1. Einleitung Bereits vor über einem Jahrhundert wurde die Facettengelenksarthropathie erstmals als eine mögliche Ursache spezifischer Kreuzschmerzen diskutiert (Goldthwait, 1911). Die nervale Versorgung der lumbalen Facettengelenke erfolgt durch Äste der Rami dorsales der Spinalnerven, wobei jedes Facettengelenk durch afferente Nervenfasern mindestens zweier Spinalnerven versorgt wird, und zwar durch den Spinalnerv des gleichen und des unmittelbar darüber liegenden Segmentes. Histologisch wurde eine Innervation der Gelenkkapsel durch unmyelinisierte und dünn-myelinisierte afferente Nervenfasern beschrieben, ähnlich wie bei anderen echten Gelenken im menschlichen Körper (Manchikanti and Singh, 2002; Manchikanti et al., 2001). Dies ermöglicht die Wahrnehmung nozizeptiver Reize aus den Facettengelenken und macht diese somit zu potentiell schmerzgenerierenden Strukturen. Bis heute sind die lumbalen Facettengelenke Gegenstand intensiver Forschung. In jüngster Vergangenheit wurden sogar neue Tiermodelle zur Facettengelenksarthropathie entwickelt. Dies unterstreicht die auch gegenwärtig große Relevanz dieser Krankheitsätiologie (Henry et al., 2012; Kim et al., 2011). Eine Facettengelenksarthropathie kann mittels kontrollierter Blockaden der gelenkversorgenden Nerven diagnostiziert werden. So wurde in Patienten mit Kreuzschmerzen eine altersabhängige Prävalenz der Facettengelenksarthropathie zwischen 18% und 44% festgestellt (Manchikanti et al., 2008). Allerdings liegt auch bei technisch korrekt durchgeführten Facettengelenksblockaden eine hohe Rate falsch-positiver Ergebnisse vor, die je nach Studie mit 27% bis 58% beziffert wird (Manchikanti et al., 2004; Manchikanti et al., 2008; Schwarzer et al., 1994). Die insgesamt schlechte Quote schmerzlindernder Blockaden lässt zum einen vermuten, dass die Beteiligung der Facettengelenke in der Entstehung von Kreuzschmerzen tatsächlich nur gering ist, zum anderen könnten die Blockaden nicht sensitiv genug sein, um durch eine Facettengelenksarthropathie hervorgerufene Kreuzschmerzen zu erkennen. Andererseits sind Facettengelenksblockaden spezifisch, da keine Ausbreitung des injizierten Lokalanästhetikums zu anderen relevanten schmerzgenerierenden Strukturen erfolgt (Dreyfuss et al., 1997). Die Blockade von Facettengelenken ist ein invasives Verfahren. Daher erscheint es wünschenswert, Patienten mit einer möglichen Facettengelenksarthropathie zunächst 3 durch nicht-invasive Screeningverfahren zu identifizieren. In der Vergangenheit wurde dieser Ansatz bereits von mehreren Forschern verfolgt (Fairbank et al., 1981; Helbig and Lee, 1988; Revel et al., 1998). Diese schlugen verschiedene klinische Merkmale vor, die auf eine Facettengelenksarthropathie hinweisen sollten, z.B. akuter Schmerz bei der Vorwärtsbeugung oder bei Rotationsbewegungen, Schmerzverstärkung im Sitzen, Schmerzlinderung beim Gehen, ausstrahlende Schmerzen in die Leiste oder den Oberschenkel, gut lokalisierbare paraspinale Druckdolenz etc. Allerdings konnte in nachfolgenden Studien keine höhere Quote schmerzlindernder Blockaden bei Patienten, welche diese Kriterien erfüllten, nachgewiesen werden (Bogduk, 2008; Hancock et al., 2007; Schwarzer et al., 1995). Somit bleibt die Identifikation von Patienten mit klinisch relevanter Facettengelenksarthropathie weiterhin eine diagnostische Herausforderung. Die detaillierte manuelle segmentale Untersuchung ist ein weiterer diagnostischer Ansatz, um Patienten mit einer Facettengelenksarthropathie zu identifizieren. Diese Untersuchungsmethode wird in den gängigen Lehrbüchern beschrieben und regelhaft in der klinischen Diagnostik angewendet (Frisch, 2001). Sie umfasst die Durchführung manueller segmentaler Facettengelenksprovokationstests, bei denen die Facettengelenke durch Druckapplikation komprimiert werden. Dadurch soll in pathologisch veränderten Facettengelenken Schmerz ausgelöst werden. Zu den Facettengelenksprovokationstests zählen der Klopftest, der Springing-Test und der segmentale Rotationstest. Beim Klopftest klopft der Untersucher mit den Fingern auf einen Processus spinosus. Hierdurch werden die unterhalb dieses Processus spinosus liegenden Facettengelenke provoziert (s. Publikation, Abb. 1). Beim Springing-Test wird Druck auf die Processus transversi appliziert. Dadurch werden ebenfalls die darunter angrenzenden Facettengelenke komprimiert (s. Publikation, Abb. 2). Beim segmentalen Rotationstest werden zwei benachbarte Wirbelkörper gegeneinander verschoben, indem der obere Processus spinosus des untersuchten Segments von der einen Seite fixiert und am unteren Processus spinosus von der anderen Seite Druck appliziert wird. Hierbei erfolgt bei Applikation des Drucks von links eine Kompression des rechten Facettengelenks des untersuchten Segments und umgekehrt (s. Publikation, Abb. 3). Bisher wurden Facettengelenksprovokationstests und ihre diagnostische Aussagekraft noch nicht in prospektiven kontrollierten Studien