Prof. Dr. Moritz Kaßmann Fakultät für Mathematik Sommersemester 2015 Universität Bielefeld Übungsaufgaben zu Analysis 2 Lösungen von Blatt VIII vom 28.05.15 Aufgabe VIII.1 (2+2+2+1 Punkte) Beweisen Sie Satz III.35 aus der Vorlesung: Satz: Seien Ω ⊂ Rd offen und konvex. Sei f ∈ C 1 (Ω). Dann gilt: (i) f ist konvex genau dann, wenn für alle x, h mit x ∈ Ω und x + h ∈ Ω gilt: f (x + h) ≥ f (x) + (∇f (x), h) . (ii) f ist strikt konvex genau dann, wenn für alle x, h 6= 0 mit x ∈ Ω und x + h ∈ Ω gilt: f (x + h) > f (x) + (∇f (x), h) . (iii) Im Fall f ∈ C 2 (Ω) gilt: f ist konvex genau dann, wenn D2 f ≥ 0 auf Ω gilt. (iv) Im Fall f ∈ C 2 (Ω) gilt: f ist strikt konvex, wenn D2 f > 0 auf Ω gilt. Beachten Sie, dass jeweils eine Richtung von (i) und (ii) in den Präsenzaufgaben bereits behandelt wird. Diese Lösungen können Sie übernehmen. Aufgabe VIII.2 (1+2+3 Punkte) Der Satz von der Umkehrfunktion (Satz III.38 der Vorlesung) lautet: Satz: Seien Ω ⊂ Rd offen, f ∈ C 1 (Ω, Rd ) und x0 ∈ Ω. Die durch Df (x0 ) gegebene lineare Abbildung sei invertierbar. Dann gibt es eine offene Umgebung U ⊂ Ω von x0 und eine offene Umgebung V ⊂ Rd von f (x0 ) der Gestalt, dass f |U : U → V bijektiv ist. Für die Umkehrfunktion f −1 : V → U gilt Df −1 (f (x0 )) = (Df (x0 ))−1 In der Vorlesung haben wir diesen Satz unter drei zusätzlichen Annahmen bewiesen: (i) f (x0 ) = 0, (ii) x0 = 0 und (iii) Df (x0 ) = Id. Beweisen Sie, dass sich der allgemeine Fall auf diesen Spezialfall zurückführen lässt. Aufgabe VIII.3 (4 Punkte) a) Es sei eine Funktion x 7→ y(x) durch x2 − xy + 2y 2 + x − y − 1 = 0 gegeben. Berechnen Sie die Ableitungen 3 2 dy d2 y , dx dx2 2 und d3 y dx3 im Punkt (x, y) = (0, 1). b) Sei f : R → R, f (x, y, z) = x + 2xz + z + 2yz − 1. Die Menge {(x, y, z) ∈ R3 |z ≥ 0, f (x, y, z) = 0} beschreibt eine Fläche und eine Funktion (x, y) 7→ z(x, y). Berechnen Sie ∂z ∂x für x = y = 1. Aufgabe VIII.4 (3 Punkte) Zwei Radfahrer A und B befinden sich (ruhend) 350 Meter von einander entfernt und zwar in Ost-West Richtung. A beginnt, mit konstanter Geschwindigkeit von 5m/sec nach Norden zu radeln. Sieben Minuten später beginnt B, mit konstanter Geschwindigeit von 3m/sec nach Süden zu radeln. Berechnen Sie die Geschwindigkeit, mit der sich der Abstand zwischen A und B verändert a) ... genau 25 Minuten nach dem Start von A. b) ... in dem Zeitpunkt, zu dem die Fahrradfahrer 15 km voneinander entfernt sind. Erreichbare Punktzahl: 20 Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 2 Hinweis: Eine Anwendung des Satzes über implizite Funktionen erleichtert die Bearbeitung der Aufgabe. Lösungsvorschläge Aufgabe VIII.1 (i) Wir zeigen zunächst die Hinrichtung1 . Seien f ∈ C 1 (Ω) konvex, t ∈ (0, 1) und x, x + h ∈ Ω. Dann gilt aufgrund der Konvexität von Ω auch x + th ∈ Ω für alle t ∈ (0, 1) und die Konvexität von f impliziert f (x + th) ≤ (1 − t)f (x) + tf (x + h) ⇐⇒ f (x + th) − f (x) ≤ t(f (x + h) − f (x)). Also gilt: 1 (f (x + th) − f (x)) − (∇f (x), h) ≤ f (x + h) − f (x) − (∇f (x), h). t Die rechte Seite der Ungleichung ist unabhängig von t und für die linke Seite der Ungleichung gilt: 1 lim (f (x + th) − f (x)) − (∇f (x), h) = (∇f (x), h) − (∇f (x), h) = 0, t t&0 woraus die Behauptung folgt. Wir beweisen nun die Rückrichtung. Seien x, h mit x ∈ Ω und x + h ∈ Ω. Es gelte f (x + h) ≥ f (x) + (∇f (x), h). Sei t ∈ (0, 1). Für beliebige x, y ∈ Ω mit x 6= y sei z = tx + (1 − t)y und h = x − z. Dann gilt nach der Konvexität von Ω: z ∈ Ω und es gilt y= 1 1 t (z − tx) = (z − tz − tx + tz) = z − h und x = z + h. 1−t 1−t 1−t Aus der Voraussetzung ergibt sich f (y) ≥ f (z) − t (∇f (z), h) und f (x) ≥ f (z) + (∇f (z), h). 1−t Multiplikation der ersten Ungleichung mit (1 − t) liefert (1 − t)f (y) ≥ (1 − t)f (z) − t(∇f (z), h). Des Weiteren liefert Multiplikation der zweiten Ungleichung mit t tf (x) ≥ tf (z) + t(∇f (z), h). Addition der beiden Ungleichungen liefert tf (x) + (1 − t)f (y) ≥ (1 − t)f (z) − t(∇f (z), h) + tf (z) + t(∇f (z), h) = f (z), d.h. f ist konvex. 1 Diese wurde bereits in den Präsenzübungen bewiesen. Wir geben der Vollständigkeit halber den Beweis an Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 3 (ii) Die Rückrichtung der Äquivalenz geht analog zur Rückrichtung der Äquivalenz von Aufgabenteil (i). Wir beweisen also nur die Hinrichtung. Seien f ∈ C 1 (Ω) strikt konvex, t ∈ (0, 1) und x, x + h ∈ Ω mit h 6= 0. Nach Aufgabenteil (i) wissen wir f (x + th) − f (x) ≥ (∇f (x), th). Die strikte Konvexität liefert f (x + th) = f (t(x + h) + (1 − t)x) < tf (x + h) + (1 − t)f (x) ⇐⇒ f (x + th) − f (x) < t(f (x + h) − f (x)). Also 1 1 f (x + h) − f (x) > (f (x + th) − f (x)) ≥ (∇f (x), th) = (∇f (x), h), t t was zu zeigen war. (iii) Seien x, x + h ∈ Ω. Dann gilt nach der Konvexität von Ω auch {λx + (1 − λ)(x + h) : λ ∈ [0, 1]} ⊂ Ω. Die Taylor-Formel liefert 1 f (x + h) = f (x) + (∇f (x), h) + (h, D2 f (x + θh)h) 2 (1) mit einem θ ∈ (0, 1). Sei f konvex. Dann gilt nach Aufgabenteil (i) f (x + h) ≥ f (x) + (∇f (x), h), also 1 f (x) + (∇f (x), h) ≤ f (x + h) = f (x) + (∇f (x), h) + (h, D2 f (x + ξh)h). 2 Wir können ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass khk ≤ 1. Dann gilt (h, D2 f (x + ξh)h) ≥ 0 für khk < 1 und ein θ ∈ (0, 1). Seien t ∈ (0, 1), a ∈ S d−1 (Rd ) und h = ta. Dann liefert einsetzen in die obige Ungleichung und Multiplikation mit t−2 (a, D2 f (x + tξa)a) ≥ 0. Da f ∈ C 2 (Ω) ist, gilt für t & 0: (a, D2 f (x)a) ≥ 0 für alle a ∈ S d−1 (Rd ) und somit D2 f (x) ≥ 0 für alle x ∈ Ω. Es gelte nun D2 f (x) ≥ 0. Dann folgt aus (1) 1 f (x + h) = f (x) + (∇f (x), h) + (h, D2 f (x + ξh)h) ≥ f (x) + (∇f (x), h) 2 und somit die Konvexität nach Aufgabenteil (i). (iv) 2 2 Analog zu Aufgabenteil (iii). Beachte, dass hier keine Äquivalenz, sondern eine Implikation zu zeigen ist. Die Rückrichtung ist im Allgemeinen falsch. Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 4 Aufgabe VIII.2 (i) Wir zeigen, dass sich der allgemeine Fall auf den Spezialfall f (x0 ) = 0 zurückführen lässt. Hierzu betrachten wir die Funktion g(x) = f (x) − f (x0 ). Es gilt g(x0 ) = 0. Beachte, dass sich die offene Umgebung V ⊂ Rd um f (x0 ) verschiebt. Es gilt: f −1 (y) = g −1 (y + f (x0 )). | {z } =0 Also können wir für den Beweis den allgemeinen Fall auf den Fall f (x0 ) = 0 reduzieren. (ii) Wir zeigen, dass sich der allgemeine Fall auf den Spezialfall x0 = 0 zurückführen lässt. Hierzu betrachten wir die Funktion g(x) = f (x+x0 ). Beachte, dass sich hierbei Ω und die offene Umgebung U ⊂ Ω um x0 verschieben. Es gilt: f −1 (y) = g −1 (y) + x0 . |{z} =0 Also können wir für den Beweis den allgemeinen Fall auf den Fall x0 = 0 reduzieren. (iii) Wir zeigen nun, dass wir den allgemeinen Fall auf den Fall Df (X0 ) = Id reduzieren können. Nach (i) und (ii) können wir ohne Einschränkung f (0) = 0 betrachten und wissen, dass Df (0) invertierbar ist. Seien also x0 = 0 und Df (0) = Id. Sei g : Ω → Rd definiert durch g(x) = (Df (0))−1 f (x). Aus Aufgabe VIII.2 der Präsenzübungen ist bekannt, dass für eine lineare und bijektive Abbildung auch die Umkehrabbildung linear ist. Also ist (Df (0))−1 linear. Des Weiteren gilt g(0) = 0 und Dg(0) = (Df (0))−1 Df (0) = Id. Also wissen wir nach dem Satz über die Umkehrfunktion, dass offene Umgebungen U 0 von 0 und V 0 von existieren derart, dass g : U 0 → V 0 eine Bijektion ist und, dass g −1 : V 0 → U 0 im Nullpunkt differenzierbar ist mit Dg −1 (0) = Id. Da f (x) = Df (0)g(x), ist f : U 0 → Df (0)(V 0 ) eine Bijektion. Beachte hierbei, dass Df (0) selbst eine Bijektion ist. Da Df (0) und (Df (0))−1 stetig sind, ist Df (0)(V 0 ) offen und es gilt offensichtlich 0 ∈ Df (0)(V 0 ). Betrachte nun f −1 : Df (0)(V 0 ) → U 0 . Da g : U 0 → V 0 bijektiv ist, gilt f −1 (y) = g −1 ((Df (0))−1 y) für alle y ∈ Df (0)(V 0 ). Also ist f −1 differenzierbar im Punkt 0. Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 5 Aufgabe VIII.3 a) Seien Ω = R2 und f : Ω → R definiert durch f (x, y) = x2 − xy + 2y 2 + x − y − 1. Dann gilt offensichtlich f ∈ C 1 (Ω) und f (0, 1) = 0. Des Weiteren gilt: ∂ f (x, y)(0,1) = (−x + 4y − 1)(0,1) = 3 6= 0. ∂y Der Satz über implizite Funktionen ist also anwendbar. Aus diesem Satz folgt die Existenz von einer offenen Umgebung U ⊂ R von 0 und V ⊂ R von 1 sowie einer Funktion g : U → V mit der Eigenschaft, dass g(x) = y die einzige Lösung der Gleichung f (x, y) = 0 ist, die in U × V liegt. Für die erste Ableitungen von g gilt: dg dy −1 (0) = (0) = (2x − y + 1)|(0,1) = 0. dx dx 3 Nach der Ketten- und Produktregel gilt für die zweite Ableitung dg 2 (0) dx2 2∂x f (x, y)∂y f (x, y)∂xy f (x, y) − (∂y f (x, y))2 ∂x2 f (x, y) − (∂x f (x, y))2 ∂yx f (x, y) (∂y f (x, y))3 (0,1) −2 = 3 = Analog kann man die dritte Ableitung berechnen und erhält: dg 3 −2 (0) = . 