(Ein-)Ordnungsversuch im Rahmen der Profession Soziale

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DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
Sozialtherapie
Ein Ordnungsversuch im Rahmen der
Profession und der Disziplin Sozialer Arbeit
Prof. Dr. Dieter Röh
ECCSW-Tagung: Soziale Gesundheit stärken
24./25. September 2010, Berlin
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
Agenda
Sozialtherapie – ein (un-)bestimmbarer
Handlungsansatz?!
Professionstheoretische Einordnung: Sozialtherapie
als Behandlungsform der Sozialen Arbeit
Sozialtherapie als Behandlung des
Passungsverhältnisses zwischen Subjekt und
Umwelt
Zielgruppen, Indikation und Reichweite
Offene Fragen
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
Sozialtherapie – ein (un-)bestimmbarer Handlungsansatz?!
•
•
•

Sozialtherapie nach §9 StrafVollzG, i.S. von Verhaltensmodifikation bei
Sexualdelikten
Sozialtherapie im Suchtbereich (Rehabilitation, RV)
Soziotherapie nach §37a SGB V leistet "Koordinierung der verordneten
Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme"
bei Menschen, die "wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der
Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in
Anspruch zu nehmen“ und zwar als "begleitende Unterstützung und
Handlungsanleitung von chronisch psychisch Kranken zur
Überwindung von krankheitsbedingten Grundstörungen, die zu
Beeinträchtigungen im Umgang mit der sozialen Umwelt führen"
(Melchinger 1998, S. 73)
Im Katalog therapeutischer Leistungen der RV als Beschreibung
milieutherapeutischer Einzelbetreuung und Gruppenarbeit
(Sozialarbeit im Krankenhaus)
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Sozialtherapie – ein (un-)bestimmbarer Handlungsansatz?!
In einer weiten Fassung ist sie nicht an eine bestimmte
Profession oder Qualifikation gebunden1
• „Soziotherapie ist (wie Pädagogik in der Schule) die Basis
therapeutischen Handelns in psychiatrischen
Einrichtungen. Nur was sie nicht leisten kann, fällt an
Psycho- oder Somatotherapie (wie an die
Sonderpädagogik in der Schule.)“
• Soziotherapie ist Lernen unter alltäglichen Bedingungen
(kein klinisches Lernen unter der ‚Käseglocke‘)
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Definition n. Rolf Schwendter
 "Soziale Therapie steht für das Verstehen von Leiden in seinen
Bezügen, in denen es entstanden ist, in denen es weiterbesteht
und auf allen Ebenen vermindert werden soll.“ 2
 Sie sei eine "arme Therapie", da zwar keine Psychotherapie, aber
„das Ensemble jener aus dem psychotherapeutischen Umfeld
herrührenden Verfahren, die mild und ökologisch genug sind, […],
um gefahrlos von Personen ohne explizite psychotherapeutische
Ausbildung praktiziert werden zu können.“ 3
Schwendter (2000): Einführung in die Soziale Therapie: 10 f.
3 a.a.O., 256
2
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„Soziotherapie hat es mit sozial desintegrierten Klienten zu tun, die
multiproblematisch belastet sind. […]
Soziotherapie besitzt eine niedrige Zugangsschwelle (Anforderungen an
Patienten, Gestaltung der Therapie etc.). […]
Soziotherapie zielt auf die Sicherung des Überlebens, die
Verhinderung von schweren Folgeschäden, die Verhinderung
sozialer Desintegration und eine autonome Lebensgestaltung ab .[…]
Soziotherapie setzt alltagsnahe, pädagogische, psychoedukative,
direkte und handlungsorientierte Methoden ein, setzt auf
Alltagsgestaltung und Tagesstrukturierung 5
5 Steingass
(1991): Soziotherapie - mehr oder weniger anders als Psychotherapie?
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Eigene Definition – theoretische Grundlagen

Ist die Behandlungsmethode der Sozialen Arbeit und basiert auf einem
sozial-ökologischen Gegenstandsverständnis
Person – in – Umwelt

setzt ein sozio-psycho-somatisches Krankheits- und
Gesundheitsverständnis voraus, wobei die eigentliche
Behandlungskompetenz und die Indikationsreichweite die Störungen
des Passungsverhältnisses zwischen Subjekt und Umwelt umfassen.

