Wesentliche Neuerungen im Verfassungsrecht

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Wesentliche Neuerungen im Verfassungsrecht
durch die Bundesverfassungsgesetze BGBl I 2008, Nr. 1 und 2
Gabriele Kucsko-Stadlmayer
Hintergrund: Die mit diesen beiden Bundesverfassungsgesetzen herbeigeführten Neuerungen
basieren auf dem Entwurf einer „Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform“ aus 2007.
Dieser wurde freilich nicht zur Gänze umgesetzt; insb. wurden nach wie vor keine Landesverwaltungsgerichte geschaffen. Im Folgenden werden einige wesentliche Neuerungen geschildert. Zur Erläuterung im Detail vgl. die Materialien GP 23 RV 203 u 314 AB 370 u 372.
1. Rechtsbereinigung im Bereich des formellen Bundesverfassungsrechts
Rechtsquelle: 1. BVRBG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 58 f
Mit dem Ersten Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz (1. BVRBG) wurde eine
große Zahl von verfassungsrechtlichen Regelungen außerhalb des B-VG aufgehoben, als nicht
mehr geltend festgestellt oder ihres Verfassungsranges entkleidet. Dies erfolgte auf Grund der
Vorarbeiten von Ausschuss 2 des Österreich-Konvents; Ziel war es, das Bundesverfassungsrecht übersichtlicher als bisher zu gestalten. Ein „Inkorporationsgebot“, das Verfassungsbestimmungen außerhalb des B-VG schlechthin verbieten oder einschränken würde, besteht
aber weiterhin nicht, sodass „fugitives Verfassungsrecht“ weiterhin zulässig bleibt.
2. Staatsverträge
Rechtsquelle: Art 50 B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 114 ff.
Gem Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG ist der Abschluss von politischen Staatsverträgen und
Staatsverträgen mit gesetzesänderndem oder gesetzesergänzendem Inhalt weiterhin nur mit
Genehmigung des Nationalrats möglich. Diese Genehmigung wird bekanntlich in Abs 3 durch
einen Verweis auf Art 42 Abs 1 bis 4 B-VG (verfassungsrechtliche Regelungen über die
Entstehung von Bundesgesetzen) näher bestimmt. Im Ergebnis hat die Genehmigung des
Nationalrates in diesen Fällen damit auf die gleiche Art und Weise zu erfolgen wie die
Beschlussfassung über ein Bundesgesetz.
Anders als bisher verweist Art 50 Abs 3 B-VG aber nun nicht mehr auf Art 44 B-VG,
der die Voraussetzungen für den Beschluss von Verfassungsgesetzen regelt. Daraus ist
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abzuleiten, dass für die Genehmigung von verfassungsändernden und -ergänzenden
Staatsverträgen nunmehr die Beschlusserfordernisse für einfache Gesetze gelten. Dadurch
entsteht freilich eine Verfassungswidrigkeit, die durch ein eigenes Verfassungsgesetz
bereinigt werden muss. Im Ergebnis wird damit bezweckt, dass – zum Zweck der besseren
Übersichtlichkeit – Sonderverfassungsrecht außerhalb des B-VG nur noch in eigenen
Gesetzen und nicht mehr im Rahmen von Staatsverträgen erzeugt wird.
Eine Ausnahme gilt für Staatsverträge, die die vertraglichen Grundlagen der
Europäischen Union ändern (vgl. Art 50 Abs 1 Z 2 B-VG). Gem Art 50 Abs 4 B-VG
bedürfen solche Staatsverträge der Genehmigung des NR und des BR mit jenen Quoren, die
für das Zustandekommen von Verfassungsgesetzen notwendig sind. Im Unterschied zum
früheren Art 50 Abs 3 B-VG, der für verfassungsändernde und -ergänzende Staatsverträge
eine ausdrückliche Bezeichnung als solche forderte, ist diese in den genannten Fällen nun
nicht mehr erforderlich. Im Ergebnis müssen derartige Staatsverträge also nur noch mit
erhöhten Quoren vom NR und vom BR genehmigt werden. Nach den Erl zur RV sollen
durch diese Neuregelung die früher notwendigen Sonderverfassungsgesetze entbehrlich
werden. Nach wie vor dürfen Staatsverträge, die die vertraglichen Grundlagen der EU ändern,
aber ohne Volksabstimmung keine Gesamtänderung der Bundesverfassung bewirken (arg.:
„unbeschadet des Art 44 Abs 3 B-VG“).
