Thomas Kirchner · Volkmar Nüssler (Herausgeber) Stephanie E. Combs · Jürgen E. Gschwend · Reiner Gradinger Christian Peschel · Jutta Engel · Volker Heinemann · Peter Herschbach Tumorzentrum München Jahrbuch 2016 Mit 57 Abbildungen und 21 Tabellen Verlag und Gesundheitsakademie GmbH München Auslieferung: Agileum Verlag und Gesundheitsakademie GmbH Landsberger Straße 480a 81241 München Telefon 0 89 / 82 07 37-27 0 89 / 82 07 37-28 Fax [email protected] www.agileum.de Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Wichtiger Hinweis Forschung und klinische Erfahrung tragen dazu bei, dass sich die Erkenntnisse bezüglich Behandlung und medikamentöser Therapie ständig erweitern. Autoren und Verlag haben größte Sorgfalt darauf verwandt, Angaben zur Dosierung und Applikation von Medikamenten gemäß dem aktuellen Stand des Wissens zu dokumentieren. Für die Richtigkeit dieser Angaben können Autoren und Verlag allerdings keine Gewähr übernehmen. Jeder Leser ist angehalten, durch sorgfältiges Studium der jeweiligen Beipackzettel und/oder durch Konsultation eines kompetenten Experten zu prüfen, ob die in diesem Werk festgehaltenen Angaben zu Indikation, Kontraindikation und Dosierung noch dem aktuellen Stand des Wissens entsprechen. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu in Verkehr gebracht worden sind. Jede Anwendung eines in diesem Werk empfohlenen Arzneimittels oder einer empfohlenen Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Für Korrekturhinweise oder Verbesserungsvorschläge seitens der Leser sind Autoren und Verlag immer offen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Sind gesetzlich geschützte Warennamen ohne besondere Kennzeichnung (Warenzeichen) aufgeführt, berechtigt dies nicht zur Annahme, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. ISSN: 1868-8004 ISBN: 978-3-939415-25-1 © 2016 by Agileum Verlag und Gesundheitsakademie GmbH, Landsberger Straße 480a, 81241 München Printed in Germany Das Buch wurde »klimaneutral mit mineralölfreien Farben gedruckt« Anzeigen: Manfred Just, München Redaktion: Ludger Wahlers (verantwortlich), Tina Schreck, München, Dr. Susanne Meinrenken, Bremen Umschlaggestaltung: Charlotte Schmitz, Haan Layout, Satzherstellung und Digitalisierung der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg IV Impressum Geleitwort Liebe Besucher der TZM Essentials 2016, Liebe Leser des TZM-Jahrbuchs 2016, das Wichtigste aus Hämatologie und Onkologie an einem Tag: auch in diesem Jahr ist das der Anspruch, für den das Tumorzentrum München mit seinem Jahreskongress 2016 steht. Am 23. Januar 2016 erfahren Sie in 18 Vorträgen alles, was in den vorangegangenen zwölf Monaten in Hämatologie und Onkologie wichtig und von praktischer Relevanz gewesen ist. In den Beiträgen dieses Buches, das am selben Tag erscheint und an Kongressteilnehmer kostenlos ausgegeben wird, finden Sie vertiefende Informationen zu jedem Vortrag. Die Autoren haben die bedeutendsten Journale ihrer jeweiligen Fachgebiete genauso berücksichtigt wie die großen Kongresse des letzten Jahres. Auch die wichtigsten Ergebnisse der großen Dezember-Kongresse, namentlich des San Antonio Breast Cancer Symposiums (SABCS) und der Jahrestagung der US-amerikanischen Fachgesellschaft für Hämatologie (ASH), sind in unserem Jahrbuch dokumentiert. Wie Sie sich unschwer vorstellen können, ist die Hauptarbeit an diesem Buch von Ende November des letzten bis Mitte Januar des gerade begonnenen Jahres geleistet worden. Allen Autorinnen und Autoren, aber auch den Mitarbeitern des Agileum-Verlags danken wir an dieser Stelle sehr für ihren Einsatz. Die TZM Essentials und auch dieses Buch richten sich an alle onkologisch tätigen Ärzte. Mit dieser und mit anderen Publikationen bemühen wir uns im Tumorzentrum München seit mehr als 30 Jahren um die Translation akademischen Wissens in die klinische Praxis. Nehmen Sie unser Angebot wahr und nutzen Sie das vorliegende Buch als Hilfe für Ihre tägliche Arbeit. Selbstverständlich sind wir auch offen für jede Art von Verbesserungsvorschlag. Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an [email protected]. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. München, im Januar 2016 Prof. Dr. med. Thomas Kirchner Vorsitzender des Geschäftsführenden TZM-Vorstands Prof. Dr. med. Volkmar Nüssler Geschäftsführender Koordinator des Tumorzentrums München Geleitwort V Inhaltsverzeichnis Aktuelles zur medikamentösen Therapie des Mammakarzinoms . . . . . . . . . . . . . . . Rachel Würstlein, Brigitte Rack 1 Aktuelles zur Bestrahlung beim frühen Mammakarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Scheithauer 11 Mammakarzinom des Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Höß 23 Ovarialtumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Burges, Barbara Schmalfeldt 41 Aktuelle Therapieoptionen beim fortgeschrittenen Melanom . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Heppt, Saskia A. Graf, Carola Berking 59 Myeloproliferative Neoplasien (ohne CML) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Jost 69 Diagnostik und Therapie des follikulären Lymphoms und des Mantelzelllymphoms . . . . . Till Seiler, Martin Dreyling 85 Tumorregister München (TRM) – Ein Fundus für Qualitätssicherung (QS) und Comparative Effectiveness Research (CER) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Jutta Engel, Gabriele Schubert-Fritschle Lungentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Thomas Duell, Amanda Tufman, Rudolf M. Huber Therapie des metastasierten Urothelkarzinoms: Immun-Checkpoint-Therapie ante portas . . 147 Robert Tauber Metastasiertes Nierenzellkarzinom: Die Wiederauferstehung der Immuntherapie . . . . . . 157 Robert Tauber, Margitta Retz, Jürgen Gschwend Begrenzung tumorspezifischer Therapie am Lebensende: Entwicklung einer Leitlinie . . . . 169 Elena Jaeger, Friederike Mumm, Wolfgang Hiddemann, Eva Winkler, Pia Heußner Der Stellenwert des HPV-Status beim oralen Plattenepithelkarzinom . . . . . . . . . . . . 183 Andreas Kolk Inhaltsverzeichnis VII Chirurgie der Weichteilsarkome und Extremitätenperfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Ulrich Lenze, Florian Pohlig, Florian Lenze, Heinrich Mühlhofer, Katja Specht, Klaus Wörtler, Rüdiger von Eisenhart-Rothe, Hans Rechl Systemtherapie und regionale Hyperthermie bei Weichteilsarkomen . . . . . . . . . . . . 219 Eric Kampmann, Hans Roland Dürr, Martin Angele, Falk Röder, Thomas Knösel, Lars H. Lindner Molekulare Graduierung und tumorgenetische Diagnostik als Grundlage individualisierter zielgerichteter Therapien bei kolorektalen Karzinomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Thomas Kirchner, Andreas Jung, Sebastian Stintzing Zielgerichtete Therapie des kolorektalen Karzinoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Julian Holch, Sebastian Stintzing, Volker Heinemann Neues zu Definition und Therapiekonzepten beim Magenkarzinom . . . . . . . . . . . . . 265 Michael Quante Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 VIII Inhaltsverzeichnis Aktuelles zur medikamentösen Therapie des Mammakarzinoms Rachel WüRstlein, BRigitte Rack 1 1.1 1.2 1.3 Frühes Mammakarzinom 3 Subgruppen 3 Medikamentöse Therapie im Überblick Nachsorge 6 2 Metastasiertes Mammakarzinom 2.1 CDK4/6-Inhibition mit Palbociclib 2.2 Zirkulierende Tumorzellen 8 3 Zusammenfassung 4 Literatur 9 8 6 6 4 1 Frühes Mammakarzinom Speziell für Patientinnen mit primärem, nicht metastasiertem Mammakarzinom haben sich im vergangenen Jahr einige Therapie-Änderungen ergeben. Sie resultieren aus dem Bemühen um eine auf die einzelne Patientin angepasste Behandlung, bei der Über- und Untertherapien vermieden werden sollen. Auch die zunehmende Subtypisierung unterstützt die weitergehende Individualisierung der Therapie. 1.1 Subgruppen Zu den bekannten Subgruppen Hormonrezeptor-positive (HR-positive), HER2-positive und tripelnegative (TNBC) Mammakarzinome kommen neue Subgruppen wie das tripelpositive (HR-positiv, HER2-positiv) sowie die Gruppe der BRCA-positiven Patientinnen hinzu. 1.1.1 Tripelpositive Tumoren Beim SABCS 2015 präsentierte Nadia Harbeck die finale Analyse eines Teils der WSG-ADAPT-Studie, in der insgesamt 376 Patientinnen mit tripelpositiven Tumoren 12 Wochen lang neoadjuvant entweder T-DM1 mit beziehungsweise ohne endokrine Therapie (A) oder Trastuzumab plus endokrine Therapie (B) erhielten (Abb. 1). Eine pCR erreichten in Arm A 41% der Patientinnen, in Arm B dagegen nur 6,7% [4]. Die ursprüngliche Vermutung, dass die Hinzunahme von ET zu T-DM1 die pCR-Rate weiter erhöht, ließ sich allerdings nicht bestätigen. Mit den Ergebnissen dieser Phase-II-Studie wird zum ersten Mal gezeigt, dass sich klinisch bedeutsame pCR-Raten bei Patientinnen mit tripelpositiven Tumoren innerhalb von 12 Wochen auch ohne systemische Chemotherapie erreichen lassen. TZM Essential Darüber hinaus ist klar geworden, dass tripelpositive Patientinnen mit tripelpositiven MammaMammakarzinome künftig als eigene Subgruppe auch in karzinomen sollten künftig als eigene Subgruppe berücksichtigt werden. Studien Berücksichtigung finden sollten. 1.1.2 Tripelnegative Tumoren Die pathologische Komplettremission (pCR) ist auch für TNBC-Patientinnen mit einer verbesserten Prognose assoziiert. Allerdings ist bislang nicht klar, mit welchem Chemotherapie-Regime sich die besten pCRRaten erzielen lassen. Die GeparSixto-Studie [8] und andere Arbeiten haben gezeigt, dass die Kombination aus Taxan und Carboplatin vielversprechend sein könnte. In der GeparSepto-Studie wurde zudem gezeigt, dass Nab-Paclitaxel – das in Deutschland für den neoadjuvanten Einsatz bislang noch nicht zugelassen ist – sich für die Remissionsinduktion bei frühem Hochrisiko-Brustkrebs besonders qualifiziert. 