3 dx 3 b) Sei Ω = R3 und f : Ω → R definiert durch f (x, y, z) = x2 + 2xz + z 2 + 2yz − 1. Dann gilt offensichtlich f ∈ C 1 (Ω) und f (1, 1, z) = 0 ⇐⇒ z = 0 oder z = −4. Da jedoch z = −4 ∈ / {(x, y, z) ∈ R3 |z ≥ 0, f (x, y, z) = 0} können wir diesen Punkt vernachlässigen. Zudem gilt: ∂ f (x, y, z)(1,1,0) = (2x + 2z + 2y)(1,1,0) = 4 6= 0. ∂z Der Satz über implizite Funktionen ist also anwendbar. Aus diesem Satz folgt die Existenz einer offenen Umgebung U ⊂ R2 von (1, 1) und V ⊂ R von 0 sowie einer Funktion g : U → V mit der Eigenschaft, dass g(x, y) = z die einzige Lösung der Gleichung f (x, y, z) = 0 ist, die in U × V liegt. Für die Ableitungen von g gilt: ∂z −1 −1 ∂g (1, 1) = (1, 1) = (2x + 2z)(1,1,0) = . ∂x ∂x 4 2 Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 6 Aufgabe VIII.4 a) Es bezeichne z(t) den Abstand zwischen Radfahrer A und Radfahrer B zum Zeitpunkt t ≥ 0. Ziel ist es, die Geschwindigkeit mit der sich der Abstand zwischen A und B verändert, zu bestimmen. Diese ist gegeben durch z 0 (t) für t = 1500, wobei t die Zeit in Sekunden angibt. Aus der Aufgabenstellung ist bekannt, dass Radfahrer A nach t ≥ 0 Sekunden bei einer Geschwindigkeit von 5 m/sec eine Strecke von x(t) = 5t m zurückgelegt hat. Des Weiteren beginnt Radfahrer B sieben Minuten nach Radfahrer A zu radeln. Hierbei legt er zum Zeitpunkt t ≥ 420 bei einer Geschwindigkeit von 3 m/sec eine Strecke von y(t) = 3(t − 420) m zurück. Der Abstand nach t ≥ 420 Sekunden ist nach dem Satz von Pythagoras z(t)2 = (x(t) + y(t))2 + 3502 . (2) Folglich ist der Abstand nach 25 Minuten (1500 Sekunden) gegeben durch z 2 (1500) = (x(1500) + y(1500))2 + 3502 = (7500 + 3240)2 + 3502 =⇒ z(1500) = 10745, 7015 m. Wir definieren die Funktion f : R2 → R durch f (z, t) = z 2 − (5t + 3(t − 420))2 − 3502 = z 2 − 64t2 + 20160t − 1710100. Dann gilt offensichtlich f (10745, 7015; 1500) = 0 und f ∈ C 1 (R2 ). Zudem gilt ∂f ((10745, 7015; 1500) = 2z|(10745,7015;1500) = 21491, 403. ∂z Der Satz über implizite Funktionen ist also anwendbar. Dieser liefert 1 ∂f dz (1500) = − (10745, 7015; 1500) dt 21491, 403 ∂t 1 =− (−16(5t + 3(t − 420)))|(10745,7015;1500) 21491, 403 = 7, 9958 m/sec. Alternativ können wir die Geschwindigkeit berechnen mit der sich der Abstand zwischen den Radfahreren verändert, indem wir (2) nach t ableiten und nach z 0 (t) auflösen: 2z(t)z 0 (t) = 2(x(t) + y(t))(x0 (t) + y 0 (t)) ⇐⇒ z 0 (t) = Also z 0 (1500) = 2(x(t) + y(t))(x0 (t) + y 0 (t)) . 2z(t) 2(7500 + 3240) · (5 + 3) = 7, 9958 m/sec. 2 · 10745, 7015 Übungsblatt VIII – Lösungen Seite 7 b) Es gilt f (1500, t) = 0 ⇐⇒ 223289900 − 64t2 + 20160t = 0 √ 315 25 89951 =⇒ t = = 2031, 9895. 2 4 Zudem gilt ∂f (1500; 2031, 9895) = 2z|(1500;2031,9895) = 30000. ∂z Der Satz über implizite Funktionen liefert 1 ∂f (1500; 2031, 9895) 30000 ∂t 1 (−16(5t + 3(t − 420)))|(1500;2031,9895) =− 30000 = 7, 9978 m/sec. z 0 (2031, 9895) = −