Eine weitere Neuerung betrifft Staatsverträge, die schon abgeschlossene Staatsverträge
gem Art 50 Abs 1 Z 1 B-VG ändern und – auf Grund des Völkerrechts – in einem
vereinfachten Verfahren erfolgen können. Diesfalls ist eine Genehmigung des Nationalrats
nur nötig, wenn dieser sie sich von Anfang an vorbehalten hat (Art 50 Abs 2 Z 1 B-VG).
Schließlich sieht ein neu eingefügter Art 50 Abs 5 B-VG vor, dass NR und BR nun
bereits von der Aufnahme von Verhandlungen über einen Staatsvertrag gem Art 50 Abs 1
B-VG unverzüglich zu unterrichten sind.
3.
Haushaltsrecht
Rechtsquellen: Art 51, 51a – 51d B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 254 ff.
Zu beachten ist, dass die nachfolgend dargestellten Neuerungen erst am 1.1.2009 bzw.
am 1.1.2013 in Kraft treten. Sie werden also etappenweise in Kraft gesetzt.
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Änderungen gibt es zunächst bei den als Staatszielbestimmung formulierten Zielen
der Haushaltsführung. Art 13 Abs 2 B-VG definiert als solche
Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, worunter nach den
Erl über das bisherige Begriffsverständnis hinaus folgende Aspekte verstanden werden:
ausgewogenes Wachstum, Preisstabilität, in hohem Maß wettbewerbsfähige soziale
Marktwirtschaft, Vollbeschäftigung, sozialer Fortschritt, hohes Maß an Umweltschutz und
Verbesserung der Umweltqualität;
nachhaltig geordnete Haushalte, also Budgets, die keine erheblichen
Gegensteuerungsmaßnahmen erfordern, und
-
die Koordinierung der Gebietskörperschaften bei der Erreichung dieser Ziele.
Art 13 B-VG wurde außerdem um einen Abs 3 erweitert, wonach die
Gebietskörperschaften bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen
und Männern anzustreben haben (sogenanntes „gender-budgeting“).
Darüber hinaus wurde das Haushaltsrecht selbst geändert. Wichtige Punkte sind:
1. Der Nationalrat hat nicht nur wie bisher das Bundesfinanzgesetz zu beschließen,
sondern auch ein Bundesfinanzrahmengesetz (BFRG), das die Grenzen für das
Bundesfinanzgesetz (BFG) absteckt. Das BFRG ersetzt somit das jetzige Budgetprogramm.
Es kommt so zustande: Die Bundesregierung legt dem Nationalrat jährlich den Entwurf für
ein BFRG (oder eine Änderung des vorigen BFRG) vor und legt darin Obergrenzen für die
Mittelverwendung für das folgende und die drei nächstfolgenden Finanzjahre fest. Es wird
also jährlich ein BFRG beschlossen, das sich auf die jeweils nächsten vier Jahre bezieht,
wobei die drei durch das geltende BFRG bereits geregelten Jahre freilich nicht geändert
werden müssen. Die konkrete Mittelverwendung wird durch das jeweilige BFG genehmigt.
Die Obergrenzen des BFRG gelten nicht für bestimmte besondere Mittelverwendungen, wie
etwa die Rückzahlung von Finanzschulden (siehe Art 51 Abs 2 B-VG, und dürfen nur in
besonderen Ausnahmefällen überschritten werden (Art 51 Abs 6 B-VG).
