Wahl 17 Handlungsempfehlungen der Deutschen Industrie für die

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Rechtspolitik | Position | Wahl 17
Handlungsempfehlungen der Deutschen
Industrie für die 19. Wahlperiode des
Deutschen Bundestages
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Rechtspolitik | Position | Wahl 17
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Vorwort
Am 24. September 2017 werden in Deutschland die Wahlen zum 19. Deutschen Bundestag stattfinden. Während
sich die Politik in Deutschland in den kommenden Monaten voraussichtlich verstärkt auf nationale Themen fokussiert, wird die deutsche Wirtschaft – und insbesondere die deutsche Industrie – durch internationale und europäische Veränderungen vor besondere Herausforderungen gestellt.
Der BDI hat die anstehende Bundestagswahl zum Anlass genommen, in der themenübergreifenden Publikation
„Handlungsempfehlungen der Deutschen Industrie für die 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages“ in 173 politischen Handlungsempfehlungen aufzuschlüsseln, was konkret getan werden kann, um politische Rahmenbedingungen
investitionsfördernd und mit reduzierten Belastungen für Industrieunternehmen zu gestalten.
Diese themenübergreifende Publikation wird flankiert von vertiefenden Broschüren zu ausgewählten Themenfeldern. Mit der vorliegenden Broschüre erhalten Sie detaillierte Einblicke in zentrale Handlungsfelder der Rechtspolitik. Anhand von Faktenchecks und Argumenten werden konkrete Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger der nächsten Legislaturperiode abgeleitet. Vertiefende Nachlesemöglichkeiten sind über das am
Ende der Broschüre stehende Glossar möglich.
Im Wirtschaftsrecht sollte sich der Gesetzgeber auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Das Wirtschaftsleben hat
inzwischen einen Grad der Verrechtlichung erreicht, der erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen in den
Unternehmen bindet. Auch die Überfrachtung des Wirtschaftsrechts mit gesellschaftspolitischen Anliegen stößt an
Grenzen. Die Bedürfnisse der Praxis müssen wieder im Mittelpunkt des Unternehmensrechts stehen. Handlungsbedarf besteht u. a. bei der Bekämpfung missbräuchlicher Aktionärsklagen, der Verwirklichung des Binnenmarkts
für Unternehmen in Europa oder der Anpassung des Rechts an die Herausforderungen der Digitalisierung.
Iris Plöger
Mitglied der Hauptgeschäftsführung
BDI e.V.
Dr. Heiko Willems
Abteilungsleiter
Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
BDI e.V.
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Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Rechtspolitik | Position | Wahl 17
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ....................................................................................................................................................................................... 3
Einführung ................................................................................................................................................................................. 5
Handlungsempfehlungen ...................................................................................................................................................... 6
Faktencheck: Frauenquote.. ................................................................................................................................................ 6
Unternehmensrecht in Deutschland praktikabel gestalten .......................................................................................... 7
Grenzüberschreitende Aktivitäten von Unternehmen in Europa fördern ................................................................... 8
Rechtsrahmen behutsam an Digitalisierung anpassen . . ............................................................................................... 9
Datenschutz praktikabel gestalten ................................................................................................................................. 10
Faktencheck: Zivilgerichtsbarkeit ................................................................................................................................... 11
Kollektiven Rechtsschutz begrenzen ............................................................................................................................. 12
Faktencheck: Durchsetzung von Sanktionen ............................................................................................................... 13
Rechtssicherheit im Wirtschaftsstrafrecht schaffen .................................................................................................... 14
Ausgewogenheit im Verbraucherrecht herstellen .. ....................................................................................................... 15
Glossar .. .................................................................................................................................................................................... 16
Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................ 20
Impressum ............................................................................................................................................................................... 22
Legende
Bewertungsskala für einzelne Handlungsempfehlungen
Industrie empfiehlt eine politische Maßnahme
Industrie sieht Handlungsbedarf der Politik, warnt aber vor Risiken
Industrie rät von einer politischen Maßnahme ab
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Rechtspolitik | Position | Wahl 17
Einführung
Die Wirtschaft braucht praktikable rechtliche Rahmenbedingungen. Eigentum, Vertragsfreiheit
und effektiver Rechtsschutz gehören zu den Grundpfeilern der sozialen Marktwirtschaft und
unseres Wohlstands. Grundsätzlich ist Deutschland im Wettbewerb der Rechtsordnungen gut
aufgestellt. Allerdings hat das Wirtschaftsrecht inzwischen einen Detaillierungsgrad erreicht,
der erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen in den Unternehmen bindet. Unternehmen sind zahlreichen Regelungen unterworfen, die nicht nur das Handeln nach außen, sondern auch interne Entscheidungsprozesse und Strukturen betreffen. Hinzu kommt der ständige Ruf nach neuen Sanktionsmöglichkeiten.
„
Zugleich wird das Wirtschaftsrecht immer mehr zum Vehikel für gesellschaftspolitische Anliegen. Beispiele hierfür sind die Geschlechterquote für Aufsichtsräte, Berichtspflichten zum sozialen Engagement oder die geforderte Einführung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für
Auslandsaktivitäten. Dabei stößt das Recht an Grenzen: Eine Frauenquote im Aufsichtsrat
erhöht nicht die Anzahl von weiblichen Fach- und Führungskräften. Und erweiterte Klagemöglichkeiten in Deutschland tragen wenig zur Stärkung der Menschenrechte im Ausland bei.
