IT-Unterstützung vs. Datenschutz im Bereich klinischer Studien

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Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Fachthemen
IT-Unterstützung vs. Datenschutz
im Bereich klinischer Studien
Jalalle Chahboune*)
evimed GmbH, Frankfurt/Main
1. Üb erblick
Mit über 805 durch die Industrie initiierten klinischen Studien pro Jahr ist
die Bundesrepublik Deutschland der
zweitgrößte Studienstandort weltweit
[1]. Das hat nicht nur wirtschaftspolitische Bedeutung, sondern ist auch
Ausweis eines anerkanntermaßen hohen Standards in der medizinischen
Versorgung wie auch in der Forschungsqualität und dient nicht zuletzt den Patienten durch die damit
einhergehenden Innovationen. Es ist
im Interesse aller Beteiligten, diesen
Status zu erhalten. Dennoch bedrohen
die immer weiter steigenden Kosten
die Forschung und den ForschungsOutput im Gesundheitswesen. Die
Kosten steigen nicht zuletzt wegen
der hohen regulatorischen Anforderungen, sondern vor allem auch wegen der teils ineffizienten Verfahren
auf dem Weg von der Forschung zur
Zulassung. Ein besonderes Interesse
an der Kosteneffizienz haben natürlich auch die Pharmaunternehmen,
*) Unter Mitwirkung von Dr. Andreas Börner
(Norton Rose Fulbright LLP, München), Prof.
Dr. Michael J. J. Brück und Dr. Christoph Ritzer
(Norton Rose Fulbright LLP, Frankfurt/Main).
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die enorme Investitionen in die Entwicklung neuer Medikamente tätigen
müssen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer zu erhalten. Der
Innovationsdruck der Pharmaunternehmen wird – nicht nur hierzulande
– verstärkt durch die vielen auslaufenden Patente. Mit Ablauf des Patentschutzes verfallen die Preise, und
Nachahmerprodukte wie Biosimilars
erobern signifikante Marktanteile,
was die Umsätze und Gewinne der
Hersteller der Originalprodukte nachhaltig schmälert – dies oft zu Lasten
von Investitionen in zukünftige Entwicklung und Forschung [2]. Auf der
anderen Seite ist die Erforschung eines neuen Medikaments extrem kostenintensiv. So können die Kosten für
die Erforschung eines neuen Arzneimittels bis zur Zulassung schnell
1 Mrd. Euro und mehr erreichen.1)
Unabhängig vom wirtschaftlichen
Eigeninteresse gibt es ein gesamtgesellschaftliches Interesse daran, dass
1)
Nach Angaben des vfa, dem Verband der
forschenden Pharmaunternehmen, belaufen
sich die Kosten auf 1,0 bis 1,6 Mrd. US-Dollar
[3], wobei diese in Einzelfällen auch bis zu 3
Mrd. Euro erreichen können [4]. Hierbei sind
die Kosten fehlgeschlagener Projekte eingerechnet.
die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie einen erfolgreichen
Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitssituation in der Bevölkerung leisten und dabei die Kosten nicht explodieren. Deshalb darf nicht verkannt
werden, dass diese Unternehmen mit
jedem Forschungsvorhaben auch ein
erhebliches unternehmerisches Risiko
auf sich nehmen, da bei den zuvor erwähnten Kosten für die Erforschung
eines Medikaments die Möglichkeit
des Scheiterns mit einkalkuliert werden muss. Jedes nicht zur Zulassung
geführte Medikament bedeutet eine
enorme Kostenbelastung ohne Aussicht auf einen entsprechenden „return on investment“. Insofern liegt es
sowohl im Interesse der Pharmaunternehmen als auch im Interesse der Patienten und der Mitglieder der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten, dass sich diese Kosten nicht zu
sehr auf die Medikamentenpreise der
zugelassenen Medikamente auswirken
und die Zahl der scheiternden Forschungsprojekte auf ein Minimum reduziert wird. Zwar lässt sich nicht vermeiden, dass sich auf dem Weg von
der Forschung über die vorklinische
Entwicklung bis hin zur klinischen Erprobung der einzelnen Phasen herausstellt, dass das Medikament oder ein
zentraler Wirkstoff nicht die erhoffte
Wirkung erzielen. Es liegt in der Natur
der Sache, dass sich nicht jede Erwartung an ein Forschungsprojekt erfüllt.2) Sehr viel unerfreulicher ist aber,
2) Hierzu ist festzuhalten, dass von den 5 000 bis
10 000 Substanzen, die während der Forschungsphase neu synthetisiert werden nur 12,4 Wirkstoffe die vorklinische Entwicklung erreichen und
hiervon wiederum nur für 1,1 Wirkstoffe letztlich
die Zulassung beantragt wird. Der Weg dorthin
dauert durchschnittlich 13,5 Jahre [3].
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1
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Die Gesundheits-IT gewinnt besonders im Bereich klinischer Studien
immer mehr an Bedeutung. Mithilfe effizienter Software können Zeit und
Kosten gespart sowie valide Ergebnisse erzielt werden. Jedoch muss man
sich zuvor spezifischen Herausforderungen beim Einsatz von IT-gestützten
Systemen im Gesundheitswesen stellen. Die hohen Anforderungen im
Bereich des Datenschutzes und die damit einhergehenden Unsicherheiten
bei der Beurteilung der Datenschutzkonformität sind zunächst Hürden,
die es zu nehmen gilt. Allerdings haben sich diese als überwindbar
erwiesen, denn die entwickelten Softwarelösungen können mittlerweile
eingesetzt werden, ohne datenschutzrechtliche Probleme zu bereiten.