38% der Frauen im Nab-Paclitaxel-Arm, aber nur 29% im Paclitaxel-Arm erreichten in dieser Studie eine pCR [7]. Aktuelles zur medikamentösen Therapie des Mammakarzinoms 3 Beim SABCS 2015 präsentierte Oleg Gluz zur Frage des optimalen Chemotherapie-Regimes bei TNBC-Patientinnen die Ergebnisse eines Vergleichs von Nab-Paclitaxel plus Gemcitabin (A) und Nab-Paclitaxel plus Carboplatin (B), also zwei Anthrazyklin-freie Regime. In Arm A starteten 182 Patientinnen, in Arm B 154. 90% bezieTZM Essential hungsweise 95% der Patientinnen konnten die Therapie Bei TNBC-Patientinnen lassen sich mit der Kombination Nab-Paclitaxel plus Carboplatin protokollgemäß abschließen. In Arm A erreichten 28,7%, pCR-Raten >45% erreichen, und das bei in Arm B aber 45,9% der Patientinnen eine pCR [2]. guter Verträglichkeit. Gleichzeitig traten in Arm B bei nur 5%, in Arm A aber bei 13% der Patientinnen behandlungsbezogene Nebenwirkungen auf. Die Ergebnisse belegen eine bessere Wirksamkeit für die Kombination Nab-Paclitaxel plus Carboplatin. Bei Vorliegen eines TNBC sollte jeder Patientin, vor allem vor dem 60. Lebensjahr, unabhängig von der familiären Anamnese eine BRCATestung in einem Zentrum für familiäre Brust- und Eierstockerkrankungen angeboten werden. Über die additive Platin-Gabe sollte in jedem Einzelfall entschieden werden; dies wurde bereits in den AGO Empfehlungen 2015 festgelegt. 1.1.3 HR-positive/HER2-negative Tumoren Bei der großen Gruppe der HR-positiven/HER2-negativen Tumoren spielen die Genexpressionsanalysen zur Indikationsstellung für eine ergänzende adjuvante Chemotherapie (vor der antihormonellen Therapie) eine zunehmende Rolle, und zwar in Studien (zum Beispiel GEICAM, ADAPT, WSG-BCIST, PRIME) wie auch in der klinischen Routine. Dazu werden die Testverfahren MammaPrint, EndoPredict, Prosigna und Oncotype DX eingesetzt, die bereits im Jahr 2015 von der AGO mit „+“ bewertet wurden, wenn alle anderen Kriterien keine Therapieentscheidung zulassen. Für den Oncotype DX wurden kürzlich auf dem Europäischen Krebskongress ECCO 2015 in Wien die ersten prospektiven Überlebensdaten aus den Studien TAILORx und WSG PlanB berichtet. Die hervorragenden Überlebensdaten in der Oncotype-DX-low-riskGruppe erlauben es, bei diesen Niedrigrisiko-Patientinnen mit bis zu 3 befallenen Lymphknoten auf die Chemotherapie zu TZM Essential verzichten. Mit Spannung werden die Ergebnisse für die Niedrigrisiko-Patientinnen mit HR-positiven/ Intermediate-Risk-Gruppe erwartet, die im Rahmen der HER2-negativen Tumoren lassen sich mit MINDACT-Studie wohl im Lauf des Jahres 2016 erstmals Genexpressionstests immer besser selektieren. präsentiert werden. 1.2 Medikamentöse Therapie im Überblick 1.2.1 Endokrine Therapie Im Bereich der antihormonellen Therapie beim frühen HR-positiven Mammakarzinom stehen die bewährten Medikamente Tamoxifen und 4 Rachel Würstlein, Brigitte Rack Aromatasehemmer (AI) weiter an erster Stelle. Vergleichsweise neu sind die Therapieverlängerungen auf bis zu 10 Jahre (EAT, junge Patientinnen) und die Renaissance der Kombination von GnRH-Analoga mit Tamoxifen oder AI bei jungen Hochrisiko-Patientinnen, insbesondere bei fehlender sekundärer Amenorrhoe. Hier müssen Vorteile (bisher DFS) und Nebenwirkungsspektrum sowie individuelle Patientenwünsche (zum Beispiel Kinderwunsch) auch bei den Nachsorgegesprächen immer wieder abgeglichen werden. 1.2.2 Chemotherapie Ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert, bleibt der Standard eine Anthrazyklin- und Taxan-haltige Basis. Typische Regime bestehen aus 4 Zyklen EC 14-tägig beziehungsweise 3-wöchentlich, gefolgt von 12 Zyklen Paclitaxel wöchentlich. Liegt eine Kontraindikation für Anthrazykline vor, können alternativ eine Taxan- und Platin-haltige Kombination oder 4 Zyklen TC (Docetaxel/Cyclophosphamid) zum Einsatz kommen. In Analogie zu den AGO-Empfehlungen sollte bei bestehender Chemotherapie-Indikation nach Biopsie in Abhängigkeit von Klinik, Tumorstadium und Tumorbiologie eine neoadjuvante Therapie bevorzugt werden; dies gilt insbesondere bei Patientinnen mit TNBC und HER2-positiven Tumoren. Hier werden im- TZM Essential mer schneller etablierte und oft zielgerichtete Substanzen Bei bestehender Chemotherapie-Indikation sollte immer die Möglichkeit einer neoadjuaus der metastasierten Situation (siehe unten) den Erstervanten Therapie erwogen werden. krankten zunächst in Studien, dann in der Routine zur Verfügung gestellt. 