Der deutsche Gesetzgeber sollte sich stärker der Aufgabe widmen, den Rechtsrahmen für
Unternehmen praktikabel zu gestalten. Eine weitere Verrechtlichung des Wirtschaftslebens
ist zu vermeiden. Stattdessen müssen wieder die Bedürfnisse der Praxis im Mittelpunkt des
Unternehmensrechts stehen. Handlungsbedarf besteht u. a. bei der Bekämpfung missbräuchlicher Aktionärsklagen, der Verwirklichung des Binnenmarkts für Unternehmen in Europa
oder der Anpassung des Rechts an die Herausforderungen der Digitalisierung.
Dr. Thomas Kremer
Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG, Datenschutz, Recht und Compliance,
Vorsitzender des BDI-Rechtsausschusses
„Die Digitalisierung stellt uns vor neue Herausforderungen – auch bei den rechtlichen
Rahmenbedingungen. Aber nicht jedes Geschäftsmodell ist gleichermaßen betroffen.
Das zeigt die Praxis in den Rechtsabteilungen. Schnellschüsse des Gesetzgebers bringen uns nicht weiter. Viele Themen rund um das "Eigentum" an Daten lassen sich vertraglich regeln. Bei Haftungsfragen im Zusammenhang mit autonomen Systemen kann
hingegen der Gesetzgeber gefordert sein.“
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Frauenquote
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Faktencheck
Ist die Selbstregulierung der Wirtschaft erfolgreich?
Ja!
Der Deutsche Corporate Governance Kodex genießt in der Praxis hohe
Akzeptanz. Im Schnitt aller börsennotierten Unternehmen werden die Empfehlungen des Kodex zu 83,6 % befolgt; die DAX30-Unternehmen befolgen
sogar 96,2 % der Empfehlungen. Dabei ist zu beachten, dass der Kodex dem
sog. Comply-or-Explain-Prinzip folgt und bewusst Abweichungen zulässt.
Der Erfolg der Selbstregulierung zeigt sich exemplarisch beim Frauenanteil in
Aufsichtsräten und Vorständen: Seit der Kodex entsprechende Empfehlungen
enthält (2009/2010) – und vor Inkrafttreten des Quotengesetzes – hat sich
der Frauenanteil bei den DAX30-Aufsichtsräten innerhalb nur einer fünfjährigen Amtsperiode (vgl. § 102 AktG) mehr als verdoppelt. In den DAX30-Vorständen hat sich der Frauenanteil von 2010 bis 2016 verfünffacht.
Unterhalb des DAX30 ist der Frauenanteil zwar geringer, aber auch hier ist
ein deutlicher Anstieg zu sehen: Inzwischen sind 24,8 % der Aufsichtsräte
im MDAX weiblich, im SDAX 20,0 % und im TecDAX 23,6 %.
Frauenanteil 2010 - 2016
40%
30,1
30%
26,7
24,4
21,5
20%
18,8
15,6
12,4
10%
6,4
2,2
0
2010
7,4
6,6
8,3
11,0
3,7
2011
2012
2013
2014
2015
2016
in DAX30-Aufsichtsräten*
in DAX30-Vorständen
Quelle: BDI
*BDI.
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Handlungsempfehlung
Unternehmensrecht in Deutschland praktikabel gestalten
-- Neuregelungen im Unternehmensrecht waren in der 18. Wahlperiode von gesellschaftspolitischen Anliegen geprägt. Beispiele sind
die Geschlechterquote für Aufsichtsräte sowie Berichtspflichten
zum sozialen Engagement. Instrumente der Selbstregulierung, wie
z.B. der Deutsche Corporate Governance Kodex, werden dabei
zunehmend durch Eingriffe des Gesetzgebers konterkariert. Und
die letzte Reform zugunsten der Unternehmenspraxis, nämlich zur
Eindämmung missbräuchlicher Aktionärsklagen, datiert von 2009.
-- Die Aufsichtsräte der DAX30-Unternehmen sind bereits heute zu
gut 30 % weiblich besetzt.¹ Auch bezüglich der Vorstände und
Führungsebenen haben sich die Unternehmen ambitionierte Ziele
gesetzt. Darüber hinaus gilt: Nicht alle Details der Unternehmensführung und -struktur können für alle Aktiengesellschaften einheitlich geregelt werden. Das Aktienrecht hat in diesem Bereich die
Grenze des gesetzlich Regelbaren erreicht; hier gebührt dem flexiblen Mechanismus des Corporate Governance Kodex der Vorzug.
ʘʘ Die Politik sollte die Belange der Unternehmen wieder stärker in
den Fokus ihrer gesellschaftsrechtlichen Agenda rücken.
ʘʘ Bei der Umsetzung der Geschlechterquote ist den Unternehmen
ausreichend Zeit zu lassen.
ʘʘ Der Selbstregulierung der Unternehmen ist wieder ein höherer
Stellenwert einzuräumen. Der Gesetzgeber darf den Corporate
Governance Kodex nicht länger als Vorstufe gesetzlich zwingender Regelungen betrachten.
ʘʘ Gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht hingegen in anderen Bereichen, beispielsweise bei der Bekämpfung missbräuchlicher Aktionärsklagen, Vereinfachungen im Umwandlungsrecht
und einer Reform des Spruchverfahrens.