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wenn ein solches Projekt nicht an der
mangelnden Wirksamkeit des Medikaments, sondern an der Ineffizienz des
Verfahrens bzw. des Prozesses scheitert. So können jahrelange Investitionen und Anstrengungen mit einem
Schlag erledigt sein, wenn man nicht
ausreichend viele Patienten für eine
klinische Studie rekrutieren kann.
Schnell belaufen sich die dadurch entstehenden Verluste auf Summen in
vielfacher Millionenhöhe.3) Abgesehen
vom monetären Verlust kann dies
dazu führen, dass ein eigentlich wirksames und für die potenziellen Patienten nutzbringendes Medikament nicht
auf den Markt gelangt. Dazu muss man
sich vergegenwärtigen, dass die erfolgreiche Durchführung einer klinischen
Studie in hohem Maße davon abhängt,
dass eine ausreichende Zahl geeigneter Probanden rekrutiert werden
kann. Deshalb ist es von höchster Bedeutung, die Prüfzentren bzw. Studieneinrichtungen (Kliniken, Schwerpunktpraxen etc.) zu identifizieren,
die zum Zeitpunkt der Studie eine ausreichende Zahl geeigneter Patienten
betreuen und zur Verfügung stellen
können. Der erste Schritt, die Patientenpotenzial-Analyse oder auch Feasibility, ist somit entscheidend für den
erfolgreichen Verlauf einer aufgesetzten Studie. Die gängige Methode ist
in den meisten Einrichtungen derzeit
noch eine manuelle Überprüfung der
Patientendaten, um das Potenzial für
eine anstehende Studie zu analysieren.
Diese Potenzialanalyse wird meist
durch die Einrichtung selbst oder eine
Clinical/Contract Research Organisation (CRO) durchgeführt. Da der zeitliche Aufwand hierbei sehr hoch ist,
können häufig nur einige Parameter
3)
Regelmäßig werden in der Literatur sämtliche Risikofaktoren in Studien auch als Kostenfaktoren begriffen. So wirken sich eine
lange Rekrutierungsdauer, Upfront-Zahlungen, Expertenhonorare, Schulung des betreuenden Personals und Aufwandsentschädigungen für die Probanden negativ auf den Kostenrahmen von Studien aus. Die hohen Kosten
führen dazu, dass das Scheitern von Studien
für die forschenden Unternehmen sogar als
Existenzbedrohung verstanden werden [5].
Für eine eingehende Analyse der Kostenfaktoren in der pharmazeutischen Forschung und
Entwicklung siehe auch Thierolf [6].
2
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anhand einer geringen Anzahl von Patientenakten überprüft werden; die Ergebnisse werden in Relativität zum
jährlichen Patientenaufkommen extrapoliert. Dies führt oftmals zu erheblichen Fehleinschätzungen hinsichtlich
des tatsächlichen Patientenpotenzials,
insbesondere dann, wenn die Gruppe
der Patienten aufgrund saisonaler
Krankheiten oder Epidemien reduziert
wird. Konsequenterweise stützt sich
die Entscheidung des Pharmaunternehmens oder auch der CRO hinsichtlich der Auswahl der zu beteiligenden
Studieneinrichtungen dann auf Ergebnisse, die häufig keine valide Basis für
eine fehlerfreie Auswahl darstellen [7].
Dementsprechend verwundert es
nicht, wenn im Ergebnis die ausgewählte Einrichtung nicht die erwartete Zahl an Patienten rekrutieren
kann und ggf. ganz ausfällt. Daraufhin
müssen neue Prüfzentren gefunden
werden, die ein vielversprechenderes
Patientenpotenzial aufweisen. Der
Aufwand dafür ist sowohl zeit- als
auch kostenintensiv. Aufgrund solcher
Erfahrungen planen die meisten Studienkoordinatoren Totalausfälle bei den
ausgewählten Einrichtungen in ihre
Studienkonzipierung mit ein. Sie versuchen so, sich einen Puffer einzubauen, und binden von Beginn an mehr
Einrichtungen ein, als laut Patientenanforderungsanzahl und Potenzialanalyse benötigt würden. Alternativ
wird auch versucht, durch Nachrekrutierungen dem Problem zu begegnen.
Beides führt zu deutlich höheren Kosten. Leider reichen diese Maßnahmen
zur Kompensation oft nicht aus und
im schlechtesten Fall muss die Studie
komplett eingestellt werden.
Die bisherige Vorgehensweise
bringt es mit sich, dass derzeit immer
noch über 60 % der Studien nicht erfolgreich abgeschlossen werden können. Dies ist ein klares Indiz dafür,
dass neue Prozesse und „Werkzeuge“
benötigt werden, um ein bestmögliches Ergebnis im Interesse aller am
Prozess Beteiligten herbeizuführen.
