9. Klinische Studien – neue Substanzen 9.1. Basis: Klinische

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9. Klinische Studien – neue Substanzen
Wenn Patienten nicht länger auf die Standardtherapien mit Imatinib und Sunitinib
ansprechen, kann es irgendwann wichtig
werden, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Oder es werden Betroffenen Studien angeboten, die in Verbindung mit
Operation / Resektion durchgeführt werden – also neoadjuvante oder adjuvante
Studien. Auch denkbar wären Studien mit
neuen Substanzen oder Dosisprofilen, die
in unterschiedlichen Phasen der Erkrankung im Vergleich zu den etablierten Therapien getestet werden sollen. Ganz egal,
welche Studie Ihnen angeboten wird oder
welche Studienteilnahme Sie erwägen –
Sie sollten immer folgende Informationen
haben:
•Basisinformationen über das Thema
„Klinische Studien“ allgemein
•Informationen darüber, welche GISTStudien wo und mit welcher Zielsetzung laufen
•Die Einschluss- und Ausschlusskriterien der jeweiligen Studie
•Mögliche Alternativen / Optionen zu
der geplanten Studie
•Aktueller Stand der Informationen
über Ihre Erkrankung: Historie, Kopien der Befunde / Berichte, aktuelle
Bildgebung CT-/PET-Scans und –
falls vorhanden – Ihren Mutationsstatus (Exon-Bestimmung)
•Mögliche Belastungen (gesundheitlich,
psychisch, organisatorisch, finanziell,
etc.), die möglicherweise auf Sie zukommen könnten (Wichtig vor allem
bei Studienteilnahmen im Ausland!)
•Ausreichend Antworten der Studienleiter oder Durchführenden auf Ihre
persönlichen Fragen
9.1. Basis: Klinische Studien
Jährlich finden in Deutschland, Österreich
und der Schweiz mehrere Hundert klinische Studien mit einigen Tausend Patienten für viele Indikationen statt. Klinische Studien sind kontrollierte wissenschaftliche Testprogramme. Sie sollen helfen, die Wirksamkeit und die Effektivität
neuer Substanzen – also möglicher neuer
Medikamente – festzustellen. Alle erfolgreichen Therapien sind letztlich das direkte Ergebnis klinischer Studien wie z.B.
auch Imatinib. Leider führt die Annahme,
Studien seien „Experimente“ noch immer
dazu, dass z.B. in den USA nur 5% aller
Krebspatienten im Rahmen von Studien
behandelt werden. Weiterhin nehmen Patienten oft nicht an klinischen Studien
teil, weil sie
•Zielsetzung und Konzept der Studie
nicht verstehen,
•die Details der angebotenen Studie
nicht verstehen,
•die Informationen nicht schnell und
ihrer Situation gemäß erhalten.
Sehr oft haben neue Substanzen bereits
gezeigt, dass sie besser sind als bestehende
Therapien. Sie werden dann weiter getestet, um zu sehen, um wie viel besser sie
sind als etablierte Therapien. Klinische
Studien können u.U. für Krebspatienten
eine Frage des Überlebens sein. Dem werden etliche Leser dieses Patientenratgebers
speziell für Imatinib zustimmen. Viel versprechende Substanzen und Therapien gegen Krebs werden derzeit im deutschsprachigen Raum in klinischen Studien untersucht. Die Zulassung von Imatinib für
CML und GIST führte zur Entwicklung
von immer mehr zielgerichteten Krebstherapien (Target-Therapien). Diese bekämpfen zielgenau nur die Tumorzellen und
nicht auch gesunde Zellen wie z.B. bei
den klassischen Chemotherapien. Neue,
moderne Krebstherapien zeigen mehr
Wirksamkeit und Effektivität und weniger
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negative Beeinf lussung des Gesamtzustandes des Patienten wie z.B. extreme Nebenwirkungen.
9.2. Fünf Phasen auf dem
Weg zur Therapie
Bevor ein Medikament dem Menschen
helfen kann, hat es bereits einen langen
Weg hinter sich gebracht: im Durchschnitt
ca. 10 Jahre in Forschung & Entwicklung.