ʘʘ Außerdem ist die geltende allgemeine Karenzzeit von zwei Jahren für den Wechsel vom Vorstand eines Unternehmens in den
Aufsichtsrat zu weitgehend, da damit ein erheblicher Know-howVerlust für den Aufsichtsrat verbunden ist. Zur Vermeidung von
Interessenkonflikten ist eine Karenzzeit beim Wechsel des Vorstandsvorsitzenden in den Aufsichtsratsvorsitz ausreichend.
30,14%
Frauenanteil in
DAX30-Aufsichtsräten
(nach HV-Saison 2016)
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Handlungsempfehlung
Grenzüberschreitende Aktivitäten von Unternehmen in Europa
fördern
-- Unternehmen brauchen Flexibilität und Mobilität um europa- und
weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Eine europäische Rechtsform
für mittelständische Unternehmen würde dazu ebenso beitragen wie das Recht, grenzüberschreitend den Sitz zu verlegen.
Ferner orientieren sich europäische Gesetzgebungsvorhaben
im Bereich des Gesellschaftsrechts häufig am monistischen
Board-System nach englischem Vorbild. Das in Deutschland
bestehende duale System mit Vorstand und Aufsichtsrat wird zu
wenig berücksichtigt.
200
Mio
Euro mögliche Einsparungen durch EU-Sitzverlegungsrichtlinie
-- Eine praxistaugliche europäische Gesellschaftsrechtsform und
klare Regeln für eine grenzüberschreitende Sitzverlegung sind
nicht nur unverzichtbar für grenzüberschreitende Reorganisationen, sondern erlauben Unternehmen auch in eine Organisationsform zu wechseln, die zu ihren spezifischen Bedürfnissen passt.
Dies kann helfen, die Effizienz zu verbessern und Kosten zu senken. So könnte eine Sitzverlegungsrichtlinie jedes Jahr Einsparungen für Unternehmen in Höhe von über 200 Mio. EUR bewirken.²
ʘʘ Die Politik sollte sich insbesondere im Interesse mittelständischer
Unternehmen für eine Neubelebung der SPE („Europa-GmbH“)
in der EU einsetzen.
ʘʘ Darüber hinaus fehlt es in Europa an einem klaren Rechtsrahmen für die Sitzverlegung von Gesellschaften, obwohl diese ein
zwingender Bestandteil der Niederlassungsfreiheit und umfassend durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
anerkannt ist. Ohne eine Sitzverlegungsrichtlinie bleibt der Binnenmarkt unvollendet. Die Politik sollte diese Debatte konstruktiv führen und begleiten.
ʘʘ Die Politik sollte außerdem die Anerkennung eines gruppenweiten
Konzerninteresses fördern, ohne bewährte Prinzipien des deutschen Rechts (Weisungsrechte, Minderheitenschutz) aufzugeben.
ʘʘ Schließlich sollte bei Harmonisierungsbemühungen in der EU das
duale System mit der gut funktionierenden Aufgabenteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat stärker berücksichtigt werden.
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
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Handlungsempfehlung
Rechtsrahmen behutsam an Digitalisierung anpassen
-- Die meisten bestehenden gesetzlichen Regelungen sind nicht mit
Blick auf digitale Abläufe gestaltet worden. Die zunehmende Digitalisierung fordert den Rechtsrahmen daher in vielen Bereichen
heraus. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine Anpassung
des Rechts an die Digitalisierung erfolgen muss oder ob digitale
Sachverhalte heute und in Zukunft noch durch die bestehenden
Regelungen treffend abgebildet werden. Dabei ist der Handlungsbedarf nicht in allen Bereichen gleich stark.
-- Eine Studie des BDI und der Rechtsanwaltskanzlei Noerr zu den
rechtlichen Herausforderungen der Digitalisierung hat ergeben,
dass 84 % der Unternehmen erwarten, dass die Digitalisierung in
den nächsten fünf Jahren ihr Geschäftsmodell stark beeinflussen
wird.³ Dennoch sprechen sich die meisten Unternehmen gegen
umfassende gesetzliche Neuregelungen und gesetzgeberischen
Aktionismus aus. Individuelle vertragliche Regelungen können die
Interessen aller Beteiligten meist besser abbilden.
ʘʘ Eine mögliche Anpassung einzelner gesetzlicher Regelungen sollte
äußerst behutsam und in enger Abstimmung mit der Wirtschaft
stattfinden.
ʘʘ So ist von der Regelung eines „Eigentumsrechts“ an (nicht personenbezogenen) Daten abzusehen, da sich die derzeit praktizierte
vertragliche Zuordnung in der Praxis bewährt hat.
ʘʘ Auch die Frage von Zugriffsrechten auf Daten sollte der Gesetzgeber grundsätzlich den Betroffenen überlassen.
ʘʘ Autonome und selbstlernende Systeme werden im Alltag und in
der industriellen Produktion an Bedeutung gewinnen. Die Haftungszurechnung generell sowie auch die Haftung für selbstlernende Software sollte daher diskutiert werden. Hier ist genau zu
prüfen, ob und welche gesetzlichen Neuregelungen erforderlich
sind. In diesem Zusammenhang sind auch Möglichkeiten der Risikominimierung und des Risikomanagements bedeutsam.
ʘʘ Es ist zu prüfen, inwieweit die Haftung der Beteiligten – auch durch
Allgemeine Geschäftsbedingungen – begrenzt werden kann und
ob Versicherungslösungen möglich sind.