Genau hier setzen IT-gestützte Lösungen an. Sie können helfen, die gewünschten Verbesserungen, etwa in
den Prozessen der Potenzialanalyse
und Patientenrekrutierung, zu erzielen. Die Analyse mittels einer Software, die ein Vorgehen unter Einbeziehung aller studienrelevanten
Ein- und Ausschlusskriterien und unter Einbeziehung aller geeigneten Patienten ermöglicht, führt in der Regel
zu einem verlässlichen Ergebnis. Allerdings erfordert die damit verbundene Vorgehensweise Lösungen, die
die datenschutzrechtlichen Hürden
zu überwinden helfen. Hieraus dürfen sich am Ende keine Hemmnisse
für die Inanspruchnahme dieser
nützlichen Lösungen ergeben. Eine
der entscheidenden Fragen im Datenschutz ist, in welchem Rahmen
die Verwendung von anonymisierten
(nicht personenbezogenen) und
pseudonymisierten (formal personenbezogenen) Patientendaten in
der informationstechnischen Verarbeitung gestattet ist. Die Komplexität dieser Fragestellung ist nicht zu
unterschätzen, doch stehen Lösungen zur Verfügung, die den Einsatz
der Software erlauben, ohne mit datenschutzrechtlichen Erfordernissen
in Konflikt zu geraten.
1.1 Welche Lösungen gibt es
bereits?
IT-gestützte Lösungen gibt es für die
Bereiche der Potenzialanalyse, der
Rekrutierung, der Dokumentation inklusive Patientenapplikation, der
Auswertung und auch der Kommunikation zwischen den Beteiligten einer Studie.
Die im Folgenden beschriebenen
Lösungen sind heute schon voll funktionsfähig und stellen sinnvolle Ergänzungen zu den heute gängigen
Methoden dar.
1.2 Potenzialanalyse/
Feasibility
Die Potenzialanalyse wird in der Regel
noch manuell durchgeführt. Wie bereits oben beschrieben bedeutet das,
dass sich einzelne Personen die Zeit
nehmen, die Patientenakten durchzuarbeiten und nach möglichen Probanden für die geplante Studie zu suchen. Hierbei werden nur wenige ausgewählte Parameter und PatientenPharm. Ind. 77, Nr. 2, 173–180 (2015)
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Abbildung 1
akten berücksichtigt. Anschließend
werden die Ergebnisse hochgerechnet.
Dies führt schon bei der historischen
Betrachtung hinsichtlich des Studienpotenzials zu erheblichen Unsicherheiten. Die Historie kann aufgrund
des hohen Informationsgehalts ebenfalls kaum berücksichtigt werden. Leider ergibt sich durch diese Vorgehensweise im Regelfall kein klares Bild darüber, wie das Patientenpotenzial sich
in der vorausgewählten Einrichtung
tatsächlich darstellt.
Die Alternative zur beschriebenen
manuellen Analyse ist die IT-gestützte
Potenzialanalyse. Hierbei können
sämtliche Patientendaten mit Hilfe einer eigens entwickelten MatchingSoftware auf Übereinstimmung mit
den Studienparametern analysiert
werden. Die IT-gestützte Potenzialanalyse kann historische Daten
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ebenso matchen wie verschiedene Parameter oder Studien. Das Resultat
aus der Analyse ist ein Dashboard,
welches in kürzester Zeit eine valide
Aussage über das tatsächlich vorhandene Patientenpotenzial in der betreffenden Einrichtung liefert. Auf dieser
Basis lässt sich eine ergebnisorientierte Entscheidung über den Nutzen
einer Einrichtung in Bezug auf eine
bestimmte Studie treffen. Das Risiko
des Ausfalls bzw. des erheblichen Abweichens von der erwarteten Rekrutierungsanzahl der Patienten lässt
sich mit dieser Methode auf ein Minimum reduzieren. Das Ergebnis spiegelt unbeeinflusst von subjektiven
Einschätzungen die Fakten, wie sie
sich tatsächlich in einer Einrichtung
darstellen, wider. Die IT-gestützte Potenzialanalyse führt zu erheblichen
Kosten- und Zeitersparnissen. Auch
sind die Analysen studienspezifisch
in vollem Umfang skalierbar.
1.3 Rekrutierung
Einer der am schwersten steuerbaren
Prozesse innerhalb des Studienverlaufs ist die Rekrutierung. Das liegt
vor allem an den zahlreichen Einflussfaktoren und Beteiligten wie u. a. dem
Prüfarzt, den Patienten, der Einrichtung und den gesetzlichen Rahmenbedingungen. In der Regel kennen nur
der Prüfarzt bzw. die Study Nurse die
Studienkriterien und sind somit auch
als einzige in der Lage einen potenziellen Patienten für eine Studie zu
identifizieren – vorausgesetzt sie erinnern sich just in dem Moment daran,
hierzu die Daten des Patienten mit
den Parametern der in der Einrichtung laufenden Studien abzugleichen.
Daraufhin muss der Arzt dies für sich
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3
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Studienprozesse mit IT-Unterstützung (Quelle: eigene Darstellung der Autoren).
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validieren und den Patienten fragen,
ob dieser bereit wäre, an einer Studie
teilzunehmen. Nachdem der Patient
eingewilligt hat, darf der Prüfarzt ihn
als potenziellen Kandidaten vorschlagen. Der Patient muss dann noch
durch einen Überprüfungsprozess bestätigt werden, bevor er vollständig als
rekrutiert anerkannt wird. Der Prozess
hört sich relativ lapidar an, ist es aber
nicht. Die meisten Schwierigkeiten
entstehen bereits im Ansatz. Zum einen muss der Arzt erkennen, dass vor
ihm ein potenzieller Proband für eine
laufende Studie sitzt, zum anderen
muss der Patient für die medizinische
Versorgung direkt auf den Prüfarzt
oder einen Verantwortlichen der Studie treffen, um überhaupt die Gelegenheit zu bekommen, an einer für
ihn passenden Studie teilzunehmen.