1.2.3 Anti-HER2-Therapie Beim HER2-positiven Mammakarzinom hat sich im Sommer 2015 durch die Zulassung der Kombination von Trastuzumab und Pertuzumab additiv zur Chemotherapie eine relevante Änderung für alle Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom ergeben, da diese Kombination nur neoadjuvant zur Verfügung steht, aber in den bisher vorliegenden Daten nicht nur die pCR, sondern auch das DFS verbessert. Für Patientinnen in einer HER2-positiven Niedrigrisikosituation (pN0, Tumorgröße ≤3 cm) ist neu auch die Anthrazyklin-freie Therapie mit 12 Zyklen Paclitaxel und 1 Jahr Trastuzumab eine Behandlungsoption, vor allem in der Adjuvanz. 1.2.4 Bisphosphonate und Denosumab Bei postmenopausalen Patientinnen ist, insbesondere in der Subgruppe der HR-positiven Tumoren, die adjuvante Bisphosphonattherapie ergänzend zur Osteoporosevermeidung auch onkologisch indiziert. Darauf deuten auch die von Gnant und Kollegen in San Antonio 2015 präsentierten Daten zu Denosumab hin [3]. Aktuelles zur medikamentösen Therapie des Mammakarzinoms 5 1.2.5 Postneoadjuvante Behandlung Im letzten Jahr hat sich ein neues Konzept zur Systemtherapie in den Brustzentren und onkologischen Schwerpunktpraxen zunächst im Rahmen von Studien etabliert: die sogenannte post-neoadjuvante Behandlung. Hier wird den Patientinnen bei Non-pCR nach Neoadjuvanz (und damit erhöhtem Rückfallrisiko) eine adjuvante Therapieerweiterung insbesondere mit neuen, zielgerichteten Therapien zur Prognoseoptimierung angeboten. Es handelt sich wie gesagt noch um ein Studienkonzept, das beispielsweise in den Studien KATHERINE, PENELOPE und OLYMPIA eingesetzt wird. 1.3 Nachsorge Neben vielen Aspekten der Begleitung und Adhärenz-Erhaltung in der Nachsorge gewinnen wir zunehmend Erkenntnisse über den Nutzen lebensstilverändernder Maßnahmen zur Prävention von Sekundärerkrankungen, zur Senkung des Rezidivrisikos, zur Optimierung der Verträglichkeit adjuvanter Therapien und zur Rückkehr in TZM Essential den Alltag. Dazu gehören vor allem Ernährung, GeLebensstilverändernde Maßnahmen sind wichtsreduktion, Bewegung und weitere komplementäre geeignet zur Prävention von Sekundärerkran- Ansätze. Entsprechende Angebote werden derzeit an kungen, zur Senkung des Rezidivrisikos Brustzentren in Kooperation mit niedergelassenen Frauund zur besseren Verträglichkeit adjuvanter enärzten und Onkologen in die Routineversorgung umTherapien. gesetzt. 2 Metastasiertes Mammakarzinom 2.1 CDK4/6-Inhibition mit Palbociclib Hinsichtlich der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom gab es im letzten Jahr sehr beeindruckende Neuigkeiten. Die Inhibition der zyklinabhängigen Kinasen 4 und 6 (CDK4/6) wird sich als neues Therapieprinzip etablieren. CDK4/6 kontrollieren physiologischerweise den Übergang einer Zelle von der G1-Phase in die S-Phase und schaffen damit die Voraussetzung für die Zellteilung. CDK4/6-Inhibitoren hemmen also letztlich die Zellteilung, sprich das Tumorwachstum. Aktuell befinden sich mehrere Substanzen in der Entwicklung: Palbociclib (Pfizer), Ribociclib (Novartis) und Abemaciclib (Lilly). Palbociclib wurde in der PALOMA-1-Studie klinisch geprüft. Die Phase-II-Studie schloss post-menopausale Patientinnen mit HR-positiven/HER2-negativen Tumoren ein, die noch keine Therapie für ihre metastasierte Erkrankung erhalten hatten. Die Patientinnen wurden entweder mit Letrozol (2,5mg/d) oder mit Letrozol (2,5mg/d) plus Pal- 6 Rachel Würstlein, Brigitte Rack 100 Progressionsfreies Überleben (%) 90 80 Palbociclib-Fulvestrant (n=347). Medianes PFS 9,2 Monate 70 60 50 40 30 Placebo-Fulvestrant (n=174). Medianes PFS 3,8 Monate 20 10 0 0 2 4 6 8 10 12 Zeit seit Randomisierung (Monate) Abbildung 1: Progressionsfreies Überleben in der Phase-III-Studie PALOMA-3. Adaptiert nach [6]. bociclib (125 mg/d p.o. über 3 Wochen, q4w) behandelt. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 30 Monaten zeigte sich unter der Kombinationstherapie mit Palbociclib eine Verdopplung des progressionsfreien Überlebens von 10,2 Monaten auf 20,2 Monate (HR 0,488; 95%CI 0,319–0,748; p=0,0004). Hauptsächliche Nebenwirkung waren Grad-3/4-Neutropenien, die unter der Kombination bei 54% der Patientinnen auftraten. Febrile Neutropenien traten jedoch nur bei 0,6% der Patientinnen auf. Diese Ergebnisse wurden Anfang 2015 in Lancet Oncology publiziert, und Palbociclib erhielt von der FDA im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens bereits die Zulassung [1]. Die Zulassung für Europa wird im Lauf des Jahres 2016 erwartet. Diese für Palbociclib positive Datenlage wurde durch die beim ASCO 2015 präsentierte PALOMA-3-Studie bestätigt und ergänzt, in der 521 prä- und post-menopausale Patientinnen mit endokrin resistentem Mammakarzinom behandelt wurden (Abb. 1). Endokriner Partner für das Palbociclib war hier Fulvestrant, bei prä- und peri-menopausalen Frauen ergänzt durch Goserelin. Die mittlerweile im New England Journal of Medi- TZM Essential Palbociclib verlängert das