das Latinum dann an der Universität nachzuholen, muss der Student während des Bachelorstudiums einen Lateinkurs besuchen, welcher 4 Berner Zeitung. 2010.: URL:http://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/Die-modernen-Faecher-verdraengen-das-Lateinvom-Stundenplan/story/17596505 (25.09.2011) 5 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger Karl-Willhelm Weber. 1998.: Mit dem Latein am Ende? Traditionen mit Perspektiven. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 6 Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät in den Bachelor-Studiengängen. 2010.: URL:http://www.uzh.ch/latinum/katalog_ba.html (25.09.2011) 7 NZZ online 2008: Diskussion um Lateinobligatorium an der Universität Zürich URL:http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/diskussion_um_lateinobligatorium_an_der_un iversitaet_zuerich_1.703631.html (25.09.2011) 8 7 zwei Semester lang jeweils sieben Stunden pro Woche dauert. 9 Der Studierende soll also den gesamten Stoff in einem Jahr nachholen, während der Gymnasiast drei oder je nach Kanton vier bis sechs ganze Jahre dafür Zeit hat. Nach diesen zwei Semestern müssen die Studenten neben ihrem regulären Studium die Lateinprüfung absolvieren, die aus einem schriftlichen sowie aus einem mündlichen Teil besteht.10 Der Lohn für das Erlernen des Lateins an der Kantonsschule kann also hoch sein, denn laut Herrn Dr. Utzinger beträgt die Durchfallquote der Studenten, die den Lateinkurs zwar besucht, jedoch die Prüfung nicht erfolgreich abgeschlossen haben, über 30 Prozent.11 Es existieren also eine Menge gute Gründe, dass der Gymnasiast auf das Schwerpunktfach Latein nicht verzichten sollte. 3.1 Thesen Welche Beiträge Latein für die universitäre Bildung leistet, wie stark Lateinkenntnisse an der Universität im 21. Jahrhundert gewichtet werden und warum die alte Sprache von den Gymnasiasten als Schwerpunktfach gewählt werden sollte, möchte ich in meiner Maturaarbeit ersichtlich machen. Dafür müssen folgende Thesen enthärtet werden: These 1: Latein ist nicht nur eine gewöhnliche Sprache, sondern ein Hilfsmittel für Gymnasiasten, um sich in den restlichen Schulfächern verbessern zu können. These 2: Latein bildet! Latein trägt sehr viel zur Allgemeinbildung bei. These 3: Latein stellt für die Disziplinen Jura, Medizin, Theologie, Geschichte und Englisch an der Universität eine wichtige Voraussetzung dar. Genauer: These 3.1: Latein ist aufgrund seiner Genauigkeit und Eindeutigkeit selbst im 21. Jahrhundert eine Sprache der Rechtswissenschaft. These 3.2: Latein hat selbst im 21. Jahrhundert trotz des gefallenen Lateinobligatoriums für die Medizin eine grosse Bedeutung. These 3.3: Ohne Lateinkenntnisse wäre das Theologiestudium utopisch. These 3.4: Für das Geschichtsstudium müssen auch im 21. Jahrhundert Lateinkenntnisse vorhanden sein. 9 Latinumshomepage der Universität Zürich. 2011.: http://www.uzh.ch/latinum/ (25.09.2011) 10 Latinumhomepage der Universität Zürich. 2011.: http://www.uzh.ch/latinum/ (25.09.2011) 11 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 8 These 3.5: Englisch stellt das „moderne Latein“ des 21. Jahrhunderts dar. These 3.6: Latein lebt noch an den Universitäten des 21. Jahrhunderts. 9 3.2 Die Popularität des Lateins im 21. Jahrhundert: Im 21. Jahrhundert ist die Quote der Lateinschüler an den Gymnasien zwar ziemlich klein, aber die alte Sprache lebt in unserer modernen Welt noch. Die modernen europäischen Sprachen Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch legen deutlich Beweis davon ab. 12„80% der Wörter des English Oxford Dictionary haben einen lateinischen Ursprung.“13 Bis heute verzichtet keine Wissenschaft darauf, ihre Fachausdrücke aus dem Lateinischen und Griechischen zu beziehen, sei es die Rechtswissenschaft, die Medizin, die Philosophie, die Theologie und sogar die Musik. 14 Die Carmina burana, „die Lieder aus Benediktbeuren“ 15, werden immer wieder aufgeführt. In der Medizin scheint Latein so präsent wie nie zuvor zu sein. Schon ihr Name kommt aus dem Lateinischen, nämlich von „ars medicinae“, auf Deutsch „die ärztliche Kunst“.16 Wer heutzutage selbst nur mit einem Computer arbeitet, wird mit der alten Sprache konfrontiert, denn dieser Begriff ist ein Lehnwort (lat. computare) und bedeutet „zusammenrechnen.“17 Auch die Medien, die Werbung, die Firmen bei der Benennung der Marken bedienen sich am lateinischen Vokabular, wie zum Beispiel die Firma ad Novum (zum Neuen), der Sender Vox (die Stimme), die Automarke Volvo (ich rolle) oder das luxuriöse Edelrestaurant Bona Dea (die gute Göttin) am Bahnhof Zürich. Wir kommen tagtäglich unbewusst mit der alten Sprache in Berührung. An den Universitäten wird sie noch für viele Studiengänge verlangt.18 Trotz der Präsenz scheint Latein aber im 21. Jahrhundert eine Sprache zu sein, die weder von den Gymnasiasten noch von den Studenten noch von den Eltern geschätzt wird. Trotz ihrer Unbeliebtheit 12 Wilfried Stroh. 2007.: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer grossen Sprache (S.12). List. Berlin. 13Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.162). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. Wilfried Stroh. 2007.: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer grossen Sprache (S.12). List. Berlin. 14 Wikipedia: Carmina Burana Übersetzung. 2008.: URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Carmina_Burana(25.09.2011) 15 Wikipedia: Medizin Übersetzung 2008: URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Medizin (25.09.2011) 16 Wikipedia: Computer Übersetzung 2011: URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Computer (05.10.2011) 17 NZZ online 2008: Diskussion um Lateinobligatorium an der Universität Zürich URL:http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/diskussion_um_lateinobligatorium_an_der_un iversitaet_zuerich_1.703631.html (25.09.2011) 18 10 muss sie jedoch gelernt werden, um einige Fächer an der Universität belegen zu können.19 3.3 Latein als Fremdsprache an den Gymnasien: Bis ins 19. Jahrhundert war Latein das Hauptfach des Gymnasiums. An den humanistischen Gymnasien wurde es sogar als erste Sprache noch vor Englisch und Französisch unterrichtet. 20 Durch die Wandlung des Bildungswesens im 20. Jahrhundert von einer humanistischen zu einer sozialistischen Sichtweise wurde in den Schulen das Lateinobligatorium aufgehoben.21 Mit der Zeit entstanden neusprachliche, mathematische und naturwissenschaftliche Profile. Durch die Einführung der verschiedenen Profile verlor Latein je länger je mehr an Bedeutung und wurde schliesslich nicht mehr als ein Pflicht- sondern als ein Wahlfach geführt, was natürlich dazu beitrug, dass es kein typisches gymnasiales Basisfach mehr war und somit von den Gymnasiasten weniger häufig gewählt wurde. 22 Je nach Kanton haben Gymnasiasten im 21. Jahrhundert die Möglichkeit, eines von sieben Schwerpunktfächern an der Kantonsschule zu wählen und sich dementsprechend auf die Erfordernisse ihrer künftigen Studien zu spezialisieren. In Kanton Zürich werden die Schüler im Kurzzeit-Gymnasium schon in der ersten Klasse mit dem Schwerpunktfach konfrontiert, während an den Gymnasien im Kanton Schwyz es erst ab der zweiten Klasse beginnt, dafür jedoch umso intensiver. Latein ist im 21. Jahrhundert das am wenigsten beliebte Fach unter den Schülern. Die Statistiken zeigen, dass Latein an den Gymnasien kaum mehr gewählt wird. 23 19 Vgl. Interview mit Frau Zey Lohe Peter: Friedrich Maier. 1996. : Latein 200 (S.125): Existenzprobleme und Schlüsselqualifikationen. Buchner. Bamberg. 20 21Peter Kulmann. 2009. : Fachdidaktik Latein kompakt (S15). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 22 Karl-Willhelm Weber. 1998.: Mit dem Latein am Ende? Traditionen mit Perspektiven. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 23 Homepage der Kantonsschule Stadelhofen. 2011.: URL:http://www.ksstadelhofen.ch/dnn/Default.aspx?tabid=75 (25.09.2011) 11 Kantonsschule Stadelhofen 6% 36 S. Altsprachliches Profil 45% 285 S. 49% 307 S. Neusprachliches Profil Musisches Profil Abbildung 1: Wahl der drei Profile an der Kantonsschule Stadelhofen im Jahr 2011 An der Kantonsschule Stadelhofen hat man die Möglichkeit sich zwischen einem altsprachlichen, neusprachlichen und musischen Profil zu entscheiden. Die Statistik aus dem Jahre 2011 beweist, dass das neusprachliche Profil, also Spanisch und Italienisch, am populärsten ist. Von den 628 Gymnasiasten besuchen immerhin 307 Schüler/innen das neusprachliche Profil, 285 Schüler/innen das musische und nur 36 Schüler/innen das altsprachliche.24 Dieser Statistik zeigt also, dass weniger als 6% der Gymnasiasten, genau genommen 5.7%, Latein in Angriff nehmen.25 Dabei muss aber erwähnt werden, dass die Lateinschüler öfter die Schule aufgrund der Schwierigkeiten nach dem ersten Semester, der sogenannten Probezeit, verlassen. Im Jahre 2008 bestand die Lateinklasse 1A (Altsprache) aus 10 Schüler/innen. Inzwischen sind es nur noch vier Maturanden, die es bis in die vierte Klasse geschafft haben. Aus diesen Zahlen lässt sich ableiten, dass die Anzahl der Lateinschüler/innen von Jahr zu Jahr geringer wird. Es ist ohne grosse Überlegung voraussehbar, dass Latein an den Gymnasien in wenigen Jahren gar nicht mehr geführt bzw. unterrichtet wird, wenn sich nicht Entscheidendes ändert. 3.4 Beiträge des Lateins zur gymnasialen Bildung: Die Mehrzahl der Gymnasiasten ist sich nicht bewusst, welche Möglichkeiten es durch das Ablehnen des Schwerpunktfaches Latein verpasst. Es wäre vermessen zu glauben, dass alle Lateinschüler intelligenter sind als ihre Mitschüler und deshalb in den meisten anderen Fächern auch besser abschneiden und bessere Sprachkenntnisse besitzen, 24Homepage der Kantonsschule Stadelhofen. 2011.: URL:http://www.ksstadelhofen.ch/dnn/Default.aspx?tabid=75 (25.09.2011) 25 Homepage der Kantonsschule Stadelhofen. 2011.: URL:http://www.ksstadelhofen.ch/dnn/Default.aspx?tabid=75 (25.09.2011) 12 wodurch ihnen das Erlernen einer weiteren Fremdsprache leichter fällt. 26 Eine mögliche Erklärung dafür, dass die Lateinschüler schneller, effizienter und eifriger eine weitere Fremdsprache lernen, besteht darin, dass sie die Fremdwörter bereits vom Latein ableiten können und ihnen die Grammatik bekannt vorkommt. 27 Durch den strukturierten Aufbau der lateinischen Sätze lässt sich die Grammatik womöglich am besten erklären.28 Durch die Suche nach dem Subjekt, nach dem Prädikat und dem Akkusativ fängt der Schüler an, logisch zu denken und wendet diese Taktik bei einer anderen Sprache auch an. Steht das Verb im Partizip Perfekt Passiv und das Nomen im Ablativ, so erkennt der Schüler schnell, dass es sich hier um einen Ablativus absolutus handelt und übersetzt ihn dementsprechend vorzeitig. Die Grammatik des Lateins funktioniert nach einer Gesetzmässigkeit.29 Diese Gesetzmässigkeit lässt sich besonders gut anhand der KNG-Kongruenz (K:Kasus/ N:Numerus/ G:Genus) erklären. Dabei müssen sich die Adjektive immer an dem Bezugswort orientieren.30 Nehmen wir als Beispiel „canis bonus“, das so viel bedeutet wie „ein guter Hund“. Das adjektivische Attribut stimmt mit dem Nomen in Bezug auf den Fall, die Zahl und das Geschlecht überein. 31 Ein weiteres Beispiel: Tabelle 1: (in) argento puro In echtem Silber Kasus: Abl. = Abl. Numerus: Sg. = Sg. Genus: n = n 26 Wilfried Stroh. 2007.: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer grossen Sprache. List. Berlin. 27Wilfried 28 Stroh. 2007.: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer grossen Sprache. List. Berlin. Peter Kuhlman. 2009. : Fachdidaktik Latein kompakt. Vandenhoeck & Ruprecht. Götingen. Brandes Jürgen. Diether Gaul. 1998.: Vokabeln und Grammatik: Arcus compactus (S.48). Moritz Diesterweg. Frankfurt. 29 Fink Gerhard. Maier Friedrich. 2001: Cursus brevis: Systematische Begleitgrammaik. C.C. Buchner. Bamberg. 30 31Brandes Jürgen. Diether Gaul. 1998.: Vokabeln und Grammatik: Arcus compactus (S.48). Moritz Diesterweg. Frankfurt. 13 Um die KNG-Kongruenz zu erkennen, braucht der Lernende eine Menge Konzentration. Während des Übersetzens müssen die Vokabeln vorhanden und die Grammatik verstanden sein. Im Lateinunterricht müssen also die drei Bereiche Wissen, Verstehen und Können aktiv sein, damit ein Originaltext korrekt übersetzt werden kann.32 Somit ist der Schüler immer darauf angewiesen, alles sehr präzise zu überarbeiten. Latein ist eine aussergewöhnliche Sprache. Bei der Übersetzung eines Textes darf kein einziger Fall falsch wiedergegeben werden, weil die Struktur des Satzes ansonsten nicht stimmt. Die Sprache hat Ähnlichkeiten mit der Mathematik. Beim Lösen einer Aufgabe muss das Resultat identisch mit den Summanden sein, damit die Lösung aufgeht, beim Übersetzen eines Textes müssen alle Wörter korrekt entziffert werden, damit der Sinn des Satzes erhalten bleibt. Nicht nur das Lernen einer weiteren Sprache fällt den Gymnasiasten mit Lateinkenntnissen leichter, auch in der Mathematik scheinen sie davon zu profitieren. Durch das genaue Denken und Hinschauen vermeiden sie Flüchtigkeitsfehler und widmen sich der Aufgabe sehr konzentriert. Als Beleg dafür kann ich eine Mathematikprüfung aus dem Jahr 2010 an der Kantonsschule Stadelhofen anführen. Der Durchschnitt der Klasse 2A war dazumal eine 4.6. Die Klasse bestand aus 20 Schüler/innen, wobei acht davon das altsprachliche und die restlichen 12 das neusprachliche Profil besuchten. Das Interessante bei dieser Prüfung war, dass die acht Gymnasiasten mit Lateinkenntnissen einen Durchschnitt von einer 5.1 erreichten, während die anderen 12 einen Durchschnitt von einer 4.3 aufwiesen. Der Grund für das schlechtere Abschneiden der Nicht-Lateiner lag nicht darin, dass sie weniger wussten, sondern dass sie eine Menge Flüchtigkeitsfehler machten. Durch ungenaues Lesen der Aufgabenstellung gingen ebenfalls eine Menge Punkte verloren. Bei diesem Beispiel würde also die Behauptung, dass Lateinschüler intelligenter sind, nicht stimmen. Doch durch das erlernte logische Denken und das zielstrebige Handeln können sie nicht nur im Lateinunterricht profitieren, sondern eben auch in anderen Fächer. Schüler mit Lateinkenntnissen kommen im Gymnasium leichter durch. Der Lateinunterricht dient auch als „Nachhilfeunterricht für Deutsch. Durch das genaue Analysieren und Interpretieren der Texte entwickelt der einzelne Gymnasiast ein besseres Sprachbewusstsein und ist fähig mit den Wörtern zu spielen bzw. signifikante Sätze zu bilden. Hier gilt es allerdings zu bemerken, dass kein Schüler ohne die Anstrengung belohnt wird. Latein bildet den Gymnasiasten zwar in allen Bereichen, aber um diese 32 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.19). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 14 Bildung wirklich zu erhalten, muss er ständig die Vokabeln und vor allem die Grammatik repetieren und darf bis zum Schluss nicht nachlassen. Wenn es einem Gymnasiasten an Fleiss und Ehrgeiz fehlt, so bekommt er nur die „Nachteile“ des Lateins zu spüren. Damit meine ich, dass er den umfangreichen Stoff vor entscheidenden Prüfungen aufholen muss und kaum von den Vorteilen einer Lateinlektion profitieren kann. 3.5 Die DAV-Matrix-Tabelle: Inhaltsbereiche des Lateinunterrichtes Tabelle 2: Bereich Sprache Literatur Gesellschaft Grundfragen menschl. Existenz, Humanismus, Philosophie , Beispiel Aussprache, literarische historisches philosophische Wortschatz, Gattungen, Wissen, Systeme, Grammatik Interpretationen politisches Mythologie Wissen Kompetenz Sprachkompetenz Textkompetenz Kulturelle Kulturelle Kompetenz Kompetenz Ein besonders gutes Beispiel, um die Auswirkung des Lateinunterrichts an den Gymnasien auf die restlichen Fächern darzustellen, zeigt die DAV-Matrix Tabelle. „ In den 1970er Jahren stellte der deutsche Altphilologen-Verband (DAV) die Lernzielmatrix zur Veranschaulichung der Ziele des Lateinunterrichts auf.