Hinzu kommt, dass der Arzt nicht
gleich abschätzen kann, ob dieser Patient tatsächlich passt, da er im Regelfall nur einen Teil der Studienparameter griffbereit hat. Dementsprechend
ist die Wahrscheinlichkeit relativ
hoch, dass einerseits der Patient für
die Studie letzten Endes doch nicht
geeignet ist, andererseits viele Patienten unberücksichtigt bleiben und so
nicht in den Genuss einer für sie hilfreichen Studie kommen können.
Der Rekrutierungsprozess kann
durch eine KIS/TDS/AIS-basierte ITLösung erheblich verbessert werden.
So kann etwa unter Beachtung der
datenschutzrechtlichen Belange die
elektronische Rekrutierungssoftware
in das Krankenhausinformationssystem (KIS) integriert werden. Im Hintergrund erfolgt durch das Programm
ein automatisierter Abgleich der Patientendaten mit den in der Studiendatenbank eingespeisten Studienkriterien, sobald eine Patientenakte aufgerufen wird. Nachdem der Abgleich
eine Übereinstimmung ergeben hat,
öffnet sich ein kleines Informationsfenster, in dem der Arzt darüber informiert wird, dass der vor ihm sitzende
Patient für eine oder mehrere laufende
Studien in der Einrichtung ein geeigneter Proband ist. Der Arzt hat nun
unter Einhaltung der gesetzlichen
Vorschriften die Möglichkeit zu rekru-
4
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tieren. Aufgrund der Flexibilität dieses
Systems könnte theoretisch jeder
Prüfarzt in der Einrichtung rekrutieren, der Zugang zu einem Rechner hat.
Das heißt, die Einrichtung könnte sich
aussuchen, welcher Arzt die Informationen erhalten soll und auch rekrutieren darf. Somit geht kein potenzieller Proband mehr verloren. Selbst
über mehrere Einrichtungen hinweg
könnte sich eine zentralisierte Rekrutierung gestalten lassen. Die Ärzte
selbst müssten sich nicht mehr die
Kriterien der einzelnen Studien merken bzw. diese ständig mitführen. Sie
könnten sich voll und ganz auf ihre
Arbeit konzentrieren und dem System
die ressourcenzehrende Arbeit überlassen. Sobald ein potenzieller Patient
identifiziert ist, geht die Information
an den behandelnden Arzt, damit er
die weiteren Schritte einleiten kann.
Durch den bereits vollständig durchgeführten Datenabgleich im Hintergrund ist die Wahrscheinlichkeit, dass
der im System als passend markierte
Patient tatsächlich für eine Studie bestätigt wird, sehr hoch. Das Patientenpotenzial könnte zum Mehrwert aller
Beteiligten (Studien-Sponsor, Einrichtung, Arzt, Patient) voll ausgeschöpft
werden. Dem Patienten könnten geeignete Studien bereits während des
Arztgespräches empfohlen werden,
er könnte gezielt informiert werden.
Auch der Rekrutierungsverlauf könnte
jederzeit eingesehen, ausgewertet und
extrapoliert werden.
1.4 Monitoring/
Dokumentation
Die Regularien der Zulassung eines
neuen Präparates verlangen die vollständige Dokumentation einer Studie.
Allerdings ist die Dokumentation ein
zeitintensiver und aufwendiger Prozess. Der Hauptgrund dafür ist die
Notwendigkeit der doppelten Datenerfassungen bei nicht integrierten Systemen. Elektronische Case Report
Form (CRF) Lösungen, die für das Monitoring und die Dokumentation genutzt werden, sind externe Systeme.
Das heißt, dass der bereits dokumentierte Teil in der Patientenakte nicht
automatisiert in das CRF übertragen
wird. Dies führt dazu, dass selbst
Stammdaten nochmals erfasst und
neu angelegt werden müssen. Das kostet nicht nur unnötig viel Zeit, sondern wird regelmäßig auch von den
beteiligten Ärzten als hinderlich empfunden.
Abhilfe leisten integrierte Systeme
– also Systeme, die z. B. bereits mit
einem KIS/TDS/AIS-basierten Rekrutierungstool gekoppelt sind und
so die Daten automatisiert übernehmen können, soweit den datenschutzrechtlichen
Anforderungen
genügt wird. Diese Rekrutierungstools bieten nicht nur eine nutzerfreundliche Oberfläche für Ärzte,
Praxen und Prüfzentren zur schrittweisen Dokumentation, sondern ermöglichen den einfachen Transfer
bestehender Patientendaten inkl.
Plausibilitätsprüfung neuer Eingaben. Die Dokumentation einer Studie hat eine besondere Relevanz,
denn ohne sie erhält das betroffene
Medikament keine Zulassung.
