erung ünstig - Medizinrecht

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PA-Umschlag 3-10_PA Umschlag 2-09 01.10.10 12:58 Seite 1
2. Jahrgang | Heft 3 | 2010
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Rechtsfragen
Kürzung des Kaufpreises bei sittenwidriger Überhöhung
Jens-Peter Jahn
Rechtsanwalt Fachanwalt
für Medizinrecht, Kanzlei
Dr. Halbe RECHTSANWÄLTE. Besondere
Schwerpunkte: Psychotherapeutenrecht,
Arzthaftungsrecht/Zahnarzthaftungsrecht/Krankenhausträgerhaftung, Arztrecht/Zahnarztrecht, Berufsrecht der
Heilberufe, Gebührenrecht (GOÄ/GOZ),
Kooperationen im Gesundheitswesen/
Gesellschaftsrecht, Medizinische Versorgungszentren, Medizinstrafrecht, Praxisgründung, -abgabe, -übernahme.
Das Landgericht München I hatte sich
in einer am 16.11.2009 verkündeten
Entscheidung (Az. 3 O 13866/06) mit
dem Verkauf einer psychotherapeutischen Praxis zu befassen. Der Kläger
begehrte die Zahlung des Kaufpreises
für die Übertragung seiner psychotherapeutischen Praxis samt vertragsärztlicher Zulassung an die Beklagte. Beide
Parteien waren Psychologische Psychotherapeuten. Sie schlossen über die
Praxisübernahme einen Praxisübernahme- und Kaufvertrag, in dem die
Übergabe der Praxis mit Wirkung zum
01.04.2006 vereinbart wurde. Die
Übergabe von Praxisräumen oder Praxisgegenständen, d.h. materiellen Werten wurde nicht vereinbart. Als Kaufpreis einigte man sich auf einen Betrag
in Höhe von 48.000,00 €, der bei Bedingungseintritt fällig werden sollte.
Als Bedingung war die bestandskräftige Zulassung der Käuferin vereinbart.
Da der Kläger seine Praxis in seiner
Wohnung betrieben hat, konnten Praxisgegenstände und -räume nicht
übereignet werden, was dem Zulassungsausschuss und auch der Beklagten bekannt war.
In der Anhörung vor dem Zulassungsausschuss teilte die Beklagte mit, dass
sie mit den Abgabemodalitäten einverstanden sei. Daraufhin wurde sie vom
Zulassungsausschuss zugelassen. Der
Beschluss des Zulassungsausschusses
wurde rechtskräftig, so dass die vereinbarte Bedingung eingetreten war.
Gezahlt hat die Beklagte den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von
48.000,00 € indes nicht.
Es kam daraufhin zu umfangreicher
Korrespondenz zwischen den Vertragsparteien. Der Kläger begehrte die Zah-
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Psychotherapie Aktuell 3/10
Jens-Peter Jahn
Kürzung des Kaufpreises
bei sittenwidriger
Überhöhung
lung des Kaufpreises und war der Auffassung, er hätte einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe
von 48.000,00 €. Er habe seinen Teil
der Verpflichtungen erfüllt und der Beklagten seine Patienten vermittelt.
Weiter führte er aus, dass seine Praxis,
wenn auch ohne Räume und Gegenstände, so doch im Ganzen übertragen
wurde und nicht bloß die kassenärztliche Zulassung verkauft werden sollte.
Zum Goodwill der Praxis stellte er verschiedene Berechnungen auf.
Die Beklagte hat dagegen vorgetragen, ein Patientenstamm sei nicht vorhanden gewesen bzw. der Kläger habe
einen solchen nicht übertragen oder
eine Übertragung verhindert. Sie sei
deshalb der Ansicht, dass die Praxisübernahmevereinbarung insgesamt
unwirksam wäre, da es dem Kläger
nur darum gegangen sei, seine Kassenzulassung zu verkaufen. Diese aber
sei nicht verkehrsfähig, so dass der
Verkauf der Zulassung nicht möglich
sei. Eine nach dem Zivilrecht zu beurteilende Übertragung materiellen und
immateriellen Vermögens habe daher
nicht stattgefunden. Dementsprechend sei der streitgegenständliche
Vertrag nichtig und ein Kaufpreisanspruch ergebe sich aus diesem nicht.