progressionsfreie cine voll publizierte Studie belegt einen deutlichen VorÜberleben um 9,2 Monate und damit um das teil für die mit Palbociclib behandelte Gruppe. Das pro- 2½-Fache gegenüber der ausschließlich gressionsfreie Überleben wird um 9,2 Monate, in der endokrinen Therapie. Mit der Zulassung wird ausschließlich endokrin behandelten Gruppe um ledig- im Lauf des Jahres 2016 gerechnet. lich 3,8 Monate verlängert (HR 0,42; 95%CI 0,32–0,56; p<0,001). In der Subgruppenanalyse profitierten auch prä-menopausale Patientinnen (21% des Gesamtkollektivs) vergleichbar [6]. Aktuelles zur medikamentösen Therapie des Mammakarzinoms 7 2.2 Zirkulierende Tumorzellen Die Rolle zirkulierender Tumorzellen für die Entwicklung medikamentöser Strategien zur Behandlung von Mammakarzinom-Patientinnen ist Gegenstand intensiver Untersuchungen. Als Vortragspräsentation auf dem ESMO 2015 wurden erste Daten aus dem DETECT-Studienprogramm vorgestellt [5]. Grundlage waren die Daten der ersten 1123 Patientinnen mit HER2-negativem metastasiertem Mammakarzinom, die innerhalb der Studie eine Analyse auf zirkulierende Tumorzellen (CTCs) erhalten hatten. Bei 63% der Patientinnen konnten CTCs detektiert werden (median 7, Spanne 1–35 078). Eine Assoziation des Tumorzellstatus mit primären Tumorcharakteristika zeigte sich im Allgemeinen zwar nicht. Allerdings war die CTC-Positivität mit höhergradigem Nodalstatus und lobulärem Tumortyp assoziiert. HER2-positive CTCs waren bei Patientinnen mit HR-positiven Tumoren häufiger. Entscheidend für systemtherapeutische Überlegungen: bei 18% der Patientinnen wurden HER2positive CTCs bei HER2-negativer Tumorerkrankung nachgewiesen. Ob diese Patientinnen von HER2-zielgerichteten Therapieansätzen profitieren, überprüft aktuell das laufende DETECT-Studienprogramm (http://www.detect-studien.de). 3 Zusammenfassung Die zunehmende Subtypisierung unterstützt die weitergehende Individualisierung der Therapie. Neue Subgruppen sind beispielsweise Patientinnen mit tripelpositiven (HR-positiv, HER2-positiv) Tumoren. In dieser Gruppe lassen sich klinisch bedeutsame pcR-Raten (>40%) auch ohne systemische Chemotherapie erreichen. Bei Patientinnen mit tripelnegativen Tumoren lassen sich mit der Kombination Nab-Paclitaxel/ Carboplatin pCR-Raten >45% erreichen. Die Frage, ob Patientinnen mit HR-positiven und HER2-negativen Tumoren von einer Chemotherapie profitieren, lässt sich immer zuverlässiger mit Genexpressionstests beantworten. Im Lauf des Jahres 2016 werden dazu die Ergebnisse der MINDACT-Studie mit Spannung erwartet. Beim metastasierten Mammakarzinom wird sich die Inhibition der zyklinabhängigen Kinasen 4 und 6 (CDK4/6) als neues Therapieprinzip etablieren. Mit der Zulassung des ersten Vertreters Palbociclib wird im Lauf des Jahres 2016 gerechnet. 8 Rachel Würstlein, Brigitte Rack 4 Literatur [1] Finn RS, Crown JP, Lang I, et al. (2015) The cyclin-dependent kinase 4/6 inhibitor palbociclib in combination with letrozole versus letrozole alone as first-line treatment of oestrogen receptor-positive, HER2-negative, advanced breast cancer (PALOMA-1/TRIO-18): a randomised phase 2 study. Lancet Oncol. 2015 Jan;16(1):25-35. [2] Gluz O, Nitz U, Liedtke C, et al. (2015) Comparison of 12 weeks neoadjuvant Nab-paclitaxel combined with carboplatinum vs. gemcitabine in triple-negative breast cancer: WSG-ADAPT TN randomized phase II trial. SABCS Abstract [S6-07]. [3] Gnant M, Pfeiler G, Dubsky PC, et al. (2015) The impact of adjuvant denosumab on disease-free survival: Results from 3,425 postmenopausal patients of the ABCSG-18 trial. SABCS 2015 Abstr. S2-02 [4] Harbeck N, Gluz O, Christgen M, et al. (2015) Final analysis of WSG-ADAPT HER2+/HR+ phase II trial: Efficacy, safety, and predictive markers for 12-weeks of neoadjuvant TDM1 with or without endocrine therapy versus trastuzumab+endocrine therapy in HER2-positive hormonereceptor-positive early breast cancer. SABCS Abstract [S5-03]. [5] Janni W, Schramm A, Friedl TWP, Schochter F, Huober J, Rack B, AlunniFabbroni M, Fasching PA, Taran F-A, Hartkopf A, Schneeweiss A, Muller V, Aktas B, Pantel K, Krawczyk N, Fehm T. Association between HER2Phenotype on Circulating Tumor Cells and Primary Tumor Characteristics in Women with Metastatic Breast Cancer. ESMO 2015, Abstr. 1805 [6] Turner NC, Ro J, André F, et al.; PALOMA3 Study Group (2015) Palbociclib in Hormone-Receptor-Positive Advanced Breast Cancer. N Engl J Med. 2015 Jul 16;373(3):209-19. [7] Untch M, Jackisch C, Schneeweiß A (2014) A randomized phase III trial comparing neoadjuvant chemotherapy with weekly nanoparticle-based paclitaxel with solvent-based paclitaxel followed by anthracyline/cyclophosphamide for patients with early breast cancer (GeparSepto); GBG 69. SABCS 2014, Abstr. S2-07 [8] von Minckwitz G, Schneeweiss A, Loibl S, et al. (2014) Neoadjuvant carboplatin in patients with triple-negative and HER2-positive early breast cancer (GeparSixto; GBG 66): a randomised phase 2 trial. Lancet Oncol. 