Das Monitoring ist ein wichtiger
Bestandteil der Steuerung innerhalb
der laufenden Studie. Die Studiensponsoren erhalten so einen Überblick über den aktuellen Stand der
Rekrutierung in den einzelnen Prüfzentren und die Ereignisse während
der Studie. Kommt es z. B. zu unerwarteten Nebenwirkungen, müssen
diese dokumentiert und dem Monitor
(Studienkoordinator auf Pharmaseite) über das Monitoring Tool zur Verfügung gestellt werden. Das ersetzt
allerdings nicht die Meldepflicht über
gesonderte Formulare im Falle von
ADEs, ADRs und SUSARs. IT-basierte,
integrierte Systeme ermöglichen diesbezüglich automatische Informationen über kritische Parameter mittels
im System installierter Informationsfenster, so genannter Widgets. So
kann der Studiensponsor die geeigneten Maßnahmen entsprechend
der Situation einleiten. Diese neuen
Lösungen machen nun nicht nur die
Doppelerfassung überflüssig, sie sind
auch individuell skalierbar und führen zu erheblichen Effizienzsteigerungen in Studienüberwachung und
Dokumentation.
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1.5 Kommunikationsschnittstelle Patient und Arzt
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2 . Auf g a b e : E f f i z i e n t e u n d
ef fe kt iv e D ur ch fü h r un g
v o n St u d i e n d u r c h
IT- U nt erstütz un g
Um die Prozesse in der Studiendurchführung effektiver und effizienter zu
gestalten, wird der Einsatz von unterstützender IT unumgänglich sein. Wir
leben in einer hochtechnisierten Gesellschaft und vertrauen jeden Tag
auf den Einsatz innovativer Informations- und Kommunikationstechnologie, um unser Leben zu vereinfachen
und besser zu gestalten. Der Datenschutz erweist sich dabei regelmäßig
als Hürde. Zwar geben Bürger heutzutage recht leichtfertig Daten über
ihre Person in sozialen Netzwerken
oder bei ähnlichen Angeboten preis.
Wenn es dagegen um unsere Gesundheit und den damit verbundenen
Austausch unserer persönlichen Daten geht, sieht die Sache anders aus.
Der Gesetzgeber fordert für die Nutzung von Gesundheitsdaten die Einhaltung besonders hoher Schutzstandards. Das ist an sich begrüßenswert.
Jedoch wirft die elektronische Nutzung von Gesundheitsdaten damit
auch eine Reihe von weiteren Rechtsfragen auf, die in der Praxis eine Herausforderung beim Einsatz von Gesundheits-IT darstellen.
2.1 Herausforderungen/
Fallstricke
Die rechtlichen Unsicherheiten beim
Einsatz von Gesundheits-IT beginnen bereits bei der Frage, welche Daten vom Datenschutzrecht noch geschützt werden. Während alle Patientendaten mit Hinweisen auf Namen
oder ähnliche Identifizierungsmerkmale als personenbezogene Daten
unzweifelhaft unter das Datenschutzrecht fallen, gilt das nicht für
anonymisierte Daten. Eine Zwischenkategorie stellt die so genannte
Pseudonymisierung dar, bei der etwa
der Name von Patienten durch eine
Nummer ersetzt wird. Hierbei existiert jedoch weiterhin ein „Schlüssel“,
mithilfe dessen der Inhaber dieses
Schlüssels die Daten wieder den Personen zuordnen kann. Rechtlich ist
nicht ganz einfach abzugrenzen,
wann Daten über eine Person ausreichend verfremdet wurden, um als
anonym zu gelten.
Hier sei nur am Rande erwähnt,
dass derzeit eine Reformbestrebung
auf europäischer Ebene vorangetrieben wird, die die zukünftigen Handlungsspielräume ganz entscheidend
verändern wird [9]. So hat sich kürzlich auch die Artikel-29-Datenschutzgruppe ausführlich den Fragen der
Anonymisierung gewidmet [10]. Hierin zeigt sich diese Koordinierungsgruppe der europäischen Datenschutz-Aufsichtsgremien
durchaus
kritisch, und würdigt die unterschiedlichen technischen Möglichkeiten zur
Anonymisierung von Daten.
2.2 Strukturierung
Es fragt sich, wie der Einsatz einer
Software zur elektronischen Studienpotenzialanalyse strukturiert werden
kann, um den in einem Prüfzentrum
oder einer klinischen Einrichtung erfassten Datenbestand unter Einhaltung aller rechtlichen Anforderungen
zu sichten und das konkrete Potenzial möglicher Teilnehmer an klinischen oder Anwendungsstudien
zu ermitteln. Dies hängt unter anderem davon ab, ob und wie weit
. der vorhandene Bestand personenbezogener Gesundheitsdaten bereits in einer Weise anonymisiert
oder pseudonymisiert ist, die nach
den einschlägigen Vorschriften des
Bundesdatenschutzes oder eines
Datenschutzgesetzes eines Bundeslands für die weitere Nutzung und/
oder die Übermittlung an einen ITDienstleister ausreicht;
. eine Auswertung auch ohne Übermittlung oder Offenbaren der Daten an den IT-Dienstleister erfolgen kann;
. die ggf. erforderlichen Einwilligungen betroffener Patienten in
der betreffenden Situation den
rechtlichen Anforderungen entsprechen bzw. nachträglich eingeholt oder ergänzt werden können.