“33 Mit dieser Tabelle wird darauf hingewiesen, dass der Lateinunterricht nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern auch das historische, das politische und das philosophische Wissen unterstützt. Kurz gesagt: Latein trägt zur Allgemeinbildung bei. Der Lateinunterricht gilt also nicht nur für die Intelligenten und Spezialisten, sondern er unterstützt das Allgemeinwissen jedes Gymnasiasten. Bei der DAV-Matrix-Tabelle stellen die vier Bereiche, nämlich die 33 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 15 sprachliche, literarische, historisch-politische und die philosophische Bildung die zentralen Beteiligten dar. 34 Folgendes lässt sich aus der DAV-Matrix-Tabelle herauslesen: Sprachliche Bildung: Aussprache: Nebst dem Übersetzen eines lateinischen Originaltextes soll jeder Gymnasiast die Betonung der Silben beim Lesen beherrschen, denn dadurch werden die Zusammenhänge der Wörter besser erkannt. In der lateinischen Grammatik existiert eine so genannte Betonungsregel. „Bei dieser Regel werden die zweisilbigen Wörter auf der ersten Silbe betont, bei den drei- oder mehrsilbigen Wörtern wird vorletzten Silbe betont, wenn der Vokal der lang ist, wie zum Beispiel bei laudare oder persona.“35 „Eine Silbe gilt als lang, wenn der Vokal lang ist oder mehrere Konsonanten auf ihn folgen, wie beim Wort elephantus oder amphitheatrum. Wenn der Vokal der vorletzten Silbe jedoch kurz ist, so wird immer die drittletzte Silbe betont, wie bei subito oder mortuus.“36 Beim Lesen von Gedichten muss der Gymnasiast besonders auf die Betonung achten. Durch das Bestimmen der Versfüsse wie Jamben, Trochäen und Daktylen entwickelt der Schüler ein gutes Gefühl für Rhythmen und verbessert somit auch seinen Vortrag. Wortschatz: Die Originaltexte von Catull, Ovid, Vergil, Cicero und Seneca enthalten zahlreiche Metaphern. Die übertragene Bedeutung der Wörter verhilft dem Schüler zu einem Sinn für poetische Sprache. 37 Grammatik: Anhand der komplizierten Sätze im Latein lässt sich die Grammatik besonders gut erklären. Durch das Vergleichen der modernen Sprachen mit der alten Sprache kann der Schüler Zusammenhänge besser verstehen und somit besonders eine romanische Sprache besser lernen. 38 34 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 35 Brandes Jürgen. Diether Gaul. 1998.: Vokabeln und Grammatik: Arcus compactus (S.17). Moritz Diesterweg. Frankfurt. 36 Brandes Jürgen. Diether Gaul. 1998.: Vokabeln und Grammatik: Arcus compactus (S.17). Moritz Diesterweg. Frankfurt. 37 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 38 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 16 Literarische Bildung: Literarische Gattungen: Durch das Übersetzen von Briefen, Fabeln, Gedichten, Sprüchen, Reden, Texten aus dem Neuen Testament und vielen anderen wird der Gymnasiast mit den verschiedenen Autoren, Gattungen, Stilmitteln, Epochen und Themen konfrontiert.39 Interpretation: Das langsame und genaue Interpretieren der Originaltexte verhilft dem Gymnasiasten zu einer besseren Analysefähigkeit. 40 Historisch-Politische Bildung: Historisches Wissen: Je nach Lehrplan hat jede Lateinklasse bis zu der Maturitätsprüfung einen historischen Text übersetzt, z.B. aus Cäsars Bellum Gallicum. Im modernen Lateinunterricht wird nebst der Übersetzung auch noch die Geschichte der jeweiligen Texte gelernt, wodurch natürlich das historische Wissen erweitert wird.41 Politisches Wissen: Ebenfalls befasst sich jede Lateinklasse bis zum Ende der vierten Klasse einmal mit dem römischen Recht. Die Rechtsquellen ermöglichen es den Schülern, sich Gedanken über die Rechtslage in der Antike zu machen.42 Kulturelle – Philosophische Bildung: Kulturelle Bildung: Durch das Kennenlernen der fremden Kultur der Antike werden die Gymnasiasten mit verschiedenen Sitten, Gebräuchen und Normen konfrontiert. Diese Konfrontation ermöglicht es ihnen, das Leben anderer Kulturen zu verstehen. 43 Philosophische Bildung: Die griechische Philosophie in ihrer Adaption durch Cicero und Seneca sorgt während des Lateinunterrichts für eine Menge philosophischer Fragestellungen. Die philosophischen Texte aus der Antike führen die Schüler in die unterschiedlichen Denkweisen ein.44 Die Aussage der DAV- Matrix- Tabelle, dass der Lateinunterricht die Schüler in vielfältigen Bereichen bildet und einen Beitrag zu anderen Schulfächern leistet, ist durch diese Ausführungen bestätigt 39Peter 40 Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 41 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 43 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 44 Peter Kuhlmann. 2009.: Fachdidaktik Latein kompakt (S.17). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. 42 17 3.6 Die universitäre Bildung Für meine Untersuchungen soll der Begriff „die Bildung“ auf die schulische und vor allem auf die universitäre Bildung eingegrenzt werden. Wo der Begriff die universitäre Bildung auftaucht, wird sofort Wilhelm von Humboldt einem in die Erinnerung gerufen. Der Wilhelm von Humboldt war ein Humanist und Naturforscher im 19. Jahrhundert. 45 Durch seinen Einfluss auf die Bildung ist er selbst im 21. Jahrhundert sehr bekannt. Gemäss seinen Aussagen sollen die Universitäten den Studierenden nicht mehr die Allgemeinbildung vermitteln, sondern ihnen die Möglichkeit zur freien Forschung geben, ohne irgendwelche Vorschriften.46 Die Gymnasien sollten die Schüler so gut auf die Universität vorbereiten, dass sie über die erforderliche Bildung für die Forschung verfügen. Durch das vorhandene Wissen sollte der Studierende ohne irgendwelche Anleitungen dazu fähig sein zu untersuchen, forschen und analysieren. 47 Nicht durch das bereits vorhandene Wissen, also von den Theorien, soll der Lernende sich bilden, sondern durch die eigenständige Untersuchung.48 Kurz gefasst geht es bei der universitären Bildung gemäss Humboldt um „die Freiheit zu selbständigem Forschen“. 49Die Studenten sollen an der Universität ohne irgendwelche Vorschriften sich bilden können. Das Ziel der universitären Bildung ist schliesslich die Schaffung eines aufgeklärten Menschen. 50 Die aktuellste Definition zur universitären Bildung erhielt ich von Prof. Dr. Andreas Jucker, einem Professor am Englischen Seminar in Zürich: „Die universitäre Bildung hängt mit dem Wissen und dem Verstehen zusammen. An der Universität sollte der Studierende nicht alles auswendig lernen, sondern durch das Herleiten und Verstehen zu seinen Ergebnissen kommen. Die Universität verlangt das Wissen! Ohne die Alexander von Humboldt. 1979. : URL:http://www.educat.hu-berlin.de/schulen/avh/avh/avhb.html (05.10.2011) 45 JUSO: Humboldtsches Bildungsidel. 2010. : URL:http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtsche-bildungsideal/ (05.10.2011) 46 47 JUSO: Humboldtsches Bildungsidel. 2010. : URL:http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtsche-bildungsideal/ (05.10.2011) Prof. Dr. Heide von Felden: Was heisst universitäre Bildung? 2004. : URL:http://www.unimainz.de/FB/Paedagogik/Erwachsenenbildung/Dateien/Universitaere_Bildung_heute.pdf (06.10.2011) 48 49 JUSO: Humboldtsches Bildungsidel. 2010. : URL:http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtsche-bildungsideal/ (05.10.2011) JUSO: Humboldtsches Bildungsidel. 2010. : URL:http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtsche-bildungsideal/ (05.10.2011) 50 18 Erkenntnisse kann der Student nicht erfolgreich sein. Es geht um den Wissensdurst, nicht um das sture Auswendiglernen. “51 Die Definitionen von Humboldt und Professor Jucker stimmen eigentlich überein. Gemäss Humboldt ist ein Student erst dann gebildet, wenn er durch das vorhandene Wissen selbständig untersuchen und forschen kann.52 Herr Prof. Dr. Jucker behauptet, dass ein Student nicht aus den Theorien alles lernen, sondern selber zu einem Ergebnis kommen soll. 53Die Idee der universitären Bildung ist es also, sich durch den selbständigen Arbeitsprozess zu bilden. Aus diesen zwei Ansichten ergibt sich die folgende Definition zur universitären Bildung: Die universitäre Bildung verlangt von den Studenten den Wissensdrang. Im Vergleich zur allgemeinen Bildung geht es bei der universitären Bildung um das Wissen und Verstehen und das Erbringen einer Leistung. Der Student soll selbständig ohne irgendwelche Vorschriften arbeiten können. Die universitäre Bildung muss die Selbständigkeit fördern und dem Studenten die Möglichkeit zur freien Forschung geben. 54 Durch die Freiheit und die Emanzipation kann der Student sich auf die eigene Art und Weise bilden und darf nicht alles auswendig lernen. Kurz gefasst: Das Allgemeinwissen sollte den Studenten an den Gymnasien vermittelt werden, damit sie sich an der Universität vollkommen auf die Forschung und die Untersuchung konzentrieren können.55 Somit kann gesagt werden, dass Latein eine grosse Bedeutung für die universitäre Bildung hat. Der Lateinunterricht bildet gemäss der DAV-Matrix-Tabelle den Gymnasiasten in vielen Bereichen und vermittelt den Schülern Allgemeinwissen. Durch diese Kenntnisse können die zukünftigen Studenten sich zum Beispiel im Medizinstudium vermehrt der Forschung widmen und müssen sich nicht mit dem Lernen der anatomischen Fachbegriffe beschäftigen, weil sie durch die vorhandenen Kennnisse alles herleiten können, wie es für eine universitäre Bildung gemäss Professor Jucker und Humboldt vorausgesetzt wird. 51 Vgl.: Interview mit Herr Jucker 52 JUSO: Humboldtsches Bildungsidel. 2010. : URL:http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtsche-bildungsideal/ (05.10.2011) 53 Interview mit Herrn Jucker 54 Prof. Dr. Heide von Felden: Was heisst universitäre Bildung? 2004. : URL:http://www.unimainz.de/FB/Paedagogik/Erwachsenenbildung/Dateien/Universitaere_Bildung_heute.pdf (06.10.2011) JUSO: Humboldtsches Bildungsidel. 2010. : URL:http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtsche-bildungsideal/ (05.10.2011) 55 19 3.7 Die Universität Zürich Die Universität Zürich mit rund „26`100 Studierenden“56 scheint im Vergleich zu den anderen Universitäten der Schweiz, das heisst Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Luzern und Neuchâtel, lateinfreundlicher geblieben zu sein. 57 Bis ins 19. Jahrhundert gab es zwei europäische Bildungssprachen, nämlich Latein und die Nationalsprache.58 Die letzte Reduktion des Lateinobligatoriums an der Universität Zürich wurde mit der Bologna-Reform vorgenommen.59 Wer in Zürich studieren möchte, muss aber trotz dieser Reduktion für 32 Hauptfächer und 17 Nebenfächer(siehe Glossar) Lateinkenntnisse haben.60 Ein gutes Exempel dafür ist die allgemeine Sprachwissenschaft. Abgesehen von Zürich verlangen alle Universitäten in der Schweiz kein Latinum für dieses Fach.61 Aufgrund dieser Anforderung in Zürich kann es sein, dass der zukünftige Student seinen Standort wechselt, um dem Latein auszuweichen. Ob das Lateinobligatorium dem Image der Universitäten gut tun würde oder nicht, darüber wird seit Jahren ununterbrochen diskutiert. Warum aber ausgerechnet Zürich noch die alte Sprache pflegt, scheint selbst den Dozenten unbekannt zu sein.62 Gemäss Professor Dr. Christian Utzinger könnte es sein, dass die Universität Zürich nur die gebildeten Kandidaten, also diejenigen mit Lateinkenntnissen, anziehen möchte.63 56 Wikipedia: Universität Zürich. 2011.: URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Universit%C3%A4t_Z%C3%BCrich (06.10.2011) Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät der Schweiz. 2010.: URL:http://www.philologia.ch/latinum/ (06.10.2011) 57 Das Latinum an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich. 2010. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/Woerterlisten/Latinum_Reglement_Aug10.pdf (06.10.2011) 58 NZZ online 2008: Diskussion um Lateinobligatorium an der Universität Zürich URL:http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/diskussion_um_lateinobligatorium_an_der_un iversitaet_zuerich_1.703631.html (25.09.2011) 59 60 Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät in den Bachelor-Studiengängen. 2010.: URL:http://www.uzh.ch/latinum/katalog_ba.html (25.09.2011) Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät der Schweiz. 2010.: URL:http://www.philologia.ch/latinum/ (06.10.2011) 61 62 NZZ online 2008: Diskussion um Lateinobligatorium an der Universität Zürich URL:http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/diskussion_um_lateinobligatorium_an_der_un iversitaet_zuerich_1.703631.html (25.09.2011) 63 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 20 3.7.1 Latein als Fremdsprache an der Universität Wer heutzutage ein Studium an einer Universität beginnt, wird in irgendeiner Form mit der lateinischen Sprache konfrontiert. Diese Konfrontation kann den Studenten aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse zur Verzweiflung bringen. Schon der Name der Einrichtung, nämlich das Wort Universität, stammt aus dem Lateinischen. 64 „universitas-atis (f): Gesamtheit. In früherer Zeit sprach man bei universitären Studien vom „studium generale“, die Gemeinschaft der Lehrer und Schüler wurde als „universitas magistrorum et scholarium“ bezeichnet, woraus sich bald die Bezeichnung universitas für die gesamte Institution entwickelte.“ 65 Latein ist eine Wissenschaftssprache, die zwar nicht zum Kommunizieren gebraucht wird, aber, wie bereits in dem vorherigen Kapitel erwähnt, für die Forschung und die universitäre Bildung grosse Dienste leistet. Im 21. Jahrhundert gilt Latein zwar nicht mehr als die europäische Bildungssprache, aber es wird immerhin noch für sämtliche Studienrichtungen an der theologischen und philosophischen Fakultät der Universität Zürich vorausgesetzt.66 Die Lateinkenntnisse können schon während des Gymnasiums im Schwerpunktfach oder einem fakultativen Fach erarbeitet werden. Verfügt der Student nicht über das kleine Latinum und will ein Fach studieren, in dem es vorausgesetzt wird, so ist er gezwungen, eine Lateinprüfung zu bestehen.67 3.7.2 Der Lateinkurs an der Universität Zürich Um die Schlussprüfung zu bestehen, bietet die Universität Zürich einen Lateinkurs an. Dieser Kurs dauert zwei Semester lang zu jeweils sieben Wochenstunden und kann während des Bachelorstudiums besucht werden.68 In diesem kurzen Zeitraum müssen die Studenten den gesamten Stoff nachholen, für den dem Gymnasiasten je nach Kanton Johanna Filip-Fröschl. Peter Made. 1999. : Latein in der Rechtssprache (S.11): ein Studienbuh und Nachschlagewerk. Braumüller. Wien. 64 Johanna Filip-Fröschl. Peter Made. 1999. : Latein in der Rechtssprache (S.11): ein Studienbuh und Nachschlagewerk. Braumüller. Wien. 65 66 NZZ online 2008: Diskussion um Lateinobligatorium an der Universität Zürich URL:http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/diskussion_um_lateinobligatorium_an_der_un iversitaet_zuerich_1.703631.html (25.09.2011) 67 Latinum an der Philosophischen Fakultät. 2011. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/ (25.09.2011) Latinum an der Philosophischen Fakultät. 2011. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/ (25.09.2011) 68 21 drei, vier oder mehr ganze Jahre zur Verfügung stehen. Nach dem ersten Semester erfolgt die erste Prüfung, der sogenannte Zwischentest, an dem der Stand des Wissens der Studenten ermittelt wird. Auch bei einer ungenügenden Leistung kann der Student in das zweite Semester eintreten, denn dadurch hat er die Chance, sich im kommenden Semester mehr anzustrengen.69 Nach diesen zwei Semestern folgt die Schlussprüfung. Diese besteht aus einem mündlichem und einem schriftlichen Teil. „Bei der schriftlichen Prüfung hat der Student einen Zeitraum von 135 Minuten für die Übersetzung und die Analyse eines Prosatextes zur Verfügung. Die mündliche dauert nur 15 Minuten.“70 Der Kandidat bekommt einen kleinen Abschnitt aus einem Originaltext und muss diesen in einer Viertelstunde übersetzen.71 Besteht der Student die Prüfung nicht, hat er die Möglichkeit sie im Herbstsemester oder im Frühlingssemester nachzuholen.72 Das Konzept der Latinumskurse. 2011. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/konzept.html (07.10.2011) 69 Das Konzept der Latinumskurse. 2011. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/konzept.html (07.10.2011) 70 71 Vgl. Interview mit Herrn Utzinger Latinum an der Philosophischen Fakultät: Aktuelle Prüfungstermine. 2011. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/pruefung_termine.html (07.10.2011) 72 22 4. Empirische Arbeit: Die Wichtigkeit des Lateins für die universitäre Bildung (bezogen auf die Disziplinen Jura, Medizin, Theologie, Englisch und Geschichte) im 21. Jahrhundert an der Universität Zürich: In diesem Kapitel möchte ich den Schwerpunkt auf die Forschung legen. Mein Interesse besteht darin, herauszufinden, ob Latein für die Disziplinen Jura, Medizin, Theologie, Englisch und Geschichte an der Universität Zürich noch im 21. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielt bzw. eine Schlüsselqualifikation darstellt. Auch werde ich der Frage nachgehen, ob Latein an der Universität Zürich noch lebendig und wie vor einigen Jahrhunderten die Sprache der Gelehrten ist. Die sechs Thesen, die ich zu den jeweiligen Fakultäten aufgestellt habe, werden durch die Interviews erhärtet und sollen mir behilflich sein, die Antwort auf meine Fragen zu geben. 1. Latein stellt aufgrund seiner Genauigkeit und Eindeutigkeit selbst im 21. Jahrhundert eine Sprache der Rechtswissenschaft dar. 2. Latein ist im 21. Jahrhundert trotz des gefallenen Lateinobligatoriums für die Medizin sehr wichtig. 3. Ohne die Lateinkenntnisse wäre das Theologiestudium selbst im 21. Jahrhundert utopisch. 4. Für das Geschichtsstudium müssen Lateinkenntnisse im 21. Jahrhundert vorhanden sein. 5. Englisch ist das moderne Latein des 21. Jahrhunderts! 6. Latein lebt noch an den Universitäten des 21. Jahrhunderts. 4.1 Latein als Sprache der Rechtswissenschaft Die Leistungen der Römer auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft sind unbestritten. Gemäss ihren Vorstellungen mussten die Gesetze knapp sein, damit sie von allen, das heisst sowohl von den Adligen als auch von den Bürgern, verstanden wurden. Die lateinische Sprache vermochte es, das römische Rechtsdenken genau, bündig, eindeutig und ausdrucksvoll in Worte zu fassen.73 Keine Sprache konnte es ihr darin gleichtun. 73 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.42). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 23 Von den Römern bis ins 21. Jahrhundert hat sich aber einiges geändert. Die Universitäten in der Schweiz verlangen für die Rechtswissenschaft in den Bachelor- und Masterstudiengängen keine Lateinkenntnisse mehr.74 Die alte Sprache wird in unserer modernen Zeit in den meisten Bereichen durch die internationale Weltsprache Englisch ersetzt. Wie ergeht es aber einem Jurastudenten im 21. Jahrhundert ohne Lateinkenntnisse beim Analysieren des römischen Rechtes? Was mag wohl der Grund sein, dass Latein im Jurastudium gestorben ist? Die Antwort auf diese und noch weiteren Fragen bekam ich von Herrn Prof. Dr. Killias, einem Dozenten an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Das gelungene Interview fand am 04. April 2011 statt. Zu meiner ersten Frage, was wohl die Gründe sein könnten, dass das Lateinobligatorium an der Universität Zürich für die Rechtswissenschaft aufgehoben wurde, antwortete er folgendermassen: „Nun, einfach deswegen, weil die historischen Rechtstexte, die früher oft in Latein verfasst wurden, heute in der Rechtspraxis kaum mehr eine Rolle spielen.“75 1. Folgerung: Im 21. Jahrhundert haben die lateinischen Rechtsquellen an der rechtswissenschaftlichen Fakultät keinen Einfluss mehr auf das Studium. Auf meine zweite Frage, ob Latein eine tote Sprache für das Jurastudium darstelle, antwortete er folgendermassen: „Ich bedaure es, aber leider ja. Durch die modernen Sprachen Italienisch, Französisch und Englisch verliert Latein von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Heutzutage können die Fachbegriffe auswendig gelernt werden. Um an den Diskussionen über die Rechtsquellen teilnehmen zu können, muss man keine Lateinkenntnisse haben.“76 2. Folgerung: Im Jurastudium wird Latein durch die modernen Sprachen ersetzt, Fachbegriffe werden auswendig gelernt. Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät in den Bachelor-Studiengängen. 2010. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/katalog_ba.html (07.10.2011) 74 75 Vgl.: Interview mit Herrn Killias 76 Vgl.: Interview mit Herrn Killias 24 Auf meiner dritten Frage, ob Latein immer noch die Sprache der Gelehrten sei, entgegnete er folgendermassen: „Dominant ist als Gelehrtensprache heute das Englisch. Das Englisch regiert im 21. Jahrhundert die Sprachwelt.“77 3. Folgerung: Englisch ist die Bildungssprache im 21. Jahrhundert. Zu meiner vierten Frage, ob das Latein einen Beitrag zur Allgemeinbildung leiste, sagte er: „Wenn man dabei all das Wissen nebst der Sprache betrachtet, dann sicherlich. Ein Schüler, der Latein als Fach genommen hat, sollte aber immer aktiv dabei sein, damit er seine Zeit während dem Gymnasium nicht mit dem Nachholen verbringen muss“78 4. Folgerung: Latein bildet. Zu meiner fünften Frage, ob Latein noch im 21. Jahrhundert eine Schlüsselqualifikation für die Rechtswissenschaft darstelle, meinte er folgendes: „ Ich denke es nicht. Dadurch, dass das Latinum an der rechtswissenschaftlichen Fakultät aufgehoben wurde, haben sich die Studien auch dementsprechend umgestellt. Im 21. Jahrhundert kann man dem Latein durch das Auslassen einiger Rechtsquellen ausweichen.“79 5. Folgerung: Latein stellt für die Rechtswissenschaft heutzutage keine Schlüsselqualifikation mehr dar. 4. 2 Lateinkenntnisse für das Medizinstudium Die Ursprünge der medizinischen Fachsprache liegen genau genommen im Griechischen. Nachdem Griechenland unter die römische Herrschaft gefallen war, übernahmen die Römer auch die Medizin samt ihrer Terminologie von den Griechen, welche sie latinisierten. Diese lateinischen medizinischen Fachbegriffe sind trotz des Unterganges des römischen Reiches aber nicht umbenannt worden, sondern bis ins 21. Jahrhundert erhalten geblieben.80 Egal ob der Doktor mit seinem Patienten über eine Fraktur oder über ein Virus spricht, tagtäglich wird er in irgendeiner Art und Weise mit der lateinischen Sprache konfrontiert. Aber nicht nur im Spital, sondern auch in den 77 Vgl.: Interview mit Herrn Killias 78 Vgl.: Interview mit Herrn Killias 79 Vgl.: Interview mit Herrn Killias 80 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.35). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 25 Apotheken ist Latein noch sehr präsent. 81 Selbst im 21. Jahrhundert müssen „alle medizinisch zur Verwendung kommenden Chemikalien und Drogen auf den Standgefässen in den Apotheken lateinisch bezeichnet werden.“82 Sogar die Bezeichnung für die Zusammensetzung, nämlich das Rezept, hat seine Wurzeln im Latein. Der Imperativ „recipe“ bedeutet „man nehme!“83 Die Medizin pflegt nach wie vor die alten Sprachen. Erstaunlicherweise verlangen aber die Universitäten in der Schweiz das Latinum für die die medizinische Fakultät nicht. Um nähere Angaben zum Medizinstudium ohne Lateinkenntnisse zu bekommen, habe ich mich mit der Professorin Dr. Anita Rauch am 11. Mai 2011 darüber unterhalten. Zu meiner ersten Frage, wie ein Medizinstudium ohne Lateinkenntnisse abläuft, meinte sie Folgendes: „ Im 21. Jahrhundert ist Latein nicht mehr die Sprache der Wissenschaft! Die meisten anatomischen Fachbegriffe sind lateinisch, aber diese können auch auswendig gelernt werden und nebenbei kann der ganze Aufwand, die lateinische Grammatik zu lernen, erspart werden. Heutzutage wird diese Sprache gar nicht mehr gesprochen. Bis ins 19. Jahrhundert konnte man Latein als die Sprache der Gelehrten bezeichnen, heute hat sie jedoch an Wert verloren.“84 1. Folgerung: Für das Medizinstudium müssen die Studenten zwar über das lateinische Vokabular verfügen, aber nicht über Grammatikkenntnisse. Durch das Aufheben des Obligatoriums sind die Studenten nicht mehr gezwungen, einen Lateinkurs zu besuchen, weil die Fachbegriffe auch während des Medizinstudiums gelernt werden können. Auf meine zweite Frage, ob der Student trotz des Auswendiglernens der Fachbegriffe gebildet sei, antwortete Frau Professor Rauch folgendermassen: „Ein Student, der über Lateinkenntnisse verfügt, hat Vorteile gegenüber seinen Kameraden, weil er die Begriffe herleiten kann und nicht alles stur auswendig lernen muss. Einer, der das Latein im Gymnasium abgelehnt hat, muss mit einem grösseren Lernaufwand rechnen, weil die anatomischen Begriffe für ihn vollkommen fremd sind. Damit die Fachbegriffe immer 81 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.36). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 82 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.36). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 83 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.36). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 84 Vgl.: Interview mit Frau Rauch 26 präsent bleiben, ist er gezwungen, sie andauernd zu repetieren. Derjenige, der die anatomischen Fachbegriffe trotz der mangelnden Lateinkenntnisse beherrscht, ist meiner Meinung nach gebildet!“85 2. Folgerung: Ein Student mit Lateinkenntnissen kann sich das Studium erleichtern, weil er die Fachbegriffe schnell herleiten kann und nicht alles auswendig lernen muss. Alle diejenigen, die trotz der mangelnden Lateinkenntnisse die Fachbegriffe beherrschen, sind aber auch gebildet. Zu meiner dritten und somit letzten Frage, nämlich ob Latein zur Allgemeinbildung einen Beitrag leistet, sagte sie: „Latein ist für die Allgemeinbildung wichtig! Durch die Fähigkeit, mit der deutschen Sprache spielen und seinen Wortschatz mit einigen lateinischen Fachbegriffen bereichern zu können, hat jeder Mediziner die Möglichkeit, das Publikum an sich zu reissen. Auch für die Eintrittsprüfung, den Numerus clausus, muss der Schüler logisch überlegen können. Der Lateinunterricht bereitet ihn sicher darauf ausgezeichnet vor. “86 3. Folgerung: Latein unterstützt den Gymnasiasten vor, während und nach dem Medizinstudium, das bedeutet also, dass die Sprache eine Schlüsselqualifikation für das Studium darstellt. 4.3 Latein im Theologiestudium Latein stellt seit dem 4. Jahrhundert die Sprache des kirchlichen Lehramtes und der christlichen Religion dar. 87 Die Studenten setzen sich im Theologiestudium wissenschaftlich mit den biblischen und theologischen Quellen des Christentums auseinander und analysieren die Texte des Alten und des Neuen Testaments in der jeweiligen Ursprungssprache.88 An der 85 Vgl.: Interview mit Frau Rauch 86 Vgl.: Interview mit Frau Rauch 87 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.54). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 88 Theologische Fakultät: Theologisches Seminar. 2010. : URL:http://www.theologie.uzh.ch/faecher/theologischesseminar.html (07.10.2011) 27 Theologischen Fakultät sind deshalb noch die Lateinkenntnisse gefragt. Nebst dem Latein müssen die Studenten aber auch noch Hebräisch und Griechisch können.89 Um meine These zu belegen, knüpfte ich einen Kontakt mit Prof. Dr. Eva Ebel an, einer sehr freundlichen Dozentin an der Theologischen Fakultät in Zürich und hatte die Möglichkeit, am 01. Juni 2011 ein Interview mit ihr zu führen. Zu meiner ersten Frage, ob im Theologiestudium ohne Lateinkenntnisse wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden können, meinte sie Folgendes: „Die Aufgabe der Studenten im 21. Jahrhundert ist, die Originalexte des Christentums mit Hilfe der gegebenen deutschen Übersetzung analysieren zu können. Die lateinische Sprache dient während dem Studium nicht für die Übersetzung, sondern für die Hinterfragung der Quellen. Anhand der deutschen Übersetzung verglichen mit dem Originaltext haben sie die Möglichkeit, die Quellen wissenschaftlich zu analysieren. Im Gymnasium wird den Schülern nur das Nötigste für eine Übersetzung beigebracht und die Hintergründe der Texte sind sehr variierend. Im Theologiestudium ist der Bereich aber nur auf die Religion und den Glauben eingeschränkt. Es geht um die Forschung! Durch das Erkennen der einzelnen lateinischen Wörter im Text kann der Student die Zusammenhänge zwischen den Quellen besser verstehen. Für die Forschung müssen Lateinkenntnisse vorhanden sein.“ 90 1. Folgerung: Ohne Lateinkenntnisse würde dem Theologiestudium die wissenschaftliche Basis fehlen. Latein ist eine Voraussetzung, um eine Untersuchung der Quellen vornehmen zu können. Zu meiner zweiten Frage, ob ein Gymnasiast, der der Überzeugung ist, dass er Theologie studieren will, schon während der Kantonsschule Latein als Fach wählen soll, sagte sie: „Latein ist ein Fach, das nicht von einem Jahr auf das andere gelernt werden kann. Durch das Nachholen des Latinums an der Universität besteht auch die Gefahr, dass der Student die Prüfung nicht besteht und somit Schwierigkeiten im Studium haben wird. Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, Latein schon während der gymnasialen Schulzeit zu erwerben. Dadurch kann der Gymnasiast auch in den anderen Fächern wie Deutsch und Historisches Seminar: Lehre und Forschung. 2011.: URL:http://www.hist.uzh.ch/lehre.html (07.10.2011) 89 90 Vgl.: Interview mit Frau Ebel 28 Geschichte profitieren. Latein dient eigentlich als ein Fach, das die restlichen schulischen Schwächen abdeckt.“91 2. Folgerung: Latein sollte schon während dem Gymnasium gelernt werden, weil es verschiedene Bildungsleistungen erbringt und an der Universität nicht nachgeholt werden muss. Zu meiner dritten und meines Erachtens aktuellsten Frage, nämlich ob Latein im 21. Jahrhundert an den Universitäten immer noch lebt, argumentierte sie folgendermassen: „Wir können diese Frage von zwei Seiten betrachten. Latein ist insofern tot, als es nicht mehr gesprochen wird. Bezieht man diese Frage jedoch nur auf die Universität, so lebt es noch weiter, weil es eine sehr originelle und nützliche Sprache ist. Natürlich könnte man den Schülern eine Übersetzung der historischen Originaltexte geben, aber so würde sich der Student nicht mehr bilden und es gäbe auch keine Forschung. Die Analyse sollte den Studenten die Möglichkeit zu eigenen Erkenntnissen geben. Latein ist im Theologiestudium lebendig und aktiv. Es wird erst sterben, wenn sich keine einzige Studie mehr damit beschäftigt.