UNIVERSIT . . AT BONN Physikalisches Institut

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UNIVERSIT AT BONN
Physikalisches Institut
Studie zur Bestimmung der Top-Quark-Masse
über den Zerfall der B -Hadronen in
dileptonischen tt̄-Ereignissen mit dem
ATLAS-Experiment am LHC
von
Birte Domnik
Abstract: A Monte Carlo study of the top quark mass determination with the
ATLAS experiment at the Large Hadron Collider (LHC) is presented. The decay
vertex of the B hadrons in tt̄ events is reconstructed and four different observables,
connected to this vertex, are defined. These observables are the decay length, the
thrust, the mean decay angle and the mean opening angle and they are all related to
the B hadron momentum. Because of kinematical reasons, each of them is sensitive
to the top mass. Due to the fact, that one only requires tracking information for
every observable, the top mass determination is independent of the jet energy scale,
which is a common, crucial uncertainty of the other methods used so far. At the
LHC eight million top quarks will be produced per year at an integrated luminosity
of 1033 cm−2 s−1 . Therefore the dilepton channel, which has a lower cross section but
a higher signal-to-background ratio than the other channels, is considered.
For every observable the statistical and systematic errors of the top mass are estimated, whereas the full detector simulation is used. The statistical error is found
to be approximately 1 GeV for all observables. For the decay length the systematic
error is estimated as 5 GeV and for the other observables between 5 GeV and 6 GeV.
Post address:
Nussallee 12
53115 Bonn
Germany
BONN-IB-2008-06
Bonn University
November 2007
..
UNIVERSIT AT BONN
Physikalisches Institut
Studie zur Bestimmung der Top-Quark-Masse
über den Zerfall der B -Hadronen in
dileptonischen tt̄-Ereignissen mit dem
ATLAS-Experiment am LHC
von
Birte Domnik
Dieser Forschungsbericht wurde als Diplomarbeit von der Mathematisch - Naturwissenschaftlichen
Fakultät der Universität Bonn angenommen.
Angenommen am:
Referent:
Korreferent:
22. November 2007
Prof. Dr. N. Wermes
Prof. Dr. K. Desch
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Das Standardmodell der Elementarteilchen
2.2 Top-Quark Physik . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 t t̄-Ereignisse am LHC . . . . . . .
2.2.2 Das Top-Quark . . . . . . . . . . .
1
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5
5
8
9
12
3 Das ATLAS-Experiment
3.1 Physikalische Observablen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Der Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
18
19
4 Der
4.1
4.2
4.3
Zerfall der B-Hadronen
Die Zerfallslängenmethode . . . . . . . . . . . . . . . . .
Weitere Messgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rekonstruktion des Zerfallsvertex . . . . . . . . . . . . .
23
23
26
28
5 Analysierte Datensätze
5.1 Erzeugung von dileptonischen t t̄-Ereignissen . . . . . . .
5.2 Ereignisselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
31
33
6 Bestimmung der Top-Quark-Masse aus den generierten
Datensätzen
6.1 Eigenschaften der dileptonischen t t̄-Ereignisse . . . .
6.2 Der Zerfall der B -Hadronen . . . . . . . . . . . . . .
6.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse . . . . . . . . . .
6.4 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . .
37
37
39
41
46
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7 Bestimmung der Top-Quark-Masse mit voller
Detektorsimulation
47
7.1 Die Vertexrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
7.2 Vergleich der generierten und rekonstruierten Verteilungen 50
7.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse . . . . . . . . . . . .
53
7.4 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
8 Systematische Unsicherheiten
8.1 Die Reweighting-Methode . . . . . . . . . . . .
8.2 Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand
8.3 Partondichteverteilungen . . . . . . . . . . . . .
8.4 b-Fragmentation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.5 Lebensdauer der B -Hadronen . . . . . . . . . .
8.6 Jet-Energieskala . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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62
65
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69
70
71
9 Zusammenfassung und Ausblick
73
A Variation der Partondichteverteilung
A.1 Generierte Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A.2 Voll simulierte Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
79
80
B Lorentztransformation des B-Hadron Impulses
81
1 Einleitung
Die Hochenergiephysik beschäftigt sich mit der Untersuchung der elementaren Bausteine der Materie und der Wechselwirkungen zwischen diesen
Elementarteilchen. Die zugrunde liegende Theorie wird als das Standardmodell der Elementarteilchen bezeichnet. Das Top-Quark ist eines von
sechs Quarks im Standardmodell und zeichnet sich gegenüber den anderen
Quarks durch seine große Masse von 171 GeV aus. Es ist damit fast 40 mal
schwerer als das zweitschwerste Quark, das Bottom-Quark (b-Quark), und
etwa so massiv wie ein Goldatom. Die Masse des Top-Quarks ist ein fundamentaler Parameter des Standardmodells und als solcher möglichst genau
zu bestimmen, insbesondere für eine Überprüfung der Selbstkonsistenz
des Standardmodells. Aber auch für Theorien, die über das Standardmodell hinausgehen, ist eine genaue Bestimmung der Top-Quark-Masse
wichtig, da oft massenabhängige Kopplungen betrachtet werden. Wenn
der Large Hadron Collider (LHC), ein Proton-Proton-Beschleuniger mit
einer Schwerpunktsenergie von 14 TeV, 2008 seinen Betrieb aufnehmen
wird, ist davon auszugehen, dass das Higgs-Boson entdeckt wird (sofern
ein Standardmodell Higgs-Boson existiert). Das Higgs-Boson ist das einzige Teilchen innerhalb des Standardmodells, dass noch nicht nachgewiesen
werden konnte. Da es für die Erzeugung der Massen aller Elementarteilchen verantwortlich ist, nimmt es eine zentrale Rolle im Standardmodell
ein. Durch den Zusammenhang der Massen des Top-Quarks, des W - und
des Higgs-Bosons ist mit einer Bestimmung der Top-Quark und W -BosonMasse eine Abschätzung der Higgs-Boson-Masse möglich und erleichert
somit die Suche nach dem Higgs-Boson. Auch wenn ein Higgs-Boson entdeckt worden ist, kann mit Hilfe der Top-Quark-Masse überprüft werden,
ob es sich tatsächlich um das Higgs-Boson handelt, das vom Standardmodell vohergesagt wird.
Seit der Entdeckung des Top-Quarks 1995 am Tevatron ist eine direkte
Bestimmung der Top-Quark-Masse möglich und der derzeitige Mittelwert
aller direkten Messungen liegt bei
mtop = 170,9 ± 1,1 (stat.) ± 1,5 (syst.) GeV/c2 .
Für die hohe anfängliche Luminosität von 1033 cm−2 s−1 und dem großen
Wirkungsquerschnitt von 800 pb für die Produktion von t t̄-Ereignissen,
1
1 Einleitung
d.h. Top-Antitop Paaren, werden etwa acht Millionen solcher Ereignisse
pro Jahr am LHC erwartet. Die angestrebte Genauigkeit der Messung
der Top-Quark-Masse von ∼ 1 GeV wird damit eine weitere Verbesserung gegenüber der am Tevatron erreichten erlauben. Insbesondere ist es
bei dieser großen erwarteten Datenmenge interessant den dileptonischen
Kanal der t t̄-Ereignisse zu analysieren, der zwei Leptonen im Endzustand enthält. Zwar hat er ein deutlich kleineres Verzeigungsverhältnis
als der semileptonische (mindestens ein Lepton im Endzustand) und der
vollhadronische Kanal (kein Lepton im Endzustand), es werden jedoch
immerhin noch etwa 400 000 dileptonische t t̄-Ereignisse pro Jahr bei der
Anfangsluminosität erwartet. Die erreichbare Genauigkeit der Messung
wird daher auch im dileptonischen Kanal durch den systematischen Fehler
dominiert sein. Ein Vorteil des dileptonischen Kanals ist, dass er aufgrund
der klareren Signatur der Ereignisse im Detektor, weniger von Untergrundprozessen verunreinigt sein wird als die übrigen Kanäle. Es wird sogar
erwartet, dass für die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Methoden
zur Bestimmung der Top-Quark-Masse der Beitrag zum systematischen
Fehler aufgrund von Untergrundprozessen durch eine genügend restriktive
Ereignisselektion vernachlässigt werden kann.
Mittels Monte-Carlo-Studien können Strategien zur Auswertung der experimentellen Daten, die der LHC in naher Zukunft bereitstellen wird,
entwickelt werden. In der vorliegenden Arbeit wird eine solche Studie zur
Bestimmung der Top-Quark-Masse in dileptonischen t t̄-Ereignissen für
das ATLAS-Experiment am LHC präsentiert. Um die Top-Quark-Masse
zu ermitteln, werden verschiedene Observablen verwendet. Sie können
aus dem Zerfall eines B -Hadrons, welches aus dem im Top-Quark Zerfall
entstandenen b-Quark hervorgeht, bestimmt werden. Die vorgestellten
Methoden zur Bestimmung der Top-Quark-Masse haben den Vorteil,
dass sie unabhängig von der Jet-Energieskala sind, die den dominierenden systematischen Fehler aller übrigen, bisher verwendeten Methoden
darstellt. Durch Vergleich mit den von der Jet-Energieskala abhängigen
Methoden können daher die jeweiligen Messungen auf ihre gegenseitige
Konsistenz überprüft werden. Durch die geringe Korrelation der hier präsentierten Bestimmung der Top-Quark-Masse mit den übrigen Messungen,
wird ihr Gewicht in der Bildung eines Gesamtmittelwerts der ermittelten Massen zudem verstärkt. Eine der zur Massenbestimmung in dieser
Arbeit verwendeten Observablen ist die transversale Zerfallslänge. Die
Zerfallslängenmethode wurde 2005 erstmals von der CDF Kollaboration
vorgestellt und wird seit 2006 zur Bestimmung der Top-Quark-Masse
verwendet. Sie trägt schon derzeit einige Prozent zur Gesamtgenauigkeit
2
der direkten Messungen der Top-Quark-Masse bei. Zudem wurden noch
drei weitere Observablen - der Thrust, der mittlere Zerfalls- und Öffnungswinkel - definiert, die von der Kollimation der Spuren, die von den aus
dem B -Hadron Zerfall stammenden Teilchen erzeugt werden, abhängen.
Sie werden erstmals zur Bestimmung der Top-Quark-Masse verwendet.
Die Arbeit gliedert sich wie folgt. Zuerst wird in Kapitel 2 eine Einführung
in die theoretischen Grundlagen gegeben. Dabei wird das Standardmodell
der Elementarteilchen kurz erläutert, um dann auf die Erzeugung der
Top-Quarks in t t̄-Ereignissen am LHC und die derzeitige Kenntnis der
Eigenschaften des Top-Quarks näher einzugehen. In Kapitel 3 wird das
ATLAS-Experiment, mit dem die t t̄-Ereignisse untersucht werden sollen,
vorgestellt. Die Bestimmung der Top-Quark-Masse erfolgt in dieser Arbeit
über den Zerfall der B -Hadronen, der in Kapitel 4 näher erläutert wird.
Weiterhin wird hier die Massenbestimmung über die Zerfallslängenmethode erklärt und es werden die weiteren Observablen, die neben der
transversalen Zerfallslänge verwendet werden, präsentiert. Für alle Observablen, einschließlich der transversalen Zerfallslänge, ist eine Bestimmung
des Zerfallsvertex der B -Hadronen nötig, deren Prinzip kurz dargelegt
wird. Die in dieser Studie verwendeten Datensätze wurden eigenständig produziert. In Kapitel 5 wird erklärt, wie diese Datensätze generiert
und anschließend voll simuliert wurden. Etwas vereinfacht ausgedrückt,
wird in der vollen Simulation die Aufzeichnung des generierten Ereignisses vom Detekor nachgeahmt. Des Weiteren wird in diesem Kapitel
die zur Unterdrückung von Untergrundprozessen verwendete Ereignisselektion präsentiert. Die Massenbestimmung wurde für alle Observablen
aus mehreren Gründen sowohl auf Generatorniveau als auch mit voller
Detektorsimulation durchgeführt. So ist zum einen die auf Generatorniveau verfügbare Datenmenge wesentlich größer und erlaubt Studien, die
mit den voll simulierten Datensätzen nicht möglich wären. Zum anderen
kann durch eine Analyse auf Generatorniveau ein tieferes Verständnis der
zugrunde liegenden Physik ohne Einfluss von Detektoreffekten gewonnen
werden. Daher wird in Kapitel 6 die Bestimmung der Top-Quark-Masse
auf Generatorniveau und in Kapitel 7 mit den voll simulierten Datensätzen vorgestellt. Die wichtigsten systematischen Fehler der Messungen mit
den verschiedenen Observablen und deren Berechnung werden in Kapitel
8 dargelegt. In Kapitel 9 wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung und
einem Ausblick abgeschlossen.
3
2 Theoretische Grundlagen
Die Hochenergiephysik beschäftigt sich mit der Untersuchung der elementaren Bausteine der Materie und der Wechselwirkungen zwischen
diesen Elementarteilchen. Die zugrunde liegende Theorie wird als das
Standardmodell bezeichnet, über das im Folgenden eine Übersicht gegeben wird. Anschließend wird die Produktion der t t̄-Ereignisse am LHC
näher beschrieben, um dann auf die Eigenschaften des Top-Quarks, dessen
Massenmessung Gegenstand dieser Arbeit ist, einzugehen.
2.1 Das Standardmodell der Elementarteilchen
Das Standardmodell [1] ist eine Quantenfeldtheorie, die die Elementarteilchen und deren Wechselwirkungen mit Ausnahme der Gravitation1
beschreibt. Es gibt drei Arten von Elementarteilchen, die Leptonen, die
Quarks, die beide zu den Spin 1/2-Teilchen (Fermionen) gehören, und
die Austauschteilchen, die Spin 1-Teilchen (Bosonen) sind und auch als
Vektorbosonen bezeichnet werden. Die Austauschteilchen vermitteln die
Wechselwirkungen zwischen den Elementarteilchen. Die vier fundamentalen Wechselwirkungen, meistens als Kräfte bezeichnet, sind neben der
Gravitation die elektromagnetische, die schwache und die starke Kraft.
Die mathematische Beschreibung des Standardmodells erfolgt mit Hilfe
der Gruppentheorie. Demnach liegt dem Standardmodell die Eichsymmetrie SU (3)C ⊗ SU (2)L ⊗ U (1)Y zugrunde und die Austauschteilchen sind
die Anregungen der entsprechenden Eichfelder dieser Symmetrien. Nach
dem Noether-Theorem geht jede kontinuierliche Symmetrie mit einem
erhaltenen Strom beziehungsweise einer erhaltenen Ladung einher. Die Ladungen, die ein Elementarteilchen trägt, charakterisieren es zusammen mit
seinem Spin und seiner Masse eindeutig und sind ein Maß für die Stärke
der Kopplung an die Austauschteilchen. Die starke Wechselwirkung wird
durch die SU (3)C -Symmetrie beschrieben und die assoziierte Ladung wird
als Farbladung, oder kurz als Farbe, bezeichnet (daher das C für Colour ).
Es gibt drei verschiedene Farben, an die acht verschiedene Austauschteil1
Die Gravitationskraft ist zu schwach, um eine Rolle in der Elementarteilchenphysik
bei den in den nächsten Jahren erreichbaren Energien zu spielen.
5
2 Theoretische Grundlagen
chen, die masselosen Gluonen, koppeln. Die elektromagnetische und die
schwache Wechselwirkung werden in der Elektroschwachen Theorie durch
die Symmetriegruppen SU (2)L ⊗ U (1)Y beschrieben. Die Quantenzahlen
dieser Symmetrien sind die dritte Komponente des schwachen Isospins I3
und die Hyperladung Y . Die elektroschwache Symmetrie ist jedoch durch
Spontane Symmetriebrechung zu einer U (1)em -Symmetrie heruntergebrochen, wodurch die Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung eine
nicht verschwindende Masse erhalten. Die elektroschwachen Quantenzahlen sind daher im Allgemeinen nicht erhalten. Stattdessen ist die zur
U (1)em -Symmetrie assoziierte Ladung, die elektromagnetische Ladung
Q, eine Erhaltungsgröße. Die masselosen Photonen sind Anregungen des
Eichfelds der elektromagnetischen Wechselwirkung. Die Austauschteilchen
der schwachen Wechselwirkung sind die beiden (elektrisch) geladenen
W ± -Bosonen und das Z -Boson, die alle zu den Spin 1-Teilchen gehören.
Verantwortlich für die Symmetriebrechung ist das Higgs-Boson, das im
Rahmen des Higgs-Mechanismus [2] eingeführt wird und neben den W und Z -Bosonen auch den Leptonen und Quarks Masse verleiht. Es hat
den Spin 0.
Für einen Überblick der Leptonen und Quarks ist deren Darstellung in
Dubletts, wie sie in Abbildung 2.1 gezeigt wird, hilfreich. In der oberen
!
!
!
Q=0:
νe
νµ
ντ
Q = −1 :
e
µ
τ
L
Q = +2/3 :
Q = −1/3 :
u
d
!
L
L
c
s
!
L
L
t
b
!
L
Abbildung 2.1: Einteilung der Leptonen und Quarks in Isospin-Dubletts.
Die Masse der Teilchen nimmt von links nach rechts zu. Q ist die elektrische
Ladung der Teilchen in Einheiten der Elementarladung e.
Zeile befinden sich die drei Dubletts der Leptonen mit deren zugehöriger
elektrischer Ladung Q und darunter die Dubletts der Quarks. Zu den
Leptonen gehört das bekannteste Elementarteilchen, das Elektron (e),
welches schon im Jahre 1897 von J.J. Thomson bei der Untersuchung von
Kathodenstrahlen entdeckt wurde. Es ist zusammen mit dem ElektronNeutrino (νe ) in einem Dublett angeordnet. Das Myon (µ) ist eine exakte
Kopie des Elektrons, bis auf seine unterschiedliche Masse. Ebenso verhält es sich für das Myon- und Elektron-Neutrino (νµ ,νe ), weshalb die
Lepton-Dubletts auch als Lepton-Familien bezeichnet werden. Die dritte
6
2.1 Das Standardmodell der Elementarteilchen
Lepton-Familie enthält das schwerste geladene Lepton, das Tau (τ ), und
seinen Partner das Tau-Neutrino (ντ ). Die geladenen Leptonen (e, µ, τ )
nehmen sowohl an der elektromagnetischen als auch an der schwachen
Wechselwirkung teil, jedoch nicht an der starken Wechselwirkung. Die
elektromagnetisch neutralen Leptonen, die Neutrinos (νe , νµ , ντ ), wechselwirken kaum mit Materie, sie koppeln nur an die Austauschteilchen
der schwachen Wechselwirkung.
Die Quarks sind die einzigen Teilchen, die an allen drei Wechselwirkungen
teilnehmen. Sie sind wie die Leptonen in drei Familien angeordnet, die
sich voneinander wieder nur durch ihre Masse unterscheiden. Die erste
Familie setzt sich aus dem Up- und dem Down-Quark (u,d ) zusammen,
die beide wesentliche Bestandteile des Protons sind. Das Charm- und
das Strange-Quark (c,s) bilden die zweite Familie und das Top- und das
Bottom-Quark (t,b) schließlich die dritte. Die Quarks treten daher in
sechs unterschiedlichen so genannten Flavours auf.
Den Dubletts in Abbildung 2.1 ist ein Index L hinzugefügt, da sie die
linkshändigen Komponenten der Teilchen enthalten und gerade die Eigenzustände der elektroschwachen Isospin-Symmetrie sind. Jedes massive
Teilchen besitzt sowohl eine links- sowie rechtshändige Komponente, die
masselosen2 Neutrinos treten jedoch nur in linkshändigen Zuständen auf.
Ein weiterer Grund für die Anordnung der fermionischen Elementarteilchen in Dubletts ist die Erhaltung der Leptonfamilienzahl. Diese besagt,
dass sich die Leptonen nur innerhalb eines Dubletts unter Abstrahlung
eines W ± -Bosons ineinander umwandeln können. Der direkte Übergang
eines Myons in ein Elektron ist daher zum Beispiel nicht erlaubt. Eine analoge Regel gilt für den Quark-Sektor allerdings nur näherungsweise. Hier sind auch Übergänge zwischen den Dubletts erlaubt, die
aber gegenüber Umwandlungen innerhalb einer Familie unterdrückt sind.
Die Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Übergang wird durch die
Cabibbo-Kobayashi-Maskawa (CKM) Matrix beschrieben.
Alle Teilchen des Standardmodells konnten experimentell nachgewiesen
werden, bis auf das Higgs-Boson, dessen Entdeckung noch aussteht3 .
Aus den Quarks lassen sich verschiedene, farblose Bindungszustände, so
genannte Hadronen, konstruieren. Dabei treten Bindungen zwischen einem Quark und einem Antiquark auf, die als Mesonen bezeichnet werden,
2
3
Das Standardmodell nimmt die Neutrinos als masselos an. Experimentell konnten aber schon Neutrinooszillationen beobachtet werden [3], womit den Neutrinos
zumindest eine kleine Masse zugestanden werden muss.
Sofern ein Standardmodell Higgs-Boson existiert, wird es am LHC entdeckt werden
können.
7
2 Theoretische Grundlagen
oder Bindungen zwischen drei Quarks (oder drei Antiquarks), den Baryonen. Die gesamte uns umgebene Materie besteht aus Protonen (uud ),
Neutronen (ud d ) und Elektronen. In dieser Arbeit spielen die B -Mesonen
und B -Baryonen, die als B -Hadronen zusammengefasst werden, eine
wichtige Rolle, wobei das B kennzeichnet, dass eines der in der Bindung
enthaltenen Quarks ein b- oder b̄-Quark ist. Zum Beispiel besteht das B 0
aus einem d - und einem b̄-Quark und gehört somit zu den B -Mesonen.
2.2 Top-Quark Physik
Kobayashi und Maskawa postulierten schon 1973 eine dritte Quarkfamilie zur Erklärung der CP-Verletzung4 in der schwachen Wechselwirkung
[5] und vier Jahre später wurde ein fünftes Quark, das b-Quark, entdeckt [6]. Das Top-Quark, der elektroschwache Partner des b-Quarks, ist
mit einer Masse von ungefähr 171 GeV das schwerste der bekannten Elementarteilchen (vgl. Abbildung 2.2) und etwa so schwer wie ein Goldatom.