Und bevor eine Substanz dem Menschen
verschrieben und in Apotheken verkauft
werden darf, müssen sehr strenge Phasen
in der Forschung durchlaufen werden.
Präklinische Studien:
Im Labor – also „vor (= prä) der ersten
klinischen Phase“ – werden physikalische
und chemische Eigenschaften der Substanz
getestet. Hierbei ist es wichtig heraus zu
finden, wie diese Substanz den Stoffwechsel beeinf lussen kann und welche Nebenwirkungen möglich sind. Es schafft statistisch nur eine von 7.000 im Labor getesteten Substanzen überhaupt in die nächste
Phase. Zur präklinischen Phase gehören
ebenso alle Tierversuche, deren Ethik in
vielen Gesellschaftsschichten stark angezweifelt wird. Eines muss hierbei klar sein:
Nur auf diese Weise kann man herausfinden, ob die Substanz im lebenden Orga-
nismus Nebenwirkungen verursacht,
krebsfördernd ist, andere toxische (giftige)
Reaktionen hervorruft oder auf das ungeborene Leben einen Einf luss haben kann.
Sehen all diese Daten Erfolg versprechend
aus, geht es in die nächste Phase.
Phase I:
Hat es die eine von 7.000 Substanzen geschafft, den „Hochsicherheitstrakt“ der
präklinischen Studien tatsächlich zu überwinden, wird sie häufig einer sehr kleinen
Anzahl gesunder freiwilliger Probanden
verabreicht. Große Ausnahme: Wirkstoffe
zur Behandlung besonders schwerwiegender Erkrankungen wie eben Krebs.
Typischerweise werden deshalb bei diesen
schweren Erkrankungen solche Patienten
in die Phase-I-Studien eingeschlossen, die
von den zugelassenen Therapien nicht
(mehr) profitieren können und für die der
neue Wirkstoff eventuell eine Chance sein
kann. In dieser ersten Phase der Forschung
gilt es heraus zu finden, wie das Medikament im menschlichen Körper reagiert,
welche Wege es geht, wie es verstoffwechselt und vertragen wird. Patienten wie
Probanden werden engmaschig medizinisch überwacht, z.B. durch äußerst regelmäßige Blut- und Urinkontrollen. Untersucht und getestet wird in der ersten klinischen Phase insbesondere auch, in welchen Mengen das Medikament verabreicht
werden kann (Dosisfindung).
Phase III:
Die Phase III soll die Wirksamkeit des Medikamentes belegen. In jeder Phase der Stu­
dien steht das Thema Sicherheit an oberster
Stelle. An einer größeren Gruppe von Patienten wird in statistisch aussagekräftiger
Form untersucht, welchen therapeutischen
Nutzen ein neues Arzneimittel bietet.
Wenn für das untersuchte Krankheitsbild
schon eine bewährte Therapie­form existiert, wird der neue Wirkstoff im Vergleich
dazu getestet und bewertet. Meist sind
mehrere Kliniken oder Arztpraxen, je nach
Indikation, in verschiedenen Ländern an
einer Phase-III-Studie beteiligt.
Zulassung:
Alle Daten der Substanz, die in den ersten
4 Testphasen erhoben wurden, werden
ausgewertet, auf bereitet und an die für das
entsprechende Land zuständige Gesundheitsbehörde (z.B. FDA, EMEA oder
BfArM) eingereicht. Daran liegt es auch,
dass Medikamente in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten in
den Handel kommen. Experten entscheiden nun darüber, ob das Medikament für
Patienten zugelassen wird oder nicht.
Phase IV:
Nach einer erfolgten Zulassung können
weiterhin Daten erhoben werden, um die
langfristige Wirksamkeit und Verträglichkeit zu dokumentieren.
Phase II:
Wenn die Resultate aus der Phase I die
Verträglichkeit eines Arzneimittels noch
weiter bestätigen, kann die Phase II klinischer Entwicklungen beginnen. Jetzt
geht es darum, die therapeutische Wirksamkeit zu erforschen und ein optimales
Dosierungsschema zu entwickeln. Eine
umfassende Studie der Phase II kann bis
zu 150 Patienten einschließen.