Insbesondere sei der Praxiswert inklusive des „Goodwill“ gleich Null.
Nach Auffassung des Gerichts war der
geschlossene Kaufvertrag nichtig. Dies
allerdings nicht gemäß § 138 Abs. 2
BGB, wegen eines auffälligen Missverhältnisses zur Leistung, da nach dieser
Regelung zusätzliche subjektive Voraussetzungen in den Personen der
Beteiligten erfüllt sein müssen.
Nach Auffassung des Gerichts aber
lag eine sogenannte Inhaltssittenwi-
drigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB vor,
da ein Vertrag, der einen Kaufpreis
vorsieht, der mehr als das fünffache
über dem tatsächlichen Wert liegt, einen Verstoß gegen die Werteordnung des Rechts selbst beinhaltet.
hat. Auch insoweit folgte das Gericht
dem Sachverständigen, der als Praxiswert einen Wert von 9.200,00 € festgestellt hatte, so dass es trotz des nichtigen Vertrages einen Anspruch in entsprechender Höhe bejahte.
Vorliegend ging das Gericht von eben
einem solchen Verstoß aus, da eine Begutachtung zu einem Mittelwert der
Praxis von 9.200,00 € gelangte. Der
Sittenverstoß ergab sich daher unmittelbar aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, so dass eine Inhaltssittenwidrigkeit vorlag. Auf Inhaltssittenwidrigkeit kann nach Auffassung des Gerichts auch aus dem Gesamtcharakter
des Praxisübernahmevertrages geschlossen werden, d.h. unter Zusammenfassung der Würdigung von Inhalt, Wirkung und Zweck des Geschäftes führt der fünffach überteuerte Preis
dazu, dass man von einem Wucher
ähnlichen Geschäft sprechen muss.
Das Urteil ist aus verschiedenen
Gründen interessant.
Ohne dass also eine Ausbeutung im
Sinne des § 138 Abs. 2 BGB oder sonstige Umstände vorlagen, genügte das
objektiv auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
Ergebnis war also, dass ein Kaufpreisanspruch aus dem geschlossenen
Vertrag nicht besteht.
Das Gericht ging jedoch davon aus,
dass durch Überleitung der Praxis und
grundsätzliche Zurverfügungstellung
des Patientenstamms die Beklagte ungerechtfertigt bereichert war. Rechtsfolge der Bereicherung ist grundsätzlich die Herausgabe der Bereicherung
durch die Beklagte. Da aber die Herausgabe wegen der Beschaffenheit
des Erlangten vorliegend nicht möglich
war, war im konkreten Fall der Wert zu
erstatten, den die Beklage erhalten
Zum Einen zeigt es, dass die Vereinbarung von Kaufpreisen für Praxen nicht
völlig willkürlich erfolgen kann. Neben den berufsrechtlichen Grenzen
aus den verschiedenen Berufsordnungen der Landespsychotherapeutenkammern (vgl. auch § 24 Abs. 5 Musterberufsordnung) gelten die Grenzen
des BGB, konkret des § 138 BGB. Im
Rahmen von § 138 Abs. 2 aber muss
wegen dem auffälligen Missverhältnis
noch eine besondere subjektive Komponente hinzukommen.
Ist dies nicht der Fall, kann bei extremen Missverhältnissen zwischen
Leistung und Gegenleistung dennoch
Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1
BGB gegeben sein.
Natürlich kann andererseits das Urteil
nicht losgelöst von den Rahmenbedingungen gesehen werden. Die Besonderheit lag vorliegend nämlich darin,
dass die Praxis aus der Privatwohnung
des Veräußerers abgegeben wurde
und daher keinerlei materielles Vermögen, aber auch nicht die Mieträumlichkeiten übergeben werden konnten. Insofern war der relativ niedrige Wert
auch dieser Tatsache geschuldet. Vor
einer Verallgemeinerung dieses Urteils
muss also gewarnt werden.
Sicherlich wird aber dieses Urteil im
Rahmen der Diskussion über den Verkehrswert psychotherapeutischer Praxen seinen Platz finden.
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