Diese Tatsache führte dazu, dass es lange Zeit nicht nachgewiesen werden
Abbildung 2.2: Quark-Massen im Vergleich.
konnte, bis 1983 das Tevatron, ein Proton-Antiproton-Beschleuniger am
Fermilab mit ausreichend hoher Schwerpunktsenergie zur Erzeugung von
Top-Quarks, in Betrieb genommen wurde. Die beiden Experimente CDF
und DØ konnten schließlich 1995 die ersten Top-Quarks beobachten [7].
Durch seine hohe Masse hat das Top-Quark eine Lebensdauer von nur
etwa 0,5 · 10−24 s. In dieser kurzen Zeit kommt es nicht zu einer Hadronisierung wie bei den anderen Quarks, so dass keine gebundenen Zustände
mit Top-Quarks existieren. Die Eigenschaften des Top-Quarks sind daher
4
8
Die schwache Wechselwirkung ist nicht invariant unter der Ladungskonjugation C
und der Parität P. In neutralen Kaon Zerfällen konnte beobachtet werden [4], dass
sie auch die kombinierte CP -Transformation nicht erhält.
2.2 Top-Quark Physik
experimentell über seine Zerfallsprodukte direkt zugänglich.
Im Folgenden wird die Produktion des Top-Quarks in Beschleunigerexperimenten, speziell am LHC, erläutert und anschließend von den aktuellen
Kenntnissen seiner Eigenschaften, insbesondere seiner Masse, berichtet.
Für eine ausführlichere Darstellung der bisher unternommenen Anstrengungen und gewonnenen Erkenntnisse in dem Bereich der Top-Quark
Physik sei auf das Buch „Top Quark Physics at Hadron Colliders“ [8]
verwiesen.
2.2.1 t t̄-Ereignisse am LHC
√
Am LHC werden Protonen mit einer Schwerpunktsenergie von s =
14 TeV zur Kollision gebracht, deren Wechselwirkung nach dem PartonModell als eine Streuung zwischen den Bestandteilen der Protonen (Partonen) beschrieben werden kann. In der Hochenergiephysik sind die
Kollisionsenergien an Teilchenbeschleunigern sehr hoch, weshalb nicht
nur die Valenzquarks des Protons sondern auch Gluonen und sogenannte
Seequarks innerhalb des Protons aufgelöst werden können. Diese Partonen
tragen einen gewissen Bruchteil x des Proton Impulses, dessen Verteilung durch die Partondichteverteilungen (PDF) beschrieben wird. Die
Partondichteverteilungen bestimmen nach dem Faktorisierungs-Theorem
zusammen mit dem Wirkungsquerschnitt des harten Streuprozesses der
Partonen den Gesamtwirkungsquerschnitt der Wechselwirkung. In Abbildung 2.3 ist die Wechselwirkung zweier Protonen mit den Impulsen P1 und
P2 nach dem Ansatz des Parton-Modells skizziert. Die Partondichteverteilungen fi (xi , Q2 ) des Protons sind für alle relevanten Quark-Flavours
i und die Gluonen für zwei verschiedene Energie-Skalen Q in Abbildung
2.4 dargestellt. Da eine perturbative Berechnung der Partondichteverteilungen nicht möglich ist, können sie nur experimentell für eine gegebene
Skala Q ermittelt werden. Mittels der DGLAP-Gleichungen5 ist eine Entwicklung zu anderen Skalen möglich. Die hier gezeigte und auch in den
analysierten Daten verwendete Parametrisierung stammt von der CTEQKollaboration [10]. Andere Parametrisierungen führen zu leicht anderen
Partondichteverteilungen.
Um wie in Abbildungq
2.3 ein t t̄-Paar erzeugen zu können, muss die Schwer√
punktsenergie ŝ = (x1 P1 + x2 P2 )2 in der Parton-Wechselwirkung aus
kinematischen Gründen mindestens so groß wie die zweifache Top-QuarkMasse sein. Unter der Annahme von x1 ≈ x2 = x ergibt sich mit einer
5
Evolutionsgleichungen nach Dokhshitzer, Gribov, Lipatov, Altarelli und Parisi
9
2 Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.3: Erzeugung eines t t̄-Paares in einer Proton-ProtonWechselwirkung nach dem Parton-Modell.
Abbildung 2.4: Partondichteverteilungen für das Proton für zwei verschiedene
Energie-Skalen Q2 = (20 GeV)2 (links) und Q2 = (175 GeV)2 (rechts) [9, 10].
Top-Quark-Masse
von mt = 175 GeV und einer Schwerpunktsenergie
√
von s = 14 TeV der kollidierenden
√ Protonen am LHC für den Impulsbruchteil der Partonen x ≈ 2mt / s = 0,025 . Im Zusammenhang mit
Abbildung 2.4 wird daher deutlich, dass die t t̄-Produktion am LHC durch
Gluon-Fusion dominiert
wird. Die gleiche Abschätzung ergibt für das Te√
vatron (Run II: s = 1,96 TeV) einen Wert von x ≈ 0,18. Am Tevatron
entstehen die t t̄-Paare also hauptsächlich durch Wechselwirkung von
Quarks und nicht von Gluonen. In Abbildung 2.5 sind die in führender
Ordnung zur t t̄-Erzeugung beitragenden Feynmangraphen dargestellt.
Die Gluon-Gluon-Fusion (unten) trägt einen Anteil von ungefähr 90%
und die Quark-Annihilation (oben) von nur etwa 10% zur gesamten Produktionsrate am LHC bei. Alle Prozesse erfolgen über die dominante
starke Wechselwirkung. Der Wirkungsquerschnitt für t t̄-Ereignisse am
10
2.2 Top-Quark Physik
Abbildung 2.5: Produktionsmechanismen führender Ordnung zur Erzeugung
von t t̄-Paaren. Oben: Quark-Annihilation (∼ 10% am LHC). Unten: GluonGluon-Fusion (∼ 90% am LHC).
LHC wird zu σt t̄ = 794 ± 32 pb (NLO6 ) vohergesagt [11], so dass mit einer erwarteten Anfangsluminosität von etwa 1033 cm−2 s−1 ungefähr acht
Millionen t t̄-Ereignisse pro Jahr produziert werden.
Aufgrund seiner kurzen Lebensdauer kann das Top-Quark nicht direkt
im Detektor beobachtet werden, sondern nur die in seinem Zerfall erzeugten Produkte. Nach dem Standardmodell zerfällt es zu annähernd
100% in ein W -Boson und in ein b-Quark. Das W -Boson kann nun entweder in die zwei Komponenten einer der drei Lepton-Dubletts oder einer
der ersten beiden Quark-Dubletts zerfallen (vergleiche Abbildung 2.1).
Ein Zerfall in die dritte Quarkfamilie ist kinematisch nicht erlaubt. Je
nachdem wie die W -Bosonen zerfallen, klassifiziert man t t̄-Ereignisse in
dileptonische, semileptonische oder (voll-)hadronische Ereignisse, wobei
hier unter Leptonen nur die Elektronen und Myonen zu verstehen sind7
und die semileptonischen Ereignisse die dileptonischen mit einschließen.
Die Verzweigungsverhältnisse der einzelnen Zerfallskanäle sind in Abbildung 2.6 dargestellt. Demnach sind ungefähr 5% aller t t̄-Ereignisse
dileptonisch, 35% semileptonisch und etwa 44% hadronisch.
Die entstandenen b-Quarks können aufgrund ihrer Farbladung wie alle
6
7
In der Quantenfeldtheorie werden Größen in Ordnungen der Kopplungskonstante
der zugrunde liegenden Wechselwirkung entwickelt. Die führende Ordnung wird
als leading order (LO) und die nächste Ordnung als next-to-leading order (NLO)
bezeichnet.
Die Tau-Leptonen sind experimentell schwerer nachzuweisen als die Elektronen
und Myonen und würden die Genauigkeit der Analyse senken (vergleiche auch
Kapitel 5.2)
11
2 Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.6: Zerfallskanäle der t t̄-Ereignisse (in führender Ordnung). In
der Legende sind für die di- und semileptonischen Ereignisse die im Zerfall
entstandenen, geladenen Leptonen spezifiziert.
Quarks nicht frei existieren und bilden durch Gluon-Abstrahlung und
Erzeugung von Quark-Antiquark-Paaren ein Bündel von Gluonen und
Quarks, die sich zu vielen farblosen Hadronen zusammenfassen. Dieses
Hadronen-Bündel wird als Jet, in diesem Falle als b-Jet, bezeichnet und
ist experimentell nachweisbar. Die t t̄-Ereignisse zeichnen sich daher durch
das Auftreten von zwei b-Jets aus.
Für die Analyse werden nur Ereignisse, in denen die Top-Quarks paarweise auftreten, betrachtet. Top-Quarks können aber auch einzeln über
die schwache Wechselwirkung erzeugt werden, wobei der Wirkungsquerschnitt dieser so genannten single top events mit ungefähr 257 pb [12] am
LHC kleiner ist als der für die t t̄-Produktion.
2.2.2 Das Top-Quark
Im Folgenden werden die derzeitigen Kenntnisse über Masse, Lebensdauer und Ladung des Top-Quarks und über die Spinkorrelationen in
t t̄-Ereignisssen vorgestellt.
Masse Durch elektroschwache Präzisionsmessungen konnte die Masse
des Top-Quarks bereits vor dessen Entdeckung abgeschätzt werden. Dazu wurde die quadratische Abhängigkeit der Schleifenkorrekturen der
W -Boson-Masse von der Top-Quark-Masse und die lediglich logarithmische Abhängigkeit von der Higgs-Boson-Masse ausgenutzt. Die Feynmangraphen der Schleifenkorrekturen durch das Higgs-Boson und das TopQuark sind in Abbildung 2.7 dargestellt. Aus der Messung der Parameter
der elektroschwachen Theorie ist eine Vorhersage der W -Boson-Masse
möglich und durch Vergleich mit dem experimentellen Wert lassen sich
12
2.2 Top-Quark Physik
Abbildung 2.7: Schleifenkorrekturen zum W -Boson Propagator. Links: Quadratische Korrektur durch das Top-Quark. Rechts: Logarithmische Korrektur
durch das Higgs-Boson.
somit Rückschlüsse auf die Größe der Strahlungskorrekturen, beziehungsweise auf die Top-Quark-Masse, ziehen. Da auch der Z -Boson Propagator
in höherer Ordnung von der Top-Quark-Masse abhängt, können aus Untersuchungen von Wechselwirkungen mit dem Austausch von schwachen
neutralen Strömen ebenfalls Bedingungen an die Top-Quark-Masse abgeleitet werden. So bestimmt sich allein aus indirekten Messungen die
13
Top-QuarkTop-Quark-Masse zu 173 +
− 10 GeV [13]. Am Tevatron wurden
die ersten direkten Messungen der Top-Quark-Masse durchgeführt und
der vorläufige Mittelwert aller Messungen von CDF und DØ aus Run I
und II ist [14] :
mtop = 170,9 ± 1,1 (stat.) ± 1,5 (syst.) GeV .
Die Ergebnisse der einzelnen Analysen sind links in Abbildung 2.8 zu
sehen. Die Messungen am Tevatron sind durch ihren statistischen Fehler
limitiert, so dass die Untersuchung des semileptonischen Zerfallskanals,
der eine größere Ereignisanzahl als der dileptonische und eine klarere
Signatur im Detektor als der hadronische Zerfallskanal durch die hochenergetischen Leptonen bietet, die genauesten Ergebnisse liefert. In der
linken Abbildung ist auch die Messung der Top-Quark-Masse über die
Zerfallslänge (Lxy ) der B -Hadronen des CDF-Experiments aufgeführt
[15]. Sie trägt trotz ihrer großen Unsicherheit durch ihre Unabhängigkeit
von den anderen Messungen mit ein paar Prozent zum Gesamtergebnis
bei. Die Anteile der einzelnen Messungen an dem Gesamtmittelwert sind
rechts in Abbildung 2.8 dargestellt.
Mit der direkten Messung der Top-Quark-Masse ist nun eine (indirekte)
Bestimmung der Masse des Higgs-Bosons über eine Anpassung der Standardmodell Vorhersage an die elektroschwachen Präzisionsdaten möglich.
Das ∆χ2 dieser Anpassung ist links in Abbildung 2.9 in Abhängigkeit von
der Higgs-Masse mH dargestellt. Der gelbe Bereich präsentiert den von
13
2 Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.8: Messungen der Top-Quark-Masse am Tevatron [14]. Links:
Von CDF und DØ in verschiedenen Analysen und Kanälen bestimmte TopQuark-Masse. Rechts: Anteile der einzelnen Messungen an dem Gesamtmittelwert.
LEP8 in der direkten Suche nach dem Higgs-Boson auf einem Vertrauensniveau von 95% ausgeschlossenen Bereich von Higgs-Massen kleiner
als 114,4 GeV [16]. Das Minimum der schwarzen Kurve bestimmt die
33
wahrscheinlichste Higgs-Masse zu mH = 76 +
− 24 GeV [17], sie liegt damit
unterhalb von dem durch LEP ausgeschlossenen Bereich. Die obere Grenze
für die Higgs-Boson-Masse liegt bei mH < 144 GeV auf einem Vertrauensniveau von 95% (ohne Hinzunahme des unteren Limits von LEP). Die
Daten bevorzugen also eine leichte Higgsmasse. Rechts in Abbildung 2.9
ist der Zusammenhang zwischen W -Boson-, Top-Quark- und Higgs-Masse
verdeutlicht. Die violetten Geraden geben die nach dem Standardmodell
erlaubten Werte der W -Boson- und Top-Quark-Masse für eine feste HiggsMasse von 114, 300 und 1000 GeV an. Für Higgs-Massen zwischen dem
8
Large Electron-Positron Collider (1989-2000) - ein e+ e− -Beschleuniger mit Schwerpunktsenergien bis zu 209 GeV am CERN in Genf.
14
2.2 Top-Quark Physik
6
mLimit = 144 GeV
Theory uncertainty
5
∆α(5)
had =
80.5
0.02758±0.00035
68% CL
0.02749±0.00012
incl. low Q2 data
mW [GeV]
∆χ2
4
3
2
1
Excluded
0
30
80.4
80.3
Preliminary
100
mH [GeV]
LEP1 and SLD
LEP2 and Tevatron (prel.)
300
mH [GeV]
114
300
150
∆α
1000
175
200
mt [GeV]
Abbildung 2.9: Abschätzung der Higgs-Boson-Masse [17]. Links: Indirekte Bestimmung der Higgs-Masse durch eine Anpassung der Standardmodell
Vorhersage an die elektroschwachen Präzisionsdaten. Rechts: Erlaubte HiggsMassen in der mW -mt -Ebene.
unteren, durch LEP vorgegebenen Limit, und 1000 GeV werden die erlaubten Massen durch ein grünes Band dargestellt. Die Ellipsen präsentieren
die gemessenen Werte der Top-Quark- und W -Boson-Masse auf einem
Vertrauensniveau von 68%. Zu erkennen ist, dass die direkten Messungen
(blau) gut mit den indirekten (rot) übereinstimmen.
Lebensdauer Aufgrund seiner großen Masse ist die Lebensdauer des
Top-Quarks mit τ ∼ 0,5 · 10−24 s, beziehungsweise cτ ∼ 1,5 · 10−10 µm,
sehr klein. Sie wurde bisher nur bei CDF durch Messung des Abstandes
des pp̄-Kollisionspunktes zum leptonischen W -Boson-Zerfallsvertex in
semileptonischen t t̄-Ereignissen abgeschätzt. Es ergab sich eine mit Null
verträgliche Lebensdauer und auf einem Vertrauensniveau von 95% muss
cτ < 52,5 µm gelten [18].
Ladung Das Standardmodell sagt eine elektrische Ladung von Q =
+2/3 e für das Top-Quark voraus, die jedoch noch nicht gemessen wurde.
Die Ladung der anderen Quarks kann über das Verhältnis R = σ(e+ e− →
Hadronen)/σ(e+ e− → µ+ µ− ) in e+ e− -Beschleunigern bestimmt werden,
allerdings ist es bisher nicht möglich, Schwerpunktsenergien oberhalb des
Schwellenwerts für die Top-Quark Produktion zu erreichen.
15
2 Theoretische Grundlagen
Hinzu kommt, dass eine Interpretation des 1995 vom Tevatron entdeckten
Quarks als ein exotisches Quark Q4 mit einer Ladung von Q = −4/3 e aus
einem Modell mit einer vierten Quark-Familie [19] prinzipiell möglich ist.
Denn in den Analysen bei CDF und DØ wird keine Zuordnung der b -Jets
zu den W -Bosonen in den t t̄-Ereignissen vorgenommen, so dass neben
dem Zerfall t → W + b aus dem Standardmodell auch der Zerfall Q4 →
W − b vorliegen könnte. Durch Messung der Ladung der Zerfallsprodukte
des Top-Quarks konnte DØ die Hypothese von einem Top-Quark mit
einer Ladung von Q = −4/3 e gegenüber der Standardmodell-Hypothese
mit einer Top-Quark Ladung von Q = +2/3 e auf einem Vertrauensniveau
von 92% ausschließen [20]. CDF verwirft das exotische Modell auf einem
Vertrauensniveau von 81% [21].
Spinkorrelationen Da die Top-Quarks nicht hadronisieren, ist ihr Spin
experimentell durch die Winkelverteilungen der Zerfallsprodukte zugänglich. Obwohl in Hadron-Kollisionen die Top-Quarks größtenteils unpolarisiert sind, besteht eine Korrelation der Spins des Top- und des Anti-TopQuarks in einem t t̄-Ereignis. Im dileptonischen Kanal ist die Korrelation κ
über die Winkel θ+ und θ− der Leptonen l+ , beziehungsweise l− , zu einer
gewählten Quantisierungsachse im Ruhesystem des Top-, beziehungsweise
des Antitop-Quarks, wie folgt definiert:
d2 σ
1 − κ cos θ+ cos θ−
1
=
.
σ d(cos θ+ ) d(cos θ− )
4
Das Standardmodell
sagt für das Tevatron bei einer Schwerpunktsenergie
√
von s = 1,8 TeV (Run I) und einer bestimmten Quantisierungsachse
eine Korrelation von κ = 0,88 [22] voraus. In Run I konnte DØ ein
unteres Limit von κ > −0,25 auf einem Vertrauensniveau von 68% für die
Spinkorrelationen in dileptonischen t√
t̄-Ereignissen ermitteln [23]. In Run
II bei einer Schwerpunktsenergie von s = 1,96 TeV wird eine Korrelation
von κ = 0,782 (NLO) [24] erwartet. Zur Zeit ist aber noch keine Messung
der Spinkorrelationen mit Daten von Run II veröffentlicht.
16
3 Das ATLAS-Experiment
Das ATLAS Experiment ist eines von vier größeren Experimenten am
Large Hadron Collider (LHC), der zur Zeit am Europäischen Forschungslabor für Teilchenphysik, CERN1 , in Genf gebaut wird. Dazu wird der
ehemalige Tunnel des LEP-Beschleunigers, der etwa 27 km lang ist und
100 m tief unter der Erde liegt, benutzt. Voraussichtlich ab 2008 werden
dann Protonen mit jeweils einer Energie von 7 TeV zur Kollision gebracht.
In den ersten drei Jahren soll der Beschleuniger mit einer Anfangsluminosität von 1033 cm−2 s−1 laufen und schließlich eine Luminosität von
1034 cm−2 s−1 erreichen. Die für die Anfangszeit über ein Jahr integrierte
Luminosität soll damit bei 10 fb−1 liegen.
Die vier Experimente sind an vier verschiedenen Wechselwirkungs-Punkten
der Protonen-Strahlen im Tunnel aufgebaut. Neben ATLAS (A Toroidal
LHC ApparatuS ) gibt es noch einen weiteren Mehrzweckdetektor, CMS
(Compact Muon Solenoid ), die beide einen möglichst großen Bereich an interessanter Physik, die es am LHC zu erforschen gilt, abdecken sollen. Die
beiden etwas kleineren Experimente ALICE (A Large Ion Collider Experiment) und LHCb (LHC-beauty) widmen sich spezielleren physikalischen
Fragestellungen. So dient Ersteres zur Untersuchung von Schwerionenphysik, wenn der LHC zur Beschleunigung von Schwerionen, wie zum
Beispiel Blei-Kernen, verwendet wird. Letzteres wurde zur Analyse der
CP-Verletzung im B -System konstruiert.
Im Folgenden sollen zuerst die physikalischen Observablen vorgestellt
werden, die typischerweise an Hadron-Beschleunigern Verwendung finden,
um dann eine kurze Übersicht über den Aufbau und die Funktion der
ATLAS Detektorkomponenten zu geben. Für detailliertere Informationen über den ATLAS-Detektor sei auf [25] verwiesen, wobei aktuellere
technische Angaben in [26] zu finden sind. Die in Kapitel 3.2 zitierten
Auflösungen sind aus [25] entnommen.
1
Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire
17
3 Das ATLAS-Experiment
3.1 Physikalische Observablen
Da bei Hadron-Beschleunigern die direkte Wechselwirkung zwischen den
Partonen und nicht zwischen den beschleunigten Teilchen selber stattfindet, ist im Gegensatz zu e+ e− -Beschleunigern die Energie der wechselwirkenden Teilchen nicht bekannt und variiert von Ereignis zu Ereignis.