9.3. Internet-Recherchen zum
Thema Studien
Englisch ist die Sprache der globalen Forschung, der Wissenschaft und der Medizin. Dies gilt natürlich auch für GIST. Daher sind die meisten Studienausschreibungen, Studienergebnisse und Publikationen in Englisch. Hinzu kommt, dass
viele Seiten / Angebote im Internet (vor
allem die der Firmen) nur für Ärzte (z.B.
mit Doc-Check) zugänglich sind.
A. Folgende Kriterien,
Kürzel und Codes sollte man
kennen
Substanz oder Medikament:
Die frühen Studienphasen erfolgen meist
mit einer Forschungsbezeichnung für die
spätere Substanz:
Beispiel: STI 571
In weiteren Phasen erhält die Substanz
eine Wirkstoff bezeichung:
Beispiel: Imatinib
In späteren Phasen finden Studien –
teilweise für die Zulassung oder Studien
nach Zulassung – mit dem Medikamenten- bzw. Handelsnamen statt (Marke).
Beispiel: Glivec®, in den USA
Gleevec™
Hersteller / Pharmazeutischer
Unternehmer: Novartis
Weitere Beispiele
Code:
Wirkstoff:
Name:
Hersteller:
SU 11248
Sunitinib
Sutent ®
Pfizer
BAY 43-9006
Sorafenib
Nexavar ®
Bayer
BMS 354825
Dasatinib
Sprycel®
Bristol-Myers-Squibb
AMN 107
Nilotinib
Tasigna®
Novartis
RAD 001
Everolimus
Certican Novartis
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®
9. Klinische Studien – neue Substanzen
B. Jede Studie hat eine
Nummer, den Studiencode
Beispiel:
C. Wichtige Behörden für die
Zulassung von Arzneimitteln
und Arzneimittelsicherheit
USA: FDA
C RAD 001C 2454
= Progress-Studie RAD 001 + Imatinib
SSG XVIII (GIST)
= Skandinavisch-deutsche adjuvante Imatinib-Studie
EORTC 62024
= Europäische adjuvante Imatinib-Studie
Studienergebnisse werden oft als Abstract
oder Poster auf Krebskongressen (ASCO,
ASCO-GI, ESMO, DGHO etc.) präsentiert und / oder in wichtigen Fachzeitschriften veröffentlicht. Die Bezeichnungen lauten dann z.B. wie folgt:
Titel:
“Indication and results of surgery
following imatinib treatment of locally advanced or metastatic GI
stromal tumors (GIST)”
Sub-category: Gastrointestinal Stromal
www.fda.gov
Food and Drug Administration (FDA)
Europa: EMEA
www.emea.europa.eu
European Medicines Agency (EMEA)
Deutschland: BfArM
www.bfarm.de
Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM)
Für die Schweiz: www.swissmedic.ch
Für Österreich: www.ages.at
Meeting: 2006 ASCO Annual Meeting
Abstract No: 9500
Citation: Journal of Clinical Oncology,
2006 ASCO Annual Meeting Proceedings
Part I. Vol 24, No. 18S ( June 20 Supplement), 2006: 9500
Author(s): P. Hohenberger, C. Langer, S.
Pistorius, I. Iesalnieks, E. Wardelmann, P.
Reichardt, Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Onkologie (cao-V)
www.lh-gist.org oder
www.gastrointestinale-stromatumoren.com
www.gistsupport.org
www.liferaftgroup.org
www.asco.org
www.esmo.org
www.annonc.oxfordjournals.org
9.4. Mögliche Nutzen einer
Teilnahme
nIhre persönliche Gesundheitssituation
D. Suche nach Studien und
Studienergebnissen
Klinische Studien in deutscher
Sprache:
Fragen Sie Ihren GIST-Experten oder
„Das Lebenshaus e.V.“
Unter www.lh-gist.org,
www.gastrointestinale-stromatumoren.com
oder im Lebenshaus-Infobrief INFORM
Tumors
Category: Sarcoma
Studienergebnisse
(abstracts, posters, articles):
Klinische Studien in englischer
Sprache:
www.clinicaltrials.gov
www.cancer.gov/clinicaltrials
www.eortc.be/protoc/listsites.asp
www.gistsupport.org
www.liferaftgroup.org
www.clinicalstudies.info.nih.gov
www.controlled-trials.com
www.centerwatch.com
www.cancerhelp.org.uk/trials/trials
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wird von führenden GIST-Medizinern
(GIST-erfahrenen Zentren) unterstützt.