2. Eine wichtige Neuerung betrifft die Geltungsdauer des Bundesfinanzgesetzes.
Die Bundesregierung kann in Hinkunft dem Nationalrat ausnahmsweise auch ein BFG für die
nächsten zwei Jahre vorlegen (Art 51 Abs 3 B-VG). Die Bestimmungen müssen nur nach
Jahren getrennt sein. Damit ist der Grundsatz der Einjährigkeit bei der Budgeterstellung
gefallen. In der zweiten Hälfte des ersten Finanzjahres, auf das sich das BFG bezieht, ist
allerdings ein Änderungsentwurf für das BFG, der sich auf das 2. Jahr bezieht, bis spätestens
10 Wochen vor Beginn des 2. Finanzjahres vorzulegen.
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3. Neue Regelungen gelten auch für den Fall des nicht rechtzeitigen
Zustandekommens eines BFG (bzw. nun auch BFRG). Legt die BReg nicht rechtzeitig
einen entsprechenden Entwurf vor, so kann – wie bisher – der NR selbst eine solche Vorlage
machen. Neuerungen gelten, wenn ein BFG bzw BFRG nicht innerhalb der zeitlichen
Vorgaben vom NR beschlossen wird. Das bisherige Budgetprovisorium, das die Anwendung
der Regierungsvorlage und ab dem 4. Monat des neuen Finanzjahres die Anwendung des
alten BFG vorsah, wurde geändert: Hat der Nationalrat in einem Finanzjahr kein BFRG
beschlossen, so gelten automatisch die Obergrenzen des BFRG des Vorjahres weiter. Wurde
das BFG nicht beschlossen, wird ebenfalls automatisch an die Bestimmungen des BFG für
das Vorjahr angeknüpft. Die „Zwischenstufe“ der Anwendung der Regierungsvorlage
entfällt somit. Auch das „System der provisorischen Zwölftel“, wonach während des
Provisoriums jeden Monat ein Zwölftel der Ausgabenansätze aus dem vorigen BFG oder dem
Regierungsentwurf als Höchstgrenzen dienten, fällt weg.
Die Möglichkeit eines bundesgesetzlichen Budgetprovisoriums gibt es nach der
neuen Rechtslage weiterhin. Dies bezieht sich jedoch nur auf das BFG. Ein fehlendes BFRG
kann nicht durch ein provisorisches Bundesgesetz erstellt werden.
4. Die überplanmäßigen Ausgaben sind in Art 51b B-VG ähnlich geregelt wie
bisher. Die bundesfinanzgesetzliche Ermächtigung an den BMF ist in Hinkunft aber an
weniger strenge Erfordernisse geknüpft (Art 51b Abs 3nF, Art 51b Abs 4aF). 2013 tritt eine
weitere Neuerung insofern ein, als die bundesfinanzgesetzliche Ermächtigung vom BMF
unter bestimmten Umständen an Leiter von Dienststellen übertragen werden kann
(Subdelegation).
5. Ab 2013 werden im Art 51 Abs 8 B-VG weiters neue Haushaltsgrundsätze
festgelegt: Wirkungsorientierung (output/outcome – Orientierung der Haushaltsführung),
Transparenz
(schließt
die
klassischen
Grundsätze
der
Einheit,
Vollständigkeit,
Bruttobudgetierung, Budgetkontinuität mit ein), Effizienz (Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit),
möglichst getreue Darstellung der finanziellen Lage des Bundes sowie die Berücksichtigung
des Ziels der Gleichstellung von Mann und Frau.
4.
Weisungsbindung
Rechtsquelle: Art 20 B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 337 ff.
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Die Möglichkeit der einfachgesetzlichen Ausnahme von der verfassungsgesetzlich
angeordneten Weisungsbindung wurde stark erweitert. Dies geschah durch Nennung einer
ganzen Reihe von Verwaltungsaufgaben, für die nunmehr weisungsfreie Behörden durch
einfaches Gesetz geschaffen werden können. Platziert wurde die Regelung in Art 20 Abs 2 BVG, wo früher nur die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag geregelt waren. Für
folgende Organe ist nun eine einfachgesetzliche Weisungsfreistellung möglich:
• sachverständige Prüfung (Z 1),
• Kontrolle der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie zur Kontrolle in
Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (Z 2),
• Entscheidung in oberster Instanz, wenn sie kollegial eingerichtet sind, ihnen wenigstens
ein Richter angehört und ihre Bescheide nicht der Aufhebung oder Abänderung im
Verwaltungsweg unterliegen (Z 3),
• Schieds-, Vermittlungs- und Interessenvertretungsaufgaben (Z 4),
• Sicherung des Wettbewerbs und zur Durchführung der Wirtschaftsaufsicht (Z 5),
• Durchführung einzelner Angelegenheiten des Dienst- und Disziplinarrechts (Z 6),
• Durchführung und Leitung von Wahlen (Z 7) oder
• Soweit dies nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union geboten ist (Z 8).