84%
der Unternehmen
erwarten starken Einfluss
der Digitalisierung
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Rechtspolitik | Position | Wahl 17
Handlungsempfehlung
Datenschutz praktikabel gestalten
-- Der Datenschutz genießt auf nationaler und europäischer Ebene
einen hohen Stellenwert. Der weite Begriff des personenbezogenen Datums und das grundsätzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
stellen hohe Anforderungen an die Datenverarbeitung. Die EU-Datenschutzgrundverordnung wird das nationale Datenschutzrecht
ab 2018 weitgehend ablösen; sie enthält jedoch auch Öffnungsklauseln für die Mitgliedstaaten. Schließlich erfordert die Globalisierung auch Instrumente für den internationalen Datentransfer.
16
Aufsichtsbehörden für
die Privatwirtschaft
-- In Deutschland sind 16 verschiedene Landesdatenschutzbehörden für die Aufsicht über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen zuständig. Dies führt bei überregional und international agierenden Unternehmen zu Schwierigkeiten. In Europa
ist zukünftig eine Koordinierung der verschiedenen Datenschutzbehörden vorgesehen. Der zwischen der EU und den USA vereinbarte „Privacy-Shield“ soll zu mehr Rechtssicherheit im transatlantischen Wirtschaftsverkehr führen.
ʘʘ Die deutsche Wirtschaft benötigt eine einheitliche Verwaltungspraxis und verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu sollte die Datenschutzaufsicht für die Privatwirtschaft gebündelt oder zumindest
ein Kohärenzmechanismus eingeführt werden.
ʘʘ Die EU-Datenschutzgrundverordnung sollte im Dialog mit den
Unternehmen umgesetzt werden. Die Übergangszeit sollte genutzt
werden, um ein gemeinsames Verständnis über zentrale Rechtsbegriffe und typische Datenverarbeitungen zu erreichen; dabei ist
im Sinne einer risikobasierten Betrachtungsweise die Sensibilität
von Daten zu berücksichtigen.
ʘʘ Die Ausarbeitung sicherer Anonymisierungs- und Pseudonymisierungslösungen sollte unterstützt und konzerninterne Datentransfers sollten erleichtert werden.
ʘʘ Im Interesse der Harmonisierung darf der nationale Gesetzgeber von Öffnungsklauseln nur zurückhaltend Gebrauch machen.
ʘʘ International sollte sich die Politik für einen sicheren und verlässlichen Datentransfer in Drittstaaten einsetzen.
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Rechtspolitik | Position | Wahl 17
Faktencheck
Zivilgerichtsbarkeit
Ist der Rechtsschutz in Deutschland gut ausgebaut?
Der Rechtsschutz in Deutschland ist – gerade auch im internationalen Vergleich – vorbildlich ausgeprägt.
Nach dem aktuellen „Rule of Law Index“ des „World Justice Project“, einer
Vereinigung, die sich mit der Förderung der Rechtsstaatlichkeit weltweit
beschäftigt, liegt Deutschland im Bereich Zivilgerichtsbarkeit auf Rang zwei
hinter den Niederlanden und deutlich vor den Vereinigten Staaten. Diese
Kategorie berücksichtigt u. a. den Zugang zu Gerichten, Rechtsverfolgungskosten, Geschwindigkeit und Durchsetzbarkeit von Entscheidungen sowie
die Effektivität alternativer Streitbeilegungsmechanismen.
Gerichtsverfahren in Deutschland sind zügig, kostengünstig und objektiv.
Die Entscheidung, ob eine Klage erhoben werden soll und wie der Prozess
zu führen ist, ist jedem Kläger selbst überlassen. Dies ist auch Ausdruck des
Grundrechts auf rechtliches Gehör. Zudem gelten der Grundsatz der Eigenverantwortung und das Prinzip des individuellen Rechtsschutzes.
Rule of Law Index 2016 Faktor 7: Zivilgerichtsbarkeit
Ranking ausgewählter Länder
3. Norwegen
1. Niederlande
5. Dänemark
2. Deutschland
28. USA
4. Singapur
Quelle: World Justice Project (2016). Rule of Law Index 2016. S. 40 f.
URL: http://worldjusticeproject.org/sites/default/files/media/wjp_rule_of_law_index_2016.pdf
[Aufgerufen am 15.03.2017].
Ja!
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
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Handlungsempfehlung
Kollektiven Rechtsschutz begrenzen
-- Das System der individuellen Rechtsverfolgung ist in Deutschland gut ausgebaut. Im Bereich des Verbraucherschutzes wird
der Rechtsschutz durch Verbandsklagen umfassend ergänzt: Das
Unterlassungsklagegesetz erlaubt klagebefugten Verbänden, bei
Verstößen gegen Verbraucherrechte gegen Unternehmen zu klagen. Daneben gewährleisten Ombudsleute und Schlichtungsstellen angemessene Konfliktlösungen im außergerichtlichen Bereich.
Deutschland an zweiter
Stelle im "Rule of Law
Index 2016".