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Die eHealth-Branche versucht seit
geraumer Zeit, die Kommunikation
zwischen Arzt und Patient zu verbessern. Die neuesten mobilen Lösungen erlauben es Arzt und Patienten,
effizienter miteinander zu kommunizieren. Damit können unter anderem
die Therapietreue und Retention gesteigert werden. Für den Studienbereich ist das von erheblicher Relevanz, denn eine erfolgreiche Studie
hängt nicht zuletzt auch von der
Therapietreue und Retention der
Studienteilnehmer ab [8]. Daher sind
die sog. Adherence Apps ein wichtiger
Studienbestandteil. Kein Arzt oder
behandelnder Therapeut ist in der
Lage, für seine Patienten rund um
die Uhr sicherzustellen, dass sie sich
exakt an den besprochenen Therapieplan halten. Umgekehrt ist kaum
ein Patient in der Lage, stets zur richtigen Zeit an seine Medikation oder
andere Studienmaßnahmen zu denken. Hier ist der Einsatz von innovativer Technologie sinnvoll. Adherence Apps können diese Lücke
schließen. In Zukunft wird es auch
möglich sein, mit diesen Apps und
z. B. einem Smartphone vitale Werte
zu messen und zu dokumentieren,
ferner, den Patienten individuell zu
informieren. Mit solchen Funktionen
kann der Behandlungsverlauf signifikant verbessert werden.
Allerdings zeichnen sich dabei
auch neue Schwierigkeiten ab. Die
ersten Diskussionen, ob solche Apps
als Medizinprodukte einzustufen
sind, sind bereits im vollen Gang.
Im Bereich der Therapietreue lassen
sich, zumindest heute noch, solche
Apps recht unproblematisch einsetzen. In ihrer Grundfunktion liefern
diese Apps Hinweise über den Therapieplan der Patienten, die Einnahmezeiten für die Medikamente mit
Erinnerungsfunktion und eine Terminübersicht über die Behandlungen. Ob es in Zukunft noch möglich
sein wird, eine komplette Patientenakte mit der Behandlungshistorie in
so einer App zu hinterlegen und somit alle wichtigen Informationen
stets verfügbar zu haben, ist noch
nicht abschließend geklärt.
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Auch wenn die zum Teil sehr komplexe
und im Einzelnen umstrittene Rechtslage im Folgenden nur in groben Zügen dargestellt werden kann, wird es in
der Regel doch in nahezu jeder Situation möglich sein, das Potenzial einer
elektronischen Studienpotenzialanalyse wirksam auszunutzen.
2.3 Personenbezogene Daten
Personenbezogene Daten sind nach
der Legaldefinition des § 3 Abs. 1
BDSG „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.“ Handelt es sich dabei um Gesundheitsdaten, so unterliegen diese besonderen Schutzanforderungen, da es sich um eine besondere
Art personenbezogener Daten im
Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG handelt.
Außerhalb der hier nicht einschlägigen Vorschriften z. B. im AMG oder
SGB wird das Prüfzentrum als verantwortliche Stelle schon für die eigene
Nutzung häufig nur nach sorgfältiger
Abwägung und in absoluten Ausnahmefällen über den Zweck hinausgehen
dürfen, der durch eine im Rahmen des
Behandlungsverhältnisses erteilte Einwilligung des Patienten bezeichnet
ist.4) Da die in einem KIS erfassten
Gesundheitsdaten in der Regel im
Rahmen der ärztlichen Versorgung erhoben worden sind, unterliegen sie
außerdem der nach § 203 StGB strafrechtlich
bewehrten
ärztlichen
Schweigepflicht und der gesteigerten
Zweckbindung nach § 39 BDSG. Eine
„Offenbarung“ solcher Geheimnisse
kann daher selbst bei datenschutzrechtlicher Zulässigkeit der Datenübermittlung eine Einwilligung des
Patienten und ggf. des zur Verschwiegenheit verpflichteten Erstempfängers
erfordern. Die Vereinbarung einer Auftragsdatenverarbeitung
vermeidet
zwar rechtstechnisch eine Übermittlung der Daten, es bleibt jedoch im
Ergebnis eine rechtfertigungsbedürftige Nutzung, sodass diese Gestal4)
Je nach Kontext und Stellung der Beteiligten
sind dafür unter anderem §§ 14 Abs. 5 Nr. 2, 15
Abs. 1, 16 Abs. 1 Nr. 2, 28 Abs. 6 Nr. 4 und 39
BDSG relevant.
6
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tungsalternative über die Auftragsdatenverarbeitung bei Gesundheitsdaten an ihre Grenzen stößt.
2.4 Pseudonymisierte und
anonymisierte Daten
Der Personenbezug als rechtlicher
Anknüpfungspunkt
datenschutzrechtlicher Beschränkungen kann
durch eine Anonymisierung der Gesundheitsdaten ganz oder teilweise
neutralisiert werden. Zum Ausschluss des strafrechtlich relevanten
Tatbestandmerkmals der „Offenbarung“ genügt regelmäßig schon
eine Pseudonymisierung, wenn nur
der Geheimnisträger selbst Zugriff
auf den Schlüssel behält und Dritte
die Daten nicht mehr einzelnen Patienten zuordnen können.