In einem zylindersymmetrischen Detektor wird daher der Impuls p~ eines
Teilchens, durch den Transversalimpuls pT , die Pseudorapidität
p η2 und2
den Azimutwinkel φ beschrieben. Die transversale Größe pT = px + py
p
hat gegenüber dem dreidimensionalen Betrag |p| = p2x + p2y + p2z den
Vorteil, dass ihre Verteilung nicht von der z-Komponente abhängt. Denn
diese unterliegt stärker dem Einfluss der zufälligen, von den Partondichteverteilungen vorgegebenen, Variation der Parton-Impulse, bei der für
gewöhnlich vorgenommenen Definition der z-Achse parallel zur Strahlachse. Anstelle des Polarwinkels θ wird die Pseudorapidität η = − ln tan θ/2
verwendet, die den Vorteil hat, dass die Verteilung physikalischer Objekte,
wie die Anzahl der Jets, in Abhängigkeit von η einen deutlich flacheren
Verlauf hat. Insbesondere in der Nähe der Strahlachse, wo eine extrem hohe Teilchendichte herrscht, steigt die Pseudorapidität in Abhängigkeit des
Polarwinkels stark an. Des Weiteren ist sie für den Fall vernachlässigbarer
Teilchenmassen, wie es bei Teilchen-Beschleunigern im Allgemeinen möglich ist, eine gute Näherung für die Rapidität. Differenzen in der Rapidität
sind invariant unter speziellen Lorentz-Transformationen (Boosts) entlang
der z-Achse. Dies gilt daher auch für Differenzen der Pseudorapidität ∆η,
weshalb sich diese für die Beschreibung des Winkel-Abstandes zweier
Objekte eignet. So ist zum Beispiel für die Definition eines Jets seine
Ausdehnung eine entscheidene Größe, die jedoch unabhängig vom longitudinalen Boost des Ereignisses sein sollte. Als Maß für den Abstand
zweier
p
2
Vektoren im Raum wählt man daher den Abstand ∆R = ∆η + ∆φ2
in der η-φ-Ebene. Die Differenz der Azimutwinkel ∆φ ist per Definition
unabhängig von dem Boost eines Ereignisses.
Eine bei e+ e− - und Hadron-Beschleunigern gleichermaßen wichtige Größe
ist die fehlende transversale Energie ETmiss eines Ereignisses. Da die kollidierenden Partonen näherungsweise keinen Transversalimpuls besitzen,
muss aufgrund der Impulserhaltung die Summe der Transversalimpulse
aller erzeugten Teilchen verschwinden. Dies ist allerdings nicht mehr der
Fall, wenn in der Wechselwirkung Neutrinos entstehen, da diese nicht
nachgewiesen werden. Dann besitzt das Ereignis netto einen fehlenden
Transversalimpuls beziehungsweise eine fehlende transversale Energie.
18
3.2 Der Detektor
3.2 Der Detektor
Die zur Rekonstruktion eines Ereignisses interessanten physikalischen
Größen sind die Impulse, die Energien und die Spuren der Teilchen, für
deren Messung verschiedene Detektorkomponenten zuständig sind. Der
ATLAS-Detektor, siehe Abbildung 3.1, besteht aus vier Hauptkomponenten: dem Inneren Detektor, den Kalorimetern, dem Myon- und dem
Magnet-System. Sie werden im Folgenden zusammen mit dem für die
Vorselektion der Daten zuständigen Triggersystem kurz vorgestellt.
Abbildung 3.1: Der ATLAS-Detektor [27].
Der Innere Detektor Der Innere Detektor befindet sich direkt am Wechselwirkungspunkt und dient unter anderem der Spurrekonstruktion, Bestimmung der Ladung und der Impulsmessung geladener Teilchen. Aus
den gemessenen Spuren lassen sich der Primärvertex und mögliche Sekundärvertizes, die in dieser Arbeit zur Bestimmung der Top-QuarkMasse benutzt werden, rekonstruieren. Er wird von einem supraleitenden
Solenoid-Magneten mit einer mittleren Stärke von etwa 2 T umschlossen und setzt sich von innen nach außen aus drei Komponenten, dem
Pixel-Detektor, dem Halbleiter-Spurfinder und dem ÜbergangsstrahlungsDetektor, zusammen.
19
3 Das ATLAS-Experiment
Der Pixel-Detektor besteht aus ungefähr 1 700 Modulen, auf denen jeweils etwa 46 000 Pixel angeordnet sind. Die Module sind im Vorwärtsund Rückwärtsbereich in drei Scheiben zwischen 9 und 15 cm und im
Zentralbereich in drei Lagen bei den Radien 5, 9 und 12 cm angeordnet, so dass der Pixel-Detektor drei Messpunkte einer Spur zur Verfügung stellt. Auf den Pixel-Detektor folgt der Halbleiter-Spurfinder, ein
Siliziumstreifen-Detektor. Der Halbleiter-Spurfinder besteht im Vorwärtsund Rückwärtsbereich jeweils aus neun Scheiben und im Zentralbereich
aus vier Lagen. Zusammen mit dem Pixel-Detektor liefert er damit im
Mittel sieben sehr genaue Messpunkte einer Spur im Zentralbereich. Zur
Erhöhung der Anzahl der Messpunkte werden die beiden Komponenten
von dem Übergangsstrahlungs-Detektor umschlossen. Er besteht aus gasgefüllten Röhren mit einem Draht in der Mitte, so genannten Straw-Tubes,
deren Funktionsprinzip dem einer Proportionalkammer gleicht. Im Zentralbereich befinden sich knapp 53 000 axiale und im Endkappen-Bereich
320 000 radiale Straw-Tubes. Im Mittel liefert der ÜbergangsstrahlungsDetektor 36 Messpunkte einer Spur.
Insgesamt deckt der Innere Detektor einen η-Bereich von |η| < 2,5 ab.
Eine Spur kann in einem homogenen Magnetfeld durch fünf Parameter
beschrieben werden. Die Auflösung dieser Parameter ist:
13
1
TeV−1
≈ 0,36 ⊕ √
σ
pT
pT sin θ
1,8
σ (φ) ≈ 0,075 ⊕ √
[mrad]
pT sin θ
2,0 × 10−3
σ (cot θ) ≈ 0,70 × 10−3 ⊕ √ 3
pT sin θ
73
σ (a0 ) ≈ 11 ⊕ √
[ µm]
pT sin θ
115
σ (z0 ) ≈ 87 ⊕ √ 3 [ µm] .
pT sin θ
Dabei sind a0 und z0 der transversale und longitudinale Stoßparameter
einer Spur. Die Bestimmung der Parameter findet an dem Punkt der Spur
statt, der der Strahlachse am nächsten ist.
Die Kalorimeter Die Kalorimeter dienen der Messung der Energie und
Identifikation von Elektronen2 , Photonen und Jets. Zusätzlich liefern sie
2
Damit sind hier auch Positronen gemeint
20
3.2 Der Detektor
Informationen über die Flugrichtung der Teilchen und die fehlende Energie im Detektor. Nachdem die Teilchen den Inneren Detektor passiert
haben, gelangen sie als erstes in das elektromagnetische Kalorimeter, das
die Elektronen und Photonen absorbiert. Die Jets durchdringen dieses im
Allgemeinen und werden erst im hadronischen Kalorimeter gestoppt.
Die Kalorimeter bestehen prinzipiell aus alternierenden Schichten von
Absorbermaterial und aktivem Material. In ersterem lösen die eintreffenden Teilchen einen so genannten Schauer von Sekundärteilchen aus,
durch dessen Energie-Deposition im aktiven Material auf die Energie des
eintreffenden Teilchens zurückgeschlossen werden kann. Elektronen und
Photonen bilden im Material durch Paarerzeugung und Bremsstrahlung
einen elektromagnetische Schauer, der aus einer Vielzahl von gebündelten
Elektronen und Photonen besteht. Die Jets enthalten Hadronen, die im
Gegensatz zu den Elektronen und Photonen nicht nur elektromagnetisch,
sondern auch stark wechselwirken. Durch inelastische Reaktionen mit
den Kernen des Absorbermaterials entsteht der hadronische Schauer, der
weniger stark kollimiert als der elektromagnetische Schauer ist und aus
vielen neu erzeugten Hadronen besteht.
Das elektromagnetische Kalorimeter deckt einen η-Bereich von |η| < 3,2
ab und hat voraussichtlich eine Auflösung von etwa
10%
σ (E)
≈ √ [ GeV] .
E
E
Durch das zentrale Kalorimeter, Endkappen- und Vorwärtskalorimeter hat
das hadronische Kalorimeter insgesamt eine η-Akzeptanz von etwa |η| < 5.
Seine Auflösung ist wesentlich schlechter als die des elektromagnetischen
Kalorimeters und liegt ungefähr bei
50%
σ (E)
≈ √ ⊕ 3% [ GeV] .
E
E
Für die fehlende transversale Energie wird bei der Anfangsluminosität
eine Genauigkeit von
miss
σ pT
= 0,46 ×
qX
ET [ GeV]
P
erwartet, wobei
ET die Summe der transversalen Energien über die
einzelnen Kalorimeterzellen bedeutet. Bei hoher Luminosität wird die
Auflösung um einen Faktor zwei schlechter.
21
3 Das ATLAS-Experiment
Der Myondetektor Der Myondetktor ist das äußerste System, in das
nur die Myonen und die nicht detektierbaren Neutrinos gelangen. Es dient
zur Identifikation und Impulsmessung der Myonen und besitzt dafür ein
eigenes toroidales Magnetfeld und Trigger -System. Die Spurmessung erfolgt mit Hilfe von gasgefüllten Spurkammern wie Driftkammern und
Kathoden-Streifen-Kammern, die auf dem Prinzip einer Vieldrahtproportionalitätskammer basieren.
Insgesamt deckt das Myon-System einen η-Bereich von |η| < 2,7 ab.
Das Trigger-System Beim LHC treffen sich alle 25 ns (40 MHz) die
Protonen an den verschiedenen Wechselwirkungspunkten, wobei mit einer
Endluminosität von 1034 cm−2 s−1 im Mittel 23 inelastische Proton-ProtonKollisionen auftreten. Die Ereignisrate liegt daher bei etwa 1 GHz und
mit einer mittleren Größe von 1-2 MB pro Ereignis läge die zu speichernde
Datenrate bei ∼ 1 PB/s. Dies ist technisch nicht realisierbar, so dass ein
Trigger-System verwendet wird, welches die physikalisch interessanten
Ereignisse selektieren soll. Das ATLAS Trigger-System ist dreistufig und
reduziert die Ereignisrate von anfänglich rund 1 GHz auf etwa 200 Hz.
Die endgültige Datenrate beträgt dennoch ungefähr ∼ 300 MB/s.
22
4 Der Zerfall der B-Hadronen
Im Folgenden soll der Zusammenhang zwischen dem Zerfallsvertex der
B -Hadronen und der Top-Quark-Masse erläutert werden. Dazu wird die
Zerfallslängenmethode zur Top-Quark-Massenmessung, wie sie 2005 präsentiert [28] und schließlich seit 2006 von CDF angewendet [15] wird, vorgestellt. Neben der Zerfallslänge werden auch andere mögliche Messgrößen
der Top-Quark-Masse, die aus den Zerfallsprodukten der B -Hadronen
bestimmt werden können und bisher noch nicht zu einer Bestimmung der
Top-Quark-Masse verwendet wurden, betrachtet. Für alle Variablen ist
eine Rekonstruktion des Zerfallsvertex des B -Hadrons nötig, die anschließend kurz erläutert wird.
4.1 Die Zerfallslängenmethode
Das Top-Quark zerfällt nach dem Standardmodell zu fast 100% in ein
b -Quark und ein W -Boson. In diesem Zwei-Körper-Zerfall hängt der
Impuls, beziehungsweise die Energie, des b -Quarks nahezu linear von der
Top-Quark-Masse mtop ab. Zum Verständnis dieser Abhängigkeit ist es
hilfreich, die Energie Eb∗ des b -Quarks im Ruhesystem des Top-Quarks
zu betrachten. Eine kurze Rechnung ergibt:
Eb∗
m2top − m2W + m2b
1
m2b − m2W 1
= mtop +
.
=
2mtop
2
2
mtop
Der 1/mtop -Term kann entwickelt werden und eine lineare Näherung ist für
nicht zu große Top-Quark-Massenbereiche ausreichend. Aus einer numerischen Berechnung folgt (Entwicklung von 1/mtop um mtop = 175 GeV):
Eb∗ ≈ 0,6 mtop − 36,8 GeV .
Die Top-Quarks befinden sich allerdings im Laborsystem nicht in Ruhe,
wie in Abbildung 4.1 zu erkennen ist. In dieser ist die Verteilung des Boosts
der Top-Quarks in dileptonischen t t̄-Ereignissen, die in dieser Arbeit
untersucht werden, für eine Top-Quark-Masse von 175 GeV dargestellt.
Der Übergang vom Ruhesystem des Top-Quarks in das Laborsystem
23
rel. Anteil
4 Der Zerfall der B-Hadronen
0.07
0.06
0.05
0.04
0.03
0.02
0.01
0.00
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
β
Abbildung 4.1: Boost der Top-Quarks am LHC bei mtop = 175 GeV.
erfolgt durch die Lorentztransformation
Eb = γ Eb∗ + p~∗b · β~
p~b = p~∗b + γ β~ Eb∗ + γ p~∗b · β~
mit dem Lorentzfaktor γ = Etop /mtop und dem Boost β~ = p~top /Etop . Da
der Phasenraum für das Top-Quark stark von der Energie der wechselwirkenden Partonen und nur schwach von der Top-Quark-Masse bestimmt
ist, bleibt eine annähernd lineare Abhängigkeit des b -Quark Impulses von
der Top-Quark-Masse im Laborsystem erhalten. Bei der Hadronisierung
des b -Quarks entsteht in der Regel ein angeregtes B -Hadron, das mittels
der starken Wechselwirkung in ein B -Hadron im Grundzustand übergeht.
Dieser Übergang kann in mehreren Schritten erfolgen, da aber die Lebensdauer stark zerfallender Teilchen in der Größenordnung von 10−24 s liegt,
entsteht das Grundzustands-B -Hadron noch im Wechselwirkungspunkt
(Primärvertex). Es zerfällt schwach und kann daher mit einer mittleren
Lebensdauer von knapp 1,6 ps [29] einige Millimeter weit fliegen, bevor es
in ein D-Hadron und schließlich in stabile Teilchen übergeht. In Tabelle
4.1 sind die Massen und die Lebensdauern der wichtigsten B -Hadronen
dargestellt. Der Zerfallsvertex (Sekundärvertex) der schwach zerfallenden
B -Hadronen (im Folgenden einfach nur noch als B -Hadronen bezeichnet)
ist experimentell bestimmbar und für die Zerfallslänge L, dem Abstand
zwischen Primär- und Sekundärvertex, gilt:
pB ∗
t .
L = βγt∗ =
mB
24
4.1 Die Zerfallslängenmethode
B -Hadron
proz. Anteil
m [ MeV]
τ [ps]
B±
40,1 ± 1,0 %
5279,0 ± 0,5
1,643 ± 0,010
40,1 ± 1,0 %
5279,4 ± 0,5
1,527 ± 0,008
B 0s ,B s
10,6 ± 1,3 %
5367,5 ± 1,8
0,029
1,451+
− 0,028
Λ0b
∼ 8%
5624 ± 9
1,393 ± 0,049
B 0 ,B
0
0
Tabelle 4.1: Prozentualer Anteil an den B -Hadronen [29], Masse m [30] und
Lebensdauer τ [29] der wichtigsten B -Hadronen.
Hierbei ist pB der Impuls, mB die Masse des B -Hadrons und t∗ seine
Lebensdauer im Ruhesystem. Die Größen β und γ ergeben sich analog
wie für das Top-Quark aus den kinematischen Variablen des B -Hadrons.
Der Impuls der B -Hadronen beträgt einen Bruchteil Xb des b -Quark Impulses und ist durch die Fragmentationsfunktion f (Xb ) bestimmt (siehe
Kapitel 8.4). Er ist somit eine auf die Top-Quark-Masse sensitive Größe, die experimentell über die Zerfallslänge der B -Hadronen zugänglich
ist. Aufgrund des proportionalen Zusammenhangs von L und pB ist eine
annähernd lineare Abhängigkeit der mittleren Zerfallslänge von der TopQuark-Masse zu erwarten.
Da die longitudinale Komponente der Zerfallslänge stärker dem Einfluss der Partondichteverteilungen unterliegt (vgl. Kapitel 3.1), ist die
transversale Zerfallslänge LT sensitiver auf die Top-Quark-Masse als die
Zerfallslänge L. Sie wird daher im Folgenden zur Bestimmung der TopQuark-Masse verwendet. In Abbildung 4.2 ist die experimentelle Bestimmung der transversalen Zerfallslänge dargestellt.
Der Vorteil der Zerfallslängenmethode ist, dass lediglich Spurinforma-
Abbildung 4.2: Experimentelle Bestimmung der transversalen Zerfallslänge
25
4 Der Zerfall der B-Hadronen
tionen zur Bestimmung des Zerfallsvertex nötig sind. Eine Kenntnis der
Jet-Energien wie bei herkömmlichen Methoden zur Bestimmung der TopQuark-Masse ist nicht erforderlich. Der absolute Wert der Jet-Energien,
die so genannte Jet-Energieskala (JES), ist schwer zu bestimmen, und
führt dort zu einem großen systematischen Fehler. Des Weiteren vereinfacht sich die Analyse erheblich durch die Tatsache, dass die vollständige
Rekonstruktion der Ereignis-Topologie nicht nötig ist. Dies ist in dileptonischen t t̄-Ereignissen aufgrund der auftretenden Neutrinos nicht
trivial und würde zu weiteren systematischen Fehlerquellen führen. Eine
Behandlung der systematischen Fehler findet in Kapitel 8 statt.
4.2 Weitere Messgrößen
Neben der Zerfallslänge wurde nach weiteren Messgrößen des B -Hadron
Impulses gesucht, in der Hoffnung, dass diese eine weitere Methode zur
Bestimmung der Top-Quark-Masse ermöglichen. Um eine Unabhängigkeit
von der Jet-Energieskala beizubehalten, müssen diese Variablen ebenfalls
allein aus Spurinformationen bestimmbar sein. Daher wurde versucht aus
den Spuren der Zerfallsprodukte der B -Hadronen sensitive Größen auf die
Top-Quark-Masse zu konstruieren. Typischerweise zerfällt ein B -Hadron
in ein angeregtes D-Hadron, das in mehreren Stufen ähnlich wie das
B -Hadron zerfällt. Ein möglicher Zerfall eines B + -Mesons ist:
B + → ρ(770)+ D̄∗ (2007)0 η
mit
ρ(770)+ → π + π 0
→ π + γγ
D̄∗ (2007)0 → D̄0 γ
→ K + e− ν̄e γγ
η → π + π − π 0 → π + π − γγ .
Er ist in Abbildung 4.3 skizziert, wobei nur diejenigen Zerfallsprodukte
dargestellt sind, deren Spuren vom Detektor nachgewiesen werden können.
Je nachdem wie groß der Impuls der B -Hadronen ist, sind die Spuren mehr
oder weniger stark in Richtung der B -Hadron Flugrichtung kollimiert.
Dies ist in der unteren Abbildung verdeutlicht, in der der gleiche Zerfall,
jedoch mit einer geringeren Energie des B + -Mesons, zu sehen ist. Es
wurden drei Messgrößen konstruiert, die ein Maß für die Kollimation der
Spuren und damit für den B -Hadron Impuls, liefern sollen.
Der Zerfallswinkel αdc (i) einer Spur i mit dem Impuls p~i wird definiert
als der Winkel dieser Spur zur Flugrichtung p~B des B -Hadrons:
(~pi · p~B )
.
cos αdc (i) =
pi pB
26
4.2 Weitere Messgrößen
Abbildung 4.3: Oben: Schematischer Zerfall eines B + -Mesons mit einer Energie von 141 GeV innerhalb eines generierten t t̄-Ereignisses. Die gestrichelte
Linie kennzeichnet die B -Meson Flugrichtung und die gepunktete deutet das
0
D̄ -Meson an. Unten: Der obige Zerfall nach einer Lorentztransformation mit
einem entgegengesetzt zur Flugrichtung des B -Mesons gerichteten Boost. Die
Energie des B + -Mesons beträgt nur noch rund 47 GeV.
Jede Spur liefert damit einen Hinweis auf den B -Hadron Impuls. Für die
Analyse wurde der Zerfallswinkel über alle detektierten Spuren N der
Zerfallsprodukte eines B -Hadrons gemittelt
hαdc i =
N
1 X
αdc (i) .
N i=1
Die Flugrichtung der B -Hadronen kann aus dem Differenzvektor von
Sekundär- und Primärvertex rekonstruiert werden. Sie wird nicht immer
korrekt ermittelt, weshalb noch ein weiterer Winkel, der mittlere Öffnungswinkel hαop i der Spuren, bestimmt wird. Dieser ist unabhängig von
der Flugrichtung der B -Hadronen und der Öffnungswinkel zwischen zwei
Spuren i und j ist durch
cos αop (i, j) =
(~pi · p~j )
pi pj
gegeben. Der Mittelwert über alle auftretenden Spurpaare in einem B Hadron Zerfall ist:
X
2
hαop i = 2
αop (i, j) .
N −N i >j
Da die D-Hadronen eine Lebensdauer von bis zu 1 ps (D ± -Mesonen)
haben, können sie unter Umständen mehrere Millimeter weit fliegen, so
27
4 Der Zerfall der B-Hadronen
dass die Winkel αdc und αop ihrer Zerfallsprodukte nicht immer in der
gewünschten Relation zum B -Hadron Impuls stehen. Daher wurde noch
eine dritte Messgröße der so genannte Thrust betrachtet. Er wird aus
den Impulsen der Spuren bestimmt, indem zuerst eine Thrust-Achse ~n
ermittelt wird, die die Impulse parallel zu dieser Achse maximiert:
P
p~i · ~n
i
P
.
thrust = max
~
n
~i
ip
Der Thrust ist ein Maß für die Kollimation der Impulse bezüglich dieser
Achse und kann Werte zwischen null (isotrope Verteilung der Impulse
im Raum) und eins (alle Impulse parallel zur Thrust-Achse) annehmen.
Zur Berechnung dieser Variablen wird ein Paket [31] verwendet, das
ursprünglich zur Berechnung von Jet-Richtungen entwickelt wurde.
