Neue Landwirtschaft Heft 10/2001 (S.76-77)

Werbung
NL Recht
Wenn Geister
geweckt werden
Zur Bewältigung nicht erkannter Liquidationen
Die Probleme um jene „Geister“-LPG, die längst totgeglaubt,
nach zehn Jahren als LPG in Liquidation auferstehen, müssen jetzt
vernünftig gelöst werden. Besonders dann, wenn seit Jahren
erfolgreich gewirtschaftet wird, kann in der Regel niemand ein
Interesse daran haben, Betriebe zu zerschlagen, Vermögen zu
entwerten und Arbeitsplätze zu gefährden.
Darauf aber liefe es hinaus, wenn in den Fällen nicht erkannter
Liquidationen aus unwirksamen Umwandlungen keine sinnvollen
Lösungen gefunden würden, die alle berechtigten Interessen
berücksichtigen.
NL-Redakteur KLAUS BÖHME ist dieser Frage nachgegangen.
U
nter den LPG-Liquidationen sollen hier nicht die selbst beschlossenen Auflösungen oder die Liquidationen kraft Gesetzes für jene,
die bis 31. 12. 1991 die Umwandlung nicht
geschafft hatten, zur Diskussion stehen.
Auch wenn es dort, siehe das Beispiel auf
Seite 10 in diesem Heft, reichlich Probleme
gibt. Im Folgenden geht es um jene Fälle,
in denen sich eine Umwandlung zu einem
späteren Zeitpunkt als unwirksam herausstellt.
Von einer als gelungen betrachteten Umwandlung ausgehend, wurde in diesen
Fällen in vermeintlichen Nachfolgeunternehmen weiterproduziert – oft sehr erfolgreich – und diese Unternehmen traten auch
für die Verpflichtungen aus der Vermögensauseinandersetzung ein.
Gründe fehlgeschlagener
Umwandlungen
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens
an der Universität Jena wurde bei einer
Überprüfung der Registereintragungen in
Thüringen festgestellt, dass 8,1 % aller eingetragenen Umwandlungen als gescheitert
anzusehen sind. 29 LPG befinden sich nach
den Forschungsergebnissen in diesem Land
derzeit in Liquidation, davon der größte
Teil noch unerkannt. In den anderen Ländern wird mit ähnlichen Raten des Scheiterns von Umwandlungen gerechnet.
Die Ursachen fehlgeschlagener Umwandlungen sind sicher vor allem in Unzulänglichkeiten des Gesetzes, hohem zeitlichen
76
Neue Landwirtschaft 10 · 2001
Druck, fehlenden Erfahrungen, Schwierigkeiten einer Umbruchzeit und großen
wirtschaftlichen Problemen zu sehen. Sie
liegen dabei gleichermaßen in den Unternehmen, bei Beratern, den Registergerichten und staatlichen Stellen und sollen hier
nicht näher diskutiert werden.
Eine rechtzeitiger Anmeldung zum Register bis zum 31. 12. 1991 und das Vorliegen
eines Umwandlungsbeschlusses vorausgesetzt, liegen die Gründe für den Fehlschlag einer Umwandlung vor allem in
● Umwandlungen in Rechtsformen, die
das Gesetz zum Zeitpunkt der Eintragung in das Register nicht oder noch
nicht vorsah (nach diesem Gesichtspunkt sind alle frühen Umwandlungen
in GmbH, AG und GmbH & Co. KG
„verdächtig“) sowie in
● Umwandlungen, bei denen die Identität von LPG und neuem Unternehmen
nicht gewahrt wurde, insbesondere
LPG-Mitglieder rechtswidrig im Umwandlungsprozess „verdrängt“ wurden.
In diesen beiden Fällen kann auch die
starke Heilungswirkung der Registereintragung für Umwandlungsmängel nicht
mehr wirksam werden. Sind diese Mängel
von einem Gericht festgestellt worden,
dann steht mit allen damit verbundenen
Konsequenzen fest,
● dass das neue Unternehmen nicht aus
einer Umwandlung hervorgegangen
ist, also die Rechtsnachfolge nie angetreten hat,
● und damit die alte LPG fortbesteht,
allerdings seit dem 01. 01. 1992 kraft
Gesetzes in Liquidation.
Die Tatsache, dass Wissenschaftler diese
Feststellung im Fall einer konkreten LPG
treffen, führt noch nicht zu praktischen
Schema zur Prüfung, ob eine unheilbar fehlgeschlagene Umwandlung
vorliegen könnte
Liegt ein Umwandlungsbeschluss vor,
der besagt, dass die LPG nach dem
LwAnpG umgewandelt wurde?
nein
!
nein oder unklar
!
ja
Hat allen Mitgliedern freigestanden,
Gesellschafter/Mitglied im neuen
Unternehmen zu werden?
ja
Wann ist die Eintragung beim Registergericht erfolgt?
nach dem 07. 07. 1991, aber ordnungsgemäße Anmeldung bis zum 31. 12. 1991
vor dem 07. 07. 1991
Umwandlung in
eine e.G.
✔
✔
✔
wirksame Umwandlung
!
Umwandlung in
AG, GmbH,
GmbH & Co.KG
!
Rechtsrat einholen!
Das Schema kann bei der komplizierten Materie nur eine grobe Orientierung geben. Nicht berücksichtigt
sind spezielle Fragen, die sich aus der Teilung ergeben.
NL-Grafik
So sah unser Karrikaturist im 1998er Februarheft
der Neuen Landwirtschaft den ersten aufsehenerregenden Fall einer bekanntgewordenen „nicht
erkannten Liquidation“. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall betraf das Unternehmen
des Thüringer Bauernverbandspräsidenten.