nSie übernehmen eine aktive Rolle bzgl.
Ihrer Erkrankung.
nSie könnten einer der ersten Patienten
sein, die von einer neuen Therapie profitieren.
nSie werden sehr eng überwacht und untersucht.
nSie leisten einen wertvollen Beitrag für
die Krebs- / GIST-Forschung.
9.5. Mögliche Risiken einer
Teilnahme
nMit der neuen Substanz könnten bisher
unbekannte Nebenwirkungen oder Risiken auftreten.
nErgebnisse und Nebenwirkungen
könnten schlechter sein als bei bisher
etablierten Therapien.
nDie klinische Studie könnte etlichen
Patienten helfen – Ihnen jedoch nicht.
In diesem Falle sollten Sie vorher klären, welche Optionen Sie nach dem
Scheitern der Studie haben. Können Sie
durch Einschluss in diese Studie (nach
einem möglichen Scheitern) an einer
anderen Studie teilnehmen?
nGrundsätzlich werden die Studien- /
Forschungskosten von dem Unternehmen getragen, das die Studie in Auftrag
gibt. Evtl. zusätzlich anfallende Kosten
der Studie könnten von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Kosten für Studien im Ausland z.B. werden
von den meisten deutschen Krankenkassen nicht übernommen.
9.6. Möglicher Ausschluss
einer Teilnahme
nDie in der Studie vorgesehene Patien-
tenzahl ist erreicht – die Studie ist bereits oder wird geschlossen.
nIhr allgemeiner Gesundheitszustand
lässt eine Teilnahme nicht zu. Dies
kann beispielsweise auch bei einer eingeschränkten Leber- oder Nierenfunktion der Fall sein.
nDas Protokoll – also die Studienkriterien – lassen eine Teilnahme nicht zu.
Beispiel: Vorbehandlung mit anderen
Substanzen oder Vorbehandlung mit
einem anderen Dosierschema.
nIhr Gesundheitszustand (u.U. auch Tumorwachstum) verschlechtert sich während der Studie so extrem, dass ein Abbruch notwendig ist.
nDas Risiko, dass sich Ihr Gesundheitszustand (u.U. auch Tumorwachstum) in
einer Placebo-Studie (kein Wirkstoff )
extrem verschlechtern würde, lässt eine
Teilnahme nicht zu.
nAndere Erkrankungen schließen u.U.
eine Teilnahme an der Studie aus.
INFO
Fachausdrücke in klinischen Studien:
Kontrollgruppe:
Die Gruppe der Patienten, welche die
etablierte oder Standard-Therapie
erhält.
Doppelblinde Studie:
Weder Prüfarzt noch Patient wissen,
ob der an der Studie teilnehmende
Patient die zu testende Substanz oder
die Standard-Therapie oder ein Placebo erhält.
Einfachblinde Studie:
Der Prüfarzt weiß es…
Offene Studie:
Beide wissen es…
Studienprotokoll:
Strikte wissenschaftliche Richtlinien
für die Studie. Sie wurden vom Unternehmen und den Prüfärzten (u.U.
unter Mitwirkung der Patientenorganisation) entwickelt und von den
jeweiligen Ethikkommissionen und Behörden genehmigt. Diese Richtlinien
beinhalten u.a.:
•Was genau ist das Ziel der Studie?
•Wie viele Patienten können an der
Studie teilnehmen?
•Was sind Einschluss- und Ausschlusskriterien?
•Welche Substanzen werden wie bzw.
im Vergleich zu was getestet?