“92 3. Folgerung: Latein lebt noch an den Universitäten im 21. Jahrhundert, weil es in einigen Studiengängen vorausgesetzt und benötigt wird. 4.4 Bedeutung des Lateins für das Geschichtsstudium Wo auch immer man suchen mag, Latein hat in der Geschichte seine Spuren hinterlassen. Gemäss der Sage ist der Stammvater Aeneas nach Latium ausgewandert und hat dort die Tochter des Königs Latinus geheiratet. Demzufolge hat er ungefähr im Jahr 1200 v. Chr. Latein gelernt. 93 Im Jahre 450 v. Chr. wurde die Grundlage des Römischen Rechtes, die zwölf Tafeln, in Latein publik gemacht. 94 Durch die Eroberung Griechenlands im zweiten Jahrhundert vor Christus wurde die griechische Wissenschaft latinisiert. 95 Im Jahre 1890 begann der Lateinabbau mit der antihumanistischen Rede 91 Vgl.: Interview mit Frau Ebel 92 Vgl.: Interview mit Frau Ebel 93 Stroh Wilfried. 2007. Latein ist tot, es lebe Latein! kleine Geschichte einer grossen Sprache. (325) List. Berlin. 94 Stroh Wilfried. 2007. Latein ist tot, es lebe Latein! kleine Geschichte einer grossen Sprache.(332) List. Berlin. 95 Stroh Wilfried. 2007. Latein ist tot, es lebe Latein! kleine Geschichte einer grossen Sprache. (336) List. Berlin. 29 des Kaiser Willhelm II. 96 Im 2. Vatikanischen Konzil wird im Jahre 1962 eine Reduktion der lateinischen Messe beschlossen. 97 Wie man merkt, spielt Latein bei all diesen Ereignissen eine zentrale Rolle, Die Universität Zürich verlangt noch für die Alte, Allgemeine, Mittelalterliche, Osteuropäische und Schweizer Geschichte das Latinum.98 In der Geschichtswissenschaft wird über die Vergangenheit geforscht und das historische Wissen ermittelt.99 Eine der wichtigsten Grundlagen, um das historische Wissen ermitteln zu können, stellt Latein dar. Wie wichtig Latein aber im Studium wirklich ist und ob es das Grundlagenmaterial wie in der Theologie darstellt, konnte ich am 21. Juli 2011 von Frau Dr. Zey, einer Dozentin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Zürich, erfahren. Zu meiner ersten Frage, ob Latein im 21. Jahrhundert für die Allgemeine Geschichte eine Schlüsselqualifikation darstelle, hat sie Folgendes geantwortet: „Die Quellen sind für diese Epoche zu etwa 90% und mehr in lateinischer Sprache abgefasst. Ohne die Lateinkenntnisse kann man die mittelalterliche Geschichte nicht auf einem wissenschaftlich seriösen Niveau studieren. Die Studienordnung für Haupt- und Nebenfach Allgemeine Geschichte verlangt, dass die Studierenden nach dem Grundstudium, also in der Regel nach dem dritten Semester, das Latinum nachweisen können.“ 100 1. Folgerung: Ohne Lateinkenntnisse kann Allgemeine Geschichte nicht studiert werden, weil mehr als 90% der Quellen, die untersucht werden, in Latein verfasst sind. Latein spielt eindeutig eine wichtige Rolle für die universitäre Bildung. Zu meiner zweiten Frage, ob Latein bilde, gab sie folgende Antwort: „Dass ich Latein ganz unabhängig von unserer Studienordnung als wichtigen Beitrag zur Allgemeinbildung ansehe, versteht sich in meinem Beruf von selbst. Die alte Sprache 96 Stroh Wilfried. 2007. Latein ist tot, es lebe Latein! kleine Geschichte einer grossen Sprache. (343) List. Berlin. 97 Stroh Wilfried. 2007. Latein ist tot, es lebe Latein! kleine Geschichte einer grossen Sprache. (45) List. Berlin. 98 Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät in den Bachelor-Studiengängen. 2010. : URL:http://www.uzh.ch/latinum/katalog_ba.html (07.10.2011) Historisches Seminar: Lehre und Forschung. 2011.: URL:http://www.hist.uzh.ch/lehre.html (07.10.2011) 99 100 Vgl.: Interview mit Frau Zey 30 erweitert unser Wissen in mehreren Bereichen und hat einen gewissen Einfluss auf unsere Präzision. Latein zwingt die Lernenden dazu, auf jedes einzelne Detail beim Analysieren der verschiedenen Texte zu schauen.“ 101 2. Folgerung: Latein bildet und beeinflusst selbst unsere Handlungsweise. Meine dritte Frage erklärte sich eigentlich von selbst. Ich wollte von Frau Dr. Zey erfahren, ob Latein an der Universität noch wie im 19. Jahrhundert die Sprache der Gelehrten sei: „ Auch wenn mehrere Studien heutzutage nicht mehr Lateinkenntnisse voraussetzen, wird Latein indirekt in jeder Wissenschaft gebraucht. Deshalb wäre es nicht korrekt, wenn man Latein als tot bezeichnen würde, weil es noch an der Universität sehr häufig von Nutzen ist.“ 102 3. Folgerung: Latein taucht selbst im 21. Jahrhundert in jeder Wissenschaft auf. 4.5: Englisch - das „moderne Latein“ im 21. Jahrhundert Einen sehr starken Einfluss auf die englische Sprache hat Latein selbst im 21. Jahrhundert. Schon 450 n. Chr. brachten die Angeln und Sachsen zahlreiche lateinische Vokabeln, die sie durch den Kontakt mit den Römern aufgenommen hatten, vom Festland nach England. Durch die Christianisierung ab 597 n. Chr. begann in England das Kirchenlatein.103 Das Angelsächsische nahm eine Menge von lateinischen Begriffen auf, welche mit der Religion verknüpft sind. Die meisten Begriffe sind noch bis heute erhalten geblieben, wie zum Beispiel: „altar, bishop, monk“… 104 Auch die moderne Technik und die Wissenschaft brachte in den letzten drei Jahrhunderten immer wieder Begriffe hervor, die einen lateinischen Ursprung haben wie zum Beispiel television, computer, radio usw .105 Folgende zwei Fakten sollen meine These begründen: 101 Vgl.: Interview mit Frau Zey 102 Vgl.: Interview mit Frau Zey 103 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.140). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 104 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.140). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.140). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 105 31 1. „Von den rund 40`000 Wörtern des Oxford Englisch Dictionary sind nicht weniger als rund 80% des gesamten Bestandes lateinischer Herkunft.“106 2. Selbst unter den 10`000 häufigsten Vokabeln der englischen Sprache sind nach Ayers (Univ. of Arizona 1965) mehr als die Hälfte lateinischen/griechischen Ursprungs.“107 Um mich noch über die Wirkung des Lateins auf das Englisch im Studium zu erkundigen, konnte ich glücklicherweise mein letztes Interview am 03. Oktober 2011 mit Prof. Dr. Andreas Jucker am Englischen Seminar in Zürich führen. Auf die erste Frage, ob die englische Sprache im 21. Jahrhundert das moderne Latein sei, antwortete er folgendermassen: „Man kann es so nennen, aber es kommt natürlich darauf an, in welchem Zusammenhang man diese Aussage verstehen will. Würde man einen wissenschaftlichen Text nehmen, so wären mehr als die Hälfte aller Wörter aus dem Lateinischen abgeleitet. Wählt man jedoch einen einfach zu verstehenden Text, so liegt die Quote der englischen Wörter, die eine lateinische Abstammung haben, sicherlich bei weitem unter 50%. Deshalb ist für diese Behauptung sehr schwierig zu argumentieren. Es ist möglich zu sagen, dass die englische Sprache noch das Latein pflegt, aber ob sie es im 21. Jahrhundert vertritt, ist fragwürdig.“ 108 1. Folgerung: Englisch pflegt die lateinische Sprache, indem Latein darin in einer modernen Form auftaucht. Zu meiner zweiten Frage, ob man Latein während des Englischstudiums braucht, meinte er: „Nein! Kein Student kann aus diesen zwei Semestern Lateinkurs einen Profit ziehen. Es wäre um einiges intelligente, müssten die Studenten nebst dem Englisch eine weitere moderne Sprache können, eine Sprache, die sie im Leben auch ausserhalb des Studiums brauchen könnten. Damit meine ich aber nicht, dass Latein für gar nichts nützlich ist. Ein erfolgreicher Gymnasiast mit Lateinkenntnissen kann sicherlich auch im Studium punkten, weil er in diesen vier Jahren nicht hetzen musste und die Vokabeln gründlich lernen konnte. Bei einem Studenten jedoch, der den gesamten Stoff während zwei Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.162). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 106 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.162). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 107 108 Vgl.: Interview mit Herrn Juck 32 Semestern nachholen musste, wird das gesamte Erlernte wieder vergessen. Das Lateinobligatorium sollte in der Englischen Sprachwissenschaft aufgehoben werden!“109 2. Folgerung: Ein Gymnasiast mit Lateinkenntnissen kann im Gegensatz zu einem Studenten, der das Latinum an der Universität nachholen muss, mehr, weil er den gesamten Stoff während drei Jahren gründlich lernen konnte. Anstelle des Lateinobligatoriums sollte die Englische Sprachwissenschaft als Pflicht einführen, dass eine weitere Fremdsprache vorausgesetzt wird, weil dies den Schülern zwar nicht an der Universität, aber ausserhalb der Schule etwas bringt. Schliesslich zu meiner letzten Frage, ob Latein einen Beitrag zur Bildung leistet, sagte er Folgendes: „ Ja, aber nur in einem minimalen Bereich und das wieder nur während des Gymnasiums. Durch das ständige Repetieren der Vokabeln und der Grammatik kann der Schüler seinen Wortschatz erhöhen und verbessert dadurch sicherlich auch seine Sprachkenntnisse. Auch unterstützt es das historische Wissen. Wer heutzutage Alte Geschichte studieren möchte, sollte an der Kantonsschule als Profil Latein nehmen, weil die Lateinkenntnisse besonders in diesem Fach gefragt sind.“110 3. Folgerung: Latein bildet, indem es die Sprach- und die Geschichtskenntnisse fördert. 4.6: Latein lebt an den Universitäten des 21. Jahrhunderts Um ein klares Bild vom Nutzen und von der Popularität des Lateins an der Universität Zürich im Jahre 2011 zu bekommen, habe ich noch zum Schluss meiner empirischen Arbeit ein sehr intensives und informatives Interview mit Prof. Dr. Christian Utzinger geführt. In diesem Interview wollte ich erfahren, ob ein Lateinfanatiker dieselbe Meinung vertritt wie die restlichen Dozenten, die das Lateinobligatorium nicht unbedingt als einen Vorteil betrachten. Lange musste ich auf einen passenden und geeigneten Termin warten, schliesslich konnte ich mich mit Herrn Professor Utzinger auf den 19. Juli einigen. Meine erste Frage bezog sich auf die Aktualität der Sprache. Ich wollte von Herrn Utzinger erfahren, welche Bedeutung das Latein an der Universität Zürich im 21. 109 Vgl.: Interview mit Herrn Jucker 110 Vgl.: Interview mit Herrn Jucker 33 Jahrhundert hat: „Latein war eine lange Zeit die Sprache der Wissenschaft. Wer sich heute in irgendeiner Form mit Wissenschaft beschäftigt, kommt immer auf irgendeine Weise zur Begegnung mit Latein. Natürlich kann man aber dem auch ausweichen.“111 1. Folgerung: In jeder Wissenschaft kommt Latein noch streng genommen zum Tragen. Zu meiner zweiten Frage, ob Latein eine tote Sprache ist oder weiterhin an den Universitäten lebt, argumentierte er folgendermassen: „ Cicero sagte, dass die lateinische Sprache unsterblich ist, solange sie gelesen wird. Natürlich ist Latein keine Kommunikationssprache, deshalb wird sie als tot bezeichnet. Die Inhalte des Lateins sind aber nicht tot und sie gilt nach wie vor noch als eine Gelehrtensprache. Selbst in der Antike galt es nicht als eine Kommunikationssprache, deswegen behaupte ich, dass Latein an der Universität und in jedem wissenschaftlichem Bereich lebt. Besonders in der Geschichte und in der Theologie stellt sie eine Wichtigkeit dar, weil mit den lateinischen Texten geforscht wird. Ohne Lateinkenntnisse kommt man eigentlich bei diesen Fächern gar nicht weiter. Die alte Sprache lebt noch und wird erst dann aussterben, wenn sich niemand mehr damit befasst, was natürlich eine halbe Ewigkeit dauern wird.“112 2. Folgerung: Latein lebt noch an den Universitäten des 21. Jahrhunderts, weil jede Wissenschaft die Sprache noch pflegt. Von einem Todesdatum ist erst zu sprechen, wenn sie gar nicht mehr an den Universitäten gelesen oder vorausgesetzt wird. Weil meine These zu der rechtswissenschaftlichen Fakultät durch die Aussagen von Prof. Dr. Martin Killias nicht belegt wurde, wollte ich noch die Meinung von Herrn Prof. Utzinger hören. Zu meiner dritten Frage, wie stark das Latein an der rechtswissenschaftlichen Fakultät trotz des gefallenen Obligatoriums genutzt wird, sagte er: „Im Rechtsstudium wird heutzutage das Römische Recht ausgelassen. Deshalb braucht man eigentlich Latein sagen wir mal für den grössten Bereich gar nicht. Latein ist in der Rechtswissenschaft die Sprache der Angeber. Im 21. Jahrhundert existiert auch 111 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 112 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 34 das Lateinobligatorium an dieser Fakultät nicht mehr, darum denke ich, dass diese Fakultät darauf Rücksicht nimmt, dem Latein auszuweichen. “113 3. Folgerung: Aufgrund des gefallenen Lateinobligatoriums hat sich auch der inhaltliche Stoff des Studiums geändert. Heutzutage gilt zum Beispiel das Römische Recht, für das Lateinkenntnisse vorhanden sein müssten, nicht mehr als ein obligatorisches Fach. Zu meiner vierten Frage, ob ein Student schon während des Gymnasiums Latein als Schwerpunktfach nehmen sollte, antwortete er Folgendes: „ An der Universität Zürich besteht die Möglichkeit, an einem Lateinkurs teilzunehmen und nach diesen zwei Semestern eine Prüfung abzulegen. Ich hatte vor einigen Monaten ein paar Studenten, die Italienisch studieren und die mir gesagt haben, dass sie das Latein, welches sie während des Gymnasiums gelernt haben, bereits vergessen hätten. Ich will damit nicht sagen, dass Latein während des Gymnasiums abgelehnt werden sollte, aber es kann natürlich sein, dass ein gewisser Bereich vom Lateinunterricht bis zum Studium vergessen gehen kann. Betrachtet man die Nachteile eines Lateinkurses jedoch, so ist die Gefahr um einiges grösser. Wer sich nicht gründlich mit der Sprache beschäftigt, riskiert die Prüfung nicht zu bestehen. Von den ca. 350 Teilnehmern sind es immerhin mehr oder weniger 30%, die die Prüfung auf Grund der Unterschätzung nicht erfolgreich absolvieren“. 114 4. Folgerung: Latein sollte schon an den Gymnasien erarbeitet werden, weil die Durchfallquote bei der Lateinabschlussprüfung an der Universität Zürich ca. 30% beträgt. Es kann natürlich sein, dass nach der der Maturitätsprüfung ein kleiner Teil des erlernten Lateinstoffes verloren geht, aber dies sollte nicht allzu sehr die Leistungen an der Universität beeinflussen. Zu meiner fünften Frage, ob Latein bildet, meinte er: „Ja, das kann man so sagen. Latein gibt den Studenten das Sprachgefühl und begleitet sie während dem ganzen Studium, sei es beim Lernen, bei der Forschung oder bei den Diskussionen. Latein ermöglicht es den Studenten, überall dabei zu sein.“115 113 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 114 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 115 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 35 5. Folgerung: Latein bildet. Zu meiner sechsten Frage, was wohl die Gründe dafür sein könnten, dass die philosophische Fakultät der Universität Zürich im Unterschied zu Bern und Basel noch Lateinkenntnisse voraussetzt, sagte er: „ Bösartig gesagt ist sicher ein Grund, dass die Universität Zürich im Vergleich zu den anderen in der Schweiz diese Studenten mit den Lateinkenntnissen anziehen will. Hier taucht sicherlich wieder die Frage der Selektion auf. Dadurch, dass die Universität Zürich im Vergleich zu den anderen das Lateinobligatorium in mehreren Fächern voraussetzt, müssen die Studenten entweder den Lateinkurs nachholen oder den Standort wechseln.