15(7):747-56 Aktuelles zur medikamentösen Therapie des Mammakarzinoms 9 Aktuelles zur Bestrahlung beim frühen Mammakarzinom heike scheithaueR 1 Einleitung 13 2 Hypofraktionierung oder Normofraktionierung? 3 Lymphab ussbestrahlung 4 Die ältere Patientin 5 Bestrahlung in tiefer Inspiration 6 Zusammenfassung 7 Literatur 20 15 16 20 18 13 1 Einleitung Beim lokal begrenzten Mammakarzinom ist die Strahlentherapie seit Jahrzehnten einer der Standardbausteine der kurativen Behandlung [7, 22]. Auch der Einsatz einer modernen Systemtherapie, Diagnostik oder Operationstechnik kann den positiven Effekt der Strahlentherapie nicht aufheben, wie eine Auswertung der Ergebnissituation in einer gemeinsamen Anstrengung von Brustzentrum und Tumorregister erst kürzlich zeigen konnte [6]. Auch wenn die Brust nicht erhalten werden kann, sollte in bestimmten Risikokonstellationen eine adjuvante Bestrahlung zur Verbesserung der lokalen Kontrolle und je nach Risikosituation auch des Überlebens durchgeführt werden TZM Essential [25]. Diskussionspotenzial hat sich in der letzten Zeit bei Bei der Behandlung von Mammakarzinomder Wahl des Fraktionierungsschemas und der zusätz- Patientinnen ist die adjuvante Bestrahlung lichen Bestrahlung des Lymphabflusses ergeben, wie weiterhin einer der Standardbausteine. weiter unten im Text beschrieben. Moderne Bestrahlungstechniken ermöglichen eine maximale Schonung von an das Bestrahlungsfeld angren- TZM Essential zenden Risikoorganen und können auch bei anatomisch Neue Techniken der Strahlentherapie bedeuschwierigen Konstellationen (zum Beispiel ausgeprägte ten neue therapeutische Möglichkeiten und Reduktion der Nebenwirkungen. Trichterbrust) eine zufriedenstellende Erfassung des Zielvolumens erreichen (Abb. 1). 2 Hypofraktionierung oder Normofraktionierung? Bei der etablierten normofraktionierten Bestrahlung folgt die Einzeldosis aus der Annahme, dass Tumoren häufig weniger sensibel auf die Höhe der Einzeldosis reagieren als das gesunde umgebende Gewebe, sodass Abbildung 1: Bestrahlungsfeld bei schwierigen anatomischen Verhältnissen, hier bei Trichterbrust. Aktuelles zur Bestrahlung beim frühen Mammakarzinom 13 das Verhältnis zwischen lokaler Tumorkontrolle und Spättoxizitäten bei höheren Einzeldosen unvorteilhafter für das gesunde Gewebe wäre als bei niedrigen Einzeldosen [3]. Was die Strahlenbiologie angeht, wird die Sensitivität des Gewebes auf die gegebene Einzeldosis mit dem sogenannten α/β-Wert beschrieben, einer Variablen, die sich aus empirischen Fraktionierungsmodellen ergeben hat [12, 13]. Für viele Tumoren ist dieser Wert deutlich höher als der des umgebenden gesunden Gewebes und damit unabhängiger von der Höhe der Einzeldosis. Aus diesem Modell resultiert, dass die Relation zwischen Tumorkontrolle (TCP) und Auswirkung auf das umliegende Gewebe (Normalgewebe-Komplikationswahrscheinlichkeit, NTCP) bei hohen Einzeldosen eine deutliche Verschiebung zum negativen Effekt hat. Beim Mammakarzinom dagegen haben retrospektive Daten die Vermutung gestützt, dass der α/β-Wert wahrscheinlich niedriger als der empirisch ermittelte ist und eine höhere Einzeldosis der Strahlentherapie daher eher von Vorteil für das Therapieansprechen wäre [16, 19, 28]. Gleichzeitig scheint aber beim Mammakarzinom TZM Essential das umliegende gesunde Gewebe nicht strahlensensibler Beim Mammakarzinom ist der als die Mammakarzinomzellen selbst zu sein, sodass α/β-Wert niedriger als der empirisch diese Erhöhung der Einzeldosis nicht in einer Verschlechermittelte; eine Strahlentherapie mit höherer Einzeldosis ist möglich. terung des kosmetischen Ergebnisses resultieren sollte, solange die kumulative Gesamtdosis entsprechend angepasst wird [11]. Wie wichtig die Wahl der Enddosis und wie sensitiv die Spätnebenwirkungsrate auf relativ geringe Änderungen der Enddosis ist, ist schon lange bekannt [9]. Unter anderem wurde beim Bronchialkarzinom ein hypofraktioniertes Konzept mit 30 Gy in 6 Fraktionen durchgeführt und bei guter akuter Verträglichkeit die Dosis auf 35 Gy kumulativ weiter erhöht. Nach 10 Jahren musste man leider bei den überlebenden Patienten mit Dosen im Bereich des Rückenmarks von >33,5 Gy eine Zunahme der Myelopathien zur Kenntnis nehmen, welche unterhalb von 33,5 Gy bei keiner der Patientinnen aufgetreten war. Bei hypofraktionierten Konzepten scheint also eine adäquate Überlegung bezüglich der kumulativen Gesamtdosis und eine ausreichende Nachbeobachtungszeit wichtig zu sein, da Nebenwirkungen erst viele Jahre nach der Therapie relevant werden können [11]. Die aktuellsten Daten zur Hypofraktionierung im Bereich der Mamma sind 