Karrikatur: Harri Parschau
Konsequenzen. Die Auswertung der Untersuchung von Registerunterlagen kann uns
bestenfalls zeigen, mit welcher Dimension
wir eventuell zu rechnen haben und welche Gründe eine Rolle spielen. Praktisch
relevant wird das Problem erst, wenn die
Tatsache der Fortexistenz der totgeglaubten LPG bzw. die unheilbare Fehlerhaftigkeit der Umwandlung rechtlich verbindlich
festgestellt sind. Für die aus Umwandlungen hervorgegangenen Unternehmen gibt
es folgenden Handlungsbedarf:
1. Bei festgestellten Fällen fehlgeschlagener Umwandlungen ist sofort und
wirksam zu handeln.
2. Jedes aus einer Umwandlung von LPG
hervorgegange Unternehmen sollte für
sich selbst nach dem nebenstehenden
Schema die Umwandlung überprüfen
und ggf. Rechtsrat einholen. Für die
Mehrzahl kann die Beantwortung der
Fragen allerdings auch eine Entwarnung bringen.
3. Wird mit Unterstützung sachkundigen
Rechtsrates festgestellt, dass eine bisher nicht erkannte, fehlgeschlagene
Umwandlung vorliegt, dann muss man
sich der bestehenden latenten Gefahr
bewusst sein. Sie besteht darin, dass
bei verschiedenen Gelegenheiten die
Ungültigkeit der Umwandlung
gerichtlich festgestellt und damit die
LPG i.L. wiederbelebt werden könnte.
Eine Verjährung oder Heilung tritt nie
ein! Als Minimalreaktion sollte das
Management des neuen Unternehmens
die Auswirkungen analysieren und
Szenarien für den „Ernstfall“ erarbeiten. „Sicherungsmaßnahmen“ für das
Unternehmen müssen aber sofort ergriffen werden.
Festgestellte fehlgeschlagene
Umwandlung
Wenn eine fehlgeschlagene Umwandlung
festgestellt wird, muss gehandelt werden!
Die Kompliziertheit der zu regelnden rechtlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen legt in jedem Falle eine
kooperative, interessenausgleichende Problemlösung nahe. Akteure sind dabei
● der/die Liquidator/en,
● die Mitglieder der LPG (die sich in bisher unerkannter Liquidation befindet)
und
● die Gesellschafter der/des neuen
Unternehmen/s (vermeintlicher Rechtsnachfolger).
Bewährt und in der Literatur empfohlen
ist die sogenannte „Nachzeichnungslösung“. Bei ihr wird eine notariell zu beurkundende Übertragungsvereinbarung
zwischen LPG i.L. und „Nachfolgeunternehmen“ abgeschlossen. Mit dieser nicht
einfach zu erarbeitenden Vereinbarung
wird durch Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages das ursprünglich beabsichtigte wirtschaftliche Ergebnis der
inzwischen rechtsunwirksamen Umwandlung nachträglich herbeigeführt. Wenn das
„Nachfolgeunternehmen“ auch alle Verpflichtungen der LPG i.L. übernimmt hat
auch der Bundesgerichtshof gegen eine
solche Lösung offensichtlich nichts einzuwenden.
Die „Nachzeichnungslösung“ ist durchsetzbar, weil sie eine bestmögliche Verwertung in der Liquidation, wie sie für den
Liquidator vorgeschrieben ist, ermöglicht.
Sie dürfte in aller Regel, besonders bei florierenden „Nachfolgeunternehmen“, deut-
lich bessere Ergebnisse bringen als eine
Zerschlagung mit Veräußerung einzelner
Vermögenswerte. Damit entspricht diese
Lösung auch am besten den Interessen
sowohl der Mitglieder der LPG i.L. – an
denen sich der Liquidator zu orientieren
hat – wie auch denen der Gesellschafter
des „Nachfolgeunternehmens“.
Wesentlich erschwert werden kann eine
Lösung, wenn von der LPG i.L. bei der
unbedingt erforderlichen Überprüfung
festgestellt wird, dass die Vermögensauseinandersetzung nicht ordnungsgemäß
durchgeführt wurde. Auch hier sind aber
nachträgliche Lösungen möglich. Sollten
sich LPG i.L. und „Nachfolgeunternehmen“ nicht einigen, kann es auch bei den
Pachtverträgen zu komplizierten Konstellationen kommen.
Drohende Feststellung einer
fehlgeschlagenen Umwandlung
Ist die Feststellung noch nicht erfolgt, dann
sind verschiedene Gelegenheiten zu berücksichtigen, aus denen heraus eine fehlgeschlagene Umwandlung jederzeit festgestellt werden kann. In der Regel dürfte
das Feststellungsinteresse eines tatsächlich
oder vermeintlich Benachteiligten aus der
Vermögensauseinandersetzung der Auslöser sein. Aber auch alle anderen Vorgänge,
bei denen es auf die Rechtsnachfolge der
LPG ankommt (Gebäudeeigentum, Steuerprüfung, EALG-Bodenkauf etc.) können
ein berechtigtes Feststellungsinteresse auslösen und zur gerichtlichen Nachprüfung
führen.
Wenn dieser Fall droht ist es höchste Zeit,
sich an einen für solche Fragen qualifizierten rechtlichen Berater zu wenden und die
Verbindung zu den Mitgliedern der eventuell als Liquidationsbetrieb „auferstehenden“ LPG sowie zu den Verpächtern zu
festigen. (bö)
NL
Wer sich näher mit den rechtlichen
Fragen fehlgeschlagener Umwandlungen beschäftigen möchte,
dem seien die Briefe zum Agrarrecht
empfohlen:
1/1998, S. 16 ff., 7/2000, S. 265 ff.,
8/2000, S. 304 f, 9/200, S. 352, ff.
Neue Landwirtschaft 10 · 2001
77
Herunterladen