“116 Folgerung: Mit dem Lateinobligatorium zieht die Universität Zürich vor allem die „Gebildeten“ an. 4.7 Einstellung der Hochschullehrer zum Lateinobligatorium Um die Einstellung der Dozenten zum Lateinobligatorium beurteilen zu können, habe ich nebst dem Interview noch einen Fragebogen angefertigt. Den Fragebogen sandte ich den Professoren, verteilte ihn an der Universität Zürich bei meinen Interviewdaten oder liess die letzten noch am Tag der offenen Tür an der Universität Zürich ausfüllen. Insgesamt erklärten sich schliesslich 30 Professoren/innen zum Ausfüllen der Fragebogen bereit. Absichtlich war meine Zielgruppe aber nur auf die Dozenten gerichtet, die ein Fach unterrichten, in dem noch das Lateinobligatorium besteht, sei es Geschichte, Sprachwissenschaft (Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Indogermanisch), Literaturwissenschaft, Theologie, Religionsgeschichte, Philosophie oder Musik. Bevor ich auf die einzelnen Themenbereiche einging, wollte ich von den Befragten wissen, ob die Universität Zürich weiterhin die alte Sprache und den Ruf, eine lateinfreundliche Universität zu sein, pflegen soll. Das Resultat kann man in Abbildung 2 sehen. Herausgekommen ist, dass 19 von insgesamt 30 befragten Professoren/innen dafür sind. Die Begründungen sind einleuchtend. Eines der am meisten angeführten Argumente lautet, dass Latein im Studium eine Schlüsselqualifikation darstellt und die meisten Fächer ohne Lateinkenntnisse nicht studiert werden können. Ein Argument gegen das Lateinobligatorium, das die restlichen 11 Professoren anführen, besagt, dass 116 Vgl.: Interview mit Herrn Utzinger 36 es eine Last für die Studenten darstellt. Diese Aussage kann ich nachvollziehen, denn Prof. Dr. Jucker meinte ebenfalls, dass das obligatorische Nachholen des Lateins gar keinen Einfluss auf die Leistung an der Universität habe. 117 Deshalb kann gesagt werden, dass die Universität Zürich für die Spanische, Portugiesische, Französische und auch Italienische Sprachwissenschaft das Lateinobligatorium aufgrund der minimalen Wichtigkeit aufheben könnte. Bei den historischen Fächern müssen jedoch die Lateinkenntnisse vorhanden sein, weil die Quellen mehrheitlich in Latein verfasst sind. 37% 11. D. Ja 63% 19 D. Nein Abbildung 2: Soll die Universität Zürich das kleine Latinum in 32 Fächern weiterhin voraussetzen? Mit meiner zweiten Frage wollte ich erfahren, für welche Studiengänge, die noch das Latinum voraussetzen, Latein eine besonders wichtige Schlüsselqualifikation für die universitäre Bildung darstellt. In Abbildung 3 sind die Antworten der Dozenten graphisch erfasst. Erkennbar ist, dass die Dozenten besonders drei Studiengänge, nämlich Alte Geschichte, Theologie und Englisch nennen. 117 Vgl.: Interview mit Herr Jucker 37 5% 7% 4 D. 6 D. 33% 30 D. 24% 22 D. Alte Geschichte Theologie Englisch Deutsch 31% 28 D. Philosophie Andere Studien Abbildung 3: In welchen Studiengängen, die noch das Latinum voraussetzen, spielt Latein eine besonders wichtige Rolle? Da Dreifachnennungen erlaubt waren, gab es im Gesamten 90 Antworten. Wie aus der Abbildung erkennbar ist, waren alle Professoren der Meinung, dass Latein hauptsächlich für das Hauptfach Alte Geschichte einen sehr wichtigen Beitrag leistet. Dieses Resultat stimmt mit der Meinung von Prof. Dr. Claudia Zey überein, denn gemäss ihren Aussagen wäre das Studium ohne die Lateinkenntnisse gar nicht möglich, weil mehr als 90% der Quellen in Latein verfasst sind und somit Latein als eine Basis des Studiums dient. 118 Erstaunlicherweise waren nur vier Dozenten der Ansicht, dass Latein für das Philosophiestudium wichtig ist. Ich hätte gedacht, dass besonders im Philosophiestudium die Lateinkenntnisse gefragt wären, weil im Lateinunterricht im Gymnasium philosophische Texte einen Schwerpunkt bilden und die meisten Philosophen aus der Antike einen starken Einfluss auf die Moderne haben, wie zum Beispiel Sokrates, Aristoteles, Platon, Pythagoras usw. Bei der Auswertung wurde mir ebenfalls klar, dass nur sechs Dozenten der Meinung sind, dass für die Deutsche Sprachwissenschaft Latein eine Schlüsselqualifikation darstellt, was mich ein wenig überraschte. Es kann aber sein, dass wegen der Bevorzugung der Fächer Geschichte, Theologie und Englisch die deutsche Sprachwissenschaft nicht mehr gewählt werden konnte, weil die Professoren sich nur für drei zu entscheiden hatten. Aufgrund der Möglichkeit, Latein an der Universität nachzuholen, lehnen immer mehr Gymnasiasten das Lateinangebot an der Kantonsschule ab. Gemäss den Aussagen von 118 Vgl.: Interview mit Frau Rauch 38 Herrn Prof. Jucker profitiert der Student aber vom intensiven Lateinkurs der Universität kaum, weil nach der Schlussprüfung vieles wieder vergessen geht und somit nur wenig auf den Weg für die universitäre Bildung mitgenommen wird. 119Auch Herr Prof. Utzinger, ein Dozent, der an der Universität Zürich Lateinkurse gibt, meint, dass Latein nicht an der Universität gelernt werden sollte, da der Lohn für das Erlernen der alten Sprache an den Gymnasien um einiges höher wäre. Wenn wir nur den zeitlichen Rahmen vergleichen, so stellt sich heraus, dass der Gymnasiast mehrere Jahre für das Erarbeiten der Lateinkenntnisse zur Verfügung hat, während der Student nur zwei Semester dafür erhält. Die Durchfallquote der Kursteilnehmer liegt bei den Abschlussprüfungen an der Universität bei ca. 30%, während die Maturanden die Hürde erfolgreicher nehmen. 120 Was meine These, dass Latein an den Gymnasien gelernt werden soll, betrifft, erhielt ich ein klares Ergebnis und eine eindeutige Bestätigung. Das Auswerten dieser Frage zeigt, dass 77%, nämlich 22 Dozenten, der Meinung sind, Latein soll schon während des Gymnasiums gelernt werden, weil das erste Jahr im Studium ziemlich streng ist und der Studierende gar keine Motivation für das Nachholen des Lateinkurses hat. 17% 8 D. im Gymnasium 77% 22 D. an der Universität Abbildung 4: Wann soll ein zukünftiger Student Latein lernen? Die Begründungen der acht Dozenten, die sich für das Lernen des Lateins an der Universität entschieden haben, sind relativ ähnlich. Einer der Gründe lautet, dass sich 119 Vgl.: Interview mit Herr Jucker 120 Vgl.: Interview mit Herr Utzinger 39 das Gymnasium nicht allzu sehr auf das Studium fixieren und den Schülern die freie Wahl unabhängig von der Universität lassen soll. Gemäss Prof. Dr. Martin Killias sei Latein in der Rechtswissenschaft im 21. Jahrhundert eine gestorbene Sprache, weil diese Fakultät keine Lateinkenntnisse mehr verlangt. 121 Herr Prof. Utzinger behauptet jedoch, dass die Sprache in vielen Formen in der Wissenschaft noch lebt und an den Universitäten noch über Generationen hinweg leben wird.122 Weitere 26 Dozenten sind derselben Meinung. In Abbildung 5 kann man sehen, dass beinahe 90% der Professoren diese Ansicht vertreten. Die restlichen vier Dozenten meinen aber, dass Latein nicht mehr die Sprache der Wissenschaft ist, weil die modernen Sprachen, genauer genommen Englisch seinen Platz eingenommen hat. 13% 4 D. Ja 87% 26 D. Nein Abbildung 5: Denken Sie, dass Latein im 21. Jahrhundert an den Universitäten noch lebendig ist? Die DAV-Matrix- Tabelle bestätigt die Behauptung, dass Latein bildet. An den Gymnasien fällt auf, dass Lateinschüler in den meisten Fächern gut abschneiden. Deshalb wollte ich von den Dozenten erfahren, ob Latein gemäss ihrer Meinung ein Fach ist, das einen Beitrag zum Allgemeinwissen leistet und somit die Gymnasiasten in vielfältigen Bereichen bildet. Erstaunlicherweise befürworten alle 30 Dozenten diese Behauptung. 121 Vgl.: Interview mit Herr Killias 122 Vgl.: Interview mit Herr Utzinger 40 Dieses Ergebnis ist eindeutig. Nach den Interviews und der Auswertung der Fragebogen kann eindeutig gesagt werden: Latein bildet. 41 4.8 Folgerungen: Die Graphiken, die ich auf der Grundlage der Aussagen der Dozenten angefertigt habe, veranschaulichen, dass Latein im Studium noch seinen Platz hat. Ob es sich um die Analyse historischer Quellen, das Auswendiglernen juristischer oder anatomischer Fachbegriffe, die Teilnahme an Diskussionen und Vorlesungen handelt: Wer über Lateinkenntnisse verfügt, kann sich das Universitätsleben erleichtern. Obwohl die Meinungen der einzelnen Dozenten zum Lateinobligatorium an der Universität Zürich variieren, bestreitet doch niemand, dass Latein bildet. Und die zu Beginn der Arbeit aufgestellte These, dass Latein ein multivalentes Fach ist, das während der Schulzeit immense Bildungsleistungen erbringt, haben die Professoren bestätigt. Meine erste Behauptung, dass Latein aufgrund seiner Genauigkeit und Eindeutigkeit selbst im 21. Jahrhundert die Sprache der Rechtswissenschaft sei, wird durch das Interview mit Prof. Dr. Martin Killias und Prof. Dr. Christian Utzinger nicht bestätigt. Der Professor für Strafrecht an der rechtswissenschaftlichen Fakultät erläutert, dass die lateinischen Rechtstexte im 21. Jahrhundert keinen Einfluss mehr auf das Studium haben. Die internationale Sprache Englisch übernimmt im Jurastudium den Platz des Lateins.123 Herr Prof. Utzinger vertritt dieselbe Meinung. Gemäss seinen Ausführungen versucht die Rechtswissenschaft im 21. Jahrhundert, dem Latein aus dem Weg zu gehen. Durch das Aufheben der Lateinpflicht ist auch der inhaltliche Umfang des Studiums reduziert worden. Heutzutage muss sich ein Student nicht mehr mit dem römischen Recht auseinandersetzen, wofür Lateinkenntnisse erforderlich wären. Hingegen wird laut Prof. Utzinger von Anwälten das Latein immer noch gerne zum Angeben verwendet, indem sie mit Lateinbrocken um sich werden. Aber eine Schlüsselqualifikation für das Jusstudium stellt es nicht mehr dar. Im Wortschatz der juristischen Sprache lebt es jedoch nach wie vor. 124 Die Aussagen der beiden Professoren widersprechen meinen ursprünglichen Erwartungen. In Büchern und auf Internetseiten ist zwar zu lesen, dass Latein im 21. Jahrhundert trotz des gefallenen Obligatoriums für die Rechtswissenschaft wichtig sei, 123 Vgl.: Interview mit Herr Killias 124 Vgl.: Interview mit Herr Utzinger 42 weil die Studenten sich mit dem römischen Recht und dem corpus iuris civilis auseinandersetzen müssen.125 In Tat und Wahrheit sieht es jedoch anders aus und mit dem Römischen Recht hat die lateinische Sprache in den Bachelor- und Masterstudiengängen an Bedeutung verloren. Fazit: An der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich müssen die Studenten im 21. Jahrhundert über keine Lateinkenntnisse mehr verfügen, um erfolgreich zu sein. Durch die gefallene Lateinpflicht haben die Rechtstexte, die in der Antike in Latein verfasst wurden, im 21. Jahrhundert eine sehr alte Sprache an Bedeutung verloren. Latein kann heutzutage den Studenten nur noch für die sprachliche Präzision, das Herleiten der juristischen Fachbegriffe und die genauen Formulierungen dienen, ansonsten spielt es für das Studium keine wichtige Rolle mehr. Die Behauptung, die ich zum Medizinstudium aufgestellt habe, nämlich dass Latein selbst im 21. Jahrhundert für das Medizinstudium sehr nützlich ist, wurde von Prof. Dr. med. Anita Rauch bestätigt. Der Medizinstudent muss immer noch die Sprache der Wissenschaft beherrschen. Für das Erlernen der Fachbegriffe ist aber nicht unbedingt ein Lateinkurs vonnöten, weil der Student bloss Vokabel-, aber keine Grammatikkenntnisse braucht. Zwar ist das Lateinobligatorium an der medizinischen Fakultät gefallen, aber der Lernstoff ist der gleiche geblieben ist.126 Ein Gymnasiast mit Lateinkenntnissen hat auch einen grossen Vorteil bei der Eintrittsprüfung zum Medizinstudium, dem sogenannten Numerus- clausus- Test. Die logische, genaue und effiziente Denkweise, die sich während der drei Jahre Lateinunterricht bildet, zahlt sich aus. Der Besuch des Lateinunterrichts ist gemäss Prof. Rauch eine gute Vorbereitung auf diese Aufnahmeprüfung. Ein Arzt bzw. ein Mediziner, der über Lateinkenntnisse verfügt, kann ausserdem mit seinem Wissen und seinem kultivierten Auftreten seine Patienten stark beeindrucken. 127 Fazit: Latein stellt im Medizinstudium selbst im 21. Jahrhundert eine Schlüsselqualifikation dar. Durch das Aufheben des Lateinobligatoriums sind die Studenten zwar nicht mehr gezwungen einen zweisemestrigen Kurs zu besuchen, aber Filip-Fröschl Johanna. Mader Peter. 1999. Latein in der Rechtssprache: ein Studienbuch und Nachschlagewerk (S.9). Braumüller. Wien. 125 126 Vgl. interview mit Frau Rauch 127 Vgl.: Interview mit Frau Rauch 43 die medizinischen Fachbegriffe, die zur Hälfte aus dem Latein stammen, müssen trotzdem gelernt werden. Um sich das Studium zu erleichtern und die Numerusclausus- Prüfung zu bestehen, ist es von Vorteil, wenn Lateinkenntnisse schon im Gymnasium erworben werden. Auf die Medizingeschichte bezogen muss man betonen, dass die Römer von den Griechen das Wissen bezogen und viel davon in lateinischer Sprache an die Nachwelt weitergegeben haben. 128 Das lateinische Fachvokabular ist trotz des Unterganges von Rom bis ins 21. Jahrhundert erhalten geblieben. Meine dritte These, dass für das Theologiestudium selbst im 21. Jahrhundert Lateinkenntnisse unentbehrlich sind, weil die Kirchensprache seit dem 4. Jahrhundert Latein ist und die Studenten sich mit den theologischen und biblischen Quellen auseinandersetzen müssen, wurde von Frau Prof. Ebel bestätigt. 129 Ohne Lateinkenntnisse können die Originaltexte des Christentums in der Ursprungssprache gar nicht wissenschaftlich analysiert werden. Im 21. Jahrhundert ist es nicht die Aufgabe der Studierenden, die Texte zu übersetzen. Weil deutsche Übersetzungen die vorhandenen sind, müssen sie die entscheidenden lateinischen Wörter in den Quellen erkennen und daraus ihre Schlüsse ziehen. Um an der wissenschaftlichen Forschung teilnehmen zu können, muss der Student über Lateinkenntnisse verfügen. Latein ist das Grundlagenmaterial für eine Analyse der biblischen und theologischen Originaltexte. 130 Diese Aussagen von Frau Ebel stimmen mit meinen Erwartungen überein. Fazit: Eine wissenschaftliche Analyse der theologischen Originaltexte kann nur dann erfolgen, wenn Lateinkenntnisse vorhanden sind. Latein stellt für die Theologie im 21. Jahrhundert eine Schlüsselqualifikation dar und das wird noch über mehrere Generationen hinweg so bleiben. Die vierte von mir formulierte These, dass Latein in der Allgemeinen Geschichte ein der Grundlagenmaterial für die Analyse der Überlieferung darstellt, wurde von Frau Dr. Zey bestätigt und durch das Auswerten der Fragebogen untermauert. Gemäss ihren Aussagen sind die historischen Quellen zu mehr als 90% in Latein verfasst. Ohne 128 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.35). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 129 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.54). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 130 Vgl.: Interview mit Frau Ebel 44 Lateinkenntnisse wäre es überhaupt nicht möglich, das Fach Geschichte zu studieren. Latein zu lernen ist nicht nur Pflicht für den Geschichtsstudenten, sondern auch eine Notwendigkeit. 