4.3 Rekonstruktion des Zerfallsvertex
Die Rekonstruktion des Zerfallsvertex [32] basiert auf dem VKalVrt-Paket
[33], das auch zur Findung des Primärvertex verwendet wird. Um den
Sekundärvertex eines B -Hadrons innerhalb eines b -Jets zu bestimmen,
werden alle Spuren dieses b -Jets verwendet, sofern sie bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Diese sind:
• Anzahl der Treffer im Pixel-Detektor ≥ 1
• Anzahl der Treffer im Siliziumstreifen-Detektor ≥ 4
• Anzahl der Treffer in den Silizium-Spurdetektoren (Pixel- und
Siliziumstreifen-Detektor) ≥ 7
• Güte der Spuranpassung χ2 ≤ 3
• 1/pT ≤ 1,3 ( GeV)−1
• Unsicherheit des transversalen Stoßparameters σa0 ≤ 0,35 mm
• Unsicherheit des longitudinalen Stoßparameters σz0 ≤ 2,5 mm.
Aus den Spuren, die diese Kriterien erfüllen, wird versucht Spurpaare zu
bilden, die einen so genannten 2-Spur Vertex (2-track vertex ) mit einem
χ2 kleiner als 3,5 formen. Dieser 2-Spur Vertex muss eine Signifikanz
des dreidimensionalen Abstands d zum Primärvertex von d/σd > 2,5
besitzen. Zudem müssen die Spuren i eines solchen Paares noch zwei
28
4.3 Rekonstruktion des Zerfallsvertex
weiteren Bedingungen bezüglich ihres dreidimensionalen Abstand di zum
Primärvertex genügen:
• di /σdi > 2,3
P2
•
i=1 di /σdi > 6,0
Damit findet eine Differenzierung zu den aus dem Primärvertex stammenden Spuren statt. Alle diese Spuren bilden eine Liste von Spuren, aus
der ein Unterprogramm des VKalVrt-Pakets versucht einen gemeinsamen
Sekundärvertex zu finden. Ist das χ2 dieser ersten Anpassung nicht akzeptabel, so wird die Spur, die den höchsten Beitrag zum χ2 leistet, von der
Spurliste gestrichen und eine neue Anpassung durchgeführt. Diese Suche
wird solange iteriert bis ein Sekundärvertex mit genügend kleinem χ2
vorliegt oder keine Spuren mehr in der Liste enthalten sind. Manche der
rekonstruierten 2-Spur Vertizes stammen aus K 0 -, Λ -Zerfällen, γ → e+ e−
Konversionen oder hadronischen Wechselwirkungen mit dem Detektormaterial, die durch Berechnung ihrer invarianten Masse, unter Annahme
entsprechender Massenhypothesen, und des transversalen Abstands zum
Primärvertex identifiziert werden können. Ihre Spuren werden von der
Liste entfernt.
In der Bestimmung des Sekundärvertex werden keine Annahmen über
die exakte Topologie und Multiplizität des B -Hadron Zerfalls gemacht,
weshalb es sich um eine inklusive Bestimmung handelt. Der gefundene
Vertex entspricht somit einer mittleren Position zwischen dem B -Hadron
und dem D-Hadron Zerfallspunkt.
29
5 Analysierte Datensätze
Für diese Arbeit werden Datensätze dileptonischer t t̄-Ereignisse bei verschiedenen Top-Quark-Massen benötigt. Da die Produktion der offiziellen Datensätze noch nicht abgeschlossen ist, wurden die dileptonischen
t t̄-Ereignisse selber generiert und rekonstruiert. Zerfälle der W -Bosonen
in Tau-Leptonen sind in den dileptonischen Ereignissen nicht enthalten.
Zur Unterdrückung der Untergrundprozesse fand anschließend eine Selektion der rekonstruierten Ereignisse statt. Im Folgenden wird zuerst die
Produktion der Datensätze und daraufhin die vorgenommene Ereignisselektion vorgestellt.
5.1 Erzeugung von dileptonischen t t̄-Ereignissen
Die Erzeugung der Ereignisse unterteilt sich in zwei Abschnitte. Zuerst
wird ein bekannter Prozess (das „wahre“ Ereignis) generiert und anschließend findet eine so genannte volle Simulation des Ereignisses im Detektor
statt. Dies wird im Folgenden manchmal als das „rekonstruierte“ Ereignis
bezeichnet.
Zur Generation der Ereignisse wird der Monte-Carlo-Generator AcerMC
[34] in der Version 3.4 verwendet. AcerMC ist ein auf Untergrundprozesse
beim LHC spezialisierter Generator (LO) für den harten Prozess, das
heißt für die harte (hochenergetische) Wechselwirkung der Partonen aus
den kollidierenden Protonen, und berücksichtigt die Spinkorrelationen der
Top-Quarks. Abstrahlungsprozesse sowie die Hadronisierung und Zerfälle
müssen von einem externen Generator übernommen werden. Dafür wurde
Pythia 6.4 [35] innerhalb der ATHENA1 Version 12.0.6 verwendet. Es
gibt auch andere Generatoren zur Erzeugung von t t̄-Ereignissen, da aber
AcerMC und Pythia in der offiziellen Produktion der Datensätze für unterschiedlichen Top-Quark-Massen verwendet werden und leicht zu bedienen
sind, wurden sie gewählt. Für eine bessere Beschreibung von Tau-Lepton
Zerfällen und um QED2 -Abstrahlung der Leptonen und Hadronen im
1
2
Eine Programmumgebung zur Generation, Rekonstruktion und Analyse von Ereignissen innerhalb des ATLAS-Experiments.
Die Quantenelektrodynamik ist eine Quantfeldtheorie zur Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung innerhalb des Standardmodells.
31
5 Analysierte Datensätze
Endzustand zu berücksichtigen, werden die Programme TAUOLA [36]
und PHOTOS [37] innerhalb von Pythia benutzt.
Wenn der LHC mit einer Luminosität von 1034 cm−2 s−1 läuft, werden im
Mittel 23 Proton-Proton-Kollisionen pro Strahlwechselwirkung stattfinden, so dass eine Überlagerung mehrerer Ereignisse im Detektor auftreten
wird. Bei einer Luminosität von 1033 cm−2 s−1 treten nur etwa 2-3 Kollisionen pro Wechselwirkung auf. Die meisten dieser zusätzlichen Ereignisse
gehen jedoch aus niederenergetischen Wechselwirkungen hervor und da
eine Beschreibung des Phänomens schwierig ist, wird in dieser Arbeit kein
pile-up berücksichtigt.
Die volle Simulation der generierten Ereignisse erfolgt in drei Teilschritten. Zuerst findet eine GEANT4 [38] Simulation des ATLAS Detektors
statt, die die Teilchen durch den Detektor propagiert und deren Energiedeposition im Detektor bestimmt. Die Simulation ist sehr rechenaufwendig und dauert einige Minuten pro Ereignis. Sie stellt daher den
limitierenden Faktor in der Datenproduktion dar. Anschließend erfolgt
die Digitalisierung, in der die Detektorantwort auf das Ereignis in den
physikalischen Größen von Ladung, Strom, Ort etc. ermittelt wird. Die
Interpretation dieser Rohdaten in Spuren und Energiedepositionen erfolgt
in der abschließenden Rekonstruktion. Die volle Simulation erfordert eine möglichst wahrheitsgemäße Beschreibung des Detektors, die ständig
verbessert wird. Eine Übersicht über vorhandene Beschreibungen ist in
[39] zu finden. Zur Erzeugung der Datensätze wurde die zur CSC 3 Produktion empfohlene Detektor-Beschreibung CSC-01-02-00 gewählt. Sie
beinhaltet sowohl realistische Fehlausrichtungen in allen drei Komponenten des Inneren Detektors als auch der Komponenten untereinander. Des
Weiteren sind Korrekturen des Magnetfelds und Materialverzerrungen
eingeschlossen. Die volle Simulation erfolgte in den aktuellsten validierten
Athena-Versionen. Dies war für die Simulation und Digitalisierung die
Version 12.0.6.1 und für die Rekonstruktion die Version 12.0.6.3.
Da die volle Simulation sehr zeitintensiv ist, existiert noch eine so genannte schnelle Simulation ATLFAST [40], die für viele Analysen ausreichend
ist. Da in dieser Arbeit der Zerfallsvertex der B -Hadronen bestimmt werden muss, den ATLFAST nicht korrekt beschreibt, konnte die schnelle
Detektorsimulation nicht verwendet werden.
Insgesamt wurden sieben Datensätze bei den Top-Quark-Massen 160, 165,
170, 175, 180, 185 und 190 GeV mit jeweils ungefähr 500 000 Ereignissen
3
Die CSC (Computing System Commissioning) Produktion ist konzipiert zur Erprobung der ATLAS Software und zur Vorbereitung auf die zukünftige Datennahme.
32
5.2 Ereignisselektion
generiert und davon jeweils etwa 10% voll simuliert.
5.2 Ereignisselektion
Die experimentellen Daten werden nicht nur die gewünschten t t̄-Signalereignisse sondern auch einen großen Teil an Untergrundereignissen enthalten. Im Allgemeinen ist es daher wichtig, diese Untergrundprozesse so
stark wie möglich zu unterdrücken, um den aus ihnen resultierenden systematischen Fehler klein zu halten und ein hohe Sensitivität der Messung
zu erreichen.
Folgende Untergrundprozesse können eine ähnliche Signatur aufweisen
wie ein in Abbildung 5.1 dargestelltes dileptonisches t t̄-Ereignis.
Physikalischer Untergrund:
• Diboson Ereignisse:
WW, WZ, ZZ
• Drell-Yan Prozesse:
Z /γ ∗ → τ + τ −
Instrumenteller Untergrund4 :
• W +Jets, Z +Jets
• Drell-Yan Prozesse:
Z /γ ∗ → e + e − , µ+ µ−
• Multijet Untergrund
Die dileptonischen t t̄-Ereignisse haben, im Gegensatz zu den anderen
Zerfallskanälen des Top-Quarks, aufgrund der zwei hochenergetischen
Leptonen eine klare Signatur im Detektor, weshalb durch eine genügend
restriktive Ereignisselektion davon auszugehen ist, dass die Untergrund-
Signatur:
• 2 hochenergetische Leptonen
• 2 b -Jets
• fehlende transversale Energie
Abbildung 5.1: Dileptonisches t t̄-Ereignis.
4
Ereignisse des instrumentellen Untergrunds haben im Gegensatz zum physikalischen
Untergrund nur dann dieselbe Signatur wie die Signalereignisse, wenn mindestens
ein physikalisches Objekt fehlinterpretiert wird.
33
5 Analysierte Datensätze
prozesse vernachlässigt werden können.
Es wurde keine eigene Schnittanalyse durchgeführt, stattdessen werden
die Definitionen physikalischer Objekte, wie Leptonen und Jets, von der
Top-Quark Arbeitsgruppe bei ATLAS verwendet. Diese sind in dem Analyseprogramm TopView implementiert und können in [41] nachgelesen
werden. Damit wurden folgende Anforderungen an ein rekonstruiertes
Ereignis aufgestellt:
• zwei entgegengesetzt geladene, isolierte Leptonen (e,µ) mit pT >
20 GeV und |η| < 2,5, wobei im ee- und µµ-Kanal die invariante
Masse der Leptonen nicht innerhalb eines Bereiches von 85-95 GeV
um die Z -Boson Masse liegen darf
• fehlende transversale Energie ETmiss > 40 GeV
• mindestens zwei Jets mit pT > 20 GeV und |η| < 2,5, wobei ein Jet
als b -Jet identifiziert sein muss (w > 6,75, s. nächsten Absatz)
Die betrachteten Jets werden vom Cone-Algorithmus mit einem Radius
von 0,4 (in der η-φ-Ebene) rekonstruiert. Da der Innere Detektor nur eine
η-Bereich bis 2,5 abdeckt, wird für alle Objekte gefordert, sich innerhalb
dieses Bereiches zu befinden. Die Leptonen wurden zudem noch weiteren
Qualitätskriterien unterworfen. Mit dieser Selektion müssen insgesamt
ungefähr 82% der Signalereignisse verworfen werden und das Signal zu
Untergrund Verhältnis liegt bei etwa 40:1 [42].
Die Identifikation eines Jets als b -Jet erfolgt durch so genannte b -Tagging
Algorithmen, die eine Unterscheidung zwischen b -Jets und leichten Jets
(Jets, die sich aus Quarks der ersten beiden Generationen beziehungsweise Gluonen entwickelt haben) mittels einer einzigen diskriminierenden
Variablen w erlauben. Das in dieser Arbeit verwendete b -Tagging [43]
kombiniert zwei voneinander unabhängige Methoden, das Stoßparameterbasierte [25] und das Sekundärvertex-basierte b -Tagging [32], die beide
den Zerfall des B -Hadrons innerhalb des b -Jets ausnutzen. Erstere verwendet zur Unterscheidung der b -Jets von den leichten Jets die Stoßparametersignifikanz a0 /σa0 der Spuren in den Jets, die im Mittel für die
Spuren im b -Jet deutlich größer ist. Die Definition des (transversalen)
Stoßparameters ist in Abbildung 5.2 dargestellt. Die zweite Methode benutzt direkt den Sekundärvertex der B -Hadronen (vergleiche Kapitel 4.3)
und berechnet eine diskriminierende Variable aus drei verschiedenen Parametern M , F und N . Diese sind die invariante Masse M aller aus
dem Sekundärvertex stammenden Teilchen, der Bruchteil F der Energie,
34
5.2 Ereignisselektion
Abbildung 5.2: Definition des transversalen Stoßparameters a0
die von diesen Teilchen kommt, bezogen auf die Energie aller geladenen
Teilchen im Jet und die Anzahl N der 2-Spur Vertizes innerhalb des Jets.
Beide zum b -Tagging benutzte Methoden berechnen unabhängig voneinander eine diskriminierenden Variable, die schließlich zu einer einzigen
diskriminierenden Variablen w kombiniert werden. Mit der Wahl von
w > 6,75 liegt die Nachweiswahrscheinlichkeit der b -Jets in den vorliegenden rekonstruierten Daten mit einer Top-Quark-Masse von 175 GeV
bei etwa 60% und die Unterdrückung (inverse irrtümliche Nachweiswahrscheinlichkeit als b -Jet) der leichten Jets bei 181 ± 8. Die bereinigte
Unterdrückung der leichten Jets ist 292 ± 17. Diese berücksichtigt nur
leichte Jets, die in einem Radius von ∆R < 0,8 kein B -, D-Hadron oder
Jet aus einem Tau-Lepton, c- oder b-Quark enthalten.
Da der Untergrund schon mit der Forderung von nur einem identifizierten b -Jet pro Ereignis stark unterdrückt werden kann, wird auf eine
Identifikation des zweiten b -Jets im Ereignis verzichtet, um die Ereignisanzahl nicht weiter zu reduzieren. Bei einer Nachweiswahrscheinlichkeit
von 60% der b -Jets ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide b -Jets in einem
t t̄-Ereignis identifiziert werden, mit ungefähr 36% weniger als halb so
groß wie für die Identifikation von mindestens einem b -Jet (84%).
35
6 Bestimmung der Top-Quark-Masse aus den
generierten Datensätzen
Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Bestimmung der TopQuark-Masse über vier verschiedene Observablen auf Generatorniveau
vorgestellt. Nach einem Überblick über die Eigenschaften der Top-Quarks
und B -Hadronen in den dileptonischen t t̄-Ereignissen folgt die Präsentation der Verteilungen der Zerfallslänge, des Thrust, des mittleren Zerfallsund Öffnungswinkels. Für jede dieser Observablen wird eine Eichkurve
erstellt, mittels derer eine Bestimmung der Top-Quark-Masse möglich ist.
Abschließend findet ein Vergleich der verschiedenen Methoden statt.
Die Ergebnisse basieren allein auf den Informationen, die der MonteCarlo-Generator liefert, das heißt, es fand keine Rekonstruktion der Jets
und damit kein b -Tagging, keine Rekonstruktion des Zerfallsvertex und
keine Ereignisselektion statt. Die in Kapitel 6.1 und 6.2 gezeigten Verteilungen sind mit einer Top-Quark-Masse von 175 GeV erstellt worden. Die
Histogramme im gesamten Kapitel 6 sind auf eins normiert.
6.1 Eigenschaften der dileptonischen t t̄-Ereignisse
√
Die Verteilung der Schwerpunktsenergie ŝ der beiden Top-Quarks ist
in Abbildung 6.1 zu sehen. Aufgrund der Partondichteverteilung der
Gluonen und des typischen Abfalls des Wirkungsquerschnitts mit der
Schwerpunktsenergie, findet die Produktion der Top-Quarks nah an der
kinematischen Schwelle bei der doppelten Top-Quark-Masse statt. Das
t t̄-System wird daher annähernd in Ruhe erzeugt und der Transversalimpuls der Top-Quarks ist relativ groß. Die Verteilung des Impulses und
des Transversalimpulses der Top-Quarks ist in Abbildung 6.2 dargestellt.
Die im Zerfall der Top-Quarks entstehenden b -Quarks sind hochrelativistisch und erzeugen in der Hadronisierung hochenergetische B -Hadronen.
In Abbildung 6.3 ist die Impuls- und η-Verteilung der B -Hadronen zu
sehen. Etwa 91% der B -Hadronen liegen innerhalb des Akzeptanzbereichs von |η| < 2,5 des Inneren Detektors. Die Transversalimpuls- und
η-Verteilung der Leptonen in den dileptonischen t t̄-Ereignissen sind in
Abbildung 6.4 dargestellt. In der Analyse der rekonstruierten Ereignisse
37
rel. Anteil
6 Bestimmung der Top-Quark-Masse aus den generierten Datensätzen
0.04
0.03
0.02
0.01
0.00
0
500
1000
1500
s [GeV]
rel. Anteil
rel. Anteil
Abbildung 6.1: Schwerpunktsenergie der dileptonischen t t̄-Ereignisse.
0.05
0.04
0.030
0.025
0.020
0.03
0.015
0.02
0.010
0.01
0.005
0.00
0
500
1000
p GeV
0.000
0
200
400
p
T
600
GeV
Abbildung 6.2: Impuls und Transversalimpuls der Top-Quarks.
werden an die Leptonen die Bedingungen |η| < 2,5 und pT > 20 GeV gestellt. Erstere kann von etwa 7% und letztere von etwa 15% der Leptonen
auf Generatorniveau nicht erfüllt werden.
Um die Untersuchung der generierten Datensätze möglichst vergleichbar
mit der der rekonstruierten Daten zu machen, wurden im Folgenden nicht
nur die B -Hadronen des harten Prozesses sondern alle im Ereignis auftretenden B -Hadronen untersucht. In Abbildung 6.5 ist die Anzahl der
B -Hadronen pro Ereigniss zu sehen. Etwa 90% aller Ereignisse haben
zwei B -Hadronen, jedoch können auch Ereignisse mit vier oder selten
sogar sechs B -Hadronen auftreten. Die Anzahl der B -Hadronen, die tatsächlich aus dem harten Prozess stammen und daher eine Information
38
rel. Anteil
rel. Anteil
6.2 Der Zerfall der B-Hadronen
0.035
0.030
0.025
0.020
0.025
0.015
0.020
0.015
0.010
0.010
0.005
0.005
0.000
0
50
100
150
0.000
200
250
p GeV
-4
-2
0
2
4
η
T
0.040
rel. Anteil
rel. Anteil
Abbildung 6.3: Transversalimpuls und Pseudorapidität der B -Hadronen.
0.035
0.030
0.025
0.020
0.025
0.020
0.015
0.015
0.010
0.010
0.005
0.005
0.000
0
50
100
150
200
250
p GeV
0.000
T
-4
-2
0
2
4
η
Abbildung 6.4: Transversalimpuls und Pseudorapidität der Leptonen.
über die Top-Quark-Masse enthalten, liegt bei 95%. (Top-Quarks sind
so schwer, dass ihre Produktion außerhalb des harten Prozesses höchst
unwahrscheinlich ist.)
6.2 Der Zerfall der B-Hadronen
Um die Top-Quark-Masse zu bestimmen, werden verschiedene Observablen, wie sie in Kapitel 4.2 vorgestellt wurden, verwendet: die transversale
Zerfallslänge LT , der Thrust, der Zerfallswinkel αdc und der Öffnungswinkel αop . Auf Generatorniveau sind im Gegensatz zur transversalen Zerfallslänge die Impulse der Zerfallsprodukte zur Berechnung des Thrusts
39
rel. Anteil
rel. Anteil
6 Bestimmung der Top-Quark-Masse aus den generierten Datensätzen
0.8
0.20
0.15
0.6
0.4
0.10
0.2
0.05
0.0
0
2
4
6
8
# B-Hadronen/Ereignis
Abbildung 6.5:
B -Hadronen pro Ereignis.
0.00
0
5
10
15
# verwerteter Spuren/Svtx
Abbildung 6.6:
Spuren pro Sekundärvertex.
und der beiden Winkel nötig. Da im Detektor nur Spuren geladener
Teilchen zu sehen sind, werden auch auf Generatorniveau nur geladene Teilchen, die zudem höchstens einen inversen Transversalimpuls von
1/pT ≤ 1,3 (GeV)−1 haben, verwendet. Die übrigen Spurkriterien, die an
die rekonstruierten Spuren gestellt werden (vergleiche Kapitel 4.3), beziehen sich auf die Auflösung einer Spur und sind daher für die generierten
Spuren nicht implementierbar. Im Mittel enthält ein Sekundärvertex vier
geladene Spuren, deren Verteilung in Abbildung 6.6 präsentiert wird.
Die Verteilungen der vier Observablen sind in Abbildung 6.7 dargestellt.
Die transversale Zerfallslänge zeigt Abweichungen von einem einfachen
exponentiellen Abfall, wie die Anpassung einer Exponentialfunktion links
in Abbildung 6.8 verdeutlicht. Die Ursache liegt nicht in den unterschiedlichen Lebensdauern und Massen der verschiedenen B -Hadron Typen,
sondern darin, dass der Impuls der B -Hadronen variiert (siehe Abbildung
6.3). Dies kann aus dem rechts danebenstehenden Histogramm, in dem
die Zerfallslänge der B -Hadronen mit einem Impuls in dem Bereich von
30-50 GeV gezeigt ist, geschlossen werden, da hier die Anpassung einer
Exponentialfunktion erfolgreich ist. Der aus den Spuren der Zerfallsprodukte bestimmte Thrust ist, aufgrund der geringen Anzahl und starken
Kollimation der Spuren, sehr groß und steigt steil zum Maximalwert hin
an. Die y-Achse der Verteilung des Thrust in Abbildung 6.7 ist daher,
ebenfalls wie die der transversalen Zerfallslänge, logarithmisch dargestellt.