•Welche Untersuchungen werden
wann und wie durchgeführt?
•Welche Informationen werden gesammelt?
•Was passiert nach Abschluss der
Studie? Kann das Medikament wann,
wie, wo weiter genommen werden?
•u.v.m.
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Randomisierung:
Zufallsverfahren. Zufällige Auswahl,
welcher Patient die neue Substanz /
Therapie und welcher die StandardTherapie oder sogar Placebo erhält.
Therapie- / Behandlungsgruppe:
Die Gruppe, welche die neue Substanz
innerhalb der Studie erhält.
BSC = Best Supportive Care:
Eng.: beste unterstützende
Betreuung / Behandlung. Bedeutet
meistens, dass der Studienteilnehmer
zunächst – innerhalb der Studie – mit
der für ihn am besten geeigneten Therapiestrategie weiterbehandelt wird.
Kommt es zu einem Fortschreiten der
Erkrankung, kann der Patient durch
ein so genanntes „cross over“ in den
Studienarm mit dem Testmedikament
wechseln.
9. Klinische Studien – neue Substanzen
INFO
Fachausdrücke in Abgrenzung zu klinischen Studien:
Off-Label-Use:
eng.: Nutzung ohne Kennzeichnung.
Darunter versteht man die Verschreibung eines zugelassenen Medikamentes außerhalb des in der Zulassung
genehmigten Gebrauchs, beispielsweise hinsichtlich der Erkrankung, der
Dosierung oder der Behandlungsdauer.
Auf Deutsch würde man sagen: Zulassungsüberschreitender Einsatz oder
zulassungsüberschreitende Anwendung eines Arzneimittels.
Orphan drug:
eng.: Waise, wurde 1983 erstmals für
Arzneimittel verwendet, die für die
Behandlung seltener Krankheiten eingesetzt werden – „Arzneimittel für seltene Leiden“. Wird einem Pharmahersteller der Orphan-Drug-Status für ein
Präparat erteilt, bedeutet dies für das
Unternehmen zehnjährige Exklusivrechte ab Marktzulassung des neuen
Medikaments sowie die Befreiung von
Gebühren und eine beschleunigte Bearbeitung des Zulassungsantrages.
9.7. Studien unter Einsatz von
Placebos
Ein Placebo (lat.; ich werde gefallen) im
engeren Sinne ist eine Tablette, welche
keinen pharmazeutischen Wirkstoff enthält und somit per Definition auch nicht
durch einen solchen Stoff eine pharmazeutische Wirkung verursachen kann. So ist
die Wirkung eines solchen „Scheinmedikaments“ auch keine pharmakodynamische, sondern – wenn überhaupt – eine
rein psychische.
INFO
Compassionate Use Program:
eng.: Anwendung aus Mitgefühl
Eine Art „Notprogramm“ / Einsatz
eines
• (noch) nicht zugelassenen,
• möglicherweise wirksamen,
• dringend benötigten Arzneimittels
an einzelnen Patienten.
Es handelt sich um eine vorzeitig geduldete Anwendung im Rahmen eines
Sonderprogramms aus humanitären
Erwägungen.
Medizinrechtlich: Unter Compassionate Use wird die Anwendung eines
möglicherweise wirksamen, jedoch
noch nicht zugelassenen Arzneimittels
im Einzelfall bei Patienten in lebensbedrohlichen Situationen oder mit
schwerwiegenden, nicht oder nicht
mehr anderweitig therapierbaren Erkrankungen im Rahmen der ärztlichen
Behandlungspflicht und Therapiefreiheit verstanden.
Durch placebokontrollierte, doppelblinde,
randomisierte Studien wird die pharmazeutische Wirksamkeit von Medikamenten genau untersucht. Ein Teil der Patienten erhält das zu testende Medikament,
während die Kontrollgruppe ein optisch
identisches Placebo erhält. Bei GIST-Studien untersucht man somit nicht die
Wirksamkeit des Medikamentes gegenüber der etablierten Therapie, sondern im
Vergleich zu der Situation, in welcher der
Patient kein Medikament erhalten würde.