Die bisher im Art 20 Abs 2 B-VG geregelten Kollegialbehörden mit richterlichem
Einschlag wurden in dessen Z 3 integriert. Bei der Möglichkeit ihrer Schaffung durch
einfaches Gesetz ändert sich nichts. Eine Neuerung liegt allerdings darin, dass ihre nichtrichterlichen Organe nicht wie bisher schon unmittelbar aufgrund der Verfassung
weisungsfrei sind, sondern einer Weisungsfreistellung durch einfaches Gesetz bedürfen.
Neu ist, dass alle nach Art 20 Abs 2 B-VG weisungsfrei gestellten Organe einem
gesetzlich verankerten, angemessenen Aufsichtsrecht der obersten Organe unterliegen
müssen. Diese sollen dabei zumindest die Befugnis erhalten, sich über Gegenstände der
Geschäftsführung des weisungsfreien Organs zu informieren und es aus wichtigem Grund
abzuberufen. Für die Organe gemäß Z 2, 3 und 8 muss eine solche Abberufungsbefugnis
nicht vorgesehen werden.
Als Korrelat zur Weisungsfreiheit, dem damit einhergehenden Verlust an Steuerungsbefugnis des ressortzuständigen Bundesministers und der insoweit fehlenden parlamentarischen Verantwortlichkeit wurde ein Zitationsrecht geschaffen, mit dessen Hilfe NR und BR
Leiter von weisungsfreien Organen in Ausschüsse einberufen können (Art 52 Abs 1a B-VG).
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5.
Staatsanwaltschaft
Rechtsquelle: Art 90a B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 371 ff
Im B-VG sind verschiedene Organe zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufen: die
Richter (Art 86 ff), die Rechtspfleger (Art 87a) und die Laienrichter (Art 91). Die
Staatsanwälte wurden bisher der Verwaltung zugeordnet.
Mit dem neuen Art 90a B-VG werden nun auch Staatsanwälte ausdrücklich als Organe
der Gerichtsbarkeit bezeichnet. Als Hintergrund ist zu erläutern, dass Staatsanwälte seit der
Strafprozessreform 2008 in gerichtlichen Strafverfahren nicht mehr nur die Anklagefunktion,
sondern auch die Leitung des Ermittlungsverfahrens vor Anklageerhebung inne haben.
Bisher war dies Aufgabe der Untersuchungsrichter. Nach den Erl zur RV ist durch diese neue
Aufgabe die Bedeutung der der Staatsanwälte gestiegen, sodass sie nun ausdrücklich in der
Verfassung genannt werden sollten.
Als Verwaltungsorgane unterlagen die Staatsanwälte seit je der Weisungsgebundenheit nach Art 20 B-VG, insb. auch im Verhältnis zum Bundesminister für Justiz. Dies ist
nun nicht mehr der Fall. Nunmehr kann der Gesetzgeber die näheren Regeln über die
Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte gegenüber den ihnen vorgesetzten Organen erlassen. Dabei könnte auch eine Weisungsfreistellung erfolgen. Derzeit gilt allerdings noch § 2
Abs 1 StAG, wonach die Staatsanwaltschaften den Oberstaatsanwaltschaften und diese sowie
die Generalprokuratur dem BMJ unmittelbar untergeordnet und weisungsgebunden sind.
6.
Universitäten
Rechtsquelle: Art 81c B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 410ff.