Die Verteilungen der Winkel favorisieren beide, ebenfalls aufgrund der
hohen Kollimation der Spuren, kleine Werte und wie zu erwarten ist, fällt
40
rel. Anteil
rel. Anteil
6.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse
10-1
10-1
10-2
10-2
-3
10
-3
10
10-4
10
20
30
40
50
LT mm
0.98
0.08
0.06
0.985
0.99
0.995
1
thrust
rel. Anteil
rel. Anteil
0
0.06
0.05
0.04
0.03
0.04
0.02
0.02
0.00
0.01
0
5
10
15
20
25
30
⟨α ⟩ [°]
0.00
0
5
10
15
dc
20
25
30
⟨α op⟩ [°]
Abbildung 6.7: Transversale Zerfallslänge LT , Thrust und die beiden Winkel
αdc , αop auf Generatorniveau.
der Öffnungswinkel weniger steil ab als der Zerfallswinkel.
6.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse
Zur Bestimmung der Top-Quark-Masse wurde aus den Verteilungen der
Observablen für verschiedene Top-Quark-Massen von 160 bis 190 GeV
jeweils der Mittelwert bestimmt und eine Eichkurve, die die Top-QuarkMasse in Abhängigkeit vom Mittelwert beschreibt, erstellt. Es hat sich
dabei herausgestellt, dass der Mittelwert der geeignetste Parameter ist.
Die Anpassung verschiedenster Funktionenen, wie zum Beispiel eine Summe von zwei Exponentialfunktionen, an die transversale Zerfallslänge
gelingt nur sehr unzureichend und liefert eine schlechtere Sensitivität
41
rel. Anteil
rel. Anteil
6 Bestimmung der Top-Quark-Masse aus den generierten Datensätzen
10-1
10-1
10-2
10-2
-3
10
-3
10
30 GeV < p < 50 GeV
10-4
0
5
10
15
20
25
LT mm
T
0
5
10
15
20
25
LT mm
Abbildung 6.8: Anpassung einer Exponentialfunktion an die Verteilung der
transversalen Zerfallslänge der B -Hadronen, wobei rechts der Impuls der B Hadronen auf eine Bereich von 30-50 GeV eingeschränkt wurde.
auf die Top-Quark-Masse. CDF verwendet ebenfalls den Mittelwert zur
Bestimmung der Top-Quark-Masse aus der transversalen Zerfallslänge
[15]. Er berechnet sich bei N Messpunkten xi nach
PN
xi
hxi = i=1
N
und sein Fehler ist durch
s
σhxi =
hx2 i − hxi2
N
gegeben. Bei der Analyse der rekonstruierten Daten hat sich gezeigt, dass
für manche Observablen eine größere Sensitivität auf die Top-QuarkMasse erreicht werden kann, wenn ihr Gültigkeitsbereich eingeschränkt
wird (vergleiche Kapitel 7.3). Der Mittelwert hängt stark von dem gewählten Bereich ab und für eine bessere Vergleichbarkeit wurden die
mit den rekonstruieren Daten ermittelten Gültigkeitsbereiche ebenfalls
für die Untersuchung der Observablen auf Generatorniveau verwendet.
In Abbildung 6.9 sind die ermittelten Datenpunkte zur Bestimmung
der Eichkurven für die verschiedenen Observablen dargestellt. Die TopQuark-Masse ist auf der y-Achse aufgetragen, da dies die Berechnung
des statistischen Fehlers der Top-Quark-Massenmessung vereinfacht. Die
transversale Zerfallslänge und der Thrust steigen beide mit zunehmender Top-Quark-Masse, beziehungsweise zunehmendem B -Hadron Impuls,
42
Graph
Graph
mtop GeV/c2
mtop GeV/c2
6.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse
190
185
180
175
190
185
180
175
170
165
160
5.4
5.6
5.8
6
χ2 / ndf
7.7 / 3
Prob
0.052
a0 1.5e+02 ± 1.2
a1
5.5 ± 1.1
a2
-0.29 ± 0.3
a3 0.047 ± 0.026
170
χ2 / ndf
5.2 / 4
Prob
0.26
a0
1.5e+02 ± 40
a1
-26 ± 14
a2
5 ± 1.2
165
160
6.2
6.4
⟨L ⟩ [mm]
1
2
3
4
Graph
Graph
mtop GeV/c2
mtop GeV/c2
T
190
185
180
175
170
165
160
5
6
7
transf. ⟨thrust⟩
190
185
180
175
170
χ2 / ndf
8.6 / 4
Prob
0.072
a0 8.5e+02 ± 0.84
a1 -2.7e+02 ± 0.26
a2
26 ± 0.048
3.9
4
4.1
165
160
4.2
4.3
4.4
⟨α ⟩ [°]
dc
χ2 / ndf
8.9 / 4
Prob
0.064
a0 8.7e+02 ± 0.86
a1 -1.8e+02 ± 0.17
a2
11 ± 0.021
6
6.2
6.4
6.6
6.8
⟨α op⟩ [°]
Abbildung 6.9: Eichkurven zur Bestimmung der Top-Quark-Masse.
an und die beiden Winkel fallen aufgrund der höheren Kollimation der
Spuren. Um
einer Observablen, zum
obsaus
einem gemessenen Mittelwert
obs
Beispiel LT , eine Top-Quark-Masse mtop zu ermitteln, wird an die
gemessenen Datenpunkte ein Polynom angepasst, das einerseits zwischen
den Datenpunkten interpoliert und andererseits die Abhängigkeit von den
statistischen Fluktuationen der einzelnen Punkte senkt. Die Polynome
stellen die Eichkurven der jeweiligen Observablen dar und ermöglichen
ein einfaches Ablesen der Top-Quark-Masse an der y-Achse bei einem
entsprechendem Messwert auf der x -Achse. Für die transversale Zerfallslänge und
Pdie beiden Winkel beschreibt ein Polynom vom Grad zwei,
P2 (x) = 2i=0 ai xi , den Verlauf der Top-Quark-Masse am besten. Dies
berücksichtigt den nächst höheren Term in der Entwicklung des 1/mtop Faktors in der Energie der b -Quarks (vergleiche Kapitel 4.1). Der Zusam-
43
6 Bestimmung der Top-Quark-Masse aus den generierten Datensätzen
menhang zur Top-Quark-Masse ist für den Thrust und die beiden Winkeln
komplizierter als für die transversale Zerfallslänge, so dass die Anpassung
eines Polynoms an die Datenpunkte nicht ganz so gute χ2 -Werte liefern.
Zur Bestimmung der Eichkurve für den Thrust, wurde diese aus technischen Gründen einer linearen Transformation f (x) = 10 000 x − 9 970
unterworfen, um dem Datenanalyseprogramm ROOT [44] die Anpassung
zu erleichtern. Es stellte sich heraus, dass ein Polynom vom Grad drei
die Thrust-Verteilung besser beschreibt als eine quadratische Funktion.
Mit einer Anpassung von Polynomen höherer Ordnung kann keine Verkleinerung des χ2 -Werts mehr erreicht werden.
der Bestimmung der Top-QuarkUm die statistische Genauigkeit σmstat
top
Masse mit den verschiedenen Observablen auf Generatorniveau zu ermitteln, wird der statistische Fehler des Mittelwerts und der Koeffizienten
des angepassten Polynoms für jede Observable mittels Gaußscher Fehlerfortpflanzung in eine Unsicherheit auf die Top-Quark-Masse umgerechnet.
In Tabelle 6.1 sind die Ergebnisse dargestellt, wobei σmfittop und σmmean
die
top
aus den Polynomkoeffizienten und dem Mittelwert resultierenden Unsicherheiten sind, die quadratisch addiert die Gesamtunsicherheit ergeben.
Die Unsicherheit σmfittop kann durch die Verwendung größerer Datensätze
LT
thrust
hαdc i
hαop i
L fb−1
σmfittop
σmmean
top
σmstat
top
12,6
0,11
0,26
0,28
10,0
0,11
0,29
0,31
12,6
0,15
0,23
0,27
10,0
0,15
0,25
0,29
12,6
0,08
0,20
0,22
10,0
0,08
0,23
0,24
12,6
0,08
0,21
0,22
10,0
0,08
0,24
0,25
Tabelle 6.1: Statistische Genauigkeit der Bestimmung der Top-Quark-Masse
in GeV bei einer integrierten Luminosität L von 12,6 fb−1 und 10 fb−1 .
reduziert werden, so dass die statistische Genauigkeit in der eigentlichen
Messung durch σmmean
dominiert sein wird. Die Ergebnisse wurden mit
top
Datensätzen, die etwa 12,6 fb−1 entsprechen, erstellt und zum Vergleich
sind zusätzlich die Werte für σmstat
und σmmean
für 10 fb−1 angegeben. Zur
top
top
44
χ2 / ndf
8.4 / 10
Prob
0.59
Constant
0.21 ± 0.01
Mean
-0.024 ± 0.037
Sigma
0.96 ± 0.03
0.20
rel. Anteil
rel. Anteil
6.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse
0.20
0.15
0.15
0.10
0.10
0.05
0.05
0.00
-4
-2
0
2
0.00
4
∆mtop/ σmtop
χ2 / ndf
Prob
Constant
Mean
Sigma
-4
(a) Transversale Zerfallslänge
-2
0
rel. Anteil
rel. Anteil
0.20
0.15
0.10
0.10
0.05
0.05
-4
-2
0
2
4
∆mtop/ σmtop
(c) Mittlerer Zerfallswinkel
χ2 / ndf
Prob
Constant
Mean
Sigma
0.20
0.15
0.00
4
∆mtop/ σmtop
(b) Thrust
χ2
/ ndf
6.7 / 12
Prob
0.87
Constant
0.20 ± 0.01
Mean
-0.061 ± 0.039
Sigma
1.0 ± 0.0
2
6.4 / 11
0.84
0.20 ± 0.01
-0.12 ± 0.04
0.99 ± 0.03
0.00
-4
-2
0
2
7.7 / 11
0.74
0.20 ± 0.01
-0.11 ± 0.04
0.99 ± 0.03
4
∆mtop/ σmtop
(d) Mittlerer Öffnungswinkel
Abbildung 6.10: Pull -Verteilungen der verschiedenen Observablen für ein
Ensemble von 700 Datensätzen mit insgesamt rund sieben Millionen Ereignissen.
Normierung auf 10 fb−1 wurde der Wert σt = 794 ± 32 pb [11] für den
Wirkungsquerschnitt der t t̄-Ereignisse und ein Verzweigungsverhältnis
von 4,5% [30] für den Zerfall der W -Bosonen in Elektron oder MyonLeptonen verwendet.
Um zu überprüfen, dass der statistische Fehler korrekt abgeschätzt wurde
und die Eichkurven die Abhängigkeit von der Top-Quark-Masse richtig
beschreiben, wurden so genannte Pull -Verteilungen erstellt. Dazu wurde ein Ensemble von 700 Datensätzen mit insgesamt sieben Millionen
Ereignissen bei einer Top-Quark-Masse von mtruth
top = 175 GeV generiert
45
6 Bestimmung der Top-Quark-Masse aus den generierten Datensätzen
und für jeden Datensatz über die erstellten Eichkurven die Top-Quark
obs
truth
Masse mobs
/σmtop ist
top ermittelt. Die normierte Differenz mtop − mtop
in den Pull -Verteilungen in Abbildung 6.10 zu sehen. Da Mittelwerte
einer Gaußschen Verteilung folgen und alle Observablen näherungsweise
linear von der Top-Quark-Masse abhängen, werden die Pull -Verteilungen
gut durch eine Normalverteilung beschrieben und validieren damit die
Top-Quark-Massenbestimmung für alle Observablen.
Im nächsten Abschnitt werden die Ergebnisse der Bestimmung der TopQuark-Masse über die verschiedenen Observablen diskutiert.
6.4 Diskussion der Ergebnisse
Aufgrund der Verfügbarkeit großer Datenmengen auf Generatorniveau,
konnten die Eichkurven sehr genau aufgelöst werden. Die Unsicherheiten der Fitparameter, die zwar auch von der Sensitivität der jeweiligen
Observablen abhängen, werden daher hier durch die Abweichungen der
Eichkurve vom angenommenen quadratischen, beziehungsweise kubischen,
Verlauf dominiert. Um die verschiedenen Observablen hinsichtlich ihrer
Genauigkeit auf die Top-Quark-Masse zu vergleichen, sollten deshalb nicht
sondern nur die Unsicherdie statistischen Gesamtunsicherheiten σmstat
top
aus
den
Fehlern
der
Mittelwerte
in Tabelle 6.1 betrachtet
heiten σmmean
top
werden. Der Vergleich zeigt, dass sich bei Verwendung des Thrusts oder
der beiden Winkel eine um 10 bis 20% kleinere Unsicherheit als für die
transversale Zerfallslänge ergibt. Dies liegt vermutlich daran, dass die
Verteilung der transversalen Zerfallslänge stark durch die exponentiell verteilte Lebensdauer bestimmt ist und diese daher an Sensititvität verliert.
Die Verteilungen der anderen Observablen unterliegen dem Einfluss der
zufälligen Phasenraumeinteilung der B -Hadron Zerfallsprodukte, dessen
Auswirkungen jedoch geringer sind.
Im nächsten Kapitel wird die Sensitivität aller betrachteten Observablen
mit den voll simulierten Daten untersucht.
46
7 Bestimmung der Top-Quark-Masse mit
voller Detektorsimulation
Bevor die Ergebnisse der Bestimmung der Top-Quark-Masse mit den voll
simulierten Daten präsentiert werden, findet eine Darstellung der Auflösung von Primär- und Sekundärvertex und anschließend eine Analyse der
Verteilungen, am Beispiel der transversalen Zerfallslänge und des mittleren Zerfallswinkels, unter dem Einfluss des b -Taggings und der Auflösung
des Sekundärvertex statt. Damit können die Unterschiede zwischen den
generierten und den mit dem Detektor messbaren (rekonstruierten) Verteilungen für die Observablen verstanden werden.
Die in Kapitel 7.1 und 7.2 gezeigten Verteilungen sind mit einer TopQuark-Masse von 175 GeV erstellt worden. Im gesamten Kapitel 7 sind
die Histogramme, bis auf Verteilungen von Nachweiswahrscheinlichkeiten
in Kapitel 7.1, auf eins normiert.
7.1 Die Vertexrekonstruktion
Für eine möglichst genaue Bestimmung der Top-Quark-Masse sind eine
hohe Auflösung und Nachweiswahrscheinlichkeit des Sekundärvertex wichtig. Die Sekundärvertexrekonstruktion ist zudem auf eine gute Auflösung
des Primärvertex angewiesen, um diesen als Referenzpunkt nutzen zu
können. Die Auflösung des Primär- und Sekundärvertex, die aus den voll
simulierten Ereignissen ohne Anwendung der in Kapitel 5.2 beschriebenen
Ereignisselektion ermittelt wurde, ist in Abbildung 7.1 und 7.2 dargestellt. Mittels Anpassung einer Gaußfunktion kann sie zu etwa 10 µm
für die x - und y-Koordinate des Primärvertex abgeschätzt werden. Die
Auflösung in Richtung der Strahlachse ist mit ungefähr 40 µm wesentlich
schlechter. Dies beeinflusst auch die Auflösung des Sekundärvertex entlang der Strahlachse, die schlechter als in der x -y-Ebene ist. Auffällig ist,
dass die Auflösung des Primärvertex annähernd gaußförmig ist, die des
Sekundärvertex hingegen sehr markante Ausläufer aufweist. Diese werden
von Spuren aus dem Primärvertex verursacht, die irrtümlicherweise zum
Sekundärvertex assoziert wurden und so zu einer falschen Rekonstruktion
des Sekundärvertex führen. Um die Sensitivität der hier durchgeführten
47
rel. Anteil
rel. Anteil
7 Bestimmung der Top-Quark-Masse mit voller Detektorsimulation
0.04
0.04
0.03
0.03
0.02
0.02
0.01
0.01
0.00
-40
-20
0
20
reco
x(y)
0.00
-200
40
truth
-x(y)
-100
0
µm
100
200
zreco-ztruth µm
rel. Anteil
rel. Anteil
Abbildung 7.1: Auflösung des Primärvertex entlang der x - und y-Achse
(links) und in der z-Richtung (rechts).
0.10
0.08
0.10
0.08
0.06
0.06
0.04
0.04
0.02
0.02
0.00
-3
-2
-1
0
1
reco
x(y)
2
truth
-x(y)
3
mm
0.00
-3
-2
-1
0
1
2
3
zreco-ztruth mm
Abbildung 7.2: Auflösung des Sekundärvertex entlang der x - und y-Achse
(links) und in der z-Richtung (rechts).
Messung zu steigern, wäre eine Beseitigung oder zumindest eine Verkleinerung der Ausläufer wünschenswert.
Die Nachweiswahrscheinlichkeit des Sekundärvertex ist stark durch dessen
Lage im Detektor beeinflusst. Dies ist in den schwarzen Histogrammen in
Abbildung 7.3 verdeutlicht. Links ist die Nachweiswahrscheinlichkeit in
Abhängigkeit von der Pseudorapidität zu sehen. Innerhalb des Bereiches
|η| < 2,5, der vom Inneren Detektor abgedeckt wird, liegt sie bei über
70% und sinkt außerhalb bis auf null ab. Der Einfluss des Primärvertex
auf die Nachweiswahrscheinlichkeit ist rechts in der Abbildung zu sehen,
48
7.1 Die Vertexrekonstruktion
rel. Anteil
rel. Anteil
in der die Nachweiswahrscheinlichkeit für Sekundärvertizes innerhalb des
Akzeptanzbereichs des Inneren Detektors in Abhängigkeit von der transversalen Zerfallslänge dargestellt ist. Durch die erschwerte Spurmessung
in der Nähe des Primärvertex und die gleichzeitig relativ kleinen Stoßparameter der Sekundärvertex-Spuren, sinkt die Nachweiswahrscheinlichkeit
mit abnehmenden transversalen Abständen unterhalb von 3 mm stark.
Für die hier dargestellten Histogramme wurden so genannte wahre b -Jets
untersucht, also Jets, die einem b -Quark entstammen. Diese Information
ist in der Analyse der experimentellen Daten nicht vorhanden, so dass
die zur Bestimmung der Top-Quark-Masse verwendeten Jets mittels dem
b -Tagging als b -Jets identifiziert werden müssen. Durch einen Schnitt auf
die dazu verwendete diskriminierende Variable w (vergleiche Kapitel 5.2)
0.06
10-1
0.04
10-2
∈
∈
0.02
1.0
1.0
0.8
0.8
0.6
0.6
0.4
0.4
truth b jets
truth b jets with btag
0.2
truth b jets
truth b jets with btag
0.2
η < 2.5
0.0
-3
-2
-1
0
1
2
3
η
0.0
0
5
10
15
20
25
LT mm
Abbildung 7.3: Links: Nachweiswahrscheinlichkeit des Sekundärvertex in
Abhängigkeit von der (wahren) Pseudorapidität η der B -Hadronen. Rechts:
in Abhängigkeit von der (wahren) transversalen Zerfallslänge LT der B Hadronen für |η| < 2,5. Die Nachweiswahrscheinlichkeiten sind jeweils mit
einer durchgezogenen für die wahren und mit einer gestrichelten Linie für die
identifizierten b -Jets dargestellt. Die zugrunde liegende η- beziehungsweise
LT -Verteilung der B -Hadronen ist entsprechend in dem jeweiligen oberen
Histogramm gezeigt. (Letztere ist mit einer logarithmisch skalierten y-Achse
dargestellt.)
49
7 Bestimmung der Top-Quark-Masse mit voller Detektorsimulation
wird bewirkt, dass der Sekundärvertex fast aller als b -Jet gekennzeichneten Jets rekonstruiert werden kann. Die Nachweiswahrscheinlichkeit des
Sekundärvertex dieser identifizierten b -Jets mit w > 6,75, |η| < 2,5 und
pT > 20 GeV liegt oberhalb von 95% und ist jeweils mit einer gestrichelten
Line in Abbildung 7.3 dargestellt.
7.2 Vergleich der generierten und rekonstruierten
Verteilungen
truth
LT
10-1
truth
LT ,btag
truth
LT ,btag,cuts
reco
LT ,btag,cuts
rel. Anteil
rel. Anteil
Der Übergang von den generierten zu den mit dem Detektor messbaren
Verteilungen der vier Observablen soll in Abbildung 7.4 am Beispiel der
transversalen Zerfallslänge und des mittleren Zerfallswinkels verdeutlicht
werden. Die mit einer durchgezogenen Line dargestellten Histogramme
beschreiben die generierten Verteilungen der jeweiligen Observable für
identifizierte b -Jets (siehe voherigen Abschnitt) und zeigen somit im Vergleich mit den generierten Verteilungen der wahren b -Jets (Punkt-StrichLinie) den Einfluss der Nachweiswahrscheinlichkeit des Sekundärvertex
auf. Aus der Verteilung des Zerfallswinkels lässt sich schließen, dass die
Rekonstruktion von Sekundärvertizes mit Zerfallswinkeln zwischen 2◦
und 7◦ häufiger gelingt als bei sehr kleinen oder großen Winkeln. Letztere gehen mit kleinen Impulsen der B -Hadronen und damit auch kleinen
transversalen Zerfallslängen einher, so dass durch den Einfluss des Primär-
α truth
dc
0.10
α truth
,btag
dc
α truth
,btag,cuts
dc
0.08
α reco
,btag,cuts
dc
0.06
10-2
0.04
0.02
-3
10
0
5
10
15
20
25
LT mm
0.00
0
2
4
6
8
10 12 14 16 18 20
⟨α ⟩ °
dc
Abbildung 7.4: Vergleich der generierten zu den mit dem Detektor messbaren
Verteilungen am Beispiel der transversalen Zerfallslänge LT und dem mittleren
Zerfallswinkel hαdc i.