-- Deutschland gehört im Bereich des Zugangs zum Recht weltweit zu den führenden Staaten. Der „Rule of Law Index 2016“
führt Deutschland im Bereich „Zivilrecht“ an zweiter Stelle auf.4
Dabei wird u. a. auch der Zugang zum Zivilrechtssystem berücksichtigt. Demgegenüber kann der volkswirtschaftliche Schaden,
der durch Sammelklagen entsteht, enorm hoch ausfallen. In den
USA wird dieser Schaden auf ca. 264.6 Mrd. US$ jährlich beziffert.5 Dies sind ca. 857 US$ pro Einwohner jährlich.
ʘʘ Der Anwendungsbereich des Unterlassungsklagegesetzes wurde
zuletzt durch die Einführung der Datenschutzverbandsklage erheblich erweitert. Die Einführung weiterer Verbandsklagearten ist daher
nicht erforderlich.
ʘʘ Zudem ist die Einführung von Sammelklagen nach US-amerikanischem Muster und auch von entsprechenden einzelnen Elementen des US-Prozessrechts nachdrücklich abzulehnen. Hierzu
gehören nicht konkretisierte Massenansprüche, Ausforschungsbeweise, Erfolgshonorare, Strafschadensersatz und die Aufgabe
des Grundsatzes der Kostentragung durch die unterlegene Partei.
ʘʘ Ein derartiges System ist mit enormen Missbrauchsrisiken behaftet.
Zudem ist der Nutzen für die Geschädigten meist überschaubar.
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Rechtspolitik | Position | Wahl 17
Durchsetzung von
Sanktionen
Faktencheck
Gibt es in Deutschland ein Sanktionsdefizit?
Deutschland liegt bei den Unterzeichnerstaaten der OECD-Konvention gegen
Korruption nach den Vereinigten Staaten an zweiter Stelle der Sanktionsverfahren. Ein Sanktionsdefizit ist gegenüber anderen Ländern also nicht
erkennbar.
Insbesondere werden in Deutschland – anders als in anderen Ländern –
Erkenntnisse aus der steuerlichen Betriebsprüfung umgehend der Staatsanwaltschaft übermittelt. Diese Praxis führt zu einer hohen Verfolgungsquote von Rechtsverstößen.
Im Vergleich mit anderen Rechtsordnungen sind die in Deutschland bestehenden Vorschriften auch nicht weniger effektiv. So stellte die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme zur „Einführung einer Unternehmensstrafe“ vom Mai 2013 fest, dass das deutsche System im internationalen
Vergleich besonders scharfe Sanktionen erlaubt. Grund dafür sind die umfassenden Möglichkeiten der Vorteilsabschöpfung.
Durchsetzung der OECD-Konvention gegen Korruption
Aktive Durchsetzung
Moderate Durchsetzung
22,8 % Abdeckung des Weltexports
8,9 % Abdeckung des Weltexports
4 Länder: USA, Deutschland,
Großbritannien, Schweiz
6 Länder: Italien, Kanada, Australien,
Österreich, Norwegen, Finnland
Eingeschränkte Durchsetzung
Geringe oder gar keine Durchsetzung
12,6 % Abdeckung des Weltexports
20,5 % Abdeckung des Weltexports
9 Länder: Frankreich, Niederlande, Südkorea, Schweden, Ungarn, Südafrika,
Portugal, Griechenland, Neuseeland
20 Länder: Japan, Russland, Spanien,
Belgien, Mexiko, Brasilien, Irland, Polen,
Türkei, Dänemark, Tschechien, Luxemburg, Argentinien, Chile, Israel, Slowakei,
Kolumbien, Slowenien, Bulgarien, Estland
Quelle: Transparency International (2015). Progress Report 2015: Assesing
Enforcement of the OECD Convention on Combating Foreign Bribery.
URL: https://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Internationales/
2015_ExportingCorruption_EOCDProgressReport_EN.pdf
Nein!
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
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Handlungsempfehlung
Rechtssicherheit im Wirtschaftsstrafrecht schaffen
-- Zur Sanktionierung von Wirtschaftskriminalität wurden in der
18. Legislaturperiode umfassende Neuregelungen beschlossen.
Neben der Verabschiedung von Gesetzen zur Bekämpfung der
Korruption wurden auch internationale Strafrechtsübereinkommen umgesetzt. Spätestens seit November 2013 wird auch die
Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Fachkreisen intensiv diskutiert. Des Weiteren stehen auf nationaler und europäischer Ebene Verschärfungen der Regelungen zur Geldwäschebekämpfung bevor.
Deutschland an zweiter
Stelle bei der Bekämpfung der Korruption
-- Deutschland ist im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts gut aufgestellt. Internationale und europäische Vorgaben sind umfassend
umgesetzt. Im Fortschrittsbericht von Transparency International zur Durchsetzung der OECD-Konvention gegen Korruption
steht Deutschland an zweiter Stelle.6 Im Vergleich mit anderen
Rechtsordnungen sind die in Deutschland bestehenden Vorschriften auch nicht weniger effektiv. In der Praxis werden schon
jetzt Sanktionen in dreistelliger Millionenhöhe gegen Unternehmen verhängt.
ʘʘ Im Wirtschaftsstrafrecht brauchen Unternehmen ebenso wie ihre
Mitarbeiter vor allem Rechtssicherheit. Unbestimmte Formulierungen und unklare Tatbestandsmerkmale müssen daher vermieden werden.
ʘʘ Daher sollte zum einen die Reichweite des Untreuetatbestands
überprüft werden. Die Grenze zwischen straflosen Managementfehlern und strafbarer Untreue ist häufig unklar und bereitet Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten.