Für die öffentlichen Universitäten wurde eine eigene Verfassungsbestimmung
geschaffen, mit der mehrere Bestimmungen aus Sondergesetzen zusammengefasst und als Art
81c ins B-VG eingefügt wurden. Dessen Kerngehalt ist die verfassungsrechtliche
Verankerung der Universitätsautonomie. Privatuniversitäten sind davon nicht erfasst.
Wie bisher garantiert die Autonomie den Universitäten nicht nur Weisungsfreiheit,
vielmehr schließt sie auch einen Instanzenzug an staatliche Organe aus. Zulässig bleibt die
Mitwirkung staatlicher Organe bei der Bestellung einzelner (nicht die Mehrheit
ausmachender) Mitglieder eines Kollegialorgans; dies ist nach geltendem einfachgesetzlichem
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Organisationsrecht beim „Universitätsrat“ der Fall. Einer staatlichen Aufsicht steht die
Universitätsautonomie schon grundsätzlich nicht entgegen.
Über die Gewährleistung von Autonomie hinausgehend ermächtigt Art 81c B-VG den
Bundesgesetzgeber nun auch dazu, Tätigkeiten an der Universität, die Mitwirkung in
Universitätsorganen und in der Studierendenvertretung für Nichtösterreicher zu öffnen.
Bisher war dies wegen des Inländervorbehalts in Art 3 Abs 2 StGG zum Teil nicht möglich.
7. Selbstverwaltung
Rechtsquelle: Art 120a – 120b B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 410 ff.
Die Selbstverwaltung wird in einem neuen, 5. Hauptstück des B-VG geregelt, das sich
in die Bereiche A. Gemeinden und B. Sonstige Selbstverwaltung untergliedert. Dieser Teil B
ist völlig neu; bisher war die „sonstige“ Selbstverwaltung nur auf Basis einer Judikatur des
Verfassungsgerichtshofes für zulässig erachtet worden.
Gemäß Art 120a Abs 1 B-VG ist der einfache Gesetzgeber nun ausdrücklich dazu
ermächtigt, Personen „zur selbstständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die in ihrem
ausschließlichen oder überwiegenden gemeinsamen Interesse gelegen und geeignet sind,
durch sie gemeinsam besorgt zu werden, durch Gesetz zu Selbstverwaltungskörpern“
zusammenzufassen.
Eine
Verpflichtung
des
Gesetzgebers,
bestimmte
Selbstverwaltungskörper einzurichten, besteht nicht, jedoch wurde in Art 120a Abs 2 B-VG
nun ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft verankert.
Art 120b Abs 1b-VG stellt die Selbstverwaltungskörper weisungsfrei, wobei dem
Bund oder dem Land aber jeweils ein Aufsichtsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der
Verwaltungsführung zukommt. Dieses Aufsichtsrecht kann sich darüber hinaus auch auf die
Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung erstrecken. Dafür gilt freilich die Voraussetzung,
dass dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist.
Gemäß Art 120b Abs 2 B-VG können den Selbstverwaltungskörpern Aufgaben
staatlicher Verwaltung übertragen werden, wobei der Gesetzgeber derartige Angelegenheiten
ausdrücklich als solche des übertragenen Wirkungsbereiches zu bezeichnen hat. Dies ist
ein wesentlicher Unterschied zur Selbstverwaltung der Gemeinden, bei denen gemäß Art 118
Abs 2 B-VG gerade umgekehrt eine Bezeichnungspflicht für Angelegenheiten des eigenen
Wirkungsbereichs besteht.
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Gemäß Art 120c Abs 3 B-VG sind Selbstverwaltungskörper wie Gemeinden auch
selbstständige Wirtschaftskörper, die im Rahmen der Gesetze zur Erfüllung ihrer Aufgaben
Vermögen aller Art erwerben, besitzen und darüber verfügen können.
8.
Asylgerichtshof
Rechtsquelle: Art 129c-129f, 132a, 144a B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 443 ff.