50
truth
Ntracks-Ntracks
truth
Ntracks
7.2 Vergleich der generierten und rekonstruierten Verteilungen
5.0
-1.0
-1.2
reco
4.8
4.6
-1.4
-1.6
4.4
-1.8
4.2
-2.0
4.0
-2.2
3.8
-2.4
3.6
-2.6
0
2
4
6
8
10
12
⟨α ⟩ °
dc
0
2
4
6
8
10
12
⟨α ⟩ °
dc
Abbildung 7.5: Profile Plot der wahren Spuranzahl Ntrack (links), entsprechend der Anzahl der zur Winkelberechnung verwendeten Zerfallsprodukte auf
Generatorniveau (vgl. Kapitel 6.2), und die Differenz der rekonstruierten zur
wahren Spuranzahl (rechts), jeweils in Abhängigkeit von dem wahren Wert des
mittleren Zerfallswinkels ohne Ereignisselektion.
vertex ein relativer Abfall der mit einer durchgezogenen zur der mit einer
Punkt-Strich-Linie dargestellten Verteilung, analog wie für die transversale Zerfallslänge, entsteht. Die Anzahl der Sekundärvertex-Spuren steigt
mit abnehmendem Zerfallswinkel, da der B -Hadron-Impuls steigt, wie
links in Abbildung 7.5 zu sehen ist. Jedoch sinkt die Differenz von rekonstruierter zu wahrer Spuranzahl stark mit abnehmendem Zerfallswinkel.
Dies ist im rechten Histogramm gezeigt. Denn die Wahrscheinlichkeit,
dass Spuren sich überlagern, steigt durch die erhöhte Spuranzahl und
gleichzeitig stärkere Kollimation der Spuren. Somit entsteht der beobachtete relative Abfall unterhalb von 2◦ des mit einer durchgezogenen
Linie dargestellten Histograms rechts in Abbildung 7.4. Insgesamt liegt,
durch die Forderung der Jets als b -Jet identifiziert worden zu sein, eine
Verschiebung der generierten Verteilung des Zerfallswinkels zu größeren
Werten hin vor.
Die Histogramme mit der durchgezogenen Line in Abbildung 7.4 zeigen
die generierten Verteilungen der Observablen für identifizierte b -Jets mit
einem rekonstruierten Sekundärvertex aus Ereignissen, die nach der Selektion übrig geblieben sind. Im Vergleich mit den mit einer gepunkteten
Line dargestellten Histogrammen, die die letztendlich gemessenen Verteilungen präsentieren, wird daher der Einfluss der Detektorauflösung und
insbesondere der Auflösung des Sekundärvertex deutlich. Zu sehen ist,
51
⟨α ⟩reco-⟨α ⟩truth °
2.0
dc
5
4
3
1.5
dc
Lreco
-Ltruth
mm
T
T
7 Bestimmung der Top-Quark-Masse mit voller Detektorsimulation
2
1.0
0.5
1
0.0
0
-0.5
-1
0
2
4
6
8
10
12
14
LT
0
2
4
6
8
10
12
⟨α ⟩ °
dc
Abbildung 7.6: Profile Plot der Auflösung der transversalen Zerfallslänge
(links) und des mittleren Zerfallswinkels (rechts), jeweils in Abhängigkeit von
dem wahren Wert der Observablen ohne Ereignisselektion.
dass der Sekundärvertex eher zu weit weg vom Primärvertex und der
Zerfallswinkel zu groß rekonstruiert wird. Ersteres ist eine Konsequenz der
inklusiven Sekundärvertexfindung, die einen mittleren Vertex zwischen
dem Zerfall des B -Hadrons und D-Hadrons liefert, und des Einflusses des
Primärvertex, wie besonders bei kleinen Zerfallslängen zu erkennen ist.
Dies wird links in Abbildung 7.6, in der die Auflösung der transversalen
Zerfallslänge in Abhängigkeit von seinem wahren Wert dargestellt ist,
verdeutlicht. Da zur Winkelberechnung die Impulse aller stabilen, geladenen Teilchen aus dem B -Hadron Zerfall verwendet werden, wird der
Einfluss der D-Hadronen schon auf Generatorniveau mitberücksichtigt.
Die Ursachen für die Veränderung der Verteilung hier sind sehr komplex,
wie an der Auflösung des mittleren Zerfallswinkels rechts in Abbildung 7.6
zu sehen ist. Da der rekonstruierte Sekundärvertex in der Regel weniger
Spuren enthält, als zur Berechnung des wahren Zerfallswinkels benutzt
werden (vergleiche Abbildung 7.5), entsteht eine Abweichung der rekonstruierten Winkel von den wahren Werten.
In Abbildung 7.7 sind die Verteilungen aller vier Observablen, die zur
Bestimmung der Top-Quark-Masse verwendet wurden, zusammen mit den
generierten Verteilungen dargestellt. Die Ergebnisse aus dem Vergleich der
generierten und rekonstruierten Verteilungen für den mittleren Zerfallswinkel können auf den mittleren Öffnungswinkel übertragen werden, so
dass dessen rekonstruierte gegenüber der generierten Verteilung ebenfalls
zu höheren Winkeln hin verschoben ist. Die Verteilung des Thrusts ist
52
rel. Anteil
rel. Anteil
7.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse
10-1
10-1
reco
truth
10-2
reco
truth
10-2
-3
10
-3
10
10-4
10
20
30
40
50
LT mm
0.98
0.12
0.10
reco
truth
0.08
0.06
0.985
0.99
0.995
1
thrust
rel. Anteil
rel. Anteil
0
0.08
0.06
reco
truth
0.04
0.04
0.02
0.02
0.00
0
5
10
15
20
25
30
⟨α ⟩ °
0.00
0
5
dc
10
15
20
25
30
⟨α op⟩ °
Abbildung 7.7: Transversale Zerfallslänge LT , Thrust und die beiden Winkel
αdc , αop auf Generatorniveau (gestrichelte Linie) und mit voller Detektorsimulation nach der Ereignisselektion (durchgezogene Linie).
mit denselben Argumenten wie für die Winkelverteilungen zu erklären,
unter der Berücksichtigung, dass sie im Gegensatz zu den Winkeln mit
zunehmendem B -Hadron-Impuls steigt. Insgesamt liegt hier ebenfalls eine
Verschiebung zu höheren Werten hin vor.
7.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse
Im voherigen Abschnitt wurde festgestellt, dass die verschiedenen Bereiche
der Verteilungen der Observablen unterschiedlich stark von Auflösungseffekten betroffen sind. Deshalb wurde die untere und die obere Grenze
des Bereichs der Histogramme, in dem der Mittelwert der Verteilungen
53
7 Bestimmung der Top-Quark-Masse mit voller Detektorsimulation
55
Determining the optimal range
3
26
2.4
2.8
24
50
x2 °
Determining the optimal range
x2 °
x2 mm
Determining the optimal range
1.95
42
1.94
40
38
2.35
22
1.93
2.6
36
1.92
20
2.3
45
2.4
34
1.91
32
18
2.25
2.2
40
16
2
2.15
1
1.5
0
x1 mm
0.5
1
1.8
x1 °
(b) hαdc i
(a) LT
1.89
26
14
35
0.5
1.9
28
2.2
0
30
1.88
24
0
0.5
x1 °
(c) hαop i
Abbildung 7.8: Bestimmung der unteren und oberen Grenze, x1 und x2 , des
auf die Top-Quark-Masse maximal sensitiven Bereichs. Die Farbkodierung gibt
die statistische Genauigkeit der Top-Quark-Masse in GeV an.
x1 - x2
LT
thrust
hαdc i
hαop i
1 - 50 mm
0,98 - 1
0 - 16◦
0 - 27◦
Tabelle 7.1: Gewählte Bereiche zur Mittelwertbestimmung.
bestimmt wird, variiert. So können Regionen, die eine sehr geringe Sensitivität auf die Top-Quark-Masse haben, gefunden und der Bereich zur
Bestimmung des Mittelwerts eingeschränkt werden. Für die transversale
Zerfallslänge und die beiden Winkel scheint es von Vorteil zu sein, eine
Einschränkung vorzunehmen, wie in Abbildung 7.8 gezeigt wird. Sehr
kleine transversale Zerfallslängen sind stark vom Primärvertex beeinflusst,
weshalb nur transversale Zerfallslängen größer als 1 mm zur Bestimmung
des Mittelwerts der Verteilung verwendet werden. Da große Winkel kleinen transversalen Zerfallslängen entsprechen, ist es aus demselben Grund
vorteilhafter Zerfallswinkel oberhalb von etwa 16◦ und Öffnungswinkel
oberhalb von 27◦ nicht zu benutzen. Sekundärvertizes mit kleinen Abständen zum Primärvertex beeinflussen auch kleine Werte des Thrusts, jedoch
führt eine Einschränkung der Werte nicht zu einer höheren Sensitivität auf
die Top-Quark-Masse. Dies liegt wahrscheinlich darin begründet, dass der
54
Graph
Graph
mtop GeV/c2
mtop GeV/c2
7.3 Bestimmung der Top-Quark-Masse
190
185
180
175
190
185
180
175
170
170
χ2 / ndf
Prob
const
slope
165
160
6.4
6.6
6.8
5.3 / 5
0.38
-69 ± 18
35 ± 2.6
7
χ2 / ndf
2.4 / 5
Prob
0.8
const -6.3e+04 ± 10
slope 6.4e+04 ± 11
165
160
7.2
7.4
⟨L ⟩ [mm]
0.9973
0.9975
0.9977
Graph
Graph
mtop GeV/c2
mtop GeV/c2
T
190
185
180
175
0.9979
⟨thrust⟩
190
185
180
175
170
170
χ2 / ndf
3.1 / 5
Prob
0.69
const 4.8e+02 ± 20
slope
-69 ± 4.7
165
160
4.1
4.2
4.3
4.4
165
160
4.5
4.6
⟨α ⟩ [°]
dc
χ2 / ndf
0.52 / 5
Prob
0.99
const 4.7e+02 ± 19
slope
-45 ± 3
6.2
6.4
6.6
6.8
⟨α op⟩ [°]
Abbildung 7.9: Eichkurven zur Bestimmung der Top-Quark-Masse.
Thrust, wie auch der mittlere Öffnungswinkel, dessen Bereichseinschränkung wesentlich weniger Einfluss auf die Genauigkeit hat als bei dem
mittleren Zerfallswinkel, unabhängig von der konkreten, rekonstruierten
Position des Sekundärvertex ist. Diese ist zur Bestimmung der transversalen Zerfallslänge und des Zerfallswinkels, für den die Flugrichtung des
B -Hadrons bekannt sein muss, notwendig.
Mit den gefunden Bereichen, die in Tabelle 7.1 zusammengefasst sind,
wurden die Mittelwerte der Verteilungen zu den Top-Quark-Massen von
160 bis 190 GeV für jede Observable ermittelt und mittels einer linearen Anpassung die Eichkurve bestimmt. Das Ergebnis ist in Abbildung
7.9 dargestellt. Aufgrund der großen statistischen Fehler der Mittelwerte
können im Gegensatz zu den in Kapitel 6 gezeigten Eichkurven, die mit
Ereignissen auf Generatorniveau erstellt wurden, höhere Ordnungen in
55
7 Bestimmung der Top-Quark-Masse mit voller Detektorsimulation
LT
thrust
hαdc i
hαop i
L fb−1
σmfittop
σmmean
top
σmstat
top
1,5
0,8
2,0
2,2
10,0
0,8
0,8
1,1
1,5
0,7
1,8
1,9
10,0
0,7
0,7
1,0
1,5
0,7
1,8
1,9
10,0
0,7
0,7
1,0
1,5
0,7
1,8
1,9
10,0
0,7
0,7
1,0
Tabelle 7.2: Statistische Genauigkeit der Bestimmung der Top-Quark-Masse
in GeV bei einer integrierten Luminosität L von 1,5 fb−1 und 10 fb−1 .
der Top-Quark-Massenabhängigkeit nicht aufgelöst werden. Ein Polynom
vom Grad eins beschreibt daher den Kurvenverlauf ausreichend. Die resulsind in Tabelle 7.2 aufgeführt,
tierenden statistischen Genauigkeiten σmstat
top
mean
fit
wobei σmtop und σmtop die aus den Polynomkoeffizienten und dem Mittelwert resultierenden Unsicherheiten sind, die quadratisch addiert die
Gesamtunsicherheit ergeben. Die Ergebnisse wurden mit Datensätzen, die
etwa 1,5 fb−1 entsprechen, erstellt und zum Vergleich sind die Werte für
σmstat
und σmmean
, die mit der gefundenen Eichkurve und einer Datenmenge
top
top
−1
von 10 fb erreichbar wären, angegeben (vergleiche Kapitel 6.3).
Im nächsten Abschnitt findet eine Diskussion der Ergebnisse und ein
Vergleich mit denen, die auf Generatorniveau erzielt werden konnten,
statt.
7.4 Diskussion der Ergebnisse
Während auf Generatorniveau noch eine statistische Genauigkeit von etwa
0,2 bis 0,3 GeV auf die Top-Quark-Masse bei einer integrierten Luminositat von 10 fb−1 erreicht werden konnte, liegt die tatsächlich erreichbare
Unsicherheit mit den voll simulierten Daten bei 1,0 bis 1,1 GeV. Die Ursache dafür ist die vorgenommene Ereignisselektion, die etwa 82% der
dileptonischen Ereignisse verwirft. Die statistische Unsicherheit der transversalen Zerfallslänge ist mit 1,1 GeV etwas höher als der in [28] für den
LHC abgeschätzte Wert von 0,9 GeV, der ohne eine Verwendung der vol-
56
7.4 Diskussion der Ergebnisse
len Detektorsimulation bestimmt wurde.
Ein Vergleich der verschiedenen Observablen zeigt, dass der Thrust und
die beiden Winkel nicht nur auf Generatorniveau eine höhere Sensitivität
auf die Top-Quark-Masse erreichen als die transversale Zerfallslänge. Ihre
statistischen Gesamtunsicherheiten liegen mehr als 10% unterhalb der der
transversalen Zerfallslänge.
Die Genauigkeiten aller Observablen ließe sich durch eine größere Produktion an voll simulierten Daten für die Bestimmung der Eichkurven
weiter steigern. Eine Verdopplung der Datenmenge würde allerdings immer noch eine Unsicherheit von 0,8 GeV für den mittleren Öffnungswinkel
und 1,0 GeV für die transversale Zerfallslänge bedeuten.
Im nächsten Kapitel werden die voraussichtlich wichtigsten systematischen Fehler auf die rekonstruierte Top-Quark-Masse abgeschätzt. Erst
danach kann beurteilt werden, ob die Bestimmung der Top-Quark-Masse
über den Thrust oder die beiden Winkel eine mit der transversalen Zerfallslänge vergleichbare oder sogar höhere Genauigkeit liefert.
57
8 Systematische Unsicherheiten
Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten systematischen Unsicherheiten für die vier verschiedenen Observablen bei einer Top-Quark-Masse
von 175 GeV abgeschätzt. Es findet eine Berücksichtigung der Unsicherheiten in der Beschreibung der Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand (ISR/FSR), der Partondichteverteilung, der Fragmentation der
b -Quarks, der Lebensdauer der B -Hadronen und der Unsicherheit der
Jet-Energieskala (JES) statt. Mit Ausnahme letztgenannter sind dies die
in [28] angegebenen größten Fehlerquellen der Zerfallslängenmethode. Für
die beiden Winkel und den Thrust werden dieselben systematischen Fehler
wie für die transversale Zerfallslänge, bis auf die Unsicherheit durch die
Lebensdauer der B -Hadronen, untersucht. Zur Bestimmung der systematischen Fehler durch die Gluonabstrahlung und die Partondichteverteilung
ist die Generation von weiteren Datensätzen mit entsprechenden Variationen erforderlich. Da die volle Simulation dieser Datensätze zu aufwendig
wäre, werden die Variationen dieser neu generierten Datensätze mittels
der Reweighting-Methode (Kapitel 8.1) auf die schon bestehenden rekonstruierten Datensätze übertragen und so der entsprechende rekonstruierte
systematische Fehler ermittelt.
Wie in den beiden vorherigen Kapiteln sind alle Histogramme auf eins
normiert dargestellt.
8.1 Die Reweighting -Methode
Die Idee der Reweighting-Methode in dem hier verwendeten Zusammenhang ist, die Informationen aus einem vorhandenen, voll simulierten
Datensatz zu nutzen, um aus einer variierten, generierten Verteilung die
rekonstruierte zu ermitteln und so die systematischen Fehler mit voller Detekorsimulation, Ereignisselektion und Rekonstruktion (vergleiche
Kapitel 5) abschätzen zu können ohne tatsächlich die Ereignisse erneut
explizit rekonstruieren zu müssen. Diese werden im Folgenden auch als
rekonstruierte systematische Fehler bezeichnet.
Dazu wird aus der generierten Verteilung für jede Observable xtruth eine
Gewichtsverteilung w(xtruth ) bestimmt, die verwendet wird, um aus der
bestehenden Zuordnung von rekonstruierten Werten xreco und generierten
59
8 Systematische Unsicherheiten
Werten xtruth in dem voll simulierten Datensatz Histogramme mit den rekonstruierten Werten, gewichtet mit w(xtruth ), zu füllen. Für ein Gewicht
von eins ergeben sich die in Kapitel 7.2 dargestellten Verteilungen der
Observablen. Gewichte verschieden von eins berücksichtigen eine Veränderung in der Verteilung der xtruth in den voll simulierten Ereignissen und
bestimmen die dazugehörige rekonstruierte Verteilung. Die Gewichtsverteilung wird aus dem Quotienten der variierten, generierten Verteilung,
mit der generierten Verteilung, die die Verteilung der wahren Werte xtruth
des voll simulierten Datensatzes präsentiert, gebildet1 .
Zur Bestimmung der systematischen Unsicherheiten wird der generierte
Datensatz bei einer Top-Quark-Masse von 175 GeV und der entsprechende voll simulierte Datensatz verwendet. Um die systematischen Fehler
zu ermitteln, werden jeweils bestimmte Monte-Carlo Parameter variiert
und aus den resultierenden Verteilungen jeweils die Gewichtsverteilung
gebildet. Für eine möglichst genaue Bestimmung der Gewichte, werden
die Datensätze für die systematischen Fehler mit denselben Zufallszahlen
generiert wie der ursprünglich generierte Datensatz. Die Ereignisse in den
beiden Datensätzen weisen daher eine starke Korrelation auf.
In Abbildung 8.1 wird die Reweighting-Methode am Beispiel der transversalen mZerfallslänge bei Variation der Gluonabstrahlung im Endzustand
veranschaulicht. In 8.1(a) ist die ursprünglich generierte (durchgezogene
Linie) und die variierte (gepunktete Linie) Verteilung dargestellt. Die
aus deren Quotienten gebildete Gewichtsverteilung ist daneben in 8.1(b)
zu sehen. Mittels der Reweighting-Methode kann aus der ursprünglichen,
rekonstruierten Verteilung (durchgezogene Linie) die variierte, rekonstruierte (gepunktete Linie) bestimmt werden, die zusammen in 8.1(c)
abgebildet sind. Dabei wird jede einzelne rekonstruierte transversale Zerfallslänge in 8.1(c) mit demjenigen Gewicht aus 8.1(b) multipliziert, dem
der Wert in der generierten Verteilung entspricht. Das Binning der Gewichtsverteilung wird so gewählt, dass die Ereignisanzahl, und damit auch
der Fehler der Einträge, annähernd konstant für alle Bins ist.
Um aus den gewichteten Histogrammen der vier Observablen die TopQuark-Masse bestimmen zu können, muss der Mittelwert der Verteilungen
ermittelt werden. Dieser berechnet sich bei N Messpunkten xi mit einem
Gewicht wi nach
PN
wi xi
hxi = Pi=1
N
i=1 wi
1
Unter dem Quotienten zweier Verteilungen ist die Verteilung, die sich durch Division
ihrer jeweiligen Bins ergibt, zu verstehen.
60
8.1 Die Reweighting-Methode
q
2
2
unvariiert
rel. Anteil
rel. Anteil
gegeben [45]. Dabei ist
und sein Fehler ist durch σhxi = hx Ni−hxi
eff
P
2 P 2
Neff = ( wi ) / wi die Anzahl der effektiven Einträge des Histo-
1.08
1.06
10-1
max. FSR
1.04
1.02
10-2
1.00
0.98
0.96
-3
10
0
5
10
15
20
LT mm
0
rel. Anteil
(a) Die wahre transversale Zerfallslänge ohne und mit Variation.
2
4
6
8
10
LT mm
(b) Verteilung der Gewichte in Abhängigkeit von der wahren transversalen
Zerfallslänge.
10-1
unvariiert
max. FSR
10-2
0
5
10
15
20
LT mm
(c) Die rekonstruierte transversale Zerfallslänge ohne und mit, der über die
Reweighting-Methode ermittelten, Variation.
Abbildung 8.1: Anwendung der Reweighting-Methode zur Bestimmung des
systematischen Fehlers aus der Unsicherheit der Gluonabstrahlung für maximale FSR (vergleiche Kapitel 8.2).
61
8 Systematische Unsicherheiten
gramms, die der Anzahl der ungewichteten Einträge, die ein Histogramm
bräuchte, um die vorliegende statistische Genauigkeit zu erreichen, entspricht. Aus den Mittelwerten können nun mit den in Kapitel 7.3 erstellten
Eichkurven die Top-Quark-Massen für die entsprechenden Variationen
ermittelt werden. Der systematische Fehler einer Variation ist durch die
Differenz dieser Masse zu dem zentralen, ursprünglichen Wert der ermittelten Top-Quark-Masse gegeben. Da die variierte und ursprüngliche
rekonstruierte Verteilung einer Observablen auf derselben Verteilung der
wahren Werte xtruth der Observablen basieren, sind sie stark korreliert
und der statistische Fehler der systematischen Abweichung sollte klein
gegenüber dieser sein.
8.2 Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand
In Kapitel 2.2.1 wurden die Produktionsmechanismen führender Ordnung
zur Erzeugung von t t̄-Paaren vorgestellt. In höheren Ordnungen können
die wechselwirkenden Partonen und auch die Top-Quarks Gluonen abstrahlen. Ersteres wird als Gluonabstrahlung in Anfangszustand (initial
state radiation ISR) und letzteres als Gluonabstrahlung im Endzustand
(final state radiation FSR) bezeichnet. Die beiden Prozesse sind in Abbildung 8.2 veranschaulicht. Durch die zusätzliche Gluonabstrahlung im
Abbildung 8.2: Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand.