10-Jahres-Daten, die zum einen von der kanadischen Arbeitsgruppe von Whelan et al. 2010 [26] und der englischen Arbeitsgruppe um Haviland et al. (START-trials) im September 2013 [14] publiziert und zuletzt von Wilfried Budach et al. 2015 [5] zusammengefasst wurden. Die 10-Jahres-Daten sind insgesamt sehr vielversprechend, nach 10 Jahren zeigten sich vergleichbare Zahlen für die lokale Rückfallrate (6,7% versus 6,2%) und für das Gesamtüberleben (84,4% versus 84,6%). Für die Brustkosmetik und Nebenwirkungen an angrenzenden Risikoorganen wie Rippen, Herz und Nervenplexus konnten ebenfalls ähnliche, wenn nicht sogar leicht bessere Ergebnisse mit dem 14 Heike Scheithauer hypofraktionierten Arm erzielt werden. Hier muss aller- TZM Essential dings bedacht werden, dass Nebenwirkungen nach Eine Beurteilung der Nebenwirkungen nach Strahlentherapie sich auch nach >10 Jahren ausbilden Strahlentherapie benötigt eine ausreichend können und daher eine Langzeitauswertung vor allem für lange Nachbeobachtungszeit. Nebenwirkungen am Herzen und am Nervenplexus notwendig ist [8, 17]. Am praktikabelsten hat sich das Fraktionierungskonzept eines der START-Studienarme gezeigt und zwar die Applikation von 40,05 Gy in 15 Fraktionen über 3 Wochen (moderate Hypofraktionierung). Die tägliche Einzeldosis beträgt dann 2,67 Gy. Sollte die Indikation für eine Dosisaufsättigung im Tumorbett indiziert sein (in der Regel bei Patientinnen <60–65 Jahre), wird dieser sogenannte Boost in 5 Fraktionen à 2 Gy anschließend an die Ganzbrustbestrahlung appliziert. Bisher wird von einer hypofraktionierten Bestrahlung des Lymphabflusses abgeraten, da diese Gruppe im Studienarm mit 7% unterrepräsentiert war und – wie oben beschrieben – nicht ausge- TZM Essential schlossen werden kann, dass im langfristigen Verlauf sich Eine gute Alternative zum Konzept 50 Gy à 2Gy ist nach derzeitigem Kenntnisstand daraus Nachteile bezüglich Lymphödem oder Plexus40,05 Gy à 2,67 Gy. schädigung ergeben könnten. Eine weitere Reduzierung der Fraktionierung und damit verbundene Erhöhung der Einzeldosis wird bereits in Studien überprüft, bisher kann hier aber noch keine Empfehlung gegeben werden. Die ersten Daten des englischen FAST trial sind bereits publiziert [10] – Randomisierung von 50 Gy in 25 Fraktionen (5-mal pro Woche), 28,5 Gy oder 30 Gy in 5 Fraktionen (1-mal pro Woche) – und zeigen relativ hohe Raten an leicht ausgeprägten TZM Essential Nebenwirkungen von 17,3% im 30-Gy-Arm versus In der Behandlung des Mammakarzinoms sollten Therapieregime mit sehr hohen 11,1% im 28,5-Gy-Arm versus 9,5% im 50-Gy-Arm. Einzeldosen nur im Rahmen von Studien Weitere Resultate bleiben abzuwarten. eingesetzt werden. Die insgesamt guten Daten der moderaten Hypofraktionierung haben im Verlauf des letzten Jahres dazu geführt, dass das Konzept in der AGO-Leitlinie aufgewertet wurde und als Alternativschema der Patientin >40 Jahre nach entsprechender Aufklärung angeboten werden kann [1]. Auf die Dosiserhöhung im Tumorbett (Boost, weitere Erhöhung der Dosis TZM Essential um 10–16 Gy à 2 Gy) sollte aber bei Patientinnen <60–65 Moderate hypofraktionierte Bestrahlung als Jahre unabhängig von der Wahl des Fraktionierungssche- Alternative für Mammakarzinom-Patientinnen >40 Jahre mit Niedrigrisikoprofil. mas nicht verzichtet werden [1, 2]. 3 Lymphabflussbestrahlung Bei der Lymphabflussbestrahlung haben sich ebenfalls Änderungen des allgemeinen Konzepts im Verlauf der letzten Jahre ergeben. War davor eine Bestrahlung erst ab dem vierten befallenen Lymphknoten empfohlen, haben neue Studienergebnisse von Whelan et al. [27] und Poortmans et al. [20] (jeweils 2015 publiziert) mit jeweils einer NachbeAktuelles zur Bestrahlung beim frühen Mammakarzinom 15 obachtungszeit von um die 10 Jahre Vorteile für die ausgedehntere Bestrahlung im krankheitsfreien- und metastasenfreien Überleben zeigen können. Dieser Vorteil scheint vor allem bei den Patientinnen mit nicht so ausgedehnten lymphogenen Metastasen vorzuliegen, ein neuer Cutoff-Wert bezüglich der Anzahl der befallenen LymphknoTZM Essential ten konnte aber nicht herausgearbeitet werden, was in Lymphabflussbestrahlung verbessert krankden verschiedenen Fachgesellschaften dann auch zu heitsfreies- und metastasenfreies Überleben. unterschiedlichen Rückschlüssen geführt hat. In der AGO-Leitlinie von 2015 [1] wurde die Lymphabflussbestrahlung zwar ebenfalls wie die Hypofraktionierung aufgewertet, allerdings konnte zwischen der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie keine komplette Einigung bezüglich der Empfehlungen erzielt werden. Sehen die Strahlentherapeuten TZM Essential eine Bestrahlungsindikation ab dem ersten befallenen Keine Einigung zwischen den Fach- Lymphknoten, empfiehlt der gynäkologische Teil der Ardisziplinen gab es bezüglich