ʘʘ Auch darf das System der Geldwäschebekämpfung im Finanzsektor nicht 1:1 auf andere Unternehmen übertragen werden. Der
Gesetzgeber sollte das bestehende Risiko und das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Nicht-Finanzsektor angemessen berücksichtigen.
ʘʘ Schließlich besteht in Deutschland auch weiterhin kein Bedarf für
ein gesondertes Unternehmensstrafrecht. Das derzeitige Recht
bietet umfassende Sanktionsmöglichkeiten sowohl gegenüber
Einzelpersonen als auch gegenüber Unternehmen.
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Rechtspolitik | Position | Wahl 17
Handlungsempfehlung
Ausgewogenheit im Verbraucherrecht herstellen
-- Auf europäischer und nationaler Ebene werden aktuell Anpassungen und Verschärfungen des Verbraucherrechts diskutiert. Sowohl
die Evaluierung des EU-Verbraucherrechts als auch zwei Richtlinien-Entwürfe der EU-Kommission sehen umfassende Änderungen
im Bereich des Kaufrechts sowie bei der Bereitstellung digitaler
Inhalte vor. Auf nationaler Ebene befürwortet die Länderarbeitsgruppe „Gewährleistungsrechte und Garantie beim Kaufvertrag“
weitere Verschärfungen im Zivilrecht.
-- Die unterschiedlichen Vertragsrechte der EU-Mitgliedstaaten tragen nur zu einem geringen Grad zur Behinderung des grenzüberschreitenden Warenhandels bei. Gerade für Verbraucher sind
sprachliche, kulturelle und emotionale Barrieren wichtiger. Die
Mehrheit der Bürger empfindet die Verbraucherinteressen als gut
geschützt.7 In 23 Mitgliedstaaten der Europäischen Union beträgt
beispielsweise die Laufzeit der gesetzlichen Gewährleistung wie
in Deutschland zwei Jahre.8
ʘʘ Deutsche Unternehmen sind auf ein verlässliches und ausgewogenes Zivilrecht als Grundlage für Verträge im In- und Ausland
angewiesen. Neue Regelungen müssen so ausgestaltet sein, dass
Unternehmen nicht unangemessen belastet werden.
ʘʘ Es darf keine einseitige Überregulierung des Verbraucherschutzes
stattfinden. Vielmehr sollte ein gerechter Ausgleich der Interessen von Verbrauchern und Unternehmen erfolgen und ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten von Unternehmern
und Verbrauchern gewährleistet sein.
ʘʘ Dies gilt z. B. für Aspekte der Beweislast und die Fristen für die
Geltendmachung von Gewährleistungsrechten, aber auch für den
Umfang und die Ausgestaltung von Gewährleistungsrechten selbst.
ʘʘ Zudem sollten Daten als Zahlungsmittel flexibel nutzbar gemacht
werden. Allerdings bedarf die Entscheidung, ob und wie Verbraucherdaten als Währung ausgestaltet werden, einer breiten politischen Debatte über das Vertragsrecht hinaus, die auch Fragen
des Datenschutzes umfassend einbezieht.
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EU-Mitgliedsstaaten
haben – wie Deutschland – zweijährige
Gewährleistung
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Glossar
Alternative Streitbeilegung
Mit Verfahren zur außergerichtlichen (oder alternativen) Konfliktbeilegung ist gemeint, dass
ein neutraler Dritter außerhalb eines Gerichtsverfahrens in einem strukturierten Prozess die
Parteien bei der Suche nach einer Einigung unterstützt (Mediation; Vermittlung), ihnen eine
Lösung vorschlägt (Schlichtung) oder sogar über den Streit verbindlich entscheidet (Schiedsverfahren).
Ausforschungsbeweis
Im Rahmen zivilrechtlicher Verfahren vor deutschen Gerichten ist es unzulässig, ohne greifbare
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen
aufzustellen. Umfassende Ausforschungsmöglichkeiten, d. h. Offenlegungspflichten von Dokumenten, können mit Vorschriften des deutschen Rechts (unter anderem mit datenschutzrechtlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen) kollidieren.
Beweislast
Derjenige, der die Beweislast trägt, ist dazu verpflichtet, einen Nachweis für die Wahrheit
bestimmter Behauptungen vorzulegen.
Comply-or-explain-Prinzip
Siehe Deutscher Corporate Governance Kodex.
Datenschutzverbandsklage
Einrichtungen, die im Sinne des Unterlassungsklagegesetzes qualifiziert sind, können im Interesse der Verbraucher Klage erheben, wenn Unternehmen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen.
Deutscher Corporate Governance Kodex
Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält Empfehlungen und Anregungen für
gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Empfehlungen werden von einer
Regierungskommission formuliert und regelmäßig überprüft. Im Gegensatz zu gesetzlichen
Vorschriften sind die Empfehlungen des Kodex zwar nicht verbindlich, allerdings sind Abweichungen zu begründen und mit einer jährlich abzugebenden Entsprechenserklärung (§ 161
AktG) zu veröffentlichen (sog. „Comply or Explain“-Prinzip).