131Aufgrund dessen kann gesagt werden, dass Latein zu lernen noch viele Jahre in den historischen Studiengängen (Alte, Allgemeine, Mittelalterliche, Osteuropäische und Schweizer Geschichte) eine Pflicht bleiben wird. Fazit: Latein war, ist und wird für die Geschichte eine Schlüsselqualifikation darstellen, weil in der Geschichtswissenschaft über die Vergangenheit geforscht wird und die Quellen zum grössten Teil in Latein verfasst sind. Die fünfte These, die ich zum Englischstudium aufgestellt habe, nämlich dass Englisch im 21. Jahrhundert das moderne Latein sei, ist von Herrn Dr. Jucker nicht so bestätigt werden, aber die Fakten untermauern meine Aussage. Gemäss Prof. Jucker kann man eine solche These nicht als allgemeingültig betrachten. Englisch ist zwar eine Sprache, die das Latein pflegt, aber ob sie es wirklich vertritt, sei fragwürdig. Das Lateinobligatorium für Englisch ist aber laut Professor Jucker äusserst unnötig. Dadurch dass der Student die Grundlagen in nur zwei Semestern lernen muss, ist er nicht in der Lage, nachhaltiges Wissen zu erwerben. Deshalb ist es besser, wenn das Lateinobligatorium durch die Voraussetzung einer modernen Fremdsprache ersetzet wird.132 Wenn auch nicht Prof. Jucker, so unterstützen doch Prof. Killias und Prof. Rauch meine These. Gemäss dem Juradozenten hat Englisch im 21. Jahrhundert den Rang des Lateins eingenommen.133 Auch laut Frau Prof. Rauch ist Englisch die moderne Wissenschaftssprache, weil es als die internationale Kommunikationssprache anerkannt und deshalb an allen Universitäten weltweit gesprochen wird.134 Fazit: Zwar verzichtet man im 21. Jahrhundert in der Wissenschaft nicht auf das lateinische Vokabular, aber die englische Sprache scheint trotzdem den Platz der Bildungssprache eingenommen zu haben. Erwähnen muss man jedoch, dass über drei Viertel des englischen Vokabulars eine lateinische Herkunft haben. Deshalb kann gesagt 131 Vgl. Interview mit Frau Zey 132 Vgl.: Interview mit Herr Jucker 133 Vgl.: Interview mit Herr Killias 134 Vgl.: Interview mit Frau Rauch 45 werden, dass Latein im 21. Jahrhundert in einer modernen Form auftaucht, nämlich im englischen Gewand. 135 Aus all diesen Aussagen der Dozenten und den Ausführungen in der einschlägigen Literatur ist ersichtlich, dass Latein trotz seiner Unbeliebtheit und der beständigen Reduktion an der Universität Zürich noch lebt und gebraucht wird. Auch 87 % der befragten Dozenten vertreten diese Aussage. Von einem Tod des Lateins ist gemäss Herrn Prof. Utzinger erst dann die Rede, wenn sich niemand mehr damit befasst oder genauer gesagt, wenn keine lateinischen Texte mehr gelesen werden. 136 Somit kann Latein gar nicht aussterben, weil sowohl die Geschichte als auch die Theologie Latein als Grundlage für die Forschung benötigen. In den kommenden Jahren kann es gut möglich sein, dass sämtliche Lateinobligatorien in den modernen Sprachen fallen, weil die anderen Schweizer Universitäten sie längst aufgegeben haben und die Kenntnis der Sprache kaum mehr als Schlüsselqualifikation betrachten. Doch eines ist klar, dass in sämtlichen historischen Studien Latein noch lange erhalten bleiben wird und somit die lateinische Sprache an den Universitäten weiter am Leben bleibt. Fazit: Latein lebt noch an den Universitäten und wird noch über Generationen hinweg nicht sterben. Das Vorurteil, Latein sei eine tote Sprache, ist nach meiner Untersuchung an der Universität Zürich tatsächlich als ein blosses Vorurteil entlarvt. Von einem Todesdatum des Lateins kann nicht die Rede sein. Somit kann auch die Behauptung von Herrn Killias, dass Latein an der Universität längst gestorben sei, als nicht der Wahrheit entsprechend abgetan werden. Latein taucht im 21. Jahrhundert entweder indirekt, nämlich in einer modernisierten Form, das heisst im Englischen auf oder die Wissenschat bedient sich direkt des lateinischen Vokabulars und bringt die Sprache wieder zur Geltung. Auch wenn Latein im 21. Jahrhundert nicht mehr die europäische Bildungssprache darstellt, lebt sie noch an den Universitäten und bildet die Gymnasiasten in vielfältigen Bereichen. Durch die DAV-Matrix-Tabelle und durch die Aussagen der Dozenten wird meine These, dass Latein Bedeutendes zur Allgemeinbildung beiträgt, legitimiert. 135 Carl Vossen. 1999.: Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft (S.162). Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf. 136 Vgl.: Interview mit Herr Utzinger 46 Als Maturandin kann ich deshalb nur für das Lernen des Lateins im Gymnasium plädieren. Diese Sprache leistet für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert in vieler Hinsicht wertvolle Dienste, sei es für das logische, vernünftige und präzise Denken das Allgemeinwissen die sprachliche, literarische, historische, politische, kulturelle, philosophische Bildung die Grammatikkennnisse bessere Menschen- und Kulturkenntnisse das Beherrschen der wissenschaftlichen Fachbegriffe die Numerus-clausus- Prüfung die Ausdrucksfähigkeit und Genauigkeit das Spiel mit Worten die Gesprächsfähigkeit die Kreativität das Erlernen einer weiteren Fremdsprache die Beteiligung an Diskussionen das Orientierungswissen das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit das Ableiten von Fremdwörtern einen besseren Grundwortschatz die freie Wahl der Studien ohne jegliche Einschränkungen die Analyse von Quellen die wissenschaftliche Forschung die juristischen Fachbegriffe das Verstehen der romanischen Sprachen eine Erleichterung des Studiums die Zuverlässigkeit und noch vieles mehr. Erwähnen muss ich hier aber noch einmal ausdrücklich, dass Latein während des Gymnasiums zwar vielfältige Bildungsleistungen erbringt, aber die Gymnasiasten dazu auch ihren Beitrag leisten müssen, denn aus nichts kann nichts werden. Deshalb 47 empfehle ich allen Schülern, die Latein als Schwerpunktfach wählen, dass sie von Beginn an bei der Sache sind und das Lernen nicht auf den Tag vor der Prüfung verschieben. Bei der relativ umfangreichen Grammatik und den vielen Vokabeln verlieren sie schnell den Anschluss, und so kann der abwechslungsreichste und modernste Lateinunterricht schnell zum Alptraum werden. 48 4.9 Interviewpartner: Abbildung 6: Frau Dr. Anita Rauch 137 Abbildung 9: Herr Dr. Martin Killias 138 Abbildung 7: Frau Dr. Eva Ebel 139 Abbildung 10: Herr Dr. Andreas Jucker 140 Abbildung 8: Frau Dr. Claudia Zey 141 Abbildung 11: Herr Dr. Christian Utzinger142 Anita Rauch: http://www.med.uzh.ch/UeberdieFakultaet/fakultaetsmitglieder/rauchanita.html Martin Killias: http://www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/alphabetisch/killias/mk.html 139 Eva Ebel: http://www.med.uzh.ch/UeberdieFakultaet/fakultaetsmitglieder/rauchanita.html 140 Andreas Jucker: http://es-jucker.uzh.ch/ 141 Claudia Zey: http://www.hist.uzh.ch/personen/zey.html 142 Christian Utzinger : http://www.sprachenzentrum.uzh.ch/ueberuns/mitarbeiter2.php?mitarbnr=34 137 138 49 5. Diskussion 5.1 Zusammenfassung Die Bedeutung des Lateins für die universitäre Bildung. Schon beim Titel meiner Maturaarbeit trifft man auf ein Wort, das zur Verwirrung führen könnte, denn die universitäre Bildung ist nicht dasselbe wie die Bildung. Durch die präzise Definition des Begriffes „die universitären Bildung“ im theoretischen Teil meiner Arbeit, wird es nun für den Leser möglich sein, mein Thema zu verstehen. Durch die Erklärung des Begriffes kann nachvollzogen werden, welche Beiträge Latein für die Universität leistet. Erwähnen sollte ich hier jedoch, dass ich selber sehr lange gebraucht habe, bis ich den Begriff „die universitäre Bildung“ definieren konnte. Mehrere Stunden habe ich nach Wilhelm von Humboldt recherchiert, weil in jedem Artikel der universitären Bildung sein Name erschien. Ehrlichgesagt hatte ich ziemliche Mühe seine Ansicht zur universitären Bildung zu verstehen. Am Ende meiner Recherchen sah ich aber ein, dass er mit der universitären Bildung die Möglichkeit frei zu Forschen meinte. Die Universität sei ein Ort, an der die Selbsttätigkeit ausgelebt werden sollte.143 Nach der universitären Bildung sollte der Mensch aufgeklärt sein und sich in seinem Fach spezialisiert haben. 144 Durch die ähnliche Erklärung von Herrn Jucker, konnte ich schliesslich eine allgemeingültige Definition herleiten und somit feststellen, dass Latein ein Grundlagenmaterial für die universitäre Bildung darstellt. Die erste These, dass Latein nicht nur eine gewöhnliche Sprache sondern ein Hilfsmittel für die Gymnasiasten ist, um sich in den anderen Fächern verbessern zu können, wurde durch die Aussagen der Dozenten und die DAV-Matrix-Tabelle belegt. Nebst den Literaturangaben und den Aussagen der Professoren wollte ich aber auch Beispiele aus der Kantonsschule Stadelhofen bringen, damit meine Behauptungen besser von den Gymnasiasten verstanden werden konnten. Gemäss Prof. Dr. Hans Vettiger hätte ich durch das Auflisten der persönlichen Erfahrungen, der Arbeit einen objektiveren Touch gegeben, weil meine Behauptung auch durch die eigenen Erfahrungen belegt wurde. Philosophische Fakultät: Das humboldtsche Bildungsideal und die raue Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts. 2002. : URL:http://www.uni-jena.de/Humboldt_heute.html (05.10.2011) 143 JUSO: Humboldtsches Bildungsidel. 2010. : URL:http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtsche-bildungsideal/ (05.10.2011) 144 50 Die Bereiche „die Popularität des Lateins im 21. Jahrhundert“, „Latein an den Gymnasien“, „die Beiträge des Lateins zur Bildung“ und „Latein als Fremdsprache an den Universitäten“ wurden im theoretischen Teil meiner Arbeit erläutert. Absichtlich habe ich einige Themen auch ausserhalb der Universität gebracht, weil ich den Gymnasiasten zeigen wollte, dass die lateinische Sprache zwar hauptsächlich an den Universitäten lebt, aber auch für die Gymnasien und in unserem Alltag eine bestimmte Rolle spielt. Kurz gefasst wollte ich dem Schüler eigentlich mitteilen, dass die Altsprache selbst dann nützlich ist, wenn man nicht unbedingt studieren gehen will. Die Interviews mit den Dozenten an der Universität Zürich, die Auswertung der Fragebogen und die Analyse, ob die Altsprache noch an den Universitäten notwendig ist, bildete den Hauptteil meiner Maturaarbeit. Aufgrund des fachkundigen Einsatzes der Professoren klappte meine empirische Arbeit wie geplant. Die Thesen, die ich zu den jeweiligen Disziplinen an der Universität Zürich aufgestellt hatte, wurden durch die Analyse der Aussagen von den Dozenten belegt. Bereits nach drei Befragungen ist mir aber besonders aufgefallen, dass die meisten Aussagen der Professoren immer wieder gleich waren. Niemand bestritt, dass Latein bilden würde und ebenfalls nicht, das Latein ein Fach ist, welches verschiedene, vielseitige Bildungsleistungen während dem Gymnasium erbringt. Meine Thesen zum Medizin-, Theologie-, Geschichts- und Englischstudium wurden legitimiert. Nur bei der rechtswissenschaftlichen Fakultät haben mich die Literaturangaben und meine eigenen Erwartungen getäuscht. Durch das Interview mit Herrn Killias und Herrn Utzinger wurde mir bewusst, dass Latein im Jurastudium eigentlich streng genommen gar keine Wichtigkeit mehr darstellt. Absichtlich habe ich meine Thesen nicht nur durch die Ergebnisse der Fragebogen belegen wollen, weil ich von Beginn an wusste, dass ein Interview im Gegensatz zu einem Fragebogen viel informativer ist und mein Zielpublikum mehr ansprechen würde. Durch die verschiedenen Meinungen der Dozenten konnte ich schliesslich feststellen, wie und auf welche Weise Latein im 21. Jahrhundert an der Universität Zürich zum Nutzen kommt und ob es eine Schlüsselqualifikation für die fokussierten Disziplinen darstellt. Herausgestellt hat sich, dass Latein in den untersuchten Fächern, trotz des gefallenen Lateinobligatoriums, in irgendeiner Art und Weise gebraucht wird. In der Rechtswissenschaft stellt es zwar keine Wichtigkeit dar, aber es gibt nach wie vor noch 51 lateinische Fachbegriffe, die gelernt werden müssen. Darum sollte bemerkt werden, dass sich die Wissenschaftssprache der Römer gut durchgesetzt hat und weiterhin eine unsterbliche Sprache bleiben wird, weil die Altsprache tief in der Geschichte verankert wurde. Zu den Dozenten: Die Dozenten fanden mein Thema äusserst interessant, aber gerne wollten sie noch erfahren, wie ich überhaupt auf die Idee kam, eine wissenschaftliche Arbeit im Fach Latein zu schreiben. Die Erklärung, nämlich dass ich aufgrund des Schulwechsels den Grundstoff des Lateins während drei Wochen nachholen musste und trotz meines Ehrgeizes meine Leistung an der Kantonsschule nicht anerkannt wurde, zwangen mich fast dazu, aus all den Enttäuschungen eine Lehre zu ziehen und den ganzen Prozess mit einem guten Schluss zu beenden. Mit meiner Maturaarbeit wollte ich nun herausfinden, ob sich meine Bemühung an der Universität auszahlen wird. Durch meine Recherchen und die selbständige Analyse wurde mir bewusst, dass ich durch die Wahl des Lateins eine gute Entscheidung getroffen hatte und dies den Gymnasiasten an meiner Schule mitteilen will. Meine Erklärung beeindruckte die Dozenten offenbar. Sie boten mir die kompetente Betreuung bis zum Ende meiner Arbeit an, was ich natürlich sehr schätzte. Das Ziel, die Wichtigkeit des Lateins für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert darzustellen, um die Vorurteile, dass Latein eine tote Sprache sei, als blosse Vorurteile zu entlarven, habe ich meiner Meinung nach durch diese Arbeit erreicht. 52 5.2 Ausblick und Schlusswort November 2010. Nun wurde der Startschuss durch die Schulleitung gegeben und schon wurden die Gymnasiasten mit dem Druck und der Eigenständigkeit konfrontiert. Von Anfang an hatte ich aber gespürt, dass ich in einem Jahr mein Ziel, das ich vor meinen Augen hatte, durch mein ehrgeiziges Arbeiten, erreichen konnte. Ein Ziel, das ich seit zwei Jahren anstrebte, genauer genommen, seit dem meine erbrachten Leistungen an der Kantonsschule Stadelhofen nicht anerkannt wurden. Um keine einzige Minute zu verschwenden, habe ich mir bereits nach dem Startschuss ein Konto an der Zentralbibliothek Zürich eröffnet und die folgenden Bücher für meine Maturaarbeit ausgeliehen: Latein ist Tod, es lebe Latein von Wilfried Stroh, Mit dem Latein am Ende? von Karl-Willhelm Weeber, Fachdidaktik Latein kompakt von Peter Kuhlmann, Latein 200: die Existenzprobleme und Schlüsselqualifikation von Peter Lohe und auch die Erfolgsgeschichte einer Sprache von Tore Janson. Nachdem ich meiner Lateinlehrerin meine Interessen kurz geschildert hatte, bestätigte sie die Betreuung meiner Arbeit und nun konnte meine fleissige und ehrgeizige Phase eröffnet werden. Tag täglich verfolgten mich die Gedanken, wie ich meine Arbeit am besten aufbaue und mit welchen Mitteln ich meine Thesen belegen könnte. Ich wusste zwar, dass die Dozenten die Zielgruppe in meiner Arbeit waren, unklar war mir jedoch, ob ich meine empirische Arbeit sowohl mit den Interviews als auch mit den Fragebögen gestallten sollte oder nur mit einem von beiden. Nach einem intensiven Gespräch mit Frau Zeuch entschied ich mich schliesslich für beide Varianten. Durch den persönlichen Kontakt mit den Dozenten an der Universität Zürich, konnte ich mich in die Lage eines Studenten setzen und dadurch auch erfahren, wie die Universität wirklich ist. Die Professoren ermunterten mich bei jedem Gespräch, indem sie mir ihr Vertrauen zeigten und mir ein grosses Lob mit auf den Weg gaben. Die erlebnisreichen elf Monate vergingen schneller, als ich es mir vorstellen konnte. Mein Endprodukt liegt nun vor mir. Meine erste wissenschaftliche Arbeit, meine eigene Maturaarbeit. Mein Ziel, das ich seit mehreren Jahren anstrebe, nämlich eine Arbeit zu schreiben, indem die Wichtigkeit des Lateins für die universitäre Bildung gezeigt wird und nebenbei auch noch meinen Ehrgeiz und meinen Fleiss zum Vorschein bringen sollte. In diesem Moment darf ich sagen, dass ich stolz auf mich bin, eine wissenschaftliche Arbeit im Latein geschrieben zu haben. Ein Fach und ein Thema, dass viel Ehrgeiz voraussetzt hat. Eine Arbeit, die selbst von den Dozenten als eine Diplomarbeit 53 angesehen wurde. Auch wenn mir das Schreiben manchmal schwer fiel, hielt ich mir immer das Ziel vor den Augen. Meine Motivation, am 22. November meine Arbeit stolz meiner Betreuungsperson, meinen Lehrern, meinen Eltern und meinen Kameraden präsentieren zu dürften, hat mir immer den Schub zum Arbeiten gegeben. Als Gymnasiastin habe ich durch meine Untersuchungen und Erlebnisse während meiner Maturaarbeit einiges gelernt. Heute darf ich sagen, dass ich durch die intensive dreiwöchige Privatnachhilfe nicht nur die Lateinkenntnisse erworben, sondern auch gelernt habe, aus all den Enttäuschungen eine Lehre zu ziehen und immer trotz allem das höchste anzustreben. Schliesslich habe ich erkannt, dass sich jede einzelne Bemühung im Leben in irgendeiner Art und Weise, entweder zum richtigen Zeitpunkt oder eben später, auszahlt. 