Mit 1.7.2008 wurde der Unabhängigen Bundesasylsenat, früher Rechtsmittelinstanz in
Asylsachen, durch den Asylgerichtshof abgelöst. Gemäß Art 129c B-VG erkennt nun dieser
nach Erschöpfung des Instanzenzugs über Bescheide der Verwaltungsbehörden in
Asylsachen und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in solchen
Angelegenheiten.
Die Mitglieder des Asylgerichtshofes werden gemäß Artikel 129d Abs 2 B-VG durch
den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt. Alle Mitglieder des
Asylgerichtshofes müssen das Studium der Rechtswissenschaften oder die rechts- und
staatswissenschaftlichen Studien abgeschlossen haben und zumindest über eine fünfjährige
juristische Berufserfahrung verfügen; die Befähigung zum Richteramt müssen sie nicht
aufweisen. Mit ihrer Ernennung werden die Mitglieder des Asylgerichtshofes Richter iSd
Art 87 und Art 88 B-VG. Auch Art 89 B-VG gilt sinngemäß für den Asylgerichtshof. Die
nähren
Bestimmungen
über
dessen
Organisation
und
Verfahren
regelt
das
Asylgerichtshofgesetz.
Der Asylgerichtshof erkennt nach Art 129e Abs 1 B-VG durch Einzelrichter oder in
Senaten. Eine besondere Neuerung im Verhältnis zu den früheren Kompetenzen des UBAS
sind die sog. Grundsatzentscheidungen. Sie sind auf Antrag des Einzelrichters oder Senates
in einem verstärkten Senat zu entscheiden. Charakteristisch für sie ist, dass sie losgelöst vom
Einzelfall ergehen und allgemein verbindliche Wirkung haben. Grundsatzentscheidungen sind
für folgende Fälle vorgesehen:
•
Rechtsfragen, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil
o von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen
werden würde,
o eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder
o die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung
Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, sowie für
•
des
Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von Verfahren stellen.
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Völlig neu geregelt wurde die Befugnis zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen
Entscheidungen des Asylgerichtshofs: Gegen sie ist nunmehr grundsätzlich keine
Beschwerde
an
den
VwGH
mehr
möglich.
Dieser
kann
nur
noch
über
Grundsatzentscheidungen erkennen; diese sind ihm von Amts wegen vorzulegen (Art 132a
Abs 1 B-VG). Der VwGH hat darüber meritorisch zu entscheiden; tut er dies nicht binnen
sechs Monaten, so gilt die Grundsatzentscheidung als bestätigt.
Kompensiert wird dieser Wegfall von Rechtsschutz nur durch die Möglichkeit, gegen
Entscheidungen des Asylgerichtshofes beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu erheben
(Art 144a B-VG). Beschwerdevoraussetzung ist, ähnlich wie nach Art 144 B-VG, dass der
Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten
Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu
sein behauptet. Obwohl dies nicht ausdrücklich normiert ist, dürften Grundsatzentscheidungen
– die ja vom VwGH kontrolliert werden – nicht auch vom VfGH überprüfbar sein.
Der Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes ist demnach beim
VfGH konzentriert. Dessen ungeachtet hat dieser die Befugnis, auch Beschwerden gemäß Art
144a B-VG abzulehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben oder von
ihrer Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist.
9.
Volksanwaltschaft
Rechtsquelle: Art 148a, 148c B-VG
Lehrbuch: Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, S. 579 ff.
Mit dem neuen Art 148a Abs 3 B-VG erhält die Volksanwaltschaft die Befugnis, in
eingeschränktem Ausmaß nun auch die Gerichte zu kontrollieren: Im Fall der Säumnis eines
Gerichtes mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung kann die Volksanwaltschaft nun
sowohl auf Grund einer Beschwerde als auch von Amts wegen einschreiten. Als besonderes
Kontrollmittel wird ihr dazu die Befugnis eingeräumt, „Fristsetzungsanträge“ nach § 91 GOG
(die früher nur der Partei selbst zustanden) einzubringen und Maßnahmen der Dienstaufsicht
anzuregen (Art 148c B-VG). Damit soll Abhilfe für gehäufte Fälle überlanger
Verfahrensdauer bei Gericht geschaffen werden.
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