Anfangszustand sinkt die Schwerpunktsenergie des harten Prozesses und
es resultiert eine Veränderung der Impulsverteilung der Top-Quarks. Eine
zusätzliche Abstrahlung von Gluonen im Endzustand erniedrigt direkt den
Impuls der Top-Quarks. Neben dem Impulsbetrag wird auch die Impulsrichtung der Top-Quarks und die Anzahl der Jets im Ereignis verändert.
Für die Bestimmung der Top-Quark-Masse über den Zerfallsvertex der
B -Hadronen ist dabei die Impulsänderung der Top-Quarks von vorrangi-
62
8.2 Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand
ger Bedeutung, da diese direkt die Impulse der B -Hadronen modifiziert,
die letztendlich alle Observablen beeinflusst (vergleiche Kapitel 4).
Um den systematischen Fehler durch die Gluonabstrahlung im Anfangsund Endzustand zu bestimmen, werden entsprechende Monte-Carlo-Parameter von PYTHIA nach [46] variiert. Dabei findet eine voneinander
unabhängige Behandlung der ISR und FSR statt. Deren Interferenz ist
nur für großwinklige Gluonabstrahlungen relevant [35] und die Auswirkungen werden für diese Analyse als klein angenommen. Für die Variation
der Abstrahlung im Anfangszustand wird der Parameter PARP(82), der
die Regularisierungsskala des Transversalimpuls-Spektrums für multiple
Partonwechselwirkungen definiert, und der Parameter PARP(61), der
die QCD-Skala ΛQCD für den Partonschauer festlegt, benutzt. Zur Bestimmung der Unsicherheit durch Gluonabstrahlung im Endzustand wird
ebenfalls die QCD-Skala durch den Parameter PARJ(81) variiert. Die
gewählten Werte der Parameter sind in Tabelle 8.1 aufgelistet.
min. ISR
max. ISR
PARP(82) = 3,8 GeV
PARP(61) = 96 MeV
PARP(82) = 0,95 GeV
PARP(61) = 384 MeV
min. FSR
max. FSR
PARJ(81) = 70 MeV
PARJ(81) = 280 MeV
Tabelle 8.1: Variation der PYTHIA-Parameter zur Bestimmung der Unsicherheiten durch Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand.
Die Veränderungen der Impulsverteilung der B -Hadronen auf Generatorniveau ist für die minimale und maximale Gluonabstrahlung im Anfangsund Endzustand in Abbildung 8.3 gezeigt. Zu sehen ist, dass mit den
gewählten PYTHIA Einstellungen die Variation der FSR eine wesentlich
größere Veränderung in der Impulsverteilung als die der ISR herbeiführt.
Die größten Veränderungen der Impulsverteilungen treten sowohl für die
Abstrahlung im Anfangs- als auch im Endzustand in einem Bereich bis
etwa 60 GeV auf.
Um die systematischen Fehler auf Generatorniveau zu bestimmen, wird
die Differenz der Top-Quark-Masse, die aus den Variationen mittels der
Eichkurve folgt, mit der, die sich aus dem generierten Datensatz bei
175 GeV ergibt, gebildet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 8.2 dargestellt.
Die beiden Winkel und der Thrust zeigen eine größere Abhängigkeit von
der Beschreibung der Gluonabstrahlung als die transversale Zerfallslänge.
63
rel. Anteil
rel. Anteil
8 Systematische Unsicherheiten
0.045
unvariiert
0.040
min. ISR
max. ISR
0.035
0.045
0.030
0.025
0.025
0.020
0.020
0.015
0.015
0.010
0.010
0.005
0.005
0
100
200
0.000
300
400
p [GeV/c]
min. FSR
max. FSR
0.035
0.030
0.000
unvariiert
0.040
0
100
200
300
400
p [GeV/c]
Abbildung 8.3: Veränderung der Impulsverteilung der B -Hadronen durch
ISR (links) und FSR (rechts). Die mit der gestrichelten Linie dargestellten
Veränderungen führen zu einer Erhöhung und die mit der gepunkteten Linie
gezeigten zu einer Senkung der gemessenen Top-Quark-Masse.
In Tabelle 8.3 sind die rekonstruierten systematischen Fehler, die sich
mittels der Reweighting-Methode ergeben, dargestellt. Die Unsicherheiten
durch die Gluonabstrahlung im Endzustand gleichen sich durch die Unterschiede in der Analyse der rekonstruierten und generierten Datensätze
für die verschiedenen Observablen an.
In [28] wurden die Unsicherheiten der Zerfallslängen-Methode am LHC zu
σISR = 1,3 GeV und σFSR = 0,5 GeV abgeschätzt. Die Diskrepanz zu den
hier ermittelten Werten ist zum einen durch die unterschiedliche Ereignisselektion zu erklären. So wird in [28] ein Jet-Veto verwendet, das Ereignisse
mit zusätzlich zu den b -Jets auftretenden Cluster, bzw. Jets, mit einer
truth
LT
thrust
hαdc i
hαop i
−
σISR
+
σISR
0,2
0,5
0,4
0,7
0,5
0,5
0,7
0,5
−
σFSR
+
σFSR
5,4
4,5
7,0
6,1
7,7
6,2
7,8
6,0
Tabelle 8.2: Systematische Fehler auf die Top-Quark-Masse in GeV durch
die Unsicherheit der Beschreibung von QCD-Abstrahlungen im Anfangs- und
Endzustand auf Generatorniveau. σ − kennzeichnet eine Senkung und σ + eine
Erhöhung der Top-Quark-Masse durch die entsprechende Variation.
64
8.3 Partondichteverteilungen
reco
LT
thrust
hαdc i
hαop i
−
σISR
+
σISR
0,4
0,6
0,3
0,8
0,3
0,5
0,4
0,5
−
σFSR
+
σFSR
4,8
3,9
5,2
4,0
5,1
4,1
5,2
4,1
Tabelle 8.3: Rekonstruierte systematische Fehler auf die Top-Quark-Masse
in GeV durch die Unsicherheit der Beschreibung von QCD-Abstrahlungen
im Anfangs- und Endzustand. σ − kennzeichnet eine Senkung und σ + eine
Erhöhung der Top-Quark-Masse durch die entsprechende Variation.
Energie oberhalb von 10 GeV verwirft, um den systematischen Fehler
durch die Gluonabstrahlung zu verringern. Zum anderen werden zum Teil
andere PYTHIA-Parameter variiert und der Parameter PARJ(81), der in
dieser Arbeit und auch in [28] benutzt wurde, wird nicht von 0,07 bis 0,28,
wie hier, sondern von 0,2 bis 0,4 variiert. Die beiden Bereiche sind nur
bedingt vergleichbar, da unterschiedliche PYTHIA-Versionen und auch
andere zentrale Werte verwendet wurden. Jedoch liefert die Tatsache,
dass in dieser Arbeit der Wert von PARJ(81) für die obere Variation
aus einer Verfierfachung der unteren Variation hervorgeht, wohingegen
in [28] nur eine Verdopplung der unteren Variation vorgenommen wurde,
einen Hinweis darauf, dass die vom Tevatron vorgeschlagenen, und die
von [28] verwendeten, Variationen der Gluonabstrahlung schwächer sein
könnten als die von der Top-Gruppe in der ATLAS-Kollaboration zur
Zeit benutzten. Die hier betrachteten Variationen von [46] sind nicht
experimentell bestimmt oder bestätigt worden. Wie nah oder weit weg
die verwendete Variation von der tatsächlichen Unsicherheit ist, ist daher
schwer zu beurteilen. Trotzdem sollte durch eine Untersuchung ermittelt
werden, inwiefern mit der Implementation eines Jet-Vetos ebenfalls eine Verringerung der systematischen Fehler durch die Gluonabstrahlung
möglich ist.
8.3 Partondichteverteilungen
Um den Einfluss der Unsicherheiten der Partondichteverteilungen auf die
Top-Quark-Masse zu bestimmen, werden die von der CTEQ-Kollaboration
zur Verfügung gestellten Partondichteverteilungen [48] benutzt. Sie enthalten 20 unabhängige Variationen der zentralen Partondichtevertei-
65
8 Systematische Unsicherheiten
lung CTEQ61m. Diese ist eine NLO Parametrisierung und unterscheidet
sich daher zu der in der Generation verwendeten Partondichteverteilung
CTEQ6ll führender Ordnung (LO) (siehe Kapitel 2.2.1), für die keine
Variationen existieren. Daher wurden insgesamt 41 Datensätze generiert:
40 Datensätze für die unteren und oberen Variationen und ein Datensatz
mit der zentralen Partondichteverteilung. Der systematische Fehler einer
einzelnen Variation wird relativ zu diesem zentralen Datensatz bestimmt
und ist im Anhang A für alle 40 Partondichteverteilungen tabellarisch
aufgelistet. Es wird dabei angenommen, dass die in Kapitel 6 und 7 erstellten Eichkurven sich maximal nur durch eine konstante Verschiebung
der Mittelwerte der Observablen von einer, mit der zugrunde liegenden
Partondichteverteilung CTEQ61m erstellten, unterscheiden, so dass die
schon ermittelten Eichkurven zur Bestimmung der systematischen Fehler
aus den verschiedenen Variationen verwendet werden können. Für die
beiden Winkel und den Thrust wird der systematische Fehler durch zwei
Variationen (Nummer 15 und 16) dominiert und führt daher zu einem
deutlich größeren Wert des systematischen Fehlers der Partondichteverteilung σPDF als für die transversale Zerfallslänge. Um den systematischen
Fehler zu bestimmen, werden die Variationen, die zu einer Senkung der
−
Top-Quark-Masse führen, quadratisch zu σPDF
und die Variationen, die
+
die Top-Quark-Masse erhöhen, quadratisch zu σPDF
addiert. Die untere
Variation führt nicht immer zu einer Erniedrigung und die dazugehörige
obere Variation zu einer Erhöhung der Top-Quark-Masse (oder umgekehrt), sondern sie gehen manchmal in dieselbe Richtung. In diesem Falle
wird der systematische Fehler durch den größeren Wert abgeschätzt. Die
resultierenden asymmetrischen, systematischen Fehler auf Generatorniveau sind in Tabelle 8.4 angeführt. Die Winkel und der Thrust sind nicht
truth
LT
thrust
hαdc i
hαop i
−
σPDF
+
σPDF
0,8
2,3
3,1
4,5
4,0
5,2
3,9
5,3
Tabelle 8.4: Systematische Fehler auf die Top-Quark-Masse in GeV durch
die Unsicherheit der Partondichteverteilung auf Generatorniveau. σ − kennzeichnet eine Senkung und σ + eine Erhöhung der Top-Quark-Masse durch die
entsprechende Variation.
nur sensitiver auf die Beschreibung der Gluonabstrahlung sondern auch
auf die der Partondichteverteilung. In Abbildung 8.4 sind die Veränderungen der Impulsverteilungen der B -Hadronen für die zwei dominanten
66
rel. Anteil
rel. Anteil
8.3 Partondichteverteilungen
0.045
0.040
unvariiert
0.035
PDF:15a
PDF:15b
0.045
0.040
unvariiert
0.035
PDF:16a
PDF:16b
0.030
0.030
0.025
0.025
0.020
0.020
0.015
0.015
0.010
0.010
0.005
0.005
0.000
0
100
200
0.000
300
400
p [GeV/c]
0
100
200
300
400
p [GeV/c]
Abbildung 8.4: Veränderung der Impulsverteilung der B -Hadronen durch
die Variation der zwei dominierenden Parameter der Partondichteverteilung.
Die mit der gestrichelten Linie dargestellten Veränderungen führen zu einer
Erhöhung und die mit der gepunkteten Linie gezeigten zu einer Senkung der
gemessenen Top-Quark-Masse.
reco
LT
thrust
hαdc i
hαop i
−
σPDF
+
σPDF
0,8
1,5
1,7
2,5
2,5
3,0
2,6
2,8
Tabelle 8.5: Systematische Fehler auf die Top-Quark-Masse in GeV durch
die Unsicherheit der Partondichteverteilung nach der Rekonstruktion. σ − kennzeichnet eine Senkung und σ + eine Erhöhung der Top-Quark-Masse durch die
entsprechende Variation.
Variationen der Partondichteverteilung gezeigt. Die größten Veränderungen liegen auch hier wieder in dem Bereich kleiner B -Hadron Impulse.
Aus [48] ist bekannt, dass die Variation Nr. 15 die größte Veränderung
der Gluondichteverteilung bei großen x-Werten hervorruft (starke Modifikationen des Verlaufs ab ungefähr x > 0,016). Diese hat einen großen
Einfluss auf die t t̄-Ereignisse, die zu 85% über Gluonfusion produziert
werden (vergleiche Kapitel 2.2.1). In Tabelle 8.5 sind die rekonstruierten
Ergebnisse für σPDF dargestellt. Trotz einer Verkleinerung der systematischen Fehler, sind die beiden Winkel und der Thrust auch nach der
Rekonstruktion deutlich anfälliger für Variationen der Partondichteverteilung als die transversale Zerfallslänge. Die Ursache dafür ist, dass die
beiden Winkel und der Thrust auch von der longitudinalen Impulskompo-
67
8 Systematische Unsicherheiten
nente der B -Hadronen abhängen. Diese ist stärker von der verwendeten
Partondichteverteilung abhängig als die transversalen Komponenten.
8.4 b-Fragmentation
rel. Anteil
Die Fragmentation des b -Quarks beinflusst den B -Hadron Impuls und
damit auch die Top-Quark-Masse (vergleiche Kapitel 4.1). Der Bruchteil Xb des b -Quark Impulses, den das B -Hadron erhält, ist durch die
Fragmentationsfunktion f (Xb ) gegeben, deren Mittelwert hXb i von der
0,0038
OPAL-Kollaboration zu hXb i = 0,7193 ± 0,0016+
− 0,0033 gemessen wurde [49]. Die Massenbestimmung ist durch die Ereignisselektion und das
b-Tagging auch von der Form der Fragmentationsfunktion abhängig. Da
die OPAL-Daten allerdings nicht stark zwischen den verschiedenen theoretischen Beschreibungen der Fragmentationsfunktion unterscheiden [49],
wird wie in [28] nur die Unsicherheit des Mittelwerts der Fragmentationsfunktion betrachtet.
Die transversale Zerfallslänge ist proportional zum Impuls der B -Hadronen, weshalb die relative Unsicherheit von +0,57%, beziehungsweise
−0,51%, des Mittelwerts der Fragmentationsfunktion direkt auf eine relative Unsicherheit der transversalen Zerfallslänge übertragen werden kann.
Durch eine Verschiebung des Mittelwerts der transversalen Zerfallslänge
unvariiert
- 0,51%
+ 0,57%
0.12
0.10
0.08
0.06
0.04
0.02
0.00
0
100
200
300
400
p [GeV/c]
Abbildung 8.5: Veränderung der (wahren) Impulsverteilung der B -Hadronen in den rekonstruierten Ereignissen nach der Selektion durch eine relative
Verschiebung der Impulse um ± 0,57% . Die mit der gestrichelten Linie dargestellten Veränderungen führen zu einer Erhöhung und die mit der gepunkteten
Linie gezeigten zu einer Senkung der gemessenen Top-Quark-Masse.
68
8.5 Lebensdauer der B-Hadronen
um einen Faktor 1,0057, beziehungsweise 0,9949, kann so die Variation
der Top-Quark-Masse nach unten, beziehungsweise oben, bestimmt werden.
Die beiden Winkel und der Thrust hängen zwar annähernd linear von dem
Impuls der B -Hadronen ab, jedoch besteht keine reine Proportionalität.
Der systematische Fehler muss daher für sie anders bestimmt werden. Um
eine Verschiebung der Impulsverteilung um zum Beipsiel 0,57% zu erreichen, werden die Impulse der B -Hadronen um einen Faktor f = 1,0057
vergrößert. Dazu wird eine Lorentztransformation in Richtung der Flugrichtung der B -Hadronen bestimmt, deren Boost β entsprechend gewählt
ist. Dieser kann exakt ausgerechnet werden und die zugehörige Rechnung
ist in Anhang B zu finden. Mit Hilfe der gefundenen Lorentztransformation werden die rekonstruierten Impulse der gemessenen Spuren aus
dem Zerfallsvertex des B -Hadrons transformiert. Eine mögliche Änderung
der Topologie des Zerfalls kann dabei vernachlässigt werden, da die Verschiebung der B -Hadron Impulse sehr klein ist. In Abbildung 8.5 ist die
erzeugte Verschiebung der Impulsverteilung der B -Hadronen dargestellt.
Die für alle Observablen ermittelten systematischen Fehler aus der Unsicherheit des Mittelwerts der Fragmentationsfunktion sind in Tabelle 8.6
aufgeführt.
reco
LT
thrust
hαdc i
hαop i
−
σFrag
+
σFrag
1,3
1,4
1,5
1,4
1,5
1,0
1,9
1,1
Tabelle 8.6: Rekonstruierte systematische Fehler auf die Top-Quark-Masse
in GeV durch die Unsicherheit des Mittelwerts der Fragmentationsfunktion.
σ − kennzeichnet eine Senkung und σ + eine Erhöhung der Top-Quark-Masse
durch die entsprechende Variation.
8.5 Lebensdauer der B-Hadronen
Da die transversale Zerfallslänge proportional zur Lebensdauer der B Hadronen ist, fließt die Unsicherheit dieser als ein weiterer systematischer Fehler in die Massenbestimmung des Top-Quarks ein. Eine Abhängigkeit der anderen Observablen von der Lebensdauer der B -Hadronen besteht nicht. Die mittlere Lebensdauer der B -Hadronen liegt bei
τ = 1,568 ± 0,009 ps [29].
Der systematische Fehler kann prinzipiell genauso bestimmt werden wie
69
8 Systematische Unsicherheiten
der aus der b-Fragmentation für die transversale Zerfallslänge resultierende (vergleiche vorherigen Abschnitt 8.4). Allerdings müssen die unterschiedlichen Nachweiswahrscheinlichkeiten des b-Taggings für die B Mesonen M und B -Baryonen B berücksichtigt werden, die zu einer
effektiven mittleren Lebensdauer von
τ̂ (r) =
τB + x τ M
1+x
führen, wobei x = M pM / (B pB ), pM , bzw. pB , die relative Häufigkeit der
Mesonen, bzw. Baryonen, von der Gesamtanzahl der B -Hadronen und τM ,
bzw. τB , die entsprechende Lebensdauer ist (vergleiche Kapitel 4.1). Diese
Lebensdauer τ̂ ist gegenüber der oben angegebenen um ∆τ verschoben:
τ̂ (r) = τ + ∆τ (r) .
Hier wurde das Verhältnis r = B /M definiert. Dieses konnte aus dem
vorliegendem voll simulierten Datensatz bei einer Top-Quark-Masse von
175 GeV zu r = 0,81 bestimmt werden. Es wird darauf ein Fehler von
10% angenommen, der oberhalb des in [28] verwendeten von 6% liegt.
Zusammen mit einem prozentualen Anteil von 9,2% ± 1,8% und einer
mittleren Lebensdauer von 1,325±0,039 ps der B -Baryonen [29] ergibt sich
eine Verschiebung der mittleren Lebensdauer um ∆τ = 0,004 ± 0,002 ps.
Damit wird insgesamt ein relativer Fehler der mittleren Lebensdauer von
0,58% ermittelt. Dieser übersetzt sich in einen systematischen Fehler von
στ = 1,4 GeV für die Zerfallslängenmethode.
8.6 Jet-Energieskala
Die Bestimmung der Top-Quark-Masse über den Zerfallsvertex der B -Hadronen ist gegenüber den herkömmlichen Methoden der Massenbestimmung nur geringfügig abhängig von der Jet-Energieskala (JES). Dies soll
durch eine Variation dieser gezeigt werden. Dazu wird die Energie der
rekonstruierten Jets um 10% verschoben und die Verteilungen der Observablen neu bestimmt. Es wird dadurch eine Abhängigkeit von der JES
durch die vorgenommenen Schnitte berücksichtigt. Die Größe der Variation der Jet-Energieskala wurde so gewählt, dass sie der Energieauflösung
eines Jets mit mittlerer Energie (50 GeV) entspricht (vergleiche Kapitel
3.2). In Tabelle 8.7 sind die erhaltenen systematischen Fehler dargestellt.
−
Die Variation der Jet-Energieskala nach unten (σJES
) und nach oben
+
(σJES ) führen beide zu einer Erniedrigung der Top-Quark-Masse. Da die
70
8.7 Zusammenfassung
reco
LT
thrust
hαdc i
hαop i
σJES−
σJES+
0,09
0,01
0,07
0,07
0,10
0,06
0,11
0,10
Tabelle 8.7: Rekonstruierte systematische Fehler auf die Top-Quark-Masse
in GeV durch die Unsicherheit der Jet-Energieskala. Aufgrund ihrer geringen
Größe sind sie dem Einfluss statistischer Fluktuationen unterlegen. σJES−
kennzeichnet eine Senkung und σJES+ eine Erhöhung der Jet-Energieskala.
systematischen Fehler in derselben Größenordnung wie ihr statistischen
Fehler (siehe folgenden Abschnitt 8.7) liegen, sind ihre konkreten Werte, und damit auch die Richtung der Top-Quark-Massenänderung, nicht
aussagekräftig. Jedoch ist zu sehen, dass der Einfluss der JES in dieser
Messung tatsächlich vernachlässigbar ist.
8.7 Zusammenfassung
Alle ermittelten systematischen Fehler (bis auf JES) und Gesamtunsicherheiten sind für die vier Observablen in Tabelle 8.8 zusammengefasst. In
der Berechnung der Gesamtunsicherheiten wurden angenommen, dass die
einzelnen systematischen Fehler untereinander nicht korreliert sind. Für
alle Observablen wird der systematische Fehler durch die Unsicherheit der
Gluonabstrahlung im Endzustand dominiert. Die Winkel und der Thrust
reco
ISR
FSR
PDF
Frag.