54 6. Dank Glücklicherweise hat mich meine Motivation nicht getäuscht. An der ersten Stelle möchte ich mich deshalb deutlich bei meiner Lateinlehrerin, Frau Dr. Ulrike Zeuch, bedanken, die mich während meiner Maturaarbeit kompetent betreut hat. Die Bereitschaft und die Ehrlichkeit, die sie zu pflegen wusste, habe ich schon während dem Lateinunterricht und vor allem während meiner Maturaarbeit sehr geschätzt. Damit meine empirische Arbeit durchgeführt werden konnte, habe ich natürlich eine Menge Informationen von den Dozenten benötigt, deshalb schulde ich der Professorin Dr. Anita Rauch (Medizin, Fachärztin für Humangenetik), Dr. Eva Ebel (Theologie, Dozentin für religiöse Grundfragen ), Dr. Claudia Zey (Geschichte, Dozentin für Allgemeine Geschichte des Mittelalters), und dem Professoren Dr. Martin Killias (Rechtswissenschaft, Dozent für Straf- und Strafprozessrecht), Dr. Christian Utzinger (Altsprache bzw. Latein, Dozent für Altsprache), Dr. Andreas Jucker (Englisch, Professor für Englische Sprachwissenschaft) an der Universität Zürich einen grossen Dank. Natürlich bedanke ich mich auch ganz herzlich bei den 30 Dozenten/innen, die die Fragebogen wahrheitstreu ausfüllten. Besonders möchte ich mich auch bei Professor Herrn Hans Vettiger und Frau Pichler bedanken, die mir während meiner Arbeit behilflich waren. Schliesslich möchte ich ein grosses Dankeschön meinen Eltern schenken, die mich durch ihr Vertrauen nicht mit den zweifelhaften Gedanken konfrontieren liessen. 55 „Vale, mea opus, et omnibus discipulis nuntia linguam Latinam vivere!“ 145 „Lebe wohl, meine Arbeit, und melde allen Schülern, dass die lateinische Sprache lebt!“145 Zürich, 12.10.2011 145Wilfried Stroh. 2007.: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer grossen Sprache (S.10). List. Berlin. 56 7. Glossar Latinum: Das Latinum ist ein Nachweis der Lateinkenntnisse an der Universität. Dabei unterscheidet man aber zwischen dem grossen und dem kleine Latinum. Das grosse Latinum kann nur erreicht werden, wenn der Gymnasiast seinen Schwerpunktfach beim Maturitätsjahr mit einer genügenden Note abschliesst, also mindestens mit einer vier. Das kleine Latinum ist die Voraussetzung für 32 Fächer an der Universität Zürich und kann mit einer Schlussprüfung nach zwei Semestern Lateinkurs selbst während dem Studium erreicht werden. 146 Lateinobligatorium: Das Lateinobligatorium ist eine Voraussetzung, die die Lateinkenntnisse in gewissen Fächern an der Universität Zürich fordert. Für die folgenden Bachelor-Studiengänge gilt das Obligatorium noch an der Universität Zürich im Jahre 2011: Hauptfach:147 Allgemeine Geschichte Allgemeine Sprachwissenschaft Alte Geschichte Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft Englische Sprach- und Literaturwissenschaft Französische Sprach- und Literaturwissenschaft Geschichte des Mittelalters Griechische Sprach- und Literaturwissenschaft Historische Hilfswissenschaften Wikipedia: Latinum. 2011.: URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Latinum (08.10.2011) 146 147 Latinum in der Philosophischen Fakultät: Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät in den Bachelor-Studiengängen. 2010. : URL: http://www.uzh.ch/latinum/katalog_ba.html (25.09.2011) 57 Italienische Sprach- und Literaturwissenschaft Klassische Archäologie Kulturwissenschaft der Antike I + II Kunstgeschichte Lateinische Sprach- und Literaturwissenschaft Militärgeschichte Mittelalterarchäologie Mittellateinische Sprach- und Literaturwissenschaft Musikwissenschaft Osteuropäische Geschichte Philosophie Portugiesische Sprach- und Literaturwissenschaft Prähistorische Archäologie Rätoromanische Sprach- und Literaturwissenschaft Religionsgeschichte der griechisch-römischen Antike Religionswissenschaft Rumänische Sprach- und Literaturwissenschaft Schweizer Geschichte Spanische Sprach- und Literaturwissenschaft Theologie Vergleichende Germanische Sprachwissenschaft Vergleichende Indogermanische Sprachwissenschaft Vergleichende Romanische Sprachwissenschaft 58 Kleines Nebenfach :148 Englische Sprach- und Literaturwissenschaft Französische Sprach- und Literaturwissenschaft Griechische Sprach- und Literaturwissenschaft Italienische Sprach- und Literaturwissenschaft Lateinische Sprach- und Literaturwissenschaft Militärgeschichte Mittelalterarchäologie Mittellateinische Sprach- und Literaturwissenschaft Musikwissenschaft Portugiesische Sprach- und Literaturwissenschaft Rätoromanische Sprach- und Literaturwissenschaft Religionsgeschichte der griechisch-römischen Antike Rumänische Sprach- und Literaturwissenschaft Schweizer Geschichte Spanische Sprach- und Literaturwissenschaft Vergleichende Germanische Sprachwissenschaft Vergleichende Indogermanische Sprachwissenschaft 148 Latinum in der Philosophischen Fakultät: Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät in den Bachelor-Studiengängen. 2010. : URL: http://www.uzh.ch/latinum/katalog_ba.html (25.09.2011) 59 8. Quellenverzeichnis: Bücher: Einverfasserschriften: Name & Vorname des Autors. Erscheinungsjahr. Titel. Verlag. Erscheinungsort. Janson Tore. 2006. Die Erfolgsgeschichte einer Sprache. Buske. Hamburg. Weeber Karl-Wilhelm. 1998. Mit dem Latein am Ende? Traditionen mit Perspektiven. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. Vossen Carl. 1999. Mutter Latein und ihre Töchter: Europas Sprache und ihre Herkunft. Stern-Verlag Janssen. Düsseldorf Stroh Wilfried. 2007. Latein ist tot, es lebe Latein! kleine Geschichte einer grossen Sprache. List. Berlin. Kuhlmann Peter. 2009. Fachdidaktik Latein kompakt. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen. Mehrverfasserschriften: Fink Gerhard. Maier Friedrich. 2001. Cursus brevis: Systematische Begleitgrammatik. C.C. Buchner. Bamberg. Montessori Maria. Oswald Paul. 1966. Über die Bildung des Menschen. Herder. Freiburg. Filip-Fröschl Johanna. Mader Peter. 1999. Latein in der Rechtssprache: ein Studienbuch und Nachschlagewerk. Braumüller. Wien. Lohe Peter. Maier Friedrich. 1996. Latein 2000: Existenzprobleme und Schlüsselqualifikationen. Buchner. Bamberg. Brandes Jürgen. Gaul Diether. 1998. Arcus compactus: Vokabeln und Grammatik. Moritz Diesterweg. Frankfurt. 60 Tabellen: Tabelle 1: Brandes Jürgen. Gaul Diether. 1998. Arcus compactus: Vokabeln und Grammatik. Moritz Diesterweg. Frankfurt. Tabelle 2: Kuhlmann Peter. 2009. Fachdidaktik Latein kompakt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Internet: Homepage der Kantonsschule Stadelhofen: Statistik der Kantonsschule Stadelhofen (2011): 25.09.2011 URL:http://www.ksstadelhofen.ch/dnn/Default.aspx?tabid=75 NZZ online: Diskussion um Lateinobligatorium an der Universität Zürich (2008): 25.09.2011 URL:http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/diskussion_um_lateinobliga torium_an_der_universitaet_zuerich_1.703631.html Berner Zeitung: Die modernen Fächer verdrängen das Latein vom Stundenplan (2010). 25.09.2011 URL: http://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/Die-modernen-Faecherverdraengen-das-Latein-vom-Stundenplan/story/17596505 Latinumhomepage der Universität Zürich: Latinum an der Philosophischen Fakultät (2011): 25.09.2011 URL: http://www.uzh.ch/latinum/ Latinum in der Philosophischen Fakultät: Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät in den Bachelor-Studiengängen (2010): 25.09.2011 URL: http://www.uzh.ch/latinum/katalog_ba.html Wikipedia: Carmina Burana (2008): 25.09.2011 URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Carmina_Burana Wikipedia: Medizin (2008): 25.09.2011 URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Medizin 61 Wikipedia: Computer (2011): 05.10.2011 URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Computer Wikipedia: Die Bildung (2011): 05.10.2011 URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Bildung Lucia: Schule im Mittelalter : 05.10.2011 URL: http://www.primolo.de/home/Ritterburg/hp_innen13.htm Alexander von Humboldt (1979): 05.10.2011 URL: http://www.educat.hu-berlin.de/schulen/avh/avh/avhb.html Philosophische Fakultät: Das humboldtsche Bildungsideal und die raue Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts (2002): 05.10.2011 URL: http://www.uni-jena.de/Humboldt_heute.html JUSO: Humboldtsche Bildungsideal (2010): 05.10.2011 URL: http://www.jusohsg-ude.de/hochschulpolitik-a-z/das-humboldtschebildungsideal/ Michael Schmidt: Was ist Bildung wirklich? (2005): 05.10.2011 URL: http://www.dghk.de/laby85/85_schmidt_bildung.pdf Prof. Dr. Heide von Felden: Was heisst universitäre Bildung?(2004): 06.10.2011 URL:http://www.unimainz.de/FB/Paedagogik/Erwachsenenbildung/Dateien/Universit aere_Bildung_heute.pdf Wikipedia: Universität Zürich (2011): 06.10.2011 URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Universit%C3%A4t_Z%C3%BCrich Philosophische Fakultät der Universität Zürich: Das Latinum an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich (2010): 06.10.2011 URL: http://www.uzh.ch/latinum/Woerterlisten/Latinum_Reglement_Aug10.pdf Lateinobligatorium an der Philosophischen Fakultät der Schweiz (2010): 06.10.2011 URL: http://www.philologia.ch/latinum/ Latinum an der Philosophischen Fakultät: Das Konzept der Latinumskurse (2011): 07.10.2011 URL: http://www.uzh.ch/latinum/konzept.html 62 Latinum an der Philosophischen Fakultät: Aktuelle Prüfungstermine (2011): 07.10.2011 URL: http://www.uzh.ch/latinum/pruefung_termine.html Theologische Fakultät: Theologisches Seminar (2010): 07.10.2011 URL: http://www.theologie.uzh.ch/faecher/theologischesseminar.html Historisches Seminar: Lehre und Forschung (2011) 07.10.2011 URL: http://www.hist.uzh.ch/lehre.html Wikipedia: Latinum (2011): (08.10.2011) URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Latinum Abbildungen: Titelblatt: Logo der Universität Zürich (2008): 01.08.2011 URL: http://www.175jahre.uzh.ch/fakultaeten/weiterdenken/programm/zentraleveranstaltungen/felixundregula/stationen/universitaet/un ilogo.jpg Abbildung 1: Statistik der Kantonsschule Stadelhofen (2011). 25.09.2011 URL: http://www.ksstadelhofen.ch/dnn/Default.aspx?tabid=75 Abbildung 6: Prof. Dr. med. Anita Rauch (2011). 09.10.2011 URL: http://www.med.uzh.ch/UeberdieFakultaet/fakultaetsmitglieder/rauchanita.html Abbildung 7: Prof. Dr. Eva Ebel (2011): 09.10.2011 URL: http://www.theologie.uzh.ch/faecher/neues-testament/ebel.html Abbildung 8: Prof. Dr. Claudia Zey (2011): 09.10.2011 URL: http://www.hist.uzh.ch/personen/zey.html Abbildung 9: Prof. Dr. Martin Killias (2011): 09.10.2011 URL: http://www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/alphabetisch/killias/mk.html Abbildung 10: Prof. Dr. Andreas Jucker (2011): 09.10.2011 URL: http://es-jucker.uzh.ch/ Abbildung 11: Prof. Dr. Christian Utzinger (2011): 09.10.2011 URL: http://www.sprachenzentrum.uzh.ch/ueberuns/mitarbeiter2.php?mitarbnr=34 63 Vgl.: Interview: Im Anhang zu finden: Interview mit Prof. Dr. Martin Killias Interview mit Prof. Dr. med. Anita Rauch Interview mit Prof. Dr. Eva Ebel Interview mit Prof. Dr. Claudia Zey Interview mit Prof. Dr. Andreas Jucker Interview mit Prof. Dr. Christian Utzinger 64 9. Eigenständigkeitserklärung: Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Benutzung der angegebenen Quellen verfasst habe und ich auf eine eventuelle Mithilfe Dritter in der Arbeit ausdrücklich hinweise. Zürich, 12.10.2011 Büsra Beceren 65 10. Anhang 10.1 Fragebogen Sehr geehrte Damen und Herren, Ich bin Teilnehmerin des altsprachlichen Profils Latein an der Kantonsschule Ausserschwyz und schreibe meine Maturaarbeit über die Bedeutung des Lateins für die universitäre Bildung im 21. Jahrhundert. Im Focus meiner Arbeit steht die Frage, ob das Latein für Ihr Fach heute noch eine Schlüsselqualifikation darstellt, die die Studienordnung den Studenten abverlangt und ob sie persönlich das Latein zumindest als einen wichtigen Beitrag zur Allgemeinbildung ansehen. Zu diesem Zweck würde ich Sie gerne fragen, ob Sie dazu bereit wären, meinen Fragebogen zu meiner Maturaarbeit auszufüllen. Ihre Angaben werden vertraulich behandelt und nicht an Drittpersonen weitergegeben. 1. Sollte die Universität Zürich ihrer Meinung nach das kleine Latinum in 32 Hauptfächern noch weiterhin voraussetzen und im Gegensatz zu den anderen Universitäten in der Schweiz, lateinfreundlich bleiben? o Ja Begründung: _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ o Nein Begründung: _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ 2. In welchen Fächern spielt Latein eine sehr entscheidende Rolle? a. Alte Geschichte b. Philosophie c. Deutsch d. Theologie e. Englisch 66 f. Andere: __________________________________________ 3. Wann sollte ein zukünftiger Student Latein lernen, wenn er bzw. sie ein Fach studieren möchte, an dem die Lateinkenntnisse vorausgesetzt werden? o Im Gymnasium Begründung: _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ o An der Universität Begründung: _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ 4. Denken Sie, dass Latein im 21. Jahrhundert an den Universitäten noch wichtig und daher auch lebendig ist? o Ja Begründung: _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ o Nein Begründung: _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ _____________________________________________________________________________________ 5. Leistet Latein Ihrer Meinung nach einen Beitrag zur Allgemeinbildung? o Ja o Nein o Ich kann es nicht beantworten Vielen Dank für das Ausfüllen. Büsra Beceren 67 10.2 Interview mit Prof. Dr. Martin Killias 1. Büsra: Was könnten wohl die Gründe dafür sein, dass das Lateinobligatorium für die Rechtswissenschaft an der Universität Zürich aufgehoben wurde? Herr Killias: Nun, einfach deswegen, weil die historischen Rechtstexte, die früher oft in Latein verfasst wurden, heute in der Rechtspraxis kaum mehr eine Rolle spielen. Einen noch besseren Grund dafür wüsste ich nicht. Latein kann heute höchstwahrscheinlich dafür dienen, die Begriffe nicht stur auswendig lernen zu müssen, aber einen noch grösseren Beitrag zur Rechtswissenschaft würde es nicht leisten. 