der beitsgemeinschaft diese bei 1–3 befallenen Lymphknoten Lymphabflussbestrahlung bei 1–3 befallenen Lymphknoten. erst bei zusätzlich vorliegenden Risikofaktoren. Welche Rolle die Risikofaktoren auf das Gesamtüberleben und das supraklavikuläre Rückfallrisiko spielen können, zeigt die Arbeit von Viani et al. von 2002 [24]. In einer retrospektiven Auswertung konnte erst bei Vorliegen von mehr als einem Risikofaktor (Risikofaktoren wurden wie folgt definiert: L1, Anzahl der befallenen Lymphknoten: 2–3, extrakapsuläres Wachstum, negativer Hormonrezeptorstatus und höheres Grading) ein negativer Einfluss auf beide oben genannten Parameter gezeigt werden. Weiterhin bleibt also in dieser Situation aktuell, die Patientin ausführlich und individuell über das Für und Wider einer Lymphabflussbestrahlung zu beraten. 4 Die ältere Patientin Da Patientinnen jenseits des 70. Lebensjahrs eine geringere Rückfallrate zeigen, wird diskutiert, inwieweit ein Verzicht auf die Strahlentherapie in diesem Alterskollektiv möglich sein könnte [15, 23, 18]. Hughes et al. [15] verglichen Patientinnen (≥70 Jahre) mit einem frühen Brustkrebsleiden (Stadium I – T1 N0 M0, Östrogenrezeptor positiv) mit einer reinen Tamoxifengabe und einer Tamoxifengabe kombiniert mit einer adjuvanten Strahlentherapie. Die Kombination erbrachte nach 10 Jahren eine hochsignifikant erhöhte lokale Kontrolle (98% versus 90%), welche sich allerdings bei diesem Alterskollektiv nicht beim Überleben widerspiegelte. Interessanterweise führte die beobachtete erhöhte lokale Rückfallrate ohne Strahlentherapie nicht zu einer erhöhten Mastektomierate. Smith et al. [23] hingegen zeigten in einer SEER-Datenbank-Analyse, dass sich durch die Bestrahlung die Lokalrezidivrate senken und zusätzlich subsequente Mastektomien ver- 16 Heike Scheithauer hindern lassen können. Auch Kunkler et al. [18] zeigten in ihrer ersten Auswertung von Niedrigrisiko-Patientinnen ≥65 Jahre (T1–2 [Tumorgröße bis 3 cm], Rezeptor-positiv) nach 5 Jahren im Vergleich antihormonelle Therapie alleine versus antihormonelle Therapie in Kombination mit adjuvanter Bestrahlung ähnliche Ergebnisse wie Hughes et al. Eine Verbesserung der lokalen Kontrolle durch die Bestrahlung von 5,19% wurde erreicht. Das Expertenpanel der DEGRO [21] stellte fest, dass die Datenlage zwar eindeutig erscheint, sich aber in den unterschiedlichsten Empfehlungen (zum Beispiel NCCN, AGO, Eusoma/SIOG) differierend widerspiegelt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass viele dieser Frauen aufgrund gesünderer Lebensweise und einer modernen medizinischen Versorgung in besseren allgemeinen Gesundheitszuständen sind als frühere Generationen und damit im 70. Lebensjahr noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von >15 Jahren vorliegt [21]. Weiter stellt ein Lokalrezidiv auch bei der älteren Patientin eine ausgeprägte psychische und physische Belastung TZM Essential sowie deutliche Einschränkung der Lebensqualität dar. Auch die ältere Patientin profitiert von einer Auch darf nicht vergessen werden, dass die antihormo- adjuvanten Bestrahlung nach brusterhaltender Operation. nelle Therapie nicht unwesentliche Nebenwirkungsrisiken und damit verbundene Einschränkungen der Lebensqualität mit sich bringen kann. Da den oben genannten Arbeiten die Randomisierungsarme „keine Therapie“ und „alleinige Bestrahlung“ fehlen, bedarf es weiterer Analysen. Der BASO-II-Trial bei Brustkrebspatientinnen (allerdings unter 70 Jahren) zeigte beispielsweise, dass die alleinige antihormonelle Therapie und die alleinige Strahlentherapie komplett identische lokale Kontrollraten erbrachten, bei ebenfalls identischem fernmetastasenfreiem und gesamtem Überleben [4]. So bleibt die Frage, ob bei der älteren Patientin eine 3 Wochen dauernde Bestrahlung nicht den gleichen positiven Effekt auf die Tumorerkrankung hat wie eine 5 Jahre dauernde antihormonelle Therapie (Abb. 2). Das Argument, die Strahlentherapie sei für die ältere Patientin aufgrund der Erreichbarkeit der Therapieeinheit und der Dauer der Therapie nicht zumutbar, ist in unseren Breiten mit einem vorherrschenden sehr engen Versorgungsnetz sowie den jetzt möglichen hypofraktionierten Konzepten nicht zutreffend. Aktuell bedeutet dies bei der Bestrahlung der älteren Niedrigrisiko-Patientin, dass das chronologische Alter nicht das alleinige Entscheidungskriterium für oder gegen eine Bestrahlung sein sollte, sondern dieses immer unter Berücksichtigung der Komorbiditäten und des Allgemeinzustandes der Patientin gesehen werden muss. Bedacht werden muss weiterhin, dass bisher keine Subgruppe an Patientinnen herausgearbeitet werden konnte, die nicht von einer adjuvanten Bestrahlung nach brusterhaltender Therapie profitiert [21]. Aktuelles zur Bestrahlung beim frühen Mammakarzinom 17