Die datenschutzrechtliche Grenze
zwischen Anonymisierung und Pseudonymisierung ist allerdings nicht immer eindeutig, obwohl beide Begriffe
im Bundesdatenschutzgesetz gesetzlich definiert sind. Anonymisieren bedeutet nach der Legaldefinition in § 3
Abs. 6 BDSG „das Verändern personenbezogener Daten derart, dass
die Einzelangaben über persönliche
oder sachliche Verhältnisse nicht mehr
oder nur mit einem unverhältnismäßig
großen Aufwand an Zeit, Kosten und
Arbeitskraft einer bestimmten oder
bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können“. Das kann
etwa bei einer Zusammenfassung oder
Mischung der Datensätze einer ausreichend großen Zahl nicht identifizierter Personen der Fall sein. Pseudonymisierung bedeutet hingegen nach § 3
Abs. 6a BDSG „das Ersetzen des Namens oder anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu
dem Zwecke, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren“. Wie viel Aufwand
im Einzelfall betrieben werden muss,
um eine ausreichende Begrenzung des
Reidentifikationsrisikos zu erzielen, ist
unter den Bundes- und Landesdatenschutzbehörden umstritten. Als im
Wesentlichen konsensfähig gilt jedoch,
dass es aus Sicht des konkreten Datenverwenders auf dessen vorhandenes
oder zulässig erwerbbares Zusatzwis-
sen, seine gegenwärtigen und künftigen technischen Möglichkeiten, seinen
möglichen Aufwand und die ihm verfügbare Zeit ankommt. In der juristischen Literatur wird ausgeführt, dass
dies auch relativ – also jeweils mit
Blick auf den Empfänger – beurteilt
werden kann. Was für die verantwortliche Stelle pseudonymisierte Daten
sind, können hiernach für den Empfänger anonymisierte Daten sein, wenn
und soweit dieser Dritte nach den Umständen keine nennenswerte Möglichkeit hat, eine Re-Identifizierung vorzunehmen [10, 11]. Demgegenüber
führte die Artikel-29-Datenschutzgruppe kürzlich aus, dass eine wirksame Anonymisierungslösung erfordere, dass keine Partei mehr in der Lage
sei, eine Person aus einem Datenbestand herauszugreifen [12]. Allerdings gesteht die Artikel-29-Datenschutzgruppe selbst ein, dass die Fragen der Anonymität in den Mitgliedstaaten der EU wiederum unterschiedlich ausgelegt werden [12]. Mit Blick
auf die Reformbestrebungen bleibt daher zu hoffen, dass der europäische
Gesetzgeber diese Frage aufgreift und
klar stellt, inwieweit der Personenbezug künftig relativ oder absolut zu verstehen ist. Zum Schutz der Betroffenen
sollte nach dem derzeitigen Rechtsstand eine relative Sichtweise ausreichen.
2.5 Einsatz von Patientenrekrutierungs-Software
Damit zeigt sich, dass es für den Einsatz von Patientenrekrutierungs-Software auch aus rechtlicher Sicht praktisch umsetzbare Lösungen gibt. Neben der Einwilligung des Patienten
sind dies vor allem eine Internalisierung der betreffenden Datenverarbeitung und die der Auftragsverarbeitung
vorgeschaltete Anonymisierung.
2.5.1 Einwilligung
Sowohl das elektronische Monitoring
als auch die Adherence App werden
erst nach einer erfolgreichen Rekrutierung eingesetzt. Der Einsatz erfolgt daher regelmäßig auf Grundlage einer
schriftlichen Einwilligung des Studienteilnehmers zur Nutzung seiner perPharm. Ind. 77, Nr. 2, 173–180 (2015)
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Auswertung auch im Rahmen einer
Auftragsdatenverarbeitung sowohl
datenschutz- als auch strafrechtlich
zulässig ist, soweit die Anbieter im
Europäischen
Wirtschaftsraum
(EWR) ansässig sind. Welche vorgeschaltete Aufbereitung der Daten
dabei notwendig und sinnvoll ist,
hängt etwa von der Größe und Organisation des Prüfzentrums, der Zwischenschaltung von Datentreuhändern und/oder mehrstufigen Pseudonymisierungen, der Möglichkeit weiterer interner Prüfungen ggf. mit Einholung von individuellen Einwilligungen und natürlich auch der besonderen landesrechtlichen Vorgaben ab, die hier zum Teil größere
Handlungsspielräume vorsehen. Dies
gilt es im Einzelfall auszuloten.
2.5.2 Interne Nutzung
Eine weitere Alternative besteht in der
rein internen Nutzung der Software.
Dabei wird Rekrutierungssoftware in
der KIS/AIS/TDS-basierten Variante
direkt in die Systeme integriert. Als Bestandteil des KIS/TDS/AIS-Systems
werden die Gesundheitsdaten von der
verantwortlichen Stelle nur intern genutzt und unterliegen damit auch nur
den für eine solche Nutzung geltenden
Schranken. Sowohl eine Übermittlung
als auch ein „Offenbaren“ lassen sich
hierdurch vermeiden, sodass die personenbezogenen Daten – ggf. in zuvor
pseudonymisierter Form – unter Nutzung der von einem Dritten zur Verfügung gestellten Hard- und Software
offline so ausgewertet werden, dass der
Vorgang vollständig unter alleiniger
Kontrolle der verantwortlichen Stelle
steht. Soweit Hardware zur Verfügung
gestellt wird, dürfen nach der Nutzung
durch die verantwortliche Stelle auf
dem Computer keinerlei personenbezogene Daten verbleiben, sodass kein
unbefugter Dritter Zugriff auf diese Daten nehmen kann.