Duales System mit Vorstand und Aufsichtsrat
Die Organisation von Unternehmen kann dualistisch und monistisch verfasst sein. In Kontinentaleuropa und Deutschland ist das dualistische System vorherrschend, dass Geschäftsführung und Kontrolle trennt. Wählt eine Gesellschaft die duale Unternehmensverfassung
besteht die Unternehmensleitung aus zwei zu wählenden Organen: dem Vorstand und dem
Aufsichtsrat. Der Vorstand ist das satzungsmäßige Organ der Aktiengesellschaft, der über
die Geschäftsführung entscheidet und die Gesellschaft nach außen vertritt. Der Aufsichtsrat
ist das Kontrollorgan, das die Arbeit des Vorstandes und die ordnungsgemäße Buchführung
überwacht und die Jahresabschlüsse überprüft.
Erfolgshonorar
Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom
Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt
einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält, sind nach deutschem Recht grundsätzlich unzulässig.
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Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
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EU-Datenschutzgrundverordnung
Die Datenschutzgrundverordnung ist eine Verordnung der Europäischen Union, mit der die
Regeln für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch private Unternehmen und
öffentliche Stellen EU-weit vereinheitlicht werden. Dadurch soll einerseits der Schutz von
personenbezogenen Daten innerhalb der Europäischen Union sichergestellt, andererseits der
freie Datenverkehr innerhalb des Binnenmarktes gewährleistet werden. Die Verordnung ersetzt die aus dem Jahr 1995 stammende Datenschutzrichtlinie. Sie wird am 24. Mai 2018 in
Kraft treten.
Kohärenzmechanismus
Verfahren nach der EU-Datenschutzgrundverordnung im europäischen Datenschutzausschuss zur Gewährleistung einer europaweit einheitlichen Rechtsanwendung der Datenschutzregelungen durch die nationalen Datenschutzbehörden.
Karenzzeit
Unter einer Karenzzeit versteht man eine Sperrfrist, die nach dem Ausscheiden aus bestimmten Positionen einzuhalten ist, bevor bestimmte neue Positionen bekleidet werden können.
Dies soll dazu dienen, mögliche Interessenkonflikte zwischen der neuen und alten Funktion
zu minimieren. Für den Wechsel vom Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft in
deren Aufsichtsrat ist eine Karenzzeit von zwei Jahren vorgesehen (§ 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG).
Kollektiver Rechtsschutz
Im Gegensatz zum Individual-Rechtsschutz, bei dem jeder Kläger seine Rechte selbst vor Gericht geltend macht, bedeutet kollektiver Rechtsschutz, dass Kläger gemeinschaftlich klagen.
In Deutschland existieren unterschiedliche Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Klageerhebung: Das Institut der Streitgenossenschaft ermöglicht das Auftreten mehrerer Parteien vor
Gericht. Dabei können mehrere Parteien ihre Klagen verbinden. Daneben sieht die Streitgenossenschaft in bestimmten Fällen sogar vor, dass die Sachverhalte den Parteien gegenüber
nur einheitlich entschieden werden können. Eine weitere Form des kollektiven Rechtsschutzes ist die Verbandsklage, die registrierte Verbände bei Verstößen gegen verbraucher- und
datenschutzrechtliche Regelungen nach dem Unterlassungsklagegesetz erheben können. Die
Verbände klagen hier für die Allgemeinheit auf Unterlassung oder Beseitigung des Rechtsverstoßes. Schließlich kann bei kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten ein Musterverfahren
beantragt werden.
Von den vorgenannten Klagearten sind Sammelklagen nach US-amerikanischem Vorbild
(sog. class action) zu unterscheiden. Hierbei ist die klagende Person oder Einrichtung nicht
verpflichtet, die durch sie vertretenen Anspruchsteller zu identifizieren. Diese Klageart wird
in Deutschland aufgrund des mit ihr zusammenhängenden Missbrauchsrisikos und des Verstoßes gegen das Prinzip des rechtlichen Gehörs ganz überwiegend abgelehnt.
Monistisches Board-System
Beim monistischen System (engl. "one-tier system") ist die Geschäftsleitung nicht institutionell
von der Überwachung getrennt. Beide Funktionen werden von ein und demselben Organ
(Board of Directors, Verwaltungsrat) wahrgenommen. Die Zusammensetzung des Boards erfolgt aus unternehmensinternen Mitgliedern einerseits und unternehmensexternen Mitgliedern andererseits. Die unternehmensexternen Direktoren sind innerhalb des Boards mit den
spezifischen Überwachungsfunktionen betraut, da sie im Gegensatz zu den unternehmensexternen Direktoren keine geschäftsführenden Aufgaben ausüben. Beim monistischen Modell
gibt es eine zentrale Führungspersönlichkeit: den CEO (Chief Executive Officer). Er ist kollegial in das Board eingebunden und wird vom Board selbst ernannt. Der CEO ist meist auch
gleichzeitig der Vorsitzende des Boards.
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Öffnungsklausel
Die EU-Datenschutzgrundverordnung eröffnet den einzelnen EU-Mitgliedstaaten in vielen
Bereichen Regelungsspielräume („Öffnungsklauseln“) für abweichende nationale Einzelregelungen zum Datenschutz.