τ
Gesamt
LT
σ−
σ+
0,4
0,6
4,8
3,9
0,8
1,5
1,3
1,4
1,4
1,4
5,2
4,7
thrust
σ−
σ+
0,3
0,8
5,2
4,0
1,7
2,5
1,5
1,4
-
5,7
5,0
hαdc i
σ−
σ+
0,3
0,5
5,1
4,1
2,5
3,0
1,5
1,0
-
5,9
5,2
hαop i
σ−
σ+
0,4
0,5
5,2
4,1
2,6
2,8
1,9
1,1
-
6,1
5,1
Tabelle 8.8: Systematische Fehler auf die Top-Quark-Mase in GeV für alle
Observablen. σ − kennzeichnet eine Senkung und σ + eine Erhöhung der TopQuark-Masse durch die entsprechende Variation.
71
8 Systematische Unsicherheiten
haben gegenüber der transversalen Zerfallslänge den Vorteil, dass sie nicht
von der Lebensdauer τ der B -Hadronen beeinflusst sind. Jedoch sind sie
deutlich sensitiver auf die Unsicherheiten der Partondichteverteilung, aufgrund ihrer Abhängigkeit von der longitudinalen Impulskomponente der
B -Hadronen. Daher ist ihr gesamter systematischer Fehler 0,3 bis 0,9 GeV
größer als der der transversalen Zerfallslänge.
Der statistische Fehler auf die systematischen Unsicherheiten, die durch
die relative Variation des Mittelwerts der transversalen Zerfallslänge, wie
σFrag und στ , bestimmt wurden, kann mittels Gaußscher Fehlerfortpflanzung zu 0,1 GeV errechnet werden. Da auch für die anderen Observablen
in der Ermittlung des systematischen Fehlers durch die Fragmentationsfunktion eine große Korrelation der variierten und ursprünglichen Verteilungen besteht, wird ihr statistischer Fehler ebenfalls etwa von dieser Größe sein. Ähnliches gilt für die aus der Unsicherheit der Gluonabstrahlung
und Partondichteverteilung resultierenden systematischen Fehler aller
Observablen. Denn wie in Kapitel 8.1 erwähnt wurde, ist die vorliegende
Korrelation der mittels der Reweighting-Methode erzeugten, variierten
und der ursprünglichen Verteilungen groß. Der obige berechnete statistische Fehler ist proportional zur Stärke der Variation, weshalb bei den hier
auftretenden systematischen Unsicherheiten bis zu 6 GeV, angenommen
werden kann, dass ihr statistischer Fehler bei maximal etwa 0,3 GeV liegt
(je nach Stärke der Variation).
72
9 Zusammenfassung und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit wurde die Bestimmung der Top-Quark-Masse
über die Zerfallslängenmethode in dileptonischen t t̄-Ereignissen mit dem
ATLAS-Experiment studiert und die damit erreichbare Genauigkeit abgeschätzt. Dazu wurden erstmals voll simulierte Ereignisse verwendet,
deren Produktion eigenständig durchgeführt wurde. Die Verteilung der
transversalen Zerfallslänge wurde auf Generatorniveau und mit voller
Detektorsimulation verstanden. Durch Anwendung der Zerfallslängenmethode auf Generatorniveau konnte einerseits der Zusammenhang zwischen
dem Mittelwert der transversalen Zerfallslänge und der Top-Quark-Masse
nachvollzogen und andererseits die korrekte Abschätzung des statistischen
Fehlers überprüft werden. Um einen möglichst kleinen rekonstruierten
statistischen Fehler zu erreichen, wurde der maximal sensitive Bereich
der rekonstruierten transversalen Zerfallslänge auf die Top-Quark-Masse
ermittelt. Dabei hat sich herausgestellt, dass aufgrund des Einflusses des
Primärvertex die höchste Sensitivität erreicht wird, wenn nur transversale Zerfallslängen größer als 1 mm berücksichtigt werden. Neben dem
statistischen Fehler der Massenbestimmung wurde auch die systematische Unsicherheit aus den voraussichtlich wichtigsten Fehlerquellen abgeschätzt. Dabei fand eine Berücksichtigung der Unsicherheiten in der
Beschreibung der Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand, der
Partondichteverteilung, der Fragmentation der b -Quarks, der Lebensdauer der B -Hadronen und der Unsicherheit der Jet-Energieskala statt.
Der mit den voll simulierten Daten ermittelte statistische Fehler liegt
bei σmstat
= 1,1 GeV für eine integrierte Luminosität von 10 fb−1 und der
top
4,7
=+
systematische bei σmsyst
− 5,2 GeV. Die Unabhängigkeit der Zerfallsläntop
genmethode von der Jet-Energieskala konnte bestätigt werden.
Es wurden drei weitere Observablen eingeführt: der Thrust, der mittlere
Zerfallswinkel und der mittlere Öffnungswinkel. Mittels derer ist ebenfalls eine Bestimmung der Top-Quark-Masse, analog zur Verwendung der
transversalen Zerfallslänge, möglich. Da alle drei Observablen nur auf Spurinformationen basieren, ist die Abhängigkeit von der Jet-Energieskala
auch hier vernachlässigbar. Des Weiteren sind sie nicht von der Unsicherheit der Lebensdauer der B -Hadronen beeinflusst, im Gegensatz zur
transversale Zerfallslänge. Die Bestimmung der Top-Quark-Masse über
73
9 Zusammenfassung und Ausblick
diese drei Observablen wurde, wie für die Zerfallslängenmethode, sowohl
auf Generatorniveau als auch mit den voll simulierten Daten durchgeführt. Der mit den voll simulierten Daten ermittelte statistische Fehler
der Massenbestimmung über den Thrust oder einer der beiden Winkel
liegt bei σmstat
= 1,0 GeV für eine integrierte Luminosität von 10 fb−1
top
und ist damit kleiner als für die transversale Zerfallslänge. Jedoch ist der
systematische Fehler für alle drei Observablen etwas größer. Der kleinste
systematische Fehler konnte für den Thrust ermittelt werden. Er wurde
5,0
zu σmsyst
=+
− 5,7 GeV bestimmt. Die Ursache für das Auftreten des höheren
top
systematischen Fehlers im Vergleich zur transversalen Zerfallslänge, trotz
einer Unabhängigkeit von der Lebensdauer der B -Hadronen, ist bekannt
und liegt in der Abhängigkeit des Thrusts, beziehungsweise der beiden
Winkel, von der longitudinalen Impulskomponente der B -Hadronen. Dies
führt insbesondere zu einem größeren systematischen Fehler durch die
Partondichteverteilungen.
Es wird erwartet, dass sich die Top-Quark-Masse am LHC mit einer Gesamtgenauigkeit von ∼ 1 GeV bestimmen lässt [50]. Aufgrund der hohen,
verfügbaren Luminosität am LHC und des hohen Wirkungsquerschnitts
der t t̄-Ereignisse, werden die statistischen Fehler der jeweiligen Messungen klein gegenüber dem systematischen sein. Daher ist für den LHC,
im Vergleich zur aktuellen Situation der Messungen am Tevatron, ein
größerer Beitrag der Zerfallslängemethode zur Gesamt-Genauigkeit der
Top-Quark-Masse zu erwarten. Insbesondere werden die Massenbestimmungen im dileptonischen Kanal mit zunehmender Laufzeit des LHCs,
und die damit einhergehende Vergrößerung der verfügbaren Datenmengen,
an Bedeutung gewinnen. Abschließend lässt sich daher sagen, dass die
Bestimmung der Top-Quark-Masse über die transversale Zerfallslänge
oder den Thrust, beziehungsweise die Winkel, einen wesentlichen Beitrag
zur Genauigkeit der Top-Quark-Masse liefern kann.
Im Hinblick auf die Analyse der experimentellen Daten, die der LHC in
naher Zukunft liefern wird, sollten einige Annahmen und Vereinfachungen,
die hier gemacht wurden, überprüft, verbessert und unter Umständen
weitere Gegebenheiten berücksichtigt werden. Insbesondere sollte das Studium der systematischen Fehler weitergeführt werden. Im Folgenden wird
eine Sammlung von Vorschlägen und Ideen vorgestellt.
Um die Top-Quark-Masse zu bestimmen, wurden dileptonische t t̄-Ereignisse analysiert. Dabei wurden lediglich Ereignisse betrachtet, in denen
die W -Bosonen direkt in Elektronen, beziehungsweise Myonen, zerfallen
sind. Jedoch sollte auch eine Berücksichtigung derjenigen Ereignisse stattfinden, in welchen die W -Bosonen zuerst in Tau-Leptonen und diese dann
74
in Elektronen und Myonen zerfallen sind. Da die zusätzlich auftretenden
Neutrinos nicht detektiert werden, haben diese Ereignisse denselben Endzustand und sind damit nicht unterscheidbar von den in dieser Arbeit
betrachteten Ereignissen. Die Berücksichtigung dieser Ereignisse könnte
prinzipiell zu einer Veränderung der Impulsverteilung der B -Hadronen
und damit auch zu einer Modifizierung der Verteilungen der verschiedenen Observablen, die zur Massenbestimmung verwendeten werden, führen.
Denn die Transversalimpulse der Leptonen, die in dem Zerfall des TauLeptons entstehen, sind im Mittel kleiner als die der Leptonen, die direkt
im W -Boson Zerfall produziert werden. Aufgrund der Tatsache, dass das
im B -Hadron enthaltene b-Quark und das Lepton beide aus demselben
W -Boson stammen, kann durch die vorgenommene Ereignisselektion, die
einen Transversalimpuls oberhalb von 20 GeV für die Leptonen fordert, eine Verschiebung der B -Hadron Impulse zu kleineren Werten hin auftreten.
Der erwartete Effekt ist jedoch klein, besonders da die Korrelation des
im W -Boson Zerfall entstandenen Leptons und b-Quarks nicht besonders
stark ist. Eine starke Korrektur oder Abweichung von den in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnissen und Ergebnissen, speziell die ermittelten
Genauigkeiten der Massenbestimmung, ist daher nicht zu erwarten.
Da die Genauigkeit der hier vorgestellten Bestimmung der Top-QuarkMasse von der Qualität der Rekonstruktion der Spuren, des Primär- und
des Sekundärvertex abhängt, sollte zudem der Einfluss auf die verschiedenen Observablen aufgrund von Pile-up untersucht werden. Dies ist vor
allem wichtig, wenn der LHC mit einer Luminosität von 1034 cm−2 s−1
betrieben wird.
Wie bereits erwähnt, sollte eine Weiterführung des Studiums der systematischen Fehler stattfinden. So ist insbesondere die Bestimmung des
systematischen Fehlers aus der Gluonabstrahlung im Endzustand näher
zu betrachten, da dies der dominierende Fehler ist. Daher sollte die Einführung eines Jet-Vetos (vergleiche Kapitel 8.2) zur Senkung der Sensitivität
der Messung auf Variationen der Gluonabstrahlung getestet werden. Des
Weiteren ist eine Untersuchung des Einflusses der Interferenz von Gluonabstrahlung im Anfangs- und Endzustand nötig, die in dieser Arbeit
vernachlässigt wurde.
Zur Bestimmung des systematischen Fehlers aus der Unsicherheit der
Partondichteverteilungen wurden die von der CTEQ-Kollaboration vorgeschlagenen Variationen verwendet. Diese beinhalten jedoch keine Unsicherheit in der starken Kopplungskonstanten αs . Mittels der Partondichteverteilungen der MRST-Kollaboration könnte dies berücksichtigt
werden. Zudem sollte die zentrale Partondichteverteilung CTEQ61m der
75
9 Zusammenfassung und Ausblick
variierten Partondichteverteilungen CTEQ61 nicht nur als Referenzpunkt
zur Bestimmung des systematischen Fehlers sondern auch zur Erstellung
der Eichkurven benutzt werden.
In der Bestimmung des systematischen Fehlers, der aus Unsicherheit der
Fragmentationsfunktion resultiert, wurde lediglich die Unsicherheit des
Mittelwerts der Fragmentationsfunktion einbezogen. Es sollte daher eine
Überprüfung der Abhängigkeit von der Form der Fragmentationsfunktion
stattfinden.
Die korrekte Beschreibung der Verteilung des Thrusts und der beiden
Winkel ist zudem von der Kenntnis der Multiplizität der geladenen Spuren
im B -Hadron-Zerfall abhängig. Der daraus resultierende systematische
Fehler wurde in dieser Arbeit nicht bedacht. Die Abhängigkeit der transversalen Zerfallslänge von der Multiplizität wird als gering eingeschätzt.
Zwar wird zur Bildung der diskriminierenden Variablen des Sekundärvertex basierten b -Taggings, die Anzahl der 2-Spur Vertizes, die stark
mit der Multiplizität korreliert ist, verwendet, jedoch werden in der Rekonstruktion des inklusiven Sekundärvertex keine Annahmen über die
Multiplizität gemacht.
Die Verteilungen aller vier Observablen hängen außerdem von den verwendeten Generatoren und der Detektorbeschreibung ab. Ersteres könnte
durch eine Benutzung anderer Generatoren (Herwig, MC@NLO, ...) abgeschätzt werden. Um die Abhängigkeit von der Detektorbeschreibung
zu bestimmen, könnten Annahmen zum Beispiel über mögliche Fehlausrichtungen des Inneren Detektors gemacht und die resultierenden
systematischen Fehler bestimmt werden. Wenn die experimentellen Daten
zur Verfügung stehen, besteht zudem die Möglichkeit mittels weiterer
Datensätze, die eine hohen Reinheit an identifizierten b -Jets haben, die
rekonstruierten Verteilungen der Observablen mit den experimentellen
Verteilungen zu vergleichen und so mit Hilfe eines Skalierungsfaktors eine
eventuell auftretende Unzulänglichkeit in der Beschreibung durch einen
systematischen Fehler zu berücksichtigen (näheres siehe zum Beispiel
[15]).
Untergrundprozesse wurden in dieser Arbeit aufgrund des erwarteten
Signal-zu-Untergrund Verhältnisses vernachlässigt. Dies sollte überprüft
und der resultierende systematische Fehler ermittelt werden.
Für alle betrachteten systematischen Fehler könnte außerdem untersucht
werden, ob eine Modifizierung der Ereignisselektion zu einer Verkleinerung der Fehler führt. Neben dem schon angesprochenen Jet-Veto, könnte
auch eine Anhebung des Schnitts auf den Transversalimpuls der b-Jets
eine Erhöhung der Genauigkeit bewirken, wenn gerade kleine Transversa-
76
limpulswerte von systematischen Unsicherheiten betroffen sein sollten.
Abschließend sei noch bemerkt, dass die Entwicklung einer Observablen,
die, wie der Thrust und die beiden Winkel, unabhängig von der Lebensdauer der B -Hadronen ist, und im Gegensatzt zu diesen außerdem nicht
von der longitudinalen Impulskomponente der B -Hadronen abhängt, die
Bestimmung der Top-Quark-Masse mit einem geringeren systematischen
Fehler, als die in dieser Arbeit mit den untersuchten Observablen ermittelten, ermöglichen könnte.
77
A Variation der Partondichteverteilung
A.1 Generierte Datensätze
LT
thrust
hαdc i
hαop i
LT
thrust
hαdc i
hαop i
1a
1b
0,48
0,30
0,26
0,40
0,11
0,19
0,09
0,26
11a
11b
-0,09
0,63
0,20
1,09
0,34
0,70
0,38
0,76
2a
2b
0,36
-0,11
-0,07
0,27
-0,13
0,09
-0,17
0,17
12a
12b
0,47
0,43
0,23
0,04
0,22
-0,13
0,17
-0,06
3a
3b
0,27
0,24
0,43
-0,24
0,23
-0,29
0,27
-0,24
13a
13b
0,29
0,43
0,16
0,58
-0,19
0,39
-0,12
0,53
4a
4b
0,23
0,63
0,27
0,44
0,34
-0,00
0,13
-0,03
14a
14b
0,02
0,49
-0,02
0,84
-0,09
0,59
-0,05
0,68
5a
5b
0,56
-0,14
0,60
-0,67
0,27
-0,78
0,35
-0,74
15a
15b
-0,30
0,83
-3,00
3,39
-3,78
4,47
-3,72
4,52
6a
6b
0,02
0,41
-0,07
0,43
-0,27
0,11
-0,21
0,15
16a
16b
0,66
-0,51
1,71
-0,47
1,77
-0,81
1,91
-0,69
7a
7b
0,00
0,66
-0,03
0,13
-0,20
-0,13
-0,21
-0,17
17a
17b
0,04
0,15
0,45
0,46
0,25
0,27
0,24
0,43
8a
8b
-0,43
0,30
0,38
0,11
0,25
0,08
0,37
0,20
18a
18b
-0,05
0,59
-0,09
0,62
-0,16
0,46
-0,20
0,51
9a
9b
0,34
0,16
0,54
0,26
0,50
0,00
0,56
-0,01
19a
19b
0,48
0,29
0,81
-0,18
0,92
-0,20
0,92
-0,02
10a
10b
0,07
0,65
-0,19
0,75
-0,28
0,79
-0,17
0,76
20a
20b
0,11
-0,01
0,69
-0,02
0,49
-0,10
0,62
-0,11
Tabelle A.1: Änderung der Top-Quark-Masse in GeV durch Variation der 20
unabhängigen Parameter der Partondichteverteilung CTEQ61m [48] um ±1σ
auf Generatorniveau. Kennzeichnet a eine +1σ, bzw. eine −1σ, Variation, so
steht b für die −1σ, bzw. +1σ, Variation.
79
A Variation der Partondichteverteilung
A.2 Voll simulierte Datensätze
LT
thrust
hαdc i
hαop i
1a
1b
0,21
0,29
0,17
0,26
0,14
0,07
0,04
0,06
2a
2b
0,15
-0,28
0,03
0,24
-0,07
0,10
3a
3b
0,09
-0,12
0,19
-0,06
4a
4b
0,13
0,38
5a
5b
LT
thrust
hαdc i
hαop i
11a
11b
0,07
0,28
0,22
0,47
0,23
0,51
0,21
0,41
-0,13
0,03
12a
12b
0,28
0,07
0,17
-0,06
0,02
-0,17
0,07
-0,30
0,17
-0,15
0,14
-0,19
13a
13b
0,19
0,24
0,11
0,30
-0,17
0,22
-0,17
0,27
0,27
0,26
0,16
0,15
0,09
0,04
14a
14b
-0,06
0,16
-0,12
0,35
-0,16
0,35
-0,16
0,39
0,36
-0,28
0,20
-0,26
0,21
-0,39
0,10
-0,52
15a
15b
-0,46
0,79
-1,70
1,97
-2,33
2,50
-2,35
2,39
6a
6b
0,05
0,22
0,06
0,24
-0,10
0,20
-0,15
0,17
16a
16b
0,33
-0,37
0,92
-0,24
1,10
-0,62
1,04
-0,61
7a
7b
-0,14
0,64
-0,02
0,07
0,02
-0,06
0,00
-0,08
17a
17b
0,09
0,13
0,20
0,30
0,12
0,25
0,08
0,21
8a
8b
-0,38
-0,03
0,27
0,17
0,19
0,12
0,16
0,15
18a
18b
-0,03
0,27
-0,04
0,27
-0,03
0,28
-0,10
0,17
9a
9b
0,40
0,17
0,19
0,09
0,14
-0,00
0,10
-0,13
19a
19b
0,33
0,29
0,48
-0,02
0,58
-0,15
0,50
-0,24
10a
10b
0,15
0,40
-0,07
0,50
-0,25
0,51
-0,25
0,46
20a
20b
-0,05
-0,07
0,32
0,02
0,34
-0,18
0,23
-0,22
Tabelle A.2: Änderung der Top-Quark-Masse in GeV durch Variation der
20 unabhängigen Parameter der Partondichteverteilung CTEQ61m [48] um
±1σ mit voller Detektorsimulation. Kennzeichnet a eine +1σ, bzw. eine −1σ,
Variation, so steht b für die −1σ, bzw. +1σ, Variation.
80
B Lorentztransformation des B-Hadron
Impulses
Zur Bestimmung des systematischen Fehlers durch die Unsicherheit der
b-Fragmentation für die Winkel und dem Thrust in Kapitel 8.4 ist eine Lorentztransformation der Impulse der Sekundärvertexspuren nötig.
Der Boost der Transformation soll dabei gerade so groß sein, dass der
B -Hadron Impuls mit einem Faktor f , der gerade der Unsicherheit des Mittelwerts der Fragmentationsfunktion entspricht, multipliziert wird. Im Folgenden soll dieser Boost über eine Lorentztransformation des B -Hadron
Impuls bestimmt werden.
Seien EB und pB die Energie und der Impuls des B -Hadrons vor und E B0 ,
beziehungsweise pB0 , die Größen nach der Transformation:
!
!
!
~
EB
E B0
γ βγ
.
= ~
p~B0
p~B
βγ γ
Da keine Richtungsänderung des B -Hadrons erfolgen soll, ist β~ k p~B und
der Impuls(betrag) nach der Transformation ergibt sich zu:
pB0 = γ (pB + βEB )
p
!
Mit γ = 1/ 1 − β 2 und der Forderung pB0 = f · pB kann nun der Boost
β berechnet werden:
1
f pB = p
1 − β2
(pB + βEB )
⇔ 1 − β 2 f 2 p2B = p2B + 2βpB EB + β 2 EB2
⇔
β 2 + 2βEB c = pB f 2 − 1 c ,
wobei c = pB / (EB2 + f 2 p2B ) definiert wurde. Damit ist β wie folgt gegeben:
q
β = pB (f 2 − 1) c + c2 EB2 − cEB
q
pB
2
2
2
2
2
= 2
f EB + f pB (f − 1) − EB .
EB + f 2 p2B
81
B Lorentztransformation des B-Hadron Impulses
Insgesamt lässt sich daher mit x = EB /pB schreiben:
β=
p
1
2 + f2 − 1 − x .
f
x
x2 + f 2
Mit dieser Formel kann der Boost für ein gegebenes x = EB /pB und
einen Faktor f berechnet werden. Im Falle f = 1 ergibt sich β = 0, und
der B -Hadron Impuls wird nicht transformiert. Für f < 1 wird der Boost
negativ und für f > 1 positiv. Der vektorielle Boost β~ bestimmt sich
schließlich zu β~ = β pp~BB .
82
Literaturverzeichnis
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