2. Büsra: Wird Latein noch im 21. Jahrhundert trotz des gefallenen Lateinobligatoriums für die Rechtswissenschaft gebraucht, oder stellt es etwa eine tote Sprache dar? Herr Killias: Ich bedaure es, aber leider ja. Durch die modernen Sprachen Italienisch, Französisch und Englisch verliert Latein von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Heutzutage können die Fachbegriffe auswendig gelernt werden. Um an den Diskussionen über die Rechtsquellen teilnehmen zu können, muss man keine Lateinkenntnisse haben. Aber dies gilt natürlich nur in der Rechtswissenschaft. An den historischen Fakultäten müssen die Lateinkenntnisse vorhanden sein! 3. Büsra: Bis ins 19. Jahrhundert galt Latein mit der Nationalsprache zusammen, als die europäische Bildungssprache. In diesen zwei Jahrtausenden hat sich jedoch einiges geändert. Stellt Latein Ihrer Meinung nach immer noch eine Sprache der Gelehrten dar? Herr Killias: Dominant ist als Gelehrtensprache heute das Englisch. Das Englisch regiert im 21. Jahrhundert die Sprachwelt. Ich finde das nicht besonders schön oder toll, aber… cèst la vie! 4. Büsra: Leistet Latein zumindest einen Beitrag zur Allgemeinbildung? Herr Killias: Wenn man dabei all das Wissen nebst der Sprache betrachtet, dann sicherlich. Ein Schüler, der Latein als Fach gewählt hat, sollte aber immer aktiv dabei sein, damit er seine Zeit nicht mit dem Nachholen verbringen muss. Durch 68 das aktive Mithalten im Unterricht kann der Lernende sein Allgemeinwissen erweitern und auch gute Noten erzielen. 5. Büsra: Stellt Latein im 21. Jahrhundert für das Studium noch eine Schlüsselqualifikation dar? Herr Killias: Ich denke es nicht. Dadurch, dass das Latinum im Jurastudium aufgehoben wurde, haben sich die rechtswissenschaftlichen Fakultäten auch dementsprechend umgestellt. Im 21. Jahrhundert kann man dem Latein durch das Auslassen einiger Quellen ausweichen. Deshalb denke ich nicht, dass Latein noch im 21. Jahrhundert für die Rechtswissenschaft eine Schlüsselqualifikation darstellt… 69 10.3 Interview mit Prof. Dr. med. Anita Rauch 1. Büsra: Wie ist es möglich, dass man Medizin im 21. Jahrhundert ohne die Lateinkenntnisse studieren kann? Frau Rauch: Im 21. Jahrhundert ist Latein nicht mehr die Sprache der Wissenschaft! Die meisten anatomischen Fachbegriffe sind lateinisch, aber diese können auch auswendig gelernt werden und nebenbei kann der ganze Aufwand, die lateinische Grammatik zu lernen erspart werden. Heutzutage wird diese Sprache gar nicht mehr gesprochen. Bis ins 19. Jahrhundert konnte man Latein als die Sprache der Gelehrten bezeichnen, heute hat sie jedoch an Wert verloren. Meiner Ansicht nach stellt Englisch im 21. Jahrhundert die Sprache der Gebildeten dar, weil sie weit verbreitet ist. Mit meiner Aussage will ich aber nicht behaupten, dass Latein kein Nutzen mehr hat. Im Medizinstudium sind die meisten Wörter lateinischer Herkunft, deshalb hat sie einen ziemlich grossen Stellenwert an den Universitäten. Aber wie schon erwähnt, dadurch, dass sie nicht mehr gesprochen wird, betrachtet man die Altsprache als Tod. 2. Büsra: Ist ein Student, der die anatomischen Fachbegriffe stur auswendig lernt auch gebildet? Frau Rauch: Natürlich hat ein Student der die Lateinkenntnisse verfügt mehr Vorteile als seine Kameraden, weil er die Begriffe herleiten kann und nicht alles stur auswendig lernen muss. Latein trägt einen sehr grossen Beitrag für die Allgemeinbildung bei und erleichtert auch das Lernen. Ein Student, der Latein im Gymnasium abgelehnt hat, muss mit einem grösseren Lernaufwand rechnen, weil die anatomischen Begriffe für ihn vollkommen fremd sind. Damit die Fachbegriffe immer präsent bleiben, ist er gezwungen, sie andauernd zu repetieren. Derjenige, der die anatomischen Fachbegriffe trotz der mangelnden Lateinkenntnisse beherrscht, ist meiner Meinung nach gebildet! 3. Büsra: Leistet Latein Ihrer Meinung nach einen Beitrag zur Allgemeinbildung? Frau Rauch: Latein ist für die Allgemeinbildung wichtig! Durch die Fähigkeit mit der deutschen Sprache spielen und seinen Wortschatz mit einigen lateinischen Fachbegriffen bereichern zu können, hat jeder Mediziner die Möglichkeit, das 70 Publikum an sich zu reissen. Auch für die Eintrittsprüfung, für den Numerus Clausus, muss der Schüler logisch überlegen können. Der Lateinunterricht bereitet ihn sicher darauf ausgezeichnet vor. Ein guter Mediziner kann sowohl Deutsch, als auch Englisch und Latein! Das lateinische Vokabular unterstützt den Arzt nicht nur in der Praxis sondern auch in seinem Freundeskreis. 71 10.4 Interview mit Prof. Dr. Eva Ebel 1. Büsra: Wäre eine Auseinandersetzung mit einer biblischen oder theologischen Quelle ohne die Lateinkenntnisse überhaupt möglich? Frau Ebel: Ich kann es mir nicht vorstellen. Die Aufgabe der Studenten im 21. Jahrhundert ist, die Originalexte des Christentums mit Hilfe der gegebenen Übersetzung analysieren zu können. Die lateinische Sprache dient während dem Studium nicht für die Übersetzung, sondern für die Hinterfragung der Quellen. Es ist nicht mehr üblich, dass die Studenten heutzutage das Alte Testament übersetzen müssen, das würde zu lange dauern! Anhand der deutschen Übersetzung verglichen mit dem lateinischen haben sie die Möglichkeit die Quellen auf einem wissenschaftlichen Niveau zu analysieren. Im Gymnasium wird den Schülern nur das nötigste für eine Übersetzung beigebracht und die Hintergründe der Texte sind sehr variierend. Im Theologiestudium ist der Bereich aber nur auf die Religion und das Glauben eingeschränkt. Es geht um die Forschung! Durch das Erkennen der einzelnen lateinischen Wörter im Text kann der Schüler die Zusammenhänge zwischen den Quellen besser verstehen. Für die Forschung müssen die Lateinkenntnisse vorhanden sein. Würden nur die deutsche Übersetzung der Originaltexte analysiert werden, so würde sich die Forschung nicht auf einem wissenschaftlichen Niveau befinden, weil nicht mit der Quelle sondern mit einer Übersetzung geforscht wird. Für eine wissenschaftliche Arbeit muss immer ein Originaltext untersucht werden. 2. Büsra: Sollte Latein ihrer Meinung nach schon während dem Gymnasium erarbeitet werden? Frau Ebel: Latein ist ein Fach, das nicht von einem Jahr auf den anderen gelernt werden kann. Durch das Nachholen des Latinums an der Universität ist auch die Gefahr ziemlich gross, dass der Student die Prüfung nicht besteht. Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, Latein schon während dem Gymnasium zu erwerben. Dadurch kann der Gymnasiast auch in den anderen Fächern wie Deutsch und Geschichte profitieren. Latein dient eigentlich als ein Fach, das die restlichen schulischen Schwächen abdeckt. Auch diejenigen Gymnasiasten, die zwar nicht ein Fach studieren möchten, an der die Lateinkenntnisse vorausgesetzt werden, sollte 72 es trotzdem als Fach nehmen, die Universität verlangt nämlich trotzdem die Genauigkeit und das Orientierungswissen. Ein Punkt muss noch erwähnt werden! Derjenige Student, der die Lateinkenntnisse schon aus dem Gymnasium mitgenommen hat, kann den Konjunktiv im Vergleich zu den anderen Studierenden korrekt anwenden. Bei der genauen Analyse der Texte spielt auch die Grammatik eine entscheidende Rolle. 3. Büsra: Lebt Latein Ihrer Meinung nach noch weiterhin an den Universitäten? Frau Ebel: Wir können diese Frage von zwei Seiten betrachten. Latein ist insofern Tod, weil sie nicht mehr gesprochen wird. Bezieht man diese Aussage jedoch nur auf die Universität, so lebt sie noch weiter, weil sie eine sehr originelle und nützliche Sprache ist. Natürlich könnte man den Schülern eine Übersetzung der historischen Originaltexte geben, aber so würde sich der Student nicht mehr bilden und es gäbe auch keine Forschung. Das Studium sollte den Studenten zum Nachdenken, Analysieren und Forschen bringen. Latein ist im Theologiestudium lebendig und aktiv. Sie wird erst sterben, sobald sich keine einzige Studie mehr damit beschäftigt. Deshalb finde ich es sehr wichtig, dass das Latinum noch für immerhin einige Fächer vorausgesetzt wird. 73 10.5 Interview mit Prof. Dr. Claudia Zey 1. Büsra: Stellt Latein nach wie vor noch eine Schlüsselqualifikation für Ihr Fach dar? Frau Zey: Die Quellen sind für diese Epoche zu etwa 90% und mehr in lateinischer Sprache abgefasst. Ohne die Lateinkenntnisse kann man die mittelalterliche Geschichte nicht auf einem wissenschaftlich seriösen Niveau studieren. Die Studienordnung für Haupt- und Nebenfach allgemeine Geschichte verlangt, dass die Studierenden nach dem Grundstudium, also in der Regel nach dem dritten Semester das Latinum nachweisen können, dass das Latein selbst im 21. Jahrhundert eine Schlüsselqualifikation für Geschichte darstellt, ist nicht nur meine eigene Meinung, sondern eine Tatsache. 2. Büsra: Leistet Latein Ihrer Meinung nach einen Beitrag zur Allgemeinbildung? Frau Zey: Das ich das Latein ganz unabhängig von unserer Studienordnung als wichtigen Beitrag zur Allgemeinbildung ansehe, versteht sich von meinem Beruf von selbst. Die Altsprache erweitert unser Wissen immens und hat einen gewissen Einfluss auf unsere Präzision. Latein zwingt die Lernenden dazu, auf jedes einzelne Detail beim Analysieren der verschiedenen Texte zu schauen. 3. Büsra: Lebt Latein noch Ihrer Meinung nach an den Universitäten? Frau Zey: Auch wenn mehrere Studien heutzutage nicht mehr die Lateinkenntnisse voraussetzen, wird Latein indirekt in jeder Wissenschaft gebraucht. Deshalb wäre es nicht korrekt, wenn man Latein als Tod bezeichnen würde, weil es noch an der Universität sehr häufig zum Nutzen kommt.“ 74 10.6 Interview mit Prof. Dr. Andreas Jucker 1. Büsra: Stellt Englisch das moderne Latein im 21. Jahrhundert dar? Herr Jucker: Man kann es so nennen, aber es kommt natürlich darauf an, in welchem Zusammenhang man diese Aussage verstehen will. Würde man einen wissenschaftlichen Text nehmen, so wären mehr als die Hälfte aller Wörter aus dem Lateinischen abgeleitet. Wählt man jedoch ein einfach zu verstehendes Text, so liegt die Quote der Englischen Wörter, die eine Lateinische Abstammung haben sicherlich beweisend unter 50%. Deshalb ist diese Behauptung sehr schwierig zu argumentieren. Es ist möglich zu sagen, dass die englische Sprache noch das Latein pflegt, aber ob sie es im 21. Jahrhundert vertritt, das ist fragwürdig 2. Büsra: Brauchen die Studenten das Latein in ihrem Fach? Herr Jucker: Nein! Kein Student kann aus diesen zwei Semestern Lateinkurs einen Profit ziehen. Es wäre um einiges Intelligenter, müssten die Studenten neben dem Englisch eine weitere moderne Sprache können, eine Sprache, die sie im Leben auch ausserhalb des Studiums brauchen könnten. Damit meine ich aber nicht, dass Latein für gar nichts nützlich ist. Ein erfolgreicher Gymnasiast mit Lateinkenntnissen kann sicherlich auch im Studium punkten, weil er in diesen vier Jahren nicht hetzen musste und die Vokabeln gründlich lernen konnte. Bei einem Studenten jedoch, der den gesamten Stoff während zwei Semestern nachholen muss, wird das gesamte Erlernte wieder vergessen. Das Lateinobligatorium sollte im Englisch aufgehoben werden! 3. Büsra: Trägt Latein ihrer Meinung nach einen Beitrag zur Bildung bei? Herr Jucker: Ja, aber nur in einem minimalen Bereich und das wieder nur während des Gymnasiums. Durch das ständige Repetieren der Vokabeln und der Grammatik kann der Schüler seinen Wortschatz erhöhen und verbessert dadurch sicherlich auch seine Sprachkenntnisse. Ebenfalls unterstützt es das historische Wissen. Wer heutzutage Altgeschichte studieren möchte, sollte an der Kantonsschule als Profil Latein nehmen, weil die Lateinkenntnisse besonders in diesem Fach gefragt sind. 75 4. Büsra: Was verstehen Sie unter dem Begriff „die universitäre Bildung“? Herr Jucker: Die universitäre Bildung hängt mit dem Wissen und dem Verstehen zusammen. An der Universität sollte der Studierende nicht alles auswendig lernen, sondern durch das Herleiten und Verstehen zu seinen Ergebnissen kommen. Die Universität verlangt das Wissen! Ohne die Erkenntnisse kann der Student nicht erfolgreich sein. Es geht um den Wissensdurst, nicht um das sture Auswendiglernen! 76 10. 7 Interview mit Prof. Dr. Christian Utzinger 1. Büsra: Welche Bedeutung hat das Latein an der Universität Zürich im 21. Jahrhundert? Herr Utzinger: Latein war eine lange Zeit die Sprache der Wissenschaft. Wer sich heute in irgendeiner Art und Weise mit der Wissenschaft beschäftigt, kommt immer in irgendeiner Form mit Latein in Begegnung. Natürlich kann man aber dem Ausweichen. 2. Büsra: Was sagen sie zur Behauptung, Latein sei eine tote Sprache? Herr Utzinger: Cicero sagte, dass die lateinische Sprache unsterblich ist, solange sie gelesen wird. Natürlich ist Latein keine Kommunikationssprache, deshalb wird sie als Tod bezeichnet. Die Inhalte des Lateins sind aber nicht Tod und sie gilt nach wie vor noch als eine Gelehrtensprache. Selbst in der Antike galt es nicht als eine Kommunikationssprache, deswegen behaupte ich, dass das Latein an der Universität und an jedem wissenschaftlichem Ort lebendig ist. Besonders in der Geschichte und in der Theologie stellt sie eine Wichtigkeit dar, weil mit den lateinischen Texten geforscht wird. Ohne die Lateinkenntnisse kommt man eigentlich bei diesen Fächern gar nicht rundherum. Die Altsprache lebt noch und wird erst dann aussterben, wenn sich niemand mehr damit befasst, was natürlich eine halbe Ewigkeit dauern wird 3. Büsra: Welche Bedeutung hat Latein noch an der rechtswissenschaftlichen Fakultät? Herr Utzinger: Im Rechtsstudium wird heutzutage das römische Recht ausgelassen. Deshalb braucht man eigentlich das Latein sagen wir mal für den grössten Bereich gar nicht. Ein Anwalt, der die Hintergründe der juristischen Begriffe kann benützt sie natürlich umso öfter. Latein ist in der Rechtswissenschaft die Sprache der Angeber. Im 21. Jahrhundert existiert auch das Lateinobligatorium an dieser Fakultät nicht mehr, darum denke ich, dass diese Fakultät darauf Rücksicht nimmt, dem Latein auszuweichen. 77 4. Büsra: Würden Sie persönlich als ein Professor für Latein den Gymnasiasten das Lernen des Lateins während dem Gymnasium vorschlage? Herr Utzinger: An der Universität Zürich besteht die Möglichkeit, an einem Lateinkurs teilzunehmen und nach diesen zwei Semestern eine Prüfung abzulegen. Ich hatte vor einigen Monaten ein paar Studenten, die Italienisch studieren und die haben mir gesagt, dass sie das Latein, welches sie während dem Gymnasium gelernt haben bereits vergessen hätten. Ich will damit nicht sagen, dass Latein während dem Gymnasium abgelehnt werden sollte, aber es kann natürlich sein, das ein gewisser Bereich vom Lateinunterricht bis zum Studium vergessen gehen kann. Betrachtet man die Nachteile eines Lateinkurses jedoch, so ist die Gefahr um einiges grösser. Wer sich nicht gründlich mit der Sprache beschäftigt, riskiert die Prüfung nicht zu bestehen. Von den ca. 350 Teilnehmern sind es immerhin mehr oder weniger 30%, die die Prüfung aufgrund der Unterschätzung nicht erfolgreich absolvieren. 5. Büsra: Denken Sie, dass Latein einen Beitrag zur Bildung leistet? Herr Utzinger: Ja, das kann man so sagen. Latein gibt den Studenten das Sprachgefühl und begleitet sie während dem ganzen Studium, sei es beim Lernen, bei der Forschung oder bei den Diskussionen. Latein ermöglicht es den Studenten überall dabei zu sein. 6. Büsra: Was können wohl die Gründe dafür sein, dass die Universität Zürich im Vergleich zu den restlichen Universitäten in der Schweiz lateinfreundlich geblieben ist? Herr Utzinger: Bösartig gesagt ist sicher ein Grund, dass die Universität Zürich im Vergleich zu den anderen in der Schweiz diese Studenten mit den Lateinkenntnissen anziehen will. Hier taucht sicherlich wieder die Frage der Selektion auf. Dadurch, dass die Universität Zürich im Vergleich zu den anderen in der Schweiz das Lateinobligatorium in mehreren Fächern voraussetzt müssen die Studenten entweder den Lateinkurs nachholen oder den Standort wechseln. 78