3. Faz i t
Im Ergebnis zeigt sich, dass der Einsatz von IT-gestützten Lösungen zur
Patientenanalyse und Patientenrekrutierung sowie zur verbesserten
Durchführung von klinischen Studien und Anwendungsstudien bei
entsprechender Gestaltung auch
schon nach geltendem Recht rechtskonform möglich ist, weil sowohl den
datenschutzrechtlichen als auch den
strafrechtlichen Anforderungen in jeder Hinsicht angemessen Rechnung
getragen werden kann. Erfreulicherweise können damit die möglichen
Effizienzsteigerungen sowie die erheblichen Kosteneinsparungen mit
dem weitergehenden Einsatz solcher
Software erzielt werden. Es ist letztendlich nur eine Frage der für alle
Seiten passenden Gestaltung der
Rahmenbedingungen, die von den
beteiligten Parteien in einem gemeinsamen Prozess möglichst effizient bestimmt werden sollten.
2.5.3 Vorgeschaltete
Anonymisierung
Zur Prüfung der Potenzialanalyse einer Patientenrekrutierung können
schließlich die Gesundheitsdaten so
weit anonymisiert werden, dass die
[1] vfa auf Basis des Studienregisters clinicaltrials.gov; Stand März 2014.
[2] 5Brody T. Clinical Trials – Study Design,
Endpoints and Biomarkers, Drug Safety,
and FDA and ICH Guidelines. Amsterdam: Elsevier; 2012.
[3] vfa; So entsteht ein neues Medikament;
http://www.vfa.de/de/arzneimittel-for
Pharm. Ind. 77, Nr. 2, 173–180 (2015)
© ECV · Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany)
[4]
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[14]
schung/so-funktioniert-pharmaforschung/
so-entsteht-ein-medikament.html [Letzter
Zugriff 16.12.14].
Biotechnologie.de: Die deutsche Biotechnologie-Branche 2014, Abs. 1.4. Klinische
Pipeline. http://www.biotechnologie.de/
BIO/Navigation/DE/Hintergrund/studienstatistiken,did=172428.html [Letzter Zugriff 16.12.14].
Fink T, Wicke D. Klinische Studie – Herausforderung mit signifikanter Auswirkung. In: Rasmussen-Bonne H, Lauer R,
Von Stosch A, Fink T, Hrsg. Biotechnologie ‚10/'11. Kapital, Markt, Wirtschaft.
Berlin: Bitcom Media; 2010. S. 86–91.
Thierolf C. Kosten und Finanzierung
pharmazeutischer Forschung und Entwicklung. In: Schöffski O, Fricke F-U,
Gumninski W, Hrsg. Pharmabetriebslehre. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer;
2008. S. 117–128.
Bowen, D. J. et al. How We Design Feasibility Studies. Am. J. Prev. Med. 36, 452–
457 (2009).
Gul RB, Ali PA. Clinical Trials: The Challenge of Recruitment and Retention of
Participants. J. Clin. Nurs. 2010 Jan; 19(1–
2):227–233.
Entwurf der Europäischen Kommission
zu einer Datenschutz-Grundverordnung,
KOM(2012)11. Ferner wurde dieser Entwurf der Kommission inzwischen durch
das Europäische Parlament ergänzt, vgl.
hierzu die inoffizielle konsolidierte Fassung unter http://www.janalbrecht.eu/file
admin/material/Dokumente/DPR-Regulati
on-inofficial-consolidated-LIBE.pdf [Letzter Zugriff 16.12.14].
Kühling, J, & Klar, M. „Unsicherheitsfaktor
Datenschutzrecht. Das Beispiel des Personenbezugs und der Anonymität.“ NJW
50:2013, 3611–3617.
Ziff. 2.2 eines Rechtsgutachtens (Version
1.1, TMF-Produktnummer: P039031,
Stand: Dezember 2009, download unter
http://www.tmf-ev.de/EnglishSite/Products
Services/ArticleType/ArticleView/Arti
cleID/293/PageID/265.aspx), das von der
Kanzlei Dierks & Bohle im Auftrag der
TMF – Technologie und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF) erstellt wurde.
WP216 vom 10. April 2014, abrufbar unter
http://ec.europa.eu/justice/data-protecti
on/article-29/documentation/opinion-re
commendation/files/2014/wp216_de.pdf
[Letzter Zugriff 16.12.14]; S. 11, 33.
vfa; Perspektive Gesundes Europa; S. 13;
www.vfa.de/download/perspektive-gesun
des-europa.pdf [Letzter Zugriff 16.12.14].
Porter M, Guth C. Chancen für das deutsche Gesundheitssystem – Von Partikularinteressen zu mehr Patientennutzen.
Berlin, Heidelberg: Springer; 2012.
L I T E R AT U R
Korrespondenz:
Jalalle Chahboune
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sonenbezogenen Daten für den betreffenden Zweck, die er regelmäßig mit
seiner Erklärung über die Teilnahme
an der Studie abgibt. Da es sich um
Gesundheitsdaten handelt, muss die
Einwilligung den gesteigerten Anforderungen des § 4a Abs. 3 BDSG entsprechen. Die Einwilligung muss sich also
konkret auch auf die Gesundheitsdaten
beziehen und der Studienteilnehmer
muss zuvor in der erforderlichen Form
und im erforderlichen Umfang aufgeklärt werden, welche seiner Daten
für welche Studien- oder Studienvorbereitungszwecke an welche Dritte
weitergegeben werden. Letztlich ist
auch zu beachten, dass man – soweit
anwendbar – den zusätzlich bestehenden Pflichten zur Pseudonymisierung
nach § 40 AMG nachkommen muss.
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