Privacy-Shield
Der EU-US Privacy Shield ist eine Vereinbarung auf dem Gebiet des Datenschutzrechts, die
2016 zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika getroffen wurde. Es handelt sich um eine Nachfolgeregelung für das sog. Safe-Harbor-Regime, das
der Europäische Gerichtshof im Oktober 2015 für ungültig erklärt hatte. Der Privacy Shield
besteht aus einer Reihe von Zusicherungen der US-amerikanischen Bundesregierung und einem Beschluss der EU-Kommission. Er regelt den Schutz personenbezogener Daten, die aus
einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in die USA übertragen werden. Unternehmen,
die sich im Rahmen des Privacy Shield zertifizieren, halten ein Datenschutzniveau ein, das
demjenigen der Europäischen Union entspricht. An diese Unternehmen können rechtmäßig
personenbezogene Daten in die USA transferiert werden.
Pseudonymisierung von Daten
Hierbei werden der Name und andere Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen (zumeist eine mehrstellige Buchstaben- oder Zahlenkombination) ersetzt, um die Identifizierung
des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren.
Sammelklagen
Bei Sammelklagen ist die klagende Person oder Einrichtung nicht verpflichtet, die durch sie
vertretenen Anspruchsteller zu identifizieren. Diese Klageart wird in Deutschland aufgrund
des mit ihr zusammenhängenden Missbrauchsrisikos und des Verstoßes gegen das Prinzip des
rechtlichen Gehörs ganz überwiegend abgelehnt.
Schlichtungsstelle
Eine Schlichtungsstelle ist eine Einrichtung, die Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung
zivilrechtlicher Streitigkeiten durchführt.
SPE („Europa-GmbH“)
Die Europäische Privatgesellschaft (lat.: „Societas Privata Europaea“, SPE) ist die Rechtsform
einer europäischen Kapitalgesellschaft für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und sollte als Ergänzung zur Europäischen Gesellschaft (SE, Europäische Aktiengesellschaft), die
auf größere Unternehmen ausgerichtet ist, eingeführt werden. Ziel war es, Unternehmern
eine einheitliche Rechtsform zur Verfügung zu stellen mit der die Gründungssituation für
eine Tochtergesellschaft vereinfacht und dadurch kostengünstiger gestaltet werden sollte,
dass Unternehmer nicht mehr mit den 28 rechtlichen Vorgaben der einzelnen Mitgliedstaaten konfrontiert würden. Ihr ursprünglich geplanter Zuschnitt (z. B. Kapitalgesellschaft, Mindestkapital 1 Euro, Gründer können natürliche und juristische Personen sein) ähnelt in der
Bundesrepublik Deutschland der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Das 2009
initiierte Projekt der Schaffung einer „Societas Privata Europaea“ (SPE) wurde durch die
EU-Kommission im Oktober 2013 aufgegeben, weil zwischen den Mitgliedstaaten im Rat
keine Zustimmung erreicht werden konnte.
Spruchverfahren
Das Spruchverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, mit dem ausgeschiedene oder Minderheitsaktionäre die Höhe von Ausgleichs- bzw. Abfindungszahlungen bei bestimmten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen (z. B. bei Eingliederungen, Umwandlungen oder beim
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sog. Squeeze-out) überprüfen lassen können. Die Einzelheiten sind im Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz) geregelt.
Strafschadenersatz
Ein unangemessener, über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehender Schadensersatz mit abschreckender Wirkung ist im deutschen Recht nicht vorgesehen.
Umwandlungsrecht
Im Umwandlungsrecht geht es um die gesellschaftsrechtliche Reorganisation von Unternehmen. Diese kann in Form von Verschmelzung, Spaltung (Abspaltung, Aufspaltung, Ausgliederung), Formwechsel oder Vermögensübertragung stattfinden. Rechtsgrundlage ist das Umwandlungsgesetz.
Unternehmensstrafrecht
Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts würde bedeuten, dass Unternehmen strafrechtlich belangt werden können. In Deutschland können sich jedoch lediglich die natürlichen Personen, die für die juristische Person tätig werden, einer Straftat schuldig machen.
Daneben können nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht Geldbußen gegen das Unternehmen
selbst verhängt werden. Das deutsche Recht gewährt somit ausreichende Handlungsspielräume, um Rechtsverstöße auch gegenüber Unternehmen zu sanktionieren.
Untreue
Untreue bedeutet im deutschen Strafrecht die Schädigung fremden Vermögens durch vorsätzliche Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht und ist in § 266 des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) geregelt.
Verbandsklage
Eine weitere Form des kollektiven Rechtsschutzes ist die Verbandsklage, die registrierte Verbände bei Verstößen gegen verbraucher- und datenschutzrechtliche Regelungen nach dem
Unterlassungsklagegesetz erheben können. Die Verbände klagen hier für die Allgemeinheit
auf Unterlassung oder Beseitigung des Rechtsverstoßes.
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist eine Rechtsregel, die unter anderem im deutschen und
europäischen Datenschutzrecht gilt. Der Regel zufolge ist das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten grundsätzlich verboten, solange keine
Einwilligung oder ein gesetzlicher Erlaubnisgrund vorliegt.
Vorteilsabschöpfung
Wenn bei Rechtsverstößen, die aus Unternehmen heraus begangenen werden, Geldbußen
verhängt werden, so soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, der durch die Tat erlangt
wurde, übersteigen. Reicht das gesetzliche vorgegebene Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann
die Geldbuße auch höher ausfallen, der erlangte Vorteil also abgeschöpft werden. Auf diesem
Wege werden in der Praxis bereits heute hohe dreistellige Millionensanktionen gegen Unternehmen verhängt.
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Quellenverzeichnis
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Stand
April 2017
BDI-Publikations-Nr.: 0058
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