Schuldenkrise nicht gelöst

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Interview
Moneymarkets
„Schuldenkrise nicht gelöst“
Norbert Keimling, Leiter Kapitalmarktforschung von Starcapital, über die Zinswende, die
Vorteile einer antizyklischen Anlagestrategie und ein langfristiges Dax-Ziel von 20 000 Punkten
Vita
Nobert
Keimling
Jahrgang 1979, leitet
die Kapitalmarktforschung von Starcapital
Nach seinem Studium
der Wirtschaftsinformatik startete
er seine berufliche
Laufbahn im quantitativen Research der
AMB Generali in Köln.
Seit 2004 ist er für die
Starcapital AG in
Oberursel tätig.
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FOCUS-MONEY: Sollten sich Anleger auf steigende Zinsen einstellen?
Norbert Keimling: Die Rentenmärkte befinden sich am
Beginn eines neuen Zinszyklus. Die Renditen sicherer
Staatsanleihen wie der amerikanischen T-Bonds oder
der deutschen Bundesanleihen sind im historischen Vergleich jedenfalls zu niedrig. Nach 30 Jahren sinkender
Zinsen sollte jetzt eine Phase mit steigenden folgen.
MONEY: Wann ist es denn so weit?
Keimling: Nicht sofort, wir rechnen nicht mit einem inflationären Umfeld und gehen eher noch von einem
längerem Zeitraum niedriger Zinsen aus. Wir empfehlen unseren Kunden deswegen Produkte mit Aktienbeimischung.
MONEY: Sind reine Rentenfonds im Angesicht einer
Zinswende überhaupt sinnvoll?
Keimling: Es wird für viele traditionelle Produkte schwierig werden, die Renditen der Vergangenheit fortzuschreiben. Die Zeiten, in denen Anleger mit Staatsanleihen ansehnliche und sichere Renditen erzielen konnten,
sind vorbei. Bei passiven Anlagestrategien in festverzinsliche Wertpapiere sollten Anleger deshalb aufpassen, denn im Moment muss man flexibel die Chancen
ergreifen, die es an den Märkten noch gibt.
MONEY: Wie machen Sie das?
Keimling: Bei unseren Rentenfonds stellen wir uns
schrittweise auf eine Zinswende ein, verfolgen also sicherheitshalber ein Worst-Case-Szenario. Unser Ziel ist
es, auch von steigenden Zinsen und fallenden Anleihenkursen zu profitieren. Deshalb haben wir in letzter Zeit
bereits die Restlaufzeit der in den Fonds befindlichen
Papiere auf drei Jahre zurückgefahren, um das Zinsänderungsrisiko möglichst klein zu halten. Zudem haben wir Kasse aufgebaut und das Anleihenportfolio
über den Verkauf von Bund-Futures abgesichert.
MONEY: Was unterscheidet Ihren Fonds StarCap SICAV
Winbonds+ von Wettbewerbsprodukten?
Keimling: Unser antizyklischer Ansatz. Im Jahr 2007 war
der Winbonds zum Beispiel überwiegend in Staatsanleihen investiert. In der folgenden Finanzkrise erhöhten wir 2008 den Anteil von Unternehmensanleihen
und konnten so überproportional von der Erholung
profitieren. 2011 nutzten wir Marktrückschläge für
einen Aufbau unserer Aktienpositionen von null auf
20 Prozent. Aktuell gehen wir Short-Positionen bei
langlaufenden Staatsanleihen ein. Antizyklische Entscheidungen sind selten populär, aber zahlen sich in der
Regel langfristig für unsere Investoren aus.
MONEY: Der Winbonds ist also mehr als ein Rentenfonds?
Keimling: Ja, wir können im Prinzip die ganze Klaviatur
der Märkte spielen und nutzen das auch aus. Insgesamt
favorisieren wir in den nächsten Jahren zum Beispiel
Value-Werte, und die finden sich auch als bis zu 20-prozentige Aktienbeimischung im Fonds.
MONEY: Für welchen Anlegertyp eignet sich dieser Fonds?
Keimling: Für defensive Anleger mit Investitionshorizont von mindestens drei Jahren. Der Winbonds bietet
eine ganzheitliche und sicherheitsorientierte Vermögensverwaltung. Der Kapitalerhalt steht im Zentrum
der defensiven Anlagestrategie.
MONEY: Wie befriedigen Sie das stark gewachsene
­Sicherheitsbedürfnis der Anleger?
Keimling: Der Sicherheitsbegriff muss neu definiert
werden. So wie lange Zeit Immobilienfonds als sicher
galten und die wirklichen Risiken unterschätzt wurden,
unterschätzten viele Anleger zuletzt die Risiken von
Anleihen und Edelmetallen. Aktien wurden auf Grund
der negativen Erfahrungen der letzten Jahre gemieden. Investoren extrapolieren Trends in die Zukunft,
und dies führt häufig zu Fehlentscheidungen. Wir suchen für unsere Anleger stets ein optimales Verhältnis
von Sicherheit, Rendite und Liquidität bei einer hohen
Transparenz.
MONEY: Wo sehen Sie langfristig die besten Chancen?
Keimling: Bei einem sehr langen Investmenthorizont
von über 20 Jahren sind Aktien einfach die rendite­
stärkste und unter Berücksichtigung von Inflation auch
die sicherste Anlageform. Da Aktien jedoch eine hohe
Volatilität mitbringen und Anleger selten 20 Jahre inves­
tieren, sind Anleger in einer ausgewogenen Mischung
aus Aktien und festverzinslichen Wertpapieren in der
Regel besser aufgehoben.
MONEY: Starcapital sieht den Dax 2025 bei 20 000
Punkten, warum?
Keimling: Ein Unternehmensgrundsatz von uns lautet: Prognosen sind Unsinn. Es existieren an den Märk­
ten jedoch Zusammenhänge zwischen Bewertung
und langfristigen Folgerenditen. Nimmt man die aktuelle Dax-Bewertung und schaut in die Vergangenheit, welche Folgerenditen auf eine vergleichbare Bewertung folgten, so kann man Szenarien berechnen.
Auf Basis der fundamentalen Bewertung ist im Jahr
2025 ein Dax-Stand von grob 20 000 Punkten durchaus
realistisch.
MONEY: Wo sehen Sie heute insgesamt die größten
Risiken?
Keimling: Die Börsen sind sehr politisch geworden, Notenbank-Ankündigungen treiben Märkte temporär
stärker als Fundamentalkennzahlen. Auch ein Wiederaufflammen der Staatsschulden- und Euro-Krise birgt
Risiken.
MONEY: Haben wir die Schuldenkrise denn nicht im
Griff?
Keimling: Nein, solange wir nicht einmal in Deutschland in der Lage sind, konjunkturstarke Jahre zum Abbau der Staatsschulden zu nutzen, und die Staatsverschuldung der meisten Industrieländer weiterhin steigt,
ist die Schuldenkrise nicht gelöst. Die Verschuldung
der meisten Industrieländer hat mittlerweile ein Niveau
erreicht, welches allein durch Wachstum oder Sparmaßnahmen nicht mehr abzubauen ist.
FOCUS-MONEY 40/2013
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