„Social treatment is an approach to interpersonal helping which utilizes
direct an indirect strategies of intervention to aid individuals, families, and
small groups in improving social functioning and coping with social
problems.“4
4
Whittaker, J. (2006): Social Treatment: 49
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
Gegenstand der Sozialen Therapie und Therapieziel

Intensive und interpersonale Auseinandersetzung zwischen
Sozialtherapeut, Klient und sozialem Umfeld bzw. Institutionen und
direkte oder indirekte Beeinflussung der Subjekt-Umwelt-Transaktion
mit dem Ziel der Verbesserung dieser Transaktion

Unterschied zur sonstigen Sozialen Arbeit liegt in der komplexeren und
zielgerichteteren (bewussteren) Kommunikation und Beeinflussung.
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
Einzelfallhilfe
Gruppenarbeit
Beratung
Sozialtherapie u.a. durch:
-Diagnostik und Hilfeplanung
-Krisenintervention
-Milieugestaltung
-Kompetenztraining
-Betreuung und Begleitung,
Tagesstrukturierung
-Netzwerkförderung
Case Management
Netzwerkförderung
Gemeinwesenarbeit
Beratung
Case Management
Sozialraumgestaltung
politische Arbeit
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
Von der Möglichkeit und Notwendigkeit des
Therapeutischen in der Sozialen Arbeit
 Gefährdung des emanzipativen und kritischen Potentials?
 Nein, denn Spezifikum ist nicht die alleinige Fokussierung und
Veränderung des Erlebens oder Verhaltens von Subjekten,
sondern die gleichrangige Berücksichtigung
individueller Sinnkonstitutionen,
sozialer RahmenKompetenzen, Persönlichkeits- + bedingungen
merkmalen
(Restriktionen und
Ressourcen
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Von der Möglichkeit und Notwendigkeit des
Therapeutischen in der Sozialen Arbeit
 Gefährdung des emanzipativen und kritischen Potentials?
 Nein, denn Spezifikum ist nicht die alleinige Fokussierung und
Veränderung des Erlebens oder Verhaltens von Subjekten,
sondern die gleichrangige Berücksichtigung
individueller Sinnkonstitutionen,
sozialen RahmenKompetenzen, Persönlichkeits- + bedingungen
merkmale
(Restriktionen und
Ressourcen
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Von der Möglichkeit und Notwendigkeit des
Therapeutischen in der Sozialen Arbeit
 Gefährdung des emanzipativen und kritischen Potentials?
 Nein, denn Spezifikum ist nicht die alleinige Fokussierung und
Veränderung des Erlebens oder Verhaltens von Subjekten,
sondern die gleichrangige Berücksichtigung
individueller Sinnkonstitutionen,
sozialer RahmenKompetenzen, Persönlichkeits- + bedingungen
merkmale
(Restriktionen und
Ressourcen
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
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Zielgruppen - Indikationsbereiche
(1) Thematik und Probleme der Betroffenen sind umfassend und
vielschichtig, d.h. die sozialen Probleme sind komplex,
schwerwiegend und langandauernd.
(2) Handlungsfähigkeit bzw. Selbsthilfekräfte der Klienten ist nicht
direkt und kurzfristig durch Informationen, Vermittlung oder
Bereitstellung von Ressourcen zu aktivieren.
(3) Durch die fehlende Handlungsfähigkeit und den fehlenden oder
mangelhaften Zugriff auf externe Ressourcen droht soziale
Desintegration, Segregation, Isolation und Stigmatisierung
und somit ist ein gefährdetes Leben zu befürchten bzw. schon
eingetreten.
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Zielebenen
Sozialtherapie zielt darauf,
 dass soziale Rollen reflektiert und ggf. besser ausgefüllt werden
können,
 die dazu notwendigen sozialen Kompetenzen gefördert werden,
 die soziale Unterstützung und das soziale Netzwerk „geheilt“
werden,
 die für eine gelingende Lebensführung notwendige
Ressourcenausstattung gewährleistet wird,
 die Fähigkeit zur Nutzung dieser Ressourcen gestärkt wird und
 Menschen gestärkt werden, sich ihres Lebens (wieder)
anzunehmen, einen Sinn zu finden und sich mit ihren Lebenszielen
produktiv auseinander zu setzen (Empowerment).
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Definition und Folgen
 Gefahr der Therapeutisierung sozialer Probleme? Besteht nur
solange, wie nach einer eindimensionalen Veränderung des
Verhaltens ohne Betrachtung und ggf. Veränderung der Verhältnisse
getrachtet wird.
 Aber: Funktionalistischer Ansatz = es geht um das bessere
„Zurechtkommen“, den gelingenderen Alltag, die funktionalere
Lebensführung, um Lebensführungskompetenz
 Wo bleibt die sozialethische Dimension des Empowerment und der
subjektiven Eigensinnigkeit: Lebensführungskompetenz meint nicht
die blinde Anpassung an die Gegebenheiten, sondern auch den
reflektierten, kritischen Umgang mit der eigenen Lebenssituation
und der Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen
DEPARTMENT SOZIALE ARBEIT
Offene Fragen
 Sozialethische Positionierung und Klärung des Verhältnisses
vom Zurechtkommen in den Erfordernissen des Lebens und
kultureller Zwänge (die krank machen)
 Ausarbeitung und Entwicklung von Methoden der Sozialtherapie
 Analyse von Handlungs- und Arbeitsfeldern, in denen die
Sozialtherapie vorkommt bzw. vorkommen müsste
 Etablierung sozialtherapeutischer Ansätze in der Praxis und in
der Sozialarbeitswissenschaft
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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