untersucht. Jedoch existieren Hinweise in älteren Publikationen, welche die 4 Wichtigkeit und Präzision der detaillierten manuellen segmentalen Untersuchung zur Detektion einer Facettengelenksarthropathie betonen: So unterzogen sich in einer Fallserie 20 Patienten mit chronischen Nackenschmerzen fluoroskopisch kontrollierten Facettenblockaden um schmerzhafte zervikale Facettengelenke zu diagnostizieren. Die Patienten wurden ebenfalls von einem Manualtherapeuten in Unkenntnis des Ergebnisses der Facettengelenksblockaden untersucht. Der Manualtherapeut identifizierte Facettengelenksarthropathie, als sowohl auch die alle Patienten Patienten ohne mit einer Facettengelenksarthropathie und konnte zudem auch das symptomatische Segment korrekt zuordnen (Jull et al., 1988). Ähnliche Studien zur Genauigkeit manueller Untersuchungstechniken in der lumbalen Wirbelsäule existieren jedoch bisher nicht. Nichtsdestotrotz betonen auch ausgewiesene Experten die Wichtigkeit einer manuellen segmentalen Untersuchung zur Diagnostik einer lumbalen Facettengelenksarthropathie (Hestbaek et al., 2009). Ein weiterer Ansatz zur Patientenselektion ist die Identifikation bildmorphologischer Veränderungen der Facettengelenke. Zwar wurde in der Vergangenheit zunächst kein Zusammenhang zwischen sichtbaren Facettengelenke und dem Resultat arthritischen Veränderungen der von Facettengelenksblockaden entdeckt (Hechelhammer et al., 2007; Stojanovic et al., 2010), allerdings scheint die vermehrte Tracer-Aufnahme der Facettengelenke in einer Knochenszintigraphie ein vielversprechender Prädiktor für eine Facettengelenksarthropathie zu sein. Dieser Befund stellt einen Indikator für eine inflammatorische Reaktion des Gelenks dar. Facettengelenksblockaden bei Patienten, welche solche szintigraphischen Veränderungen aufwiesen, führten zu einer signifikant höheren Zahl an Respondern und einer besseren Schmerzreduktion als in der Kontrollgruppe (Pneumaticos et al., 2006). Eine inflammatorische Reaktion des Gelenks kann jedoch auch mittels Magnetresonanztomographie (MRT) dargestellt werden, welche im Vergleich zur Knochenszintigraphie keine Strahlenbelastung aufweist. Mit diesem Verfahren darstellbare Auffälligkeiten sind beispielsweise die Facettengelenkshypertrophie, sowie der Facettengelenkserguss oder das Facettengelenksödem, welche sich durch ihre hohe Signalintensität in T2-gewichteten Sequenzen auszeichnen (Cousins and Haughton, 2009). In der Literatur wurde die Interrater- und Intrarater-Reliabilität bei der Beurteilung einer Facettengelenksarthropathie in der MRT als gut beschrieben, 5 nichtsdestotrotz wurden Veränderungen der Facettengelenke in der MRT im Hinblick auf ihre Rolle bei der Entstehung von Kreuzschmerzen noch nicht ausreichend untersucht (Carrino et al., 2009). Im Rahmen eines degenerativen Prozesses auftretende Knochenmarksödeme können einen schmerzhaften Befund darstellen, wie schon für andere Gelenke im menschlichen Körper berichtet wurde (Huang et al., 2003; Hunter et al., 2011; Meizer et al., 2005). Kürzlich wurde auch erstmals postuliert, dass Ödeme der Facettengelenke Kreuzschmerzen auslösen können (Friedrich et al., 2007). Der Zusammenhang zwischen in der MRT sichtbaren Auffälligkeiten und histopathologischen Veränderungen der Facettengelenke wurde in Patienten mit Morbus Bechterew untersucht. Die Arbeitsgruppe zeigte, dass inflammatorischödematöse Veränderungen von nur geringem Ausmaß nicht mittels MRT detektiert werden können, dennoch besteht eine klare Korrelation zwischen dem histologisch und radiologisch nachgewiesenen Ödem (Appel et al., 2006). Wie das Facettengelenksödem wurde auch der Facettengelenkserguss bisher noch nicht prospektiv untersucht. Es gibt Hinweise, dass Gelenkergüsse Schmerzen verursachen können. Beispielsweise wurde für das Knie bereits gezeigt, dass ein Erguss signifikant häufiger in Patienten mit Knieschmerzen im Vergleich zu Patienten ohne Knieschmerzen auftritt (Hunter et al., 2011). Allerdings wurde bisher noch keine Assoziation zwischen lumbalen Facettengelenksergüssen und Schmerz bestätigt. Aus mehreren retrospektiven Studien geht lediglich hervor, dass der Facettengelenkserguss in der Lendenwirbelsäule wohl ein Zeichen lumbaler Segmentinstabilität darstellt (Chaput et al., 2007; Cho et al., 2009; Lattig et al., 2012). Die Facettengelenkshypertrophie wurde in der Vergangenheit schon häufiger mittels Computertomographie (CT) evaluiert (Carrera et al., 1980; Weishaupt et al., 1998). Diese Untersuchungsmethode kann knöcherne Strukturen präziser darstellen als die MRT. Nichtsdestotrotz besteht eine ausreichende Korrelation zwischen beiden Verfahren in der Beurteilung der lumbalen Wirbelsäule (Weishaupt et al., 1999). Auch hinsichtlich der Facettengelenkshypertrophie fehlen kontrollierte Studien, welche eine Assoziation zwischen bildmorphologischen Auffälligkeiten und durch eine Facettengelenksarthropathie hervorgerufene Kreuzschmerzen herstellen könnten. 6