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Placebos werden nicht in Phase-I- oder
-II-Studien eingesetzt und relativ selten
bei Krebs in Phase-III-Studien. Das wichtigste bei placebokontrollierten Studien
für GIST-Patienten ist es, herauszufinden
ob ein Wechsel („cross over“) vom Placebo-Arm der Studie hin zum WirkstoffArm möglich ist, sobald die Erkrankung
fortschreitet.
Der Einsatz von Placebo in klinischen
Krebsstudien generell ist umstritten,
ethisch fragwürdig und kann unter Umständen den Erfolg einer Studie, genügend
teilnehmende Patienten zu finden, negativ
beeinf lussen. Erfahrene GIST-Experten
raten allerdings nicht grundsätzlich von
GIST-Studien mit Placebo ab, sondern informieren Patienten gründlich über alles
Notwendige und erörtern das Für und
Wider für die potenziellen Teilnehmer.
9.8. Sollten Sie an einer Studie teilnehmen, ist wichtig zu wissen
Laut der ICH-GCP Richtlinien, (International Conference of Harmonization –
Good Clinical Practice), ein ethischer und
wissenschaftlicher Qualitätsstandard für
das Design und die Durchführung von
klinischen Studien, ist
neine genaue Auf klärung über Risiken
und Nutzen der Studienteilnahme ein
Muss sowie
nIhre Unterschrift auf einer Einverständniserklärung erforderlich sowie
nes Ihr Recht, jederzeit ohne Nennung
von Gründen aus der Studie ausscheiden zu dürfen.
Einverständniserklärung
Der Patient muss ein schriftliches Dokument erhalten, welches alle möglichen Nebenwirkungen, die Risiken, Hinweise in
Bezug auf die Zeit im Krankenhaus, die
Untersuchungen u.v.m. – sowie den erwarteten Nutzen enthält. Patient und Studienarzt müssen dieses Dokument – vor
Einschluss in die Studie – unterzeichnen.
Explizit enthalten sein muss u. a. auch:
•Teilnahme des Patienten ist freiwillig
•Nichtteilnahme sowie späterer Austritt
hat keine negativen Auswirkungen auf
die weitere Behandlung
•Diskretion und Datenschutz werden
garantiert
Zusätzliche Einwilligungen werden für
die Tumor- oder Blutproben eingeholt.
Vom Test zur Arznei
Jahrelang prüfen Forscher neue
Wirk­stoffe im Labor und am Menschen
Forschungslabors /
Tierversuche
Auf der Suche nach einem neuen
Wirkstoff werden im Labor tausende
Substanzen hergestellt.
Am Versuchstier wird die am
meisten versprechende Substanz u.a
auf Nebenwirkungen getestet.
Studien am Menschen
(Phase I)
Der Wirkstoff wird an gesunden,
freiwilligen Probanden eingesetzt
(Ausnahme Krebsmedikamente).
WICHTIG
Führende GIST-Experten und etliche
GIST-Patientenorganisationen weltweit fordern schon länger von den
Pharmaunternehmen, den Zulassungsbehörden und den Ethik-Kommissionen: „Gestalten Sie Studieninformationen und Einwilligungserklärungen
so verständlich und kompakt, dass
Patienten sie in angemessener Zeit
lesen und vor allem verstehen können.“ Nicht selten werden bei solchen
Studien Informationen an Betroffene
verteilt, die 20 Seiten Text, bestehend
aus „Juristen- und Mediziner-Sprache“
beinhalten.
Studien am Menschen
(Phase II)
Die Wirksamkeit und die optimale
Dosierung der Arznei werden an
Patienten ermittelt.
Studien am Menschen
(Phase III)
Nebenwirkungen und
Wirksamkeit werden an vielen
Patienten dokumentiert.
Zulassung
Die Testphasen dauern mehrere Jahre.
Allein die Zulassungsprozedur dauert
u.U. über ein Jahr.
Anwendung bei Kindern
Von der Arznei profitieren Kinder
meist erst, wenn Erwachsene damit
einige Jahre behandelt wurden.
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